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Die Bedeutung von Karl Schuchardt für die Mund - Deutsche ...

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<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>von</strong> <strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Mund</strong>-Kiefer-<br />

Gesichtschirurgie<br />

N. Schwenzer, Tübingen/Ludwigsburg<br />

Der Geburtstag <strong>von</strong> <strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong> jährte sich am 24. Dezember des Jahres 2001 zum 100.<br />

Mal. Er hat <strong>die</strong> <strong>Mund</strong>-Kiefer-Gesichts- und plastische Chirurgie richtungweisend beein-<br />

flusst. Als langjähriger Direktor der Nordwestdeutschen Kieferklinik hat er seine großen<br />

Erfahrungen, <strong>die</strong> er im zweiten Weltkrieg als Leiter eines Lazarettes <strong>für</strong> Gesichtsverletzte in<br />

Berlin erworben hat, an seine Mitarbeiter weitergegeben und in zahlreichen Publikationen<br />

niedergelegt (Abb. 1).<br />

Lebenslauf<br />

Abb. 1 Prof. Dr.med. Dr.med.dent. <strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong><br />

<strong>Karl</strong> Albert <strong>Schuchardt</strong> wurde am 24. Dezember 1901 als Sohn eines Dentisten in<br />

Itzehoe/Holstein geboren. Nach Schulbesuch und Abitur stu<strong>die</strong>rte er Medizin und Zahn-<br />

medizin in Freiburg, Kiel und München. Er promovierte in Kiel 1928 zum Dr.med. und<br />

1930 zum Dr.med.dent. Nach 1 ½-jähriger zahnärztlicher Tätigkeit in eigener Praxis in<br />

Itzehoe begann er eine Facharzt-Weiterbildung im Rudolf-Virchow-Krankenhaus bei Prof.<br />

Waßmund, an der Charité bei Axhausen und in der II. Chirurgischen Abteilung des Kran-<br />

kenhauses in Neukölln bei Prof. Dencks. Er wurde danach Oberarzt bei Prof. Waßmund,<br />

1934 ließ er sich als Facharzt <strong>für</strong> Kieferchirurgie in Berlin nieder und übernahm <strong>die</strong> Leitung<br />

der kieferchirurgischen Abteilung im St. Norbert-Krankenhaus in Schöneberg. Mit Kriegs-


2<br />

beginn wurde er leitender Arzt eines großen Reservelazarettes <strong>für</strong> Gesichtsverletzte in<br />

Berlin-Tempelhof und zusätzlich im Hilfskrankenhaus Seebad-Mariendorf. Er verfügte da-<br />

durch über mehr als 300 Betten. Er habilitierte sich 1944 bei Prof. Hofer in Berlin.<br />

Nach dem Krieg wurde er in Personalunion Direktor der Nordwestdeutschen Kieferklinik<br />

mit 150 Betten im Allgemeinen Krankenhaus Eilbeck und Ordinarius <strong>für</strong> Zahn-, <strong>Mund</strong>- und<br />

Kieferheilkunde in der Universistätsklinik Hamburg-Eppendorf.<br />

Von 1946 bis 1957 musste er den Aufgaben eines Hochschullehrers und eines Chefarztes in<br />

zwei räumlich getrennten Institutionen gerecht werden, bis endlich im Herbst 1957 ein Neu-<br />

bau in Eppendorf mit 90 Betten, Poliklinik, Röntgenabteilung und Forschungseinrichtungen<br />

bezogen werden konnte.<br />

Nach 25jähriger Tätigkeit als Direktor der Klinik, während der er viele Zahnärzte ausgebil-<br />

det und Fachärzte weitergebildet hat, wurde <strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong> 1970 emeritiert. Es folgten<br />

noch mehrere Jahre operativer Tätigkeit in eigener Praxis in Hamburg. Er verstarb 83jährig<br />

am 5. April 1985.<br />

Wissenschaftliches Werk<br />

Sein wissenschaftliches Werk umfasst 120 Publikationen, 4 Monographien, 8 Handbuch-<br />

beiträge. Hervorzuheben sind der <strong>von</strong> ihm bearbeitete Kopfband der chirurgischen Opera-<br />

tionslehre <strong>von</strong> Bier-Braun-Kümmell sowie seine Beiträge in dem ophthalmologischen<br />

