W - pro mente Burgenland
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GZ02Z033129M, P.b.b., Verlagspostamt 4020 Linz/Donau<br />
www.<strong>pro</strong><strong>mente</strong>austria.at<br />
3 | 2008<br />
O k t o b e r<br />
z e i t s c h r i f t des österreichischen Dachverbands der Vereine<br />
und Gesellschaften für psychische und soziale Gesundheit<br />
Probleme<br />
erkennen<br />
und helfen<br />
Kinder- und Jugend-<br />
Psychiatrie in Österreich
aus dem<br />
inhalt . . .<br />
einführung: psychisch<br />
erkrankte kinder 4 – 7<br />
leitartikel von<br />
prim. dr. leixnering<br />
eine orientierung<br />
für eltern<br />
dr. winterhoff –<br />
eine analyse<br />
bestsellerautor<br />
im interview<br />
neue chance durch<br />
arbeitstraining 16 – 17<br />
kinder psychisch<br />
kranker eltern<br />
kinderseelenhilfe<br />
pm salzburg<br />
literatur und internet<br />
zum thema<br />
4<br />
8 – 10<br />
12 – 15<br />
15<br />
18 – 21<br />
21<br />
23<br />
rasches handeln<br />
ist die maxime<br />
Ängste, Schlafstörungen und depressive Zustände:<br />
Fast jeder vierte junge Mensch leidet an psychischen<br />
Störungen. Rasches Erkennen heißt die Devise für eine<br />
positive Gestaltung des Lebens. Die Kinder- und Jugend-<br />
psychiatrie in Österreich ist das Schwerpunktthema<br />
dieser Ausgabe der <strong>pro</strong> <strong>mente</strong>-Zeitschrift. Das Editorial<br />
von Univ.-Dozent. Dr. Werner Schöny.<br />
E<br />
Erst in den letzten Jahren ist die<br />
Bedeutung der Jugendpsychiatrie<br />
so richtig in das gesellschaftliche<br />
Bewusstsein gerückt. Dies manifestiert<br />
sich etwa in der Festlegung der<br />
Österreichischen Ärztekammer, der<br />
Jugendpsychiatrie den Rang eines<br />
eigenen medizinischen Sonderfaches<br />
einzuräumen. Das ist erfreulich, denn<br />
es hat lange gedauert, bis sich die<br />
Erkenntnis durchsetzen konnte, wie<br />
wichtig es ist, psychische Störungen,<br />
die im Kindesalter auftreten, rechtzeitig<br />
zu behandeln. Diese treten<br />
sehr häufig auf. So erklärt fast ein<br />
Viertel von befragten SchülerInnen,<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> austria zeitschrift. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: <strong>pro</strong> <strong>mente</strong> austria, Dachverband österreichischer Vereine und Gesellschaften für<br />
psychische und soziale Gesundheit. Bundessekretariat, 4020 Linz, Johann-Konrad-Vogel-Straße 13, Telefon 0732/785397. Obmann: Univ.-Doz. Dr. Werner<br />
Schöny. Redaktionsteam: Ernst Hatheyer (Chefredakteur, Agentur ComMed), Fritz Schleicher (Koordinator), Anja Niederreiter, Michael Felten, Sina Bründler,<br />
Liane Halper, Angela Ibelshäuser, Margret Korn, Peter Wildbacher, Thomas Hatheyer. Redaktionsadresse: <strong>pro</strong> <strong>mente</strong> Oberösterreich – Kommunikation &<br />
Marketing, Fritz Schleicher, 4020 Linz, Lonstorferplatz 1, Telefon 0732/6996-343, E-Mail: schleicherf@<strong>pro</strong><strong>mente</strong>ooe.at. Fotos: Agentur ComMed, Gesamt<strong>pro</strong>duktion<br />
und Grafik: Kommunikations- & Medienagentur ComMed GmbH, Klagenfurt. Druck: in-Takt, Linz. Erscheinungsweise: vierteljährlich. Preis: 1,81 Euro.
an psychischen Störungen zu leiden.<br />
Das besagen deutsche, Schweizer,<br />
aber auch österreichische Studien.<br />
Am häufigsten handelt es sich dabei<br />
um Ängste, Schlafstörungen, soziale<br />
Probleme und depressive Zustände.<br />
mehr druck in schule<br />
und beruf<br />
Die Ursachen dafür sind mannigfaltig,<br />
die Tendenz, dass junge Menschen<br />
psychische Schwierigkeiten<br />
haben, ist eher steigend. Der zunehmende<br />
Druck in der Schule und<br />
beim Einstieg ins Berufsleben ist<br />
wesentliche Ursache dafür. Aber<br />
auch veränderte Familienstrukturen,<br />
die dazu führen, dass heute Mehrgenerationenfamilien<br />
unter einem<br />
Dach selten geworden sind und<br />
dadurch Vorbilder, Anleitung und<br />
Führung fehlen, können psychische<br />
Störungen begünstigen.<br />
internet & fernsehen<br />
überfordern<br />
Aber auch die enorme Informationsflut,<br />
die auf Jugendliche eindringt,<br />
ist kaum mehr zu bewältigen.<br />
Über Medien, Internet und<br />
Film werden junge Menschen Einflüssen<br />
ausgesetzt, die bei fehlender<br />
Kontrolle und ohne relativierende<br />
Kritik zu Fehlidentifikationen und<br />
Überforderung führen können.<br />
Die Folgen sind psychische Symptome,<br />
Verhaltensauffälligkeiten und<br />
editorial<br />
Primarius Dr. Werner Schöny ist Obmann von<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> austria, Universitätsdozent, Wirklicher<br />
Hofrat und Ärztlicher Direktor der Landesnervenklinik<br />
Wagner-Jauregg in Linz, einem<br />
internationalen Vorzeige-Kompetenzzentrum<br />
mit insgesamt zehn Abteilungen, fünf Instituten<br />
und den speziellen Therapiemöglichkeiten.<br />
www.wagner-jauregg.at<br />
Sozialisationsstörungen. Doch gerade<br />
in der Jugendpsychiatrie bewährt<br />
sich der Grundsatz: „Vorbeugen ist<br />
besser als heilen“. Es ist daher eine<br />
wesentliche Aufgabe der Jugendpsychiatrie<br />
dafür zu sorgen, dass<br />
notwendiges Wissen an helfende<br />
Stellen transportiert wird und dass<br />
Familien gut unterstützt werden.<br />
jugendpsychiatrie:<br />
leben positiv gestalten<br />
Die Jugendpsychiatrie hat also<br />
die Aufgabe, gesellschaftspolitisch<br />
und im sozialen Umfeld aktiv<br />
zu sein, Strukturen mit aufzubauen<br />
und Menschen auszubilden, die<br />
aus verschiedensten Berufsgruppen<br />
kommen und helfen, das Feld für<br />
unsere Jugendlichen zu verbessern<br />
und ihnen einen guten Einstieg in<br />
unsere Gesellschaft zu ermöglichen,<br />
wenn dies krankheitsbedingt oder<br />
aus sozialen Gründen anders nicht<br />
möglich ist.<br />
conclusio<br />
In diesem Sinne ist auch zu verstehen,<br />
dass sich <strong>pro</strong> <strong>mente</strong> austria<br />
hier einen Schwerpunkt gesetzt hat,<br />
um die jugendpsychiatrische Arbeit<br />
zu fördern und Vorbeugend tätig<br />
zu sein. Denn es ist und bleibt eine<br />
der wichtigsten Aufgaben unserer<br />
Gesellschaft, junge Menschen zu<br />
unterstützen, damit diese ihr Leben<br />
positiv gestalten können.
psychische erkrankungen<br />
bei kindern und jugendlichen<br />
Immer mehr Eltern und LehrerInnen beklagen sich über die angebliche Zunahme<br />
bei Problemen mit Kindern. Der renommierte Jugendpsychiater Dr. Leonhard Thun-<br />
Hohenstein von der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg gibt Aufschlüsse.<br />
W<br />
Was bedeuten Verhaltensauffälligkeiten?<br />
Nimmt die Häufigkeit<br />
psychischer Erkrankungen in<br />
den letzten Jahrzehnten zu? Wie<br />
kann man psychische Störungen im<br />
Kindesalter diagnostizieren? Welche<br />
Angebote der Behandlung für diese<br />
Kinder und Jugendlichen gibt bzw.<br />
braucht es in Österreich?<br />
psychische erkrankungen<br />
Was sind psychische Erkrankungen?Es<br />
gibt hinsichtlich der psychischen<br />
Erkrankungen im Kindes- und<br />
Jugendalter keine einheitliche und<br />
klare wissenschaftliche Definition.<br />
Wenn man davon ausgeht, dass Psyche<br />
den Gesamt<strong>pro</strong>zess der sensomotorischen,<br />
kognitiven, emotionalen<br />
und sozialen Entwicklungs<strong>pro</strong>zesse<br />
darstellt mit dem Ziel einer unverwechselbaren<br />
und stabilen Entwicklung<br />
von Identität, Selbst und<br />
Persönlichkeit, dann könnte man psychische<br />
Erkrankung als Abweichung<br />
dieser Entwicklung verstehen.<br />
Im engeren Sinne werden psychische<br />
Auffälligkeiten angenommen<br />
bei Auftreten von Problemen<br />
des Fühlens, des Denkens und/oder<br />
des Verhaltens. Ein Problem dabei<br />
ist die schwierige Abgrenzung normalen<br />
Verhaltens, Fühlens oder<br />
Denkens von auffälligem oder gar<br />
pathologischem Verhalten, Fühlen<br />
oder Denkens. Wann ist traurig,<br />
wann ist wütend, wann hyperaktiv<br />
krankhaft? Viele der so genannten<br />
typischen Krankheitssymptome verschiedenster<br />
Störungen sind auch bei<br />
gesunden Menschen beobachtbare<br />
Verhaltens- oder Gefühlsvarianten.<br />
Erst durch verschiedene Kriterien,<br />
wie der Unangemessenheit eines<br />
Symptoms hinsichtlich des Alters und<br />
des Geschlechtes, die Persistenz eines<br />
▲
der leitartikel<br />
von prim. dr. werner leixnering, leiter der abteilung für jugendpsychiatrie<br />
der landesnervenklinik wagner-jauregg<br />
psychische gesundheit von anfang an –<br />
langfristiges denken ist gefragt!<br />
W<br />
Wie im Editorial bereits deutlich<br />
dargestellt wurde, ist das<br />
junge Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
„bedarfsorientiert“ entstanden.<br />
Warum sonst eine „Zweitpsychiatrie“?<br />
Hatte man früher<br />
– erleichtert – festgestellt, dass<br />
die bekannten psychiatrischen<br />
Erkrankungen wie Depression, Schizophrenie<br />
und bipolare Störungen<br />
junge Menschen, wenn überhaupt,<br />
erst ab der mittleren bis späten<br />
Adoleszenz betreffen, zeigte sich in<br />
den letzten Jahrzehnten im internationalen<br />
Kontext, dass Beeinträchtigungen<br />
des Verhaltens und der<br />
Befindlichkeit immer mehr auch<br />
auch im Kindes- und Jugendalter<br />
zum „Thema“ werden: Kinder und<br />
Jugendliche sind haltlos, erschüttert<br />
und bedrückt, Erwachsene hilflos<br />
und bestürzt.<br />
kinderkrankheiten<br />
Gibt es „neue Kinderkrankheiten“,<br />
diesmal psychischer Natur? Zappelphilipp,<br />
Suppenkaspar, Hans<br />
Guck-in-die-Luft, Paulinchen und<br />
wie sie alle heißen könnten, mit<br />
neuen Namen: ADHS, Magersucht,<br />
emotionale Störungen, Störungen<br />
des Sozialverhaltens und der Persönlichkeitsentwicklung,<br />
Belastungen<br />
durch Traumatisierung? Ja und nein,<br />
so müsste die Antwort lauten!<br />
Befasst man sich mit der Fachliteratur,<br />
lässt sich rasch feststellen,<br />
dass viele der Probleme junger<br />
Menschen, die heute den gesellschaftlichen<br />
Diskurs (immer noch<br />
zu wenig) beherrschen, durchaus<br />
bereits in vergangenen Jahrhun-<br />
derten bekannt waren (daher auch<br />
das Rückgriff-Zitat auf den „Struwwelpeter“<br />
von Heinrich Hoffmann)<br />
– sicher wohl in einem geringeren<br />
Ausmaß als heute vorkommend,<br />
noch sicherer jedoch gesamtgesellschaftlich<br />
mit einem äußerst<br />
niedrigen Stellenwert bemessen.<br />
Kinder: Was wollen denn die? Die<br />
sollen einmal erwachsen werden,<br />
sie gehören eben richtig erzogen...<br />
hohe erwartungen<br />
Heute sieht die Realität anders<br />
aus: Wir haben gelernt, Menschen<br />
besser zu verstehen – daran hat<br />
die Psychotherapie hohen Anteil.<br />
Wir haben gelernt, differenzierter<br />
zu erziehen – das ist manchmal<br />
verwirrend. Wir haben gelernt,<br />
ein Leben lang zu lernen – können<br />
