Bildung und Beratung im Unternehmen - LernNetz Berlin ...
Bildung und Beratung
im Unternehmen
Das Projekt „Krisenzeit ist Lernzeit“
1. Hintergrund und
Rahmenbedingungen
Gut qualifi zierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
sind für Betriebe aller Branchen ein Schlüssel zum
wirtschaftlichen Erfolg. Seit Jahren steigen die Anforderungen
an die Qualifi kationen der Beschäftigten
aufgrund zunehmender Spezialisierung und
größerer Komplexität der Arbeitsabläufe. Betriebe
müssen in ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
investieren, um sie passgenau auf ihre Tätigkeit
hin zu qualifi zieren. Sich unter Konkurrenzdruck
stetig weiter entwickelnde Produktionen und das
notwendige Erschließen neuer Absatzmärkte erfordern
eine beständige Aktualisierung an Wissen
und Fertigkeiten.
Der vielbeschworene Fachkräftemangel macht es
den Betrieben zusätzlich schwer, Arbeitskräfte mit
der entsprechenden Grundqualifi kation zu fi nden
und diese auch langfristig an das Unternehmen zu
binden. Das Nachsehen haben hier oft die Kleinstund
Kleinunternehmen, zunehmend aber auch die
Betriebe mittlerer Größe. Wer seinen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern wenig bietet und keine
Weiterentwicklung z.B. anhand von Qualifi zierungen
ermöglicht, riskiert die Abwanderung der besten
Leute – die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte
Krisenzeit ist Lernzeit
macht es möglich. Große Unternehmen bieten Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern oft attraktivere
Perspektiven.
Die sich abzeichnende Überalterung der Gesellschaft
wird dazu führen, dass die Menschen bis zu
einem höheren Lebensalter arbeiten werden. Die
Betriebe sind darauf angewiesen, das Potential der
älteren Belegschaften zu fördern und zu erhalten
– ein Aspekt, der derzeit noch nicht in den Köpfen
der Unternehmensleitungen angekommen ist.
Denn noch immer nehmen ältere Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer unterdurchschnittlich an
Weiterbildung teil. Auch durch die Weiterbildung
formal gering qualifi zierter Beschäftigter kann
noch viel - bisher wenig genutztes - Potential aufgebaut
werden.
Hemmnisse betrieblicher Weiterbildung
Studien zeigen, dass Kleinst- und Kleinunternehmen
unterdurchschnittlich in die Weiterbildung ihrer
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren.
Die Gründe hierfür sind vielfältig. An vorderster
Stelle werden jedoch immer die fehlenden personellen
Kapazitäten für die Planung von Weiterbildungsangeboten
genannt – die Mehrzahl der kleinen
Betriebe hat keine/n eigens für diese Aufgabe
abgestellte/n Mitarbeiter/in, geschweige denn
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Krisenzeit ist Lernzeit
eine eigene Personalabteilung. Zudem spielt die
Mittelsituation dieser Betriebe häufi g eine Rolle:
Aufgrund knapper fi nanzieller Ressourcen wird nur
in Weiterbildung investiert, wenn es sich unmittelbar
rechnet, z.B. bei der Einführung einer neuen
Maschine, die bedient werden muss oder im Rahmen
der Umstellung auf ein aktuelles Computersystem.
Strategische Personalentwicklung fi ndet
nicht statt, die Betriebe hecheln gewissermaßen
den an sie gestellten Anforderungen hinterher. Sie
agieren nicht, sondern reagieren, ein riskanter Befund
für das Personalmanagement als Schaltstelle
wirtschaftlichen Erfolgs.
Auch der Zeitfaktor spielt eine Rolle bei der Frage
„Qualifi zieren ja oder nein?“. Eine Mitarbeiterin
oder ein Mitarbeiter, die/der an einer Weiterbildung
teilnimmt, fällt im Betrieb aus. Unternehmen
mit nur wenigen Beschäftigten, die zudem
noch hoch spezialisiert sind, können diesen Ausfall
nicht ersetzen. Umso naheliegender ist es, dann
zu qualifi zieren, wenn die Auftragslage schlecht ist
– sozusagen antizyklisch. Das widerspricht zwar
im ersten Moment der unternehmerischen Logik,
macht aber Sinn.
