special - Berufsverband Deutscher Markt
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BEIHEFT ZUM BVM INBRIEF AUGUST 2012<br />
Kongress-Special<br />
Beiträge aus dem Wettbewerb zum Best Paper auf<br />
dem 47. Kongress der Deutschen <strong>Markt</strong>forschung
BEIHEFT ZUM BVM INBRIEF AUGUST 2012<br />
Kongress-Special<br />
Beiträge aus dem Wettbewerb zum Best Paper auf<br />
dem 47. Kongress der Deutschen <strong>Markt</strong>forschung
Inhalt Editorial<br />
Editorial 3<br />
Patricia Schulte-Moser und Christoph B. Melchers, ZweiEinheit<br />
Beziehungskrise? Zur (Kultur-)Psychologie des Vertrauens 4<br />
Best Paper 2012<br />
Heike Kindel und Uwe Munzinger, MUSIOL MUNZINGER<br />
SASSERATH<br />
Markenerleben. Die neue Leitwährung in Markenführung<br />
und Markenforschung im post-digitalen Zeitalter 8<br />
Christoph Prox, Icon Added Value<br />
Web 2.0 = Markenführung 2.0. Wird morgen alles anders? 12<br />
Nominiert für das Best Paper 2012<br />
Dr. Peter Pirner, Dr. Steffen Hermann und Susanne Klar,<br />
TNS Infratest<br />
TRI*M Digital Reputation Manager. Steuerung der<br />
Unternehmensreputation durch Verknüpfung von<br />
Social-Media-Monitoring, Stakeholder-Befragung und<br />
Digital Lifestyle Segmentierung 16<br />
Elske Ludewig, eResult<br />
Die Messung der Reputation. Entwicklung eines<br />
wissenschaftlich fundierten Fragebogens 20<br />
Thomas Utzinger, Google, Markus Saffer, GfK, und<br />
Jens Barczewski, nurago<br />
Crossmedia-Forschung. Ein innovatives Instrument der<br />
Werbe wirkungsforschung 24<br />
Best Paper 2012<br />
Dr. Maria Kreuzer und Dr. Sylvia von Wallpach,<br />
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck<br />
Multi-Sensory Sculpting. Multisensorisches Markenwissen<br />
anhand dreidimensionaler Skulpturen 28<br />
Nominiert für das Best Paper 2012<br />
Dr. Nadine Hennigs und Dr. Steffen Schmidt,<br />
Leibniz Universität Hannover<br />
Neuroökonomische Marketingforschung. Bestimmung<br />
ganzheitlicher Markenwirkung anhand expliziter und<br />
impliziter Erhebungstechniken 32<br />
Ulrike Oberascher und Julia Roßteuscher, IFM Mannheim<br />
Verpackung – der Touchpoint zwischen Marke und Konsument.<br />
Implizite und explizite Reaktionen für den <strong>Markt</strong>erfolg 36<br />
Benjamin Rubenwolf, International University Network<br />
Intuition bei Entscheidungen. Zum rekognitiven Einfluss<br />
bei der Wahl von Markennamen durch Phonetik und<br />
Buchstabenhäufigkeit 40<br />
Frank Gehre und Horst Regenscheit, inviso<br />
QR-Code® Mobile Research. Ein innovativer Methodenansatz<br />
zukunftsorientierter <strong>Markt</strong>forschung 43<br />
Impressum 47<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
seit vielen Jahren schreibt der<br />
BVM etwa ein halbes Jahr,<br />
bevor der Kongress beginnt,<br />
einen Call for Papers aus. Das<br />
im Unterschied zu Fachtagungen<br />
oder Seminaren thematisch<br />
breiter und grundsätzlicher angelegte Top-<br />
Event der Branche lebt von der Vielfalt der Inhalte<br />
und methodischen Ansätze der Beiträge aus unterschiedlichen<br />
Bereichen moderner und zukunftsweisender<br />
<strong>Markt</strong>- und Sozialforschung.<br />
In jedem Jahr werden im Rahmen dieser Ausschreibung<br />
zahlreiche interessante Beiträge eingereicht.<br />
Die meisten von ihnen sind Beispiele für Best Practice:<br />
innovativ, kreativ und zugleich methodisch fundiert.<br />
Sie haben einen hohen Wert für die marktforscherische<br />
Praxis und die Zukunft der Profession.<br />
Leider hat das Programmkomitee in den vergangenen<br />
Jahren oft Beiträge ablehnen müssen, obwohl<br />
sie methodisch und inhaltlich anspruchsvoll und<br />
hochinteressant waren, weil der zeitliche Rahmen<br />
und die thematische Fokussierung des Kongresses<br />
Grenzen setzten.<br />
Deshalb hat der BVM-Vorstand entschieden, mit<br />
dem Call for Paper den Bewerbern zusätzliche<br />
Chancen zu schaffen, Aufmerksamkeit zu erreichen:<br />
zum einen mit der Möglichkeit, ihre Arbeit in einer<br />
Poster-Session vorzustellen, zum anderen mit der<br />
Publikation einer kurzen Zusammenfassung in diesem<br />
Kongress-Special. Ob die Bewerber im Rahmen<br />
des Call for Paper am Wettbewerb zum Best Paper<br />
teilnehmen wollten, konnten sie selbst entscheiden.<br />
Voraussetzung war, dass sie, wenn sie dies wünschten,<br />
vor dem Kongress ein Manuskript einreichen<br />
mussten. Eine Auswahl dieser Manuskripte ist hier<br />
abgedruckt.<br />
In der hier vorgelegten Sonderpublikation zum BVM<br />
inbrief kommen nicht nur die zwei Siegerteams und<br />
die Nominierten im Wettbewerb zum Best Paper,<br />
sondern auch andere Bewerber zu Wort, die methodisch<br />
und konzeptionell interessante Beiträge eingereicht<br />
hatten.<br />
Ihre<br />
Dr. Ulrike Schöneberg<br />
3<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
4<br />
Beziehungskrise?<br />
Patricia Schulte-Moser und Christoph B. Melchers, ZweiEinheit, Berlin, zur (Kultur-)Psychologie<br />
des Vertrauens<br />
Für gesunkenes Vertrauen, unter dem nicht nur Marken von Finanzdienstleistern zu leiden<br />
haben, werden die rezenten Krisen verantwortlich gemacht. Nach den Befunden der beiden<br />
Autoren läuft diese Entwicklung schon länger. Sie halten den Vertrauensverlust für ein Kulturphänomen:<br />
Die Kultur hat sich in eine Richtung entwickelt, die die Vorteile intakter Vertrauensverhältnisse<br />
aushöhlt.<br />
Überall ist von gesunkenem Vertrauen und Vertrauenskrisen<br />
die Rede. Als betroffen gelten Finanzdienstleister, der gegenseitige<br />
Umgang in Wirtschaft und Politik und Konsummarken.<br />
Nach unseren Befunden 1) haben Marken nicht erst seit der<br />
Krise von 2008 an Vertrauen eingebüßt. Die Entwicklung läuft<br />
länger.<br />
Verantwortungslose Banker werden für den Vertrauensverlust<br />
verantwortlich gemacht: Sie haben sich verzockt und uns<br />
hereingelegt. Die meisten Menschen neigen dazu, persönliche<br />
Finanznöte und Gefährdungsgefühle teuren Rettungsaktionen<br />
von Banken und ganzen Volkswirtschaften anzulasten.<br />
Beschuldigungen sind jedoch keine Erklärung. Zum Vertrauen<br />
gehören immer mindestens zwei.<br />
You can trust him like a friend: Social Media<br />
sind Ort massenhafter, völlig unverbindlicher<br />
Freundschaftsdeklarationen, die mit Vertrauen<br />
nichts zu tun haben. Es sei denn, die<br />
Beziehung bestand schon offline.<br />
Dies sei nur ein Hinweis auf den Rahmen, in dem die folgenden<br />
Ausführungen zu sehen sind. Die Diskussion über Vertrauen<br />
findet in einem Klima von Schuldzuweisungen statt,<br />
das nicht außen vor gelassen werden kann. Dieses Klima hat<br />
mit der Gegenwartskultur 2) zu tun, von der die Rede sein wird.<br />
Ungereimtheiten wecken das Interesse der Psychologen.<br />
Auch Gegenteiliges – zu viel gedankenloses Vertrauen – ist<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Patricia Schulte-Moser<br />
Head of Research, ZweiEinheit, Forschungsinstitut<br />
für <strong>Markt</strong>- und Kulturpsychologie, Berlin. Schulte-<br />
Moser arbeitete zuvor in Werbeagenturen, war<br />
dann selbstständige <strong>Markt</strong>forschungsberaterin<br />
und hatte Lehraufträge an der University of Management<br />
and Communication und der Business<br />
School Potsdam.<br />
zu beobachten. Trotz ihrer Widersprüchlichkeit und ständiger<br />
Änderungen genießen beispielsweise die Gesundheits- und<br />
Ernährungsratschläge in den Medien Vertrauen. Bestimmte<br />
Anbieter, glaubt man, seien billiger. Dem Fortschritt in Form<br />
der Smartphones wird vertraut. Für die Holperigkeiten der<br />
Nutzungsrealität gibt es blinde Flecken.<br />
Auch unsere Zunft der <strong>Markt</strong>- und Sozialforscher ist nicht<br />
frei von Vertrauensseligkeit. Man vertraut den Aussagen von<br />
Probanden und glaubt, man trüge Vertrauen mit sich herum<br />
wie eine Tafel Schokolade. Bei manchen ist dieser Vertrauens-<br />
Klotz brüchig geworden, bei anderen messbar angebraucht<br />
oder verschwunden. Diese Denkweise ist nicht sehr Vertrauen<br />
erweckend und viele vertrauen Umfragen nicht mehr.<br />
Wenn man mit tiefenpsychologischen Methoden untersucht,<br />
wie Vertrauensbeziehungen generell und bezogen auf Produkte<br />
und Marken funktionieren, erkennt man, dass Vertrauen<br />
etwas völlig anderes ist als ein Vorrat, der mehr oder weniger<br />
groß ist. Stattdessen stößt man auf regulierende Gefüge<br />
und spannungsvolle Verhältnisse. Wir stellen im Folgenden<br />
gemeinsame Befunde aus Studien 3) der letzten fünf Jahre zu<br />
diesem Thema dar, die auf die Kulturpsychologie des Vertrauens<br />
hin extrahiert sind.<br />
Vertrauen bedeutet gegenseitige Verpflichtung<br />
Zuerst einmal ist Vertrauen der Aufbau einer gegenseitigen<br />
Verpflichtung. Eine Beziehung, eine Leistungszusage – zwischen<br />
Menschen oder Menschen und Marken / Institutionen<br />
– soll durch Vertrauen befestigt und dauerhaft gemacht werden.<br />
Vertrauen beginnt damit, dass jemand seine Bereitschaft,<br />
zu vertrauen oder vertrauenswürdig zu sein, ausdrücklich er-<br />
Professor Dr. Christoph B. Melchers<br />
Head of Research, ZweiEinheit, Forschungsinstitut<br />
für <strong>Markt</strong>- und Kulturpsychologie, Berlin, gründete<br />
gemeinsam mit Patricia Schulte-Moser im Jahr<br />
2010 ZweiEinheit. Melchers lehrt Wirtschaftspsychologie<br />
an der Business School Potsdam (FH),<br />
zuvor war er geschäftsführender Gesellschafter<br />
des ifm Wirkungen + Strategien.
5<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
6<br />
klärt. Marken starten ihre Kundenbeziehungen mit solch einer<br />
Deklaration und wiederholen sie regelmäßig. Sie deklarieren<br />
ihre Vertrauenswürdigkeit, weil sie wollen, dass die Käufer ihnen<br />
ebenfalls vertrauensvoll begegnen. Wenn jemand erklärt,<br />
er wolle vertrauen und man könne ihm vertrauen, verpflichtet<br />
er den anderen, es ebenso zu halten. Man kann natürlich solche<br />
Deklarationen abgeben ohne die Absicht, sie einzuhalten.<br />
Beispiel:<br />
You can trust him like a friend: Social Media sind Ort massenhafter,<br />
völlig unverbindlicher Freundschaftsdeklarationen, die<br />
mit Vertrauen nichts zu tun haben. Es sei denn, die Beziehung<br />
bestand schon offline.<br />
Vertrauen ist eine Maßnahme der Vereinfachung<br />
und der Aufwandersparnis – allerdings<br />
um den Preis latenter Unsicherheit.<br />
Telefonprovider neigen zu viel Kleingedrucktem in ihrer Werbung.<br />
Damit nehmen sie die Bekundung von Vertrauen gleich<br />
wieder zurück. Das stört hier nicht sonderlich, weil viele Kunden<br />
ohnehin vorhaben, bei nächster Gelegenheit zum günstigeren<br />
Anbieter zu wechseln. Sie wollen nicht durch Vertrauen<br />
gebunden sein.<br />
Veränderungen bedrohen Vertrauensbeziehungen<br />
Vertrauensbeziehungen waren immer schon und sind vom<br />
Wandel bedroht. Veränderungen sind Feind der auf Dauer angelegten<br />
Vertrauensverhältnisse. Der Bruch des Vertrauens<br />
kann von beiden Seiten ausgehen – jederzeit. Jemand verliert<br />
das Interesse an einem Geschäft, weil ein besseres lockt. Wer<br />
die große Liebe fand, lernt jemand anderes kennen. Wer einer<br />
Marke vertraut, findet eine bessere. Als Kehrseite jeder Vertrauensbeziehung<br />
lauert Verrat. Vertrauen soll ein Bollwerk<br />
sein gegen die unausrottbare Macht der Veränderung. Der<br />
Gedanke an Verrat ist unterschwellig immer vorhanden. Weil<br />
Verrat übel ist, wird er oft tabuisiert und magisch zu bannen<br />
versucht: „Nicht daran denken”. Wird man Opfer solcher Wendungen,<br />
hat man guten Grund, sich kräftig zu beklagen.<br />
Man sollte meinen, gerade Finanzprodukte für die private<br />
Altersvorsorge seien vom Misstrauen gegenüber der Finanzbranche<br />
betroffen. Fühlen sich doch viele durch Überschussbeteiligungen<br />
weit unter den geweckten Erwartungen<br />
„verraten”. Doch wird von Personen, die sich aktuell mit Altersvorsorge<br />
befassen, wenig an der Vertrauenswürdigkeit<br />
der Versicherer gezweifelt. Bezweifelt wird, dass Altersvorsorge<br />
unter heutigen, sich ständig wandelnden Verhältnissen<br />
überhaupt machbar ist. Jedenfalls nicht mit den bekannten<br />
Versicherungsprodukten. Die sind dem Wandel nicht gewachsen.<br />
Von Anbietern erwartet man neue Produkte, die auch unter<br />
gestiegener Unabsehbarkeit ihr Versprechen halten.<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Bio-Foodprodukte sind trotz aller Siegel in hohem Maße Vertrauenssache<br />
und anfällig für Enttäuschungen. Zumal unklar<br />
definiert ist, was denn nun genau Öko ist. Viele Verwender<br />
sind jedoch an einer harten Definition gar nicht interessiert.<br />
Ein strenges Öko-Regime würden sie nicht durchhalten. Sie<br />
vertrauen ihrer eigenen Konsequenz bei der Öko-Verwendung<br />
wenig. Die Spielräume dessen, was Öko ist, halten viele Verwender<br />
paradoxerweise bei der Sache. Sie ersparen den ausdrücklichen<br />
Bruch des sich selbst gegebenen Versprechens,<br />
auf Öko umzusteigen.<br />
Vertrauen erfordert Bestätigung<br />
Weil Vertrauen von Natur aus eine kippelige Sache ist, muss<br />
man immer wieder Zeichen des Vertrauens geben und tut gut<br />
daran, auf solche zu achten. Für Vertrauen muss etwas getan<br />
werden. Es will unterhalten sein. So sollte man immer wieder<br />
deutlich machen: „Du kannst mir vertrauen. Ich bin mit unserer<br />
gemeinsamen Sache beschäftigt.” Aus solchen Zeichen<br />
besteht der Großteil der Markenpflege. Innovationen zeigen,<br />
dass eine Marke bestrebt ist, den Erwartungen der Kunden<br />
anhaltend zu genügen.<br />
Beispiele:<br />
Man schaut nach Zeichen vom Anderen und ist beunruhigt,<br />
wenn sie ausbleiben.<br />
Die Mineralölbranche gibt derzeit permanent Zeichen, man<br />
könne ihr keinesfalls vertrauen. Die Folgen für die Marken<br />
sind absehbar.<br />
Selbst hochseriöse große Automarken müssen durch großzügige<br />
Garantieversprechen erhärten, dass man ihnen vertrauen<br />
kann. Bei Automarken kommt hinzu, dass die Käufer ein Auto<br />
meist bis an die Schmerzgrenze rabattiert haben möchten. Sie<br />
machen sich nicht klar, dass sie damit die Glaubwürdigkeit von<br />
Vertrauensdeklarationen untergraben.<br />
Vertrauen dient der Vereinfachung<br />
Vertrauen ist eine Maßnahme der Vereinfachung und der<br />
Aufwandersparnis – allerdings um den Preis latenter Unsicherheit.<br />
Vertrauen erspart den Aufwand weitergehender<br />
Absicherungen. Die könnten in Form von hohem Informationsaufwand,<br />
ausgefeilten Verträgen kompliziert werden. Ist<br />
Vertrauen da, darf man mit bequemem Ablauf rechnen. Vertrauen<br />
ist eine Einrichtung der Kultur, die geeignet ist, das Leben<br />
angenehmer zu machen. Allerdings sollte man nicht zu<br />
viel Aufwand sparen. Gerne beklagen sich die, die es sich beim<br />
Vertrauen zu leicht gemacht haben.<br />
Eine wichtige Facette der Attraktivität von Social Media ist,<br />
Kontrolle bei Menschen auszuüben, denen man vertrauen<br />
möchte, oder sich zu versichern, dass sie auch nicht besser<br />
sind als man selbst. Eifrig spüren die User dem Wahrheitsgehalt<br />
von Selbstdarstellungen nach. Sie sind selbst interessiert,<br />
Daten anderer für eigene Zwecke zu nutzen. Vor diesem<br />
Hintergrund ist zu sehen, wenn Datenmissbrauch im Netz<br />
beklagt wird.
