Das Kreuz mit dem Kreuz, Kirchenzeitung Aachen,Sonntag

Das Kreuz mit dem Kreuz
Rotkreuzfunktionäre aus dem Bistum Aachen in Solferino und Genf auf den Spuren Henry Dunants
Von Manfred Lang
In Afghanistan ist man dazu
übergegangen, das rote
Kreuz auf weißem Grund von
den Sanitätsfahrzeugen zu
entfernen. Das Symbol, das
die Fahrzeuge für den Kranken-
und Verwundetentransport
eigentlich schützen soll,
lenkt zusätzliche Gefahr auf
sie: Die Taliban erkennen im
roten Kreuz das Symbol der
Kreuzzüge - und greifen diese
Fahrzeuge bevorzugt an.
Da ändert auch die Unterweisung
in völkerrechtskonformer
Kriegführung nichts, die das
Internationale Komitee vom
Roten Kreuz (IKRK) vor Ort allen
kriegsführenden Parteien
und bewaffneten Gruppen angedeihen
lässt. „Natürlich auch
den Taliban", sagte Nicole Engelbrecht,
eine von acht Presseattaches
des IKRK, der Aa-
Der Autor, der Aachener Diakon Manfred Lang (vorne links), mit anderen
deutschen und italienischen Rotkreuzlern in Solferino.
chener KirchenZeitung.
Die IKRK-Aktivistin, die
selbst sechs Jahre in Afrika
„im Feld" arbeitete, versteht
nicht, dass ein Zeitschriftenkollege
hierzulande dicke
Schlagzeilen mit der Tatsache
produzierte, dass das Rote
Kreuz Taliban in Erster Hilfe
ausbilde: „Wir sind bereits im
Krisenherd auf allen Seiten
der potenziellen kriegführenden
Parteien im Einsatz, bevor
der erste Schuss gefallen ist."
Nicht nur das Rote Kreuz,
auch der Rote Halbmond oder
der Rote Davidstern können
beispielsweise in Israel und
In mehreren Kirchen sind die Ce- 6000 Rotkreuzler aus aller Welt stimmen sich auf dem Kirch- und
beine der Gefallenen beigesetzt. Burgvorplatz von Solferino auf den Beginn der „Fiacollata 2010" ein.
Tafeln nationaler Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften am Internationalen
Rotkreuzdenkmal in Solferino.
* las*
den Palästinensergebieten auf
andere wie ein rotes Tuch wirken.
Selbst unter dem Dach einer
weltweiten humanitären
Hilfsorganisation wie dem des
Roten Kreuzes ist der Widerstreit
zwischen Religionen und
Ethnien nicht aufgehoben.
Das war jetzt in Genf Diskussionsgegenstand
bei der
Begegnung hochrangiger Rotkreuz-Funktionäre
aus dem
Bistum Aachen. Rolf Zimmermann,
hauptamtlicher Rotkreuzgeschäftsführer
aus dem
Kreis Euskirchen (Region Eifel),
traf Frank Mohrhauer, Jurist
aus dem Rotkreuz-Kreisverband
Jülich (Bistumsregion
Düren) und jetzt Leiter der
Abteilung „Cooperation and
Government Support Department"
bei der Internationalen
Förderation der Rotkreuz- und
Rothalbmond-Gesellschaften
(IFRC) in Genf. Die Organisation,
in der 197 nationale Gesellschaften
wie das Deutsche
Rote Kreuz mit 97 Millionen
Mitgliedern zusammengeschlossen
sind, ist gewissermaßen
die zivile Komponente
der Internationalen Rotkreuzbewegung.
In zurzeit 80
Kriegs- und Krisengebieten
der Erde, darunter Afghanistan,
ist das IKRK zuständig.
Die Eifeler Delegation um
Rolf Zimmermann und Presseleute
aus dem Landesverband
Nordrhein sprach in Genf mit
dem Australier Matthiew
Cochran, dem Pressesprecher
der Föderation, sowie mit der
Deutschen Nicole Engelbrecht,
einer von acht Presseattaches
Mit Rolf Zimmermann, Frank Mohrhauer und Wenzel Hausmann (v. l.)
trafen sich Rotkreuzfunktionäre aus dem Bistum in Genf wieder.

