Die Geschichte der Großloge "Zur Sonne" - freimaurerei.de
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<strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne"<br />
Vortrag von <strong>Die</strong>ter Heinold<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge "Zum Morgenstern" i. O. Hof am 02.04.2004<br />
Im Arbeitskalen<strong><strong>de</strong>r</strong> steht als Thema meines Vortrags noch: "<strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> '<strong>Zur</strong><br />
Sonne'". Ich muss das lei<strong><strong>de</strong>r</strong> berichtigen. Richtig müsste er lauten "Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Großloge</strong> '<strong>Zur</strong> Sonne'". Tatsächlich wer<strong>de</strong> ich nämlich nur ein paar Ereignisse aus <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> herausgreifen, die mir wichtig o<strong><strong>de</strong>r</strong> für <strong>de</strong>n Charakter <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong><br />
kennzeichnend erscheinen; dass es sich hierbei um eine rein subjektive Auswahl han<strong>de</strong>lt<br />
und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e etwas ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>es ansprechen wür<strong>de</strong>n, ist – <strong>de</strong>nke ich - selbstverständlich.<br />
<strong>Großloge</strong> – was ist das eigentlich? Fragt man Brr., was eine <strong>Großloge</strong> ist, hört man nicht selten<br />
die lapidare Antwort: "überflüssig". An<strong><strong>de</strong>r</strong>e sehen in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> eine Einrichtung, in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
persönliche Eitelkeiten gepflegt und befriedigt wer<strong>de</strong>n. Statt "ehrwürdiger" Meister vom Stuhl<br />
"ehrwürdigster" Großmeister, statt Zeremonienmeister "Großzeremonienmeister" usw. –<br />
manche scheinen das zu brauchen und zu wollen, wenn man berücksichtigt, dass es m.W.<br />
noch nie Schwierigkeiten gab, die entsprechen<strong>de</strong>n Posten zu besetzen. Nüchtern betrachtet<br />
han<strong>de</strong>lt es sich bei einer <strong>Großloge</strong> um eine Verwaltungsorganisation, <strong><strong>de</strong>r</strong> Logenvereine angehören,<br />
die nach <strong>de</strong>m gleichen Ritual arbeiten. Als Jurist ist mir <strong><strong>de</strong>r</strong> Sinn einer GL damit<br />
ohne weiteres einsichtig: eine I<strong>de</strong>e zu pflegen und zu verbreiten, eine gewisse Ordnung anzubieten<br />
und zu gewährleisten, ein annähernd einheitliches Auftreten nach außen, all das<br />
geht am einfachsten mit einer übergeordneten Struktur, einer höheren Instanz sozusagen.<br />
Als freimaurerischer Individualist dagegen sehe ich in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> v.a. ihre bremsen<strong>de</strong> und<br />
beschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Funktion, die mir z. B. vorschreibt, wer zur Weltbru<strong><strong>de</strong>r</strong>kette gehört und wer<br />
nicht, wen ich also besuchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> empfangen darf und wen nicht, die mir mein liebgewonnenes<br />
Ritual in Frage stellt 1 und am liebsten ihr nüchternes Einheitsritual verordnen möchte,<br />
die - kurz gefasst - in meinen Augen bürokratisch verordnet und verwaltet anstatt anzuregen<br />
und zu unterstützen.<br />
Aber mein Thema ist heute ja nicht Sinn o<strong><strong>de</strong>r</strong> Unsinn von <strong>Großloge</strong>n, und ich stehe erst<br />
recht nicht an, etwa unsere <strong>Großloge</strong> AFAM in Frage zu stellen. Von <strong>de</strong>n in Deutschland existieren<strong>de</strong>n<br />
<strong>Großloge</strong>n ist sie – etwas burschikos gesagt – das mit Abstand geringste Übel.<br />
Was vielleicht damit zu tun hat, dass die AFAM vom letzten Großmeister <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong><br />
1 Stuhlmeister-Rundbrief AFuAM Nr. 87/2003 (Juli 2003), S. 5 "Rituale": "Dem RK liegt ein historisches Ritual<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> GL <strong>Zur</strong> Sonne vor, nach welchem in einer Loge gearbeitet wird. Aufgrund verschie<strong>de</strong>ner Textabweichungen<br />
ist es wahrscheinlich in <strong>de</strong>n 50er Jahren <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts überarbeitet wor<strong>de</strong>n. Eine Zulassung<br />
durch <strong>de</strong>n GM liegt nicht vor. Eine Arbeit nach diesem Ritual ist somit nicht zulässig."
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 2<br />
Sonne" auf <strong>de</strong>n Weg gebracht wur<strong>de</strong>. Womit wir endlich beim Thema wären.<br />
Seit wann gab es die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne"? Bernhard Beyer, <strong>de</strong>ssen dreibändiger "<strong>Geschichte</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> <strong>Zur</strong> Sonne" ich einen Großteil meiner Informationen verdanke,<br />
schreibt in seinem Frontispiz zum ersten Band ganz selbstverständlich "<strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Großloge</strong> «<strong>Zur</strong> Sonne» in Bayreuth von – jetzt kommt's - 1741 bis 1811". Danach hätte die<br />
<strong>Großloge</strong> also bereits seit 1741 bestan<strong>de</strong>n. So recht überzeugend fin<strong>de</strong> ich das nicht. Denn<br />
es wur<strong>de</strong>n zwar 1741 in Bayreuth zwei Logen gegrün<strong>de</strong>t, aber eben keine <strong>Großloge</strong>, auch<br />
wenn MvS <strong><strong>de</strong>r</strong> einen Loge Markgraf Friedrich war.<br />
<strong>Die</strong> Freimaurerei kam nach Bayreuth durch Markgraf Friedrich, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong>de</strong>m preußischen König<br />
Friedrich II. verschwägert war – die Lieblingsschwester <strong>de</strong>s nachmaligen "Alten Fritz",<br />
Wilhelmine, war bekanntlich nach Bayreuth verheiratet wor<strong>de</strong>n. Friedrich II. war ja seit seiner<br />
heimlichen Aufnahme im August 1738 Mitglied unseres Bun<strong>de</strong>s und folgte seinem Vater<br />
1740 auf <strong>de</strong>m Thron nach. Als eine seiner ersten Amtshandlungen verkün<strong>de</strong>te er, dass die<br />
Freimaurerei unter seinem beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Schutz stün<strong>de</strong>. Der Markgraf und sein Gefolge besuchten<br />
<strong>de</strong>n nunmehr königlichen Schwager Friedrich II. im Oktober 1740 alsbald nach <strong>de</strong>ssen<br />
Amtsantritt in Berlin. In Schloss Rheinsberg bei Berlin wur<strong>de</strong> Markgraf Friedrich zusammen<br />
mit einigen Hofbeamten im Oktober o<strong><strong>de</strong>r</strong> November 1740 durch <strong>de</strong>n preußischen König<br />
in die Freimaurerei aufgenommen und auch gleich zum Meister erhoben.<br />
Klar – ein regieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Fürst, auch wenn es nur ein kleiner Markgraf war, musste natürlich<br />
gleich Meister wer<strong>de</strong>n. Und Meister war auch noch zu wenig, es musste gleich Großmeister<br />
sein. Dazu brauchte man nur noch eine eigene Loge. Und weil das "Spielzeug" Freimaurerei<br />
so schön war, grün<strong>de</strong>te Markgraf Friedrich gleich nach seiner Rückkehr in Bayreuth eine eigene<br />
Loge, und zwar am 21.01.1741. Markgraf Friedrich war Meister vom Stuhl auf Lebenszeit<br />
(maître perpétuel 2 ) und zugleich auch Großmeister. 3 (vermutlich aus Eitelkeit, um nicht gegenüber<br />
<strong>de</strong>m königlichen Schwager in Potsdam zurückzustehen, auch wenn Beyer <strong>de</strong>n Markgrafen als leutselig und<br />
ungekünstelt darstellt. 4 ) <strong>Die</strong> Loge hatte keinen Namen, die Zusammenkünfte waren in <strong>de</strong>n markgräflichen<br />
Gemächern im sog. "Alten Schloss", die Arbeitssprache war französisch und MvS<br />
war selbstverständlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Markgraf. <strong>Die</strong>se Loge, die bis zum Brand <strong>de</strong>s Schlosses im Januar<br />
1753 existierte, hieß ziemlich von Anfang an "Schlossloge"; Beyer spricht manchmal auch<br />
2<br />
Bernhard Beyer, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne", Bayreuth 1954, Band I, S. 52, 86 (nachfolgend<br />
"Beyer I")<br />
3<br />
Beyer I, S. 86, 130 f., 161, 176, 182<br />
4<br />
Beyer I, S. 64, 85, 146
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 3<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> "Hofloge". 5<br />
Im selben Jahr 1741, genauer am 04.12.1741, wur<strong>de</strong> eine weitere Loge in Bayreuth gegrün<strong>de</strong>t,<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utsch gesprochen wur<strong>de</strong> und die auch für Männer zugänglich war, die nicht<br />
Hofbeamte waren. Auch sie hatte keinen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Namen: Da sich die Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Stadt, genauer im Gasthof "Gol<strong>de</strong>ner Adler" (später "Roter Adler", nachmals Reichshofkino),<br />
trafen, hieß die Loge allgemein nur die "Stadtloge", manchmal auch die "<strong>de</strong>utsche Loge".<br />
An dieser Stelle also nochmals die eingangs bereits gestellte Frage: "Was ist eine <strong>Großloge</strong>?"<br />
Wir alle ahnen o<strong><strong>de</strong>r</strong> wissen es – eine <strong>Großloge</strong> ist wie ein Hauptbahnhof: Nur wer mehrere<br />
Bahnhöfe unter sich hat, ist Hauptbahnhof. Und wie schafft es eine Loge, mehrere Logen<br />
unter sich zu haben und so zur <strong>Großloge</strong> zu wer<strong>de</strong>n? Ganz einfach, in<strong>de</strong>m man neue<br />
Logen grün<strong>de</strong>t. Wer allerdings neue Logen grün<strong>de</strong>t, ist <strong>de</strong>swegen noch lange keine <strong>Großloge</strong>,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n allenfalls eine "Mutterloge". Eben dies wur<strong>de</strong> die Schlossloge, als sie am<br />
23.11.1741 beschloss, eine zweite Loge in Bayreuth zu grün<strong>de</strong>n, eine "Loge <strong>de</strong> la ville" (o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
auch "dans la ville" 6 ), wie es im Protokoll heißt. 7<br />
Um zur <strong>Großloge</strong> zu wer<strong>de</strong>n, muss neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Anbindung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Logen an<br />
das eigene Vereinsgesetz auch eine Tributpflicht <strong><strong>de</strong>r</strong> untergeordneten Logen begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
Eine Loge, die Beiträge an eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e zahlt, erkennt damit <strong><strong>de</strong>r</strong>en Vorherrschaft an.<br />
Freimaurer drücken sich zwar vornehmer aus. Sie sprechen nicht von Vorherrschaft, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
von Obödienz, meinen damit aber dasselbe, dass sie nämlich sich über die <strong>Großloge</strong><br />
legitimieren, sich ihr unterordnen und Beiträge an sie bezahlen. <strong>Die</strong> erste überlieferte <strong><strong>de</strong>r</strong>artige<br />
Tributpflicht traf die 1757 von Bayreuth aus gegrün<strong>de</strong>te Loge "Libanon zu <strong>de</strong>n drei Ce<strong><strong>de</strong>r</strong>n"<br />
in Erlangen. 8 So gesehen wäre 1757 als Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> GL-Aktivitäten <strong><strong>de</strong>r</strong> GL "<strong>Zur</strong> Sonne"<br />
anzusehen. Ich habe da aber so meine Zweifel, <strong>de</strong>nn ab 1753 gab es nur noch eine Loge in<br />
Bayreuth, nämlich die aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlossloge und <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadtloge hervorgegangene<br />
Loge "<strong>Zur</strong> Sonne". Es han<strong>de</strong>lte sich hierbei um eine einfache Loge, keine <strong>Großloge</strong>,<br />
und <strong>de</strong>mgemäß hat auch nicht die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne", die es je<strong>de</strong>nfalls mit diesem Namen<br />
damals noch gar nicht gab, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Markgraf die Loge in Erlangen eingesetzt. Bei<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sog. <strong>Großloge</strong> han<strong>de</strong>lte es sich m. E. um eine Art "Privatveranstaltung" <strong>de</strong>s Markgrafen,<br />
wird von ihr doch als <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen Loge Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht" berichtet. 9<br />
5 Beyer I, S. 71<br />
6 Beyer I, S. 121<br />
7 Beyer I, S. 70<br />
8 Beyer I, S. 176 f.<br />
9 Beyer I, S. 176
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 4<br />
Es ist <strong>de</strong>shalb m. E. richtiger, auf <strong>de</strong>n 24.1.1811 als <strong>de</strong>n Geburtstag <strong><strong>de</strong>r</strong> GL "<strong>Zur</strong> Sonne" abzustellen.<br />
Wie kam es zu diesem Datum? 1791 wur<strong>de</strong> die Markgrafschaft Bayreuth an Preußen<br />
verkauft. Aufgrund eines Ediktes <strong>de</strong>s Königs von Preußen (Friedrich Wilhelm III.) vom<br />
20.10.1798 ("Wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Gesellschaften") durften FM-<br />
Logen nur dann weiter bestehen, wenn sie sich einer <strong><strong>de</strong>r</strong> drei preußischen <strong>Großloge</strong>n anschlossen,<br />
also entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen Lan<strong>de</strong>sloge (<strong>de</strong>s Frhr. v. Zinnendorf), <strong><strong>de</strong>r</strong> Mutterloge<br />
"Zu <strong>de</strong>n drei Weltkugeln" o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "Royale York zur Freundschaft". 10 <strong>Die</strong> Loge in<br />
Bayreuth schloss sich daraufhin am 04.07.1800 <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "Royale York zur Freundschaft"<br />
als Tochterloge an, nach<strong>de</strong>m ja eure Loge "Zum Morgenstern" 1799 von dieser GL<br />
gestiftet wor<strong>de</strong>n war. Von 1806 bis 1810 war Bayreuth von französischen Truppen besetzt,<br />
um dann 1810 quasi als Geschenk Napoleons an Bayern zu fallen. Nach<strong>de</strong>m Ansbach und<br />
Erlangen bereits 1805 und Fürth 1806 an Bayern gefallen waren, konnten sich die Bayreuther<br />
ausrechnen, dass sie früher o<strong><strong>de</strong>r</strong> später dasselbe Schicksal haben wür<strong>de</strong>n. Der damalige<br />
MvS namens Schunter ließ sich <strong>de</strong>shalb in weiser Voraussicht bereits 1807 von <strong><strong>de</strong>r</strong> GL<br />
"Royal York zur Freundschaft" das Patent für eine Provinzialgroßloge "<strong>Zur</strong> Sonne" erteilen,<br />
die zu gegebener Zeit aktiviert wer<strong>de</strong>n sollte.<br />
<strong>Die</strong>ser Zeitpunkt war 1810 gekommen: <strong>Die</strong> in <strong>de</strong>n fränkischen Provinzen gedul<strong>de</strong>ten Logen<br />
durften, nach<strong>de</strong>m Franken an Bayern gefallen war, nicht mehr von Logen eines frem<strong>de</strong>n<br />
Reichs abhängig sein. 11 Deshalb löste sich die Loge in Bayreuth mit Schreiben vom 20. Juli<br />
1810 von <strong><strong>de</strong>r</strong> GL "Royal York zur Freundschaft". Unmittelbar danach schlug Bayreuth <strong>de</strong>n<br />
Logen in Fürth und Hof vor, die freimaurerischen Aktivitäten zu bün<strong>de</strong>ln in einer fränkischen<br />
<strong>Großloge</strong>, für die ja ein Patent <strong><strong>de</strong>r</strong> Royal York bereits vorlag. Hintergrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Aktivitäten von<br />
Bayreuth war wohl v.a., die Bildung einer <strong>Großloge</strong> in Ansbach und <strong>de</strong>n Zwangsanschluss<br />
an diese Loge zu verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Beyer zitiert hierzu aus <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fürther Loge, in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
darauf hingewiesen wur<strong>de</strong>, dass die Ansbacher Loge alle übrigen fränkischen Logen unter<br />
ihr Joch bringen, sie sich zinsbar machen und ähnlich <strong>de</strong>spotisch über sie herrschen wolle,<br />
wie dies die Lan<strong>de</strong>sloge in Berlin bis 1785 mit allen <strong>de</strong>utschen Logen gemacht habe. 12<br />
<strong>Die</strong>se Befürchtungen wur<strong>de</strong>n anscheinend von Bayreuth, Fürth und Hof geteilt, und so wur<strong>de</strong>n<br />
En<strong>de</strong> 1810 <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundvertrag verabschie<strong>de</strong>t und in einer Konferenz <strong><strong>de</strong>r</strong> drei Logen am<br />
24.1.1811, fast auf <strong>de</strong>n Tag genau 70 Jahre nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Loge in Bayreuth,<br />
die Bestimmungen <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. Vereinigungsakte angenommen und die Provinzial-<br />
<strong>Großloge</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Taufe gehoben. <strong>Die</strong> neue <strong>Großloge</strong> brauchte einen Namen und - aus wel-<br />
10<br />
Bernhard Beyer, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne", Bayreuth 1954, Band I, S. 266 (nachfolgend<br />
"Beyer I")<br />
11<br />
Beyer I, S. 323<br />
12<br />
Beyer I, S. 321
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 5<br />
chen Grün<strong>de</strong>n auch immer - nahm sie <strong>de</strong>n Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bayreuther Loge, also "<strong>Zur</strong> Sonne"<br />
an. <strong>Die</strong> hierdurch namenlos gewor<strong>de</strong>ne Bayreuther Loge nannte sich ab diesem Zeitpunkt<br />
"Eleusis zur Verschwiegenheit", ohne dass klar wäre, warum. Den verniedlichen<strong>de</strong>n Zusatz<br />
"Provinzial..." legte die <strong>Großloge</strong> 1829 ab, nach<strong>de</strong>m eine 1811 anscheinend noch für möglich<br />
gehaltene bayerische <strong>Großloge</strong> doch nicht entstan<strong>de</strong>n war. 13<br />
<strong>Die</strong> Jahre bis 1847 will ich jetzt überspringen mit einer Ausnahme: 1815 gab es einen gewaltigen,<br />
existenzbedrohen<strong>de</strong>n A<strong><strong>de</strong>r</strong>lass in <strong>de</strong>n bayerischen Logen. Anlass hierfür war ein Vorläufer<br />
<strong>de</strong>s <strong>de</strong>n älteren unter uns noch wohlbekannten Radikalenerlasses von 1972. Am<br />
13.09.1814 verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> bayerische König (Maximilian Joseph), obwohl selber Freimaurer, geheime<br />
Gesellschaften und stellte mit weiterer Verordnung vom 15. Januar 1815 verschärfend<br />
klar, dass bayerische Staatsdiener nicht Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> einer FM-Loge sein dürfen. 14 <strong>Die</strong> Folge<br />
war, dass die Logen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel die Hälfte o<strong><strong>de</strong>r</strong> noch mehr Brr. verloren. Es dauerte fast<br />