Vertrauen verspricht Vorteil und Belohnung<br />
Wer vertraut oder Vertrauen fordert, hat persönliche Vorteile<br />
im Sinn und erhält zudem die Gratifikation, an einer besseren<br />
Welt zu arbeiten. Man möchte einen geliebten Menschen sein<br />
Eigen nennen, mit Geld geholfen bekommen oder helfen, eine<br />
Ware sofort haben und später bezahlen. Vertrauen ist jedoch<br />
nicht nur egoistisch. Wer vertraut, gibt ein Beispiel, wie es in<br />
der Welt zugehen könnte, die dann besser wäre – was eine<br />
bedeutsame Belohnung für das Wagnis des Vertrauens sein<br />
kann. Die Vereinfachung des Lebens durch Vertrauen ist ein<br />
hohes Ideal. Ideale sind nicht die Wirklichkeit. Marken, die ihre<br />
Vertrauenswürdigkeit über lange Jahre erwiesen haben, sind<br />
etwas Kostbares.<br />
Beispiel:<br />
Durch Lifestyle-Positionierungen möchten Marken zeigen,<br />
dass sie mit ihren Angeboten an einer schöneren, genussvolleren,<br />
besseren Welt arbeiten. Seit Beginn der 90er Jahre<br />
ist der Eindruck entstanden, man zahle bei Lifestyle-Marken<br />
mangels substanzieller Leistung für Lifestyle-Blasen. Diesem<br />
Eindruck verdanken Handels- und Discountermarken ihren<br />
Aufstieg. Hier geht es um die pure Produktleistung. Man kauft<br />
nicht ein Flair oder eine Stimmung, sondern eine nachprüfbare<br />
Leistung.<br />
Wegen der Risiken des Vertrauens benötigt, wer vertraut,<br />
Nervenkraft und muss das Geschick haben, sich Hintertüren<br />
offenzuhalten. Gute Nerven sind vor allem beim Ausbleiben<br />
von Zeichen gefragt. Man sollte zu realistischen Urteilen fähig<br />
sein: Folge ich nur einem Marken-Hype, der durch Qualität<br />
nicht gerechtfertigt ist? Vertrauende treffen in der Regel Absicherungen<br />
für den Fall des Verrats. Ganz ohne Plan B lassen<br />
sich nur wenige Menschen auf pures Vertrauen ein. Handelsmarken<br />
sind der Plan B der Markenkäufer.<br />
Wer vertraut oder Vertrauen fordert, hat persönliche<br />
Vorteile im Sinn und erhält zudem<br />
die Gratifikation, an einer besseren Welt zu<br />
arbeiten.<br />
Vertrauen psychologisch und kulturell<br />
Psychologisch ist Vertrauen ein überpersonales seelisches<br />
System gegenseitiger Aneignung zwischen Personen oder<br />
Institutionen, zu denen auch die Marken gehören. Wenn es<br />
funktionieren soll, muss es bestimmten Bedingungen genügen.<br />
Das psychologische Vertrauens-Gefüge ist von Natur<br />
aus eine kippelige Angelegenheit. Jeder Beteiligte muss etwas<br />
dazutun und seinen Part erfüllen. Vertrauen hat mehrere<br />
Drehpunkte, an denen das Ganze kippen und scheitern kann.<br />
Zugleich aber ist Vertrauen bei aller Unvollkommenheit eine<br />
wohltuende kulturelle Errungenschaft, die allen Beteiligten<br />
das Leben erleichtert. Demgegenüber erscheint das aktuelle<br />
Begriffsverständnis als verfälschende Vereinfachung und wenig<br />
vertrauenerweckend. Wir folgen einem Idealisierungsbedürfnis<br />
und beschweren uns, dass die Welt nicht so ideal ist,<br />
wie wir es gerne hätten. Vertrauen ist von vorne herein nicht<br />
die lautere und moralisch einwandfreie Angelegenheit, als die<br />
es oft gilt.<br />
Von den kulturpsychologischen Hintergründen her muss man<br />
sagen, wir sind an der Wohltat funktionierender Vertrauensbeziehungen<br />
nicht so sehr interessiert. Mehr interessieren<br />
uns Chancen zum Wechseln – sei es im Spekulieren auf Maximalgewinn,<br />
Lebensabschnittspartnerschaften, dem Wechsel<br />
von Ernährungsstilen bis zum Markenswitch. Zugunsten der<br />
Flexibilität, immer wieder andere Verhältnisse eingehen zu<br />
können („Ein- und Auskuppeln”), hat sich Unlust am Dauerhaften<br />
und Konsequenten breitgemacht. Wir möchten zwar,<br />
dass man uns gegenüber das Vertrauen wahrt, sind jedoch<br />
selbst nicht bereit dazu. Die Kultur hat sich in eine Richtung<br />
entwickelt, die Vorteile intakter Vertrauensverhältnisse aushöhlt.<br />
Unsere aktuelle Wirtschaftskultur sehnt sich nach einer Restitution<br />
von Vertrauen. Nicht zufällig ist das Thema Nachhaltigkeit<br />
in den Vordergrund getreten.<br />
Marke als Vertrauensbeziehung<br />
Aus den Einsichten in das Funktionieren von Vertrauen ergeben<br />
sich Folgerungen, wie Marken sich in der aktuellen Situation<br />
verhalten sollten. Hier können nur allgemeine Hinweise gegeben<br />
werden. Die Bereitschaft zu einer Vertrauensbeziehung<br />
muss neu deklariert werden. Kontinuierlich müssen kommunikative<br />
und produktbezogene Zeichen gegeben werden, dass<br />
an der vertrauensvollen Beziehung zum Kunden anhaltend Interesse<br />
besteht. Die Vorteile einer stabilen Markenbeziehung<br />
sollten im Vordergrund stehen – nicht der Spaß am ständigen<br />
Ein- und Auskuppeln. Marken sollten glaubwürdig machen,<br />
dass sie und ihre Produkte wechselhaften Verhältnissen und<br />
Launen gewachsen sind. Mit einer vertrauensvollen Markenbeziehung<br />
lebt man bereits ein gesellschaftlich wichtiges Ideal.<br />
Mit einer Marke sollte ein substanzieller Vorteil verbunden<br />
sein und keine Lifestyle-Blase.<br />
Anmerkungen<br />
1) Befunde zu Produkten und Branchen beziehen sich auf tiefenpsychologisch<br />
ausgerichtete empirische Untersuchungen aus den Jahren<br />
2008 bis heute.<br />
2) Mit Kultur gemeint ist hier die regulierende Gesamtgestalt der Gegenwartskultur.<br />
3) Zitiert werden tiefen- und kulturpsychologische Untersuchungen<br />
von ZweiEinheit zu Marken und Produkten in den Bereichen Autos,<br />
Altersvorsorge, Biofood, Handelsmarken, Marken im 21. Jahrhundert,<br />
Smartphones, Social Media, Telekommunikationsanbieter,<br />
Zeitschriften uvam.<br />
7<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
8<br />
Best Paper 2012<br />
Markenerleben<br />
Heike Kindel und Uwe Munzinger zu einer neuen Leitwährung in Markenführung und Markenforschung<br />
im post-digitalen Zeitalter<br />
„Milka eröffnet Tempel der Versuchung”, Horizont, 21. März 2012<br />
Nach der „Bunten Schokowelt” von Ritter Sport, dem „Nivea Haus” in Berlin und Hamburg,<br />
Pop-up-Stores wie dem Schwarzkopf Store mit der „Lightbox by Karl Lagerfeld” oder Persil eröffnet<br />
nun auch Milka seine eigene dreidimensionale Markenerlebniswelt. Dies ist ein weiteres<br />
Beispiel für das „Aufrüsten” der Markenartikler im Kampf um die nicht alltäglichen, besonders<br />
attraktiven und intensiven Markenerlebnisse.<br />
Neben solchen eigens entwickelten Markenerlebniswelten<br />
wird der Point of Sale beziehungsweise der stationäre Handel<br />
zunehmend zum Ort der direkten Interaktion zwischen<br />
Mensch und Marke. Die Inszenierung von Einkaufs- und Erlebniswelten<br />
bietet einen Zusatznutzen in Form von Markengeschichten,<br />
Emotionen, Gemeinschaftsgefühl und Erlebnischarakter.<br />
Gleichzeitig wächst die Zahl der Interaktionen<br />
zwischen Menschen und Marke über digitale Kontaktpunkte<br />
rapide.<br />
Für Markenverantwortliche ist es elementar<br />
zu erfassen, welche analogen und digitalen<br />
Kontaktpunkte in welchem Maße das Erleben<br />
der eigenen Marke sowie der Marke der<br />
Wettbewerber bestimmen.<br />
Entscheidend ist aber nicht das einzelne Erlebnis, sondern<br />
die Summe aller positiven wie auch negativen, analogen oder<br />
digitalen, eigenen oder durch zweite Hand erfahrenen Begegnungen<br />
zwischen Mensch und Marke. Anders ausgedrückt:<br />
Das Markenerleben ist die Summe aller individuellen Markenerlebnisse.<br />
Die Mehrzahl der vielfältigsten Markenkontakte<br />
nehmen wir dabei nur flüchtig wahr und verarbeiten diese<br />
nicht explizit.<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Heike Kindel<br />
Manager Research & Intelligence, MUSIOL MUN-<br />
ZINGER SASSERATH, Berlin, betreut die strategischen<br />
Forschungsaktivitäten des Unternehmens.<br />
Kindel verfügt über langjährigeErfahrung in der<br />
strategischen Markenberatung und <strong>Markt</strong>forschung.<br />
Diese Vielzahl an bewussten und meist unbewussten, geplanten<br />
und auch unbeabsichtigten Erlebnissen prägt unser<br />
Bild von Marken und damit unsere Präferenzen. Letztendlich<br />
bestimmt das ganzheitliche Erleben von Marken unser Verhalten,<br />
nicht allein das rationale Verstehen jeder einzelnen<br />
Begegnung. Eine offensichtliche Herausforderung für die Markenführung<br />
ist es daher, besonders attraktive und intensive<br />
Markenerlebnisse zu schaffen sowie die Vielzahl der Markenbegegnungen<br />
im Sinne des gewünschten Markenerlebens widerspruchsfrei<br />
zu steuern.<br />
Die Relevanz von Markenerlebnissen für die Prägung von Einstellung<br />
und Verhalten der Menschen gegenüber Marken und<br />
die Differenzierung im Wettbewerb macht das Markenerleben<br />
zur neuen Leitwährung der Markenführung. Die Markenerleben-Perspektive<br />
erlaubt eine neuartige Sicht auf zentrale Aspekte<br />
der Markenführung und ist die Grundlage eines zeitgemäßen<br />
Denk-, Forschungs- und Steuerungssystems.<br />
Die Markenerleben-Perspektive impliziert dabei drei zentrale<br />
Aufgabenfelder:<br />
Das Messen des Markenerlebens und des Beitrags verschiedener<br />
Arten von Markenerlebnissen.<br />
Das Wissen, welche Rolle die verfügbaren Kanäle für die eigene<br />
Marke und das Markenerleben in der Kategorie spielen.<br />
Das Erlebbarmachen von Marken auf Basis von Messen<br />
und Wissen.<br />
Uwe Munzinger<br />
Geschäftsführer, MUSIOL MUNZINGER SASSE-<br />
RATH, Berlin, startete seine berufliche Laufbahn<br />
bei der GfK Gruppe im Bereich der internationalen<br />
Werbeforschung. Bei der BBDO Gruppe war er erster<br />
Geschäftsführer für Strategische Planung und<br />
Research für Europa, danach Geschäftsführer und<br />
Gesellschafter von icon Brand Navigation (heute:<br />
Icon Added Value) und ist Mitbegründer des Unternehmens<br />
Musiol Munzinger Sasserath in Berlin.