Ein richtiger Ansatz mit mäßigem Erfolg
Diesen Aspekt hat auch die Bundesregierung mit
den Maßnahmen zur Förderung der betrieblichen
Weiterbildung im Zusammenhang mit der Kurzarbeit
im Rahmen des Konjunkturpakets II im Januar
2009 aufgegriffen. Nach dem Prinzip „Qualifi zieren
statt entlassen“ wurde Unternehmen mit umfangreichen
fi nanziellen Unterstützungsmaßnahmen
die Möglichkeit gegeben, ihre sich in Kurzarbeit
befi ndlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzubilden.
Die Zeit der Krise sollte genutzt werden,
um die Beschäftigten gezielt zu qualifi zieren
und gestärkt aus der schlechten Wirtschaftslage
hervorzugehen.
Ein richtiger Ansatz, der jedoch in der Praxis nicht
die erwartete Wirksamkeit entfaltete. Zu wenige
Unternehmen machten von den neu geschaffenen
Möglichkeiten der geförderten Qualifi zierungen
Gebrauch. In den ersten vier Monaten des Jahres
2009 nutzten nur rund 5 % aller kurzarbeitenden
Berliner Betriebe Qualifi zierungsmöglichkeiten
während der Zeit der Kurzarbeit. Nur wenigen
Unternehmen waren die Möglichkeiten der Qualifi
zierung im Zusammenhang mit der Kurzarbeit
bekannt. Als zu hoch wurden die bürokratischen
Hürden der Beantragung eingeschätzt, als zu gering
der Nutzen von Qualifi zierungen. Nicht selten
haben auch die einzelnen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter den Wert einer Weiterbildung während
der Kurzarbeit nicht erkannt und zeigten
sich dementsprechend wenig offen, die „Freizeit“
während der Kurzarbeit in einem Seminarraum zu
verbringen.
In dieser Gemengelage aus Informationsdefi ziten,
Motivationsfragen und zeitlichen Engpässen auf
der Leitungsebene der Betriebe kommt das Projekt
„Krisenzeit ist Lernzeit“ ins Spiel.
2. Das Projekt „Krisenzeit ist
Lernzeit“
Das übergreifende Ziel des Projekts „Krisenzeit ist
Lernzeit“ war von Beginn an die Erhöhung der Anzahl
an Unternehmen, die ihre Beschäftigten weiterbilden
– vor allem während der Zeit der Kurzarbeit.
Die richtigen Kooperationen
Die Besonderheit des Projekts – die Konzentration
auf die sich in Kurzarbeit befi ndlichen Unternehmen
– machte die Zusammenarbeit mit dem
Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit zu ei-
Krisenzeit ist Lernzeit
nem wichtigen Erfolgsfaktor, denn dort gehen die
Anträge auf Kurzarbeit ein. Im Gegensatz zu vielen
anderen Beratungsprojekten für Unternehmen
mussten die Beraterinnen und Berater in diesem
Projekt keine Kaltakquise betreiben, sondern sind
im Tandem mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
der Agentur in die Betriebe gegangen. Auch
die sehr enge Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsförderungen
der jeweiligen Berliner Bezirke
Steckbrief „Krisenzeit ist Lernzeit“
Laufzeit:
01.06.2009 bis 31.12.2010
Zielgruppe:
Kleinst- und Kleinunternehmen
Personal:
4 Berater/innen
Förderung:
Senatsverwaltung für Integration, Arbeit
und Soziales, Referat Berufl iche Qualifi zierung
aus Mitteln des Konjunkturpakets II
www.krisenzeit-ist-lernzeit.de
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Krisenzeit ist Lernzeit
führte gegenüber dem Projekt zu einem Vertrauensvorschuss
seitens der Unternehmen – auch
dies ein klarer Erfolgsfaktor!
Bildungsberatung oder
Qualifi zierungsberatung?
Die Vermutung, dass – nach anfänglichem Kontakt
mit der Unternehmensleitung – die Beratung
einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt,
stellte sich schnell als unrealistisch heraus. In der
Mehrzahl der Fälle wurde die Unternehmensleitung
selber beraten, die Weiterbildungsbedarfe
der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
über die Leitung ver- bzw. gemeinsam ermittelt.
Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu Angeboten
der Bildungsberatung: Letztere hat immer
die ganz persönliche Situation des einzelnen Menschen
mit seinen Voraussetzungen und Wünschen
im Fokus. Die Qualifi zierungsberatung, die sich an
Mitarbeitende in Unternehmen richtet, fi ndet im
betrieblichen Kontext statt und ist daher geprägt
von den Erfordernissen und Zielen des jeweiligen
Unternehmens – und diese wiederum werden gerade
in Kleinst- und Kleinunternehmen in erster
Linie durch die Unternehmensleitung bestimmt.
