Deutschland zwischen 1950 und 2009 - Rainer Land Online Texte
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mit inflationären Tendenzen <strong>und</strong> vor der Rezession ein Angebotsüberhang festzustellen sind.<br />
Diese zyklische Überproduktion kann nicht die Ursache des Umbruchs sein, bestimmt aber<br />
seine Verlaufsform mit.<br />
Von Historikern werden Konzepte meist abgelehnt, die den Umbruch mit einem zentralen<br />
Prozess verbinden, es wird auf multiplen Ursachenfelder verwiesen (vgl. Jarausch 2004,<br />
2007). Steiner führt folgende Ursachen an: das Rekonstruktions- <strong>und</strong> Aufholpotenzial, die<br />
Angebotsbedingungen sich daher verschlechtert, die Sachkapitalintensität stieg, daher sank<br />
die Grenzproduktivität des Kapitals, der Preisauftrieb bei Öl <strong>und</strong> Rohstoffen verschlechterte<br />
die Verwertungsbedingungen, die Mobilität der Beschäftigten hat sich verringert, zunehmend<br />
gesättigte Konsumgütermärkte <strong>und</strong> anspruchsvollere Konsumenten förderten die Abkehr von<br />
Massenprodukten, das fordistische Produktionsmodell hat seine Grenzen erreicht. Zudem war<br />
die Deagrarisierung abgeschlossen <strong>und</strong> die Tertiarisierung begann (Steiner 2006: 346f). Aus<br />
unserer Sicht würden wir einigen der angeführten Ursachen zustimmen, anderen widerspre-<br />
chen; eine multiple Sicht auf einen historischen Umbruch ist aber sicher richtig.<br />
Wir wollen allerdings versuchen, in dem vielschichtigen Geschehen eine Unterscheidung zu<br />
treffen: Zunächst wäre theoretisch zu prüfen, ob (a) solche Prozesse identifiziert werden kön-<br />
nen, die einen lange funktionierenden Zusammenhang, das Regulationssystem des Teilhabe-<br />
kapitalismus, zwingend auflösen, also auch zu Suchprozessen nach einem Pfadwechsel zwin-<br />
gen. Das muss nicht so sein, könnte aber der Fall sein. Sie wären dann von solchen Prozessen<br />
(b) zu unterscheiden, die keine Erosion des Teilhabekapitalismus zur Folge gehabt hätten,<br />
aber unabhängig davon eine modifizierende Wirkung haben. Dann gehören in eine multiple<br />
Betrachtung natürlich auch Prozesse, die (c) zunächst selbst Folgen der Erosion des Teilhabe-<br />
kapitalismus sind, aber im Geschehen selbst wieder auf die ursächlichen Prozesse zurückwir-<br />
ken <strong>und</strong> die Gestalt des Umbruchs äußerlich erheblich gestalten könnten, während die eigent-<br />
lichen Ursachen verborgen bleiben. Im Folgenden werden wir versuchen, dies darzustellen.<br />
Dabei gehen wir davon aus, dass die in (3.3.) dargestellten negativen Skaleneffekte der Mas-<br />
senproduktion die eigentliche Ursache (a) der notwendigen Erosion des Teilhabekapitalismus<br />
sind, der sektorale Strukturwandel (2.1) ein daneben <strong>und</strong> unabhängiger historischer Vorgang<br />
(b) ist, der den Umbruchsverlauf nicht verursacht, aber mitbestimmt. Die im Teil 4 dargestell-<br />
ten Prozesse, die durch die Reaktionen der Akteure in Gang gesetzt werden: Suspendierung<br />
der produktivitätsorientierten Lohnpolitik, Unterfinanzierung der Sozialsysteme als Folge da-<br />
von, „neue“ Globalisierung in Form von Wettbewerbsstaaten <strong>und</strong> Deregulierung der Finanz-<br />
märkte, sind aus unserer Sicht Folgen (c), die selbst wieder Ursachen im Geschehen werden<br />
<strong>und</strong> die in hohem Maße die äußere Gestalt des Umbruchs bestimmen.<br />
<strong>Land</strong>, Busch <strong>2009</strong>-10, Teilhabekapitalismus