eine Generation, bis dieser Verlust wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgeholt war.<br />
Nun aber zu <strong><strong>de</strong>r</strong> bereits genannten Jahreszahl 1847. Was ist an ihr so bemerkenswert? <strong>Die</strong><br />
Antwort wird sofort offenkundig, wenn ich euch zwei Vorschriften vorlese. § 41 <strong>de</strong>s "Grundvertrags<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> großen Freimaurer-Loge zur Sonne" aus <strong>de</strong>m Jahr 5810 (=1810) lautet auszugsweise:<br />
"<strong>Die</strong> Loge hat drei Rücksichten, nach welchen sie die Bedingungen festsetzt, unter welchen<br />
Jemand aufgenommen wer<strong>de</strong>n kann. <strong>Die</strong>se sind:<br />
I. In Rücksicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft und Erreichung ihres Zweckes selbst, - da soll <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufzunehmen<strong>de</strong><br />
a) ein rechtschaffener, für alles Gute leicht empfänglicher Mensch, und irgend<br />
einer im Staate gedul<strong>de</strong>ten christlichen Religions-Confession zugethan<br />
seyn; ..." 15<br />
1847 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundvertrag geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t; die entsprechen<strong>de</strong> Passage (nunmehr § 42) lautete<br />
nun wie folgt:<br />
" <strong>Die</strong> Loge hat drei Rücksichten, nach welchen sie die Bedingungen festsetzt, unter welchen<br />
Jemand aufgenommen wer<strong>de</strong>n kann. <strong>Die</strong>se sind:<br />
I. In Rücksicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft und Erreichung ihres Zweckes selbst, - da soll <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufzunehmen<strong>de</strong><br />
a) ein rechtschaffener, für alles Gute leicht empfänglicher Mensch sein; ..." 16<br />
Es ist also nicht mehr von irgen<strong>de</strong>iner christlichen Religionskonfession als Vorbedingung für<br />
13<br />
Beyer I, S. 328<br />
14<br />
Bernhard Beyer, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" in Bayreuth, Frankfurt/Main 1954, Bd. II, S. 9 ff.<br />
(nachfolgend "Beyer II")<br />
15<br />
Grundvertrag <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Freimaurer-Loge zur Sonne im Orient von Bayreuth, Jahr 5810, Seite 25/26 (Bibliothek<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Nr. 4800)<br />
16<br />
Grundvertrag <strong><strong>de</strong>r</strong> Grossen Freimaurer-Loge zur Sonne im Orient von Bayreuth, 1850, Seite 26 (Bibliothek <strong>de</strong>s<br />
Deutschen Freimaurermuseums Nr. 9158)
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 6<br />
die Aufnahme die Re<strong>de</strong>. Damit war die Voraussetzung für die Aufnahme von Ju<strong>de</strong>n in die zur<br />
<strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" gehören<strong>de</strong>n Logen geschaffen. Ähnlich wie unser Grundgesetz, das<br />
in Art. 1 bekanntlich bestimmt: "<strong>Die</strong> Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen (und nicht etwa nur die <strong>de</strong>s Deutschen;<br />
Anm. D. H.) ist unantastbar", sagen ja auch die Alten Pflichten seit 1723 ausdrücklich,<br />
dass ein Maurer bloß zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion verpflichtet sei, in <strong><strong>de</strong>r</strong> alle Menschen (also nicht etwa<br />
alle Christen!) übereinstimmen. Obwohl danach also je<strong>de</strong>m in religiöser Beziehung seine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Einstellung überlassen blieb, 17 waren Ju<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>nfalls in Deutschland faktisch ausgeschlossen.<br />
<strong>Die</strong> Ju<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n als Träger von Bürgerrechten nicht wahrgenommen. Moses<br />
Men<strong>de</strong>lssohn, <strong><strong>de</strong>r</strong> Großvater von Felix Men<strong>de</strong>lssohn-Bartholdy, ein geachteter Philosoph,<br />
Freund Lessings und Vorbild für Lessings Nathan, 18 musste beispielsweise bei Reisen für<br />
sich selbst <strong>de</strong>n Torzoll eines polnischen Stieres zahlen. 19<br />
<strong>Die</strong> gänzlich unfreimaurerische Diskriminierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ju<strong>de</strong>n in Deutschland wur<strong>de</strong> erstmals<br />
durch Lessing in seinen Freimaurergesprächen 1780 thematisiert. 20 <strong>Die</strong> weite Kreise erfassen<strong>de</strong>n<br />
I<strong>de</strong>en <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärung und die französische Revolution mit ihren Schlagworten von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheit, Gleichheit und Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit taten ein übriges. In England war die Zugehörigkeit<br />
von Ju<strong>de</strong>n zur FM nie ein Thema, ebensowenig in Frankreich. 21 In Preußen wur<strong>de</strong>n erstmals<br />
1812 die Ju<strong>de</strong>n zu "Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Staatsbürgern" erklärt. 22 <strong>Die</strong>s hin<strong><strong>de</strong>r</strong>te aber die drei preußischen<br />
<strong>Großloge</strong>n nicht, Ju<strong>de</strong>n nicht nur die Mitgliedschaft zu verweigern, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />
das Besuchsrecht. 23<br />
Um das zu konkretisieren: <strong>Die</strong> Große National-Mutterloge "Zu <strong>de</strong>n drei Weltkugeln" ließ zwar<br />
immerhin seit 1849 <strong>de</strong>n Besuch nichtchristlicher Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Logen zu, die Aufnahme<br />
17<br />
Beyer II, S. 53<br />
18<br />
http://www.knerger.<strong>de</strong>/philosophen/philosophen_II/philosophen_3/philosophen_4/men<strong>de</strong>lssphilosophen_4.html<br />
Men<strong>de</strong>lssohn, Moses, geb. 7.8.1729 in Dessau, gest. 4.1.1786 in Berlin<br />
Deutscher Philosoph, Großvater von Fanny Men<strong>de</strong>lssohn und Felix Mel<strong>de</strong>lssohn Bartholdy, Vater von<br />
Dorothea Schlegel, lei<strong>de</strong>nschaftlicher Vorkämpfer <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen und sozialen Bürgerrechte und einer Symbiose<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ju<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Christen, wur<strong>de</strong> von seinem Vater sowie von <strong>de</strong>m Rabbiner David Fränkel (*1707,<br />
+1762) erzogen, lebte ab 1742 in Berlin, wur<strong>de</strong> dort 1750 als Hauslehrer mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> eines<br />
Sei<strong>de</strong>nhändlers betraut und später <strong>de</strong>ssen Partner. Im Jahr 1754 machte er die Bekanntschaft <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen<br />
Dramatikers und Kritikers Gotthold Ephraim Lessing, mit <strong>de</strong>m ihn fortan eine lebenslange Freundschaft verband<br />
und für <strong>de</strong>n er als Buchhalter arbeitete. Lessing, ein be<strong>de</strong>uten<strong><strong>de</strong>r</strong> Befürworter <strong><strong>de</strong>r</strong> jüdischen Emanzipation,<br />
nahm Men<strong>de</strong>lssohn zum Vorbild seines Stückes Nathan <strong><strong>de</strong>r</strong> Weise (1779). Lessing war auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Herausgeber<br />
von Men<strong>de</strong>lssohns Philosophischen Gesprächen, die 1755 anonym erschienen. Im gleichen Jahr veröffentlichten<br />
sie die gemeinsam verfasste Satire Pope ein Metaphysiker. Seine Wahl in die Berliner Aka<strong>de</strong>mie<br />
(1771) wur<strong>de</strong> von Friedrich II. wegen seiner jüdischen Abstammung nicht bestätigt. Men<strong>de</strong>lssohn galt als <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Sokrates <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen”. Werke u.a.: Abhandlung über die Evi<strong>de</strong>nz in <strong>de</strong>n Metaphysischen Wissenschaften<br />
(1764), Phädon (1767).<br />
19<br />
Eugen Lennhoff, Oskar Posner, <strong>Die</strong>ter A. Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>, Internationales Freimaurerlexikon, München 2000 (Son<strong><strong>de</strong>r</strong>produktion<br />
2003), S. 442 (Stichwort 'Deutschland')<br />
20<br />
J. G. Fin<strong>de</strong>l, <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei von <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit ihres Entstehens bis auf die Gegenwart, Leipzig 1878,<br />
S. 510 (Bi- bliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr. 423)<br />
21<br />
Fin<strong>de</strong>l, a. a. O., S. 511; Thomas Held, <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ju<strong>de</strong>nfrage in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Freimaurerei, Vortrag zur<br />
Woche <strong><strong>de</strong>r</strong> Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit, , 30.05.1976, S. III (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr.<br />
11003)<br />
22<br />
Beyer II, S. 53; Held a. a. O., S. VI<br />
23<br />
Fin<strong>de</strong>l, a. a. O., S. 535
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 7<br />
von Nichtchristen ist formell aber erst seit 1963 zulässig. 24 Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen Lan<strong>de</strong>sloge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Freimaurer von Deutschland war man auch 1976 noch nicht soweit. 25 Inzwischen können allerdings<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong> modifizierten Or<strong>de</strong>nsregel auch Nichtchristen aufgenommen wer<strong>de</strong>n, sofern<br />
sie sich zur Lehre Jesu Christi bekennen. 26 <strong>Die</strong> <strong>Großloge</strong> Royal York zur Freundschaft<br />
hob zwar 1872 das Verbot auf, dass Ju<strong>de</strong>n nicht aufgenommen wer<strong>de</strong>n können. Faktisch<br />
wur<strong>de</strong> aber <strong>de</strong>nnoch kein Ju<strong>de</strong> aufgenommen., wie <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. Settegast-Skandal 1889 zeigte.<br />
Da euch das vermutlich nichts sagen wird, darf ich ganz kurz darauf eingehen.<br />
Hermann Settegast war 1889 zum Großmeister <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen Loge von Preußen, genannt<br />
Royal York zur Freundschaft gewählt wor<strong>de</strong>n. Er wollte zwei für ihn wesentliche Missstän<strong>de</strong><br />
ausräumen: Zum einen wollte er die Hochgra<strong>de</strong>, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>n Inneren und Innersten<br />
Orient abschaffen, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wollte er die Regeln <strong><strong>de</strong>r</strong> Kugelung än<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Denn trotz <strong>de</strong>s<br />
1872 abgeschafften Verbotes <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufnahme von Ju<strong>de</strong>n war es v. a. in <strong>de</strong>n nord<strong>de</strong>utschen<br />
Logen üblich gewor<strong>de</strong>n war, Aufnahmegesuche von Ju<strong>de</strong>n durch Schwarzkugeln abzulehnen,<br />
auch wenn sonst kein sachlicher Grund gegen <strong>de</strong>n Suchen<strong>de</strong>n sprach. 27 Settegast<br />
wollte <strong>de</strong>shalb die Verpflichtung einführen, je<strong>de</strong> schwarze Kugel gegenüber <strong>de</strong>m MvS rechtfertigen<br />
zu müssen; Vorbehalte gegen die Religion <strong>de</strong>s Suchen<strong>de</strong>n sollten eine schwarze<br />
Kugel nicht rechtfertigen können. Er begrün<strong>de</strong>te dies damit, dass an<strong><strong>de</strong>r</strong>nfalls <strong>de</strong>m Missbrauch<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ballotage Tür und Tor geöffnet seien, <strong>de</strong>nn unter <strong>de</strong>m Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> geheimen Kugelung<br />
könnte gleichermaßen gegen <strong>de</strong>n Geschäftskonkurrenten o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch gegen <strong>de</strong>n nicht<br />
zur gleichen Gesellschaftsschicht gehören<strong>de</strong>n Suchen<strong>de</strong>n aus völlig sachfrem<strong>de</strong>n und mit<br />
<strong>de</strong>n Grundsätzen <strong><strong>de</strong>r</strong> FM nicht zu vereinbaren<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n gekugelt wer<strong>de</strong>n. Damit wür<strong>de</strong><br />
das Fundament <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge untergraben, das auf Anstand, Gleichheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> ohne Ansehen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Person und auf brü<strong><strong>de</strong>r</strong>lichem Vertrauen ruhe. Wer schwarz kugele, sollte also seine<br />
Grün<strong>de</strong> offenlegen müssen.<br />
Seine Anträge wur<strong>de</strong>n überraschend abgelehnt, was zur Folge hatte, dass er nach nur fünf<br />
Monaten sein Großmeisteramt nie<strong><strong>de</strong>r</strong>legte, was vor allem aber be<strong>de</strong>utete, dass auch weiterhin<br />
Ju<strong>de</strong>n keine Aufnahme fan<strong>de</strong>n. Settegast grün<strong>de</strong>te dann nach einem kurzen Zwischenspiel<br />
in Hamburg eine neue <strong>Großloge</strong> in Berlin, die von <strong>de</strong>n preußischen <strong>Großloge</strong>n aufs heftigste<br />
juristisch bekämpft wur<strong>de</strong>, die aber letztinstanzlich vom Preußischen Oberverwal-<br />
24 Held, a. a. O,. S. IX: "… Angehörige je<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft …, sofern sie zu einem <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehre Jesu entsprechen<strong>de</strong>n<br />
sittlichen Lebenswan<strong>de</strong>l entschlossen sind."<br />
25 Held a. a. O., S. IX<br />
26 http://www.masonica.<strong>de</strong>/seiten/info_w/Christliche%20Lehrart.htm: "Je<strong><strong>de</strong>r</strong> - gleich welcher Religion er ansonsten<br />
ange- hören mag - kann somit Mitglied einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> GLL wer<strong>de</strong>n, wenn es ihm seine Religion<br />
erlaubt, sich zur Lehre Jesu Christi zu bekennen."<br />
27 Beyer II, S. 320
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 8<br />
tungsgericht als zulässig bestätigt wur<strong>de</strong>. 28<br />
Doch zurück zu unserer <strong>Großloge</strong> und ihrem Beschluss. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als die preußischen <strong>Großloge</strong>n<br />
hatte die <strong>Großloge</strong> von Hamburg 29 praktisch von Anfang an jüdischen Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>er,<br />
d. h. ausländischer, Logen das Besuchsrecht eingeräumt und bereits 1816 entschie<strong>de</strong>n,<br />
dass je<strong><strong>de</strong>r</strong> rechtschaffene Mann unabhängig von seinem Glauben aufgenommen wer<strong>de</strong>n<br />
könne. 30 Ganz so "schnell" war die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" zwar nicht. Sie brauchte aber nur<br />
bis zum 31.08.1847, um zu beschließen, dass Ju<strong>de</strong>n uneingeschränkt aufgenommen wer<strong>de</strong>n<br />
können. 31 Wenn man sich das Verhalten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er <strong>Großloge</strong>n vor Augen hält, durchaus ein<br />
Ruhmesblatt für die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne".<br />
Das nächste erwähnenswerte Ereignis war nach meiner Meinung die Zulassung <strong>de</strong>s Weißen<br />
Buches. Eines <strong><strong>de</strong>r</strong> drei Großen Lichter <strong><strong>de</strong>r</strong> FM ist bekanntlich das Buch <strong>de</strong>s heiligen Gesetzes,<br />
die Bibel. Das war allerdings nicht immer so. 32 Ursprünglich war das dritte Große Licht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> FM neben Winkelmaß und Zirkel <strong><strong>de</strong>r</strong> Zollstock o<strong><strong>de</strong>r</strong> Maßstock (24-zölliger Maßstab), je<strong>de</strong>nfalls<br />
min<strong>de</strong>stens bis Mitte <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts. Damals trennten sich die englischen Logen<br />
und bei <strong>de</strong>m konservativen Zweig bekam die Bibel, die zwar schon immer im Tempel<br />
war, allerdings nur zum Schwören, auf einmal <strong>de</strong>n Rang eines großen Lichts. <strong>Die</strong>s geschah<br />
1760, 33 und zwar mit <strong>de</strong>m Auftauchen <strong>de</strong>s im Geist <strong><strong>de</strong>r</strong> Kabbala gefälschten Rituals <strong><strong>de</strong>r</strong> sog.<br />
Alten Maurer. 34 <strong>Die</strong> Aufwertung zum Großen Licht kam über die damals entstan<strong>de</strong>nen Hochgra<strong>de</strong>,<br />
die sich zum großen Teil als Nachfahren o<strong><strong>de</strong>r</strong> geistige Erben <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen Ritterschaft<br />
(Tempelritter) verstan<strong>de</strong>n.<br />
<strong>Die</strong> Auffassung von <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel als großem Licht <strong><strong>de</strong>r</strong> FM breitete sich von da an aus und fand<br />
wohl nicht zuletzt <strong>de</strong>shalb Eingang in die Logen und in das Ritual, weil mit <strong>de</strong>m Hinweis auf<br />
Bibel, Bibelglauben und christlichem Bekenntnis <strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Obrigkeit begegnet<br />
wer<strong>de</strong>n konnte, bei <strong>de</strong>n Freimaurern o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Logen handle es sich um gottlose Aufrührer,<br />
um staatsfeindliche hochverräterische Elemente, um eine für das christliche Abendland<br />
gefährliche Bewegung. Damals galt ja noch das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatskirche, <strong>de</strong>mzufolge in<br />
28 Beyer II, S. 322<br />
29 Fin<strong>de</strong>l, a. a. O., S. 521, 535<br />
30 Reinhold Taute, Organisation und Grundgesetze <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Grosslogen, Leipzig 1900, S. 16 (Bibliothek<br />
<strong>de</strong>s Deut- schen Freimaurermuseums Bayreuth Nr. 3169)<br />
31 Beyer II, S. 57<br />
32 J. G. Fin<strong>de</strong>l in "Bauhütte" Nr. 44/1871: "Es ist notorisch, dass bei <strong>de</strong>n ersten öffentlichen Umzügen <strong><strong>de</strong>r</strong> Londoner<br />
Gross- loge im ersten Jahrzehnt die Bibel nie als grosses Licht mitgetragen wur<strong>de</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Konstitutionsbuch."<br />
(zitiert nach Wilhelm Boerner, August Ficke, Ein maurerischer Reformator, Bayreuth 1908, S. 28<br />
Fußnote (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr.3047)<br />
33 Lennhoff, Posner, Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>, a.a.O., S. 130 rechte Spalte<br />
34 Taute a.a.O., Fußnote von J. G. Fin<strong>de</strong>l Seite 18: "<strong>Die</strong> ersten <strong>de</strong>utschen Logen, wie die alte Grossloge von<br />
England, wuss- ten nichts von <strong>de</strong>n 3 grossen Lichtern. Als alte Landmarke kann die Auflegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel nicht<br />
gelten."