Wie läuft eine Qualifi zierungsberatung ab?
Die Beratung erfolgt immer vor Ort im Unternehmen.
Nach einer anfänglichen Klärung des Bedarfs
Clemens Mücke
Wirtschaftsförderung
im Bezirksamt Neukölln
„Mit Beginn
der weltweiten
Wirtschaftskrise
hat die bezirklicheWirtschaftsförderung
den kleinen
und mittleren
Unternehmen
(KMU) im Bezirk
verstärkt Unterstützung
und Beratung
angeboten. Das
Bezirksamt hat die Unternehmen zu den
Maßnahmen aus dem Konjunkturprogramm
intensiv beraten und sich aktiv
an Projekten beteiligt.
Mit dem Projekt „Krisenzeit ist Lernzeit“
konnte dieser Service zielgerichtet
unterstützt werden. Somit können die
Betriebe beschäftigungsarme Zeiten für
notwendige Anpassungsqualifi zierungsmaßnahmen
nutzen und sich auf neue
Herausforderungen vorbereiten. Die Beratung
umfasst zusätzlich die Auswahl
von zertifi zierten Bildungsmaßnahmen
in der Region und die Beantragung von
Fördermitteln.“
Jürgen Bielert
Geschäftsführer Operativ der
Agentur für Arbeit Berlin Süd
„Qualifi zierung
während
der Kurzarbeit
wurde von
Unternehmen
zur Sicherung
ihrer Fachkräfte
intensiv genutzt.
Darüber
hinaus stellte
das zusätzliche
Beratungsangebot
vor Ort eine
gute Ergänzung zu den Unterstützungsmöglichkeiten
der Arbeitsagentur dar.
Insgesamt ist es uns so gemeinsam gelungen,
die Chancen der Wirtschaftskrise
im Berliner Süden zur Qualifi zierung
von Mitarbeitern in betroffenen Betrieben
zu nutzen. Damit konnte ein wichtiger
Beitrag zur Fachkräftesicherung
bei ansässigen Unternehmen geleistet
werden.“
Krisenzeit ist Lernzeit
und der Unternehmenslage wird gemeinsam mit
der Unternehmensleitung und ggf. mit dem Betriebsrat
eine Zielvereinbarung getroffen, in der
Beratungsinhalte und der Prozess festgelegt werden.
Die anschließende Beratung kann – je nach
Situation – mehrere Inhalte in Abfolge enthalten.
Von der Sensibilisierung der Unternehmen, die
den Nutzen von Qualifi zierung für sich noch nicht
erkannt haben, über die Fördermittelberatung bis
hin zur Bildungsbedarfsanalyse reicht das Spektrum.
Sobald geklärt ist, dass weitergebildet werden
soll und die Inhalte feststehen, beginnt die
detaillierte Weiterbildungsplanung.
Bei der Suche nach geeigneten Bildungsanbietern
nutzen die Beraterinnen und Berater Instrumente
wie die Weiterbildungsdatenbank Berlin und
KURSnet. Die Beratung ist absolut trägerneutral,
daher sind die Beraterinnen und Berater bemüht,
mehrere mögliche Bildungsdienstleister in
die engere Auswahl zu nehmen. Das ist nicht immer
leicht, sind doch die Angebote oft schwer mit
den Voraussetzungen, die die Unternehmen mitbringen,
in Einklang zu bringen (vgl. hierzu auch
Punkt 4. „Qualitative Ergebnisse“). Ist ein passendes
Bildungsangebot gefunden, unterstützen die
Beraterinnen und Berater des Projekts ggf. auch
bei der Antragstellung zur Finanzierung der Qualifi
zierungen. Diese bürokratische Hürde ist für viele
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Krisenzeit ist Lernzeit
Unternehmen zu hoch, daher ist der Service ein
wichtiger Bestandteil der Beratungsleistung, will
man das Projekt zum Erfolg und die Unternehmen
in die Qualifi zierung bringen.
Zum Abschluss des Beratungsprozesses erfolgt
eine Evaluation mit einem eigens entwickelten
Fragebogen. Die Ergebnisse dieser Befragungen
dienen dem Projekt als wichtige Hinweise in Bezug
auf die Weiterentwicklung der Beratungsleistung.