Standardwerk <strong>von</strong> van Thiel und dem chirurgischen Standardwerk <strong>von</strong> Zenker.<br />

Neben <strong>die</strong>sen <strong>für</strong> <strong>die</strong> plastische und Wiederherstellungschirurgie unseres Faches bedeut-<br />

samen Aktivitäten hat <strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong> unter anderem Lehrbuchbeiträge über <strong>die</strong> septischen<br />

Erkrankungen, <strong>die</strong> Lachgasanalgesie und <strong>die</strong> Lokalanästhesie erstellt, um nur einige wichtige<br />

Themen zu nennen.<br />

Richtungweisend <strong>für</strong> unser Fach war <strong>die</strong> 1954 begründete, bei Thieme herausgegebene Jahr-<br />

buchreihe “Fortschritte der Kiefer- und Gesichtschirurgie”, <strong>die</strong> später <strong>von</strong> seinen Schülern<br />

G. Pfeifer und N. Schwenzer bis 2000 weiter geführt wurde. Bedauerlicherweise hat <strong>die</strong><br />

<strong>Deutsche</strong> Gesellschaft <strong>für</strong> MKG-Chirurgie nach ihrem Zusammenschluss mit dem Berufs-<br />

verband im Jahre 2001 <strong>die</strong> Fortschritte als Kongressband in der bisherigen Form abgeschafft.


3<br />

<strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong> wurden zahlreiche Auszeichnungen im In- und Ausland verliehen, so 1966<br />

<strong>die</strong> Ehrendoktorwürde der Universität Helsinki, 1968 <strong>die</strong> Ernennung zum Senator der<br />

Leopoldina, 1971 <strong>die</strong> silberne Ehrennadel der deutschen Zahnärzteschaft und 1972 <strong>die</strong><br />

Paracelsus-Medaille.<br />

Neben einer 10jährigen Präsidentschaft der <strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>Mund</strong>-, Kiefer- und<br />

Gesichtschirurgie, <strong>die</strong> ihm <strong>die</strong> Ehrenpräsidentschaft verlieh, war er zwei Jahre Präsident der<br />

<strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft <strong>für</strong> Plastische und Wiederherstellungschirurgie, bei deren Gründung<br />

er zusammen mit Bürkle de la Camp maßgeblich mitgewirkt hat. Er trat hier vor allem da<strong>für</strong><br />

ein, dass der Organchirurg auch <strong>die</strong> sein Fach betreffende Plastische und Wiederher-<br />

stellungschirurgie betreiben soll und <strong>die</strong>s auch am besten kann. Dass <strong>die</strong>ser Gedanke auf<br />

fruchtbaren Boden gefallen ist, lässt <strong>die</strong> inzwischen auf mehr als 600 angestiegene Mit-<br />

gliederzahl <strong>die</strong>ser Gesellschaft erkennen. Aus der operativen Schule <strong>von</strong> <strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong><br />

sind zahlreiche Fachärzte, Ordinarien und leitende Ärzte hervorgegangen, deren Schüler<br />

inzwischen über ganz Deutschland verteilt sind.<br />

Zweifellos sind <strong>Schuchardt</strong>s Ver<strong>die</strong>nste <strong>für</strong> <strong>die</strong> Plastische und Wiederherstellungschirurgie<br />

unseres Fachgebietes breit gefächert und daher besonders hervorzuheben. Sie basieren auf<br />

der großen Erfahrung mit Gesichtsverletzten und sind untrennbar mit der Rundstiellappen-<br />

plastik verbunden. Jedoch hat <strong>Schuchardt</strong> immer darauf hingewiesen, dass auch <strong>die</strong><br />