Messung des Markenerlebens<br />
Für Markenverantwortliche ist es elementar zu erfassen, welche<br />
analogen und digitalen Kontaktpunkte in welchem Maße<br />
das Erleben der eigenen Marke sowie der Marke der Wettbewerber<br />
bestimmen. Denn nur was man messen kann, kann<br />
man auch steuern. Bisherige Ansätze bewerten meist nur die<br />
Auswirkungen des Markenerlebens, wie Klickraten, Abverkäufe,<br />
Fanzahlen auf Facebook, Kaufabsichten, Empfehlungsbereitschaften<br />
etc.<br />
Alle diese Wirkungsmaße haben natürlich ihre Daseinsberechtigung,<br />
um die Performance einzelner Kanäle zu evaluieren.<br />
Aber sie geben keinen Aufschluss über Wirkungszu-<br />
sammenhänge und lassen keine Vergleiche zwischen Kanälen<br />
zu. Um eine Marke ganzheitlich steuern und die richtigen<br />
Marken-Investment-Entscheidungen treffen zu können, ist<br />
es aber notwendig, die einzelnen Kontaktpunkte nicht isoliert,<br />
sondern in ihrer Gesamtheit zu betrachten und ihren jeweiligen<br />
Beitrag zum Markenerleben als Steuerungskenngröße zu<br />
ermitteln. Dafür bedarf es einer einheitlichen Währung, die für<br />
jede Art von Markenerlebnis gilt und valide mit tatsächlichen<br />
<strong>Markt</strong>entwicklungen korrespondiert.<br />
Ein innovatives, empirisch fundiertes Markenerleben-Steuerungssystem<br />
ermöglicht es, jede Art von Begegnung zwischen<br />
Menschen und Marken – egal ob analog oder digital,<br />
9<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
10<br />
medial oder non-medial – in einer gemeinsamen „Währung”<br />
zu quantifizieren und in Bezug zu den Investments zu stellen.<br />
Diese Währung ist das Markenerleben der Menschen. Damit<br />
lässt sich in einer kontaktübergreifenden Währung aufzeigen,<br />
welche Kontakte maßgeblich das Markenerleben prägen<br />
und welchen Return einzelne Aktivitäten tatsächlich erzielen:<br />
Welchen Anteil am Markenerleben hat die TV-Kampagne im<br />
Vergleich zum Facebook-Auftritt, welchen Beitrag leistet der<br />
Online-Shop im Vergleich zur Empfehlung von Freunden oder<br />
Bekannten? Oder im Vergleich zu einem Bericht von Stiftung<br />
Warentest oder dem Sponsoring von Events?<br />
Konkretes Vorgehen<br />
Am Anfang des Prozesses steht die Definition der strategischen<br />
Markenplattform mit der Markenerleben-Dreiheit Inhalt,<br />
Signal, Kanal. An dem Punkt, an dem Mensch und Marke<br />
aufeinandertreffen, werden Informationen übermittelt, und<br />
zwar die Informationen einer Marke: Wofür steht eine Marke,<br />
welche Leistungen bietet sie, welchen Charakter hat sie und<br />
welche Signale machen eine Marke unverkennbar. An jedem<br />
Kontaktpunkt erlebt der Mensch über verschiedene Kanäle die<br />
spezifischen Inhalte und Signale einer Marke. Die Betrachtung<br />
und Bestimmung des Erlebens einer Marke geht daher über<br />
eine reine Kontaktpunktbetrachtung hinaus und führt immer<br />
über die Markenerleben-Dreiheit, die in einem empirischen<br />
Prozess abgebildet wird.<br />
Im Folgenden konzentrieren wir uns aus Gründen der Klarheit<br />
der Darstellung ausschließlich auf die Messung der Kanäle, die<br />
sozusagen als „Träger” für Inhalte und Signale funktionieren.<br />
Für diese Evaluation der Kanäle nutzen wir den von Integration<br />
(IntegrationTM-IMC) entwickelten MCA (Market Contact<br />
Audit)-Ansatz, den wir für unsere Zwecke spezifisch adaptiert<br />
bzw. weiterentwickelt haben.<br />
Die Betrachtung und Bestimmung des Erlebens<br />
einer Marke geht über eine reine<br />
Kontaktpunktbetrachtung hinaus und führt<br />
immer über die Markenerleben-Dreiheit, die in<br />
einem empirischen Prozess abgebildet wird.<br />
Wesentlich für die Steuerung des Markenerlebens ist das Verständnis<br />
der relevanten Kontaktpunkte in einer Kategorie und<br />
für die verschiedenen Zielgruppen. Jede Kategorie funktioniert<br />
hierbei nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten. Ist beim Autokauf<br />
die Probefahrt ausschlaggebend, ist bei der Anschaffung<br />
von Technik der Produkttest der wichtigste Kanal. Bei Tankstellen<br />
hingegen spielt der Sanitärbereich eine sehr wichtige<br />
Rolle. Für jede Kategorie ist es daher notwendig, die relevanten<br />
Kanäle zu identifizieren.<br />
In einer qualitativen Vorstufe, die zum einen aus Interviews<br />
mit Unternehmensvertretern und zum anderen aus Fokus-<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
gruppen mit relevanten Bezugsgruppen besteht, werden alle<br />
Kanäle, über die man eine Marke im Kontext der „Customer<br />
Journey” erleben oder mit ihr in Kontakt treten kann, erfasst<br />
und bezüglich ihrer Relevanz im Kaufentscheidungsprozess<br />
bewertet.<br />
Aus dieser Liste, die nicht selten 80 Kanäle und mehr enthält,<br />
werden die 36 relevantesten Kanäle ausgewählt und in einer<br />
quantitativen Online-Studie sowohl bezüglich ihrer Relevanz<br />
als auch ihrer Reichweite beziehungsweise ihrer Leistung in<br />
der Wahrnehmung der Marke evaluiert.<br />
Die Relevanz jedes Kanals wird mithilfe von drei Wirkdimensionen<br />
bestimmt: Information, Attraktivität und Überzeugungskraft.<br />
Dabei wird eine Fragetechnik benutzt, die nicht<br />
die postrationalen Einschätzungen erfasst, sondern auf einer<br />
für Befragte einfachen, aber ausgeklügelten Systematik<br />
(„Bauchgefühl”) beruht, die explizite und implizite Dimensionen<br />
berücksichtigt und das Erleben über die drei zentralen<br />
Wirkgrößen erfasst.<br />
Diese Wirkgrößen tragen auf unterschiedliche Weise zum<br />
Markenerleben bei, so dass die individuelle Leistungsfähigkeit<br />
der verschiedenen Kanäle bezüglich der kognitiven, affektiven<br />
und konativen Wirkweise durchaus stark variieren kann. Das<br />
Maß für die individuelle Relevanz eines Kanals ist der sogenannte<br />
Kanal-Relevanz-Faktor, der die Vergleichbarkeit aller<br />
Kanäle – egal ob medial oder non-medial, digital oder analog,<br />
direkt oder indirekt – gestattet. Ergebnis dieser Analyse ist ein<br />
Ranking aller Kanäle nach Wichtigkeit.<br />
Die Reichweite beziehungsweise Performance jeder Marke auf<br />
diesen Kanälen wird durch die Assoziationen einer Marke und<br />
deren Wettbewerber über jeden einzelnen Kanal quantifiziert.<br />
Ermittlung des Markenerlebens<br />
Zur Berechnung der Größe des Markenerlebens wird der<br />
Relevanz-Faktor eines Kanals mit dessen Reichweite beziehungsweise<br />
Wahrnehmungshäufigkeit kombiniert und in sogenannten<br />
Markenerlebnispunkten (MEP) ausgegeben. Die<br />
Markenerlebnispunkte über alle 36 Kanäle hinweg bilden die<br />
gesamte Größe des Markenerlebens einer Marke.<br />
Die Größe des Markenerlebens einer Marke entspricht dem<br />
psychologischen <strong>Markt</strong>anteil einer Marke in einer Kategorie<br />
und korreliert äußerst hoch (Ø r = 0.8 – 0.9) mit den realen<br />
<strong>Markt</strong>anteilen. Dieser Zusammenhang wurde mehrfach von<br />
unabhängigen Quellen (wie INSEAD oder der ARF) bestätigt<br />
und entspricht unseren eigenen Erfahrungen in Kategorien<br />
wie LEH, Mode, PKW, Technologie, Telekommunikation oder<br />
Energie.<br />
Für jeden Kanal und jede Kanalkategorie kann nun der Anteil<br />
am gesamten Markenerleben einer Marke ermittelt und in Bezug<br />
zu den Wettbewerbsmarken gestellt werden. Verfügt jede<br />
Kategorie über ihre spezifische Relevanz von Kanalkategorien,<br />
ist jedoch allen Kategorien gemein, dass zehn Kanäle bereits
50 Prozent des gesamten Markenerlebens einer Marke ausmachen.<br />
Effizienz der Kanäle<br />
Durch die Gegenüberstellung der erzielten Markenerlebnispunkte<br />
(MEP) und der getätigten Investitionen lassen sich<br />
präzise Input-/Output-Berechnungen anstellen, die die Effizienz<br />
und Effektivität jedes einzelnen Kanals bestimmen und<br />
den jeweiligen Return on Brand Investment analysieren. Diese<br />
ROBI-Berechnungen ermöglichen den sinnvollen Einsatz von<br />
Budgets und die gezielte Steuerung der Markenaktivitäten.<br />
Markenerleben maximieren<br />
Auf Basis der Erkenntnisse des Markenerleben-Steuerungssystems<br />
konnte z.B. Takko Fashion durch die gezielte Optimierung<br />
der wirkungsvollsten Kanäle in der Kategorie und die<br />
sinnvolle Verknüpfung von relevanten und reichweitenstarken<br />
Kanälen seinen Anteil am Markenerleben der Kategorie<br />
sowie seinen <strong>Markt</strong>anteil im <strong>Markt</strong> der Fashion Discounter<br />
deutlich steigern.<br />
Marken transmedial erlebbar machen<br />
Das Verständnis der Wirkungsweise einzelner Kanäle in einer<br />
Kategorie ist die Basis, um eine Marke erlebbar zu machen<br />
und effizient und effektiv zu steuern. Dabei spielt im digitalen<br />
Zeitalter insbesondere die transmediale Verknüpfung analoger<br />
und digitaler Kontaktpunkte eine zentrale Rolle.<br />
Was kompliziert klingt, ist in der Praxis manchmal ganz einfach.<br />
Nehmen wir ein triviales Produkt wie Suppe. Durch einen<br />
einfachen Link oder QR-Code auf der Packung beziehungsweise<br />
Dose öffnet sich dem Anwender eine virtuelle Welt zu<br />
einer kreativen Koch-Community, mit Rezepten, Kochkursen,<br />
Tipps, Anleitungen etc. Finden diese Anregungen ihren Weg<br />
aus dem Internet zurück in die heimische Küche, ist der Weg<br />
vom analogen Produkt in die virtuelle Welt und zurück in die<br />
Küche gelungen. Die Marke Progresso ist diesen Weg gegangen<br />
und hat mit „The Idea Pantry” einen Weg geschaffen, den<br />
Kunden einen Mehrwert zu bieten und damit das Markenerleben<br />
einer einfachen Suppe deutlich zu erweitern.<br />
Bei der Analyse des Markenerlebens in einer Kategorie geht<br />
es deshalb auch nicht ausschließlich um die Betrachtung und<br />
Bewertung einzelner Kanäle, sondern um die Identifikation<br />
von Möglichkeiten für geeignete Verknüpfungsstrategien, die<br />
impactstarke beziehungsweise intensive, aber reichweitenschwache<br />
Kanäle mit solchen mit schwächerem Impact, aber<br />
hoher Reichweite verknüpfen.<br />
Das folgende Praxisbeispiel einer besonders gelungenen Verknüpfung<br />
von (analogem) Impact und (digitaler) Reichweite,<br />
die Einführung des Mini „Countryman” in Schweden, soll<br />
dieses Prinzip illustrieren. In Stockholm hatte während der<br />
Launch-Aktion „Getaway” jeder die Möglichkeit, via iPhone<br />
und einer App den neuen Mini Countryman zu „jagen”. Quasi<br />
eine reale Jagd auf einen virtuellen Mini, um einen echten zu<br />
gewinnen. So funktionierte das Ganze: Mit Hilfe der App, wel-<br />
che die eigene Position mittels GPS ermittelte, musste man<br />
sich auf mindestens 50 Meter dem virtuellen Mini nähern und<br />
diesen dann „schnappen”. Dann hieß es wegzukommen und<br />
keinen anderen Teilnehmer mehr als 50 Meter an sich heranzulassen.<br />
Der am Ende erfolgreiche Jäger gewann schließlich<br />
einen echten Mini Countryman.<br />
Was kompliziert klingt, ist in der Praxis<br />
manchmal ganz einfach. Nehmen wir ein<br />
triviales Produkt wie Suppe. Durch einen einfachen<br />
Link oder QR-Code auf der Packung<br />
beziehungsweise Dose öffnet sich dem Anwender<br />
eine virtuelle Welt zu einer kreativen<br />
Koch-Community …<br />
Die Mechanik funktionierte folgendermaßen. Zunächst wurde<br />
ein Film auf YouTube gepostet, der die App erklärte. Dieser<br />
Film wurde in kurzer Zeit mehr als 100.000 Mal gesehen. Im<br />
Radio wurde in der Woche vor der Kampagne und während der<br />
Aktionswoche jeden Tag über die Aktion berichtet. Zusätzlich<br />
gab es eine Kooperation mit „Tejbz”, einem der erfolgreichsten<br />
und bekanntesten Gamer mit Hunderttausenden Follower,<br />
Liker und Abonnenten auf seinen Social Media-Präsenzen.<br />
Außerdem wurde traditionelle Radio- und Anzeigenwerbung<br />
geschaltet, um auf die Aktion aufmerksam zu machen.<br />
Die Resultate: Während der Aktionswoche nahmen 11.413<br />
Menschen vor Ort in Stockholm teil und hatten ein extrem intensives<br />
Markenerlebnis. Die durchschnittliche Spieldauer betrug<br />
