Katalog Engen - Jürgen Burkhart
Jürgen
Burkhart
MALEREI
OBJEKTE
Dieser Katalog erscheint anläßlich der Ausstellung
„Jürgen Burkhart - LANDSCHAFTEN OBJEKTE“
Städtisches Museum Engen + Galerie
20. September - 2. November 2008
www.engen.de
Herausgeber: Städtisches Museum Engen + Galerie
Text: Dr. Velten Wagner
Druck: Gutenbergdruckerei, Freiburg
© Städtisches Museum Engen + Galerie, Künstler, Autor
Vielen Dank für die freundliche Unterstützung:
Frau Dr. Ruth Fühner, Frankfurt
Hotel Die Halde, Oberried-Hofsgrund
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Titelbild:
Felder (2-16) 2002 Eitempera auf Leinwand 125x125 cm
rechte Seite:
Objekt (8-29) 2008 Rebholz, Kabelbinder, Farbe 50x50x15 cm
Jürgen Burkhart
MALEREI OBJEKTE
Verweigerte Sehnsüchte
„Landschaften und Objekte“, der Titel dieser Ausstellung, lässt sich insofern variieren, als Jürgen Burkhart in seinen
Arbeiten zwar die traditionelle Gattung der Landschaftsmalerei aufgreift und sie mit dreidimensionalen Objekten konfrontiert,
bei eingehender Betrachtung stellt man jedoch fest, dass Landschaften und Objekte einander durchdringen. Landschaften
werden aus dem Blickwinkel ihrer Objektivierung gesehen und Objekte naturalisiert, das heißt sie verlieren ihren autonomen
Charakter zugunsten einer Rückbindung an die Natur. Hinter diesem dialektischen Spiel mit den scheinbaren Antipoden
Natur versus Kultur verbirgt sich nicht nur eine spezifische Erfahrung und Sicht von Natur, die der Künstler sowohl im
räumlich Zweidimensionalen als auch Dreidimensionalen formuliert. Es stellt sich zudem die Frage, inwieweit Natur und
Kultur zu Beginn des 21. Jahrhunderts überhaupt noch als getrennte Wahrnehmungssphären menschlicher Erfahrung
gesehen, inwieweit Natur nicht längst zu einem Kulturprodukt und - vice versa- Kultur bei aller Menschengemachtheit und
Künstlichkeit als „Natur zweiten Grades“, als eine von der Evolution vorgegebene Wesenart des Menschen begriffen
werden kann.
Besinnt man sich auf die Anfänge jenes seltsam oszillierenden Naturkultur – Begriffs, stößt man unweigerlich auf ein Ereignis,
das im Rahmen der bekannten Kulturgeschichte den Anfang einer ästhetischen gesehenen Natur markiert: Landschaft als
Landschaftsbild. Im Jahre 1336 bestieg der italienische Dichter und Humanist Francesco Petrarca den Mont Ventoux,
einen knapp 2000 Meter hohen Berg in Südfrankreich. Sein erklärtes Ziel: Er wollte den Ausblick auf die sich
ihm bietende Landschaft betrachtend genießen. Was heute selbstverständlich ist, war für die damalige Zeit revolutionär.
Niemand setzte sich freiwillig der Gefahr aus, einen Berg zu besteigen. Natur war verbunden mit Mühsal und Arbeit,
wenn man die Felder beackerte; mit Lebensgefahr, wenn man ihren Unwettern ausgesetzt war. Petrarca war
hingegen der erste Europäer, der bewusst Natur auf Distanz betrachten wollte. Diese ästhetische Distanz war es
dann auch, die für die weitere Entwicklung der Naturbetrachtung die philosophische und künstlerische Blaupause liefern sollte.
Betrachtet man die Landschaftsbilder von Jürgen Burkhart, fällt auf, wie präzise hier Natur als Bildgegenstand erfasst
ist. Was man sieht, sind keine räumlich-perspektivischen Ansichten mit Himmel und Horizont, wie man sie etwa von
den Niederländern des 17. Jahrhunderts kennt. Diese Landschaften stellen keinen unmittelbaren Bezug zum Betrachter
her. Es gibt keine Blickachsen, die die Weite der Landschaften erschließen und bildtechnisch ordnen würden.
Nicht Ansichten, sondern Aufsichten charakterisieren die Wahrnehmungsperspektive dieser Landschaften;
Landschafts-Aufsichten, wie sie von einem erhöhten Punkt, etwa von einem Berg aus gewonnen werden können.