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 9<br />
je<strong>de</strong>m Land und je<strong>de</strong>m Fürstentum das Christentum Staatsreligion war. Und eben <strong><strong>de</strong>r</strong> Hinweis<br />
auf die herrschen<strong>de</strong> Staatsreligion war stets auch die Begründung dafür, dass Nichtchristen<br />
(sprich Ju<strong>de</strong>n) nicht aufgenommen wer<strong>de</strong>n konnten. 35<br />
Der damalige Meister vom Stuhl <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiburger Loge "<strong>Zur</strong> edlen Aussicht", Gottfried August<br />
Ficke, hatte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Übernahme <strong>de</strong>s ersten Hammers 1860 u.a. erklärt , dass er<br />
"allein das Constitutions-Buch <strong><strong>de</strong>r</strong> grossen Loge von England vom Jahre 1723<br />
als historische, positive, einzig und allein verpflichten<strong>de</strong> Quelle für die Arbeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer"<br />
anerkenne. 36 Er verwies darauf, dass es<br />
"zur Hebung <strong>de</strong>s geistigen Lebens in <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge unbedingt notwendig sei, die<br />
vielfach veralteten, <strong>de</strong>m höheren Bildungsgra<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit nicht mehr entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Formen und Symbole außer Gebrauch zu stellen." 37<br />
Hochgra<strong>de</strong> bezeichnete er als geschichtlich bemerkenswert, ansonsten aber für unnötig und<br />
unzulässig; sein Ziel war die Entrümpelung <strong>de</strong>s Rituals von als nicht mehr zeitgemäß empfun<strong>de</strong>nen<br />
Bezeichnungen wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung <strong><strong>de</strong>r</strong> FM als "Or<strong>de</strong>n" 38 , <strong><strong>de</strong>r</strong> Titulaturen<br />
"hochwürdig" o<strong><strong>de</strong>r</strong> "ehrwürdig" 39 o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung "Salomonischer Tempelbau", <strong>de</strong>nn,<br />
so Ficke,<br />
"unser Tempel ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Tempel <strong>de</strong>s wahren Gottes, nicht Salomos nur; auch ist<br />
er älter, da die ganze Menschheit, so lange sie als <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> besteht, an ihm<br />
mauert." 40<br />
Er stellte die – manchem vielleicht aktuell anmuten<strong>de</strong> – For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, dass<br />
"das Gebrauchtum ... zeitgemäß zu gestalten (ist), damit es auch <strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong>ten<br />
anspricht und nicht zu Spott und Hohn herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t." 41<br />
Dass er auch dafür war, <strong>de</strong>n Schurz und die übrige maurerische Bekleidung abzuschaffen,<br />
ist bei dieser Grundhaltung nur konsequent.<br />
<strong>Die</strong> Freiburger Loge gehörte zur <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne". Seine Erklärungen anlässlich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Übernahme <strong>de</strong>s ersten Hammers 1860 erregten zwar weithin Aufsehen, zumal er seine Ansprache<br />
an alle Logen versandt hatte, doch gab es seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> keine nennenswer-<br />
35<br />
vgl. e-mail von Klaus-Jürgen Stock – "kolya" – vom 19.11.1999 an Freimaurer-intern-list<br />
36<br />
Wilhelm Boerner, August Ficke, Ein maurerischer Reformator, Bayreuth 1908, S. 8 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Freimau- rermuseums Bayreuth Nr.3047)<br />
37<br />
Boerner a.a.O., S. 6<br />
38<br />
Boerner a.a.O., S. 15<br />
39<br />
Boerner a.a.O., S. 19<br />
40<br />
Boerner a.a.O., S. 15<br />
41<br />
Boerner a.a.O., S. 15
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 10<br />
te Resonanz. <strong>Die</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" verwies vielmehr bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> von Ficke angeregten<br />
Ritualreform darauf, dass insoweit bereits Br. Bluntschli daran arbeite. Damit gab sich<br />
Ficke nicht zufrie<strong>de</strong>n. Ohne Abstimmung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> überarbeitete er <strong>de</strong>shalb eigenmächtig<br />
das Ritual. Es wur<strong>de</strong> En<strong>de</strong> 1865 als "System <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge '<strong>Zur</strong> edlen<br />
Aussicht' in Freiburg ..." an die Logen versandt. 42 Das aufsehenerregendste an <strong>de</strong>m neuen<br />
Ritual war die Ersetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel durch ein sog. Weißes Buch, ein Buch, das aus leeren<br />
weißen Seiten bestand, auf <strong>de</strong>ssen erster Seite aber in großen gol<strong>de</strong>nen Buchstaben das<br />
Wort "Gott" prangte. Ficke berief sich auf die Alten Pflichten, in <strong><strong>de</strong>r</strong>en Teil I "Von Gott und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion" es ausdrücklich heißt:<br />
"... heute jedoch hält man es für ratsamer, sie (die Maurer; Anm. D. H.) nur zu<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion zu verpflichten, in <strong><strong>de</strong>r</strong> alle Menschen übereinstimmen, und je<strong>de</strong>m<br />
seine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Überzeugungen selbst zu belassen." 43<br />
<strong>Die</strong>ser religiösen Toleranz wollte Ficke durch <strong>de</strong>n Austausch <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel gegen ein weißes<br />
Buch sichtbaren Ausdruck verleihen.<br />
In <strong>de</strong>m Vorwort zum Druck <strong>de</strong>s Rituals aus <strong>de</strong>m Jahr 1870 schreibt Ficke:<br />
"Seit vielen Jahren, namentlich seit 1848, wo man glaubte, die ungeschminkte<br />
Wahrheit von <strong>de</strong>n Dächern predigen zu können, hörte man oft die Ansicht aussprechen.<br />
"<strong>Die</strong> Freimaurerei habe sich überlebt und sei nicht mehr zeitgemäß."...<br />
<strong>Die</strong>se Auslassungen haben zu vielfachen Untersuchungen Veranlassung<br />
gegeben. Man erkannte einerseits das Veraltete und Unzeitgemäße und<br />
suchte solches wegzuräumen und durch Besseres zu ersetzen, wagte aber<br />
keinen entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Schritt; an<strong><strong>de</strong>r</strong>seits klammerte man sich um so fester an<br />
eingeführte Formen und Gebräuche, an Überlieferungen, die vor <strong>de</strong>m Forum<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> geschichtlichen Forschungen als unhaltbar erscheinen mußten.<br />
<strong>Die</strong> Grundi<strong>de</strong>e, die in allen Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> drei blauen Gra<strong>de</strong> als Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei<br />
genannt und als Ziel ihres Strebens bezeichnet wird, ist: "Humanität."<br />
<strong>Die</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong>selben geht freilich weit auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>. ...Es gibt ganze Logensysteme,<br />
welche die äußere Wohlthätigkeit, die Armenpflege, als die<br />
Hauptaufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei betrachten; an<strong><strong>de</strong>r</strong>e glauben auf <strong>de</strong>m rechten<br />
Wege zu sein, wenn sie zu <strong>de</strong>m Urchristentum zurückzuführen suchen. Bei<strong>de</strong><br />
Richtungen, die über das Einzelne das große Ganze verlieren, können <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Freimaurerei nicht genügen.<br />
In <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen, bisher üblichen Ritualen <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. drei blauen Gra<strong>de</strong>, -<br />
über die höheren Gra<strong>de</strong> hat die <strong>Geschichte</strong> bereits das Urtheil gesprochen, -<br />
war <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne Mensch als Gegenstand <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit betrachtet. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten<br />
Stufe wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>mselben zur Pflicht gemacht, seine Fehler abzulegen: <strong>de</strong>n rauhen<br />
Stein zu bearbeiten. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweiten, sein moralisches Ich bis zur Schönheit<br />
zu vervollkommnen: <strong>de</strong>n Stein cubisch zu formen und zu glätten. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Dritten gab man ihm die Lehre: bis zum To<strong>de</strong> auf diesem Wege zu beharren.<br />
Von einem umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en Wirken für die Menschheit war nur selten und ne-<br />
42 Boerner a.a.O., S. 18<br />
43 <strong>Die</strong> Alten Pflichten von 1723, In neuer Übersetzung herausgegeben von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> A.F.u.A.M., Bonn 1998,<br />
S. 10 (im Original ebda. "yet 'tis now thought more expedient only to oblige them to the Religion in which<br />
all Men agree, leaving their particular Opinions to themselves")
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 11<br />
benher die Re<strong>de</strong> und es erscheint daher die Erziehung <strong>de</strong>s einzelnen Menschen<br />
als die Hauptaufgabe. Da diese Thätigkeit aber für eine Gesellschaft, die<br />
das vielbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Wort "Humanität" auf ihre Fahne geschrieben hat, nicht als<br />
genügend gelten kann, da <strong><strong>de</strong>r</strong> ganze Apparat <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei mit seinen geschlossenen<br />
Räumen, seinen <strong>Großloge</strong>n, seiner Kette um <strong>de</strong>n Erdball, viel zu<br />
großartig dafür erscheint, so springt es in's Auge, daß höhere Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
gestellt wer<strong>de</strong>n dürfen. Daher haben <strong>de</strong>nn auch viele <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> die<br />
Freimaurerei als ungelöste Frage betrachtet, welche durch die Bekämpfung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fehler, die in einigen Logensystemen gemacht wer<strong>de</strong>n, o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch eine lediglich<br />
formelle Umarbeitung <strong><strong>de</strong>r</strong> gegebenen Rituale nicht beantwortet wer<strong>de</strong>n<br />
kann.<br />
Ich erkenne in <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei einen Bund auserwählter Männer, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich<br />
immerwährend durch neue Aufnahmen erfrischt, und <strong>de</strong>ssen Aufgabe ist, die<br />
Endzwecke <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschheit stets vor Augen zu haben und für Verwirklichung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>selben muthig und beharrlich fortzuarbeiten, das Wohl seiner einzelnen<br />
Glie<strong><strong>de</strong>r</strong>, so wie <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Menschheit, so weit es ihm die eigene Kraft und die<br />
zeitlichen Umstän<strong>de</strong> gestatten, zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
<strong>Die</strong>ser Bund umfasst die ganze Menschheit und bezweckt die moralische Vervollkommnung<br />
und die wahre Glückseligkeit für Alle, ohne Rücksicht auf die<br />
verschie<strong>de</strong>nen Nationalitäten und Glaubensbekenntnisse. Er hat daher ein viel<br />
breiteres Gebiet seiner Wirksamkeit und einen viel weiter greifen<strong>de</strong>n, mehr umfassen<strong>de</strong>n<br />
Standpunkt als einzelne Staaten und Kirchen. Sein Staat und seine<br />
Kirche ist das All' <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschheit.<br />
Den Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s liegt es am Herzen, eine immerwähren<strong>de</strong> Fortentwicklung,<br />
Einigung und Verbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>ung aller Menschen, die Befreiung <strong><strong>de</strong>r</strong>selben<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Finsterniß und <strong><strong>de</strong>r</strong> Knechtschaft, in welche sie so leicht gerathen,<br />
das Erwecken <strong>de</strong>s ihnen angeborenen Lichtes und <strong><strong>de</strong>r</strong> warmen Liebe für das<br />
Wahre, Schöne und Gute, Großartige und Heilige, für die innere Selbständigkeit,<br />
Unabhängigkeit und Freiheit, für alles Ewige und Himmlische, welches in<br />
unserer Brust wohnt; - so wie das unsterbliche Recht ungehemmter moralischer,<br />
religiöser und sozialer Entfaltung zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, damit je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch als<br />
Ebenbild Gottes zur Geltung komme. ...<br />
<strong>Die</strong> königliche Kunst in- und außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge besteht folglich in drei<br />
Bestandtheilen:<br />
Im ersten Grad: <strong>Die</strong> Selbsterkenntniß, die Ausbildung seines eigenen tief verhüllten<br />
Ich's und das Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>sselben auf eine seiner hohen Bestimmung<br />
würdige Weise; die Selbstvere<strong>de</strong>lung in moralischer, sittlicher, socialer, wie in<br />
intellectueller Hinsicht.<br />
Im zweiten Grad: <strong>Die</strong> fortgesetzte und kräftigere Arbeit an <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Selbstvervollkommnung<br />
und das Bestreben, seiner nächsten Umgebung als Beispiel<br />
und Muster zu dienen; die erworbene sittliche Höhe wie auch die errrungene<br />
bessere Erkenntniß auf seine Frau, Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, Hausgenossen und Freun<strong>de</strong>, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
jüngere Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> zu übertragen und zu verbreiten. Alles die als Vorbereitungs-<br />
und Übergangs-Stufe zum dritten Gra<strong>de</strong>.<br />
Im dritten Grad: <strong>Die</strong> allerhöchste Vollendung <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen inneren Tüchtigkeit<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> allergrößte Wirkungskreis. Der Meister soll Ausdruck und Brennpunkt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Menschheit wer<strong>de</strong>n und in <strong>de</strong>m unendlichen Gebiete <strong><strong>de</strong>r</strong>selben arbeiten.<br />
Seine Thätigkeit ist auf allen Fel<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>s großen Lebens, auf allen ohne Ausnahme,<br />
wo die Wür<strong>de</strong> und das Wohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschheit zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n sind. Er ist<br />
ein Apostel und ein Priester <strong><strong>de</strong>r</strong> Humanität. ...<br />
Als logische Folge dieser Auffassung (von Freimaurerei) mußte die Bibel von<br />
<strong>de</strong>m Altare genommen und aus folgen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n durch das weiße ungeschriebene<br />
Buch ersetzt wer<strong>de</strong>n.
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 12<br />
Da Gott, die Religion und die Moral <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s nicht in einem einseitigen<br />
Glaubensbekenntnisse eingegränzt sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n humanistisch, rein und allgemein<br />
menschlich aufgefaßt wer<strong>de</strong>n müssen, so ist die Bibel, welche nur <strong>de</strong>n<br />
Christen als heilige Schrift gilt, kein entsprechen<strong>de</strong>s Emblem für Alle. <strong>Die</strong> Freimaurerei<br />
erkennt als die heiligste Schrift diejenige, welche <strong><strong>de</strong>r</strong> große Baumeister<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Brust eines je<strong>de</strong>n Menschen geschrieben hat. <strong>Die</strong> Bibel genügt daher<br />
nicht auf <strong>de</strong>m Humanitäts-Altar, <strong><strong>de</strong>r</strong> allen Glaubensbekenntnissen gleich<br />
angehört. Durch die Entfernung <strong><strong>de</strong>r</strong>selben wird keine Mißachtung für das<br />
Christenthum ausgedrückt. Mit Freu<strong>de</strong> wird <strong><strong>de</strong>r</strong> hohe innere Werth <strong>de</strong>sselben<br />
und die <strong>Die</strong>nste, welche es <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschheit geleistet hat, anerkannt. Aber we<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
das Christenthum noch die christlichen Kirchen umfassen die ganze<br />
Menschheit. – Das Buch wird daher vom Altare genommen aus Achtung für die<br />
Menschheit, für das wohlverstan<strong>de</strong>ne Wesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei, für die Selbständigkeit<br />
<strong>de</strong>s Geistes und für das Johannislicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Genialität, die alles <strong>de</strong>m<br />
unmittelbaren Wissen und <strong>de</strong>n angeborenen Fähigkeiten zu verdanken hat.<br />
An die Stelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel wird das ungeschriebene Buch gelegt, das von ganz<br />
weißem Papier auf <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Seite das Wort Gott mit großen Goldbuchstaben<br />
trägt. So wie die Bibel und alle heiligen Bücher die Erzeugnisse <strong>de</strong>s menschlichen<br />
Wissens aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit sind, so wird das St. Johannislicht, 44 welches<br />
fortwährend sich offenbart, in Gegenwart und in Zukunft fortschreitend,<br />
die vorhan<strong>de</strong>nen Lehren vervollkommnen und vervollständigen. Alle diese<br />
Werke, welche die kommen<strong>de</strong> Zeit uns bringt, sind heute lauter ungeschriebene<br />
Bücher. Da nun die Freimaurerei, wenn sie lebensfähig bleiben will, für Gegenwart<br />
und Zukunft arbeiten muß, so paßt für sie das ungeschriebene<br />
Buch." ... 45<br />
Und im Ritual selber wird <strong>de</strong>m Neuaufgenommenen das weiße Buch wie folgt erklärt:<br />
Schauen Sie jetzt dieses Buch auf <strong>de</strong>m Altare an!<br />
Auf ihm leuchtet mit gol<strong>de</strong>ner Schrift das Wort "Gott". Es ist uns ein Symbol<br />
Gottes.<br />
Gott ist unser allererstes großes Licht, welches alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Lichter entzün<strong>de</strong>t,<br />
- das Buch aber ist ungeschrieben, je<strong><strong>de</strong>r</strong> gefun<strong>de</strong>nen Wahrheit offen.<br />
Was be<strong>de</strong>utet das?<br />
Gott ist das ewige Problem, welches <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch aller Erdkreise und aller Zeiten<br />
aufzulösen, und dadurch seine Religion und Moral, sein Verdienst, seine<br />
Weisheit, Schönheit und Stärke, zu bethätigen hat. Der Mensch thut das auch<br />
seit Jahrtausen<strong>de</strong>n auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>de</strong> und hat manches heilige Buch vollgeschrieben.<br />
Das Problem jedoch ist nicht gelöst.<br />
Daher liegt hier ein ungeschriebenes Buch. Wir erkennen keine Autorität (in<br />
Glaubensfragen; Anm. D.H.) an; es paßt also für uns. Wir sollen es, je<strong><strong>de</strong>r</strong> für<br />
sich, vollschreiben und dadurch unsere geistige Selbständigkeit an <strong>de</strong>n Tag legen.<br />
Als Maurer sind auch Sie dazu berufen. 46<br />
44 "Das St. Johannislicht ist die Intelligenz und Genialität im Menschen, welche alle Wissenschaft erschafft und<br />
uns die Wahrheit zeigt." (August Ficke, System <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge "zur edlen Aussicht" in Freiburg im<br />
Breisgau, Erster Grad, Freiburg 1870 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr.10773), Seite<br />
23)<br />
45 August Ficke, System <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge "zur edlen Aussicht" in Freiburg im Breisgau, Erster Grad,<br />
Freiburg 1870, Vorwort (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr.10773)<br />
46 August Ficke, System <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge "zur edlen Aussicht" in Freiburg im Breisgau, Erster Grad,<br />
Freiburg 1870, S. 24, 25 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr.10773)
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 13<br />
1868 (11.10.1868) hatte die <strong>Großloge</strong> <strong>Zur</strong> Sonne auf <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong>n-Konferenz in Stuttgart<br />
<strong>de</strong>n Verfassungsentwurf von Bluntschli angenommen. Wesentlicher Bestandteil dieser neuen<br />
Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> war § 50 Abs. 2, <strong><strong>de</strong>r</strong> auszugsweise wie folgt lautete:<br />
"<strong>Die</strong> einzelnen Logen sind berechtigt, ... ihr Ritual selber im Einzelnen auszubil<strong>de</strong>n,<br />
..." 47<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> vorhergehen<strong>de</strong>n Verfassung von 1850 hieß es <strong>de</strong>mgegenüber noch:<br />
"<strong>Die</strong> vorzügliche Pflicht bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Großmeister ist, ... über die Reinerhaltung <strong>de</strong>s<br />
Systems <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen Freimaurer-Loge zur Sonne zu wachen." 48<br />
In Realisierung dieser wegweisen<strong>de</strong>n Ritualfreiheit, die m. W. in Deutschland einzigartig war,<br />
stellte die <strong>Großloge</strong> <strong>Zur</strong> Sonne 1872 in ihrer Versammlung in Hei<strong>de</strong>lberg ihren Mitgliedslogen<br />
ausdrücklich frei, das Freiburger Ritual zu verwen<strong>de</strong>n, sofern bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung <strong>de</strong>s weißen<br />
Buches darauf hingewiesen wer<strong>de</strong>, dass in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Logen als erstes großes Licht die<br />
Bibel auf <strong>de</strong>m Altare liege. 49<br />
56 Jahre später stellte die (altpreußische) Große Lan<strong>de</strong>sloge <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer von Deutschland<br />
auf einmal fest, dass die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" nicht mehr als freimaurerische Großkörperschaft<br />
anerkannt wer<strong>de</strong>n könne, weil sie ihren Tochterlogen die Freiheit gebe, die Bibel<br />
vom Altar zu entfernen. Eine Beseitigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel komme aber einem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>ruf <strong>de</strong>s Gottesbekenntnisses<br />
gleich und rüttle damit an <strong>de</strong>m Fundament <strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong>de</strong>m Glauben an Gott<br />
begrün<strong>de</strong>ten Freimaurerei. Aus Protest gegen das weiße Buch wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb 1928 beschlossen,<br />
die Beziehungen zur <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" abzubrechen. 50 <strong>Die</strong> <strong>Großloge</strong> "knickte"<br />
51 daraufhin ein und schrieb ihren Logen ab 1930 vor, dass das weiße Buch nicht allein<br />
auf <strong>de</strong>m Altar liegen dürfe, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur zusammen mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel. Heute existiert in Deutschland<br />
m. W. nur eine einzige – reguläre - Loge, die noch das weiße Buch verwen<strong>de</strong>t, nämlich<br />
die Loge "<strong>Zur</strong> Wahrheit" in Nürnberg, die auf <strong>de</strong>m Meistertisch das weiße Buch, die Bibel<br />
47<br />
Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>s- und <strong>Großloge</strong> zur Sonne im Or. von Bayreuth nach <strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuttgarter Conferenz<br />
am 11. Ok- tober 1868 gefassten Beschlüssen, Bayreuth 1869 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums<br />
Bayreuth Nr.3625)<br />
48<br />
Grundvertrag <strong><strong>de</strong>r</strong> Grossen Freimaurer-Loge zur Sonne im Orient von Bayreuth, Zweiter Theil, Erster Abschnitt<br />