über 5 Stunden pro Person. Hunderttausende Menschen<br />
aus mehr als 90 Ländern verfolgten die Aktion über die Webseite<br />
minigetawaystockholm.com und generierten somit eine<br />
globale Reichweite für das lokale Erlebnis. Die Verkäufe des<br />
Mini stiegen nach Unternehmensangaben im ersten Quartal<br />
nach der Aktion um 108 Prozent (Rekord in Schweden).<br />
Der Mini-Countryman-Launch ist ein schönes Beispiel, wie<br />
sich ein extrem intensives, analoges Erlebnis für eine begrenzte<br />
Zahl von Menschen mit reichweitenstarken digitalen Kanälen<br />
verknüpfen lässt und so globale Aufmerksamkeit erfährt.<br />
Fazit<br />
Das Markenerleben, verstanden als die Summe aller analogen<br />
und digitalen Begegnungen zwischen Mensch und Marke,<br />
wird im digitalen und postdigitalen Zeitalter die Leitwährung<br />
in der Markenführung sein. Gewinnen werden die Marken, die<br />
es verstehen, das Markenerleben präzise zu messen, kreativ<br />
und effektiv zu managen und letztendlich zu maximieren.<br />
Eine spannende Zukunft für Markenführung und Markenforschung.<br />
11<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
12<br />
Web 2.0 = Markenführung 2.0<br />
Christoph Prox, Icon Added Value, zur Frage, ob morgen alles anders wird<br />
Sind Sie lieber auf Xing oder auf Linked-in? Oder doch auf Facebook? Selbst wenn Sie den<br />
Netzwerken noch widerstehen, wann haben Sie zuletzt nach Rezensionen geschaut bei der<br />
Buchung einer Urlaubsreise, beim neuen Auto, der Stereoanlage, der Fotokamera oder dem<br />
Staubsauger? Vielleicht haben Sie mit alldem ja nach wie vor nichts zu tun, dann allerdings<br />
gehören Sie einer aussterbenden Spezies an.<br />
Täglich gehen auf Wordpress 50.000 Blogs online, Unternehmen<br />
wie Metro, Yello, Jack Wolfskin oder adidas haben 2011<br />
Corporate Blogs eröffnet. Und auch wenn der Börsengang von<br />
Facebook wohl nicht als der große Erfolg tituliert werden kann,<br />
den Mehrwert von Facebook für die europäische Wirtschaft<br />
taxierte Deloitte kürzlich mit 15,3 Mrd. Euro.<br />
Die Zeiten, da eine Marke einmal sauber<br />
durchdekliniert wurde und das umgesetzt<br />
wurde und dann alle paar Jahre ein Marken-<br />
Relaunch kam, sind für die meisten vorbei.<br />
Heute gilt: Always on. Das bedeutet, dass<br />
Marken keine statischen Gebilde mehr sind,<br />
sondern zu aktiven, pulsierenden Systemen<br />
werden sollten, die in Kontakt mit ihren Zielgruppen<br />
treten.<br />
Warum ist das alles für die Markenführung so relevant?<br />
Relevant ist das deswegen, weil diese Entwicklung gesellschaftliche<br />
Implikationen hat. Weil sich nicht nur die Medienlandschaft<br />
und die Technologie ändern, sondern mit ihr auch<br />
das Verhalten der Menschen und wie sie ihr Markenwissen<br />
erwerben. Die Art der Informationsaufnahme – das Kurze,<br />
Komprimierte, Gehetzte – ist zum allgemeinen Standard geworden.<br />
Die Geduld sinkt, die Bereitschaft, sich mit etwas in<br />
der Tiefe auseinanderzusetzen, ebenso. Gleichzeitig steigt die<br />
Reizschwelle, die überschritten werden muss, um überhaupt<br />
noch wahrgenommen zu werden. Bewertungen und Empfehlungen<br />
ersetzen die eigene Meinungsbildung, Marken verlieren<br />
in einzelnen Bereichen bereits die Hoheit über Qualitätsversprechen.<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Christoph Prox<br />
CEO und Mitglied des Global Management Board<br />
der Icon Added Value Group, Nürnberg, startete<br />
seine berufliche Karriere bei einer internationalen<br />
Unternehmensberatung. Seit 1994 ist er bei Icon<br />
Added Value in Nürnberg tätig.<br />
Inwiefern ändern Internet und die neuen Medien die Gesellschaft?<br />
Die sozialen Medien bieten das, was man eigentlich unter<br />
Kommunikation versteht, nämlich Austausch, Konversation.<br />
Sie entwickeln sich deswegen so rasant, weil sie die Bedürfnisse<br />
der Menschen nach sozialer Interaktion und Unterhaltung<br />
bedienen. Märkte werden daher immer stärker durch<br />
situativen Austausch geprägt. Vernetzung als neue Form der<br />
sozialen Ordnung. Urteilsbildung wird von einem individuellintuitiven<br />
zu einem statistischen sozialen Vorgang. Man<br />
wählt, was die besten Bewertungen bekommt.<br />
Das geht einher mit einem veränderten Bewusstseinszustand:<br />
Ein Strom aus Anreizen und Informationen, die uns<br />
wichtig sind. Ein persönlicher Informations- und Lebensfluss,<br />
der sich dynamisch verändert. Der Lese- und Verarbeitungsvorgang<br />
gleicht hier eher einem schnellen, intuitiven Scannen<br />
und Filtern von Informationen. Wobei der Strom interaktiv<br />
ist. Mit Posts, Kommentaren oder Klicks beeinflussen wir die<br />
Fließrichtung und -geschwindigkeit. In Zukunft wird das Netz<br />
recht genau wissen, was uns interessiert. Es wird den Strom<br />
intelligent mit personalisierten Informationen, Dokumenten,<br />
Terminen und Vorschlägen füttern. Beruflich wie privat. Dieser<br />
personalisierte Informationsstrom wird von überall aus<br />
zugänglich sein. Fast immer auf Standby, gewissermaßen „Always<br />
in”.<br />
Für was auch immer wir uns interessieren, die Informationsfülle<br />
wird es erlauben, sich endlos mit den „High-<br />
Involvement”-Themen zu beschäftigen. Da der Tag aber auch<br />
in Zukunft leider nur 24 Stunden haben wird, werden Zweite-<br />
Reihe-Themen leiden und alles andere genauso wenig Zeit<br />
abbekommen wie bisher. Das bedeutet aber umgekehrt, dass<br />
für diese Themen „mentale Abkürzungen”, die die Entscheidungsprozesse<br />
vereinfachen – und das sind Marken ja nun<br />
einmal –, relevant bleiben oder noch relevanter werden.<br />
Wissen wird als Erfolgsfaktor weniger wichtig. Somit wird<br />
sich auch das Erlernen von Informationen ändern. Es wird<br />
oberflächlicher, schneller, kürzer. Wie Mittelstraß schon in<br />
den 90ern prophezeit hat: Wir werden zu Informationsriesen<br />
und Wissenszwergen. Aktionismus und Herdentrieb ersetzen<br />
überlegtes Handeln.
13<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
14<br />
Soziale Medien. Die Antwort auf alles?<br />
Es gibt keine allgemeingültige Antwort auf die Relevanz der<br />
sozialen Medien für die Markenführung. Es ist tatsächlich von<br />
Kategorie zu Kategorie unterschiedlich. Nachvollziehbar, aber<br />
wenig hilfreich. Wir haben daher ein Systematisierungsraster<br />
erarbeitet, das zeigt, welches Potenzial soziale Medien aus<br />
dem Stand entwickeln können. Auf der Y-Achse der Abbildung<br />
1 ist Involvement, auf der X-Achse die Erklärungsbedürftigkeit<br />
abgebildet. Der Faktor Involvement: Das Web ist – im Gegensatz<br />
zum Fernsehen – ein Aktiv-Medium. Ich beschäftige mich<br />
mit den Themen, die mich interessieren. Den Rest blende ich<br />
aus. Der Faktor Erklärungsbedürftigkeit: Unabhängig vom Involvement<br />
gibt es Themen, bei denen ich mich auskenne oder<br />
die so simpel sind, dass ich sie auch ohne Hilfe verstehe. Und<br />
solche, wo es etwas komplizierter wird – technische Zusammenhänge,<br />
oder komplexere Dienstleistungen. Hier kann ein<br />
wenig Aufschlauen nicht schaden.<br />
Abbildung 1: Systematisierungsraster<br />
Selbst-<br />
erklärend<br />
Alkohol<br />
Parfüm<br />
Bekleidung &<br />
Accessoires<br />
Bio/Functional Food<br />
Food<br />
Non-Food-Konsumgüter<br />
High Involvement<br />
Low Involvement<br />
Erklärungs-<br />
bedürftig<br />
Hohe Bedeutung für die Markenführung haben die sozialen<br />
Medien im Feld „High Involvement / Erklärungsbedürftig”: Die<br />
Menschen interessieren sich für die Produkte und wünschen<br />
sich mehr Informationen. Im Feld „Low Involvement / Selbsterklärend”<br />
gibt es dieses Bedürfnis nur, wenn konkrete Entscheidungen<br />
anstehen. Schwierig wird es im Feld „Low Involvement<br />
/ Erklärungsbedürftig”: Die Produkte und ihre Absendermarken<br />
sind eher einfach und zusätzlich nicht besonders interessant.<br />
Die Produkte im Feld „High Involvement / Selbsterklärend”<br />
sind einfach, üben aber mehr Faszination und daher mehr Anziehungskraft<br />
aus. Zentral bleibt: Wer Menschen erreichen will,<br />
muss ihnen einen relevanten Nutzen bieten.<br />
Bei erklärungsbedürftigen Produkten kann der Absender mit<br />
geeigneten Serviceangeboten helfen. Ist das Involvement<br />
noch entsprechend hoch, bestehen hier tatsächlich Chancen<br />
für eine kontinuierliche Interaktion mit der Marke. Wenn<br />
dann der Bausparvertrag aber einmal abgeschlossen ist, der<br />
Stromtarif umgestellt oder das DSL-Netz läuft, ist es mit der<br />
Interaktion allerdings fürs Erste vorbei. Schwierig wird es,<br />
wenn wenig zu erklären oder zu helfen ist. Wenig Menschen<br />
interessieren sich ernsthaft für die Ingredienzien von Knäckebrot.<br />
Hier muss man auffallen, kreativ sein, häufig unterhalten<br />
– aber das bitte mit Bezug zum Markenversprechen.<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Automobil<br />
Computer<br />
Telko-Endgeräte<br />
Reisen<br />
Hobby<br />
Versicherungen<br />
Banken<br />
Energie<br />
Telko-Provider<br />
Vier konkrete Handlungsempfehlungen:<br />
1. Etablieren Sie ein Notfall-Team<br />
Auch wenn Sie nichts im Bereich soziale Medien unternehmen<br />
wollen, sollten Sie auf jeden Fall ein „Notfall-Team” etablieren.<br />
Denn auch das beliebteste Unternehmen kann in eine Web-<br />
Krise geraten. Und dann muss schnell und professionell gehandelt<br />
werden. Klassische hierarchische Abstimmungsprozesse<br />
funktionieren dann nicht mehr, weil die zu bearbeitende<br />
und beantwortende Flut an Meldungen die Kapazität von einzelnen<br />
oder einer PR-Abteilung bei weitem übersteigt. Und in<br />
Echtzeit reagiert werden muss.<br />
Wie schnell man in eine Krise geraten kann, in der man sich<br />
einen solchen Notfallplan wünscht, zeigt der neueste Fall um<br />
Hipp’s Instant-Tee für Kleinkinder, der sich statt als Durstlöscher<br />
für Kinder, wie eigentlich beworben, als Zuckerbombe<br />
und damit als nur gelegentlich zu verzehrende Süßigkeit entpuppte.<br />
Für das bis dato als vertrauenswürdig geltende Unternehmen<br />
war das ein handfester Skandal, für den es sogar<br />
den „Goldenen Windbeutel 2012” erhielt. Also: Wählen Sie geeignete<br />
Mitarbeiter aus und schulen Sie diese entsprechend.<br />
Und entwickeln Sie einen Notfallplan.<br />
2. Passen Sie Ihre Schlagzahl der neuen Welt an<br />
Markenführung wird agiler und dynamischer. Die Zeiten, da<br />
eine Marke einmal sauber durchdekliniert wurde, das umgesetzt<br />
wurde und dann alle paar Jahre ein Relaunch kam, sind<br />
für die meisten vorbei. Auch hier gilt: Always on. Das bedeutet,<br />
dass Marken keine statischen Gebilde mehr sind, sondern zu<br />
aktiven, pulsierenden Systemen werden sollten, die in Kontakt<br />
mit ihren Zielgruppen treten und mit diesen bestenfalls interagieren<br />
– die vor allem im High-Involvement-Bereich neue<br />
Impulse setzen müssen, um interessant und im Gespräch zu<br />
bleiben. Und im Low-Involvement-Bereich immer wieder aktualisieren<br />
müssen, um in den Köpfen zu bleiben. Das heißt<br />
auch, dass Marken interessant und facettenreich sein müssen,<br />
dass sie in der Lage sein müssen zu überraschen. Ein<br />
sehr enges Korsett ist dabei schädlich. Es geht in Zukunft weniger<br />
um rigide, detailliert durchdeklinierte „executional mandatories”<br />
als um Kohärenz.<br />
Die sozialen Medien bieten das, was man<br />
eigentlich unter Kommunikation versteht,<br />
nämlich Austausch, Konversation. Sie entwickeln<br />
sich deswegen so rasant, weil sie<br />
die Bedürfnisse der Menschen nach sozialer<br />
Interaktion und Unterhaltung bedienen.<br />
Aber werden Sie nicht zu Aktionisten. Es gilt, die Zügel noch<br />
selbst in der Hand zu halten und nicht zum Getriebenen zu<br />
werden. Desaster-Check und Trendmonitoring: Ja. Permanentes<br />
Feedback über die Beobachtung und Auswertung dieser<br />
Rund-um-die-Uhr-Kommunikation hält Sie aber von dem ab,<br />
was Sie eigentlich tun sollten.