WeGebAU spielt eine große Rolle
Schnell zeigte sich, dass – obschon sich die Unternehmen
in Kurzarbeit befanden – auch andere
Finanzierungsinstrumente für Qualifi zierungen in
die Beratung einfl ießen. Ein sehr häufi g genutztes
Instrument während der Projektlaufzeit war das
Programm WeGebAU, das sich vorrangig an formal
gering qualifi zierte und ältere Beschäftigte richtet.
Rund drei Viertel aller im Projektzeitraum durchgeführten
Qualifi zierungen fanden im Rahmen des
WeGebAU-Programms statt. Häufi g fungierte die
Beratung zur Qualifi zierung während der Kurzarbeit
als Anlass, um dann über weitergehende Qualifi
zierungsmöglichkeiten im Betrieb zu sprechen.
WeGebAU erwies sich hier als ein sehr geeignetes
Instrument, das dem Bedarf vieler Unternehmen
entgegenkommt.
Durchgeführte Qualifi zierungsmaßnahmen
KuG/ WeGebAU
Stand: Oktober 2010
74,7%
25,3%
� KuG � WeGebAU
Gute Beraterinnen und Berater
sind ein Schlüssel zum Erfolg
Eine gelungene Qualifi zierungsberatung hängt im
wesentlichen Maße von der Kompetenz der Beraterinnen
und Berater ab. Hierzu zählen Fachwissen
über Bildungsangebote und -inhalte ebenso
wie beraterische Fähigkeiten und Kenntnisse der
Fördermöglichkeiten und Programme. Bei Beratungsangeboten,
die sich an Unternehmen richten,
kommt noch eine weitere Fähigkeit hinzu: das
Beratungsablauf im Projekt „Krisenzeit ist Lernzeit“
Information und Bedarf
Wirtschaft, Arbeit, Bildung;
Sensibilisierung, Zugang
Betriebe, Förderstrukturen
Sensibilisierung
Standards zur Gestaltung
der Beratungsleistung,
Methoden, Instrumente
Beratungsstandards
Fördermittelinformation
und -beratung
organisationsbezogener
Beratungsprozess
Bedarf und Unternehmenssituation
klären
Zielvereinbarung: Beratungsinhalte
und -prozess festlegen
Bildungsbedarfsanalyse
Auftragsabschluss, Bewertung
und Feedback
ggf. Meldung
an Agentur für Arbeit
Weiterbildungsplanung
Leitbild und Definition einer gelungenen Qualifizierungsberatung
Auftrag, Werte, Projektziele, Kund/innen, Fähigkeiten, Ressourcen
Krisenzeit ist Lernzeit
Personal
Qualifikationen,
Kompetenzen,
Personalentwicklung
Service
Antragstellung
Bewertung der
Beratungsleistung
(Qualitätsindikatoren)
© Qualitätskonzept für die Qualifi zierungsberatung, k.o.s GmbH Berlin
Spezifi sche Anwendung im Projekt „Krisenzeit ist Lernzeit“, erarbeitet in Zusammenarbeit mit dem LNBB e.V.
Evaluation
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Krisenzeit ist Lernzeit
Sich-Hineindenken-Können in die Situation einer
Unternehmerin oder eines Unternehmers. Nur wer
deren Sprache versteht und spricht, kann im Unternehmen
auch überzeugen.
Die Beraterinnen und Berater im Projekt „Krisenzeit
ist Lernzeit“ haben vor Beginn der Beratungen
eine vierwöchige Qualifi zierung mit einem eigens
für das Projekt erarbeiteten Curriculum durchlaufen.
Eine Investition, die sich gelohnt hat!
3. Quantitative Ergebnisse
Insgesamt 120 Unternehmen wurden seit Beratungsbeginn
am 1. September 2009 durch das
Projekt „Krisenzeit ist Lernzeit“ in 180 Vor-Ort-
Besuchen beraten.
Wie an anderer Stelle bereits herausgestellt, benötigen
insbesondere kleinere Unternehmen externe
Unterstützung bei der Weiterbildungs- und
Qualifi zierungsplanung und bei der Beantragung
von Fördermitteln. Hier konnte das Projekt „Krisenzeit
ist Lernzeit“ in Zusammenarbeit mit den
Agenturen für Arbeit große Erfolge erzielen. Die
Zuordnung der Unternehmen in Größenklassen
zeigt eine hohe Anzahl an beratenen Kleinstunternehmen
sowie von kleinen Unternehmen mit einer
Beschäftigtenzahl zwischen 10 und 49 Personen.