Vor dem Dom in Castiglione endete die „Fiacollata 2010", die an die Ceburtsstunde der Rotkreuzbewegung vor 151 Jahren erinnerte.
Im Internationalen Jugendrotkreuz-Lager vor den Toren Solferinos. Angehörige des Croce Rossa Italiana entzünden ihre Fackeln.
es IKRK. Dabei wurden auch
die Probleme erörtert, die die
Rotkreuzorganisationen vor
Ort damit haben, die Idee der
Internationalen Rotkreuzbewegung
im Angesicht zweier
international sehr unterschiedlich
agierender Rotkreuzorganisationen
zu verkörpern.
„Tutti f ratelli -
Wir sind alle Brüder!"
Vor Genf war die Delegation
aus dem Bistum Aachen zur
„Fiacollata" im italienischen
Solferino gewesen. Das ist ein
Gedenkmarsch, mit dem Jahr
für Jahr Tausende Rotkreuzler
aus aller Welt an die Gründung
ihrer Internationalen humantitären
Organisation vor nunmehr
151 Jahren erinnern. Der
Schweizer Kaufmann Henry
Dunant war am 24. Juni 1859
in Solferino, zehn Kilometer
südlich des Gardasees, nach einer
verheerenden Schlacht im
italienischen Unabhängigkeitskrieg
auf 30 000 Verwundete
getroffen, für die es kaum medizinische
Versorgung gab.
Dunant organisierte sponta-
ne Hilfe unter anderem mit
den Frauen des Städtchens
Castiglione, die gegen Skepsis
und Widerstand ihrer Männer
und Brüder die Verwundeten
ohne Unterschied ihrer nationalen
Herkunft in Kirchen und
Häusern wuschen, verbanden
und versorgten. Dort, wo der
programmatische Ruf gegen
Krieg und Völkerfeindschaft
entstand - „Tutti fratelli" („Wir
sind alle Brüder!") - schlug die
Geburtsstunde des 1863 gegründeten
Roten Kreuzes.
Beim Gedenkmarsch zogen
diesmal knapp 6000 Rotkreuzler
bei Einbruch der Dunkelheit
mit Fackeln zehn Kilometer
weit von Solferino nach
Castiglione, zwei Eckpunkten
des Schlachtfeldes von 1859.
Rolf Zimmermann sagte, die
Teilnahme an der „Fiacollata"
sei für jeden Rotkreuzler einmal
im Leben Pflicht. Das gutgelaunte
Happening auf dem
hochgelegenen Kirch- und
Burgplatz von Solferino, aber
auch der atmosphärisch einmalige
Fackelzug durch die
Nacht, mache einem bewusst,
dass man nicht Einzelkämpfer
Bunt, gut gelaunt, bereit zu helfen.
Fotos: Lang/Rolf Zimmermann
in der Eifel, sondern Teil einer
weltweiten humanitären Hilfsorganisation
sei, die die Ernsthaftigkeit
zu helfen mit der
Freude und der Liebe zum
prallen Leben verbindet.
Zimmermann zitierte in
dem Zusammenhang einen
Kollegen: „Du hast Dich im
Lauf der Jahre daran gewöhnt,
dass Du als Rotkreuzler nur
ein Tropfen im Meer bist und
Graue vermummte Gestalten vor
dem Rotkreuzmuseum in Genf.
die Welt nicht verändern wirst.
Und plötzlich merkst Du, Du
bist nicht allein, es gibt viele
Tausend, ja Millionen anderer
Tropfen in diesem Meer- und
das verändert die Welt doch."
Zimmermann: „Es ist eine Mischung
aus Gänsehautgefühl
und ausgelassener Lebensfreude,
die einen da mitreißt. Das
ist auch für einen alten Hasen
Rotkreuz-Feeling pur!"