§ 25 Abs. 4 (S. 19) (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr.9158)<br />
49<br />
Boerner a.a.O. S. 30: Ficke gab <strong><strong>de</strong>r</strong> gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Erklärung folgen<strong>de</strong> Fassung:<br />
"In an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Logen, die nicht nach <strong>de</strong>m Freiburger System arbeiten, liegt statt <strong>de</strong>s 'weissen Buches' die<br />
Bibel auf <strong>de</strong>m Altare. Bei<strong>de</strong> Bücher sollen <strong>de</strong>n Gottgedanken anregen. Der Unterschied liegt in<strong>de</strong>s darin,<br />
dass die Bibel, zurückgreifend auf eine vor achtzehnhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahren gegebene Lehre, zum Lernen und<br />
Glauben hinführt, das Gott geweihte, weisse, ungeschriebene Buch aber zum Selbst<strong>de</strong>nken und eigner Erforschung<br />
<strong>de</strong>s höchsten Gedankens hinleitet."<br />
50<br />
http://www.internetloge.<strong>de</strong>/arstzei/weisbuch.htm, "Von <strong><strong>de</strong>r</strong> freimaurerischen Gottesverehrung, <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel und<br />
<strong>de</strong>m 'Wei- ßen Buch'";<br />
vgl. auch Hermann Koelblin, Vom Wer<strong>de</strong>gang <strong><strong>de</strong>r</strong> Dinge, von Kompetenzen, freimaurerischen und nationalen<br />
Belangen. Ein Ruf nach Einheit und Geschlossenheit, in: Denkschrift <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" über die<br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezie- hungen zur <strong>Großloge</strong> von England, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n Juni 1932, S. 13 (Bibliothek<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr 930)<br />
51<br />
e-mail Klaus-Jürgen Stock, gen. kolya, vom 19.11.1999 an freimaurer-intern-list, <strong><strong>de</strong>r</strong> darauf hinweist, dass sich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ein- spruch <strong><strong>de</strong>r</strong> GLL in Wahrheit gegen die Ju<strong>de</strong>n richtete. (mit Genehmigung <strong>de</strong>s Verfassers)
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 14<br />
und die Partitur <strong><strong>de</strong>r</strong> 9. Sinfonie von Beethoven liegen hat. <strong>Die</strong> Aufzunehmen<strong>de</strong>n haben die<br />
Wahl, auf welches Symbol sie ihr Gelöbnis ablegen. Wie mir <strong><strong>de</strong>r</strong> MvS <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge sagte, wählt<br />
die Mehrheit das weiße Buch, einige wenige nehmen die Partitur, die Bibel habe jedoch während<br />
seiner Stuhlmeisterzeit keiner gewählt.<br />
Es ist vorhin <strong><strong>de</strong>r</strong> Name Bluntschli gefallen. Wenn einem <strong><strong>de</strong>r</strong> Name überhaupt etwas sagt,<br />
dann verbin<strong>de</strong>t man mit ihm entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> O. W. Fischer, <strong>de</strong>n Praliné-Soldaten aus <strong>de</strong>m Film<br />
"Hel<strong>de</strong>n" (mit Liselotte Pulver), o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Verfasser <strong><strong>de</strong>r</strong> in meiner Loge in Bayreuth verwen<strong>de</strong>ten<br />
Rituale. Bluntschli, mit vollem Namen Johann Caspar Bluntschli, war Schweizer und<br />
lebte von 1808 bis 1881. 52 Er war, wie man heute sagen wür<strong>de</strong>, ein geistiger Überflieger, allerdings<br />
auch, zumin<strong>de</strong>st als junger Erwachsener, ein rechter Pascha. In seiner Autobiographie<br />
schreibt er beispielsweise 1829 über seine Frau, die er 1832 heiratete:<br />
"Ich möchte um keinen Preis eine Frau, die mich an Verstand überträfe. Denn<br />
die Schärfe und Stärke <strong>de</strong>s Verstan<strong>de</strong>s bleibt auf ewig <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorzug <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer.<br />
Frauen können sich nur von ferne annähern. Es bleibt in ihrem Verstand immer<br />
eine gewisse Schwäche zurück." 53<br />
Für seine eigene Person hat er <strong>de</strong>n Beweis angetreten, dass er über einen außergewöhnlichen<br />
Intellekt verfügte. So hatte er bereits mit 21 Jahren nicht nur das Studium <strong><strong>de</strong>r</strong> Jurispru<strong>de</strong>nz,<br />
das er in Berlin und Bonn absolvierte, abgeschlossen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch noch mit Auszeichnung<br />
promoviert. Mit 22 Jahren, also 1830, wur<strong>de</strong> er Gerichtsschreiber, d.h. Richter am<br />
Bezirksgericht Zürich, mit 25 Jahren außeror<strong>de</strong>ntlicher Professor an <strong><strong>de</strong>r</strong> eben gegrün<strong>de</strong>ten<br />
Universität Zürich, daneben Rechtsconsulent, also Rechtsberater <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Zürich. 1836, mit<br />
28 Jahren wur<strong>de</strong> er or<strong>de</strong>ntlicher Professor für römisches und <strong>de</strong>utsches Recht an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität<br />
Zürich, mit 29 Jahren Mitglied <strong>de</strong>s Großen Rats <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Zürich und mit 31 Jahren,<br />
wenn heutzutage ein durchschnittlicher Jurastu<strong>de</strong>nt seine Referendarzeit abschließt, war er<br />
bereits Regierungsmitglied in Zürich und Mitglied <strong>de</strong>s eidgenössischen Staatsrats. Nach<strong>de</strong>m<br />
er 1844, da war er 36 Jahre, nur knapp im sechsten Wahlgang mit 97:99 Stimmen nicht zum<br />
Bürgermeister von Zürich gewählt wor<strong>de</strong>n war , 54 folgte er 1848 einem Ruf an die Universität<br />
München. Zuvor erstellte er noch <strong>de</strong>n Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für Zürich,<br />
bestehend aus vier Büchern, <strong>de</strong>m Personen- und Familienrecht, <strong>de</strong>m Sachenrecht, <strong>de</strong>m Obligationenrecht<br />
und <strong>de</strong>m Erbrecht; dieses Bürgerliche Gesetzbuch wur<strong>de</strong> später nahezu un-<br />
52 07.03.1808 – 21.10.1881<br />
53 Johann Caspar Bluntschli, Denkwürdiges aus meinem Leben, Nördlingen 1884, Band I, S. 97 (Bibliothek <strong>de</strong>s<br />
Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr. 4324)<br />
54 Thomas Dehler, Johann Caspar Bluntschli – Der Mann <strong>de</strong>s Rechtes – Der <strong>Die</strong>ner <strong>de</strong>s Staates – Der Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />
in: Bericht vom außeror<strong>de</strong>ntlichen <strong>Großloge</strong>ntag 1958 und vom internationalen Freimaurerkongreß in<br />
Wiesba<strong>de</strong>n 16.-18. Mai 1958, S. 43, 47 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr. 128)
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 15<br />
verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t für die gesamte Schweiz übernommen. 55<br />
Nach dreizehn Jahren in München, in <strong>de</strong>nen er enge Kontakte zum Hof (König Ludwig I.,<br />
König Max II.) wie zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Kunstszene (Richard Wagner, Wilhelm Kaulbach, Emanuel Geibel<br />
u. a.) hatte, nahm er 1861 einen Ruf an die Universität Hei<strong>de</strong>lberg an. 56 1861 erhielt er auch<br />
die damals höchste Ehre für einen Juristen, 57 die Präsi<strong>de</strong>ntschaft <strong>de</strong>s Deutschen Juristentages.<br />
1862 war er Initiator und Gründungsmitglied <strong>de</strong>s Deutschen Abgeordnetentages, er<br />
wur<strong>de</strong> vom Großherzog berufenes Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Kammer <strong>de</strong>s Badischen Landtags (einer<br />
Art Senat), später Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Kammer <strong><strong>de</strong>r</strong> Abgeordneten, er war Präsi<strong>de</strong>nt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Protestantentage, die er ins Leben rief, Präsi<strong>de</strong>nt <strong><strong>de</strong>r</strong> Badischen Generalsyno<strong>de</strong> und schließlich<br />
Abgeordneter <strong>de</strong>s Deutschen Zollparlaments, <strong>de</strong>s Vorläufers <strong>de</strong>s Reichstags. Dazwischen<br />
schrieb er noch wegweisen<strong>de</strong> Lehrbücher, <strong><strong>de</strong>r</strong>en eines mit <strong>de</strong>m Titel "Das mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne<br />
Kriegsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> civilisierten Staaten" ein Standardwerk <strong>de</strong>s Völkerrechts wur<strong>de</strong>, das noch<br />
heute gilt, wie sich erst letztes Jahr zeigte, als es wie<strong><strong>de</strong>r</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewertung <strong>de</strong>s von George<br />
W. Bush angezettelten Krieges im Irak zitiert wur<strong>de</strong>.<br />
Und Bluntschli war Freimaurer, und was für einer! Mit 30 Jahren in die Loge "Mo<strong>de</strong>stia cum<br />
Libertate" in Zürich aufgenommen, war er 1844 maßgeblich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweizer<br />
<strong>Großloge</strong> "Alpina" beteiligt: seine Grundsätze <strong>de</strong>s Schweizer Freimaurervereins wur<strong>de</strong>n nahezu<br />
unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t zur Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> Alpina. In seinem Festvortrag anlässlich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Alpina mit <strong>de</strong>m Thema "Über das Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Maurerei zu Kirche und Staat"<br />
beschrieb er die Aufgabe <strong>de</strong>s Freimaurers dahin, dass dieser die I<strong>de</strong>en <strong><strong>de</strong>r</strong> Humanität auch<br />
gegenüber <strong>de</strong>n oft engen und ausschließlichen Ten<strong>de</strong>nzen <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Staaten und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
konfessionellen Kirchen zu vertreten habe. 58 In München war er maurerisch nicht aktiv, dafür<br />
umso mehr in Hei<strong>de</strong>lberg. 1864 wur<strong>de</strong> er in <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge Ruprecht zu <strong>de</strong>n fünf Rosen angenommen<br />
und noch im selben Jahr zum Meister vom Stuhl gewählt. Am 14.10.1865 verfasste<br />
er ein Rundschreiben als Antwort auf eine Allokution 59 Papst Pius IX, das nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>de</strong>nn<br />
als sprachliche und argumentative Meisterleistung bezeichnet wer<strong>de</strong>n kann. Er schreibt:<br />
Ihnen allen ist ohne Zweifel die Ansprache zur Kenntnis gekommen, welche<br />
Seine Heiligkeit, <strong><strong>de</strong>r</strong> Papst Pius IX. am 25. September dieses Jahres an die zu<br />
Rom versammelten Kardinäle gehalten hat. Sie wissen, daß er darin unseren<br />
55<br />
vgl. unbekannter Verfasser, <strong>Die</strong> Schweizerische Be<strong>de</strong>utung von Johann Caspar Bluntschli, in: Bericht vom<br />
außeror<strong>de</strong>ntli- chen <strong>Großloge</strong>ntag 1958 und vom internationalen Freimaurerkongreß in Wiesba<strong>de</strong>n 16.-18. Mai<br />
1958, S. 52 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr. 128)<br />
56<br />
Beyer II, S. 190<br />
57<br />
Thomas Dehler, a. a. O., S. 48 f.<br />
58<br />
Thomas Dehler, a. a. O., S. 46<br />
59<br />
Vortrag <strong>de</strong>s Papstes im Kardinalskollegium über irgen<strong>de</strong>ine wichtige religiöse o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch politische Frage, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
durch An- schlag veröffentlicht wird (Eugen Lennhoff/Oskar Posner, Internationales Freimaurerlexikon,<br />
unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ter Nachdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgabe 1932, Wien/München 1980, Spalte 45)
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 16<br />
Bund verdammt und unsere katholischen Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong>de</strong>m Bann bedroht.<br />
Es ist nicht das erste Mal, dass ein römischer Papst gegen unseren ehrwürdigen<br />
Or<strong>de</strong>n seinen Bannstrahl geschleu<strong><strong>de</strong>r</strong>t hat. Schon Clemens XII. hat das<br />
am 8. April 1738 getan, und Benedikt XIV. hat das Verdammungsurtel seines<br />
Vorgängers am 18. Mai 1751 bestätigt und näher begrün<strong>de</strong>t. Auch seither ist<br />
ähnliches geschehen durch Pius VII. und Leo XII. Freilich je<strong>de</strong>smal, wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gegenwärtige Papst es lebhaft beklagt, ohne Erfolg.<br />
<strong>Die</strong>se Verurteilungen <strong>de</strong>s päpstlichen Stuhles haben keine Ähnlichkeit mit <strong>de</strong>n<br />
Urteilen unserer Gerichtshöfe. Den Anstoß dazu gaben heimliche Anschwärzungen,<br />
welche <strong>de</strong>m Beschuldigten nicht mitgeteilt wer<strong>de</strong>n. Es gibt keine öffentliche<br />
Anklage und gar keine Verteidigung, we<strong><strong>de</strong>r</strong> eine öffentliche, noch eine<br />
geheime. Alle Garantien für eine unparteiische Rechtspflege und ein sicheres<br />
Urteil fehlen dort. Der Verdacht ersetzt <strong>de</strong>n Beweis, die Schuld wird vermutet,<br />
man wird verurteilt, ohne gehört zu sein. Ist es dann zu verwun<strong><strong>de</strong>r</strong>n, wenn die<br />
öffentliche Meinung solchen Urteilen kein Vertrauen zuwen<strong>de</strong>t und dieselben<br />
geringschätzt?<br />
Der Bund <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer ist als eine Gesellschaft freier Männer wohl <strong>de</strong>n<br />
Staatsgesetzen, aber, da er kein kirchliches Institut ist und als solcher keiner<br />
Kirche angehört, keiner kirchlichen Autorität untertan. Für unseren Bund ist daher<br />
die päpstliche Verdammung ohne alle bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kraft. Wenn aber das Oberhaupt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche uns ungehört verdammt, so wollen wir dagegen<br />
seine Grün<strong>de</strong> hören und prüfen, womit es seine Meinung stützt.<br />
Der erste und wichtigste Grund, welchen alle Päpste ihrem Verdammungsurteil<br />
vorangestellt haben, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorwurf, dass unser Bund Männer von verschie<strong>de</strong>nen<br />
Religionen und Sekten als Βrü<strong><strong>de</strong>r</strong> einige. Dadurch wird, wie Benedikt XIV.<br />
sich ausdrückte, 'die Reinheit <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Religion getrübt.'<br />
<strong>Die</strong>ser erste und schwerste Vorwurf, meine Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>, gestehen wir es offen, ist in<br />
Wahrheit begrün<strong>de</strong>t. Wenn es ein Verbrechen ist, dass Männer verschie<strong>de</strong>nen<br />
Glaubens ohne Rücksicht auf ihr kirchliches Bekenntnis sich freundlich die<br />
Hän<strong>de</strong> reichen, so sind wir dieses Verbrechens geständig und schuldig. Allerdings<br />
hat unser Verein, von Ursprung an und mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit immer entschie<strong>de</strong>ner,<br />
sich zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrheit bekannt, daß es unter allen Religionen ehrbare und tüchtige<br />
Männer gebe, wohl wert, einan<strong><strong>de</strong>r</strong> als Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> zu achten und zu lieben. Zu<br />
allen Zeiten hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Maurerbund je<strong>de</strong> Verfolgung eines Menschen seines abweichen<strong>de</strong>n<br />
Glaubens wegen für ein Vergehen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschheit gehalten.<br />
<strong>Die</strong> sittliche Pflichterfüllung wird wirklich von Maurern weit höher geschätzt als<br />
alle Rechtgläubigkeit. Aber diese Grundsätze, welche geraume Zeit sich in <strong>de</strong>n<br />
Logen verbergen mußten, sind schon lange trotz aller Abmachung <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen<br />
Eiferer zu Grundsätzen <strong><strong>de</strong>r</strong> gebil<strong>de</strong>ten Welt gewor<strong>de</strong>n und haben ihre<br />
Bestätigung gefun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Gesetzen aller zivilisierten Staaten. Wird die Maurerei<br />
<strong>de</strong>shalb verdammt, so sind die gebil<strong>de</strong>te Welt und die zivilisierten Staaten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>selben Verdammnis teilhaft.<br />
Gott sei Dank, ein aus diesem Grun<strong>de</strong> geschleu<strong><strong>de</strong>r</strong>ter Bannstrahl zün<strong>de</strong>t in unserem<br />
Zeitalter nicht mehr; aber er erhellt das nächtliche Dunkel <strong><strong>de</strong>r</strong> Unduldsamkeit,<br />
das ihn geboren hat. Er zeigt <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt, wie weit man noch in Rom zurückgeblieben<br />
ist hinter <strong>de</strong>m sittlichen Fortschritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschheit.<br />
Als zweiten Grund <strong><strong>de</strong>r</strong> Verdammung führt Benedikt XIV. das Geheimnis an, in<br />
welches unser Bund sich hülle. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat hat das Geheimnis, welches wir geloben,<br />
von jeher viel Mißtrauen erweckt und zu mancher Miß<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>n Vorwand<br />
gegeben. Sie wissen aber auch, welche grobe Mißverständnisse, und<br />
lei<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht bloß außerhalb <strong>de</strong>s Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>kreises, sich daran knüpfen. We<strong><strong>de</strong>r</strong> die<br />
Grundsätze, noch die Ziele <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s, we<strong><strong>de</strong>r</strong> seine Existenz, noch seine Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
an ihrem Wohnsitz sind heute noch geheim. Wer irgend will, kann sich
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 17<br />
über alles dies leicht unterrichten. Geheim sollen bleiben die Erkennungszeichen,<br />
damit die Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> überall auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frem<strong>de</strong> sich leichter fin<strong>de</strong>n, und geheim<br />
die inneren Arbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge, damit hier das persönliche Vertrauen sich<br />
voller entfalte und die Meinung sich freier äußere. <strong>Die</strong> stille und persönliche<br />
Einwirkung, welche <strong><strong>de</strong>r</strong> Bund auf <strong>de</strong>n Charakter und das sittliche Leben seiner<br />
Glie<strong><strong>de</strong>r</strong> ausübt, bedarf dieses Schutzes. Ist es <strong>de</strong>nn in <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>s? Ist die Beichte öffentlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> geheim? Wer<strong>de</strong>n die Verhandlungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
katholischen Or<strong>de</strong>n und Behör<strong>de</strong>n öffentlich gepflogen? Hat nicht je<strong>de</strong> Familie,<br />
je<strong><strong>de</strong>r</strong> engere Freun<strong>de</strong>skreis, je<strong>de</strong> Privatgesellschaft auch ihre Geheimnisse für<br />
sich? Vielleicht, meine Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>, sind unsere Logen in dieser Hinsicht noch allzu<br />
ängstlich in einer Zeit, welche die Öffentlichkeit liebt. Aber nimmermehr kann<br />
diese scheue Sorgfalt ein Verbrechen genannt wer<strong>de</strong>n, welches eine Verurteilung<br />
rechtfertigt.<br />
<strong>Die</strong> alte, mit schweren Strafen drohen<strong>de</strong> maurerische Ei<strong>de</strong>sformel hat <strong>de</strong>m<br />
Papst Benedikt XIV. als dritter Verdammungsgrund dienen müssen, und auch<br />
Pius IX. legt darauf noch ein schweres Gewicht. Sie wissen, meine Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>, daß<br />
jene alte Ei<strong>de</strong>sformel schon lange außer Übung ist und nur noch als geschichtliche<br />
Tatsache aus einer untergegangenen Perio<strong>de</strong> mitgeteilt wird. Sie wissen,<br />
daß wir <strong>de</strong>m einfachen Worte <strong>de</strong>s ehrlichen Mannes mehr vertrauen als überspannten<br />
Eidschwüren, welche die Phantasie erhitzen und <strong>de</strong>nVerstand erkälten.<br />
<strong>Die</strong>ser dritte Grund also, niemals von Belang, existiert gegenwärtig nur<br />
noch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Einbildung.<br />
Wenn Benedikt XIV. sich ferner auf das römische Recht beruft, welches keinerlei<br />
Einungen und Körperschaften dul<strong>de</strong>, so wird damit das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche<br />
garnicht berührt. <strong>Die</strong> meisten zivilisierten Staaten aber, die hier allein zu entschei<strong>de</strong>n<br />
berufen sind, haben unsern Or<strong>de</strong>n schon viel früher unangefochten<br />
bestehen und gewähren lassen, als sie (im Gegensatz zu <strong>de</strong>m römischen Kaiserrecht)<br />
das allgemeine Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinsfreiheit anerkannt haben. Damit fällt<br />
<strong>de</strong>nn auch <strong><strong>de</strong>r</strong> fünfte Grund haltlos in sich zusammen, daß einzelne Regierungen<br />
<strong>de</strong>n Bund verboten haben. Wo das ausnahmsweise geschieht, da lösen<br />
sich die Logen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s sofort pflichtgemäß auf und bewähren gera<strong>de</strong> dadurch<br />
ihren Gehorsam gegen das Lan<strong>de</strong>sgesetz.<br />
Endlich führt Benedikt XIV. als letzten Grund seiner Verdammung an, dass viele<br />
kluge und ehrbare Männer eine ungünstige Meinung von <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong> haben.<br />
Wie wenig aber darauf eine Verurteilung zu grün<strong>de</strong>n sei, das sollte, <strong>de</strong>nken wir,<br />
auch in Rom schon <strong>de</strong>shalb klar sein, weil es ohne Zweifel ebenfalls viele kluge<br />
und ehrbare Männer gibt, welche eine ungünstige Meinung von sämtlichen<br />
kirchlichen Or<strong>de</strong>n und Klöstern, ja sogar von <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen römischen Hierarchie<br />
haben.<br />
Von allen diesen Grün<strong>de</strong>n hat also nur <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Wahrheit und Gewicht. Aber<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>selbe Grund, aus <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Papst uns verdammt, ist in <strong>de</strong>n Augen <strong><strong>de</strong>r</strong> zivilisierten<br />
Welt <strong><strong>de</strong>r</strong> höchste Ruhm unseres Bun<strong>de</strong>s.<br />
Papst Pius IX. beschwert sich über die Lässigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bischöfe, welche sich zu<br />
weich und schläfrig gezeigt haben in <strong>de</strong>m Vollzuge <strong>de</strong>s päpstlichen Bannfluches,<br />
und über die katholischen Fürsten, welche versäumt haben, unseren<br />
Verein mit Gewalt zu unterdrücken; er klagt sogar <strong>de</strong>n Himmel an, welcher die<br />
Schlaffheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Herrscher gedul<strong>de</strong>t habe.<br />
Weit heftiger als seine Vorgänger auf <strong>de</strong>m päpstlichen Stuhle spricht sich Pius<br />
IX. über die Frmrei aus. Es hat zu keinen Zeiten <strong>de</strong>m römischen Stuhl an<br />
schrecklichen Worten gefehlt. Wenn aber <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenwärtige Erlaß Pius' IX. die<br />
früheren Verdammungen in lei<strong>de</strong>nschaftlichen Zornausbrüchen überbietet, so<br />
dürfen wir das als ein sicheres Zeichen <strong>de</strong>s ver<strong><strong>de</strong>r</strong>blichen Einflusses betrachten,<br />
welchen unsere schlimmsten und unversöhnlichsten Fein<strong>de</strong>, die Jesuiten,<br />
auf das Gemüt und Urteil eines von Natur mil<strong>de</strong>n Papstes erworben haben.