wir das wirklich schon? Kinder<br />
und Jugendliche sind zumindest in<br />
Europa und in Teilen Amerikas zu<br />
einer Bevölkerungsgruppe geworden,<br />
auf die man mehr achtet,<br />
an die man aber auch sehr hohe<br />
Erwartungen stellt und deren rasche<br />
Anpassung an eine schnelllebige<br />
Zeit gefordert ist. Schaffen das<br />
alle? Wie reagieren wir Erwachsene,<br />
wenn junge Menschen erschöpft,<br />
enttäuscht, im oft verzweifelten<br />
Widerstand sind? Wie gehen wir<br />
andererseits mit einer („immer jüngeren“)<br />
Jugend um, die „grenzenlos“,<br />
auch Grenzen überschreitend,<br />
gewalttätig agiert? Was machen<br />
wir mit jungen Menschen, die in/<br />
mit ihrer Entwicklung nicht zurande<br />
kommen, die „in der Krise“ sind?<br />
Das Leben ist Entwicklung. Diese an<br />
sich banal anmutende Aussage ist<br />
im medizinisch-wissenschafltichen<br />
Diskurs von zunehmend brisanter<br />
Bedeutung. Neue Begriffe tauchen<br />
auf, auch in der Psychiatrie: Entwicklungspsychopathologie,Entwicklungspsychopharmakologie,Entwicklungspsychotherapie<br />
und was<br />
immer noch kommen mag. Hier<br />
hat die Psychiatrie von der Kindermedizin<br />
gelernt, so ist Kinder- und<br />
Jugendpsychiatrie ein Teil der Kinder-<br />
und Jugendmedizin geworden!<br />
Ein weiterer Gedanke: Erst in den<br />
letzten Jahren, kaum Jahrzehnten,<br />
wird im Gesundheitsbereich wirklich<br />
die Gesundheit anges<strong>pro</strong>chen.<br />
Man sehe sich nur ein wenig um:<br />
Aus Krankenhäusern werden „Gesundheitszentren“,<br />
Vorbeugung<br />
konkurriert mit „Gesundheitssicherung“.<br />
Und auch das beginnt<br />
im Kindesalter. Seit wir mehr von<br />
Kinderschutz und Kinderrechten<br />
halten, sie zumindest diskutieren<br />
(die UN-Konvention über Kinderrechte<br />
wurde von manchen<br />
Ländern immer noch nicht ratifiziert!),<br />
muten wir Kindern auch<br />
mehr zu, wenngleich manchmal<br />
zu viel. Aber jedenfalls wollen wir<br />
frühzeitig ihre Kompetenzen stärken<br />
(und das ist gut so!). Das heißt<br />
auch: Kinder befähigen und ermutigen,<br />
frühzeitig etwas für ihre<br />
Gesundheit zu tun: Sport betreiben,<br />
auf Impfungen achten u.v.a.<br />
Wie sieht es da mit der seelischen<br />
Gesundheit aus? Und hier<br />
stoße ich wieder auf die Kinder-<br />
und Jugendpsychiatrie. Je jünger<br />
unsere „Sorgenkinder“ sind, desto<br />
eher wird Kinder- und Jugendpsy-<br />
▲
▲<br />
Fortsetzung von Seite 5:<br />
chiatrie disziplinen-übergreifend. Es<br />
geht um Elternbildung, Erziehung,<br />
um richtigen Umgang mit den Befindlichkeiten<br />
junger Menschen,<br />
die „noch nicht aber bald möglich“<br />
krankheitswertig sind. Und es geht<br />
um die Sicherung von Bedürfnissen<br />
einer Gruppe von MitbürgerInnen,<br />
die, noch sehr jung, besonders<br />
schutzbedürftig sind. Sie brauchen<br />
uns...und wir brauchen sie! Natürlich<br />
geht es in vielen Fällen auch um<br />
Therapie – die allein ersetzt aber<br />
nicht die „basic needs“! Kinder- und<br />
Jugendpsychiatrie (zugleich unabdingbar<br />
Sozialpsychiatrie) kann sich<br />
niemals nur auf Medika<strong>mente</strong> stützen,<br />
sie hat in die Umgebung des<br />
jungen Menschen, in die Gesellschaft<br />
„hineinzuwirken“.<br />
langfristiges konzept<br />
Kinder- und Jugendpsychiatrie ist<br />
daher ein langfristiges Konzept, und<br />
keinesfalls nur „Medizin“. Kinder-<br />
und Jugendpsychiatrie hat zu helfen,<br />
zu bilden, zu mahnen: Am Kind,<br />
in der Familie, für die Schule, auf<br />
dem Weg in die Erwerbstätigkeit,<br />
gegenüber der Gesellschaft. Soll<br />
dies alles berücksichtigt werden, gilt<br />
es noch viel zu schaffen. Es fehlt<br />
an Beratungsstellen, Ambulanzen,<br />
Tageskliniken, Stationen. In dieser<br />
Reihenfolge! Von der Psychiatrie sollten<br />
wir gelernt haben, dass der Weg<br />
der stationären Behandlung manchmal<br />
akut geboten, auch sinnvoll<br />
und hilfreich ist, auf Dauer jedoch<br />
keine Lösung bringt. Die Betreuung<br />
und Behandlung junger Menschen<br />
im Krankenhaus kann nicht soziale<br />
Reintegration ersetzen.<br />
Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
steht für Aufbruch, Nachhaltigkeit,<br />
Langfristigkeit. Die Richtigkeit dieses<br />
Konzeptes wird vielfach erst noch<br />
belebt, bewiesen werden müssen.<br />
Ein langer, aber lohnender Weg steht<br />
bevor. Haben wir den Mut, ihn zu<br />
beschreiten!<br />
Werner Leixnering<br />
▲<br />
Symptoms, die Häufigkeit und Dauer<br />
der Symptomatik, das Ausmaß und<br />
der Schweregrad der Störung sowie<br />
der Situationsunabhängigkeit müssen<br />
neben den spezifisch psychopathologischen<br />
Befunden berücksichtigt<br />
werden. Ein weiteres Kriterium,<br />
das Kriterium kommt noch hinzu, die<br />
Beeinträchtigung durch die Störung<br />
im Sinne eines Leidens, im Sinne der<br />
sozialen Einengung oder im Sinne der<br />
Interferenz mit der Entwicklung und<br />
den Auswirkungen auf andere, insbesondere<br />
in der primären Umgebung.<br />
Um die Frage – ab wann ist traurig<br />
sein, ab wann ist hyperaktiv sein,<br />
ab wann ist phantasievolles Denken<br />
abnorm oder gar krank – bedarf<br />
es neben der Beachtung der oben<br />
angeführten Kriterien auch einer<br />
Erfassung der normalerweise vorkommenden<br />
Verhaltensweisen und<br />
Gefühlsäußerungen, damit man das<br />
Verhalten des einzelnen Kindes und<br />
Jugendlichen vor dem Rahmen der<br />
kulturell umgebenden Kinder und<br />
Jugendlichen sehen kann. Daher sind<br />
epidemiologische Untersuchungen<br />
Biologische<br />
Entwicklungseinflüsse<br />
Genetik<br />
Psychosoziale<br />
Entwicklungseinflüsse<br />
Biographische<br />
Einflüsse<br />
Entwicklungsaufgaben<br />
Selbst<br />
Temperament<br />
Adaptivität<br />
Vulnerabilität<br />
Handlungsbereitschaft<br />
Lebensereignisse<br />
Aktueller<br />
Kontext<br />
an Kindern und Jugendlichen nötig<br />
um über einen kulturgleichen Normvergleich<br />
zu verfügen. Fragebögen<br />
wie die Child Behaviour Check List<br />
(CBCL), der Strengths and Difficulties<br />
Questionnaire (SDQ) oder die Pediatric<br />
Symptom Checklist (PSC) sind international<br />
gebräuchliche Fragebögen,<br />
die mit Normstandards arbeiten.<br />
Idealerweise werden diese Daten auf<br />
nationaler Ebene überprüft.<br />
zwei faktoren<br />
Psychische Erkrankungen sind für<br />
die einen Ausdruck einer erblichen<br />
Disposition oder für die anderen<br />
Ausdruck einer von schädigenden<br />
Umwelteinflüssen. Zumeist sind aber<br />
beide Faktoren in unterschiedlichem<br />
Ausmaß und Intensität an der Entstehung<br />
psychischer Erkrankungen<br />
beteiligt, welche sich noch dazu<br />
zumeist über längere Zeit hinweg<br />
aufbauen (Beispiel: Anorexia nervosa,<br />
Schizophrenie etc.). Viele Erkrankungen<br />
haben zusätzlich phasenhafte<br />
Verläufe (Schizophrenie) oder es ent-<br />
Risikoverhalten<br />
„Krise“<br />
(Stress)<br />
Krankheit<br />
Stabilisierung<br />
Störung<br />
Outcome<br />
Diagramm:. Bio-psycho-soziales Modell modifiziert N.F.Resch (1999[ 2])
wickeln sich aus einer Erkrankung typischerweise<br />
eine nächste Erkrankung<br />
(Anorexie-Bulimie) oder es ist typischerweise<br />
die eine Krankheit mit<br />
einer anderen so genannten komorbiden<br />
Erkrankung (Hyperaktivität<br />
– Lernstörungen) verknüpft. Eine<br />
gute kinder+jugendpsychiatrische<br />
Diagnostik berücksichtigt all diese<br />
Kriterien und erhebt diese auf verschiedenen<br />
Ebenen. Im deutschen<br />
Sprachraum wurde aus diesem Grund<br />
eine mehrdimensionale Klassifikation<br />
eingeführt und wird als „Multiaxiales<br />
Klassifikationsschema nach ICD 10“<br />
angewandt. Dabei geht es um die verschiedenen<br />
Ebenen der diagnostischen<br />
Betrachtungsweise, siehe Tabelle.<br />
Achse I psychiatrische Diagnose<br />
Achse II Entwicklungsstörungen<br />
Achse III Intelligenz<br />
Achse IV Körperliche Diagnose<br />
Achse V Psychosoziale Belastung<br />
Achse VI Psychosoziale Anpassung<br />
Tabelle: Mehrachsenmodell nach dem<br />
Mas/icD 10 [1]<br />
Diese Art der Betrachtung psychischer<br />
Erkrankungen reflektiert<br />
das zugrunde liegende modellhafte<br />
Denken bezüglich der Entstehung<br />
psychischer Störungen, zusammengefasst<br />
im biopsychosozialen Krankheitskonzept<br />
(siehe Diagramm S. 6).<br />
Aus diesem Mehrebenen-Verständnis<br />
leitet sich denn auch das therapeutischekinder+jugendpsychiatrische<br />
Konzept ab. Es müssen gleichzeitig<br />
verschiedene Ebenen wie das<br />
Individuum selbst, seine Innenwelt<br />
und Beziehungsgestaltung, die Familie<br />
und die fernere Umwelt (Schule,<br />
Kindergarten etc.) berücksichtigt<br />
werden sowie die Interaktionen<br />
dieser Gruppen und Personen. Eine<br />
gute kinder+jugendpsychiatrische<br />
Therapie umfasst daher immer die<br />
krankheitsspezifischen Behand-<br />
einführung<br />
lungsstrategien einerseits (Psychoedukation,<br />
Psychotherapie, Medika<strong>mente</strong><br />
etc.), die (Re-)Integration des<br />
Kindes oder Jugendlichen in seine<br />
Umwelt andrerseits. Weiters die Betreuung<br />
der umgebenden Systeme<br />
(Familientherapie, Helferkonferenzen)<br />
sowie die Kooperation mit anderen<br />
Systemen (Schule, Jugendwohlfahrt).<br />
Die Kinder-und Jugendpsychiatrie<br />
– seit 2007 ein eigenes medizinisches<br />
Sonderfach – ist jenes Fachgebiet, das<br />
sich mit psychischen, entwicklungsbedingten,<br />
sozialen oder neurologischen<br />
Auffälligkeiten und Krankheiten von<br />
Kindnern und Jugendlichen bis zum<br />
18. Lebensjahr befasst.<br />
versorgungssituation<br />
Bei einer Häufigkeit von bis zu 8 %<br />
psychisch manifest erkrankter Kinder<br />
und Jugendlichen und von bis zu 15 %<br />
von psychischer Krankheit bedrohter<br />
Kinder und Jugendlicher bedeutet das<br />
in Österreich (Volkszählung 2001<br />
1.838.139 Bewohner < 19 Jahre) 147.045<br />
kranker und 275.720 bedrohter Kinder<br />
+ Jugendlichen. Diesen knapp<br />
400.000 Kindern und Jugendlichen<br />
steht zurzeit leider keine flächendeckend<br />
ausgebaute und zahlenmäßig<br />
ausreichend ausgestattete kinder+jugendpsychiatrischeVersorgungssituation<br />
gegenüber. In Anlehnung<br />
an internationale Standards<br />
sollte laut Berger et al. 2006 jedes<br />
Bundesland über niedergelassene<br />
Kinder+JugendpsychiaterInnen, über<br />
Ambulanzen, Tageskliniken und stationäre<br />
Behandlung an mindestens<br />
einer eigenen Abteilung für KJP<br />
mit Differenzierung in Kinder-, Jugend-<br />
und Akutstation mit Unterbringungsbereich<br />
verfügen inklusive intramuraler<br />
und extramuraler Konsiliardienste.<br />
Im rehabilitativen Bereich sollten<br />
entsprechende Einrichtungen zur<br />
Arbeitsrehabilitation und Wohnversorgung<br />
sowie mobile Dienste zur<br />
Vorortversorgung vorhanden sein.
