Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
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stärkung des unangemessenen sexuellen Verhaltens zu sein.“ (Bandura &<br />
Walters, 1963, zit. n. Burton et al., 1997, S. 160). Banduras lerntheoretische<br />
Konzeption betonte das reziproke Zusammenwirken dreier Variablen: Verhalten,<br />
kognitive <strong>und</strong> andere Persönlichkeitsfaktoren sowie die Umwelt<br />
würden sich wechselseitig beeinflussen. Wenn nun unangemessenes kindliches<br />
sexuelles Verhalten positiv verstärkt wird, so lernt das Kind, dass<br />
dieses Verhalten angemessen, normal <strong>und</strong> lohnend ist. Die subjektiv wahrgenommenen<br />
Belohnungen können sowohl physiologischer als auch sozialer<br />
oder psychologischer Natur sein. Burton et al. (1997) haben das Modell<br />
von Bandura auf sexuell aggressive <strong>Kinder</strong> übertragen. Umweltfaktoren beinhalten<br />
dabei vor allem auch familiäre Variablen, die die kindlichen Lernprozesse<br />
beeinflussen. Die Verhaltensebene wird durch das sexuell<br />
aggressive Verhalten des Kindes repräsentiert <strong>und</strong> ist Burton et al. zufolge<br />
auch durch die Anzahl der Opfer des Kindes operationalisierbar. Die<br />
kognitiven <strong>und</strong> Persönlichkeitsfaktoren haben etwas damit zu tun, inwieweit<br />
das Kind sein sexuelles Verhalten als normal bewertet. Ausgehend<br />
von diesem Modell hypothetisieren die Autoren, dass sich ein Kind mit<br />
größerer Wahrscheinlichkeit sexuell aggressiv verhalten wird, wenn es in<br />
hohem Maße sexuelle Aggression erlebt hat <strong>und</strong> diese als normal oder sogar<br />
belohnend wahrnimmt. Burton et al. (1997) konnten empirische Belege für<br />
diese lerntheoretischen Erwägungen finden, ebenso Burton (2000), der<br />
signifikante Zusammenhänge zwischen kindlicher Viktimisierung <strong>und</strong><br />
späterem sexuell übergriffigem Verhalten in verschiedenen Entwicklungsphasen<br />
nachwies.<br />
Friedrich & Trane (2002) konkretisieren in <strong>ihre</strong>m Kommentar zur<br />
Arbeit von Larsson & Svedin (2002) über sexuelles Verhalten von <strong>Kinder</strong>n<br />
in <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen die wichtige Rolle von Lernprozessen. Sie beziehen<br />
sich dabei auf kulturelle Studien, denen zufolge <strong>Kinder</strong> schon sehr<br />
früh lernen, soziale <strong>und</strong> kulturelle Rollen <strong>und</strong> Regeln zu internalisieren.<br />
Diese Regeln beziehen sich auch auf Sexualität, sodass <strong>Kinder</strong> schon in<br />
frühem Alter lernen, dass bestimmte Verhaltensweisen, wenn sie überhaupt<br />
praktiziert werden dürfen, auf das Vorkommen in privaten Settings beschränkt<br />
sind. <strong>Kinder</strong> lernen diese Regeln durch soziale Formung, durch<br />
Reaktionen von Erwachsenen <strong>und</strong> anderen Personen, mit denen sie zu tun<br />
haben. Dabei spielt die Sprache eine wichtige Rolle, weil sie beschreibt, ob<br />
bestimmte Verhaltensweisen in Ordnung sind oder nicht. Jene <strong>Kinder</strong>, die<br />
lernen, wie sie ihr Verhalten <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> Emotionen regulieren können,<br />
können diese Fähigkeit auch auf sexuelles Verhalten ausweiten. <strong>Kinder</strong><br />
aber, die Probleme mit <strong>ihre</strong>r Selbst-Regulation haben, neigen zur Entwicklung<br />
externalisierender Verhaltensweisen, wovon sexualisiertes Verhalten<br />
eine Variante darstellt.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erscheint auch das Ergebnis von Hall et al.<br />
(2002) erklärbar, wonach die Verfügbarkeit von Gelegenheiten zum Erlernen<br />
<strong>und</strong> Ausüben problematischen sexuellen Verhaltens eine jener<br />
Variablen ist, die am besten zwischen den verschiedenen Kategorien sexuell<br />
auffälliger <strong>Kinder</strong> diskriminiert. Die in etlichen Studien nachgewiesene Bedeutung<br />
des Mangels an elterlicher Beaufsichtigung scheint sich selbst verstärkende<br />
Lernprozesse zu ermöglichen, in deren Verlauf sexuell aggressive<br />
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