3. Hauchen Sie Ihrer Marke Leben ein<br />
Und damit wird ein vielfach vernachlässigtes und unterschätztes<br />
Thema immer wichtiger: Markenpersönlichkeit.<br />
Heute häufig als Appendix oder lästige Pflichtübung der Markenführung<br />
betrachtet, ergeben sich hier tatsächlich Chancen<br />
zur Differenzierung und Aktivierung. Allerdings nicht, wenn<br />
man es mit den üblichen Worthülsen wie „jung, dynamisch,<br />
weltoffen” oder „seriös, kundenorientiert, modern” versucht.<br />
Das ist nicht nur beliebig, es wird auch von zehn am Markenführungsprozess<br />
beteiligten Personen unterschiedlich verstanden<br />
werden. Beste Voraussetzungen also für eine stringente<br />
Umsetzung.<br />
Es geht auch anders. Eine Marke ist ein Produkt mit Persönlichkeit.<br />
Der Charakter ist die Klammer für die Markenidentität.<br />
Wenn er stimmig und spezifisch definiert ist, können Sie<br />
aus ihm einen großen Teil des Markenversprechens und auch<br />
der Signatur-Elemente ableiten. Wichtig ist, dass die Markenpersönlichkeit<br />
holistisch wird, dass Sie sich der Person quasi<br />
gegenüber sehen. Wenn Sie eine solche Markenpersönlichkeit<br />
aus Fleisch und Blut entwickelt haben, hat das gleich mehrere<br />
Vorteile: Sie wird tatsächlich weitgehend einheitlich gesehen<br />
und kann damit auch konsistent über Marketing-Mix-Elemente<br />
und Touchpoints umgesetzt werden – egal wer dafür<br />
verantwortlich ist. Auch kann sie viel leichter in die Zukunft<br />
geführt werden und sich weiterentwickeln. Wie Menschen<br />
eben auch.<br />
Wir arbeiten hier in der jüngsten Zeit verstärkt mit Archetypen.<br />
Kein neues Denkmodell, aber in seiner praktischen Anwendbarkeit<br />
deutlich optimiert. Das Grundmodell unterscheidet<br />
zwischen 12 Archetypen, wie dem Weisen, dem Entdecker, dem<br />
Magier oder dem Herrscher – was zur Entwicklung von Markenpersönlichkeiten<br />
zu undifferenziert wäre. Wenn Sie aber<br />
den primären und sekundären Archetyp einer Marke kombinieren,<br />
erhalten Sie 132 unterschiedliche Varianten – beileibe<br />
genug, um sehr spezifische Persönlichkeiten zu definieren.<br />
Damit das nicht zu abstrakt bleibt, zwei Beispiele. Zum einen<br />
Mini: Die Persönlichkeit ist hier am ehesten eine Kombination<br />
aus drei Archetypen: Rebell, Spaßvogel und Unschuldiger.<br />
Also ein wenig keck, schlagfertig, und immer gut drauf. Und<br />
jemand, dem man einfach nichts übel nehmen kann. In Kombination<br />
ergibt das so etwas wie den „charmanten Draufgänger”.<br />
Eine solche Marke kann keine Sänften bauen, auch keine<br />
Vernunftautos. Sondern Autos, die Spaß mit einer gewissen<br />
Coolness verbinden, bei denen ein „vernünftiges Maß an Unvernunft”<br />
eine Dosis Eskapismus aus dem Alltag garantiert.<br />
Das funktioniert auch in anderen Branchen, z.B. im Finanzdienstleistungsmarkt.<br />
Die Deutsche Bank ist in der Archetyp-<br />
Kombination so etwas wie Herrscher und Held. Held weniger<br />
in der Ausprägung des selbstlosen Feuerwehrmanns als des<br />
unerschrockenen Kämpfers. Daraus wird dann ein Feldherr:<br />
Staatsmännisch, autoritär, weltgewandt, leistungsorientiert<br />
bis zur Rücksichtslosigkeit, nach innen wie nach außen – in<br />
Deutschland stark über den ehemaligen CEO Ackermann definiert.<br />
Daraus lassen sich Versprechen wie „kühle Professio-<br />
nalität”, „Streben nach Exzellenz”, „für Menschen mit hohen<br />
Ansprüchen”, „Exklusivität” oder „Auswahl international führender<br />
Produkte” fast zwingend ableiten. Dazu ein – trotz des<br />
handgeschriebenen Leistungsversprechens „Leidenschaft” –<br />
eher kühler, souveräner, reduzierter Auftritt. In Summe macht<br />
sie das zu einer der wohl polarisierendsten Finanzdienstleister-Marken<br />
überhaupt. Für manche untragbar. Für andere alternativlos.<br />
4. Leben Sie Ihre Marke im Unternehmen<br />
Mit der Dynamisierung der Marke und dem Ansteigen der<br />
Touchpoints werden mehr und mehr Mitarbeiter mit der Außenwelt<br />
interagieren und somit zum Markenbotschafter. Damit<br />
das geschehen kann, muss allerdings die Markenidentität<br />
im Unternehmen zunächst verstanden und verinnerlicht werden.<br />
Warum? Wenn eine Marke ständig neue Impulse setzen<br />
soll, muss klar sein, wofür sie steht. Was zur Marke passt, und<br />
wo ihre Grenzen sind. Marke durfte nie komplex sein. Jetzt<br />
aber gibt es ein explizites Postulat nach Einfachheit.<br />
Mit der Dynamisierung der Marke und dem<br />
Ansteigen der Touchpoints werden mehr und<br />
mehr Mitarbeiter mit der Außenwelt interagieren<br />
und somit zum Markenbotschafter.<br />
Zum einen, weil die Welt sich so schnell dreht, dass für um<br />
die Ecke Gedachtes keine Zeit mehr ist. Zum anderen, weil die<br />
Marke vom Unternehmen als Ganzes verinnerlicht werden<br />
muss, nicht nur von Marketing und Vertrieb, und als Bestandteil<br />
der Unternehmenskultur internalisiert. Der Unterschied zu<br />
einem stärker monolithisch-statischen Markenverständnis<br />
ist, dass die Markenidentität eher als Korridor, denn als Punkt<br />
beschreibend verstanden werden muss. Das ist eine Evolution<br />
des Verständnisses von Markenidentität.<br />
Ein Beispiel – Dell hat aus schlechten Erfahrungen gelernt. Vor<br />
wenigen Jahren sind sie noch selbst an den Pranger gestellt<br />
worden, für zu passives, arrogant-ignorantes Verhalten. Inzwischen<br />
ist Dell zu einem der Vorreiter in der Nutzung der<br />
sozialen Medien geworden – und darin, wie man damit organisatorisch<br />
umgeht. Social Media Reps finden sich in der gesamten<br />
Organisation, von Marketing über Service bis zu HR.<br />
Mittlerweile gibt es eine fünfstellige Anzahl von Mitarbeitern,<br />
die Dell als Official Social Media Rep nach außen vertreten<br />
dürfen – dezentrale Markenführung par excellence.<br />
Fazit<br />
Nein, die neuen Medien sind nicht die Antwort auf alles. Aber<br />
sie haben die Welt, wie wir sie kennen, gehörig aufgewirbelt.<br />
Markenführung morgen wird tatsächlich mehr und anders<br />
sein müssen als Markenführung gestern. Eine ganze Reihe<br />
von Spielregeln ändert sich – wir dürfen gespannt sein, wer sie<br />
am schnellsten und besten lernt. Intelligente Forschung wird<br />
dabei sicherlich nicht schaden.<br />
15<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
16<br />
Nominiert für das Best Paper 2012<br />
TRI*M Digital Reputation Manager<br />
Dr. Peter Pirner, Dr. Steffen Hermann und Susanne Klar, TNS Infratest, zur Steuerung der<br />
Unternehmensreputation durch Verknüpfung von Social-Media-Monitoring, Stakeholder-<br />
Befragung und Digital Lifestyle Segmentierung<br />
Der TRI*M Digital Reputation Manager (TRI*M DRM) ist ein neuer Ansatz, um Unternehmen bei<br />
der Messung der Online-Reputation, der Bewertung ihres Einflusses auf die Unternehmensreputation<br />
und der anschließenden gezielten Kommunikation zu unterstützen. Dabei wird<br />
Social-Media-Monitoring mit einer klassischen TRI*M-Befragung bei Stakeholdern und mit der<br />
globalen Studie TNS Digital Life zum Internetverhalten verknüpft. 1)<br />
Noch nie konnten Stakeholder so schnell und so direkt Einfluss<br />
auf die Reputation von Unternehmen nehmen wie im<br />
heutigen Social-Media-Zeitalter: Über 800 Millionen Facebook-Nutzer<br />
weltweit, Millionen Facebook-Fans verschiedenster<br />
Unternehmen und Organisationen, 155 Millionen<br />
versendete Tweets (Twitter-Nachrichten) pro Tag, Milliarden<br />
von Beiträgen in Foren, Blogs und Chats. Die eigene Meinung<br />
über Unternehmen und Produkte zu veröffentlichten ist zum<br />
Massenphänomen geworden. Mit den entsprechenden Risiken<br />
und Nebenwirkungen, aber eben auch den Chancen müssen<br />
sich die Kommunikationsstrategen in Unternehmen und<br />
Agenturen auseinandersetzen.<br />
Die klassische soziodemografische Segmentierung<br />
von Zielgruppen reicht nicht aus,<br />
wenn auch digitale Kommunikationsstrategien<br />
abgeleitet werden sollen.<br />
Diese gefühlte Verlagerung der Meinungsmacht führte in vielen<br />
Unternehmen zunächst zu einer gewissen Hilflosigkeit.<br />
Manche ignorieren negative Äußerungen im Internet bis heute.<br />
Andere sind in einen „blinden” Aktionismus verfallen, sobald<br />
in Blogs, Chats, Foren oder sozialen Netzwerken negative<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Dr. Peter Pirner<br />
Global Director, TRI*M<br />
Centre, TNS Infratest,<br />
München arbeitet seit<br />
1998 bei TNS Infratest.<br />
Vor seiner Arbeit im Global<br />
TRI*M Center war er als<br />
Key Account Manager in<br />
der Finanzmarktforschung<br />
und als Business Area<br />
Manager in der Automobilmarktforschung<br />
tätig.<br />
Kommentare über sie geäußert wurden – dies, ohne die Relevanz<br />
der Beiträge für ihre Reputation wirklich einschätzen zu<br />
können.<br />
Wiederum andere messen bereits ihre Unternehmensreputation<br />
und deren wichtigste Treiber durch Befragung ihrer Stakeholder,<br />
beschränken sich aber auf die Offline-Welt. Damit<br />
ignorieren sie die potenziellen Einflüsse von online verbreiteten<br />
Themen auf die für sie wichtigen Stakeholdergruppen<br />
wie zum Beispiel aktuelle und potenzielle Kunden, Mitarbeiter,<br />
Shareholder, Lieferanten oder Vertriebspartner.<br />
Strategische Überlegungen zum (digitalen) Reputationsmanagement<br />
Die Unternehmensreputation ist eine zentrale Zielgröße der<br />
PR und Unternehmenskommunikation sowie ein zentraler<br />
Faktor in der Umsetzung von Wachstumsstrategien und hat<br />
daher große strategische Bedeutung.<br />
Wie eingangs dargestellt wird die Reputation eines Unternehmens<br />
zunehmend durch die veröffentlichte Meinung im<br />
Internet beeinflusst. Blogs, Tweets, Chats, Kommentare in<br />
Foren und in Social Networks wie Facebook gelten vielen PR-<br />
Abteilungen nach wie vor überwiegend als schwer kalkulierbare<br />
Risikofaktoren für die Unternehmensreputation. Hierbei<br />
ist jedoch zu berücksichtigen, dass die online geäußerten<br />
Dr. Steffen Hermann<br />
Director, Global TRI*M<br />
Centre, TNS Infratest,<br />
München startete seine<br />
Berufskarriere als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter<br />
an der Leipzig Graduate<br />
School of Management.<br />
Seit 2005 arbeitet er für<br />
TNS Infratest, ist internationaler<br />
TNS Experte für<br />
Reputationsforschung<br />
und verantwortet das<br />
Marketing der Stakeholder<br />
Management Practice.<br />
Susanne Klar<br />
Associate Director, Digital<br />
Centre Germany, TNS Infratest,<br />
Hamburg, ist seit 2000<br />
bei TNS Infratest tätig. Davor<br />
arbeitete sie bei Research<br />
International. Schwerpunkt<br />
ihrer Tätigkeit liegt in der<br />
Entwicklung digitaler Forschungsmethoden.
