129 Politikwissenschaft - DVPW
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Herbst 2003<br />
Nr. <strong>129</strong><br />
rarchisch geordneten und demokratisch verfassten Nationalstaates unterscheidet.<br />
Was bisher allerdings noch weitgehend fehlt, ist eine systematische<br />
Analyse der Frage, inwiefern sich diese Merkmale in eine spezifisch<br />
europäische Außenpolitik übersetzen. Zwar sind in den letzten Jahren eine<br />
Vielzahl von Studien zur Rolle der EU als internationaler Akteur entstanden.<br />
Allgemeiner Tenor dieser Studien ist es, dass der EU eine kohärente<br />
Außenpolitikformulierung und –umsetzung im Rahmen der Außenwirtschaftspolitik<br />
eher leicht fällt, in der Asyl-, Migrations- und Rechtsharmonisierungspolitik<br />
schon schwerer zu sein scheint, und dass in der Sicherheitspolitik<br />
das reine Debakel zu beobachten ist. So weit so gut. Aber was<br />
lernen wir daraus? Handelt es sich hierbei um Befunde, die im besten Fall<br />
das unterstreichen, was Realisten und Institutionalisten schon immer gewusst<br />
haben, also dass „high politics“ dem Integrationsprozess nun mal<br />
nicht zugänglich sind und sich in entsprechenden intergouvernementalen<br />
Verfahren zum Ausdruck bringen? Oder fällt uns dazu noch mehr ein? Beobachten<br />
wir hier etwas, das sich als „Grenzen der Integration“ beschreiben<br />
lässt? Ein Phänomen also, dass sich nicht im Rahmen der Logik einer „ever<br />
closer union“ in den nächsten Jahren erledigen wird, sondern mit dem wir<br />
langfristig werden leben müssen? Sind die Phänomene der mangelnden<br />
Vergemeinschaftung im Rahmen der Sicherheitspolitik vielleicht gar indikativ<br />
dafür, dass die normativen Ansprüche der EU der faktisch vorhandenen<br />
Integrationsbereitschaft zu weit vorausgeeilt sind und wieder zurückgeholt<br />
(sprich: bescheidener) werden müssen? Ist die EU damit letztlich gar nicht<br />
„außenpolitikfähig“, da ihr die interne normative Konsolidierung (noch?)<br />
abgeht? Oder allgemeiner gefragt: welches sind eigentlich die internen gesellschaftlichen<br />
und politischen Vorbedingungen welcher Form externer Interessenartikulation?<br />
3 . Theoretische Perspektiven: Interdisziplinaritaet als Herausforderung der<br />
Integrationsforschung Die Integrationsforschung ist in den vergangenen fünf Jahrzehnten von unterschiedlichen<br />
politikwissenschaftlichen Perspektiven gespeist worden.<br />
Während die internationalen Beziehungen mit funktionalistischen und realistischen<br />
Grundlagen von supranationaler Institutionenbildung in den ersten<br />
beiden Jahrzehnten die Grundlagen – vornehmlich US-amerikanischer -<br />
methodologischer Diskussionen lieferte, hat sich das Bild in der zweiten<br />
Phase der Integrationsforschung, d.h. seit den 1980er Jahren grundlegend<br />
verändert. Seit dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte<br />
1987 ist die <strong>Politikwissenschaft</strong> weniger an der Erklärung supranationaler<br />
Institutionenbildung als vielmehr an der Erforschung subnationaler institutioneller<br />
Veränderung interessiert. Governance und Europäisierungsforschung<br />
haben vor allem den zunehmenden Einfluss der vergleichenden<br />
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