Knochenchirurgie ein fester Bestandteil der plastischen Gesichtschirurgie darstellt und <strong>von</strong><br />

ihr nicht zu trennen ist.<br />

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> Nordwestdeutsche Kieferklinik<br />

eine der ersten in Deutschland war, <strong>die</strong> eine eigene Anästhesieabteilung hatte, was <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Entwicklung moderner Operationsverfahren eine wichtige Voraussetzung darstellte.<br />

Weichgewebetransplantation<br />

Der Name <strong>Schuchardt</strong> ist untrennbar mit der Rundstiellappenplastik verbunden, <strong>die</strong> jahre-<br />

lang bis zur Verbreitung des mikrochirurgischen Gewebetransfers in vielfältiger Weise zur<br />

Defektdeckung benutzt wurde. <strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong> gebührt das Ver<strong>die</strong>nst, das <strong>von</strong> Filatov


4<br />

(1922) inaugurierte Verfahren kultiviert und <strong>die</strong> verschiedenen Indikationen herausgearbeitet<br />

zu haben. In der 1944 beim Thieme-Verlag erschienenen Monographie sind <strong>die</strong> rekonstruk-<br />

tiven Möglichkeiten anhand einschlägiger Fälle dargestellt (<strong>Schuchardt</strong> 1944) (Abb. 2 u. 3).<br />

Abb. 2 a 20-jährige nach Bestrahlung<br />

eines Hämangioms<br />

der rechten Gesichtsseite<br />

Abb. 2 c Zustand nach 6 Jahren<br />

Abb. 2 b Einlagerung eines Rundstiellappens <strong>von</strong> der<br />

rechten Flanke


Abb. 3a Gaumendefekt nach Resektion eines Gaumenkarzinoms<br />

5<br />

G. Pfeifer, sein Nachfolger im Amt, und Mitarbeiter (1976) berichteten über 600 Rundstiel-<br />

lappen, aber auch über 2500 Weichteil- und 3500 Hartgewebetransplantationen und eine<br />

Vielzahl <strong>von</strong> Nahlappenplastiken. <strong>Die</strong> biologischen Grundlagen der Rundstiellappenplastik,<br />

insbesondere <strong>die</strong> Gefäßversorgung, hat später Lentrodt (1969) in einer experimentellen<br />

Stu<strong>die</strong> erarbeitet.<br />

Anlässlich des 80. Geburtstages <strong>von</strong> K. <strong>Schuchardt</strong> hat G. Pfeifer (1982) <strong>die</strong> zahlreichen<br />

Operationsverfahren noch einmal zusammenfassend gewürdigt.<br />

Abb. 3b Zustand nach Defektdeckung mit einem Rundstiellappen<br />

<strong>von</strong> der Flanke<br />

Auch <strong>die</strong> freie Transplantation <strong>von</strong> Vollhaut, Spalthaut und Schleimhaut wurde <strong>von</strong> <strong>Karl</strong><br />

<strong>Schuchardt</strong> standardisiert und kultiviert. Er entwickelte ein Dermatom sowie eine sogen.<br />

„<strong>Schuchardt</strong>-Kugel“ zur Präparation <strong>von</strong> Voll- und Spalthautlappen. Mit dem sogen. Über-<br />

knüpfverband und der Fixierung <strong>von</strong> in <strong>die</strong> Orbita transplantierter Spalthaut- oder Schleim-<br />

hautlappen mit speziellen Pelotten wurde das Transplantat zuverlässig adaptiert (Abb. 4).<br />

<strong>Die</strong>se Verfahren ergaben sich auch aus den zahlreichen Brandverletzungen im Berliner Laza-<br />

rett (<strong>Schuchardt</strong> 1949). Basierend auf den Erfahrungen mit Gesichtsverbrennungen ist auch<br />

<strong>die</strong> <strong>von</strong> <strong>Schuchardt</strong> angegebene Methode zur <strong>Mund</strong>spaltenerweiterung zu sehen (Abb. 5).