förderung: was junge<br />
menschen brauchen<br />
Mag. Dr. Martin Pachinger, Leiter von <strong>pro</strong> <strong>mente</strong> Jugend in<br />
Oberösterreich, will mit seinem neuen „Kompassmodell“<br />
Eltern eine gut verständliche Orientierung bieten. Damit<br />
die Bedürfnisse von jungen Menschen entwicklungsfördernd<br />
berücksichtigt werden können.<br />
W<br />
Wieder ein Fall von Komatrinken“,<br />
„Gewaltexzesse in der Schule“,<br />
„Jugendkriminalität im Steigen“: Diese<br />
Schlagzeilen sind mittlerweile zum<br />
Alltag geworden. Fast könnte der<br />
Eindruck entstehen, es gefalle, die<br />
„Jugend von heute“ als gewaltbereit,<br />
alkoholabhängig und kriminell darzustellen.<br />
Geht es nicht um etwas ganz anderes?<br />
Nicht, dass reale Probleme<br />
verharmlost oder bagatellisiert werden<br />
sollen, aber Skandalisierung und<br />
Stigmatisierung werden nicht zu Lösungen<br />
beitragen. Es stellt sich die<br />
Frage, was junge Menschen brauchen,<br />
um sich gesund entwickeln und<br />
ein selbstbestimmtes, zufriedenes<br />
Leben führen zu können. Die psychosoziale<br />
Gesundheit junger Menschen<br />
und der Entwicklungsaspekt spielen<br />
hier eine besondere Rolle.<br />
Wie kann nun eine gesunde Entwicklung<br />
passieren und welche Rahmenbedingungen<br />
braucht es hierfür?<br />
Ein Blick in die Literatur und in<br />
TV-Sendungen verdeutlicht, dass es<br />
ein sehr heterogenes Bild von der<br />
Entwicklung junger Menschen und<br />
der „richtigen“ Pädagogik gibt. Die<br />
Bandbreite reicht von einem grenzenlosen,<br />
den jungen Menschen alle<br />
Freiräume zugestehenden Ansatz<br />
bis hin zu menschenverachtenden<br />
Erziehungscamps. Offensichtlich fällt<br />
es uns Menschen, egal ob Kindern,<br />
Jugendlichen oder Eltern, immer<br />
schwerer, Orientierung zu finden.<br />
Ein neues Modell versucht hier ein<br />
„Kompass“ zu sein, der helfen soll,<br />
die Bedürfnisse von Menschen, im<br />
Besonderen von jungen Menschen,<br />
zu berücksichtigen.<br />
die grundbedürfnisse<br />
In der Literatur finden sich zahlreiche<br />
Hinweise, dass die psychosoziale<br />
Gesundheit wesentlich von der<br />
Erfüllung der Grundbedürfnisse wie<br />
Sicherheit, Einfluss und Beziehung<br />
abhängt. Die Bedürfnispyramide von<br />
Maslow (1971) wurde mittlerweile<br />
weiterentwickelt und Kernstock-<br />
Redl (2007) beschreibt ein neues<br />
Modell, welches drei wesentliche<br />
Grundbedürfnisse umfasst, nämlich<br />
„Sicherheit“, im Sinne von physischer<br />
und psychischer Sicherheit,<br />
„Wirksamkeit“, das heißt: „Ich kann<br />
mit meinem Verhalten etwas bewirken“<br />
und schließlich die „Beziehung“,<br />
etwa zu Eltern, Freunden und SchulkameradInnen.<br />
Der Autor hat dieses Modell um<br />
eine weitere Achse, nämlich um<br />
die der „Werte und den Sinn des<br />
Lebens“, ergänzt. Die Basis für die drei<br />
ursprünglichen Achsen wird grund-
legend von Werten geprägt, denn<br />
Werte geben eine grundlegende Richtung<br />
vor, wohin das „Schiff Leben“<br />
fährt. Alle vier Achsen werden als<br />
„Kompassmodell“ bezeichnet.<br />
kompassmodell<br />
Was kann das Kompassmodell?<br />
Die vier Achsen, Sicherheit, Wirksamkeit,<br />
Beziehung und Werte, stellen<br />
die grundlegenden Rahmenbedingungen<br />
dar, um eine gesunde<br />
psychosoziale Entwicklung gewährleisten<br />
zu können und sind als eng<br />
miteinander verwobene Bereiche<br />
zu sehen, welche sich wechselseitig<br />
beeinflussen. Dies ist entscheidend,<br />
denn die Grundannahme der Entwicklungspsychologie<br />
geht davon<br />
aus, dass jede Altersstufe mit bestimmten<br />
Entwicklungsaufgaben<br />
verbunden ist. Diese können positiv<br />
durchlaufen werden, wenn einerseits<br />
entsprechende Lernfelder angeboten<br />
werden und andererseits passende<br />
Rahmenbedingungen vorherrschen.<br />
die erste achse: sicherheit<br />
Konkret bedeutet dies, jungen<br />
Menschen nicht nur das Gefühl<br />
von Sicherheit, etwa vor tätlichen<br />
Angriffen und materieller Not, zu vermitteln,<br />
sondern auch reale Bedrohungen<br />
wie Mobbing und Aggressionen<br />
in der Schule ernst zu nehmen<br />
und Unterstützung zu bieten. Der<br />
wichtigste Ort der Sicherheit ist die<br />
Familie – an keinem anderen Ort sind<br />
Geborgenheit und das Gefühl der<br />
Sicherheit so wichtig. So sollten sich<br />
Eltern regelmäßig Fragen stellen wie:<br />
● Wie sicher fühlt sich unser Kind?<br />
● Gibt es Dinge, vor welchen sich<br />
unser Kind besonders fürchtet?<br />
● Wie können wir unser Kind<br />
stärken?<br />
● Ist unsere Familie ein Ort der<br />
Sicherheit und Geborgenheit?<br />
die zweite achse: beziehung<br />
Lebensbestimmende Überzeugungen<br />
wie „Ich bin liebenswert. Ich<br />
bin wichtig.“ tragen maßgeblich<br />
zu einer positiven Entwicklung bei.<br />
Nähe und Kontakt sind grundlegende<br />
Bedürfnisse des Menschen, welche<br />
(über)lebensnotwendig sind. Die<br />
Diskussion um Qualität und Quantität<br />
der Zeit, welche die Bezugspersonen<br />
mit den Kindern oder Jugendlichen<br />
verbringen, ist hier nur bedingt<br />
hilfreich. Vielmehr geht es um die<br />
offene, wertschätzende aber auch<br />
Grenzen setzende und reflektierte<br />
Auseinandersetzung mit den jungen<br />
Menschen. Antworten auf folgende<br />
Fragen könnten hier hilfreich sein:<br />
● Wie lässt sich die Beziehung zu<br />
meinem Kind beschreiben?<br />
● Weiß ich grundlegend Bescheid,<br />
wie es meinem Kind geht?<br />
● Mit wem verkehrt mein Kind am<br />
liebsten – mit wem gar nicht<br />
gerne?<br />
● Gibt es eine Vertrauensbasis<br />
zwischen mir und meinem Kind?<br />
● Bin ich eine stabile und<br />
berechenbare Bezugsperson?<br />
● Kann ich auch „zwischen den<br />
Zeilen lesen“, wie es meinem Kind<br />
geht?<br />
● Wie sieht das soziale Netzwerk<br />
meines Kindes aus?<br />
● Setze ich Grenzen und wenn ja, wie?<br />
die dritte achse:<br />
selbstwirksamkeit<br />
Die dritte Achse beschreibt das<br />
Konzept der Selbstwirksamkeit, also<br />
dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten<br />
etwas bewirken zu können und<br />
Einfluss auf das eigene Leben zu haben.<br />
Konkrete Formulierungen hierfür<br />
wären „Ich kann (mit)bestimmen, was<br />
passiert. Ich bin fähig. Ich kann etwas.“<br />
Selbstwirksamkeit steht in enger<br />
Beziehung zu Selbstvertrauen und<br />
Selbstwert, Problemlösestrategien<br />
und Selbstkonzept. Selbstwirksamkeit<br />
ist daher von immanenter Bedeutung,<br />
wie ein Mensch sein Leben grundlegend<br />
anlegt und in welcher Form<br />
er dem täglichen Leben begegnet.<br />
Um jungen Menschen zu einer ho-<br />
vertiefung<br />
interview<br />
▲
10<br />
▲<br />
hen Selbstwirksamkeit zu verhelfen,<br />
braucht es jedoch „begleitete Lernfelder“.<br />
Denn junge Menschen sollen<br />
die Möglichkeit bekommen, ihre<br />
Talente und Fähigkeiten zu leben.<br />
Dabei ist Unterstützung notwendig,<br />
vor allem auch dann, wenn<br />
etwas nicht so gut funktioniert hat.<br />
Auch, dass dies Teil des Lebens ist<br />
und ein neuerlicher Versuch sich<br />
lohnt. Dabei ist Lob sehr wichtig.<br />
Dieses „Lebenselixier“ spielt in der<br />
Entwicklung des jungen Menschen<br />
eine zentrale Rolle. Hilfreiche Fragen<br />
hierfür sind:<br />
● Wo und wie kann mein Kind<br />
neue Erfahrungen machen?<br />
● Wie wird mit positiven und<br />
negativen Erfahrungen<br />
umgegangen?<br />
● Ermutige ich mein Kind zu neuen<br />
Herausforderungen?<br />
● Traue ich meinem Kind auch<br />
etwas zu?<br />
● Bin ich sehr ängstlich, wenn mein<br />
Kind etwas Neues aus<strong>pro</strong>biert?<br />
● Wie oft lobe ich mein Kind?<br />
die vierte achse – werte<br />
und der sinn des lebens<br />
Auf den ersten Blick erscheinen<br />
Sicherheit, Wirksamkeit und<br />
Beziehung die grundlegenden Bedürfnisse<br />
des Menschen abzudecken. Bei<br />
näherer Betrachtung fehlt jedoch ein<br />
wesentliches Element: „Werte und<br />
der Sinn des Lebens“. Diese „vierte<br />
Dimension“ kann somit als der Bogen<br />
gesehen werden, welcher sich über die<br />
drei beschriebenen Bereiche spannt.<br />
So stellen sich zentrale Fragen wie:<br />
● Welche Werte wollen wir jungen<br />
Menschen vermitteln?<br />
● Welche Werte leben wir jungen<br />
Menschen vor?<br />
● Welchen Sinn geben wir unserem<br />
Leben?<br />
● Welchen Stellenwert nehmen<br />
junge Menschen in unserem<br />
Leben ein?<br />
● Wozu leben wir?<br />
● Stimmen unser Reden und unser<br />
Tun überein?<br />
Gerade diese „vierte Dimension“ stellt<br />
die größte Herausforderung im Leben<br />
dar. Und eines wird hierbei unweigerlich<br />
klar: Die Auseinandersetzung mit<br />
jungen Menschen bedeutet gleichzeitig<br />
die Auseinandersetzung mit<br />
uns selbst, wie wir leben, was wir<br />
leben, welche Hoffnungen, Ziele und<br />
Wünsche wir haben.<br />
Wenn uns junge Menschen etwas<br />
wert sind, dann sollten wir nicht<br />
skandalisieren und stigmatisieren,<br />
sondern diese Herausforderung annehmen<br />
und uns gemeinsam mit jungen<br />
Menschen um ein lebenswertes<br />
Miteinander bemühen. Oder, wie es<br />
Willy Brandt formulierte: „Wir brauchen<br />
die Herausforderung der jungen<br />
Generation, sonst würden uns die<br />
Füße einschlafen.“<br />
Mag. Dr. Martin Pachinger<br />
ist Psychologe und leitet das<br />
Geschäftsfeld „<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> Jugend“<br />
von <strong>pro</strong> <strong>mente</strong> Oberösterreich<br />
E-Mailadresse:<br />
pachingerm@<strong>pro</strong><strong>mente</strong>ooe.at<br />
Internet: jugend.<strong>pro</strong><strong>mente</strong>ooe.at
1<br />
Michael Winterhoff<br />
Warum unsere Kinder Tyrannen<br />
werden. Oder: Die Abschaffung der<br />
Kindheit. Gütersloher Verlagshaus,<br />
Gütersloh 2008, 10. Auflage,<br />
Seiten 191, ISBN: 3-579069-80-2.<br />
warum unsere kinder<br />
zu tyrannen werden<br />
Unsere Kinder sind immer mehr außer Rand und Band.<br />
Fehlender Respekt vor Mitmenschen und Gewaltbereitschaft<br />
nehmen zu. Der Kinder- und Jugendpsychiater und<br />
Bestsellerautor Dr. Michael Winterhoff skizziert Gründe,<br />
warum seiner Meinung nach Kinder zu Tyrannen werden.<br />
die kinderpsychiatrische<br />
perspektive<br />
Wenn gegenwärtig eine Erziehungsdebatte<br />
und generelle Probleme<br />