Bernd Tillmann
Geschäftsführer
Biokonditorei Tillmann
18 Beschäftigte
„Der ausschlaggebende Faktor unsere
Beschäftigten weiterzubilden war für
uns, den entsprechenden Mitarbeitern
die Möglichkeit zu geben, sich in ihrem
Arbeitsbereich das nötige Wissen
anzueignen. Veränderungen im Liefergeschäft
und das Wachstum der Firma
zeigten Auswirkungen auf die Arbeit der
Kraftfahrer und daher wurde eine Qualifi
zierung ins Auge gefasst.“
Ricardo Markowz
Schlosserei und Schlüsseldienst
Markowz
4 Beschäftigte
„Parallel zur Kurzarbeit hat es sich
angeboten, über Weiterbildung nachzudenken.
Man will ja weiter lernen und
weiterkommen. Wir waren in der Situation,
uns nach neuen Kunden umsehen
zu müssen, und Wissen über Marketing
war bei uns noch rar. Der Berater vom
Projekt „Krisenzeit ist Lernzeit“ hat sich
dann bei uns gemeldet und uns über die
Kurzarbeit und über die Möglichkeiten
zur Weiterbildung informiert.“
Krisenzeit ist Lernzeit
Insgesamt über drei Viertel der beratenen Unternehmen
gehören zu diesen beiden Gruppen.
Betriebsgröße der Unternehmen
20%
4
33%
43%
� Kleinstunternehmen (< 10 Beschäftigte)
� Kleine Unternehmen (10-49 Beschäftigte)
� Mittlere Unternehmen (50-249 Beschäftigte)
� Große Unternehmen (> 250 Beschäftigte)
Stand: Oktober 2010
Die durch das Projekt „Krisenzeit ist Lernzeit“ beratenen
Unternehmen kommen aus unterschiedlichen
Branchen des tertiären und sekundären
Sektors. Knapp ein Drittel der Unternehmen ist
im verarbeitenden Gewerbe oder der sonstigen
Industrie tätig. Gerade diese Branche hatte wäh-
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Krisenzeit ist Lernzeit
rend der Wirtschaftskrise erhebliche Einbußen zu
verzeichnen. Weiterhin betroffen waren und sind
„Handel, Verkehr und Lagerwirtschaft“ und „Technische/
wirtschaftliche und sonstige Dienstleistungen“.
Branchen der Unternehmen
Verarbeitendes Gewerbe, sonstige Industrie
32,7%
Handel, Verkehr und Lagerwirtschaft
11,8%
Information und Kommunikation/
IT-Wirtschaft
9,1%
Technische/wirtschaftliche und sonstige
Dienstleistungen
17,3%
Gesundheits- und Sozialwirtschaft
10,9%
Sonstige
18,2%
Stand: Oktober 2010
Insgesamt konnten seit Anfang der Projektlaufzeit
759 Qualifi zierungen von insgesamt 501 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern aus den beratenen
Unternehmen realisiert werden. Einige der Kurzarbeitenden
haben mehrere Qualifi zierungen in Anspruch
genommen, wie das Verhältnis von durchgeführten
Qualifi zierungen und Beschäftigten, die
daran teilgenommen haben, zeigt. Das kann als
Erfolg gewertet werden, wurde die Zeit der Kurzarbeit
hier doch mehrfach als Chance für betriebliche
Weiterbildung verstanden und genutzt.
Agenturbereiche
thematisch
durchgeführte
Qualifi zierungen
teilnehmende
Personen an
Qualifi zierungen
Nord 44 37
Mitte 43 35
Süd 672 429
Gesamtt 759 501
Anzahl der durchgeführten Qualifi zierungen
Stand: Oktober 2010
Die Tabelle gibt zudem einen Überblick über die
durchgeführten Qualifi zierungen, aufgeteilt nach
den drei Berliner Agenturbereichen Nord, Mitte
und Süd. Es fällt auf, dass besonders im Agenturbereich
Süd sehr viele Qualifi zierungen von
Beschäftigten stattfanden. Diesem hohen Anteil
geht eine hohe Zahl von Beratungen und Unternehmensbesuchen
im Agenturbereich Süd voraus
und unterstreicht den Erfolgsfaktor gut funktionierender
Kooperationen.
4. Qualitative Ergebnisse
Was brauchen Kleinst- und
Kleinunternehmen wirklich?