Meinungen nur einen Teil der Meinung der Stakeholder eines<br />
Unternehmens widerspiegeln. Ergebnisse der TNS Digital Life<br />
Studie 2011 zeigen, dass nur 31 Prozent der deutschen Onliner<br />
Kommentare zu Produkten oder Unternehmen im Internet<br />
posten. Die durch Social-Media-Monitoring für ein Unternehmen<br />
verfolgbare veröffentlichte Meinung im Internet repräsentiert<br />
also nur einen mehr oder weniger kleinen oder großen<br />
Teil der tatsächlichen Unternehmensreputation.<br />
Um Social Media systematisch in das Reputationsmanagement<br />
zu integrieren, sind zwei Dinge wichtig: Zunächst ist<br />
die tatsächliche Relevanz der diskutierten Themen für die<br />
relevanten Anspruchsgruppen zu erfassen. Daneben sind für<br />
die jeweiligen Zielgruppen effektive Kommunikationskanäle<br />
zur Vermittlung der Unternehmensbotschaften zu wählen.<br />
In diesem Kontext eröffnet die Erkenntnis, welche Themen<br />
und welche Plattformen im Internet tatsächlich Einfluss auf<br />
die Reputation eines Unternehmens bei ihren Zielgruppen<br />
haben und welches digitale Kommunikations- und Informationsverhalten<br />
diese auszeichnet, neue Möglichkeiten für die<br />
Unternehmenskommunikation. Diese Chancen durch die Integration<br />
verschiedener Datenquellen zur Schaffung einer soliden<br />
Informationsbasis zur Entscheidungsunterstützung zu<br />
nutzen, ist eine aktuelle Herausforderung des zeitgemäßen<br />
Reputationsmanagements.<br />
Zielsetzungen und methodische Umsetzung<br />
Um die oben skizzierte Problemstellung zu lösen, kombiniert<br />
der TRI*M Digital Reputation Manager die verschiedenen<br />
Quellen der öffentlichen Meinungsäußerung und -erfassung<br />
sowie die Möglichkeit einer aktiven Steuerung der Unternehmensreputation<br />
in drei Projektphasen: erstens in der Themenidentifizierung<br />
(Online-Reputation), zweitens in der The-<br />
menbewertung (Unternehmensreputation) und drittens im<br />
Kommunikations-Management der Stakeholdergruppen (Abbildung<br />
1).<br />
1. Themen und Online-Reputation identifizieren<br />
In dieser Phase geht es darum, die für ein Unternehmen relevanten<br />
Beiträge in Social Media zu finden und sie anhand der<br />
Häufigkeit der Nennungen und der Tonalität in den Beiträgen<br />
zu klassifizieren. Dies kann als eine Momentaufnahme der<br />
Online-Reputation geschehen. Es empfiehlt sich eine zumindest<br />
längerfristige oder idealerweise kontinuierliche Beobachtung<br />
der unternehmens- und markenrelevanten Internetbeiträge.<br />
Meinungsäußerungen in sozialen Medien werden durch<br />
diverse externe Einflüsse beeinflusst und gesteuert, zum<br />
Beispiel bei technischen Produkten durch das Weihnachtsgeschäft<br />
oder Einflüsse durch eine verstärkte Presseaktivität<br />
Abbildung 1: Die drei Schritte des TRI*M Digital Reputation Managers<br />
1. Onlinereputation und<br />
Themen identifizieren: 2. Themenrelevanz und Social<br />
Media-Impact bewerten:<br />
Social Media Monitoring<br />
TRI*M<br />
Corporate Reputation<br />
3. Stakeholder-<br />
kommunikation<br />
(digital) managen:<br />
TNS Digital Life<br />
TRI*M<br />
Digital<br />
Reputation<br />
Manager<br />
TRI*M Reputation Index<br />
TRI*M Reputation Grid<br />
17<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
18<br />
wie zum Beispiel einem Börsengang oder Kommunikation in<br />
Zusammenhang mit den Aktionärshauptversammlungen.<br />
Auch Offline-Werbekampagnen können sich auf die Online-<br />
Kommunikationsthemen auswirken.<br />
2. Reputationsrelevanz in den eigentlichen Zielgruppen<br />
bewerten<br />
Da nicht jeder seine Meinung im Internet veröffentlicht, folgt<br />
der Themenidentifizierung die systematische Analyse der Reputation<br />
bei den relevanten Stakeholdern beziehungsweise<br />
Zielgruppen. Hierzu werden die online gefundenen Themen<br />
systematisch in einen TRI*M Corporate Reputation-Fragebogen<br />
überführt. Über die Abfrage der Wichtigkeit verschiedener<br />
Themen und der Bewertung des Unternehmens auf den<br />
entsprechenden Dimensionen wird eine detaillierte Diagnose<br />
der Stärken und Schwächen durchgeführt und so der Handlungsbedarf<br />
zur Verbesserung der Reputation identifiziert und<br />
priorisiert. Daraus gewinnt ein Unternehmen die Erkenntnis,<br />
welche Themen im Internet die Unternehmensreputation tatsächlich<br />
beeinflussen. Hierfür ist eine nach den Regeln der<br />
Kunst gestaltete Befragung der gemäß ihrer Relevanz selektierten<br />
und definierten Zielgruppen der Unternehmenskommunikation<br />
nach wie vor unentbehrlich.<br />
3. (Digitale) Kommunikationsplanung in den Stakeholdergruppen<br />
Die klassische soziodemografische Segmentierung von Zielgruppen<br />
reicht nicht aus, wenn auch digitale Kommunikationsstrategien<br />
abgeleitet werden sollen. Die Zielgruppensegmentierung<br />
für das Reputationsmanagement im Web 2.0<br />
muss zeigen, wie das Online-Verhalten der für ein Unternehmen<br />
relevanten Stakeholder aussieht und welche Rolle die<br />
verschiedenen digitalen Kommunikationskanäle für deren<br />
Meinungsbildung spielen. TNS Infratest hat in der Digital Life<br />
Studie, der weltweit größten Studie zum Internet-Nutzungsverhalten,<br />
eine Segmentierung verschiedener Internetnutzergruppen<br />
entwickelt, die umfassende Informationen über die<br />
digitale Erreichbarkeit verschiedener Segmente liefert.<br />
Durch die integrierte Nutzung von drei speziellen<br />
Datengrundlagen – Social-Media-Screening,<br />
Reputationsbefragung und digitale Lifestyle-<br />
Segmentierung – kann das Corporate-Reputation-Management<br />
deutlich differenzierter<br />
unterstützt werden.<br />
Über einige zusätzliche Fragen, die sogenannten Golden<br />
Questions in dem Bewertungsinterview, kann jeder Teilnehmer<br />
einem digitalen Lebensstil (Segment) zugeordnet werden.<br />
Insgesamt gibt es sechs verschiedene digitale Lebensstile, die<br />
sich in ihrer Internetnutzung nach Nutzungsdauer und -tätigkeiten,<br />
aber auch nach ihren Einstellungen gegenüber der<br />
Internetnutzung unterscheiden. Auf Basis der Segmentinformationen<br />
lässt sich ableiten, welche Plattformen und Kommunikationsinhalte<br />
die jeweiligen Lebensstile gut ansprechen<br />
und damit empfehlenswert sind für den Einsatz in der Kommunikationsstrategie.<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Ergebnisse anhand einer Fallstudie aus dem Fast-Food-<br />
Bereich<br />
Im Rahmen einer Untersuchung zu einer Schnellrestaurantkette<br />
wurden ergänzend zu einem Social-Media-Screening<br />
von 600 Online-Interviews die tatsächlichen Reputationstreiber<br />
für dieses Unternehmen ermittelt. Die Social-Media-<br />
Analyse konnte in diesem Fall die Top-of-Mind-Themen im<br />
Ranking vieler Zielgruppen relativ gut abbilden – bei einer<br />
Übereinstimmung von 78 Prozent zur geäußerten Wichtigkeit<br />
in der Befragung. Aber erst die durch Befragung gestützte<br />
zielgruppenspezifische Analyse zeigte, dass in den einzelnen<br />
Zielgruppen, zum Beispiel bei Intensivnutzern, unregelmäßigen<br />
Nutzern oder bei Nichtkunden, die Reputation des Unternehmens<br />
jeweils signifikant unterschiedlich wahrgenommen<br />
wurde. Die Übereinstimmung zwischen Online-Sentiment und<br />
Bewertung in der Befragung betrug nur 44 Prozent.<br />
Die Reputation eines Unternehmens wird zunehmend<br />
durch die veröffentlichte Meinung im<br />
Internet beeinflusst. Blogs, Tweets, Chats, Kommentare<br />
in Foren und in Social Networks wie<br />
Facebook gelten vielen PR-Abteilungen nach<br />
wie vor überwiegend als schwer kalkulierbare<br />
Risikofaktoren für die Unternehmensreputation.<br />
So war das im Internet am häufigsten genannte Thema „Gesundes<br />
Essen” zwar auch bei allen untersuchten Teilgruppen<br />
ein Haupttreiber der Reputation, wurde aber von den Intensivnutzern<br />
deutlich positiver bewertet als von den Nichtkunden.<br />
Der Aspekt „Kampf gegen Übergewicht” dagegen wurde von<br />
allen ähnlich schlecht bewertet, spielte aber für die Ausprägung<br />
der Unternehmensreputation bei den Intensivnutzern<br />
nur eine untergeordnete Rolle.<br />
Ein weiteres Ergebnis der Studie zeigte, dass in unterschiedlichen<br />
Zielgruppen unterschiedliche digitale Lebensstile dominieren.<br />
Die Mehrheit der Intensivnutzer betrachtet als sogenannte<br />
Influencer das Internet als festen Bestandteil ihres<br />
Lebens, sie sind somit über die gesamte Klaviatur der digitalen<br />
Kanäle gut erreichbar. Entsprechend ist für diese Gruppe die<br />
Website, die über das Internet gesteuerten Aktionen und Online-Kundenbindungsprogramme<br />
von besonderer Bedeutung.<br />
Dies lässt sich über die Befragung auch verifizieren. Dagegen<br />
wird die Gruppe der Nichtkunden durch das digitale Lifestyle-<br />
Segment „Functionals” geprägt. Man sieht das Internet eher<br />
als notwendiges Mittel zum Zweck und nutzt es vor allem für<br />
E-Mail-Aktivitäten. Die Unternehmenskommunikation muss<br />
sich daher für die Ansprache dieser Gruppe überwiegend der<br />
klassischen Offline-Kanäle bedienen.<br />
1) Vgl. P. Pirner , S. Hermann (2011): Reputationsmanagement - Das Unternehmens-Image<br />
digital steuern, in: FTD Online, vom 18.07.2011, link: http://www.<br />
ftd.de/karriere-management/management/:reputationsmanagement-dasunternehmens-image-digital-steuern/60079303.html
19<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
20<br />
Die Messung der Reputation<br />
Elske Ludewig, eResult, zur Entwicklung eines wissenschaftlich fundierten Fragebogens<br />
Die Messung der Reputation von Unternehmen, Organisationen oder Personen ist die notwendige<br />
Voraussetzung, um sie positiv beeinflussen zu können. Im Folgenden soll ein neues Messinstrument<br />
vorgestellt werden, das als Online-Fragebogen bereits erfolgreich getestet wurde.<br />
Der Entwicklungsprozess basiert auf einer Kooperation mit der Leuphana Universität Lüneburg,<br />
insbesondere mit dem Promotionsstipendiaten Eric Horster, und wurde wissenschaftlich<br />
begründet, begleitet und dokumentiert. Der Beitrag gibt einen Einblick in einzelne Entstehungsphasen<br />
und veranschaulicht die Inhalte und Einsatzbereiche des Messinstruments.<br />
Seit Mitte der 1990er Jahre wächst das Interesse daran, die<br />
Wahrnehmung von Unternehmen, Organisationen und Personen<br />
messbar zu machen. Im Zuge der Verbreitung des Internets<br />
vervielfältigten sich die Informationswege. Nicht zuletzt<br />
durch die immer stärkere Vernetzung der Menschen untereinander<br />
stieg der Bedarf, die Informationen über die jeweiligen<br />
Reputationsträger zu sammeln, auszuwerten und effektiv zu<br />
nutzen.<br />
Vertrauen kann als etwas angesehen werden,<br />
was die Verlässlichkeit eines Unternehmens<br />
reflektiert und gleichzeitig die Bereitschaft,<br />
ein Risiko auf sich zu nehmen.<br />
Über das Konzept und die Bezeichnung „Reputation” herrscht<br />
in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen Uneinigkeit.<br />
Oft wird der Begriff mit dem der Unternehmensreputation<br />
gleichgesetzt. Er kann sich jedoch auch auf andere Objekte<br />
– beispielsweise Produkte eines Unternehmens – beziehen.<br />
Zusätzlich kann Reputation aus Sicht verschiedener Stakeholder,<br />
zu denen beispielsweise auch die Mitarbeiter des eigenen<br />
Unternehmens gehören, gemeint sein. Angewandt wird Reputation<br />
häufig auf bestimmte soziale Akteure wie Personen,<br />
Gruppen oder Organisationen. Dies ist insbesondere dann der<br />
Fall, wenn auch die Entstehung der Reputation nachvollzogen<br />
werden soll.<br />
Diese definitorischen Unterschiede sind grundsätzlich nicht<br />
verwunderlich, denn das Interesse an der Reputationsfor-<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Elske Ludewig<br />
M.A., Senior UX Consultant & Teamleitung qualitative<br />
Forschung, ist seit Ende 2007 bei eResult,<br />
Göttingen, als User Experience Consultant tätig.<br />
Sie studierte Soziologie, Psychologie und Informatik<br />
an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.<br />
schung hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.<br />
So ist durch die gestiegene Zahl an Veröffentlichungen<br />
auch eine definitorische Vielfalt entstanden, die sich durch<br />
die Messung verschiedener Sachverhalte erklären lässt. Als<br />
Folge davon muss der Begriff der Reputation immer im Kontext<br />
verwendet werden. Sowohl der Reputationsträger als<br />
auch die zu untersuchenden Stakeholder müssen definiert<br />
werden.<br />
Inhalte und Definition von Reputation als Grundlage der<br />
Operationalisierung<br />
Um einen Fragebogen zur Messung von Online-Reputation<br />
zu entwickeln, sind also zunächst die Kunden im Internet als<br />
Stake holder und die Unternehmen, die im Internet präsent<br />
sind, als Reputationsträger zu benennen. Eine passende Definition,<br />
die sich auf die Reputation im Kontext des Internets sowie<br />
dessen Wirkung auf den (Online-)Kunden beziehen lässt,<br />
liefert Zimmer (2010):<br />
„Unter ‘Reputation‘ soll (…) das Wissen über die zentralen<br />
Eigenschaften und die Wahrnehmungen charakteristischer<br />
Merkmale einer sozialen Entität verstanden werden, über das<br />
(…) ein Individuum einer spezifischen Bezugsgruppe des Reputationsträgers<br />
in Gestalt eines Globalurteils verfügt.”<br />
Sodann können die verschiedenen Einfluss- oder Wirkfaktoren,<br />
die im Zusammenhang mit Reputation betrachtet werden<br />
müssen, fokussiert werden. Einen interessanten Ansatz<br />
verfolgte hier bereits Schwaiger (2004), der nicht nur das Ziel<br />
hatte, das Konstrukt „Reputation” zu operationalisieren. Zusätzlich<br />
identifizierte er die Einflüsse, die andere Konstrukte<br />
auf die Reputation haben. Schwaiger geht von der Einstellungsnähe<br />
des Konstrukts aus und integriert Kompetenz und<br />
Sympathie als kognitive beziehungsweise emotionale Komponenten.<br />
Die kognitive Kompetenzkomponente verweist auf<br />
das Wissen und die subjektive Wahrnehmung bei der rationalen<br />
Bewertung des Reputationsobjekts. Die affektive Sympathiekomponente<br />
drückt die subjektive Einschätzung des<br />
Unternehmens und dessen Tätigkeiten aus.