mit Kindern durch Medien gezerrt werden,<br />
ist fast immer von sozial belasteten<br />
Familienverhältnissen, Problembezirken<br />
in deutschen Großstädten<br />
und dem Versagen der Jugendhilfe<br />
die Rede.<br />
Doch abseits dieser unbestreitbaren<br />
wichtigen Diskussion öffnet sich<br />
seit Jahren ein anderes gelagertes<br />
Problemfeld, das vor allem Kinder<br />
und Eltern in Mittel- und Oberschichtfamilien<br />
betrifft und auf längere<br />
Sicht zu gesellschaftlichen Schwierigkeiten<br />
ungeahnten Ausmaßes führen<br />
wird. Sowohl Eltern als auch Lehrkräfte,<br />
Erzieherinnen und Erzieher<br />
sehen sich in zunehmendem Maße<br />
mit kaum noch steuerbaren, scheinbar<br />
außer Rand und Band geratenen<br />
Kindern konfrontiert, ohne dass bisherige<br />
Modelle nennenswerte Abhilfe<br />
schaffen können. Hier gilt es, einen<br />
Ansatz zu finden, der die psychische<br />
Entwicklung von Kindern nicht nur<br />
berücksichtigt, sondern in den Mittelpunkt<br />
rückt. Bei meiner überzwanzig-<br />
jährigen Arbeit als Kinderpsychiater<br />
hab ich unzählige Fälle gesehen, in<br />
denen Eltern mit ihren Kindern Proble-<br />
me unterschiedlichster Natur hatten.<br />
Was sich dabei herauskristallisiert und<br />
eine zunehmende gesamtgesellschaftliche<br />
Bedrohung darstellt, ist die nicht<br />
altersgemäße psychische Unreife einer<br />
großen Anzahl von Kindern.<br />
psyche wird nicht<br />
ausreichend trainiert<br />
Die tägliche Arbeit in der Praxis<br />
zeigt, dass die psychische Entwicklung<br />
vernachlässigt wird. Zum Nachweis<br />
eignen sich neben der Beobachtung<br />
des Kindes unter der Berücksichtigung<br />
entwicklungspsychologischer Erkenntnisse<br />
eine körperliche und neurologische<br />
Untersuchung, psychometrische<br />
Testverfahren im Bereich<br />
Motorik, Sprache, Intelligenz und<br />
sozialer Fähigkeiten sowie <strong>pro</strong>jektive<br />
Verfahren, die Rückschlüsse auf die<br />
psychische Verarbeitung und den psychosexuellen<br />
Entwicklungsstand des<br />
Kindes zulassen. Die Untersuchungen<br />
ergeben ein ganz klares Bild. Immer<br />
mehr Kinder liegen in ihren motorischen,<br />
sprachlichen und sozialen<br />
Fähigkeiten deutlich hinter dem<br />
Lebensalter zurück. Die Folge ist eine<br />
enorme Zunahme an logopädischen,<br />
ergotherapeutischen oder psychotherapeutischen<br />
Behandlungen in<br />
frühen Alterstufen, die jedoch immer<br />
nur systembezogen erfolgen und die
Ursachen für die Störungen der Kinder<br />
außer Acht lassen. Für die Suche nach<br />
diesen Wurzeln muss die psychische<br />
Entwicklung Heranwachsender betrachtet<br />
werden: Psychische Funktionen<br />
steuert das Gehirn über die<br />
Nervenzellen. Diese lassen sich nur<br />
aktivieren, wenn sie mit zahlreichen<br />
gleichen Durchläufen immer wieder<br />
trainiert werden. Diese banale<br />
Erkenntnis wird heute kaum berücksichtigt.<br />
Ein Beispiel aus der schulischen<br />
Praxis: Beim Erwerb der Lesefähigkeit<br />
kann ein Kind erst nach vielen<br />
Durchläufen einen Buchstaben wieder<br />
erkennen und benennen. Wörter lesen<br />
und flüssiges Lesen geht erst nach<br />
häufigem Einüben. Die Nervenzellen<br />
im Gehirn bringen also erst nach<br />
langem Training die gewünschte<br />
und von uns als normal empfundene<br />
Leseleistung. Die Nervenzellen im<br />
Bereich der Psyche des Kindes arbeiten<br />
ähnlich, brauchen aber noch mehr<br />
Training durch die Erwachsenen. Eine<br />
ausreichende Frustrationstoleranz<br />
etwa kann von den Jugendlichen in<br />
Schule und Ausbildung später nur<br />
gefordert werden, wenn schon in jungen<br />
Jahren Wert darauf gelegt wurde,<br />
dem Kind altersangemessen abzuverlangen,<br />
dass es Frustration aushält<br />
und abwarten lernt.<br />
Ein solches Training wird Kindern<br />
jedoch heute immer weniger durch<br />
Eltern und andere Erwachsene abverlangt.<br />
In der Folge entwickeln sich<br />
viele psychische Funktionen bei<br />
Kindern gar nicht erst. Ein normales,<br />
vorstrukturiertes Aufwachsen und<br />
„Erwachsenwerden“ wird verhindert.<br />
Die Störungen, die daraus entstehen<br />
und uns in zunehmendem Maße<br />
im Alltag vor Probleme stellen, sind<br />
also vornehmlich Störungen in der<br />
Beziehung zu Erwachsenen, in vorderster<br />
Linie zu den Eltern. Im Rahmen<br />
meiner täglichen Arbeit konnte ich<br />
seit Anfang der neunziger Jahre drei<br />
Beziehungsstörungen auf dem Boden<br />
gesellschaftlicher Veränderungen<br />
herausarbeiten, die letztlich fatale<br />
Auswirkungen auf die Situation in<br />
Kindergärten und Schulen haben.<br />
erste beziehungsstörung:<br />
partnerschaftlichkeit<br />
Partnerschaftlicher Umgang mit<br />
Kindern wird heute kaum noch als<br />
Beziehungsstörung wahrgenommen,<br />
da es sich um die dominante<br />
Art des Umgangs mit Kindern in<br />
der Gesellschaft handelt. Gleichwohl<br />
haben wir es dabei mit der Grundlage<br />
weitergehender Störungen im Verhältnis<br />
zwischen Erwachsenen und<br />
Kindern zu tun. Partnerschaftlicher<br />
Umgang meint die Wahrnehmung<br />
des Kindes als gleichgestellten Kommunikationspartner<br />
ohne Berücksichtigung<br />
ihres Schutzbedürfnisses. Der<br />
Erwachsene setzt beim Kind eine<br />
Einsichtsfähigkeit voraus, die nicht<br />
vorhanden ist. Auch die Probleme<br />
der Erwachsenenwelt soll es verstehen<br />
und diskutieren können. Die<br />
Überforderung der Kinder wird dabei<br />
übersehen. Doch sind Kinder, die einen<br />
zu großen Anteil an Partnerschaft in<br />
der Beziehung zu den Eltern haben,<br />
nicht nur überfordert, sie bekommen<br />
auch das Gefühl vermittelt, keiner<br />
Steuerung und Führung durch<br />
Erwachsene mehr zu bedürfen und<br />
schon im Kleinkindalter selbstständig<br />
Entscheidungen treffen zu können,<br />
deren Tragweite sie nicht überschauen.<br />
In der Schule lassen sich diese<br />
Kinder vom Lehrer nicht mehr führen,<br />
sondern konterkarieren das gewollte<br />
Bild vom mündigen Schüler durch<br />
Verweigerung von Respekt gegenüber<br />
den Lehrkräften.<br />
zweite beziehungsstörung:<br />
<strong>pro</strong>jektion<br />
Der partnerschaftliche Umgang<br />
mit Kindern ist heutzutage die Regel<br />
und wäre für sich genommen noch<br />
vergleichsweise unbedenklich, solange<br />
trotzdem eine erkennbare Hierarchie<br />
zwischen Erwachsenen und Kindern<br />
bestünde, die dem Kind Struktur und<br />
analyse<br />
▲<br />
1
1<br />
▲<br />
Orientierung vorgibt. Doch die Entwicklung<br />
unseres gesellschaftlichen<br />
Umfeldes weist den Weg in eine<br />
andere Richtung: Selbst Erwachsene<br />
finden heute nur noch wenig Halt<br />
und Orientierung. Hierzu gibt es viele<br />
Gründe, wie zum Beispiel vorhandener<br />
großer Wohlstand oder<br />
Werteverluste.<br />
Entscheidend ist aber auch ein<br />
technologischer Wandel, der den<br />
„Durchschnittsmenschen“ überfordert.<br />
Dieser Wandel gibt einerseits<br />
kaum noch die Möglichkeit, sich im<br />
Informationsdschungel zurechtzufinden<br />
und wertvolle von überflüssiger<br />
Information zu trennen.<br />
Andererseits bleibt für zwischenmenschliche<br />
Kommunikation unter<br />
Erwachsenen immer weniger Zeit,<br />
so dass der einzelne Erwachsene aus<br />
dem Bereich „Partner, Kolleginnen<br />
und Kollegen, Freunde und Bekannte“<br />
nur noch wenig Anerkennung und<br />
Bestätigung seines selbst erfährt.<br />
Im Rahmen der Projektion wirkt sich<br />
diese latente Überforderung auch<br />
auf die Beziehung zwischen Eltern<br />
und Kindern aus. Viele Eltern gehen<br />
unbewusst dazu über, sich die fehlende<br />
Anerkennung und Liebe von<br />
ihren Kindern zu holen. Statt Kinder<br />
liebevoll zu führen, gestehen sie<br />
ihnen immer häufiger zu, selbst die<br />
Führungsposition zu übernehmen.<br />
Auf Seiten der Kinder steigert das<br />
Ausbrüche von Respektlosigkeit und<br />
fehlender Anerkennung erwachsener<br />
Autoritätspersonen. Die Folgen<br />
zeigen sich vielfältig in Kindergärten,<br />
Schulen und Ausbildungsbetrieben,<br />
die heute immer häufiger über<br />
nicht ausbildungsfähige Jugendliche<br />
klagen. Diese Jugendlichen sind die<br />
erste Generation von komplett in<br />
Partnerschafts- und Projektionsverhältnissen<br />
groß gewordenen Kindern.<br />
dritte beziehungsstörung:<br />
symbiose<br />
Die Symbiose ist eine relative<br />
junge Beziehungsstörung, die aus<br />
den Konsequenzen des Umgangs<br />
mit Kindern in Partnerschaft und<br />
Projektionen erwachsen ist. Im Rah-<br />
men der Symbiose verschmilzt der<br />
Erwachsene seine Psyche mit der<br />
des Kindes. Er behandelt praktisch<br />
das Kind, als sei es Teil eines eigenen<br />
Körpers. Das heißt im übertragenen<br />
Sinn: Positive Zuwendung an<br />
das Kind ist gleichsam auch positive<br />
Zuwendung an den Erwachsenen.<br />
Entsprechend ist Kritik am<br />
Kind auch Kritik am symbiotischen<br />
Erwachsenen. Die sich daraus ergebende<br />
Diffusion lässt sich leicht vorhersehen<br />
– Polarisierung und Schuldzuweisung:<br />
schlechte Lehrkraft, unfähige<br />
Erziehende und Therapierende,<br />
inkompetente/r Ärztin oder<br />
Arzt. Sie dient der Stabilisierung<br />
dieses pathologischen Beziehungsgeflechtes.<br />
Kinder, die in einer solchen Beziehungsstörung<br />
aufwachsen, erkennen<br />
in letzter Konsequenz eine menschliches<br />
Gegenüber nicht mehr als solches<br />
an. Auf Seiten des Erwachsenen<br />
kann die falsche Wahrnehmung des<br />
Kindes als Symbiose beispielsweise<br />
zu Ohnmachtgefühlen führen, da<br />
psychisch nicht das Kind, sondern ein
analyse<br />
nicht funktionierender Teil des eigenen<br />
Körpers „zur Räson gebracht“<br />
werden muss. Das Kind verbleibt<br />
somit in einem frühkindlichen Narzissmus,<br />
der es glauben lässt, es<br />
könne alles steuern und bestimmen.<br />
Eine autarke Psyche des Kindes entwickelt<br />
sich erst gar nicht.<br />
Diese Darstellung kann nur einen<br />
kleinen Abriss der Problematik widerspiegeln,<br />
die sich aus der zunehmenden<br />
psychischen Unreife der<br />
heutigen jungen Generation ergibt.<br />
Die Fehler von Eltern auf Basis der<br />
beschriebenen Beziehungsstörungen<br />
im Umgang mit ihren Kindern<br />
stellen eine Bedrohung für funktionierende<br />
positive gesellschaftliche<br />
Prozesse in der Gegenwart und in<br />
