Margaret Fullers transnationales Projekt : Selbstbildung, feminine ...
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kritikerin mit dem nationalen und kulturellen Selbstbild. Als ein Kind Neuenglands,<br />
das in Boston und Cambridge aufwächst, wird Fuller Teil einer intellektuellen Elite.<br />
Ihr Interesse an der amerikanischen Literatur wird durch die literarischen Kreise,<br />
denen sie angehört, gefördert. <strong>Margaret</strong> Fuller setzt sich für literarische Unabhängigkeit<br />
ein, sieht aber zugleich die Möglichkeit aus dem Erbe Europas eine<br />
distinktive Literatur zu bilden. Die deutsche Literatur gewinnt für Fuller als<br />
moderne Vorbildliteratur zunehmend an Bedeutung. Durch die Bekanntschaft mit<br />
Frederic Henry Hedge, George Bancroft, Theodore Parker, Charles Follen, William<br />
Ellery Channing, William Henry Channing, James Freeman Clarke und Ralph<br />
Waldo Emerson beginnt <strong>Margaret</strong> Fuller, sich intensiv mit der deutschen Sprache<br />
und Literatur zu befassen, und legt den Schwerpunkt ihrer Studien auf die Literatur<br />
der Frühromantik, Romantik und Empfindsamkeit. Als kulturelle Vermittlerin<br />
rezensiert und übersetzt sie Werke deutscher Dichter und trägt entscheidend zu der<br />
Verbreitung der deutschen Literatur in Amerika bei.<br />
Die deutsche Literatur ist für Fuller jedoch nicht nur in Bezug auf die<br />
Bildung einer distinktiven amerikanischen Literatur von Bedeutung. Bereits früh<br />
beschäftigt sich Fuller eingehend mit Frauenfiguren in der Literatur und entwirft<br />
Bilder idealer Weiblichkeit, die die Unabhängigkeit und Stärke der Frau illustrieren.<br />
In der deutschen Literatur und in der klassischen Mythologie stößt Fuller auf<br />
Frauenfiguren, die sie in der eigenen Selbstfindung unterstützen und die sie<br />
heranzieht, um ihr didaktisches Anliegen zu verwirklichen. In ihren Boston<br />
Conversations und ihren kritischen Schriften nehmen Fragen nach dem weiblichen<br />
Selbstbild eine zentrale Stellung ein. <strong>Margaret</strong> Fuller setzt sich eingehend mit ihrem<br />
Selbstverständnis als Frau auseinander und entwickelt ein Konzept von Weiblichkeit,<br />
das ihren Ansprüchen gerecht wird. Wie zahlreiche Passagen in ihrem Werk<br />
verdeutlichen, führen die verschiedenen Rollen, die Fuller innehat, wie auch die<br />
Rollenerwartungen, die an sie herangetragen werden, zu einer Problematisierung<br />
der Selbstsuche. Als Schriftstellerin, als Frau, die sich in einem bestimmten literarischen<br />
und gesellschaftlichen Umfeld bewegt, als Lehrerin, Journalistin, Tochter,<br />
Schwester oder Freundin hat sich <strong>Margaret</strong> Fuller mit einer Vielzahl von Rollenerwartungen<br />
auseinander zu setzen, bei denen es sich sowohl um eigene Erwartungen<br />
als auch um Erwartungen der Gesellschaft handelt, die zu einer subjektiven<br />
Infragestellung der Ich-Identität führen.<br />
Rollenerwartungen der Zeit, wie sie der Cult of True Womanhood verkörpert,<br />
erschweren <strong>Fullers</strong> Auseinandersetzung mit der eigenen Weiblichkeit: Sie erkennt<br />
früh, dass sie nicht dem zeitgenössischen Idealbild einer Frau entspricht; trotzdem<br />
verspürt sie das Bedürfnis, anerkannt und als Frau betrachtet zu werden. Das Bild<br />
der Frau, das Unterwürfigkeit, Abhängigkeit und Passivität propagiert und Attribute<br />
wie Frömmigkeit, Keuschheit, Tugendhaftigkeit, Häuslichkeit und Bescheidenheit<br />
zur Beschreibung der idealen Frau heranzieht, wird von Frauenmagazinen,<br />
Geschenkbüchlein und religiöser Literatur verbreitet und bestimmt den Umgang