Landschaft pur, könnte man sagen, ohne die Darstellung von Tieren und ohne menschliche Staffagefiguren. So findet man
in der romantischen Landschaftsmalerei, etwa bei Caspar David Friedlich, häufig Rückenfiguren, die den Landschaften
eine menschlich-spirituelle, eine Erfahrungsdimension verleihen, ein tiefinniges Gefühl. Auch davon bei Burkhart keine
Spur. Weder als Betrachter noch als Akteur spielt die menschliche Figur eine Rolle. Offenbar schließt Burkhart gezielt
den Faktor Subjektivität, das subjektiv-emotionale Erleben aus seinen Landschaften aus. Wenn es ihm aber nicht um
Empfindungen und Stimmungen geht, die wir gegenüber der Natur so gerne empfinden, was ist dann der eigentliche
Impuls des Künstlers zu diesen von aktuellen Zeit- und Raumbezügen scheinbar losgelösten Landschafts-Aufsichten?
Objekt (8-10) 2008 Rebholz, Kabelbinder, Farbe 50x50x300 cm
Von quadratisch über hochkant bis zum extremen Querformat finden sich die unterschiedlichst zugeschnittenen Bildträger
unter den Arbeiten von Burkhart. Der materielle Bildträger als auch das gemalte Bild zeigen Ausschnitte einer Realität, die
als Totale, als die Totalität von Naturerfahrung nicht mehr erfahrbar ist. Man gewinnt den Eindruck, dass Burkharts Landschaften,
statt atmosphärische Weitsicht zu suggerieren, einen bestimmten Ausschnitt wie mit der Kamera heranzoomen.
Und so ist es auch kein Zufall, dass sich diese Bilder von fotografischen Aufnahmen ableiten, auch wenn sie Landschaft
keineswegs fotografisch wiedergeben. Für den Eindruck wesentlich ist das Medium Kamera, das dem Auge des Künstlers
und der Landschaft zwischengeschaltet ist. Die Kamera betrachtet das Bild durch das Objektiv. Es entsteht eine Distanz,
die das Bild gleichsam objektiviert. Statt Landschaftsstimmungen treten Landschaftsstrukturen in den Vordergrund. Man
könnte auch sagen: Diese Landschaften sind wesentlich von ihren grafischen Elementen her bestimmt, von geometrischen
Linien und Flächen: Wiesen und Wälder als Lichte und Dichte; Landschaft wahrgenommen als ein von negativen und positiven
Formen durchzogenes Ornament. So werden in den Schwarzwald-Landschaften Wälder zu kompakten Massen verdichtet,
die von den lichten Streifen der Wiesen durchzogen werden. Die Übergänge erfolgen abrupt, ohne atmosphärische
Vermittlung, Licht und Schatten, Raum und Fläche stoßen unmittelbar aufeinander. Jürgen Burkharts Landschaften zeigen
nicht die Welt als Makrokosmos, sondern wie durch eine Linse den Mikrokosmos von Strukturen, „Leerstellen“ und Verdichtungen.
Das Dahinter dieser Landschaften sind keine metaphysische Spekulationen, vielmehr liegt ihre Tiefe an der Oberfläche.
Was man sieht ist zugleich das Wesentliche, das diese als Ausschnitt erfahrbare Welt im Innersten zusammenhält.
Als Petrarca den Mont Ventoux wieder herabgestiegen war, deutete er seine Landschaftserfahrung ganz im Sinne der
Zeit spekulativ-kosmologisch, auf Gott bezogen. Die aus einer kontemplativen Haltung entwickelte ästhetische Distanz
war dennoch Ausdruck einer neuen Art von Naturerfahrung. Mit der Moderne wurde dieser Distanzblick radikalisiert. Wenn
Burkhart Landschaft wie durch ein Objektiv betrachtet, trägt er mit seiner - unter ästhetischen Vorzeichen –
wissenschaftlichen Sicht auf Landschaft dieser Entwicklung Rechnung. Das Fernrohr ist dem Mikroskop gewichen,
und was man sieht, ist wie es ist und bestimmt in seiner objektivierbaren Gesetzmäßigkeit den Lauf der Welt.
Doch bei diesem reduktionistischen Ansatz lässt es der Künstler keineswegs bewenden. Das merkt man spätestens an der
von ihm verwendeten Maltechnik, der vielleicht ältesten Maltechnik überhaupt, der Eitempera. Burkhart trägt die Farben lasierend
in vielen Schichten auf. Die Struktur der Leinwand bleibt dabei meistens sichtbar. Auch die Pinselstriche kann man
nachvollziehen. Die abstrakten Strukturen der Landschaften werden durch diesen Malprozess organisch zurückgebunden.