der Zukunft dar. Psychisch unreife<br />
Kinder und Jugendliche sind in letzter<br />
Konsequenz weder beziehungs-<br />
noch arbeitsfähig und stellen damit<br />
die Grundlagen unseres sozialen Zu-<br />
sammenlebens in Frage. Es ist drin-<br />
gend nötig, Kinder wieder als Kinder<br />
zu sehen, ihnen Orientierung<br />
und Struktur zu geben und sie damit<br />
zukunftsfähig zu machen. Gerade<br />
auf Grund der <strong>pro</strong>blematischen<br />
Lage in den Elternhäusern sind<br />
Lehrerinnen und Lehrer in der Schule<br />
umso mehr gefordert, hier einen<br />
Beitrag zu liefern.<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Michael Winterhoff; Warum unsere<br />
Kinder Tyrannen werden. Oder: Die<br />
Abschaffung der Kindheit. Gütersloh:<br />
Güterloher Verlagshaus, 2008.<br />
Dr. Michael Winterhoff ist Arzt<br />
für Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
sowie Psychotherapie. Er befasst<br />
sich seit Jahren intensiv mit der<br />
Diagnostik und Behandlung sämtlicher<br />
kindlicher und juveniler<br />
Entwicklungsstörungen.<br />
interview<br />
mit dr. michael winterhoff<br />
arzt für kinder- und jugendpsychiatrie<br />
die abschaffung der kindheit<br />
Herr Dr. Winterhoff, warum<br />
bezeichnen sie Kinder als heranwachsende<br />
Tyrannen?<br />
Kinder sind im Verhalten in<br />
ihren Lebensabschnitten durchaus<br />
als tyrannisch zu sehen. Im<br />
Verhalten, eben da sie noch kleine<br />
Kinder sind, da sie noch andere<br />
Weltbilder und psychisch nicht<br />
den Reifegrad haben. Ich sehe<br />
aber auch Jugendliche, die einen<br />
Reifegrad eines Kleinkindes haben<br />
und wenn sie erwachsen werden<br />
– werden sie genau so bleiben.<br />
Sie werden nicht in der Lage sein,<br />
arbeiten zu gehen, sie werden nur<br />
lustorientiert in den Tag leben und<br />
werden dann ihre Eltern, die sie<br />
versorgen müssen, tyrannisieren.<br />
Wie sind sie dazu gekommen<br />
ein Buch darüber zu schreiben?<br />
Ich bin seit 27 Jahren im Fachberuf<br />
und habe durch eine genaue<br />
Beobachtung festgestellt,<br />
dass Kinder sich gravierend im<br />
Verhalten verändert haben und<br />
die Eltern auch. Ich habe dann<br />
die Beziehungsstörungen und die<br />
Entwicklungsstörungen bei den<br />
Kindern herausgearbeitet.<br />
Wie schaut die Gewaltbereitschaft<br />
bei den Jugendlichen heute aus?<br />
Diese nimmt enorm zu. Die<br />
Kinder bleiben in einem Reifegrad<br />
zwischen zehn und sechzehn Monate<br />
stehen, das ist die frühnarzisstische<br />
Phase, beschrieben von<br />
Anna Freud, die bislang eine<br />
Durchgangsphase war. In dieser<br />
frühnarzisstischen Phase entdeckt<br />
das Kind die Welt. Sie lernen<br />
zu unterscheiden zwischen<br />
Gegenständen und Menschen.<br />
Dadurch, dass sich Eltern heute<br />
im Rahmen der Symbiose verhalten<br />
wie ein Gegenstand, also<br />
sich von den Kindern permanent<br />
steuern lassen, ist es nicht nur<br />
unmöglich, dass die Kinder diesen<br />
Reifeschritt gehen, zu erkennen,<br />
dass ein Mensch ein Mensch ist.<br />
Und das bedeutet dann, dass sie<br />
im Jugendalter Menschen eher<br />
wahrnehmen wie Automaten,<br />
wie Tische, wie Stühle. Also Gegenstände,<br />
die man schieben und<br />
steuern kann. Und daher gibt es<br />
auch keine emotionale Blockade<br />
bei Gewaltanwendungen.<br />
ist nicht auch die schule mit<br />
ihren psychologisch ungeschulten<br />
Lehrern an der Gewalt mitschuld?<br />
Es geht nie um Schuld. Es geht<br />
darum, dass wir Erwachsene insgesamt<br />
mit der Gesellschaft<br />
nicht mehr klar kommen. Und<br />
dass Erwachsene gefragt sind zu<br />
überprüfen ob sie sich in einer<br />
Beziehungsstörung befinden. Das<br />
heißt, die Beziehungsstörungen<br />
der Partnerschaftlichkeit, Kinder<br />
als Partner zu sehen, ist in<br />
Deutschland seit Anfang der 90er<br />
Jahre ein Massenphänomen und<br />
hat mittlerweile Einzug genommen<br />
in den Kindergarten und in<br />
die Grundschule.<br />
Die Konzepte, die partnerschaftlich<br />
geprägt sind, sind Konzepte<br />
die widersprechen neurologischen<br />
Erkenntnissen, Entwicklungspsychologischen<br />
Erkenntnissen. Die<br />
Kinder haben jetzt nicht einmal die<br />
Chance in einem Kindergarten oder<br />
in einer Grundschule sich ersatzweise<br />
entwickeln zu können. Sie haben<br />
hier offene Gruppen, sie haben<br />
Freiheit und die Vorstellungen sie<br />
seien Persönlichkeiten, was Kinder<br />
in diesem Alter ja gar nicht sind.<br />
interview: Mag. Thomas Hatheyer<br />
1
1<br />
jugendarbeitstraining, um<br />
im berufsleben fuss zu fassen<br />
Das Jugendarbeitstraining von <strong>pro</strong> <strong>mente</strong> steiermark erleichtert jungen Menschen<br />
mit psychischen Problemen oder Psychiatrieerfahrung im Alter von 16 bis 25 Jahren<br />
den Einstieg in das Berufsleben; um in der Arbeitswelt Fuß fassen zu können.<br />
Das Angebot im <strong>pro</strong> <strong>mente</strong> Ju-<br />
Dgendarbeitstraining<br />
richtet<br />
sich in der Steiermark an Jugendliche<br />
zwischen 16 und 25 Jahren, die<br />
psychische Probleme oder Psychiatrieerfahrung<br />
haben und nicht mehr<br />
in die Regelschule zu integrieren<br />
sind und eine Phase des Trainings<br />
benötigen. Auch Jugendliche die<br />
eine intensive sozialpädagogische<br />
Betreuung im Rahmen einer Jugendwohlfahrtsmaßnahmedurchlaufen<br />
haben, haben die Möglichkeit<br />
zum Besuch des Jugendarbeitstrainings.<br />
In einer ersten Phase des<br />
Jugendarbeitstrainings findet eine<br />
Arbeitsabklärung statt. In dieser hat<br />
der Jugendliche die Möglichkeit in<br />
Zusammenarbeit mit dem jeweils<br />
zuständigen TrainerInnen, seine Fähigkeiten<br />
und Neigungen zu erkennen<br />
und eine persönliche Standortbestimmung<br />
durchzuführen.<br />
individuelles training<br />
Die Dauer des Trainings wird individuell<br />
an die Bedürfnisse der Jugendlichen<br />
und an die bereits erarbeiteten<br />
Zielformulierungen an-<br />
gepasst und weiter festgelegt.<br />
Maximal zwölf Monate kann die<br />
Maßnahme in Anspruch genommen<br />
werden und teilt sich ein in:<br />
Probemonat, Training, Praktika am<br />
freien Arbeitsmarkt, Abschlussphase<br />
und Nachbetreuung<br />
In dieser Zeit der Maßnahme erfolgt<br />
ein Training der Grundarbeitsfähigkeit,<br />
eine gezielte berufliche<br />
Förderung, die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit,<br />
die Steigerung der<br />
Selbstständigkeit, die Förderung der<br />
Arbeitsausdauer und die Gewöhnung<br />
oder Wiedergewöhnung an eine Tagesstruktur.<br />
Das heißt, Schritt für<br />
Schritt sollen die TeilnehmerInnen<br />
des Programms in der Maßnahme<br />
Training wieder Vertrauen zu sich<br />
selbst finden und lernen, mit geregelter<br />
Arbeit umzugehen sowie<br />
Verantwortung für ihre gesundheitliche<br />
Stabilität zu übernehmen.<br />
Jugendliche haben noch einen großen<br />
Anteil an Ressourcen im Bereich<br />
des Erlernens und der Qualifizierung.<br />
Sofern die Fähigkeiten und allgemeinen<br />
Grundvoraussetzungen<br />
für eine Ausbildung realistisch sind,<br />
werden in enger Zusammenarbeit<br />
mit Bildungseinrichtungen und Wirtschaft<br />
Ausbildungen bzw. Qualifizierungen<br />
angestrebt.<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> steiermark<br />
„Jugendarbeitstraining“<br />
Schrödingerstraße 4 a, 8020 Graz<br />
Telefon +43(0)316/71 41 23-11<br />
zentrale@<strong>pro</strong><strong>mente</strong>steiermark.at
fallbeispiel<br />
manfred krauser (fachtrainer), mag. martin faschingbauer (sozialtrainer)<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> steiermark, jugendarbeitstraining<br />
einstieg für herrn p. durch arbeitstraining<br />
H<br />
Herr P. durchlief vor seinem Einstieg<br />
in das Jugendarbeitstrainingszentrum<br />
„IT-Jugend Graz“<br />
vor rund 9 Monaten eine Reihe<br />
von für verhaltensauffällige Kinder<br />
typische Stationen. Er verbrachte<br />
zwei seiner vier Jahre Volksschulzeit<br />
in einer Sonderschuleinrichtung<br />
(Verhaltens-SPF), gefolgt von vier<br />
Jahren neuer Mittelschule, in welchen<br />
ihm einerseits Defizite im<br />
logischen Denken sowie depressive<br />
Tendenzen diagnostiziert wurden.<br />
Nach Abschluss der neunten<br />
Schulstufe wurde Herr P. durch<br />
unterschiedlichste Einrichtungen<br />
psychologisch betreut als auch<br />
im Hinblick auf seine berufliche<br />
Zukunft gecoacht. Nachdem Herr<br />
P. bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr<br />
keine Lehre beginnen<br />
konnte, begann er mit Unterstützung<br />
des AMS und der Stadt<br />
Graz die 12-monatige Jugendarbeitstrainingsmaßnahme<br />
IT-Jugend<br />
von <strong>pro</strong> <strong>mente</strong> in Graz, in welchem<br />
die Erstellung von Werbemitteln<br />
für interne und externe Zwecke zu<br />
seinen Aufgaben gehört.<br />
Zu Beginn des Trainings konnten<br />
bei Herrn P. oben anges<strong>pro</strong>chene<br />
depressive Symptome, die<br />
belastungsbedingt mit vermindertem<br />
Selbstwertgefühl und<br />
Selbstbewusstsein einhergehen,<br />
sowie soziale Anpassungs<strong>pro</strong>bleme<br />
beobachtet werden. Defizite im<br />
logischen Denken konnten nicht<br />
beobachtet werden. An die ihn<br />
vergebene Aufgaben begegnete<br />
Herr P. aufgrund von Angst vor<br />
Überforderungen und Versagen<br />
mit Widerstand. Durch intensive<br />
Betreuungsarbeit durch die<br />
TrainerInnen und gute Integration<br />
in die Gruppe der TeilnehmerInnen<br />
konnte Herr P. sich Fertig-<br />
keiten im Bereich Graphik und<br />
Design zulegen, sodass er in der<br />
Aufgabenbearbeitung immer mehr<br />
Sicherheit gewann und qualitativ<br />
gut und motiviert arbeitete.<br />
berufliche orientierung<br />
Nach einer längeren Phase der<br />
beruflichen Orientierung konnten<br />
zusammen mit dem Teilnehmer<br />
einige für ihn interessante Arbeitsbereiche<br />
identifiziert werden (Grafik,<br />
Elektronik, Netzwerk- und EDV<br />
Technik), in welchen in weiterer<br />
Folge Praktika mit Aussicht auf<br />
Lehranstellung gesucht wurden.<br />
Während dieses Prozesses zeigt<br />
Herr P. aufgrund seines Selbstwerts<br />
und der Angst zu versagen teils<br />
große Scheu Bewerbungstermine<br />
wahrzunehmen bzw. vereinbarte<br />
Praktika zu absolvieren. Durch<br />
intensive Gespräche und Trainings<br />