Abb. 4 a Augenverlust und narbige<br />

Schrumpfung der<br />

linken Orbita<br />

6<br />

Abb. 4 b Schleimhauttransplantat<br />

mit Kunststoffpelotte zur<br />

Transplantatadaptation in<br />

der Orbita<br />

Abb. 4 c Kunststoffpelotte in situ<br />

Abb. 4 d Zustand nach Insertion <strong>von</strong> Augenprothesen


Abb. 5 a Mikrostoma nach Pockeninfektion<br />

Traumatologie<br />

7<br />

<strong>Die</strong> Fixierung frakturierter Skelettanteile gehörte ebenfalls zu den Hauptaufgaben eines<br />

Kriegschirurgen, durch Schienung des Ober- und Unterkiefers und Fixierung des Mittelge-<br />

sichtes an der Schädelbasis. Seinerzeit erfolgte <strong>die</strong> Kieferschienung mit Drahtbögen, <strong>die</strong> an<br />

den Zähnen anligiert wurden. Das Mittelgesicht wurde mit Kopfgips und extraoralen Bügeln,<br />

<strong>die</strong> an der Oberkieferschiene mit sogen. Vierkantkanülen verbunden waren, zur Schädelbasis<br />

hin fixiert. <strong>Die</strong> Nachteile der einfachen Drahtschienen, <strong>die</strong> fast immer auf den Gingivalsaum<br />

drückten bzw. den Zahnschmelz beschädigten, wurde durch <strong>die</strong> sogen. Drahtbogenkunst-<br />

stoffschiene beseitigt (<strong>Schuchardt</strong> 1956) (Abb. 6). <strong>Die</strong> den Kauflächen aufliegenden<br />

Sprossen, <strong>die</strong> das Abrutschen auf den Gingivalsaum verhinderten, wurden erst nach<br />

Beschicken der Drahtligaturen mit Kunststoff abgetrennt. In einer Modifikation können<br />

<strong>die</strong>se Schienen auch auf dem Modell vom Techniker hergestellt werden.<br />

Abb. 6 Drahtbogenkunststoffschiene nach <strong>Schuchardt</strong><br />

Abb. 5 b Zustand 10 Jahre nach<br />

<strong>Mund</strong>winkelerweiterung


8<br />

Bei Sagittalfrakturen im Oberkiefer haben <strong>die</strong> Mitarbeiter <strong>von</strong> <strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong> durch eine<br />

Gaumenplatte aus selbsthärtendem Kunststoff <strong>die</strong> quer gespannten Drahtligaturen verstärkt<br />

(Schwenzer 1961). Immer wieder propagiert wurde beim Gesichtsschädeltrauma das Vor-<br />

gehen „<strong>von</strong> innen nach außen“. <strong>Die</strong> vorgenannten Schienungsmethoden wurden auch<br />

routinemäßig in der kieferorthopädischen Chirurgie angewendet.<br />

Mit einer operativen Freilegung beider Stirnbeinpfeiler bei einer Pseudarthrose nach Mittel-<br />

gesichtsfraktur Anfang der 60er Jahre durch <strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong> begann <strong>die</strong> Ära der Osteo-<br />

synthesen. Mitarbeiter <strong>von</strong> <strong>Schuchardt</strong> befassten sich experimentell und klinisch mit der<br />

operativen Frakturbehandlung (Schwenzer 1967, Luhr 1972, Spiessl 1988).<br />

Kieferorthopädische Chirurgie<br />

Bei der Korrektur <strong>von</strong> Kieferfehlstellungen ist der Name <strong>Schuchardt</strong> unter anderem vor<br />

allem mit folgenden Operationen verbunden (<strong>Schuchardt</strong> 1942, 1954, 1955, 1958):<br />