Fast meint man, das organische Wachstumspotenzial der Landschaften beim näheren Betrachten der Farben, der schwellenden
Linien und mitunter ins Plastische, ins Haptische changierenden Formen nachspüren zu können. Das Lebendige
der Natur und die abstrakte Durchdringung der ihr zugrunde liegenden Strukturen gehen hier eine innige Verbindung ein.
Eine Verbindung von scheinbar Widersprüchlichem, die auch die dreidimensionalen Objekte des Künstlers charakterisiert.
Es sind dies transparente, sich frei im Raum entwickelnde, leichte und grazile Gebilde. Sie bestehen zum einen aus dem
Rebholz von Weinstöcken, zum anderen aus Kabelbindern, also einem durch und durch künstlichen, funktional einsetzbaren
Material. Nur eben: Diesen Zusammenprall des Nicht-Zusammengehörigen merkt man eigentlich gar nicht. Denn
zum einen wird das Rebholz zu gitterförmigen Strukturen, zu technisch-abstrakten Formationen gebunden. Zum anderen
wird der Kabelbinder organisch, das heißt in den Wachstumsprozess des sich vertikal und frei in den Raum schlingenden
Gebildes eingebunden. Und damit wieder zu einem Stück Natur.
Diese Sicht auf Natur ist es, die Burkhart eine sehr eigenständige Position innerhalb der aktuellen Landschaftsmalerei
einnehmen lässt. Denn aus seiner anscheinend und scheinbar objektiven Distanzbetrachtung entsteht eine andere und
neue Art von Nähe - eine geradezu physische Nähe zu den der Natur innewohnenden Wachstumskräften. Hier werden
Verbundenheiten suggeriert und Sehnsüchte verweigert. Jürgen Burkhart erfasst und zeigt in seinen Landschaften und
Raumobjekten diesen ambivalenten Umgang mit Natur mit einer Eindringlichkeit, Sensibilität und Leichtigkeit, die ihresgleichen
sucht.
Dr. Velten Wagner Objekt (8-9) 2008 Rebholz, Kabelbinder, Farbe 30x40x255 cm
oben:
Detail Objekt (8-9)
unten:
Detail Objekt (8-5) Objekt (8-5) 2008 Rebholz, Kabelbinder, Farbe 30x30x110 cm
Weinberg (5-1) 2005 Acryl/Eitempera auf Leinwand 115x115 cm Weinberg (6-1) 2006 Eitempera auf Leinwand 90x125 cm
Weinberg (2-3) 2002 Eitempera auf Leinwand 125x125 cm Objekt (8-14) 2008 Rebholz, Kabelbinder, Farbe 50x50x18 cm
Objekt (8-27)
2008
Rebholz, Kabelbinder,
Farbe
120x35x15 cm
links:
Objekt (8-20) und
Objekt (8-21)
2008
Rebholz, Kabelbinder,
Farbe
je 42x42x16 cm
Objekt (7-15) 2007 Liane, Kabelbinder, Farbe 65x30x20 cm
Objekt (7-14) 2007 Liane, Kabelbinder, Farbe 100x25x20 cm
linke Seite:
Objekt (7-12) 2007 Liane, Kabelbinder, Farbe 115x80x15 cm
Objekt (8-23) 2008 Rebholz, Kabelbinder, Farbe 150x40x20 cm
Felder (6-14) 2006 Acryl/Eitempera auf Leinwand 35x125 cm
Felder (2-15) 2002 Eitempera auf Leinwand 70x140 cm
Felder (5-14) 2005 Eitempera auf Leinwand 180x140 cm
Felder (6-5) 2006 Acryl/Eitempera auf Leinwand 35x35 cm
Felder (2-23) 2002 Eitempera auf Leinwand 50x50 cm
Alpen (2-3) 2002 Eitempera auf Leinwand 110x125 cm Alpen (0-1) 2000 Eitempera auf Leinwand 80x80 cm
Schwarzwald (7-2) 2007 Eitempera auf Leinwand 70x140 cm
Schwarzwald (5-3) 2005 Acryl/Eitempera auf Leinwand 50x140 cm
Portraitfoto: Sabine Herrschaft
Jürgen Burkhart
1964
geboren in Obereschach bei Villingen-Schwenningen
1989
Privatunterricht und Kurse in Aquarell und Zeichnen
1991-94
Zeicheninstitut der Universität Tübingen
1995-97
Aktzeichnen an der Freien Akademie, Freiburg
Ab 1991 Beschäftigung mit Landschaftsmalerei
Seit 1999 freischaffende Tätigkeit, lebt und arbeitet in Merdingen bei Freiburg
Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler Südbaden und in der Gesellschaft der Freunde
Junger Kunst, Baden-Baden
Werke befi nden sich im Besitz der Sparkasse Staufen-Breisach, den Städten Emmendingen
und Ditzingen, des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald und in privaten Sammlungen.
