Margaret Fullers transnationales Projekt : Selbstbildung, feminine ...
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140<br />
Self Culture: <strong>Margaret</strong> <strong>Fullers</strong> Bildungskonzept<br />
Bereich des Irrealen, Phantastischen und Mystischen. 139 Carlyle widmet sich der<br />
Thematisierung religiöser Haltungen; er geht jedoch nicht auf Goethes<br />
Bildungskonzept ein. In dem Vorwort zu seiner Übersetzung der Lehrjahre befasst<br />
sich Carlyle mit der Frage, ob der Roman in erster Linie die Entwicklung eines<br />
Charakters thematisiere:<br />
Few among us will [...] stop to inquire whether it [Meister’s<br />
Apprenticeship] includes a remote emblem of human culture, or<br />
includes no such matters; whether this is a light airy sketch of the<br />
development of man in all his endowments and faculties, gradually<br />
proceeding from the first rude exhibitions of puppets and<br />
mountebanks, through the perfection of poetic and dramatic art, up to<br />
the unfolding of the principle of religion, and the greatest of all arts,<br />
the art of life, – or is nothing more than a bungled piece of patch work,<br />
presenting in the shape of a novel much that should have been<br />
suppressed entirely, or at least given out by way of lecture. 140<br />
Carlyle erklärt, als Übersetzer habe er diese Frage nicht zu beantworten, und fordert<br />
den Leser auf, sich selbst eine Meinung zu bilden. Während Carlyle den<br />
Bildungsaspekt der Romane nicht in einem ausreichenden Maße berücksichtigt,<br />
wird gerade dieser Gesichtspunkt von den Transzendentalisten begeistert aufgenommen.<br />
Unter den amerikanischen Kritikern ist <strong>Margaret</strong> Fuller diejenige, die die<br />
besondere Rolle, die die Frauenfiguren in den Romanen einnehmen, erkennt und<br />
herausarbeitet, in welcher Beziehung sie zu dem Bildungsweg des Protagonisten<br />
stehen. 141<br />
In Woman in the Nineteenth Century verarbeitet <strong>Margaret</strong> Fuller ihre früheren<br />
Ausführungen zu Goethes weiblichen Figuren und beschreibt die verschiedenen<br />
Charaktere als Repräsentantinnen unterschiedlicher Frauentypen. Fuller findet in<br />
Wilhelm Meister ein Repertoire an Identifikationsfiguren, die sie in Woman in the<br />
Nineteenth Century präsentiert, um ihr Konzept von Weiblichkeit zu entwickeln. 142<br />
Als Charakter übt Wilhelm Meister selbst keine starke Faszination auf Fuller aus,<br />
und seine Entwicklung erscheint ihr lediglich in Verbindung mit den Frauenfiguren<br />
139 Fuller verwendet Carlyles These und stellt fest, in Wilhelm Meister schaffe Goethe eine<br />
Synthese des Realen und Irrealen, des Phantastischen und Mystischen: „But the ideal must<br />
be rooted in the real, else the poet’s life degenerates into buffoonery and vice.“ FULLER,<br />
„Goethe“, 25. Während <strong>Margaret</strong> Fuller gerade diesen Aspekt herausstellt und lobt, setzt<br />
sich Emerson in seinem Essay „Thoughts on Modern Literature“ kritisch mit Goethes<br />
Thematisierung des Realen auseinander und konstatiert: „[B]ut the ideal is truer than the<br />
actual. That is ephemeral, but this changes not.“ EMERSON, „Thoughts on Modern<br />
Literature“, 155.<br />
140 CARLYLE, „Translator’s Preface to the First Edition of Meister’s Apprenticeship“, 225.<br />
141 In dem Aufsatz „Goethe, or the Writer“ bespricht Emerson zwar Wilhelm Meister, geht<br />
jedoch an keiner Stelle auf die Frauenfiguren ein. Vgl. EMERSON, „Goethe, or the Writer“,<br />
160-61.<br />
142 Vgl. CHRISTADLER, „Schock der Erfahrung“, 307-09.