Der Korrektur der Progenie (mandibuläre Prognathie), der Retromandibulie, der Prognathie<br />

(maxilläre Protrusion) und des frontal offenen Bisses. Bei der Osteotomie des aufsteigenden<br />

Astes gebührt <strong>Schuchardt</strong> das Ver<strong>die</strong>nst, <strong>die</strong> <strong>von</strong> den Tübinger Chirurgen Perthes und<br />

Schlössmann <strong>von</strong> außen durchgeführte schräge Osteotomie des Ramus <strong>von</strong> intraoral durch-<br />

geführt zu haben (Abb. 7). Wie in einem größeren Krankengut nachgewiesen werden konnte,<br />

waren Sensibilitätsstörungen nach der schrägen Osteotomie wesentlich geringer als bei<br />

sagittalen Spaltungen (Schmelzle 1982, Sack 2000).


9<br />

Abb. 7 a Akromegalie Abb. 7 b Zustand nach schräger Osteotomie und<br />

Rückverlagerung des Unterkiefers<br />

<strong>Die</strong> Alveolarfortsatzosteotomien zur Korrektur des protru<strong>die</strong>rten Oberkieferfrontzahn-<br />

segmentes ist mit den Namen <strong>Schuchardt</strong> und Köle verbunden. Ebenso wurde das Hoch-<br />

setzen der Seitenzahnregion zur Korrektur des offenen Bisses, zunächst aus Sicherheits-<br />

gründen als zweizeitige Operation empfohlen, <strong>von</strong> <strong>Schuchardt</strong> inauguriert. Dadurch wurde<br />

<strong>die</strong> Segmentosteotomie in der orthopädischen Chirurgie richtungweisend geprägt (Abb. 8).


Abb. 8 a Frontal offener Biss bei einem 18-jährigen<br />

Mädchen, extraoraler Befund<br />

10<br />

Abb. 8 b extraoraler Befund nach Hochsetzen der<br />

Seitenzahnblöcke und Kinnvorverlagerung<br />

Abb. 8 c intraoraler Befund präoperativ Abb. 8 d intraoraler Befund postoperativ<br />

Spaltchirurgie<br />

Kieferfehlstellungen nach Spaltverschluss führten Mitte und Ende der 50er Jahre dazu, <strong>die</strong><br />

Kieferspalte im Rahmen des Lippenverschlusses mit Knochen zu überbrücken. Auch<br />

<strong>Schuchardt</strong> und Mitarbeiter schlossen sich dem Vorgehen, das <strong>von</strong> Nordin und Johanson


11<br />

1955 empfohlen worden war, an. <strong>Die</strong> Einlagerung <strong>von</strong> Rippenspänen zur Überbrückung der<br />

Kieferspalte sollte vor allem <strong>die</strong> knöcherne Kontinuität herstellen und das Einwachsen spalt-<br />

naher Zähne ermöglichen. Wie sich später zeigte, erfüllten sich <strong>die</strong>se Hoffnungen nicht.<br />

Allerdings hat <strong>Schuchardt</strong> mit seinen Mitarbeitern G. Pfeifer und O. Kriens <strong>für</strong> <strong>die</strong> moderne<br />

Spaltbehandlung wichtigen Anstoß gegeben. Hier seien vor allem der Wellenschnitt und <strong>die</strong><br />

Velumplastik genannt.<br />

Hervorzuheben ist auch <strong>Schuchardt</strong>s Vorgehen bei seltenen Gesichtsspalten, das im Ab-<br />

schnitt „Plastische Chirurgie“ im Handbuch <strong>von</strong> Häupl-Meyer-<strong>Schuchardt</strong> (1964) dar-<br />

gestellt ist, und bei der Bewältigung <strong>die</strong>ser mitunter schwierigen Aufgabe äußerst hilfreich<br />

ist (Abb. 9).<br />

Abb. 9 Quere Gesichtsspalte


Ästhetische Chirurgie<br />

12<br />

Zweifellos hat sich ein so erfahrener Operateur wie <strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong> auch mit der ästheti-<br />

schen Gesichtschirurgie befasst. Er hat u.a. maßgeblich zur Verbesserung der Schnittführung<br />

beim Face lift beigetragen und seinen Schülern ein einfaches Verfahren zur seitengleichen<br />