Zusätzlich wurde im Rahmen der Voranalyse das Konstrukt<br />
Vertrauen als Einflussfaktor von Reputation identifiziert. Vertrauen<br />
gilt als eines der wichtigsten Instrumente, um im Rahmen<br />
des Beziehungsmarketings Partnerschaften aufzubauen<br />
und zu festigen (Bauer, 2005). Zwei zentrale Gedanken des<br />
Vertrauensbegriffs konnten für das hier beschriebene Vorhaben<br />
identifiziert werden: Zum einen kann Vertrauen zu einem<br />
Gefühl der Sicherheit führen, da der Kunde durch seinen Glauben<br />
beziehungsweise seine Erwartung in die Vertrauenswürdigkeit<br />
des Leistungsanbieters von einer funktionierenden<br />
Austauschbeziehung ausgeht (Kroeber-Riel, 2008). Das Vertrauenskonstrukt<br />
spielt somit im Kontext der Risikoreduktion<br />
eine wichtige Rolle. Vertrauen führt gewissermaßen zu einer<br />
Erhöhung der individuellen Risikoschwelle. Denn Vertrauen<br />
impliziert auch stets die Möglichkeit der Enttäuschung.<br />
Vertrauen kann also in diesem Kontext als etwas angesehen<br />
werden, was die Verlässlichkeit eines Unternehmens reflektiert<br />
und gleichzeitig die Bereitschaft, ein Risiko auf sich zu<br />
nehmen (auch wenn das Risiko nicht zwangsläufig gegeben<br />
sein muss). Während also der (Online-)Kunde verschiede-<br />
Oft wird Reputation mit Unternehmensreputation<br />
gleichgesetzt. Er kann sich jedoch auch<br />
auf andere Objekte – beispielsweise Produkte<br />
eines Unternehmens – beziehen. Zusätzlich<br />
kann Reputation aus Sicht verschiedener<br />
Stake holder, zu denen beispielsweise auch<br />
die Mitarbeiter des eigenen Unternehmens<br />
gehören, gemeint sein.<br />
ne Strategien zur Reduktion des wahrgenommenen Risikos<br />
ausführen kann, kann das Unternehmen Signale aussenden,<br />
die Vertrauen fördern. Bei Internet-Anbietern wird ein hohes<br />
wahrgenommenes Risiko konstatiert, das auf den dem Medium<br />
Internet inhärenten Charakteristika gründet. Unpersönlichkeit,<br />
Abstraktheit und Virtualität bilden dabei wesentliche<br />
Hemmnisse, die einer Transaktion über den Vertriebskanal<br />
Internet im Wege stehen können (Sydow, 2000).<br />
21<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
22<br />
Reputation wirkt vor allem auf die Einstellung und das Vertrauen<br />
gegenüber dem Anbieter beziehungsweise Unternehmen,<br />
so die am Anfang der Fragebogen-Entwicklung<br />
formulierte These. Dem Einstellungskonstrukt wird in der<br />
Konsumentenforschung ein besonders hohes Forschungsinteresse<br />
entgegengebracht. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass<br />
häufig ein pauschaler Zusammenhang von Einstellung und<br />
anschließendem Kaufverhalten unterstellt wird.<br />
Abbildung 1: Ausschnitt des Fragebogens<br />
Abbildung 2: Strukturmodell Reputation (Horster, 2012)<br />
© eResult GmbH<br />
© eResult GmbH<br />
Das Messinstrument wurde im Kontext des<br />
Internets – genauer gesagt im Kontext des<br />
eTourism – entwickelt und geprüft. Sämtliche<br />
Stimuli hatten Bezug zu touristischen Produkten<br />
beziehungsweise Organisationen.<br />
Durch diese Hypothese wird das Einstellungskonstrukt in<br />
vielen Studien zu einem Gradmesser der Kaufentscheidung<br />
(Kroeber-Riel, 2008). Die Einstellung zu einem Produkt kann<br />
auf kognitiver, emotionaler und motivationaler Ebene verortet<br />
sein. Dementsprechend führt eine auf kognitiver Ebene positive<br />
Einstellung nicht zwingend zum Kauf, wenn auf motivationaler<br />
Ebene die Verhaltensbereitschaft fehlt (Musiol, 2009).<br />
Als Folge dessen wurde das Modell um die Kompetente Involvement<br />
erweitert. Folgt man der Argumentation von Krugman<br />
(1965), so kann unter Involvement die „Ich-Beteiligung,<br />
das innere Engagement, mit dem sich ein Individuum einem<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Sachverhalt oder einer Aufgabe widmet”, verstanden werden.<br />
Trommsdorff (2002) definiert den Begriff ähnlich, betont dabei<br />
jedoch den Informationsverarbeitungsprozess. Demnach ist<br />
Involvement der „Aktivierungsgrad beziehungsweise die Motivstärke<br />
zur objektgerichteten Informationssuche, -aufnahme,<br />
-verarbeitung und -speicherung”. Diese Betrachtung beschreibt<br />
einen weiteren Aspekt des Involvement-Konstrukts.<br />
Dabei hat die subjektiv empfundene Relevanz der Information<br />
Auswirkungen auf den Informationsverarbeitungsprozess.<br />
Zudem besteht eine Verbindung von Involvement und Aktivierung.<br />
Dabei korrelieren Involvement und Aktiviertheit in ihrer<br />
Ausprägung. Ist ein Konsument stark involviert, so ist er auch<br />
stark aktiviert. Er weist also eine hohe Bereitschaft auf, sich<br />
mit einem Objekt auseinanderzusetzen. Auf Basis dieser Definitionsansätze<br />
lässt sich das Involvement-Konstrukt als Grad<br />
der Ich-Beteiligung beziehungsweise des persönlichen Engagements<br />
umschreiben, welches eine Person aktiviert, sich für<br />
ein konsumierbares Produkt zu interessieren und einzusetzen.<br />
Zusammenfassend besteht das Zusammenhangsmodell<br />
demnach aus den Einflussfaktoren Glaubwürdigkeit, Sympathie<br />
und Kompetenz sowie den Wirkfaktoren Vertrauen,<br />
Kaufabsicht und Weiterempfehlungsabsicht. Involvement<br />
wiederum ist ein direkter Einflussfaktor auf die Wirkfaktoren,<br />
der unabhängig von der Reputation wirkt.<br />
Empirische Validierung und Optimierung des zugrundeliegenden<br />
Modells<br />
Das Modell wurde jedoch nicht ausschließlich theoretisch<br />
hergeleitet, sondern durch eine quantitative Untersuchung<br />
statistisch überprüft. In einem Expertenworkshop wurden<br />
für jedes Konstrukt vier bis fünf Items formuliert und in Pretests<br />
validiert. Die Untersuchung bestand dann aus einer Online-Befragung<br />
1) unter deutschen Internetnutzern. Durch die<br />
Anwendung der Pfadanalyse auf den erhobenen Datensatz<br />
(n=1.000) konnte das Modell geschärft und für das Anwendungsgebiet<br />
optimiert werden. Zudem wurde der Fragebogen<br />
in weiteren Erhebungen iterativ optimiert. Hierbei wurden beispielsweise<br />
Items mit wenig Erklärungskraft eliminiert.<br />
Im Fragebogen wurde durch die Verwendung von sogenannten<br />
Schiebereglern (0–100) ein metrisches Skalenniveau<br />
der Zustimmung erreicht. Dabei wurde zu Beginn stets eine<br />
Kontaktsituation hergestellt: Die Befragten sollten sich auf<br />
verschiedenen Internetseiten einige Minuten über ein bestimmtes<br />
Unternehmen beziehungsweise eine Organisation<br />
informieren. Durch eine Filterfrage konnten diejenigen identifiziert<br />
werden, die vor der Befragung schon andere Kontakte<br />
zum Reputationsträger hatten. Nach der Informationsphase<br />
folgte der eigentliche Fragebogen. Dieser bestand aus maximal<br />
30 Fragebogenseiten. Abbildung 1 zeigt exemplarisch die<br />
Darstellung einer Seite im Fragebogen.<br />
Ergebnis und Einsatzbereiche<br />
Das finale Modell lässt sich nun gemäß Abbildung 2 darstellen.<br />
Dabei stellen die Pfeilrichtungen die Wirkungsrichtungen<br />
dar. Die Stärke des Einflusses des jeweiligen Konstrukts ist<br />
jedoch nicht konstant: Je nach Stakeholder und Reputationsträger<br />
können individuelle Werte errechnet werden. Somit ist
es möglich, jeweils eine detaillierte Auswertung zu den fallspezifischen<br />
Zusammenhängen anzufertigen und individuelle<br />
Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen abzuleiten.<br />
Die Einsatzbereiche des Instruments lassen sich auf mehreren<br />
Dimensionen beschreiben: Zum einen kann Reputation im<br />
Längsschnitt betrachtet werden. Bei mehreren Erhebungen in<br />
regelmäßigen zeitlichen Abständen kann beispielsweise der<br />
Effekt von Marketing-Maßnahmen oder Ähnlichem messbar<br />
gemacht werden. In diesem Kontext kann also überprüft<br />
werden, ob die gewünschte Wirkung erzielt worden ist oder<br />
welche sonstigen Veränderungen sich in Bezug auf die Wahrnehmung<br />
des Reputationsträgers erkennen lassen.<br />
Bei entsprechender Stichprobe sind auch zielgruppenspezifische<br />
Aussagen möglich. Bei welcher Zielgruppe erzielt ein<br />
bestimmtes Key-Visual die beste Wirkung? Ist dies überhaupt<br />
die Kernzielgruppe? Welche Wortwahl oder Farbwelten wirken<br />
besonders vertrauenswürdig oder kompetent? Diese und andere<br />
Fragen unterstützen den Reputationsträger also dabei,<br />
seine Reputation zielgerichtet und nachhaltig beeinflussen zu<br />
können.<br />
Andererseits bietet das Instrument die Möglichkeit, differenzierte<br />
Aussagen in Bezug auf die verschiedenen Einflussfaktoren<br />
von Reputation zu treffen. Eine beispielhafte Fragestellung<br />
hierbei könnte lauten: Wird der Reputationsträger<br />
als kompetent, aber wenig sympathisch wahrgenommen?<br />
Daneben können Aussagen zur Stärke des Einflusses der<br />
Faktoren getroffen werden: Hat im Kontext Y für Zielgruppe<br />
Z die wahrgenommene Sympathie einen niedrigeren Einfluss<br />
auf die Reputation als die wahrgenommene Kompetenz? Es<br />
offenbaren sich also konkrete Ansatzpunkte für die Verbesserung<br />
der Reputation.<br />
Auch Wettbewerbsanalysen sind denkbar: Liegen genügend<br />
Referenzwerte vor, kann angegeben werden, ob ein Ergeb-<br />
Anmerkungen<br />
1) Zufallsstichprobe aus dem Online-Access-Panel Bonopolis (www.<br />
bonopolis.de).<br />
2) Bei der Auswahl der Testpersonen für die Pretests wurde darauf<br />
geachtet, dass diese sich hinsichtlich Alter, Geschlecht, Bildungsstand<br />
und Internetaffinität deutlich unterscheiden.<br />
Quellen<br />
Bauer, Hans H.; Neumann, Marcus M.; Huber, Frank (2005): Kaufverhaltensrelevante<br />
Effekte einer Vertrauensintermediation im elektronischen<br />
Handel. In: Der <strong>Markt</strong> 44 (1), S. 3–12.<br />
Horster, Eric (2012): Reputation und Reiseentscheidung im Internet.<br />
Dissertation an der Leuphana Universität Lüneburg.<br />
Kroeber-Riel, Werner; Weinberg, Peter; Gröppel-Klein, Andrea (2008):<br />
Konsumentenverhalten. Vahlens Handbücher der Wirtschafts- und<br />
Sozialwissenschaften. 9., verb. und erg. Aufl. München: Vahlen. Online<br />
verfügbar unter http://www.agi-imc.de/intelligentSEARCH.nsf/alldo<br />
cs/6DC3C4070F485448C12571250037111E/.<br />
Krugman, Herbert E. (1965): The impact of television advertising:<br />
learn ing without involvement. In: The public opinion quarterly: Oxford:<br />
Oxford Univ. Press, Vol. 29, No. 3 (1965), p. 349-356.<br />
nis eher „typisch” ist oder über beziehungsweise unter dem<br />
Durchschnitt der Wettbewerber liegt.<br />
Diskussion<br />
Das Messinstrument wurde im Kontext des Internets – genauer<br />
gesagt im Kontext des eTourism – entwickelt und geprüft.<br />
Sämtliche Stimuli hatten Bezug zu touristischen Produkten<br />
beziehungsweise Organisationen. Es ist bis dato nicht<br />
empirisch untersucht, ob sich das Modell außer im eTourism<br />
auch in anderen Zusammenhängen bewährt. Jedoch basieren<br />
sämtliche theoretische Vorüberlegungen auf kontextübergreifenden<br />
Aspekten.<br />
Auch bei der Entwicklung der Items für den Fragebogen wurden<br />
keine Einschränkungen bezüglich des Reputationsträgers<br />
oder der Stakeholder vorgenommen. Einzig der Kontext des<br />
Internets und damit die Beschränkung auf Online-Reputation<br />
wurden zugunsten der Eindeutigkeit und Genauigkeit des<br />
Messinstruments vorausgesetzt. Zudem waren an der Item-<br />
Sammlung mehrere erfahrene Praktiker beteiligt, die bereits<br />
Online-Fragebögen für viele verschiedene Branchen entwickeln<br />
haben. Diverse Fragebogen-Pretests (Prüfer & Rexroth,<br />
2000) gewährleisten eine für den typischen Internetnutzer 2)<br />
verständliche Sprache und selbsterklärende Gestaltung des<br />
Online-Fragebogens.<br />
Daher besteht Grund zur Annahme, dass das Messinstrument<br />
auch in anderen Zusammenhängen zuverlässige und aussagekräftige<br />
Ergebnisse liefert. Des Weiteren wurde der Prozess<br />
durch die Leuphana Universität Lüneburg begleitet, wo die<br />
Dissertation von Herrn Eric Horster (2012) zu diesem Thema<br />
angefertigt wurde. Die zweiseitige Betreuung – der wissenschaftliche<br />
Hintergrund der Universität sowie der praktische<br />
Hintergrund des Beratungs- und <strong>Markt</strong>forschungsunternehmens<br />
eResult – erwies sich insgesamt als sehr fruchtbar für<br />
den Entwicklungsprozess des Fragebogens und steht für eine<br />
interdisziplinäre Qualität.<br />
Musiol, Gerald; Kühling, Christiane (2009): Kundenbindung durch Bonusprogramme.<br />
Erfolgreiche Konzeption und Umsetzung. Berlin, Heidelberg:<br />
Springer Berlin Heidelberg (Springer-11775 /Dig. Serial]). Online<br />
verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-540-87571-0.<br />
Prüfer, Peter & Rexroth, Margit (2000): Zwei-Phasen-Pretesting. ZU-<br />
MA-Arbeitsbericht 2000/08. Mannheim.<br />
Schwaiger, Manfred (2004): Components and Parameters of Corporate<br />
Reputation – An Empirical Study, Schmalenbachs Business Review,<br />
Band 56.<br />
Sydow, Jörg (2000): Vertrauen und Electronic Commerce – Vertrauen<br />
nicht nur in elektronische Netzwerke. In: Electronic commerce,<br />
S. 259–270.<br />
Trommsdorff, Volker (2002): Produktpositionierung. In: Handbuch Produktmanagement.<br />
Albers, S. und Herrmann, A. Wiesbaden. 2. Aufl.<br />
Zimmer, Dominic (2010): Der Multilevel-Charakter der Reputation<br />
von Unternehmen. Eine empirische Analyse der Krankenhaus- und<br />
Fachabteilungsreputation bei niedergelassenen Ärzten. Phillips-<br />
Univ., Dissertation Marburg 2009. 1. Aufl. Wiesbaden: Gabler.<br />
23<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
24<br />
Crossmedia-Forschung<br />
Thomas Utzinger, Google, Markus Saffer, GfK und Jens Barczewski, nurago, zu einem<br />
innovativen Instrument der Werbewirkungsforschung<br />
In Zeiten knapper Mediabudgets stellen Werbetreibende immer häufiger die Frage nach der<br />
optimalen Verteilung ihrer Werbegelder auf die immer größer werdende Zahl unterschiedlicher<br />
online und offline gebotenen „Experience-Points”. Neben der reinen Messbarkeit des Erfolgs<br />