seiner Fertigkeiten war zu beobachten,<br />
dass Herr P. große Defizite<br />
in Grundkenntnissen im Lesen,<br />
Schreiben und Rechnen aufweist,<br />
die ihm selbst sehr wohl bewusst<br />
waren. Dadurch wird die wirkliche<br />
Problematik dieser Situation<br />
sichtbar, nämlich dass sich Herr P.<br />
einerseits gut und schnell neues<br />
Wissen aneignen kann, ihm jedoch<br />
anderseits Grundfertigkeiten fehlen,<br />
wodurch er, unabhängig von<br />
seinen psychischen Belastungen,<br />
Schwierigkeiten hat eine Lehrstelle<br />
zu finden bzw. zu behalten.<br />
Deshalb wird zurzeit versucht<br />
Herrn P. über eine mitbetreuende<br />
Einrichtung die Möglichkeit einer<br />
zusätzlichen Förderung zu geben,<br />
sodass er in Zukunft begleitend zum<br />
Arbeitstraining oder einer möglichen<br />
Qualifizierung (Ausbildung)<br />
am Abbau seiner Defizite arbeiten<br />
kann. Zurzeit absolviert Herr P. ein<br />
einmonatiges Praktikum im Bereich<br />
EDV-Technik mit der Möglichkeit<br />
einer Übernahme in die Lehre.<br />
1
1<br />
die unsichtbare not:<br />
psychisch erkrankten<br />
Oft übersehen und vergessen sind Kinder psychisch<br />
erkrankter Eltern. Ihre Probleme und Sorgen benötigen<br />
besondere Aufmerksamkeit. Ein Einblick in die österreichischen<br />
Aktivitäten von Mag. Maria Fischer, HPE<br />
– (Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter).<br />
s ist wie ein Albtraum, der sich<br />
„Eimmer und immer wiederholt…“<br />
„Keiner hat sich um mich gekümmert<br />
oder sich um Hilfe für mich bemüht…“<br />
„Wenn die Dämonen meiner Mutter<br />
nach mir greifen…“<br />
„Der Weg in die Hölle und wieder zurück…“<br />
„Alle Sensoren waren ständig alarmiert,<br />
es hörte nie auf…“<br />
„Mit meinen Ängsten war ich oft allein…“<br />
„Mein Tagebuch – mein einziger<br />
Zeuge…“<br />
„Erst nachdem sie in die Klinik gebracht<br />
wurde, konnte ich wieder<br />
schlafen“<br />
„Ich hasste ‚sie‘ und vermisste meine<br />
Mutter…“<br />
„Und immer wieder dieser irre Blick<br />
in seinen Augen… nicht schon wieder!“<br />
„Das wahre Drama spielte sich hinter<br />
unseren Mauern ab – nach außen:<br />
wir sind eine normale Familie.“<br />
„Die tägliche Angst vor dem Heimkommen<br />
von der Schule…“<br />
„Ich konnte keine Ausreden mehr<br />
finden, warum mich Freundinnen<br />
daheim nicht besuchen durften“<br />
Dies sind einige Aussagen von Kindern,<br />
die psychische Erkrankung in der<br />
Familie miterleben und damit stark<br />
belastet und oft überfordert sind,<br />
wenn sie damit allein gelassen werden.<br />
Lange Zeit wurden die Kinder in<br />
Familien mit psychischer Erkrankung<br />
ganz einfach übersehen. Die irrige<br />
Annahme, Kinder bekämen ohnehin<br />
nichts mit oder seien zu klein zum<br />
Verstehen, war und ist ein zu leichtfertiges<br />
Vermeiden einer schwierigen<br />
Herausforderung. Wie können wir<br />
Kindern ein Krankheitsgeschehen<br />
erklären, das wir Erwachsene nur<br />
schwer verstehen können, das auch<br />
uns verwirrt, oft verängstigt und hilflos<br />
macht und dessen Erleben uns in<br />
die Sprachlosigkeit verführt? Kinder<br />
trifft das verwirrende Erleben aber<br />
in einem Alter, in dem sie ihre eigene<br />
Persönlichkeit und Identität erst<br />
entwickeln und finden müssen, sie<br />
sind daher viel verletzbarer. Aber sie<br />
haben auch viele Ressourcen, die es<br />
zu nützen gilt!<br />
kindliches erleben<br />
psychischer erkrankung<br />
Kinder psychisch erkrankter Eltern<br />
leben oft in Desorientierung, Verwirrung<br />
und Angst, weil sie das<br />
befremdende Verhalten, Denken und<br />
Fühlen des erkrankten Elternteiles
kinder von<br />
eltern<br />
nicht einordnen können. Ohne altersentsprechende<br />
Aufklärung über<br />
die Erkrankung suchen Kinder die<br />
Schuld für das Unverständliche der<br />
Erkrankten bei sich selbst, sie überfordern<br />
sich mit Anstrengungen zum<br />
Perfektsein, berechtigte Wut über<br />
Vernachlässigung, Misshandlung und<br />
wiederholte Grenzüberschreitungen<br />
muss unterdrückt bleiben. Zu wenig<br />
Aufmerksamkeit und mangelnde<br />
emotionale Resonanz führen zu erheblichen<br />
emotionalen Defiziten<br />
und mangelnder Geborgenheit bei<br />
den Kindern, verstärkt durch krankheitsbedingt<br />
gehäufte Trennungs-<br />
und Verlusterfahrungen (elterliche<br />
Trennung, Krankenhausaufenthalte,<br />
Fremdunterbringung).<br />
überlebensstrategie<br />
Wiederholt erlebte Realitätsverluste<br />
des erkrankten Elternteils nähren<br />
Zweifel an der eigenen Wahrnehmung,<br />
die Entwicklung einer eigenen sicheren<br />
Identität ist erschwert. Genaues<br />
Beobachten und Erspüren ihrer<br />
Umgebung und das Bedürfnis, die<br />
Erwartungen anderer zu erfüllen und<br />
eine Fassade der Normalität aufrecht<br />
zu erhalten, wird zu einer wichtigen<br />
Überlebensstrategie dieser Kinder.<br />
Die Erkrankung eines Elternteiles<br />
drängt die Kinder in eine Pseudo-<br />
Erwachsenenrolle, sie übernehmen<br />
zunehmend elterliche Verantwortung<br />
mit entsprechenden Aufgaben (Parentifizierung).<br />
Aus Furcht, den erkrankten<br />
Elternteil zu verraten bzw. selbst<br />
stigmatisiert zu werden, neigen Kinder<br />
dazu, ihre Probleme niemandem<br />
anzuvertrauen, geraten damit aber<br />
in soziale Isolation. Beeinträchtigte<br />
Schulleistungen, verbunden mit Störungen<br />
des Sozialverhaltens, bringen<br />
Kinder auch im schulischen Umfeld<br />
oft in Außenseiterpositionen. Ein häufig<br />
chaotischer Umgang des erkrankten<br />
Elternteiles mit Zeit und Geld,<br />
sozialer Abstieg, Desorganisation des<br />
Haushaltes, Konflikte mit dem sozialen<br />
Umfeld und Kommunikationsverbote<br />
führen zu einer Beeinträchtigung des<br />
psychosozialen Funktionsniveaus des<br />
Kindes. Durch die unsichere Bindung<br />
an den erkrankten Elternteil geraten<br />
Kinder in ein schuldhaft verstricktes<br />
Abhängigkeitsverhältnis und massive<br />
Loyalitätskonflikte, die eine Abgrenzung<br />
von dem Elternteil und damit<br />
das eigene Erwachsenwerden erheblich<br />
erschweren.<br />
Die negativen Auswirkungen elterlicher<br />
psychischer Erkrankung sind<br />
umso schwerwiegender, je jünger<br />
die Kinder sind und je intensiver<br />
sie in die Symptomatik des kranken<br />
Elternteiles einbezogen werden, je<br />
schlechter die Krankheitsbewältigung<br />
des Erkrankten selbst ist, je weniger<br />
kognitive Fähigkeiten das Kind hat<br />
und je mehr die kompensatorische<br />
Funktion eines stabilen gesunden<br />
Elternteiles fehlt.<br />
was hilft diesen kindern?<br />
Zahlreiche Aussagen erwachsener<br />
Kinder psychisch erkrankter Elternteile<br />
und die in den letzten Jahren<br />
zunehmend bedeutungsvoller gewordene<br />
Salutogenese- und Resilienzforschung<br />
zeigen, was erwachsenen<br />
Kindern psychisch kranker Eltern helfen<br />
kann, sich trotz schwieriger und<br />
belastender Lebensumstände gesund<br />
zu entwickeln.<br />
An erster Stelle steht altersentsprechende<br />
Information und ein innerfamiliäres<br />
Klima der Gesprächsbereitschaft.<br />
Mindestens eine vertraute,<br />
stabile, Halt und Geborgenheit<br />
gebende Bezugsperson, die gefühlsmäßig<br />
auf das Kind reagieren kann,<br />
stärkt das Sicherheitsgefühl der<br />
Kinder. Schutz vor traumatisierenden<br />
Erlebnissen (z.B. Suizidversuche,<br />
Zwangseinweisungen) können alle<br />
Erwachsenen im kindlichen Umfeld<br />
einblick<br />
▲<br />
1
0<br />
▲<br />
gewährleisten. Für Krisenzeiten ist ein<br />
in ruhigen Zeiten gemeinsam mit der<br />
ganzen Familie erstellter Krisenplan<br />
ebenso beruhigend und hilfreich, wie<br />
die Sicherstellung alltagspraktischer<br />
Unterstützung/Entlastung und Abnahme<br />
von übermäßiger Verantwortung<br />
für den kranken Erwachsenen<br />
in Krisenzeiten. Gute Außenkontakte<br />
zu Gleichaltrigen oder anderen wertvollen<br />
Menschen sollten gefördert<br />
und die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen<br />
der Kinder gestärkt werden.<br />
Gegenseitiger Austausch in Gruppen<br />
ähnlich betroffener Kinder und spielerische<br />
Verarbeitung belastender<br />
Erlebnisse ermöglichen den Kindern<br />
schon frühzeitig Belastendes in die<br />
eigene Lebensgeschichte gut zu integrieren.<br />
Primäre Prävention sollte<br />
Ressourcen der Kinder stärken, soziale<br />
Netze aufbauen und festigen und<br />
einem zu frühen psychiatrisch-diagnostischen<br />
Blick auf diese Kinder<br />
zuvorkommen. Sie könnte viel unnötiges<br />
Leid verhindern und die Prolongation<br />
psychischer Erkrankung über<br />
Generationen unterbrechen helfen.<br />
aktivitäten und angebote<br />
in österreich<br />
Psychosoziale Dienste, Sachwalter<br />
und die Angehörigenselbsthilfe HPE<br />
sind am öftesten direkt mit Problemen<br />
der Kinder in Familien mit psychisch<br />
Erkrankten konfrontiert. So<br />
gibt es inzwischen einige Angebote<br />
aufgrund regionaler Einzelinitiativen.<br />
Zum sozialpsychiatrischen Versorgungsstandard<br />
gehört die Miteinbeziehung<br />
von Kindern in Familien mit<br />
psychisch erkrankten Menschen in<br />
Österreich leider noch nirgends. So<br />
bleibt vor allem die Angst psychisch<br />
erkrankter Mütter, dass ihnen in akuten<br />
Krankheitssituationen die Kinder<br />
abgenommen werden, eine schmerzhafte<br />
Trennung für beide Seiten.<br />
Psychosoziale Dienste arbeiten oft<br />
mit der regionalen Jugendwohlfahrt<br />
zusammen bei der Lösungssuche<br />
und Unterstützung für die ganze<br />
Familie, HPE berät Angehörige auch<br />
im Umgang mit ihren Kindern. Das ist<br />
auch Teil eines in allen Regionen Tirols<br />
gehaltenen Vortrages „Depression betrifft<br />
die ganze Familie“, einer gemeinsamen<br />
Aktion von HPE mit dem<br />
Tiroler Bündnis gegen Depression.<br />
Kinder- und Jugendarbeit der HPE<br />
in der Familienberatungsstelle Wien<br />
bietet <strong>pro</strong>zessorientierte Einzelbegleitung<br />
der betroffenen Kinder und<br />
Jugendlichen durch eine Sonder- und<br />
Heilpädagogin, begleitender Austausch<br />
mit den Eltern zur Schaffung<br />
eines unterstützenden sozialen<br />
Gefüges für das Kind und bei Bedarf<br />
Kommunikation mit Ämtern und<br />
Schule ergänzen das Angebot.<br />
HPE-selbsthilfegruppen für erwachsene<br />
Kinder von psychisch erkrankten<br />
Eltern in Wien und innsbruck<br />