Jürgen Burkhart, Kirchgasse 40, 79291 Merdingen
www.juergenburkhart.de
Einzelausstellungen
2008 „fragil“ Galerie Bode, Karlsruhe
Städtisches Museum Engen + Galerie
Kultur- und Kunstkreis Ditzingen
„Bilder und Objekte“ Sparkasse Staufen-Breisach
Aschingerhaus Oberderdingen mit Sabine Herrschaft
2007 „Dialog“ Städtische Galerie Herrenberg mit Sabine Herrschaft
„Landfrieden“ Kunst im Amtsgericht Freiburg
2006 Kunstforum Hochschwarzwald, Titisee-Neustadt
„ÜBER LAND“ Galerie im Tor, Emmendingen
„Landscapes“ Galerie Aphold, Basel mit Josef Ebnöther
Galerie Alpha-Arte, Brugg/CH mit Annamaria Götti
2005 MAQUET Surgical Academy Gallery, Rastatt
Testo AG, Lenzkirch und Testo industrial services, Kirchzarten mit Sabine Herrschaft
2004 Hans Thoma Museum, Bernau
„SICHTEN“ Alpirsbacher Klostergalerie mit Doris Lasar und Hans Benesch
2003 Kunstforum Schluchsee e.V.
„Rebenland“ mit Barbara Köhler im Merdinger Kunstforum, Haus am Stockbrunnen
2002 „Debut Nr. 10“ Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald in Zusammenarbeit mit dem
BBK Südbaden
2001 Kunst im alten Spritzenhaus, Kunstverein Bahlingen mit Waltraut Brügel
Kunstkreis Radbrunnen, Breisach zusammen mit Christoph de Temple
Ausstellungsbeteiligungen
2008 Regiomale9, Stapfl ehus Weil am Rhein
Kunstnacht Überlingen
2007 BBK-Künstlermesse im Württembergischen Kunstverein, Stuttgart
Galerie Roland Aphold, Basel
2006 „Auswahl 2006“ Gesellschaft der Freunde Junger Kunst, Baden-Baden
2006 Fotografi e 3, 24. Kreiskunstausstellung 2005 des Landkreises Breisgau-
Hochschwarzwald
„Auswahl 2006“ 26. Jahresausstellung der Gesellschaft der
Freunde junger Kunst, Baden-Baden
2005 Fotografi e 2, 23. Kreiskunstausstellung 2005 des Landkreises Breisgau-
Hochschwarzwald
Schwarzwaldbild 3, Kunstverein Mittleres Kinzigtal, Haslach i. K.
„Kunst auf Abwegen“ Ausstellung der Nagolder Freiberufl er, Nagold
Ausstellung Haueisen-Kunstpreis, Jockgrim
BBK-Künstlermesse im Württembergischen Kunstverein, Stuttgart
„Schnee von gestern ... und heute“ Galerie Meier, Freiburg
Künstler der Galerie und Gäste, Galerie Linde, VS-Obereschach
2004 Galerie Fischinger, Stuttgart
Weihnachtsausstellung Galerie Aphold, Basel
KIC NordArt, Büdelsdorf
„Trophée des jeunes artistes“ ST´ART Strasbourg
2003 „Pfl egeKunst“ Ausstellung Ministeriums Arbeit und Soziales, Baden-Württemberg
2002 „Junge Kunst“; 21. Kunstausstellung des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald
„Landschaft im Kontext“ 24. Internationale Hollfelder Kunstausstellung
Schwarzwaldbild 2, Kunstverein Mittleres Kinzigtal, Haslach i. K.
Zeichnung, BBK-Mitgliederausstellung im Schwarzen Kloster, Freiburg
2000 Regionale 2000, Kunsthaus Basel-Land
Ausstellungszyklus „Tanne & Baum“, Podium Kunst e. V.; Schramberg
„Kunstknast“, Gesellschaft der Freunde junger Kunst, Baden-Baden
Schwarzwald (5-4) 2005 Acryl/Eitempera auf Leinwand 35x140 cm
letzte Seite:
Objekt (8-31) 2008 Rebholz, Kabelbinder, Farbe 40x35x18 cm
www.juergenburkhart.de