Kleinst- und Kleinunternehmen benötigen nicht
primär Unterstützung bei der Ermittlung des Qualifi
zierungsbedarfes - den kennen sie häufi g schon
sehr genau. Im Gegenteil: Zu komplexe und zeitraubende
Angebote der Qualifi zierungsbedarfsund
Kompetenzermittlung schrecken kleine Unternehmen
eher ab. Vielmehr geht es in erster Linie
um Unterstützung bei der Suche nach dringend
erforderlichen Förderinstrumenten und der Empfehlung
konkreter Qualifi zierungsangebote. Ein
weiterer Ansatzpunkt für ein Unterstützungsangebot,
das den Interessen der Unternehmen entspricht,
ist die Hilfe bei der administrativen Umsetzung.
Auch wenn es banal erscheint – in dem
Krisenzeit ist Lernzeit
mit öffentlichen Förderungen häufi g verbundenen
„Papierkram“ liegt nicht selten ein Grund, aus
dem heraus Unternehmen vor der Nutzung von
Förderprogrammen zurückschrecken. Wird dieser
Aufwand hingegen von den Beraterinnen und
Beratern übernommen, ist das nach dem Schema
eines „all inclusive“-Paketes im Sinne der Unternehmen.
Eine Kooperation, die Seriosität verleiht
Der Verzicht auf mühsame und häufi g wenig erfolgreiche
Kaltakquise und die vertrauensvolle Zusammenarbeit
mit der Agentur für Arbeit und der
Wirtschaftsförderung verleihen dem Beratungsangebot
Seriosität. Bereits vor der ersten Beratung
ist das Projekt von den Partnern, die bereits einen
Fuß im Unternehmen haben, bei der Unternehmensleitung
positiv eingeführt worden. Die Verantwortlichen
wissen, dass es den Beraterinnen
und Beratern nicht um Profi t geht und dass sie
ein auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes qualitativ
hochwertiges Unterstützungsangebot erhalten.
Schwierige Bedingungen für
Bildungsdienstleister
Es ist nicht immer leicht, einen Anbieter zu fi nden,
der fl exibel auf die Wünsche der Unterneh-
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Krisenzeit ist Lernzeit
men eingeht. Die zeitlichen Einschränkungen der
Unternehmen während der Kurzarbeit machen es
oft schwer für Bildungsdienstleister, maßgeschneiderte
Angebote zu stricken – vor allem im Zusammenhang
mit der Notwendigkeit der AZWV-zertifi
zierten Kurse. So ist die Kurzarbeit bei jedem
Unternehmen zeitlich anders strukturiert: Manche
haben nur einen Tag Kurzarbeit in der Woche, andere
Unternehmen hingegen gar wochenweise. Erfolgt
kurzfristig doch eine Auftragserteilung, wird
die Kurzarbeit von einem auf den anderen Tag
unterbrochen und die Beschäftigten können die
begonnene Weiterbildung unter Umständen nicht
zu Ende führen. Diese Bedingungen sind mit den
Vorgaben der AZWV, die ihrerseits eine feste zeitliche
Struktur der Weiterbildungsangebote fordert,
nur schwer in Einklang zu bringen. Die Bildungsdienstleister
müssen sich grundsätzlich fl exibler
zeigen und sich für das Segment der betrieblichen
Weiterbildung mit kurzen modularen spezialisierten
Angeboten wappnen. Die Mühe lohnt sich – die
betriebliche Weiterbildung kann für die Bildungsdienstleister
ein lukrativer Markt sein.
Trägerneutral und kostenfrei
Überzeugend beraten kann nur, wer seine Neutralität
glaubhaft machen kann, wer nachweislich
unabhängig von ökonomischen Interessen agiert
– vor allem dann, wenn es um die Empfehlung
konkreter Bildungsanbieter geht. Beratung, die
vom Träger selber ausgeht und nur schwer vom
eigenen Angebot zu trennen ist, ist keine neutrale
Qualifi zierungsberatung!