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 18<br />
Er nennt unsern Bund eine verbrecherische Sekte, obwohl ihm kein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es<br />
Verbrechen als das humaner Duldsamkeit nachgewiesen wird, und eine unsittliche<br />
Sekte, obwohl das sittliche Gesetz das eigentliche Lebensprinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Mrei<br />
ist. Er beschuldigt uns, die Revolutionen und Kriege verschul<strong>de</strong>t zu haben,<br />
durch welche Europa in Brand gesteckt wor<strong>de</strong>n, während alle Welt weiß, daß<br />
die Erschütterungen und Kriege in Europa von ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>n und mächtigeren<br />
Kräften veranlaßt wor<strong>de</strong>n sind, als uns zur Verfügung stehen, und es für je<strong>de</strong>n<br />
Kundigen offenbar ist, daß unser Bund von seinen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n gewissenhafte<br />
Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsgesetze for<strong><strong>de</strong>r</strong>t, daß die Logen verfassungsgemäß sich<br />
je<strong><strong>de</strong>r</strong> aktiven Teilnahme an <strong>de</strong>n politischen Kämpfen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gegenwart enthalten<br />
und ausschließlich humane und sittliche Zwecke verfolgen, daß unsere Bauhütten<br />
Stätten <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns und neutraler Bo<strong>de</strong>n sind, <strong>de</strong>ssen Schwellen die<br />
Lei<strong>de</strong>nschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien nicht überschreiten darf. Er wirft uns vor, wir seien<br />
von glühen<strong>de</strong>m Haß gegen die christliche Religion erfüllt, ungeachtet wir<br />
grundsätzlich je<strong>de</strong>n aufrichtigen Glauben achten, ungeachtet die Mehrzahl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> sich zur christlichen Religion bekennt, ungeachtet das sittliche I<strong>de</strong>al,<br />
welches Christus <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt in seinem Leben wie in seiner Lehre offenbar gemacht<br />
hat, von einem sittlichen Verein unmöglich an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als mit Bewun<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
und Verehrung betrachtet wer<strong>de</strong>n kann. Er nennt uns sogar feindlich gesinnt<br />
gegen Gott, obwohl wir unsere Gebete zu Gott richten und aus <strong>de</strong>m göttlichen<br />
Urquell alles sittlichen Lebens unsere sittliche Stärkung schöpfen.<br />
Vergeblich ruft er die Gewalt <strong>de</strong>s Staates wi<strong><strong>de</strong>r</strong> uns um Hilfe an; die Staatsautorität<br />
hat keine Besorgnis vor unserem Wirken, sie weiß zu gut, daß wir friedliche<br />
und treue Staatsbürger sind.<br />
Folgen wir, meine Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>, nicht <strong>de</strong>m Beispiel <strong>de</strong>s römischen Kirchenfürsten!<br />
Erwi<strong><strong>de</strong>r</strong>n wir nicht die ungerechte Beschuldigung! Setzen wir <strong>de</strong>m kirchlichen<br />
Fluche nicht unsere Verwünschung entgegen! Bedauern wir die unglückliche<br />
Verblendung eines ehrwürdigen Greises, <strong>de</strong>ssen Seele getäuscht und mißleitet<br />
wor<strong>de</strong>n ist. Bitten wir <strong>de</strong>n allmächtigen und allwissen<strong>de</strong>n Gott, daß er das<br />
Trugbild zerstöre, welches <strong>de</strong>n Zorneseifer <strong>de</strong>s Papstes entflammt hat, und<br />
<strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>sselben die schlichte Wahrheit erkennen lasse, damit auch er seinen<br />
Fluch in Segen wandle! 60<br />
Mit diesem Rundschreiben, das wohlgemerkt Bluntschli von sich aus ohne Veranlassung<br />
durch die <strong>Großloge</strong> versandte, wollte er sich mglw. bei <strong>de</strong>n badischen Logen einführen und<br />
empfehlen, <strong>de</strong>nn zeitgleich versuchte er, eine eigene <strong>Großloge</strong> mit <strong>de</strong>n badischen Logen zu<br />
grün<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>ser Versuch scheiterte und die <strong>Großloge</strong> band Bluntschli geschickt ein, in<strong>de</strong>m<br />
sie ihm zunächst <strong>de</strong>n Auftrag gab, die Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" zu überarbeiten<br />
bzw. neu zu erstellen; darüber hinaus erhielt er <strong>de</strong>n Auftrag, das Ritual zu überarbeiten. Bei<strong>de</strong><br />
Aufträge führte er – wie nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s zu erwarten - mit Bravour aus. Das Ritual befreite er<br />
von ritterlichem und pseudo-mystischem Schwulst und er beseitigte die alte mit schweren<br />
Strafen drohen<strong>de</strong> Ei<strong>de</strong>sformel ("verscharrt eine Kabellänge vom Ufer ..." 61 ). Das heute noch<br />
60 J. C. Bluntschli, Denkwürdiges aus meinem Leben, III. Band, Nördlingen 1884, S. 122 ff. (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Frei- maurermuseums Bayreuth Nr. 4324); Beyer II, S. 167 ff.<br />
61 <strong>Die</strong> Ei<strong>de</strong>sformel aus <strong>de</strong>m Jahre 1744lautet:<br />
"Ich glaube und schwoere hiermit in Gegenwart <strong>de</strong>s allmaechtigen Gottes und dieser Ehrwuerdigsten Versammlung,<br />
dass ich die Heimlichkeiten, o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Geheimniss <strong><strong>de</strong>r</strong> Maurer und <strong><strong>de</strong>r</strong> Maurerey, so man mir offenbaren<br />
wird hehlen und verbergen, und niemahls ent<strong>de</strong>cken will, es sey <strong>de</strong>nn einem treuen und rechtmaessigen<br />
Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>, nach gehoeriger Erforschung o<strong><strong>de</strong>r</strong> in einer rechten und Ehrwuerdigen Loge von Brue<strong><strong>de</strong>r</strong>n und<br />
Gesellen.
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 19<br />
in Bayreuth praktizierte Ritual im ersten Grad stammt von Bluntschli, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich dabei auf das<br />
Feßlersche Ritual von 1806 stützte; <strong><strong>de</strong>r</strong> dritte Grad ist dagegen Bluntschli pur. <strong>Die</strong> Verfassung,<br />
die er für die <strong>Großloge</strong> ausarbeitete, verstärkte die Autarkie <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzellogen, beseitigte<br />
<strong>de</strong>n Inneren Orient und führte im übrigen das <strong>de</strong>mokratische Mehrheitsprinzip bei Entscheidungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> ein, d.h. die einzelnen Logen hatten ein gleichgewichtiges Mitspracherecht.<br />
Bluntschli hatte sich nicht nur mit ganzer Lei<strong>de</strong>nschaft für <strong>de</strong>n nationalen <strong>de</strong>utschen Zusammenschluss<br />
ohne Österreich eingesetzt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in gleicher Weise auch mit allem, was ihm<br />
an Argumenten, Überzeugungskraft und persönlichem Einsatz möglich war, für eine <strong>de</strong>utsche<br />
<strong>Großloge</strong>. Der Partikularismus <strong><strong>de</strong>r</strong> vorhan<strong>de</strong>nen <strong>Großloge</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Angst um ihre<br />
Hochgra<strong>de</strong> und ihre Souveränität, war allerdings stärker als die Vision Bluntschlis von einer<br />
"Deutschen <strong>Großloge</strong>", die eine autonome, souveräne und nationale eigenständige Obödienz<br />
gewesen wäre, in die die vorhan<strong>de</strong>nen <strong>Großloge</strong>n sich hätten einbringen sollen. Aus<br />
<strong>de</strong>m Vorschlag Bluntschlis, die Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>schaft in Deutschland durch Gründung einer <strong>de</strong>utschen<br />
<strong>Großloge</strong> zu einigen, machte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong>nrat und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong>ntag lediglich eine<br />
Konfö<strong><strong>de</strong>r</strong>ation, einen <strong>Großloge</strong>nbund "Bund <strong><strong>de</strong>r</strong> vereinigten <strong>Großloge</strong>n", ein Konstrukt ohne<br />
eigenes Gewicht. 62 Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Ablehnung <strong><strong>de</strong>r</strong> von ihm mit Vehemenz versuchten Einigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen FM resignierte er 1879 mit folgen<strong>de</strong>n nachvollziehbaren Worten:<br />
"Meine Illusion ist zerstört. Das Instrument ist unbrauchbar. ... <strong>Die</strong>se Aufgabe<br />
ist zu En<strong>de</strong>. Ich wer<strong>de</strong> nicht <strong>de</strong>cken, aber ich wer<strong>de</strong> mich zu nichts mehr wählen<br />
lassen. ..." 63<br />
Auch wenn ihm die Verwirklichung seines großen Traums nicht möglich war, war Bluntschli<br />
<strong>de</strong>nnoch einer <strong><strong>de</strong>r</strong> be<strong>de</strong>utendsten Freimaurer in Deutschland. Der Bewertung Bluntschlis<br />
durch Lennhoff/Posner ist nichts hinzuzufügen:<br />
Er beeinflusste durch die Macht seiner Persönlichkeit die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne"<br />
in Bayreuth durch viele Jahre <strong><strong>de</strong>r</strong>art, dass er 1872 zum Großmeister ge-<br />
Ich verspreche und gelobe ferner, dass ich selbige nicht schreiben, nicht drucken, nicht zeichnen, stechen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
eingraben, noch selbige schreiben, drucken, stechen o<strong><strong>de</strong>r</strong> eingraben lassen will, es sey in Holtz o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Stein, <strong><strong>de</strong>r</strong>gestalt, dass die sichtbaren Zeichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Eindruck eines Buchstabens erscheinen, wodurch<br />
auch immermehr auf rechtmaessige Art erlanget wer<strong>de</strong>.<br />
Alles dieses unter keiner geringeren Straffe, als dass meine Gurgel abgeschnitten, meine Zunge aus <strong>de</strong>m<br />
Gaumen meines Mun<strong>de</strong>s genommen, mein Hertz unter meiner lincken Brust herausgerissen, sodann in <strong>de</strong>m<br />
San<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Meeres <strong><strong>de</strong>r</strong> Laenge eines Kabel-Taues weit vom Ufer, wo Ebbe und Fluth in vier und zwanzig<br />
Stun<strong>de</strong>n zweymal abwechselt, begraben, mein Coerper zu Asche verbrannt, und meine Asche aud <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberfaeche<br />
<strong>de</strong>s Erdbo<strong>de</strong>ns zerstreuet wer<strong>de</strong>, damit also nicht das geringste An<strong>de</strong>nken von mir unter <strong>de</strong>n Maurern<br />
uebrig bleibt. So wahr mir GOTT helfe!"<br />
62 Gotthold Falk, Johann Caspar Bluntschli – Bluntschli und die Einigung, in: Bericht vom außeror<strong>de</strong>ntlichen<br />
<strong>Großloge</strong>ntag 1958 und vom internationalen Freimaurerkongreß in Wiesba<strong>de</strong>n 16.-18. Mai 1958, S. 55 f. (Bibliothek<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr. 128)<br />
63 zitiert bei Beyer II, S. 234
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 20<br />
wählt wur<strong>de</strong>. ... Seine Großmeisterschaft bis 1878 darf als eine <strong><strong>de</strong>r</strong> geistigen<br />
Glanzperio<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Bayreuther <strong>Großloge</strong> betrachtet wer<strong>de</strong>n. ... Bluntschli war<br />
einer <strong><strong>de</strong>r</strong> hervorragendsten Persönlichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Freimaurerei <strong>de</strong>s<br />
19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts, die er mit seiner Geistigkeit jahrzehntelang befruchtet hat. 64<br />
Machen wir einen großen Sprung. Der 1. Weltkrieg führte nicht nur zu einer tiefgreifen<strong>de</strong>n<br />
Umgestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft in Deutschland weg von <strong><strong>de</strong>r</strong> Monarchie und <strong><strong>de</strong>r</strong> Aristokratie<br />
hin zu einer ungeliebten Demokratie, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n stellte auch die <strong>de</strong>utsche Freimaurerei vor eine<br />
nicht für möglich gehaltene Zerreißprobe. <strong>Die</strong> Vorkriegszeit war noch geprägt von einer<br />
Ahnung von Weltbru<strong><strong>de</strong>r</strong>kette; es gab sogar <strong>Großloge</strong>nkontakte zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen<br />
Großen Lan<strong>de</strong>sloge <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer von Deutschland und <strong><strong>de</strong>r</strong> Gran<strong>de</strong> Loge <strong>de</strong> France. 65 Der<br />
Zustand bis zum 1. Weltkrieg ist treffend im Jahresbericht meiner Loge Eleusis zur Verschwiegenheit<br />
vom Sommer 1915 unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em wie folgt beschrieben:<br />
"Der <strong>de</strong>utschen Freimaurerei ist - wie <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Volke auch - dieser Krieg<br />
völlig unerwartet gekommen. Mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger hatten sich <strong>de</strong>utsche Brü<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
seit Jahren <strong>de</strong>n I<strong>de</strong>en <strong><strong>de</strong>r</strong> "Weltmaurerei" und <strong>de</strong>n Bestrebungen eines "Völker-<br />
und Weltfrie<strong>de</strong>ns" angeschlossen und sich hohen und endgiltigen Erfolg versprochen.<br />
- Ein schöner Traum!<br />
Über Nacht ist er in Nichts zerflossen ...<br />
Wir wer<strong>de</strong>n am Tempel weiter bauen, wer<strong>de</strong>n aber eine hohe Schei<strong>de</strong>wand<br />
zwischen <strong>de</strong>utscher und sog. Welt-Freimaurerei aufrichten. ... Mit unseren Mitbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
(wird uns weiterhin) ein starkes Band (verbin<strong>de</strong>n) - nicht mehr das trügerische<br />
Band weltumspannen<strong><strong>de</strong>r</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>liebe - nein: das Band <strong><strong>de</strong>r</strong> Liebe und<br />
Treue für das gemeinsame, schöne Vaterland - ...<br />
(Wir wissen), daß Deutschland mit seinen Verbün<strong>de</strong>ten, Österreichern und<br />
Türken, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> neue 'Dreibund', Sieger sein wird." 66<br />
Nach <strong>de</strong>m Krieg war nichts mehr wie vorher. <strong>Die</strong> Freimaurerei, die vor <strong>de</strong>m Krieg durchaus<br />
eine gesellschaftsrelevante Kraft war, fand sich nach <strong>de</strong>m Krieg in einer Gesellschaft, die,<br />
nach wie vor monarchistisch und anti<strong>de</strong>mokratisch geprägt, mit Schlagworten wie <strong>de</strong>m<br />
Schmachfrie<strong>de</strong>n von Versailles o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Dolchstoßlegen<strong>de</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Kriegsschuldlüge<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> vergangenen Größe Deutschlands nachtrauerte. Vor allem die <strong>de</strong>utschnationalen und<br />
nationalistischen Kreise machten schnell als Sün<strong>de</strong>nbock für die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage auch die Freimaurer<br />
aus, die ja mit <strong>de</strong>m späteren Feind Kontakt pflegten und sowieso pazifistisch waren;<br />
64<br />
Eugen Lennhoff/Oskar Posner, Internationales Freimaurerlexikon, unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ter Nachdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgabe<br />
1932, Wien/ München 1980, Spalte 193<br />
65<br />
vgl. Bernhard Beyer, Der Kampf <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen Lan<strong>de</strong>sloge <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer von Deutschland" gegen die humanitäre<br />
Frei- maurerei, Bayreuth 1927, S. 16 ff. (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr.<br />
6112)<br />
66<br />
Ludwig Keil, Jahresübersicht vor <strong>de</strong>m Jahres-Bericht über das Maurerjahr 1914/15, in: Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verzeichnis<br />
und Jah- res-Bericht <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer-Loge "Eleusis zur Verschwiegenheit", ausgegeben im November 1915, S. 14,<br />
15, 13
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 21<br />
dass sie darüber hinaus auch noch Ju<strong>de</strong>n als Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> hatten, passte in das Schema <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vorurteile. <strong>Die</strong> gesamte Zeit nach <strong>de</strong>m 1. Weltkrieg bis zur Machterschleichung Hitlers bestand<br />
zu einem nicht geringen Teil darin, dass sich die humanitären <strong>Großloge</strong>n, also in erster<br />
Linie Hamburg, Bayreuth und Frankfurt von <strong>de</strong>n drei altpreußischen <strong>Großloge</strong>n, und da fe<strong><strong>de</strong>r</strong>führend<br />
die Große Lan<strong>de</strong>sloge <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer von Deutschland, als pazifistisch und als<br />
Vaterlandsverräter, um die zwei Hauptvorwürfe zu zitieren, beschimpfen lassen mussten.<br />
Dabei waren insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auch die humanitären Logen, wie schon während <strong>de</strong>s Krieges,<br />
von einem Patriotismus beseelt, <strong><strong>de</strong>r</strong> uns nach heutigen Maßstäben übersteigert und unverständlich<br />
vorkommt. 67 Als Beispiel sei die sog. "Vaterländische Arbeit" erwähnt, die ab 1923<br />
meine Loge jährlich abhielt. <strong>Die</strong> erste <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Arbeit fand in Gegenwart profaner , also nicht<br />
<strong>de</strong>m Freimaurer-Bund angehören<strong><strong>de</strong>r</strong> Gäste statt, man gedachte <strong><strong>de</strong>r</strong> vergangenen Größe<br />
Deutschlands, es wur<strong>de</strong>n für heutige Begriffe martialische und nationalistische Re<strong>de</strong>n gehalten<br />
und zum Abschluss wur<strong>de</strong> das Deutschlandlied gesungen. 68 "Als Symbol <strong><strong>de</strong>r</strong> Vaterlandsliebe",<br />
wie es im damaligen Jahresbericht <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge heißt, war <strong><strong>de</strong>r</strong> Tempel mit <strong><strong>de</strong>r</strong> alten<br />
Reichsflagge geschmückt, also nicht etwa mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalflagge <strong><strong>de</strong>r</strong> Weimarer Republik<br />
(schwarz-rot-gold), son<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Flagge <strong>de</strong>s Kaiserreichs (schwarz-weiß-rot). 69 Was heutigen<br />
Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>n wie eine Entweihung <strong>de</strong>s Tempels vorkommt, entfachte damals eine allgemeine<br />
vaterländische Begeisterung. Über diese Arbeit wird beispielsweise in <strong>de</strong>n Mitteilungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" wie folgt berichtet:<br />
"Tief ergreifend war die Handlung und begeisterte Heilrufe durchbrausten unseren<br />
sonst so stillen Tempel nach Absingen <strong>de</strong>s Deutschlandlie<strong>de</strong>s." 70<br />
<strong>Die</strong> Absetzbewegung <strong><strong>de</strong>r</strong> drei preußischen <strong>Großloge</strong>n von <strong>de</strong>n humanitären <strong>Großloge</strong>n fand<br />
ihren ersten Ausdruck in <strong>de</strong>m1922 erklärten und vollzogenen Austritt <strong><strong>de</strong>r</strong> preußischen Groß-<br />
67<br />
vgl. Bernhard Beyer, <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne", Band III, Frankfurt/Main 1955, Seite 79: "Kein Organ<br />
einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, nicht freimaurerischen Gesellschaft war in Deutschland so von echtem Nationalgefühl<br />
erfüllt, und kein Verein hat seine Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auch nur annähernd so zu heroischem Opfermut fürs Vaterland<br />
und zu zähem Durchhalten erzo- gen."<br />
und Seite 236: "Man zeige mir doch die Vereinigung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft, die in damaliger Zeit ihre Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>art warmer Weise im nationalen Sinn erzogen hat."<br />
siehe auch Beyer, Der Kampf <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen Lan<strong>de</strong>sloge <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer von Deutschland" gegen die humanitäre<br />
Frei- maurerei, Bayreuth 1927, S. 15 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr. 6112): "In<br />
<strong>de</strong>n Richtlini- en, die 1924 von unserer <strong>Großloge</strong> angenommen wur<strong>de</strong>n, heißt es: '<strong>Die</strong> <strong>Großloge</strong> '<strong>Zur</strong> Sonne'<br />
steht nach wie vor auf rein vaterländischem Bo<strong>de</strong>n und lehnt alle Beziehungen zu nicht<strong>de</strong>utschen Logen<br />