Exzision der überschüssigen Haut vermittelt. Auch wies er schon damals darauf hin, dass<br />

außer der Haut auch <strong>die</strong> Muskelschicht gestrafft werden muss.<br />

Sein Gefühl <strong>für</strong> Ästhetik zeigte sich auch immer wieder bei der Defektdeckung im Gesicht<br />

durch Nahlappen. Hier seien z.B. <strong>die</strong> Wangenrotation und auch <strong>die</strong> Verwendung <strong>von</strong> Stirn-<br />

lappen genannt. Bei der Ohrmuschelplastik empfahl er <strong>die</strong> Knorpelschwächung mit Hilfe<br />

<strong>von</strong> kleinen Stahlbürsten, sodass eine Formung in der gewünschten Weise ermöglicht wurde<br />

(Schwenzer u. <strong>Schuchardt</strong> 1965) (Abb. 10).<br />

Abb. 10 a Abstehende Ohrmuscheln bei einer 6-jährigen<br />

Abb. 10 b Zustand bei der jetzt 20-jährigen Patientin. <strong>Die</strong><br />

Korrektur erfolgt durch Schwächung des<br />

Knorpels mit rotierenden Stahlbürsten, Faltung<br />

des Knorpels und anschließender Fixation mit<br />

über Gazeröllchen geknüpften Fäden.<br />

Seine engen freundschaftlichen und fachlichen Beziehungen zu plastischen Chirurgen in<br />

aller Welt, vor allem zu Gustav Aufricht in New York und Sanvenero-Roselli in Mailand<br />

führten zu einem ständigen Gedankenaustausch über Neuerungen in der plastischen und<br />

ästhetischen Gesichtschirurgie.


13<br />

In dem Schlusswort seiner Monographie über <strong>die</strong> Rundstiellappenplastik schreibt <strong>Karl</strong><br />

<strong>Schuchardt</strong>: „Von entscheidender <strong>Bedeutung</strong> aber <strong>für</strong> <strong>die</strong> Lösung der mannigfaltigen Auf-<br />

gaben in der Wiederherstellungschirurgie des Gesichts-Kieferbereiches sind Phantasie und<br />

Formempfinden, welche dem Schaffen des damit begnadeten Chirurgen Erfolg und Befrie-<br />

digung sichern.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.<br />

Zusammenfassung<br />

Anlässlich der 100. Wiederkehr des Geburtstages <strong>von</strong> <strong>Karl</strong> <strong>Schuchardt</strong> wird ein Überblick<br />

über <strong>die</strong> zahlreichen <strong>von</strong> ihm angegebenen Operationsverfahren gegeben. Sie reichen <strong>von</strong><br />

der Traumatologie über <strong>die</strong> Kieferorthopädische Chirurgie bis zur plastischen und ästheti-<br />

schen Chirurgie. Seine Schüler und wiederum deren Schüler haben seine Ideen umgesetzt<br />

und auch weiter entwickelt, wodurch das Fachgebiet der <strong>Mund</strong>-Kiefer-Gesichtschirurgie und<br />

plastischen Chirurgie richtungweisend beeinflusst wurde.


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London Paris Tokyo<br />

Kontaktadresse:<br />

Prof. Dr.Dr.med. Dr.h.c.mult. N. Schwenzer<br />

Burgholzweg 85/1<br />

72070 Tübingen<br />

e-mail: norbert.schwenzer@uni-tuebingen.de

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