Stephan Kelch
Geschäftsführer der
Lautsprecherlabor Berlin GmbH
8 Beschäftigte
„Die Weiterbildung wurde bei uns in der
Vergangenheit vernachlässigt, und ich
bin überzeugt, dass man dieses Thema
unterstützen muss, wenn man die
Möglichkeit dazu hat. Wenn der Laden
brummt, tut man sich schwer, jemanden
freizustellen, aber die Kurzarbeit gab uns
die Chance dazu. Der Anstoß kam dann
von der Agentur für Arbeit Spandau,
die uns auf die Beratungsmöglichkeiten
durch das Projekt „Krisenzeit ist Lernzeit“
hinwies.“
Antje Killermann
Geschäftsführerin
Agea Pfl egedienste GmbH
20 Beschäftigte, 1 Auszubildender
und 3 Praktikanten
„Ich möchte, dass meine Mitarbeiter
nicht „auf einer Stufe stehen bleiben“
und nur lethargisch Dienst nach Plan
machen. Der eigene Anspruch muss
einfach anders aussehen und ich hoffe,
dass ich durch die Möglichkeit der Weiterbildungen
und der damit verbundenen
fachlichen Herausforderung auch
wieder das Interesse der Mitarbeiter
steigern kann, sich einzubringen, an
Entscheidungsprozessen mitzuwirken
und eigene Ideen (die zu Verbesserungen
führen) zu entwickeln.“
Krisenzeit ist Lernzeit
Es ist bereits mehrfach erwähnt worden, dass
Kleinst- und Kleinunternehmen ihre oft knappen
fi nanziellen Ressourcen nur zögerlich – wenn überhaupt
– in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter stecken. Noch schwerer ist es, für
die vor der Qualifi zierung liegende Beratungsleistung
Geld von den Unternehmen zu generieren.
Daher ist es unabdingbar – will man gerade die
Unternehmen aufschließen, die aus eigener Motivation
heraus nicht fortbilden – ein kostenfreies
Angebot zu machen. Das wiederum ist nur möglich,
wenn es öffentlich fi nanziert ist. Warum die
Qualifi zierungsberatung von Kleinst- und Kleinunternehmen
ein für die öffentliche Hand lohnenswertes
„Geschäft“ ist, verdeutlichen die eingangs
näher erläuterten Zusammenhänge, die mit den
Stichworten steigende Qualifi kationsanforderungen,
Fachkräftemangel und alternde Belegschaften
umschrieben werden können. Die Qualifi zierungsberatung
hilft den Unternehmen und damit
der Gesellschaft, mit diesen Entwicklungen besser
umgehen zu können.
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5. Ausblick
Krisenzeit ist Lernzeit
Eine neue Unternehmenskultur, die dynamisch und
innovativ auf ein sich stetig veränderndes Umfeld
reagiert, baut auf gut qualifi zierte Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter. Beschäftigte, die ihre Kompetenzen
kennen und selbstbewusst einsetzen, sind
ein Gewinn für jedes Unternehmen.
Eine Infrastruktur für öffentlich fi nanzierte
Qualifi zierungsberatung
Um die Bildungsbeteiligung von Kleinst- und Kleinunternehmen
zu erhöhen, ist es unerlässlich – und
das zeigen auch die zahlreichen Unternehmensstimmen
in dieser Broschüre – Unterstützungsangebote
auf einer langfristigen Basis zur Verfügung
zu stellen. Die Erfahrungen haben gezeigt,
dass diese Angebote möglichst kostenfrei angeboten
werden sollten, wenn eine breite Nutzung
angestrebt ist. Analog zur öffentlich fi nanzierten
Bildungsberatung, die sich an Bürgerinnen und
Bürger richtet, plädieren wir daher für den Ausbau
einer Infrastruktur für öffentlich fi nanzierte Qualifi
zierungsberatung.
Bernd Hahn
Dentallabor Hahn GmbH
4 Beschäftigte
„Dem zunehmenden Druck durch „China
Importe“ kann man nur durch sehr hohe
Qualifi zierung und hervorragendem Service
vor Ort begegnen. (…) Die Beratung
durch das Projekt war sehr gut, sehr
wichtig und ich denke auch unerläßlich.
Ich hätte das alleine gar nicht oder nur
mit sehr großem Aufwand geschafft, zumal
es für das Zahntechniker Handwerk
keine gelisteten Bildungsträger gibt.
Endlich auch ein Angebot, was unkompliziert
umgesetzt wird.“
Sascha Blodau
Bally Wulff Entertainment GmbH
211 Beschäftigte
„Bei Bally Wulff haben sich die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen in
den letzten Jahren dramatisch verändert.
Um wieder Anschluss an den Markt
zu bekommen, wurde erheblich an den
Strukturen gearbeitet. Als konsequenter
Schritt musste eine Steigerung des Wissens
der kompletten Organisation folgen.