und <strong>Großloge</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen Län<strong><strong>de</strong>r</strong> ab, die nicht eine neutrale o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine freundschaftliche Stellung gegenüber<br />
Deutschland einnehmen.'"<br />
68<br />
vgl. das Ritual zu <strong><strong>de</strong>r</strong> "Vaterländischen Arbeit" (Verfasser Dr. A. Seeberger; Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuse-<br />
ums Bayreuth Nr. 6901) mit Angaben zur Gestaltung <strong>de</strong>s Tempels und zum Ablauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit,<br />
abgedruckt in Mitteilun- gen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Nr. 2/3 (August/ September) 1924/25, S. 1-18 (Bibliothek<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermu- seums Bayreuth Nr. 243)<br />
69<br />
Hans Bechert, Jahresbericht über das Maurerjahr 1923/24, in: Mitgliedsverzeichnis und Jahresbericht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Freimaurerlo- ge "Eleusis zur Verschwiegenheit" vom 22.6.1924, S. 15<br />
70<br />
Mitteilungen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Nr. 8/9 (Feb./März) 1924/25, S. 157 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermu-<br />
seums Bayreuth Nr. 243)
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 22<br />
logen aus <strong>de</strong>m <strong>Großloge</strong>nbund. Als Grund wur<strong>de</strong>n zunächst "innere Grün<strong>de</strong>" 71 angegeben,<br />
später hieß es: "Wir altpreußischen <strong>Großloge</strong>n lehnen es ab, an <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Welt- und<br />
Menschenverbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>ung teilzunehmen", weil dies zu einer Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehung zu Vaterlandsliebe,<br />
zum Nationalgefühl und zum Gemeinsinn führe. 72 1928 – wir erinnern uns: das<br />
war das Jahr, in <strong>de</strong>m die preußischen <strong>Großloge</strong>n die Beziehungen zur <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne"<br />
abbrachen, weil sie auf einmal feststellten, dass die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Erlaubnis,<br />
das weiße Buch auflegen zu dürfen, angeblich <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n freimaurerischen Grundverständnisses<br />
verlassen habe, - 1928 also wur<strong>de</strong>n auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahresversammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen National-Mutterloge<br />
"Zu <strong>de</strong>n drei Weltkugeln" <strong>de</strong>utliche Worte gegen die humanitäre Freimaurerei<br />
gesprochen und veröffentlicht. Ein Br. Awe führte in seinem Vortrag über christliche und humanitäre<br />
Freimaurerei u.a. aus:<br />
"Wir weisen es weit von uns, in irgend einer Form <strong>de</strong>n Weltverbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsgedanken<br />
als unser Programm zu vertreten. Wir verwerfen <strong>de</strong>n Pazifismus in je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Form und haben mit <strong>de</strong>m Internationalismus nicht das geringste zu tun." ...<br />
"Unser Bestreben sei und bleibe, eine <strong>de</strong>utsch-nationale, <strong>de</strong>utsch-christliche<br />
Freimaurerei unter uns zu gewährleisten." 73 ...<br />
"... <strong>de</strong>nn wir müssen <strong>de</strong>n Kampf aufnehmen: ...<br />
gegen Entwurzelung unseres Volkstums aus <strong>de</strong>m Urbo<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat,<br />
für <strong>de</strong>utsches E<strong>de</strong>lmenschentum; also zusammenfassend<br />
für eine Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>geburt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Freimaurerei aus <strong>de</strong>utschem Geist zur<br />
Wahrung unserer bedrohten Kulturgüter." 74<br />
Den humanitären <strong>Großloge</strong>n fehle, so Br. Awe weiter<br />
"<strong><strong>de</strong>r</strong> Wille o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Macht, <strong>de</strong>n ... pazifistischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> kosmopolitischen Anschauungen<br />
ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> entgegenzutreten."<br />
Und dann wird die Katze aus <strong>de</strong>m Sack gelassen: die Stellung zur Ju<strong>de</strong>nfrage.<br />
"<strong>Zur</strong> vollkommenen harmonischen Ausbildung eines Menschen gehört auch die<br />
Ausbildung und Befriedigung <strong>de</strong>s religiösen Empfin<strong>de</strong>ns, ... Insoweit gibt es nur<br />
eine Lösung: Pflege einer Religion, und das kann in Deutschland nur die christliche<br />
sein.<br />
Auch die Rassefremdheit ist für die Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>kette nicht tragbar: Ein letztes tiefes<br />
inneres Empfin<strong>de</strong>n wird uns einem Rassefrem<strong>de</strong>n gegenüber nicht brü<strong><strong>de</strong>r</strong>lich<br />
vertraut fühlen lassen, ..." 75<br />
71<br />
vgl. Beyer, Der Kampf <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen Lan<strong>de</strong>sloge <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer von Deutschland" gegen die humanitäre Freimaurerei,<br />
Bayreuth 1927, S. 10 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr. 6112)<br />
72<br />
Reinhold Dosch, Deutsches Freimaurerlexikon, Bonn 1999; Stichwort "Nationalsozialismus", S. 203<br />
73<br />
Awe, in: Christliche und humanitäre Freimaurerei, Zwei Vorträge vom 13.Mai 1928, S. 3 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Frei- maurermuseums Bayreuth Nr. 3913)<br />
74<br />
Awe, a.a.O., S. 4<br />
75<br />
Awe, a.a.O., S. 6
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 23<br />
[Der gesamte Text <strong>de</strong>s Vortrags lautet:<br />
Leitsätze und Vortrag <strong>de</strong>s Referenten Br Awe, Bielefeld,<br />
über christliche und humanitäre Freimaurerei<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahresversammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen National-Mutterloge<br />
"Zu <strong>de</strong>n drei Weltkugeln" am 13. Mai 1928.<br />
Leitsätze.<br />
1. <strong>Die</strong> Große National-Mutterloge zu <strong>de</strong>n drei Weltkugeln hat durch die gemeinsame Erklärung<br />
vom 16. Februar 1924 ihre christliche und nationale Grundlage wie<strong><strong>de</strong>r</strong> klar herausgestellt.<br />
Nur auf ihr können wir zu einer erfolgreichen Weiterentwicklung kommen (siehe<br />
unten).<br />
2. Christliche und humanitäre Freimaurerei sind keine Gegensätze, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n Begriffe, die so<br />
wenig an einan<strong><strong>de</strong>r</strong> abzuwerten sind, wie z. B. warm und blau. <strong>Die</strong> bei uns gebräuchliche<br />
Bezeichnung "humanitäre Freimaurerei" ist eine innerliche Unaufrichtigkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Irrtum.<br />
3. <strong>Die</strong> Lehrarten <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen und <strong><strong>de</strong>r</strong> nichtchristlichen Freimaurerei trennt:<br />
a) die verschie<strong>de</strong>ne Auffassung <strong>de</strong>s Humanitätsbegriffes,<br />
b) die grundsätzlich internationale Einstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> "Humanitären",<br />
c) die Stellung zur Rassenfrage.<br />
4. <strong>Die</strong> Folgen aus unserer bewußt nationalen und christlichen Einstellung sind:<br />
A. hinsichtlich unserer Gesetze und Rituale:<br />
1. Beseitigung aller Rudimente aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärung und Verirrungen und<br />
alles überflüssigen Alttestamentarischen.<br />
2. Einfügung <strong>de</strong>s aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen I<strong>de</strong>alismus verwendbaren Kulturgutes.<br />
3. Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgaben <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sdirektoriums und gegebenen Falles<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> für die Tätigkeit im Volksganzen.<br />
B. hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> nichtchristlichen Lehrarten:<br />
1. Entgegenkommen gegenüber <strong>de</strong>nen, die bereit sind, sich <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen und<br />
christlichen Lehrart zu nähern.<br />
2. Bestimmte Scheidung von <strong>de</strong>nen, die das uns Trennen<strong>de</strong> bewußt pflegen.<br />
3. Meidung <strong>de</strong>s Vereins <strong>de</strong>utscher Freimaurer o<strong><strong>de</strong>r</strong> seine Umwandlung in einen<br />
Verein nationaler und christlicher Freimaurer, also in einen Verein <strong>de</strong>utscher<br />
Freimaurer.<br />
Vortrag.<br />
"Zu <strong>de</strong>n an unsere Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu stellen<strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen rechnen wir neben einer bestimmten<br />
Bildung eine christlich-religiöse Weltanschauung und eine im innersten Wesen begrün<strong>de</strong>te<br />
nationale <strong>de</strong>utsche Gesinnung, neben Achtung vor <strong>de</strong>n Rechten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er, weil wir davon<br />
durchdrungen sind, daß es kein allgemeines Menschheitsi<strong>de</strong>al gibt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n daß, wie je<strong>de</strong><br />
Persönlichkeit in ihrem Stamme wurzelt, auch nur die unbedingte Liebe und Treue zu diesem<br />
Stamme die Persönlichkeit zu entwickeln vermag, und daß in einer Gemeinschaft, die<br />
höhere Menschheitsziele erstreben will, ebenso wie die religiöse auch die nationale Grundanschauung<br />
und Gesinnung die gleiche sein muß."<br />
"Wir weisen es weit von uns, in irgend einer Form <strong>de</strong>n Weltverbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsgedanken als unser<br />
Programm zu vertreten. Wir verwerfen <strong>de</strong>n Pazifismus in je<strong><strong>de</strong>r</strong> Form und haben mit<br />
<strong>de</strong>m Internationalismus nicht das geringste zu tun."<br />
Mit diesen Erklärungen stellten sich die 3 altpreuß. <strong>Großloge</strong>n bewußt und ausgesprochen<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong>de</strong>n Standpunkt, <strong><strong>de</strong>r</strong> in früheren Jahrzehnten schon immer als die Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
altpreuß. Freimaurerei gegolten hatte. Sie sind aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> 3 Großmeister vom 16.
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 24<br />
Februar 1924 und einer Erklärung gegen <strong>de</strong>m Nationalverband Deutscher Offiziere angeführt,<br />
und wir danken noch heute unserer höchsten Bun<strong>de</strong>sleitung, daß sie in so klaren Worten <strong>de</strong>n<br />
Charakter unserer Freimaurerei zum Ausdruck gebracht hat.<br />
Schon bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>nkwürdigen Verhandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahresversammlung vom 20. Mai 1922, in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
die Trennung vom <strong>Großloge</strong>nbund beschlossen wur<strong>de</strong>, sind in dieser Hinsicht Worte gefallen,<br />
die wir um so lieber wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in das Gedächtnis aller Anwesen<strong>de</strong>n zurückrufen, als sie zeigen,<br />
daß sie nicht einer augenblicklichen Uebereilung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n reifer Prüfung entsprungen sind.<br />
Der Ehrw. Nat.-Großmeister führte aus, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gegensatz zwischen <strong>de</strong>n drei altpr. <strong>Großloge</strong>n<br />
und <strong>de</strong>n sogenannten "humanitären" immer mehr hervorgetreten sei und daß die starken<br />
inneren Gegensätze zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Gruppen sich um zwei Angelpunkte drehe, die Anschauungen<br />
über Nationalität und Religiosität. Für uns sei aber die Hauptsache, daß wir ein<br />
reines Gewissen haben. Unser Bestreben sei und bleibe, eine <strong>de</strong>utsch-nationale, <strong>de</strong>utschchristliche<br />
Freimaurerei unter uns zu gewährleisten. Fast alle Redner, wie die Brr Vogel-<br />
Danzig, Stetefeld-Koburg, Elze-Halle, Kraatz und Kleiber-Berlin, Rie<strong>de</strong>ll-Hamburg und Knabe-Guben,<br />
stimmten mit kernigen Worten <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennung zu, so daß die damalige Auffassung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> ein ganz klares Bild zeigt.<br />
<strong>Die</strong>ser christliche und nationale Standpunkt hat in unserer Lehrart zwar immer Gültigkeit gehabt;<br />
es sei nur auf die Lehrlingsinstruktion vom Jahre 1875 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Drucklegung vom 3. Mai<br />
1899 verwiesen, wo im 3. Abschnitt I, letzter Absatz die Worte stehen: "Der Freimaurerbund<br />
hat nicht politische Ziele, nicht einmal das Ziel, die Annäherung <strong><strong>de</strong>r</strong> Völker aneinan<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zu beschleunigen. <strong>Die</strong>se wird wohl mit aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit <strong>de</strong>s Freimaurerbun<strong>de</strong>s als natürliche<br />
Folge sich ergeben, aber sie ist nicht beabsichtigtes Ziel unseres Bun<strong>de</strong>s. Vielmehr gehört<br />
je<strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer zunächst seinem Vaterlan<strong>de</strong> an und ringt unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Fahne <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalität<br />
nach edlem Menschentum.<br />
Es braucht in diesem Kreise nicht hervorgehoben zu wer<strong>de</strong>n, daß schon in früheren Jahrzehnten<br />
Kämpfe gegen diesen Standpunkt stattgefun<strong>de</strong>n haben, daß starke Bestrebungen am<br />
Werke gewesen sind, um diese Grundpfeiler verwaschen erscheinen zu lassen, ja sie für beschränkt<br />
und mit rechter Freimaurerei unvereinbar zu erklären; diese Wühlarbeit ist erfolglos<br />
gewesen und wir sind unserer Bun<strong>de</strong>sleitung zu größtem Dank verpflichtet, daß sie durch die<br />
programmatische Erklärung vom 16. Februar 1924 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> das feste Fundament aufge<strong>de</strong>ckt<br />
hat, auf das unsere Freimaurerei unverrückbar aufgebaut ist. Damit ist uns <strong><strong>de</strong>r</strong> feste Grund<br />
und Bo<strong>de</strong>n gegeben für ein segensreiches Wirken im <strong>de</strong>utschen Volke, <strong>de</strong>nn wir müssen <strong>de</strong>n<br />
Kampf aufnehmen:<br />
Gegen die Entgeistigung einer materialisierten Welt,<br />
für das Herrschaftsrecht <strong>de</strong>s Geistes;<br />
gegen die Verflachung <strong>de</strong>s seelischen Lebens,<br />
für Verinnerlichung und Neubeseelung;<br />
gegen die Zersplitterung und das, was man so anschaulich "Zerstreuung" nennt,<br />
für die Konzentration auf das Unzerstörbare im Menschengeist;<br />
gegen subjektivistische Weltflucht und weichliches Aesthetentum,<br />
für tätiges Wirken im <strong>Die</strong>nste <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft;<br />
gegen Entwurzelung unseres Volkstums aus <strong>de</strong>m Urbo<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat,<br />
für <strong>de</strong>utsches E<strong>de</strong>lmenschentum; also zusammenfassend<br />
für eine Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>geburt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Freimaurerei aus <strong>de</strong>utschem Geist<br />
zur Wahrung unserer bedrohten Kulturgüter.<br />
Wen<strong>de</strong>n wir uns jetzt zur sogen. humanitären Freimaurerei, so wer<strong>de</strong>n wir uns in <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n<br />
Rahmen nicht mit einer wissenschaftlichen Untersuchung über ihr Wesen befassen,<br />
<strong>de</strong>nn diese sind in <strong>de</strong>n letzten Jahren in reichlichem Maße durchgeführt. Ich möchte nur kurz<br />
auf das mr. Schrifttum hinweisen, das uns als Grundlage dient, ohne damit seine Reichhaltigkeit<br />
zu erschöpfen.<br />
Gemeinschaftstagung <strong>de</strong>s <strong>Großloge</strong>nbun<strong>de</strong>s: Habicht: Der Humanitätsgedanke in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Freimaurerei, 1921.<br />
Tagungen <strong>de</strong>s Vereins d. Freimaurer: Bittlinger: Der Humanismus, die bleiben<strong>de</strong> Grundlage<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei, 1925.
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 25<br />
Buchenau und Schenkel: Wie steht <strong><strong>de</strong>r</strong> Humanitätsgedanke zum Christentum? Taesler und<br />
Köhler: Der <strong>de</strong>utsche I<strong>de</strong>alismus und die <strong>de</strong>utsche Freimaurerei. Dann noch Buchenau, Steinhoff<br />
und Scholz in <strong>de</strong>n Mitt. d. V. d. F., vor allem aber Br Schmidt-Gotha mit seiner ausgezeichneten<br />
Abhandlung: <strong>Die</strong> Freimaurerei im <strong>Die</strong>nste <strong>de</strong>utscher Nationalbildung.<br />
Für unseren Zweck <strong><strong>de</strong>r</strong> Erreichung klarer Richtlinien muß festgestellt wer<strong>de</strong>n, daß als Ergebnis<br />
anzusehen ist: Christliche und humanitäre Freimaurerei sind nach <strong>de</strong>m Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Worte<br />
gar nicht miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> vergleichbar, so wenig, wie man warm und blau aneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> abwerten<br />
kann. Denn bei "christlich" han<strong>de</strong>lt es sich um einen religiösen Bewegungsimpuls, und bei<br />
"humanitär" um ein Bildungsi<strong>de</strong>al! Ein Bildungsi<strong>de</strong>al hat aber in keiner Weise eine notwendige<br />
Beziehung zu einem religiösen Impuls, genau so wenig, wie dieser an irgend ein Bildungsi<strong>de</strong>al<br />
gebun<strong>de</strong>n ist.<br />
Wir sehen <strong>de</strong>shalb unsere Aufgabe darin, <strong>de</strong>n historischen Zustand ins Auge zu fassen und<br />
genau zu untersuchen, was uns von <strong>de</strong>n humanitären Logen trennt, die Stärke <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennungen<br />
zu prüfen, um einen Anhalt für unsere Stellungnahme zu gewinnen.<br />
Was trennt uns von <strong>de</strong>n humanitären Logen?<br />
Zunächst ist es <strong><strong>de</strong>r</strong> soeben bereits erwähnte Begriff von Humanität. Wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> zu Anfang bereits<br />
angeführten Stelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Instruktion <strong>de</strong>m Lehrling klar zum Ausdruck gebracht wird, ist<br />
das Ziel freimaurerischen Strebens das Ringen nach edlem Menschentum unter <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fahne <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalität.<br />
<strong>Die</strong>s entspricht ganz <strong><strong>de</strong>r</strong> reinsten und reifsten Ausprägung <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Wortes "humanitas".<br />
Sein Begriff weist in die Tiefe, nicht in die Breite, höchste Vollendung aller Anlagen<br />
im einzelnen, nicht mechanische Gleichmacherei, nicht allgemeines Menschentum aller von<br />
Gott höchst ungleichartig geschaffener Menschen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n Vervollkommnung aller guten<br />
Gaben im Einzelmenschen; Schaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> harmonischen Persönlichkeit.<br />
Demgegenüber unterlegen unsere humanitären Logen <strong>de</strong>m Worte <strong>de</strong>n in die Breite gehen<strong>de</strong>n<br />
Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschheit und Menschlichkeit.<br />
Stapel, in seinem Werke: Volksbürgerliche Erziehung, Hamburg 1920, sagt Seite 81:<br />
Viele haben freilich eine Vorstellung ungefähr dieser Art: Der Mensch ist zunächst Einzelmensch,<br />
dann erhebt er sich, in<strong>de</strong>m er emporwächst und sich seelisch und sittlich ausweitet,<br />
zur Familie, zum Volk, endlich aber zur Menschheit. Das Letzte und Weiteste ist das sittlich<br />
Höchste. <strong>Die</strong>se Leute sollten nach <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Logik fortfahren, sich "emporzuheben" von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschheit in die Tierheit, in die Lebewesenheit, in die Naturheit, in die Allheit überhaupt.<br />
Warum hemmen sie ihren Schritt mitten auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Treppe <strong>de</strong>s seligen Aufstieges?<br />
Meine sehr ehrw. Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>, eine Karikatur beleuchtet das beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s Darzustellen<strong>de</strong> mit einem<br />
leuchten<strong>de</strong>n Blitz, und dieser zeigt uns hier, daß das Bildungsi<strong>de</strong>al <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Freimaurers<br />
nur <strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong>de</strong>utschem Bo<strong>de</strong>n feststehen<strong>de</strong>, christlich-religiöse Deutsche sein kann, und daß<br />