ermöglichen, das in der Familie<br />
mit psychisch Kranken Erlebtes mit<br />
anderen Betroffenen zu teilen, aktuelle<br />
Betreuungs<strong>pro</strong>bleme zu bearbeiten,<br />
Abgrenzung, Ablösung und<br />
Verantwortungsrückgabe zu erarbeiten<br />
und in gegenseitiger Ent-
wicklungsbestärkung neue Freundschaften<br />
zu begründen.<br />
Präventions<strong>pro</strong>jekt „Jojo – Kindheit<br />
im schatten“ von aha! in sbg.:<br />
PsychologInnen und PädagogInnen<br />
bieten in Einzelsettings in Salzburg<br />
und im Pinzgau Kinderbetreuung mit<br />
spielerischer, kreativer und altersgerechter<br />
Bearbeitung spezifischer Themen<br />
rund um die psychische Erkrankung<br />
an, Eltern werden in Elterngesprächen<br />
eingebunden Zu den Jojo-<br />
Aktivitäten zählen auch: Kooperation<br />
mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft<br />
und anderen einschlägigen<br />
Vereinen und Institutionen,<br />
Öffentlichkeits-, Netzwerkarbeit etc.<br />
Projekt „allein erziehende Mütter<br />
und Väter ohne Netz“ in Oberösterreich<br />
bietet Unterstützung von<br />
psychisch erkrankten Frauen während<br />
der Schwangerschaft und nach<br />
der Geburt.<br />
Projekt „TakaTuka“ der caritas in<br />
Tirol: in Einzelfallbetreuung werden<br />
Zu den bestehenden Kinderseelenhilfen<br />
von <strong>pro</strong> <strong>mente</strong> salzburg in<br />
Tamsweg und Zell am See kam im<br />
Jahr 2007 St. Johann im Pongau neu<br />
hinzu. Damit konnte dem Ziel der<br />
flächendeckenden Versorgung von<br />
Kinder- und Jugendpsychiatrischen<br />
Ambulanzen im Bundesland Salzburg<br />
ein Stück näher gekommen werden.<br />
Die Errichtung der Ambulanzen wäre<br />
nicht möglich gewesen, ohne<br />
die tatkräftige Unterstützung durch<br />
private Sponsoren. Immerhin beläuft<br />
sich das Jahresbudget auf<br />
mittlerweile 170.000 Euro, wovon<br />
80 Prozent bis dato durch private<br />
Gelder finanziert wurde. 2008<br />
einblick<br />
Kinder mit psychisch kranken Eltern<br />
durch einen aufsuchend arbeitenden<br />
Kinderpsychologen versorgt, Kooperation<br />
mit Tiroler HPE.<br />
Projekt „Kiesel“ (Kinder von Eltern<br />
mit seelischen Leiden) des arbeitskreises<br />
für Vorsorge- und sozialmedizin in<br />
Vorarlberg unter Leitung einer DSA,<br />
zusätzlich gibt es Beratung von Kindern<br />
von psychisch Kranken durch<br />
eine FA für Psychiatrie.<br />
Lindauer Kreis startete im Frühjahr<br />
2008 eine vielversprechende grenzüberschreitende<br />
kooperative Planung<br />
von Projekten für Kinder psychisch<br />
Kranker bis 14 Jahren in den einzelnen<br />
Teilnehmerländern bzw. gemeinsame<br />
Veranstaltungen (Tagung) zum<br />
Thema „Kinder als Angehörige“.<br />
Erstellung einer informationsbroschüre<br />
speziell für Kinder durch die<br />
Beratungsstelle in Wien.<br />
Mag. Maria Fischer, HPE – Hilfe für<br />
Angehörige psychisch Erkrankter<br />
kinderseelenhilfe<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> salzburg<br />
Z<br />
erhielt die Kinderseelenhilfe Salzburg<br />
50.000 Euro vom Land Salzburg. Der<br />
Bedarf an psychotherapeutischer,<br />
ergotherapeutischer und fachärztlicher<br />
Behandlung kann allerdings<br />
noch lange nicht zufriedenstellend<br />
abgedeckt werden. Spenden werden<br />
dringend benötigt, jeder Euro hilft!<br />
In den Ambulanzen gibt es für<br />
Kinder, Jugendliche und deren Eltern<br />
ein kostenloses Angebot bei<br />
Bettnässen, Schulängsten, familiären<br />
Schwierigkeiten, selbstverletzendem<br />
Verhalten, depressiven Stimmungsbildern<br />
und pubertären Krisen.<br />
(Fallbeispiel dazu nächste seite.)<br />
bücher & internet<br />
HOMEiER schirin (2006): „Sonnige Traurigtage"<br />
Mabuse Verlag, Frankfurt a. M.<br />
MaTTEJaT Fritz & LisOFsKY Beate (Hrsg.) (2001):<br />
“…nicht von schlechten Eltern. Kinder psychisch<br />
Kranker“. Psychiatrie-Verlag, Bonn.<br />
EGGERMaNN Vera & JaNGGEN Lina (2004):<br />
„FUFU und der grüne Mantel. Ein Kinderbüchlein<br />
für Kinder mit einem psychisch kranken Elternteil“.<br />
AstraZeneca AG, CNS, Zug.<br />
BROscHÜRE: „Wenn dein Vater oder deine Mutter in<br />
psychiatrische Behandlung muss ... mit wem kannst<br />
du dann eigentlich reden?“ Bezug: Dachverband psychosozialer<br />
Hilfsvereinigungen e.V., Thomas-Mann-<br />
Str. 49a, 53111 Bonn<br />
BaUMaNN Kerstin Katharina (2000): „Verrückte<br />
Kindheit“. Probleme und Hilfemöglichkeiten bei<br />
Kindern psychisch erkrankter Eltern“. Tectum Verlag<br />
Marburg<br />
BEEcK Katja (2003): „Im Schatten der Kindheit.<br />
Erwachsene Kinder psychisch erkrankter Eltern“.<br />
Soziale Psychiatrie 27: 12-15<br />
BEEcK Katja (2005): „Netz und Boden.<br />
Unterstützung für Kinder psychisch kranker Eltern“.<br />
Infobroschüre. Eigenverlag, Berlin<br />
BEEcK Katja (Hrsg.) (2004): „Ohne Netz und ohne<br />
Boden. Situation Kinder psychisch kranker Eltern“.<br />
Infobroschüre. Eigenverlag, Berlin<br />
REMscHMiDT Helmut & MaTTEJaT Fritz (1994):<br />
„Kinder psychotischer Eltern“. Hogrefe Verlag,<br />
Göttingen<br />
www.netz-und-boden.de ist die reichhaltige<br />
Homepage über Kinder psychisch Kranker<br />
www.hpe.at bietet jetzt auch anonyme online-<br />
Beratung für Angehörigenfragen<br />
www.aha-salzburg.at<br />
für Projekt „Jojo – Kindheit im Schatten“<br />
www.aks.or.at<br />
für Projekt „Kiesel“<br />
www.vfb.no<br />
für Oslo: Adults for Children, CIC – Caring for the<br />
Invisible Children, European Prevention Network<br />
for Children of Mentally ill Parents<br />
http://www.adapt.at – ADAPT ist ein gemeinnütziger<br />
Verein, der 1999 gegründet wurde<br />
und mit vielen Informationen und praktischem<br />
Rat zum Thema Aufmerksamkeitsdefizit /<br />
Hyperaktivitätsstörung („AD/HS“) behilflich sein<br />
will.<br />
http://www.psyweb.at/kjnp – Österreichische Gesellschaft<br />
für Kinder- und Jugendpsychiatrie.<br />
Ausführliche Buchbesprechungen auf Seite 22.<br />
1
fallbeispiel<br />
kinderseelenhilfe<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> salzburg<br />
die drei kobolde<br />
F<br />
Für Jakob war das letzte Schuljahr<br />
in der 4. Klasse Volksschule<br />
kein leichtes gewesen. Denn<br />
das blöde Bauchweh hatte sich<br />
in sein Leben geschlichen und<br />
ihm die Schule gehörig vermiest.<br />
Dabei hatte alles ganz harmlos<br />
angefangen. Zuerst hatte Jakob<br />
nur manchmal Bauchweh, sodass<br />
er von der Schule zu Hause bleiben<br />
musste. Später auch Kopfschmerzen<br />
und Übelkeit. Die<br />
Eltern fuhren mit ihm ins Krankenhaus,<br />
wo die Ärzte ihn untersuchten<br />
– aber sie fanden die<br />
Ursache für Jakobs Schmerzen<br />
nicht und meinten, das wäre<br />
psychisch. Den Eltern und Jakob<br />
wurde empfohlen, sich an die Kinderseelenhilfe<br />
zu wenden.<br />
Beim ersten Gespräch wirkten<br />
Jakob und seine Mutter sehr bedrückt.<br />
Wir machten uns gemeinsam<br />
daran, das Bauchweh zu erforschen<br />
und fanden heraus, dass<br />
das Bauchweh sich in das Leben<br />
der Familie eingeschlichen hatte,<br />
als die Eltern sich oft gestritten<br />
hatten. Damals hatte sich Jakob<br />
oft in das Bett der Eltern gelegt,<br />
weil sie sich dann nicht zu streiten<br />
trauten. Das Bauchweh hatte<br />
eine Funktion in der Familie. Später<br />
entwickelte es sich allerdings zu<br />
einem unkontrollierbaren Kobold,<br />
der seine Koboldfreunde, nämlich<br />
das Kopfweh und das Schlechtsein,<br />
mit einlud. Zu dritt machten sie<br />
es sich bei Jakob recht gemütlich<br />
und hielten ihn von Dingen<br />
ab, die er eigentlich immer gerne<br />
gemacht hatte, wie in die Schule<br />
zu gehen, sich nach der Schule<br />
mit Freunden zu treffen und sich<br />
Streiche auszudenken. Außerdem<br />
hatte die Anwesenheit der drei zur<br />
Folge, dass sich Jakob immer ohn-<br />
mächtiger und hilfloser fühlte,<br />
was wiederum zu Wut und Zorn<br />
bei den Eltern führte. Die beiden<br />
waren gar nicht so erfreut,<br />
dass ihr Sohn, der immer brav<br />
und fleißig in der Schule war und<br />
„funktioniert“ hatte, plötzlich<br />
„Mätzchen“ machte. Nach und<br />
nach wurde es verständlicher,<br />
dass sich hinter dem Bauchweh<br />
große Angst von Jakob verbarg,<br />
die Eltern könnten sich trennen<br />
und er müsste sich entscheiden,<br />
bei wem er lieber bleiben wollte.<br />
Nachdem Jakob den Kobolden,<br />
wie er sie nannte, eine Gestalt<br />
gegeben hatte, sie gezeichnet<br />
hatte und ihnen ins Gesicht<br />
sehen konnte, verloren sie viel von<br />
ihrem Schrecken. Die Familie fing<br />
an, Misserfolge und Fehlschläge<br />
zu genießen und zu feiern. Die<br />
Eltern lernten, ihre Konflikte auf<br />
eine neue Art und Weise auszutragen.<br />
Jakob lernte, dass Streit<br />
und Versöhnung zu Beziehungen<br />
dazugehören und streiten auch<br />
lustvoll sein kann. Die Familie<br />
fand Worte, Gefühle zu benennen<br />
und miteinander darüber zu<br />
reden, genauer hinzuhören, was<br />
der andere meinte. Eigentlich<br />
war nun kein Platz mehr für die<br />
Kobolde. Deshalb malte Jakob<br />
zum Schuss der Therapie ein Bild,<br />
das die Kobolde auf einer einsamen<br />
Insel zeigte. Dort hatten<br />
sie einen guten Platz, konnten den<br />
ganzen Tag Schwimmen gehen<br />
und Schabernack treiben.<br />
Spendenkonto: 007102791 BLZ<br />
45010 Volksbank Salzburg<br />
www.kinderseelenhilfe.at oder<br />
www.<strong>pro</strong><strong>mente</strong>salzburg.at<br />
Mag. Margret Korn<br />
grosse chance<br />
durch „jumber“<br />
Das „Jugendliche Arbeitstraining“<br />
DJUMBER<br />
in Salzburg ist Anlaufstelle<br />
für Jugendliche mit psychischen<br />
Erkrankungen. JUMBER gibt<br />
den Heranwachsenden eine neue<br />
Chance zu mehr psychischer Stabilität.<br />
Hier werden aus vorerst oft unnahbaren,<br />
coolen Typen verletzte<br />
und verängstigte Jugendliche, die<br />
hier erstmals einen Platz finden, wo<br />
sie sich angenommen fühlen und<br />
aus sich heraus kommen. Die enge<br />
Kooperation mit der CDK ermöglicht<br />
natürlich auch eine unbürokratische<br />
fachärztliche Abklärung<br />
und bei Bedarf auch Behandlung.<br />
Die Unterstützungsnotwendigkeiten<br />
gehen von einer generellen<br />
medizinischen Grundversorgung<br />
bis zu Schuldenregulierung, Wohnversorgung,<br />
Partnerschafts- und<br />
Elternkonflikten.<br />
Von einer Arbeitsfähigkeit kann<br />