Da dieser gesamtheitliche Ansatz von
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
der Produktion bis zum Leiter der Entwicklung
sehr kostspielig ist, haben wir
uns nach Unterstützung „umgesehen“
und sind über die Wirtschaftsförderung
Neukölln auf das Projekt „Krisenzeit ist
Lernzeit“ gestoßen.
In einer halbjährlichen Kurzarbeitsphase
wurde im Vertrieb begonnen und dann
das komplette Unternehmen geschult.
Eine der Erfahrungen war, dass es ohne
Unterstützung eines Beraters aufgrund
der Formalitäten nahezu unmöglich ist,
das Projekt umzusetzen. Wir waren sehr
zufrieden mit unserer Beraterin und sind
immer noch sehr dankbar.“
Krisenzeit ist Lernzeit
Stärkere Verzahnung von Qualifi zierungsund
Bildungsberatung
Um neben den bei der Qualifi zierungsberatung im
Mittelpunkt stehenden Unternehmensinteressen
die einzelne Mitarbeiterin und den einzelnen Mitarbeiter
nicht aus dem Blick zu verlieren, halten
wir eine stärkere Verzahnung zwischen Bildungsund
Qualifi zierungsberatung für sinnvoll. Klar ist,
Qualifi zierungsberatung fi ndet immer im betrieblichen
Kontext statt und ist nicht von diesem zu
trennen. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist
Weiterbildung aber immer auch eingebettet in die
eigene ganz persönliche Lebens- und Bildungsbiografi
e. Häufi g stehen andere Fragen im Mittelpunkt,
die den betrieblichen Rahmen verlassen, ja
sogar konträr zu den betrieblichen Interessen liegen
können. Diese Fragen müssen außerhalb des
Betriebes geklärt werden. Hier setzt die Bildungsberatung
an, die immer die Interessen der einzelnen
Ratsuchenden im Blick hat. Ein Erfolg wäre
es, diese beiden separaten Angebote – Qualifi zierungsberatung
und Bildungsberatung – im Interesse
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso
wie der Unternehmensleitung – miteinander zu
verzahnen. Hier werden noch innovative Konzepte
erarbeitet und erprobt werden müssen.
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Krisenzeit ist Lernzeit
Strategische Weiterbildungsplanung im
Unternehmen etablieren
Wenn Unternehmen sich für die Umsetzung von
Weiterbildung entscheiden, ist ein erster Schritt
getan. Allerdings geht es langfristig nicht nur darum,
einen temporär auftretenden Qualifi zierungsbedarf
zu decken, sondern Weiterbildung als strategisches
Instrument der Personalentwicklung und
-gewinnung im Unternehmen zu etablieren. Wie
kann eine solche nachhaltige Verankerung angesichts
knapper personeller Ressourcen in Kleinstund
Kleinunternehmen gelingen? Ein unterstützendes
Instrument könnte z.B. der Lernpromotor
Impressum
Projekt „Krisenzeit ist Lernzeit“
Projektleitung:
Gabriele Fellermayer/ Esther Kramer
Projektkoordination:
Susann Zibulski
sein, der derzeit in verschiedenen Modellprojekten
erprobt wird. Bei diesem Ansatz wird eine Mitarbeiterin
oder ein Mitarbeiter des Unternehmens
speziell geschult, um Weiterbildung im eigenen
Unternehmen zu fördern. Solche innovativen Modelle
sind vielversprechend. Allerdings bedarf es
als Grundvoraussetzung eines Mentalitätswechsels
dahingehend, dass vor allem die Unternehmensleitung,
aber auch die Beschäftigten den Wert der
Weiterbildung wirklich erkennen. Nur wenn diese
tiefe Überzeugung im Unternehmen vorhanden
ist, fallen gute Ideen auf fruchtbaren Boden und
können gedeihen.
Tel.: 030 / 284 09 218
E-Mail: esther.kramer@LNBB.de
www.LNBB.de
www.krisenzeit-ist-lernzeit.de
LernNetz Berlin-Brandenburg e.V.
Oranienburger Str. 65
10117 Berlin
Stand: November 2010
Projekt „Krisenzeit ist Lernzeit“
LernNetz Berlin-Brandenburg e.V.
Oranienburger Str. 65
10117 Berlin
Telefon: 030 / 284 09 218
E-Mail: esther.kramer@LNBB.de
Internet: www.LNBB.de
www.krisenzeit-ist-lernzeit.de
Projektleitung:
Gabriele Fellermayer/Esther Kramer
Projektkoordination:
Susann Zibulski