seine Arbeit am rauhen Stein ohne Vaterland und Christentum keine vollkommene und gerechte,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur eine teilweise und <strong>de</strong>shalb unberechtigte, weil nicht gerechte Frmrei ist.<br />
Hieraus folgt nun eine weitere scharfe Trennung:<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> 3 <strong>Großloge</strong>n vom Juni 1922 heißt es: "Wir glauben gern, daß die Führer<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Großloge</strong>n persönlich <strong>de</strong>nselben Standpunkt einnehmen wie wir; aber es fehlt <strong>de</strong>n<br />
<strong>Großloge</strong>n entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Wille o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Macht, <strong>de</strong>n in ihren Kreisen vorhan<strong>de</strong>nen pazifistischen<br />
und kosmopolitischen Anschauungen ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> entgegenzutreten. Das beweist<br />
schlagend die Tatsache, daß zwei <strong><strong>de</strong>r</strong> sogen. humanitären <strong>Großloge</strong>n seit kurzem wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> im Kriege uns ausgesprochen feindlich gesinnten "Alpina" angeknüpft haben."<br />
Wir erkennen durchaus an, daß die überwiegen<strong>de</strong> Mehrzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> dieser Lehrart gute<br />
und getreue Deutsche sind, aber mag <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne Br. noch so national <strong>de</strong>nken und han<strong>de</strong>ln,<br />
das I<strong>de</strong>al seiner Loge ist die Menschheitskette, die die Welt umschlingt. Wie klar sagt da unsere<br />
Lehrlingsinstruktion an <strong><strong>de</strong>r</strong> angeführten Stelle von <strong><strong>de</strong>r</strong> Annäherung an an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Völker: ...<br />
aber sie ist nicht beabsichtigtes Ziel unseres Bun<strong>de</strong>s! Der in <strong>de</strong>n letzten Jahren mehrfach zum<br />
Ausdruck gekommene Wunsch einzelner Logen und Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>, sogar wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>n von<br />
Nationen in freundschaftlichen Verkehr zu treten, die noch als Bedrücker auf <strong>de</strong>utschem Bo<strong>de</strong>n<br />
stehen, läßt erkennen, wie stark die internationale Liebe und wie schwach <strong><strong>de</strong>r</strong> nationale<br />
Stolz ist. Han<strong>de</strong>lt es sich hier auch um einen alten Fehler im <strong>de</strong>utschen Charakter, so wird es
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 26<br />
für einen <strong>de</strong>utschen Freimaurer höchste Zeit, ihn abzulegen.<br />
Als dritte Trennung haben wir die Stellung zur Ju<strong>de</strong>nfrage. <strong>Zur</strong> vollkommenen harmonischen<br />
Ausbildung eines Menschen gehört auch die Ausbildung und Befriedigung <strong>de</strong>s religiösen Empfin<strong>de</strong>ns,<br />
ja sie ist ein Hauptbildungsmittel. Mehrere Religionen zu pflegen ist nicht möglich,<br />
keine zu pflegen wäre ein bewußter Verzicht auf ein Hauptbildungsmittel; das allen Religionen<br />
gemeinsame ist so allgemein, daß es nur formalen aber keinen praktischen Wert hat; Bevorzugung<br />
einer Religion wäre Benachteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen und somit eine moralische Belastung<br />
für die Bevorzugten. Es gibt also nur eine Lösung: Pflege einer Religion, und das kann in<br />
Deutschland nur die christliche sein.<br />
Auch die Rassefremdheit ist für die Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>kette nicht tragbar: Ein letztes tiefes inneres Empfin<strong>de</strong>n<br />
wird uns einem Rassefrem<strong>de</strong>n gegenüber nicht brü<strong><strong>de</strong>r</strong>lich vertraut fühlen lassen, und<br />
diesem wird es uns gegenüber nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s ergehen! Dabei aber wird die Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit zur<br />
Karikatur <strong>de</strong>ssen, was wir Deutsche als solche empfin<strong>de</strong>n.<br />
Damit sind die hauptsächlichsten Trennungen angeführt; es ließe sich noch manches sagen,<br />
wir aber wollen uns jetzt <strong>de</strong>n Folgerungen für unsere <strong>Großloge</strong> zuwen<strong>de</strong>n.<br />
Beginnen wir bei uns selber, also bei unseren Gesetzen und Ritualen.<br />
Wie je<strong>de</strong> geistige Bewegung durch die Zeitumstän<strong>de</strong> in ihrer Ausprägung beeinflußt wird, so<br />
ist es auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei ergangen. Eine Rassenfrage gab es damals nur in <strong>de</strong>m Sinne, daß<br />
Nichteuropäer als <strong>de</strong>n Europäern nicht gleichwertig angesehen wur<strong>de</strong>n. Auf diesem Bo<strong>de</strong>n<br />
entstan<strong>de</strong>n die "Alten Pflichten" und nach ihnen die Bun<strong>de</strong>sgesetze mit <strong>de</strong>n unendlich mannigfaltigen<br />
Zeiteinflüssen als treiben<strong>de</strong> Kräfte. Durch die weltbürgerliche Lebensauffassung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> großen Geister Deutschlands wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> falsche Humanitätsbegriff bei <strong>de</strong>nen erweckt, die<br />
sie nicht verstan<strong>de</strong>n, Aufklärungszeit, Ju<strong>de</strong>nemanzipation und Liberalismus, alles übte seinen<br />
Einfluß auf die Ausgestaltung <strong>de</strong>s freimaurerischen Gedankens, <strong><strong>de</strong>r</strong> ja nicht fertig gegeben,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n erst herauszubil<strong>de</strong>n war.<br />
Wir kennen alle die Verirrungen, Wandlungen, Um<strong>de</strong>utungen und Erweiterungen, und alle<br />
haben sie Spuren hinterlassen, ihre Hauptauswirkung sehen wir in <strong><strong>de</strong>r</strong> Abdrängung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistesrichtung<br />
in <strong>de</strong>n humanitären Logen, die so groß gewor<strong>de</strong>n ist, daß die Trennung erfolgen<br />
mußte.<br />
Deshalb ist es aber auch kein Mangel an Ehrfurcht, wenn wir es als eine Pflicht unserer Lehrart<br />
ansehen, daß sie die Reste all jener Einflüsse nach sorgfältiger Prüfung entfernt. Es liegt<br />
uns fern, an die Tiefen unserer Rituale vorwitzig die Hand zu legen, aber . . . prüfen wir die<br />
Rituale auf veraltete Aeußerlichkeiten, lassen wir fort, was nur als Rudimente früherer Zeitströmungen<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n kann. Lassen wir auch alles überflüssige, wohlverstan<strong>de</strong>n nur<br />
das überflüssige, Alttestamentarische fallen!<br />
Dafür wollen wir die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung vom 16. Februar 24 betonte christlich-religiöse Weltanschauung<br />
und die im innersten Wesen begrün<strong>de</strong>te national-<strong>de</strong>utsche Gesinnung mit Hilfe <strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>utschen I<strong>de</strong>alismus mehr in <strong>de</strong>n Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund treten lassen. Der Anfang ist bereits vom<br />
ehrw. Bun<strong>de</strong>sdirektorium gemacht, <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>n Allgemeinen Grundsätzen fin<strong>de</strong>n wir nichts<br />
mehr von <strong><strong>de</strong>r</strong> "Menschheit und ihrer Fortentwicklung". Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Antrag <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlesischen<br />
Stuhlmeister-Vereinigung vom 27. Dezember 1927 arbeitet in dieser Richtung. Unter <strong><strong>de</strong>r</strong> bereits<br />
gemachten Voraussetzung, daß nicht äußerer Zwang, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur innerste, wahrhaft<br />
<strong>de</strong>utsche Gewissensnot dazu treibt und daß es gelingt, Tieferes und Wertvolleres aus <strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>utschen Kulturgut an seine Stelle zu setzen, begrüßen wir ihn auf das herzlichste.<br />
Durch eine solche Beseitigung von Rudimenten wer<strong>de</strong>n wir frei und stark für die Aufgaben,<br />
welche uns im Leben unseres Volkes bevorstehen. "Wir sind <strong><strong>de</strong>r</strong> Ueberzeugung, daß die<br />
Freimaurerei viel dazu helfen kann, unser <strong>de</strong>utsches Volk wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufzurichten." <strong>Die</strong>se Worte<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung vom Juni 1922 verpflichten die <strong>de</strong>utsche Freimaurerei, auch entsprechend zu<br />
han<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>nn, mag man noch so sehr durch die rosige Brille <strong>de</strong>s Optimismus Ausschau halten,<br />
wir vermögen nichts zu erblicken, was diesen Worten entspricht.<br />
Will die <strong>de</strong>utsche Freimaurerei <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Volke dienen, so muß sie sich dazu <strong><strong>de</strong>r</strong> Mittel<br />
bedienen, die <strong>de</strong>n heutigen Zeitläufen angemessen sind. Solange die Leiter <strong>de</strong>s Staatswesens,<br />
die führen<strong>de</strong>n Offiziere, die Leuchten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kunst und Wissenschaft, Glie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Maurerkette<br />
waren und so die Möglichkeiten hatten, durch Einsatz ihrer Persönlichkeit mr. Grundsätze für<br />
das Wohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtheit zur Wirkung kommen zu lassen, solange war es richtig, die Loge
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 27<br />
selber nicht in Erscheinung treten zu lassen. Heute ist dieser Weg nahezu wirkungslos und<br />
<strong>de</strong>shalb wünschen heute viele Tausend <strong><strong>de</strong>r</strong> besten Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> unserer Reihen, die <strong>Großloge</strong> möge<br />
sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung bewußt wer<strong>de</strong>n, die Führerin von tausen<strong>de</strong>n echter Deutscher zu sein! Unsere<br />
Leitung soll klaren Auges über die <strong>de</strong>utschen Kulturbelange wachen und ihre Anhänger in<br />
aller Welt mit vernehmlichen Worten auf ihre jeweiligen Pflichten hinweisen, ohne sich dabei<br />
in die Abgrün<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Tages- und Parteipolitik zu verlieren. Wir sind uns in vollem Umfange<br />
bewußt, welche großen Schwierigkeiten damit heraufbeschworen wer<strong>de</strong>n; wir halten aber diese<br />
Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Pflichten für notwendig, wenn die <strong>de</strong>utsche Freimaurerei in unserer<br />
Lehrart und unsere <strong>Großloge</strong> sich unter <strong>de</strong>n verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Zeitverhältnissen noch mit Recht als<br />
Große National-Mutterloge bezeichnen will.<br />
Welche Folgerungen ergeben sich hieraus gegenüber <strong>de</strong>n humanitären Logen?<br />
Ganz kraß könnte man drei Möglichkeiten aufstellen:<br />
1. Es bleibt beim jetzigen Zustand, nur hören die Beziehungen zwischen christlichen und<br />
humanitären <strong>Großloge</strong>n bzw. Logen auf. Der einzelne Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> soll als Besucher zugelassen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
2. Aller Verkehr und je<strong><strong>de</strong>r</strong> Besuch zwischen <strong>Großloge</strong>n, Logen und einzelnem Maurer wird<br />
untersagt, aber die humanitären Logen wer<strong>de</strong>n noch als gerechte und vollkommene Logen<br />
anerkannt.<br />
3. Als äußerste Möglichkeit glaube ich auf <strong>de</strong>n Zustand hinweisen zu müssen, daß, bei weiterer<br />
Entfernung <strong><strong>de</strong>r</strong> Humanitären von <strong>de</strong>m gezeichneten I<strong>de</strong>albild eines <strong>de</strong>utschen Freimaurers,<br />
sie nicht mehr als gerechte und vollkommene <strong>de</strong>utsche Logen anerkannt wer<strong>de</strong>n<br />
können.<br />
M. sehr ehrw. Brr.! Auch diese Darstellung ist bewußt scharf, um alle Möglichkeiten erfaßt zu<br />
haben. Wir sind <strong><strong>de</strong>r</strong> Ueberzeugung, und die Erfahrungen <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Jahre geben uns ein<br />
Recht dazu, daß eine Klärung in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Maurerwelt eine Lösung herbeiführen wird,<br />
die nicht in dieses Schema paßt. Wer die tiefgründigen Ausführungen unseres ehrw. Nat.-<br />
Großmeisters in seinem Vortrage am 9. Juni 1921 in Potsdam liest, <strong><strong>de</strong>r</strong> wird auch zugeben<br />
müssen, daß gewichtige Grün<strong>de</strong> für eine Lösung in <strong>de</strong>m Sinne sprechen, daß wir <strong>de</strong>njenigen<br />
entgegengehen, die ihren Humanitätsbegriff <strong>de</strong>m unserigen anpassen und somit berichtigen<br />
wollen. Auf das Bestimmteste aber müssen wir uns von <strong>de</strong>njenigen schei<strong>de</strong>n, die die angeführten<br />
Trennungen bewußt weiter pflegen. <strong>Die</strong> Not <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit verlangt von uns eine ein<strong>de</strong>utige<br />
Haltung; lassen Sie auch nach außen nicht <strong>de</strong>n Eindruck aufkommen, daß wir ein schwankend<br />
Rohr im Sturm <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit sind, <strong>de</strong>nn wenn uns die Außenwelt auch ziemlich gleichgültig sein<br />
könnte, so müssen wir doch immerhin darauf achten, daß viele unserer Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> durch die Außenwelt<br />
stark beinflußt wer<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong>jenige nicht werbend wirkt, <strong><strong>de</strong>r</strong> unverständlich ist.<br />
Unser Verhältnis zum Verein <strong>de</strong>utscher Freimaurer ergibt sich entsprechend <strong>de</strong>n skizzierten<br />
Möglichkeiten wie folgt:<br />
1. Verbleibt es bei <strong>de</strong>m jetzigen Zustan<strong>de</strong>, so wird stets eine zu vermei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Spannung zwischen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> G.L.L. und <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en bei<strong>de</strong>n altpr. Logen verbleiben, da die Stellungnahme<br />
dieser bei<strong>de</strong>n nicht ganz folgerichtig ist.<br />
2. Wird je<strong><strong>de</strong>r</strong> Verkehr untersagt, so erschwert das die Arbeit im V. d. Freimaurer, die wohl<br />
allerseits anerkannt wird, <strong><strong>de</strong>r</strong>artig, daß die bisherige wissenschaftliche Tätigkeit lahmgelegt<br />
wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Min<strong>de</strong>stfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung wäre dann, <strong>de</strong>n Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n Austritt zu empfehlen.<br />
3. Tritt die äußerste Möglichkeit ein, dann müßte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein <strong>de</strong>utscher Freimaurer in einen<br />
solchen altpr. Freimaurer umgewan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, wenn nicht die wissenschaftliche Arbeit<br />
von einer Deutschen Freimaurer-Aka<strong>de</strong>mie übernommen wird, die das wissenschaftliche<br />
Forschen als einzige Aufgabe fortzusetzen hätte.<br />
M. s. ehrw. M.! So stellt uns die folgerichtige Erwägung aller Verhältnisse vor schwere Entschlüsse.<br />
Stehen wir aber einig auf <strong>de</strong>m alten Fundament unserer Großen National-<br />
Mutterloge, das durch die Erklärung vom 16. Februar 1924 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> freigemacht ist vom Schutt<br />
materialistischer Zeiten, und scheuen uns nicht vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Uebernahme weiterer Pflichten<br />
gegenüber unserem Volksganzen, dann wird die Nationale Deutsche Freimaurerei eine<br />
wertvolle Aufgabe am <strong>de</strong>utschen Volke erfüllen.<br />
Der A. B. a. W. gebe dazu sein Gelingen.
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 28<br />
Bielefeld, <strong>de</strong>n 13. Mai 1928 Br. Awe]<br />
Am 12. April 1933 schrieb die Große National- und Mutterloge "Zu <strong>de</strong>n drei Weltkugeln" an<br />
die Parteileitung <strong><strong>de</strong>r</strong> NSDAP u.a.:<br />
"Wir haben beschlossen, <strong>de</strong>n bisherigen Gesamtnamen unseres Bun<strong>de</strong>s umzubenennen<br />
in 'Nationaler Christlicher Or<strong>de</strong>n Friedrich <strong><strong>de</strong>r</strong> Große'.<br />
<strong>Die</strong> Beziehungen ... zu <strong>de</strong>utschen Logen, die Ju<strong>de</strong>n und Ju<strong>de</strong>nstämmige aufnehmen,<br />
(sind) seit einem Jahre endgültig abgebrochen. <strong>Die</strong> große Mehrheit<br />
unserer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> rechnet sich nach Gesinnung und Haltung zur Nationalsozialistischen<br />
Deutschen Arbeiterpartei, und die Leitung unseres Or<strong>de</strong>ns ist vom<br />
gleichen Geist beseelt. 76 ... Unser Or<strong>de</strong>n hat in seinem bald 200jährigen Bestehen<br />
die Aufnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Ju<strong>de</strong>n stets verneint, darauf zielen<strong>de</strong> Anträge wur<strong>de</strong>n<br />
stets abgelehnt. ..."<br />
Und in einem Rundschreiben an ihre Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> vom selben Tag:<br />
"Wir sind keine Freimaurer mehr. Das ist je<strong>de</strong>m Außenstehen<strong>de</strong>n von je<strong>de</strong>m<br />
Or<strong>de</strong>nsbru<strong><strong>de</strong>r</strong> sofort zu sagen.2. Das Geheimnis braucht nicht mehr gewahrt<br />
zu wer<strong>de</strong>n. ... 3. <strong>Die</strong> Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen in <strong>de</strong>n Ritualen <strong><strong>de</strong>r</strong> vier ersten Stufen bestehen<br />
darin, daß gestrichen wer<strong>de</strong>n: Tubalkain, Schiboleth, Akazia. <strong>Die</strong> Wörter<br />
Jakin, Boas, M.B., Jehova wer<strong>de</strong>n (bis auf Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>ruf) ersetzt durch: Licht, Volk,<br />
Er lebt im Sohn, Glaube. 4. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Meisterlegen<strong>de</strong> heißt es statt 'Tempel Salomos':<br />
'<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utsche Dom' und statt 'Hiram': '<strong><strong>de</strong>r</strong> Baumeister'. ... 8. Wir bitten die<br />
Vorstän<strong>de</strong> unserer Or<strong>de</strong>nsgruppen, sofort in die Prüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschstämmigkeit<br />
ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei<br />
einzutreten." 77<br />
Der erwähnte endgültige Abbruch <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen u.a. zur <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" erfolgte<br />
im Jahr 1932 erklärtermaßen wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auch von Bayreuth betriebenen Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>belebung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bis dahin ruhen<strong>de</strong>n Beziehungen zur <strong>Großloge</strong> von England. <strong>Die</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufnahme<br />
offizieller Kontakte zu <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> eines Fein<strong>de</strong>s aus <strong>de</strong>m 1. Weltkrieg war für<br />
die altpreußischen <strong>Großloge</strong>n willkommener Anlass und Vorwand, die Beziehungen zur<br />
<strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne", zur <strong>Großloge</strong> von Hamburg sowie zum Eklektischen Bund (<strong>Großloge</strong><br />
von Frankfurt) abzubrechen. Bernhard Beyer, damals zugeordneter Großmeister, hat das<br />
m.E. offenkundige Motiv <strong><strong>de</strong>r</strong> altpreußischen <strong>Großloge</strong>n, es sich nur ja nicht mit <strong>de</strong>n Nazis zu<br />
ver<strong><strong>de</strong>r</strong>ben, mit folgen<strong>de</strong>n mutigen Worten gegeißelt:<br />
76 Dosch, a.a.O. S. 206<br />
77 http://www.ordo-ab-chao.org/~ordo/Pages/ab_hoe<strong>de</strong>.html: Alain Bernheim, Karl Hoe<strong>de</strong>, die Freimaurerei, die<br />
Nazis – Gewalt und Tarnung und Gewalt, (<strong>Die</strong> Auszüge <strong><strong>de</strong>r</strong> Rundschreiben <strong><strong>de</strong>r</strong> GNML ‘Zu <strong>de</strong>n Drei Weltkugeln’<br />
(April 1933) sind aus Helmut Neuberger, Freimaurerei und National Sozialismus, Zwei Bän<strong>de</strong>, Bauhütten Verlag,<br />
Hamburg 1980 zitiert, wo sie im 2. Band vollständig wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegeben sind (Rundschreiben 11. April, Ss. 294-<br />
295 ; Brief an die Parteileitung <strong><strong>de</strong>r</strong> NSDAP 12. April, Ss. 305-306 ; Rundschreiben 12. April mit <strong>de</strong>n Abschriften<br />
dreier Briefe vom gleichen Tag, Ss. 309-310 ; Rundschreiben 19. April, Ss. 311-312).