zu Beginn des Trainings oft noch<br />
nicht ges<strong>pro</strong>chen werden. Nichts-<br />
destotrotz gelingt es den Jugendlichen<br />
sehr oft in atemberaubender<br />
Schnelle die Sicherheit wahrzunehmen<br />
und sich altersgemäß zu<br />
entwickeln. So war es möglich,<br />
dass seit Beginn im Juni 2006 bis<br />
heute bereits 9 Jugendliche eine<br />
Stelle in der Wirtschaft gefunden<br />
haben und dies bei immerhin nur 8<br />
Trainingsplätzen. Das Konzept beinhaltet<br />
selbstverständlich Praktikas<br />
in der Wirtschaft, Einzelgespräche,<br />
Krisenmanagement, Einbindung<br />
des persönlichen Umfeldes der Jugendlichen<br />
(Erziehungsberechtigte,<br />
sonstige Angehörige und wichtige<br />
Freunde), Praktisches Arbeitstraining<br />
in der Gärtnerei bis hin zur Lehrlingsausbildung,<br />
regelmäßige Weiterbildungsangebote<br />
in der Gruppe,<br />
wie Kochtraining, Selbstverteidigungskurse,<br />
Infoveranstaltungen<br />
zu Themen: Arbeitsrecht, Umgang<br />
mit der Erkrankung (Psychoedukation),<br />
Umgang mit Sexualität,<br />
Drogen, Vorgesetzten, KollegInnen,<br />
Arbeitshaltung u.v.a.m.<br />
Mag. Margret Korn, Pro Mente<br />
Salzburg Geschäftsführung,<br />
Mag. Krejci Tanja, Trainingsleiterin
uchbesprechungen<br />
von mag. liane halper, verein start; mag. angela ibelshäuser,<br />
gesellschaft für psychische gesundheit – <strong>pro</strong> <strong>mente</strong> tirol<br />
Schirin Homeier<br />
Sonnige Traurigtage,<br />
Mabuse<br />
Verl ag,<br />
Frankfurt a. M.<br />
2006, 128 Seiten,<br />
ISBN: 3-938304-<br />
16-2<br />
Das erste illustrierte Kinderfachbuch<br />
für Kinder psychisch kranker<br />
Eltern und deren Bezugspersonen.<br />
„Was ist eigentlich mit Mama los?“,<br />
fragt sich die neunjährige Mona.<br />
Denn Mama hat sich in letzter<br />
Zeit sehr verändert und kümmert<br />
sich um nichts mehr. So muss das<br />
Mädchen den Haushalt ganz allein<br />
organisieren. In der Schule sagen<br />
die Kinder, Mama sei komisch –<br />
ist das wahr? So wie alle Kinder<br />
psychisch erkrankter Eltern muss<br />
Mona herausfinden, was eine psychische<br />
Erkrankung wirklich ist und<br />
wer sie und ihre Mutter unterstützen<br />
kann. Im ersten Teil des Buches<br />
wird in Bilderbuchform Monas Geschichte<br />
dargestellt. Im zweiten Teil<br />
wendet sich Mona direkt an das<br />
Leserkind. Der dritte Teil gibt privaten<br />
und <strong>pro</strong>fessionellen Bezugspersonen<br />
konkrete Hilfestellungen,<br />
um die Situation der „kleinen<br />
Angehörigen“ zu verstehen.<br />
Beate Lisofsky,<br />
Fritz Mattejat<br />
Nicht von<br />
schlechten<br />
Eltern<br />
Psychiatrie-<br />
Verlag GmbH,<br />
Bonn 2005, 5.<br />
Auflage, 209, Seiten,<br />
ISBN: 3-884142-25-9.<br />
Kinder verstehen oftmals nicht,<br />
warum ihre Mutter tagsüber in<br />
abgedunkelter Wohnung auf<br />
dem Sofa liegt und zu nichts Lust<br />
hat. Sie begreifen nicht, warum<br />
ihr Vater sonderbare Stimmen<br />
hört, merkwürdige Dinge tut<br />
oder ohne Vorwarnung einen jähzornigen<br />
Wutanfall bekommt,<br />
obwohl er doch vorher noch mit<br />
ihnen gespielt hat. Die psychische<br />
Erkrankung der Eltern bedeutet<br />
eine Belastung für die Kinder,<br />
ist aber auch ein Risikofaktor für<br />
die eigene seelische Gesundheit.<br />
Häufig geraten die Kinder jedoch<br />
erst ins Blickfeld, wenn es um<br />
die Frage geht, ob sie bei den<br />
Eltern bleiben können oder eine<br />
Unterbringung in Pflegefamilien<br />
oder Heimen erzwungen werden<br />
soll. Viele solcher Situationen<br />
könnten vermieden werden, wenn<br />
den Kindern und ihren Eltern vorher<br />
Hilfen angeboten würden,<br />
denn: Kinder brauchen ihre Eltern,<br />
auch wenn sie psychisch krank sind.<br />
Dass auch Kinder Angehörige sind,<br />
wurde häufig vergessen. Erstmals<br />
werden Erfahrungsberichte von<br />
Betroffenen und Fachleuten zu<br />
einem Ratgeber für Kinder psychisch<br />
Kranker und ihre Eltern<br />
zusammengefasst.<br />
Marie-Luise<br />
Knopp, Klaus<br />
Napp (Hg.)<br />
Wenn die Seele<br />
überläuft Kinder<br />
und Jugendliche<br />
erleben die Psychiatrie,Psychiatrie<br />
Verlag, Bonn 2006, 6. Auflage,<br />
220 Seiten, ISBN: 3-884141-62 -7.<br />
Silke hat versucht, sich umzubringen,<br />
Peter bekommt in der<br />
Schule Angstzustände und Judith<br />
verliert sich in Traurigkeit. Doch<br />
was tun, wenn die Seele über-<br />
läuft? Judith, Silke und Peter und<br />
viele andere haben schließlich in<br />
der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
Hilfe gesucht. Sie haben beschlossen,<br />
sich nicht länger zu verstecken<br />
und den Vorurteilen gegenüber der<br />
»Klapse« mit ihrer Geschichte entgegenzutreten.<br />
Ihre authentischen<br />
Erlebnisberichte bilden einen Spiegel,<br />
in dem sich Jugendliche und<br />
Eltern, die Ähnliches erleben, wieder<br />
erkennen können. Und vielleicht<br />
lernen sie sich nach der<br />
Lektüre besser verstehen.<br />
Eggermann Vera<br />
& Janggen Lina<br />
FUFU und der<br />
grüne Mantel.<br />
AstraZeneca AG,<br />
CNS, Grafenau<br />
10, CH-6301 Zug<br />
2004. Das Buch kann über AstraZeneca<br />
bestellt werden: cns@<br />
astrazeneca.ch<br />
FUFU und seine Eltern, Mama<br />
und Papa Fuchs, leben gemeinsam<br />
in einem Pilzhaus. FUFUs Welt ist in<br />
Ordnung. Bis zu dem Tag, an dem<br />
Papa Fuchs plötzlich einen grünen<br />
Mantel trägt und sich alles verändert.<br />
Das Buch beschäftigt sich<br />
mit dem Thema, dass ein Elternteil<br />
plötzlich psychisch krank ist.<br />
Dieser Vorfall ist vor allem für<br />
kleinere Kinder sehr schwierig.<br />
Meist weiss der andere Elternteil<br />
nicht, wie er helfen soll, und ist mit<br />
der ganzen Situation überfordert.<br />
Das Kind versteht die Welt nicht<br />
mehr. Die Geschichte um FUFU soll<br />
Kindern dabei helfen, besser mit<br />
der Situation klarzukommen. Sie<br />
spricht Themen wie Angst, Schuld<br />
und Hilflosigkeit direkt an, sodass<br />
das Kind sich damit auseinandersetzen<br />
kann.
undessekretariat<br />
telefon: 0732 / 78 53 97<br />
fax: 0732 / 78 54 47<br />
E-Mail: office@<strong>pro</strong><strong>mente</strong>austria.at<br />
www.<strong>pro</strong><strong>mente</strong>austria.at<br />
mitglieder von <strong>pro</strong> <strong>mente</strong> austria<br />
arcus sozialnetzwerk gemeinnützige gmbh<br />
4152 sarleinsbach, marktplatz 11<br />
tel.: 07283/8531, fax:07283/8531230<br />
e-mail: office@arcus-sozial.at<br />
arge sozialdienst mostviertel<br />
3300 amstetten, Lorenz-buschl-straße 3<br />
tel./fax: 07472/69900, e-mail: sdm-amstetten@aon.at<br />
aks sozialmedizin gmbh<br />
6900 bregenz, rheinstraße 61, tel.: 05574/202-0<br />
fax:05574/202-9, e-mail: office@aks.or.at<br />
gesellschaft für psychische gesundheit –<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> tirol<br />
6020 innsbruck, Karl-schönherr-straße 3<br />
tel.: 0512/585129, fax: 0512/585129-9<br />
e-mail: direktion@gpg-tirol.at<br />
gesellschaft zur förderung seelischer gesundheit<br />
8010 Graz, Plüddemanngasse 45, tel.: 0316/931757<br />
fax: 0316/931760, e-mail: office@gfsg.at<br />
hpe österreich, hilfe für angehörige und freunde<br />
psychisch erkrankter<br />
1070 Wien, bernardgasse 36/4/14, tel.: 01/5264202<br />
fax: 01/5264202-20, e-mail: office@hpe.at<br />
österreichische gesellschaft<br />
für gemeindenahe psychiatrie<br />
LnK Wagner-Jauregg, 4020 Linz, Wagner-Jauregg-Weg 15<br />
tel.: 0732/6921-22001, fax: 0732/6921-22004<br />
e-mail: hans.rittmannsberger@gespag.at<br />
pgd psychosoziale gesundheitsdienste gmbh<br />
6850 Dornbirn, färbergasse 15 rhombergsfabrik, rot 17<br />
tel.: 05572/32421-0, fax: 05572/32421-4<br />
e-mail: office@pgd.at<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> burgenland<br />
7000 eisenstadt, Lisztgasse 1/top iii<br />
tel./fax: 02682/65188 oder 0664/5489141<br />
e-mail: office@<strong>pro</strong><strong>mente</strong>-bgld.at<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> kärnten<br />
9020 Klagenfurt,Villacher straße 161, tel.: 0463/55112<br />
fax: 0463/50125, e-mail: office@<strong>pro</strong><strong>mente</strong>-kaernten.at<br />
Ö s t e r r e i c h i s c h e r D a c h V e r b a n D<br />
D e r V e r e i n e u n D G e s e L L s c h a f t e n<br />
f ü r P s yc h i s c h e u n D s o z i a L e G e s u n D h e i t<br />
a u s t r i a n f e D e r at i o n f o r m e n ta L h e a Lt h<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> niederösterreich<br />
2020 hollabrunn, robert-Löffler-straße 20<br />
tel.: 02952/2275-630, fax: 02952/2275-632<br />
e-mail: psychiatrie@khhollabrunn.at<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> oberösterreich<br />
4020 Linz, Lonstorferplatz 1, tel.: 0732/6996-0<br />
fax: 0732/6996-80, e-mail: office@<strong>pro</strong><strong>mente</strong>ooe.at<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> plus<br />
Lonstorferplatz 1, 3. stock, 4020 Linz<br />
tel.: 07224/66136-13, e-mail: office@<strong>pro</strong><strong>mente</strong>plus.at<br />
www.<strong>pro</strong><strong>mente</strong>plus.at<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> salzburg<br />
5020 salzburg, südtirolerplatz 11/1<br />
tel.: 0662/880524-124, fax: 0662/880524-109<br />
e-mail: pms@<strong>pro</strong><strong>mente</strong>salzburg.at<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> steiermark<br />
8010 Graz, Leechgasse 30<br />
tel.: 0316/71424540, fax: 0316/714245-44<br />
e-mail: zentrale@<strong>pro</strong><strong>mente</strong>steiermark.at<br />
<strong>pro</strong> <strong>mente</strong> wien<br />
1040 Wien, Grüngasse 1a<br />
tel.: 01/5131530, fax: 01/5131530-350<br />
e-mail: office@<strong>pro</strong><strong>mente</strong>-wien.at<br />
psychosozialer dienst burgenland gmbh<br />
7000 eisenstadt, franz-Liszt-Gasse 1/iii<br />
tel.: 057979/20000, fax: 057979/2020<br />
e-mail: psd@krages.at<br />
start – sozialtherapeutische arbeitsgem. tirol<br />
6020 innsbruck, Karmelitergasse 21<br />
(Gasser-areal), tel.: 0512/584465, fax: 0512/584465-4<br />
e-mail: office@verein-start.at<br />
verein <strong>pro</strong> humanis<br />
8010 Graz, conrad-v.-hötzendorf-straße 23<br />
tel.: 0316/827707, fax: 0316/827707-4<br />
e-mail: office@<strong>pro</strong>humanis.at<br />
werkstätte „opus“<br />
1070 Wien, neubaugasse 33/1/6<br />
tel./fax: 01/5260699, e-mail: opus@gmx.at