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 29<br />
"(Wir) sollten … uns endlich von <strong>de</strong>m Wahn freimachen, daß die <strong>de</strong>utsche<br />
Freimaurerei durch irgendwelche Handlungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Unterlassungen sich die<br />
nationalsozialistische Partei günstiger stimmen könnte. Wir müssen <strong>de</strong>n gera<strong>de</strong>n<br />
Weg, <strong>de</strong>n wir für richtig erkannt haben, klaren Auges und mutigen Herzens<br />
verfolgen und nicht feige und untätig im Winkel hocken und uns von Tagesschlagworten<br />
hin und hertreiben lassen." 78<br />
Schon zuvor (1927) hatte Beyer <strong>de</strong>n altpreußischen <strong>Großloge</strong>n - zu Recht, wie das eben zitierte<br />
Schreiben <strong><strong>de</strong>r</strong> 3 WK belegt - vorgeworfen,<br />
"ihre humanitären Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> unter nichtigen und haltlosen Vorwän<strong>de</strong>n im Augenblicke<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gefahr im Stich gelassen"<br />
zu haben ...,<br />
"um sagen zu können: "Wir haben mit solchen <strong>Großloge</strong>n, die Ju<strong>de</strong>n aufnehmen,<br />
keine Gemeinschaft mehr." 79<br />
Anstatt also <strong>de</strong>n eigentlichen Feind, <strong>de</strong>n Nationalsozialismus, gemeinsam anzugehen, haben<br />
sich die Freimaurer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weimarer Republik selber bekämpft, wobei die humanitären <strong>Großloge</strong>n,<br />
allen voran die <strong>Großloge</strong> von Hamburg und die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne", sich stets <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Angriffe <strong><strong>de</strong>r</strong> altpreußischen <strong>Großloge</strong>n erwehren mussten. <strong>Die</strong>se Uneinigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Freimaurerei war, wie eine amerikanische Kommission im Jahr 1949 wohl zu Recht feststellte,<br />
mit eine <strong><strong>de</strong>r</strong> Ursachen, dass die Freimaurerei <strong>de</strong>n Nationalsozialisten so wenig entgegenzusetzen<br />
hatte. 80 Ob mit Einigkeit die <strong>Geschichte</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gelaufen wäre, darf allerdings bezweifelt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Das En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> kam dann schnell: Mit <strong>de</strong>m Ermächtigungsgesetz (Gesetz zur Behebung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Not von Volk und Reich vom 24.03.1933) nahm <strong><strong>de</strong>r</strong> Druck auf die Freimaurer massiv zu. Sie<br />
wur<strong>de</strong>n ganz offiziell als Träger <strong>de</strong>s verwerflichen liberalen, <strong>de</strong>mokratischen, humanitären<br />
und internationalen Gedankenguts angesehen und <strong>de</strong>shalb aus <strong>de</strong>m öffentlichen <strong>Die</strong>nst entfernt.<br />
81 <strong>Die</strong>sem Druck versuchten die <strong>Großloge</strong> <strong>Zur</strong> Sonne und die ihr angeschlossenen Logen<br />
durch Umbenennung zu begegnen. Auf Initiative von Bernhard Beyer, <strong><strong>de</strong>r</strong> als zugeordneter<br />
Großmeister wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Amtsnie<strong><strong>de</strong>r</strong>legung <strong>de</strong>s Großmeisters am 14.02.1933 nun amtieren<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Großmeister war, beschloss die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" auf ihrer Generalversammlung<br />
am 30. April 1933 in Würzburg, sich in "Deutsche Gesellschaft für Kultur und Wissen"<br />
78 Bernhard Beyer, Welche Motive leiteten uns?, in: Denkschrift <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" über die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufnahme<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen zur <strong>Großloge</strong> von England, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n Juni 1932, S. 25 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Freimaurermuseums Bayreuth Nr 930)<br />
79 Beyer, Der Kampf <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen Lan<strong>de</strong>sloge ...", a.a.O., S. 14 (oben Fußnote 65)<br />
80 After Fifteen Years, Freimaurerei in Deutschland, Bericht <strong>de</strong>s von THE MASONIC SERVICE ASSOCIATION<br />
OF THE UNITED STATES entsandten Spezialkomitees zur Untersuchung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei in<br />
Deutschland, Washington D.C., Oktober 1949, S. 7 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr.<br />
655)<br />
81 Dosch, a.a.O. S. 203
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 30<br />
umzubenennen. 82 Beabsichtigter, aber offiziell nicht erklärter Zweck war, das <strong>Großloge</strong>neigentum<br />
zu betreuen und für spätere Zeiten zu bewahren, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e das Freimaurermuseum<br />
und die Bestän<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> über 10.000 zum größten Teil unersetzliche Bän<strong>de</strong> umfassen<strong>de</strong>n<br />
Bibliothek zu sichern. 83 Ich kann das Ergebnis gleich vorwegnehmen: es gelang lei<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als vor rund 15 Jahren im Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> aus vergleichbaren Grün<strong>de</strong>n erfolgten Umbenennung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> SED in PDS, nicht.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Umwandlung in die Deutsche Gesellschaft für Kultur und Wissen ging die förmliche<br />
Einstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> einher. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Tempelarbeit vom 30.04.1933 wur<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>mgemäß die Lichter gelöscht. Der Umwandlungsbeschluss in einen kulturellen Verein<br />
konnte jedoch nicht verwirklicht wer<strong>de</strong>n, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadtrat von Bayreuth darauf hinwies, dass<br />
alle kulturellen Belange sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalsozialismus allein vorbehalten habe. 84 Vermutlich<br />
aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Tarnung for<strong><strong>de</strong>r</strong>te die <strong>Großloge</strong> als Voraussetzung für eine Mitgliedschaft,<br />
dass "nur Männer arischer Abstammung" 85 aufgenommen wer<strong>de</strong>n dürfen. Dass nach diesen<br />
Kriterien jemand neu aufgenommen wur<strong>de</strong>, konnte ich nicht feststellen, und wäre eigentlich<br />
auch unlogisch gewesen, <strong>de</strong>nn die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> waren ja ebenfalls keine natürlichen<br />
Personen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Mitgliedslogen. Bernhard Beyer, Direktor <strong>de</strong>s Freimaurermuseums<br />
und zugeordneter Großmeister <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne", nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Sprachregelung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nazis Rasseschän<strong><strong>de</strong>r</strong>, weil seine Frau Jüdin war, versuchte daraufhin, die wertvollen Bestän<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Museums und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bücherei bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> von Holland unterzubringen. Hiervon<br />
bekamen die Nazis Wind und so wur<strong>de</strong>n 1933 die Bestän<strong>de</strong>, man höre und staune, als<br />
nationales Kulturgut, das nicht ins Ausland verschafft wer<strong>de</strong>n durfte, beschlagnahmt und in<br />
Richtung Berlin verfrachtet. <strong>Die</strong> <strong>Großloge</strong> in Gestalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Gesellschaft für Kultur<br />
und Wissen löste sich daraufhin auf.<br />
Das En<strong>de</strong> von 1933 war unfreiwillig und erzwungen, das endgültige En<strong>de</strong> von 1949 dagegen<br />
wohlüberlegt und die Realisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vision von <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheitsgroßloge, die schon Bluntschli<br />
hatte. <strong>Die</strong> sog. "Dunkle Zeit" <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> dauerte offiziell bis 1948, <strong>de</strong>nn erst zu diesem<br />
vergleichsweise späten Zeitpunkt erteilten die amerikanischen Besatzungsbehör<strong>de</strong>n die<br />
förmliche Lizenz zur Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>belebung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong>. 86 Beyer, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Lichter <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong><br />
82<br />
Rundschreiben Bernhard Beyer vom 11. Mai 1933 über die Generalversammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> <strong>Zur</strong> Sonne<br />
vom 30.4.1933 in Würzburg ("Liebe Freun<strong>de</strong> ...")<br />
83<br />
Rundschreiben ("Lieber Freund ...") <strong>de</strong>s stellvertreten<strong>de</strong>n Vorstan<strong>de</strong>s A. Spitzenpfeil <strong>de</strong>s Vereins "Gesellschaft<br />
zur Hei- matpflege e. V." (vormals Loge "Eleusis zur Verschwiegenheit") vom 18.05.1933; Beachte i.ü. das Gesetz<br />
über die Einzie- hung von volks- und staatsfeindlichen Vermögen vom 14.07.1933, das im Jahr 1935<br />
Grundlage für die Beschlagnahme und Einziehung <strong>de</strong>s Vermögens aller FM-Logen war (Dosch a.a.O., S. 207)<br />
84<br />
vgl. ohne Verfasser, Wie die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" im Jahre 1933 in Würzburg ihre Arbeit einstellte, in: Bun<strong>de</strong>sblatt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Mai 1949, S. 102 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth<br />
Nr 7903)<br />
85<br />
Rundschreiben Dr. Beyer vom 11. Mai 1933 über die Generalversammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> <strong>Zur</strong> Sonne vom<br />
30.4.1933 in Würzburg<br />
86<br />
Bernhard Beyer, Ein Blick über die <strong>Geschichte</strong> unserer <strong>Großloge</strong>, in: <strong>Großloge</strong>ntag <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne"
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 31<br />
1933 löschen musste, wur<strong>de</strong> allerdings sogleich nach Beendigung <strong>de</strong>s Krieges aktiv und hatte<br />
<strong>de</strong>n amerikanischen Besatzungsbehör<strong>de</strong>n bereits im September 1945 einen <strong>de</strong>taillierten<br />
Plan zur Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>belebung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Freimaurerei in Form einer bayerischen <strong>Großloge</strong><br />
vorgelegt, <strong><strong>de</strong>r</strong> jedoch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> gera<strong>de</strong> für Amerikaner erstaunlichen Begründung abgelehnt<br />
wur<strong>de</strong>, dass es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurerei um eine "Geheimorganisation" handle. 87 Beyer<br />
führte dann jedoch als erster Großmeister nach <strong>de</strong>m 2. Weltkrieg die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne"<br />
1948 zum ersten Nachkriegs-<strong>Großloge</strong>ntag in Erlangen, wo er sein Amt an seinen Nachfolger<br />
Theodor Vogel weitergab.<br />
Auf <strong>de</strong>m <strong>Großloge</strong>ntag 1949 in Würzburg sollte laut Tagesordnung über die – eigentlich seit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Einigung 1866/1871 überfällige – Umbenennung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" in<br />
"Lan<strong>de</strong>sgroßloge von Bayern genannt <strong>Zur</strong> Sonne" abgestimmt wer<strong>de</strong>n. 88 Ob es dazu kam<br />
bzw. welches Ergebnis die Abstimmung hatte, ist mir nicht bekannt, spielt aber letztlich <strong>de</strong>shalb<br />
keine Rolle, weil gera<strong>de</strong> mal drei Wochen später, am 19. Juni 1949, die historische Versammlung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer in Frankfurt stattfand, in <strong><strong>de</strong>r</strong>, was in Würzburg bereits feststand,<br />
die erste <strong>de</strong>utsche <strong>Großloge</strong> entstand. <strong>Die</strong> bis dahin selbständigen <strong>Großloge</strong>n von Hamburg,<br />
Bayreuth, Frankfurt (Eklektischer Freimaurerbund) und Darmstadt, (<strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Eintracht"),<br />
die meisten Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong>n "Royal York zur Freundschaft" und "Zu <strong>de</strong>n drei<br />
Weltkugeln" sowie einige wenige Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen Lan<strong>de</strong>sloge <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer von<br />
Deutschland, <strong><strong>de</strong>r</strong> Symbolischen <strong>Großloge</strong> von Deutschland (die sich 1930 vom Freimaurerbund<br />
zur aufgehen<strong>de</strong>n Sonne abgespalten hatte) und <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen Lan<strong>de</strong>sloge von Sachsen<br />
schlossen sich zur "Vereinigten <strong>Großloge</strong> von Deutschland" zusammen. 89<br />
Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> "Vereinigten <strong>Großloge</strong> von Deutschland" wur<strong>de</strong> 1951 die "Vereinigte <strong>Großloge</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland". Ab 1958 hieß die <strong>Großloge</strong><br />
Erlangen vom 30. April bis 2. Mai 1948, S. 6 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr<br />
354)<br />
87 Joachim Hoyer, Notizen zur <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Loge Eleusis nach 1945, in: "Festschrift zum 250jährigen Stitungsfest<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Loge 'Eleusis zur Verschwiegenheit'", Bayreuth 1991, S. 30 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums<br />
Bayreuth Nr. 10443); vgl. auch After Fifteen Years a.a.O., S. 14; die Ablehnung erfolgte vermutlich<br />
<strong>de</strong>shalb, weil Dr. Beyer gleich eine <strong>Großloge</strong> für Bayern wie<strong><strong>de</strong>r</strong>errichten wollte und die amerikanischen Besatzungsbehör<strong>de</strong>n<br />
befürchteten, dass sich unter <strong>de</strong>m Deckmantel <strong><strong>de</strong>r</strong> FM womöglich NS-Ka<strong><strong>de</strong>r</strong> (Werwolf!)<br />
sammeln könnten.<br />
88 Bun<strong>de</strong>sblatt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Mai 1949, S. 107 – TOP 3 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuse-<br />
ums Bay- reuth Nr 7903)<br />
89 Karl-Heinz Lack, 40 Jahre Vereinigte Grosslogen von Deutschland, o. J., S. 17 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Freimaurermu- seums Bayreuth Nr 11423);<br />
ohne Verfasser, In Memoriam Theodor Vogel, Materialien zur <strong>Geschichte</strong> einer Großen Loge, Hamburg 1979<br />
(Quellen- kundliche Arbeit Nr. 13 <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschungsloge Quatuor Coronati), S. 9: 42 Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen National<br />
Mutterloge 'Zu <strong>de</strong>n drei Weltkugeln'"; 35 Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen Loge von Preußen, genannt Royal York zur<br />
Freundschaft"; 34 Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> "Groß- loge '<strong>Zur</strong> Sonne'"; 18 Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen Loge von Hamburg";14<br />
Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen Mutterloge <strong>de</strong>s Eklektischen Frei- maurerbun<strong>de</strong>s"; 7 Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen Freimaurerloge<br />
<strong>Zur</strong> Eintracht"; 5 Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> "Symbolischen <strong>Großloge</strong> von Deutsch- land"; 4 Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen Lan<strong>de</strong>sloge<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer von Deutschland"; 4 Logen <strong><strong>de</strong>r</strong> "Großen Lan<strong>de</strong>sloge von Sach- sen"; 1 Loge <strong>de</strong>s "Freimaurerbun<strong>de</strong>s<br />
zur aufgehen<strong>de</strong>n Sonne", sowie 10 Neugründungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit nach 1945 (Bibliothek <strong>de</strong>s<br />
Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr 7498)
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 32<br />
dann "Große Lan<strong>de</strong>sloge <strong><strong>de</strong>r</strong> Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland",<br />
um sich schließlich 1968 letztmals umzubenennen in die uns allen vertraute "<strong>Großloge</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland".<br />
Dass es1949 überhaupt zur Bildung einer <strong>de</strong>utschen <strong>Großloge</strong> kam, war im wesentlichen<br />
Verdienst <strong>de</strong>s seit 1948 amtieren<strong>de</strong>n Großmeisters <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne", Theodor Vogel.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> "Vereinigten <strong>Großloge</strong> von Deutschland", mehr noch aber mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1958 nach langen zähen Verhandlungen mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen Lan<strong>de</strong>sloge <strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer von<br />
Deutschland schließlich vereinbarten Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> "Vereinigten <strong>Großloge</strong>n von Deutschland"<br />
ging Theodor Vogel als "Einiger <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Freimaurerei" 90 in die <strong>Geschichte</strong> ein.<br />
So, wie Bernhard Beyer unmittelbar nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Krieges begann, die versprengten<br />
Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> um sich zu sammeln und die Freimaurerei in Bayern wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu organisieren, betrieb<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> gera<strong>de</strong> erst mit 46 Jahren zum Großmeister gewählte Theodor Vogel unermüdlich und<br />
energisch die Einigung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Freimaurer. 14 Tage nach seiner Wahl zum Großmeister<br />
übernahm er am 15.05.1948 in Frankfurt mit seiner "<strong>Großloge</strong> für Bayern", wie es in<br />
einem Bericht heißt, anlässlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Bildung eines Großmeistervereins <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen <strong>Großloge</strong>n<br />
die Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>führung. Und dann ging es Schlag auf Schlag: Oktober 1948 Treffen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Großmeister in Bad Kissingen und Verabschiedung eines Grundgesetzes <strong><strong>de</strong>r</strong> zu grün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Einheitsgroßloge, En<strong>de</strong> Mai 1949 <strong>Großloge</strong>ntag in Würzburg und Einschwören <strong><strong>de</strong>r</strong> Brü<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
auf <strong>de</strong>n bevorstehen<strong>de</strong>n Zusammenschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong>n um <strong>de</strong>n Preis <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Selbständigkeit und dann drei Wochen später Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigten <strong>Großloge</strong> von<br />
Deutschland in Frankfurt.<br />
<strong>Zur</strong> Bildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheitsgroßloge, also <strong><strong>de</strong>r</strong> GL AFAM, wäre es vielleicht auch ohne Theodor<br />
Vogel gekommen, allerdings wohl nicht zu diesem frühen Zeitpunkt. Denn er war es, <strong><strong>de</strong>r</strong> es<br />
verstand, mit seiner Persönlichkeit und seiner Wortgewalt landauf landab die <strong>Großloge</strong>n und<br />
die Logen von <strong><strong>de</strong>r</strong> einmaligen historischen Chance zu überzeugen, im Rahmen <strong>de</strong>s erzwungenen<br />
Neuanfangs nach <strong>de</strong>m Krieg <strong>de</strong>n alten Traum <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Freimaurer von einer<br />
gemeinsamen <strong>Großloge</strong> anzugehen und zu verwirklichen. Was jedoch ohne ihn sicherlich<br />
nicht gelungen wäre, war <strong><strong>de</strong>r</strong> Abschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. Magna Charta im Jahr 1958, also <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen<br />
Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> – humanitären - Vereinigten <strong>Großloge</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Alten Freien und Angenommenen<br />
Maurer von Deutschland einerseits und <strong><strong>de</strong>r</strong> – christlichen - Großen Lan<strong>de</strong>sloge<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freimaurer von Deutschland an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits über die künftige gemeinsame maurerische<br />
Arbeit in Deutschland, die Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> Bildung <strong><strong>de</strong>r</strong> "Vereinigten <strong>Großloge</strong> von Deutschland"<br />
war.<br />
90 Rolf Appel, in: ohne Verfasser, In Memoriam Theodor Vogel, Materialien zur <strong>Geschichte</strong> einer Großen Loge,<br />
Hamburg 1979 (Quellenkundliche Arbeit Nr. 13 <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschungsloge Quatuor Coronati), S. 4 (Bibliothek<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Freimaurer- museums Bayreuth Nr 7498)
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 33<br />
Ein paar Worte noch zu Theodor Vogel. Er war Schweinfurter, 1901 geboren und bereits<br />
1926 (zusammen mit seinem Vater) in die Loge in Schweinfurt ("Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>treue am Main") aufgenommen.<br />
1946 wur<strong>de</strong> er MvS, 1948 Großmeister <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne", 1949 Großmeister<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> "Vereinigten <strong>Großloge</strong> von Deutschland" (also erster Großmeister <strong><strong>de</strong>r</strong> AFAM).<br />
Das blieb er bis 1958, um dann erster Großmeister <strong><strong>de</strong>r</strong> "Vereinigten <strong>Großloge</strong>n von Deutschland"<br />
zu wer<strong>de</strong>n. 1977 ist Theodor Vogel gestorben. <strong>Die</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" ging faktisch<br />
1949 in <strong><strong>de</strong>r</strong> späteren GL AFAM auf, tatsächlich wirkte sie jedoch in Person <strong>de</strong>s Altgroßmeisters<br />
Vogel während <strong>de</strong>ssen Tätigkeit als Großmeister <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigten <strong>Großloge</strong> von<br />
Deutschland weiter.<br />
Nach außen en<strong>de</strong>te die <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" mit <strong>de</strong>m 19.06.1949, <strong>de</strong>m Zusammenschluss<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Logen zur Vereinigten <strong>Großloge</strong> von Deutschland. Juristisch bestand<br />
die <strong>Großloge</strong> weiter, war sie doch ein Verein wie die Logen auch. Und als solcher Verein besteht<br />
sie sogar heute noch, allerdings nicht mehr unter <strong>de</strong>m Namen "<strong>Großloge</strong> <strong>Zur</strong> Sonne",<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n unter <strong>de</strong>m Namen "Deutsches Freimaurermuseum Bayreuth e.V." <strong>Die</strong> Umwandlung<br />
erfolgte auf <strong>de</strong>m <strong>Großloge</strong>ntag 1954 in Coburg. 91<br />
Eigentlich müsste ich jetzt noch darauf eingehen, dass die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" als erste<br />
ein Freimaurermuseum in Bayreuth errichtete (1902), dass dieses Museum mustergültig von<br />
Bernhard Beyer, <strong>de</strong>m nachmaligen Großmeister geführt und so ausgebaut wur<strong>de</strong>, dass es<br />
das drittgrößte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt war (vor <strong>de</strong>m Krieg), und dass sein Bestand gera<strong>de</strong> jetzt auf das<br />
höchste gefähr<strong>de</strong>t ist, weil die <strong>Großloge</strong> es lieber heute als morgen zusperren möchte. Auch<br />
zu Br. Bernhard Beyer könnte und müsste noch einiges gesagt wer<strong>de</strong>n. Allein – die Zeit ist<br />
zu weit fortgeschritten. Ohnehin wären einige <strong><strong>de</strong>r</strong> Komplexe, die ich ein kleines bisschen näher<br />
beleuchtet habe, es wert, in einem eigenen Vortrag vertieft zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Wir Freimaurer schmücken uns gern mit großen Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit, mit Verdiensten<br />
unserer freimaurerischen Vorfahren. Richtiger und wichtiger wäre es, unsere <strong>Geschichte</strong> als<br />
Ansporn und Verpflichtung zu begreifen. <strong>Die</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" war nach allgemeiner<br />
Meinung die freisinnigste reguläre <strong>Großloge</strong> auf <strong>de</strong>utschem Bo<strong>de</strong>n. 92 Bluntschli hatte seine<br />
Verfassungsreform von 1868 u.a. mit <strong>de</strong>n Worten "Man muß die bisher Regierten sich selbst<br />
91 Vereinigte <strong>Großloge</strong> von Deutschland, Bericht vom <strong>Großloge</strong>ntag 1954 in Coburg, S. 14 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Frei- maurermuseums Bayreuth Nr. 128)<br />
92 Taute, a.a.O. S. 18; Hermann Koelblin, Vom Wer<strong>de</strong>gang <strong><strong>de</strong>r</strong> Dinge, von Kompetenzen, freimaurerischen und<br />
nationalen Belangen. Ein Ruf nach Einheit u. Geschlossenheit, in: Denkschrift <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne"<br />
über die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen zur <strong>Großloge</strong> von England, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1932, S. 13(Bibliothek <strong>de</strong>s<br />
Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth Nr 930)
<strong>Die</strong>ter Heinold, <strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" Seite 34<br />
regieren lassen" begrün<strong>de</strong>t. 93 <strong>Die</strong> hierin zum Ausdruck gekommene Liberalität erscheint mir<br />
vorbildlich. Nehmen wir also etwas von diesem freien Geist mit in unsere heutige maurerische<br />
und profane Arbeit. Wir haben unseren Kopf zum Denken, nicht zum (Ab-) Nicken o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ducken. Dass so große Männer wie Bluntschli, Beyer o<strong><strong>de</strong>r</strong> Vogel, ebenso Thomas Dehler in<br />
"Sonnen-Logen" ihre freimaurerische Heimat hatten, ist sicher kein Zufall. So gesehen empfin<strong>de</strong><br />
ich durchaus einige Sympathie für die Gedankenspielerei von Br. Thomas Kaulbach,<br />
MvS <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulmbacher Loge, die er vor ca. einem Jahr in <strong><strong>de</strong>r</strong> e-mail-Liste für Freimaurer angestellt<br />
hat, nämlich die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong> Sonne" wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu beleben. Ohne die <strong>Großloge</strong> "<strong>Zur</strong><br />
Sonne" wäre die <strong>de</strong>utsche Freimaurerei, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auch die <strong>Großloge</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> "Alten Freien<br />
und Angenommenen Maurer von Deutschland" ärmer.<br />
Theodor Vogel, und damit möchte ich schließen, hat einmal berichtet, wie er selber zu seiner<br />
Mutterloge fand. Ein Freund, <strong>de</strong>n er fragte, welche Bauhütte er als Suchen<strong><strong>de</strong>r</strong> wählen sollte,<br />
sagte ihm folgen<strong>de</strong>s: "Schau Dir zuerst <strong>de</strong>n Meister vom Stuhl an. Ist er in Ordnung, dann<br />
bist Du richtig. Hast Du keine richtige Meinung von ihm, dann schau Dir <strong>de</strong>n Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> Redner<br />
an. Hast Du von ihm keinen lebendigen Eindruck, dann bleib weg. ..." 94 Wenn ich mir so euren<br />
ehrwürdigen MvS anschaue und wenn ich nun nicht schon Maurer wäre, dann wür<strong>de</strong> ich<br />
spätestens jetzt aufgrund dieses Ratschlags bei euch als Suchen<strong><strong>de</strong>r</strong> anklopfen.<br />
© 2004 <strong>Die</strong>ter Heinold<br />
93 Beyer II, S. 123, 128<br />
94 Bericht <strong>de</strong>s Großmeisters Theodor Vogel, in: Bericht vom <strong>Großloge</strong>ntag 1955 <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigten <strong>Großloge</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland in Essen, S. 13 (Bibliothek <strong>de</strong>s Deutschen Freimaurermuseums<br />
Bayreuth Nr. 128)