pro Medium und der Platzierung spielt die ideale Kombination aller eingesetzten Kommunikationskanäle<br />
die entscheidende Rolle. Denn es geht in der Mediaplanung weniger um die Substitution<br />
einer Gattung durch eine andere, sondern vielmehr um die intelligente Verknüpfung der<br />
eingesetzten Kanäle.<br />
In dem im Folgenden dargestellten experimentellen Untersuchungsansatz<br />
haben wir uns exemplarisch auf die Mediengattungen<br />
TV und Online-Bewegbild, die sogenannten Prerolls,<br />
fokussiert. Unter Prerolls, die übrigens als Werbeform die<br />
höchste Wachstumsrate unter allen Online-Formaten haben,<br />
versteht man kurze Werbespots, die Online-Videoinhalten vorangestellt<br />
sind und direkt im Videoplayer ablaufen. Mit dieser<br />
Platzierung vor dem eigentlichen Inhalt des Onlinevideos erreichen<br />
sie die volle Aufmerksamkeit des Nutzers. Damit sind<br />
sie in hohem Maß mit TV-Spots vergleichbar, da bei beiden<br />
Werbeformen eine klare Trennung zwischen Werbemittel und<br />
Content gegeben ist.<br />
Die spezifische Gattungsqualität von Online gegenüber TV<br />
wurde in der Vergangenheit meist mit Hilfe klassischer CAPI-<br />
Mit Hilfe einer innovativen Methode – einem<br />
Experimentaldesign im Rahmen einer<br />
Livekampagne – war es möglich, das Zusammenspiel<br />
der Medien und ihre kombinierte<br />
Wirkung auf Marken-Metriken wie Werbeerinnerung<br />
und Markenbekanntheit unter<br />
realen Bedingungen zu erforschen.<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Thomas Utzinger<br />
Research Manager Google<br />
Deutschland, EU Market<br />
Insights Team von Google<br />
Germany, ist seit 2009 für<br />
die Forschung rund um<br />
das Thema Crossmedia<br />
bei Google zuständig<br />
Verfahren erforscht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse<br />
konnten helfen, die relative Wirksamkeit von Online-Videowerbung<br />
in einem 1:1-Vergleich mit TV darzustellen.<br />
Das im Folgenden aufgezeigte Studiendesign und die daraus<br />
resultierenden Ergebnisse gehen einen entscheidenden<br />
Schritt weiter. Mit Hilfe einer innovativen Methode – einem<br />
Experimentaldesign im Rahmen einer Livekampagne – war es<br />
möglich, das Zusammenspiel der Medien und ihre kombinierte<br />
Wirkung auf Marken-Metriken wie Werbeerinnerung und<br />
Markenbekanntheit unter realen Bedingungen zu erforschen<br />
und daraus relevante Rückschlüsse für eine optimierte crossmediale<br />
Werbestrategie zu ziehen.<br />
1. Klassische Herangehensweise<br />
Im Rahmen von zwei Studien wurden zwölf Marken aus dem<br />
FMCG-Bereich auf Basis von 2.800 Interviews untersucht.<br />
Hierfür wurden relevante Zielgruppen rekrutiert, die neben<br />
TV auch das Internet und dabei auch Onlinevideoplattformen<br />
nutzen. Jeder Proband wurde zufällig einer Testgruppe<br />
zugeordnet, die Werbekontakt zum Beispiel „nur im TV”<br />
oder „nur online” hatte. Unabhängig von dieser Gruppenzuteilung<br />
mussten sich alle Probanden jeweils 20 Minuten TV<br />
und Online-Videos auf YouTube ansehen. Eine Kontrollgruppe<br />
nutzte ebenfalls diese beiden Medienformen. Sie sah aber<br />
Markus Saffer<br />
Research Manager, GfK SE,<br />
Division <strong>Markt</strong>forschung,<br />
Brand and Communication<br />
Research besitzt mehr als<br />
15 Jahre Erfahrung in der<br />
quantitativen und qualitativen<br />
<strong>Markt</strong>forschung. Seine<br />
zentralen Forschungsthemen<br />
sind Brand Equity,<br />
Werbeerfolgsmessung<br />
(Pre/Post Tests) und<br />
Digital Research.<br />
Jens Barczewski<br />
Managing Director Client<br />
Services Germany, nurago<br />
GmbH, Applied Research<br />
Technologies, besitzt als<br />
Diplomkaufmann mehr als<br />
10 Jahre Erfahrung in der<br />
qualitativen und quantitativen<br />
<strong>Markt</strong>forschung mit dem<br />
Schwerpunkt der digitalen<br />
Marken- und Kommunikationsforschung
lediglich Ersatz-Werbespots. Danach wurden alle Gruppen zu<br />
den klassischen „Brand Key Performance Indicators (KPIs)”<br />
befragt und die Antworten analysiert (Abbildung 1). Hierbei<br />
konnte nachgewiesen werden, das Prerolls auf YouTube gegenüber<br />
TV eine signifikante Verbesserung relevanter Brand<br />
KPIs erzeugen.<br />
2. Anforderung der Mediaverantwortlichen an den neuen<br />
Ansatz<br />
Warum waren die CAPI-Tests aus unserer Sicht nicht ausreichend?<br />
Nach Durchführung der Studien zeigt sich, dass wir<br />
zwar auf dem höchsten Niveau technischer und methodischer<br />
Machbarkeit für CAPI-Tests arbeiteten, trotzdem jedoch relevante<br />
Fragestellungen nicht beantworten konnten.<br />
Marketingentscheider und Mediaagenturen stellen an Crossmedia-Forschung<br />
weit höhere Anforderungen als der eben<br />
beschriebene Ansatz erfüllen kann. Ihnen geht es seit langem<br />
nicht mehr nur um die Fragestellung, ob TV- oder Online-Bewegtbild-Formate<br />
das bessere Medium sind. Vielmehr<br />
fordern sie einen optimalen Forschungsansatz ein, der in der<br />
Kombination einer Untersuchung der Wirkung von TV- und<br />
Online-Bewegtbild-Werbung liegt. Das Medium TV bleibt weiterhin<br />
das Leitmedium für reichweitenstarke Kampagnen. Alle<br />
anderen Mediengattungen bilden eine sinnvolle und kosteneffiziente<br />
Ergänzung. Online ist allerdings bereits heute ein<br />
fester Bestandteil von Crossmedia-Kampagnen. Zumal ein<br />
gewisser Anteil der Mediazielgruppe gar nicht oder nur sehr<br />
schwer über TV erreicht werden kann.<br />
An einen akzeptablen und modernen Ansatz stellen sich daher<br />
drei zentrale Anforderungen:<br />
Konzeption eines Crossmedia-Ansatzes, der die Synergien<br />
von Crossmedia in den Fokus der Forschung stellt.<br />
Aufzeigen von Brand-Impact-Entwicklungen bei höheren<br />
Kontaktfrequenzen, da diese der Kampagnenrealität besser<br />
gerecht werden.<br />
Untersuchung von Nutzungsverhalten von TV und Online<br />
unter „Real Life”-Bedingungen, um das abiotische Verhalten<br />
von Probanden im Teststudio zu umgehen.<br />
Die zentrale Fragestellung der durchgeführten Studien war es<br />
daher, die folgende Hypothese zu überprüfen:<br />
Effect (Online + TV) > Effect (TV + TV)<br />
Bei dem von uns in technischer und methodischer Hinsicht<br />
neu entwickelten Mess- und Befragungsansatz steht die realitätsnahe<br />
Ausspielung einer Simulation von fiktiven Werbekampagnen<br />
oder die Unterdrückung von realen Werbekam-<br />
Abbildung 1: Studiendesign eines „klassischen” Crossmedia-<br />
Studiotests<br />
1 2 3<br />
Rekrutierung der<br />
Zielgruppe<br />
Internetnutzer mit<br />
Bewegbild<br />
Affinität<br />
Aufteilung in<br />
medienspezifische<br />
Splits<br />
Sportsendung<br />
p g<br />
Unterhaltungssendung<br />
g g<br />
Wissenssendung<br />
PreRoll<br />
12 YouTube<br />
Content Videos<br />
Simulation der<br />
Werbemittel<br />
pagnen im Mittelpunkt. Der Untersuchungszeitraum umfasst<br />
dabei immer mindestens vier Wochen, damit die Panelisten<br />
genug Zeit hatten, genügend Werbekontakte für TV und/oder<br />
Online zu sammeln. Der jeweilige Werbemittelkontakt findet<br />
dabei immer innerhalb einer realen Online-Session der teilnehmenden<br />
Panelmitglieder statt.<br />
Mit dieser Herangehensweise ist es möglich, nach Werbeformat<br />
und Gattung eindeutig definierte Kontaktgruppen zu<br />
ermitteln. Das ist in klassischen Studienansätzen vorab nicht<br />
möglich, da im natürlichen Nutzungsverhalten eine Vermischung<br />
der Kontakte stattfindet.<br />
3. Grundlage ist ein starkes Panel<br />
nurago betreibt für die GfK ein personenbezogenes Panel, das<br />
GfK Connected Life Panel, mit konstant 10.000 Teilnehmern,<br />
die mit der LEOTrace® Add-On Technologie ausgestattet wurden.<br />
Das Panel wird zusammen mit dem Kooperationspartner<br />
Harris Interactive AG betrieben.<br />
Das Panel wurde nach den Standardkriterien Alter, Geschlecht,<br />
Haushaltsnettoeinkommen und Region repräsentativ aufge-<br />
TV<br />
2 Werbeblöcke<br />
+<br />
+<br />
TV<br />
2 Werbeblöcke<br />
PreRoll<br />
12 YouTube<br />
Content Videos<br />
4<br />
Finale Befragung<br />
zum<br />
Werbemittelumfeld<br />
und relevanten<br />
Brand KPIs<br />
Abbildung 2: Non-reaktive Elemente des GfK Connected Life Panel<br />
25<br />
BVM Kongress-Special August 2012
kungsindikatoren ins Verhältnis zu den Gross Rating Points<br />
(GRPs) gesetzt. Je höher der Wert ist, desto effizienter ist die<br />
Kampagne. Der Fokus liegt im vorliegenden Beitrag auf der<br />
gestützten Werbeerinnerung.<br />
Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse zeigen einen Ausschnitt<br />
einer Metaanalyse mehrerer identischer Untersuchungen<br />
über Kampagnen aus den Branchen FMCG, Mobilfunk,<br />
Entertainment, Automotive. Die Ergebnisse basieren auf<br />
15.102 Interviews<br />
Über alle Kampagen hinweg bewirkt TV als isoliertes Medium<br />
einen Zuwachs von 7 Prozent im Bereich der gestützten Werbeerinnerung.<br />
In der Kombination von TV- und Onlinevideo-Kampagnen-Kontakten<br />
steigt dieser auf 14 Prozent der gestützten<br />
Werbeerinnerung an. Wie nicht anders zu erwarten, steigt die<br />
gestützte Werbeerinnerung in Abhängigkeit der erreichten<br />
Werbemittel-Kontakte von TV und Online (Abbildung 3).<br />
Während die Gruppe, die lediglich TV-Werbung gesehen hatte,<br />
durchschnittlich 216 GRPs ausgesetzt war, waren dies in der<br />
Gruppe, die beiden Werbeformaten ausgesetzt waren, über<br />
beide Medien hinweg 360 GRPs. Setzt man nun die relative<br />
Häufigkeit der gestützten Werbeerinnerung ins Verhältnis zu<br />
den GRPs, zeigt sich, dass der crossmediale Kontakt eine um<br />
27 Prozent höhere Effizienz aufweist als der Mono-TV-Kontakt<br />
(Abbildung 4).<br />
Bei einer differenzierten Betrachtung nach Kontakthäufigkeiten<br />
ist zu erkennen, dass mit steigenden Kontaktdosen auch<br />
die Effizienz wächst. Das Effizienzoptimum liegt bei 5 bis 7<br />
Kontakten, danach sinkt die Effizienz, allerdings auf ein höheres<br />
Niveau als bei 3 bis 4 Kontakten.<br />
Online-Kampagnen haben häufig den Vorteil, im Hinblick auf<br />
ihre Kontakthäufigkeiten relativ exakt dosiert werden zu können.<br />
Die Frage ist, welche Kontaktdosis am effektivsten ist,<br />
wie hoch also das „Frequency Capping” angesetzt werden soll,<br />
gerade dann, wenn zugleich TV-Kampagnenkontakte innerhalb<br />
einer vierwöchigen Kampagne bestehen.<br />
Abbildung 5 zeigt einen stetigen Zuwachs in der gestützten<br />
Werbeerinnerung. Bei einem Frequency Capping von 8 Kontakten<br />
wurden bereits 84 Prozent der gesamten Erinnerungsleistung<br />
erreicht. Da der Zuwachs auf der nächsthöheren<br />
Stufe (12 Gesamtkontakte) nur noch relativ gering ist, kann<br />
dieser Punkt als optimal im Sinne eines Frequency Cappings<br />
betrachtet werden. Bei vier Wochen Kampagnenlaufzeit – wie<br />
im Test der Fall – und 8 Gesamtkontakten ergibt sich also die<br />
Empfehlung eines Frequency Caps von 2 Kontakten pro Woche<br />
für Onlinevideo im Zusammenspiel mit TV.<br />
7. Fazit<br />
Relevante Zielgruppen alleine über die Gattung TV zu erreichen<br />
wird immer schwieriger beziehungsweise kostenintensiver.<br />
Der Anteil von Personen, die kein TV mehr schauen, wächst<br />
auf niedrigem Niveau kontinuierlich an. Dagegen entwickelt<br />
sich Online als ein Massenmedium, dessen Nutzungsintensität<br />
sich über alle Zielgruppen hinweg wesentlich konstanter<br />
darstellt. Bei den Online-Display-Werbeformaten ist es vor<br />
allem das Bewegbildformat („Preroll”), auf das so gut wie alle<br />
Vermarkter ihre Hoffnung setzen.<br />
Mit dem hier vorgestellten neuartigen methodischen Ansatz<br />
konnten wir Ergebnisse der medienspezifischen Messung und<br />
Befragung von Marken-Impact der isolierten und kombinierten<br />
Medien TV und Online-Bewegbild aufzeigen. Die von uns<br />
formulierte Hypothese hat sich in nahezu allen relevanten<br />
Markenwerten bestätigt: Online-Bewegtbild ist eine relevante<br />
und effiziente Ergänzung zu TV im Rahmen der Bewegtbild-<br />
Strategie eines Unternehmens. Das Werbeformat Preroll auf<br />
YouTube hat über TV hinaus einen positiven Einfluss auf den<br />
Marken-Impact und erhöht die Kampagnen-Effizienz um 27<br />
Prozent im Bereich Werbeerinnerung.<br />
Durch die saubere und eindeutige Aufteilung<br />
der Teilgruppen können wir einen kampagnenspezifischen<br />
Impact der untersuchten<br />
Marke durch entsprechende Kommunikation<br />
im TV und/oder auf YouTube nachweisen, die<br />
andere Effekte ausschließt.<br />
Dazu zeigt sich, dass mit dem Einsatz des Mediums Online<br />
eine kosteneffiziente Erweiterung der Kampagnenreichweite<br />
in der Zielgruppe erreicht werden kann. Die inkrementelle<br />
Reichweite durch das Medium Online kann wesentlich günstiger<br />
eingekauft werden als bei einer alleinigen TV-Strategie.<br />
Auf Seiten der Mediaplanung legt unsere Forschung nahe, für<br />
eine crossmediale Kampagne ein OTS-Niveau (OTS: Opportunity<br />
to see) von insgesamt 5 bis 7 Kontakten anzustreben, da<br />
unter diesen Bedingungen die Wirkung einer Kampagne am<br />
effizientesten abgefangen wird. Online-Video sollte dabei bis<br />
zu 2 Kontakte pro Kampagnenwoche beisteuern, der Rest aus<br />
TV kommen.<br />
In Folgestudien gilt es, die Basis an Daten zu festigen und mit<br />
Detailanalysen weitere mediaspezifische Fragestellungen zu<br />
beantworten. Mit dem hier gewählten Ansatz konnten wir die<br />
methodischen Schwächen des Studiotests umgehen, um relevante<br />
Impulse für die Mediaplanung zu geben.<br />
8. Ausblick<br />
Mediaagenturen und Entscheider fordern zu Recht eine integrierte<br />
Betrachtungsweise zur Planung und Steuerung aller relevanten<br />
Mediengattungen. Diese Art der Studienanalyse ist<br />
ein erster Schritt in eine wirklich integrierte Konvergenzwährung,<br />
welche die Mediaplaner schon länger von der <strong>Markt</strong>forschung<br />
und den entsprechenden Gremien fordern.<br />
Das hier aufgezeigte Studienkonzept unterliegt keiner technischen<br />
Einschränkung im Hinblick auf die Art von Online-<br />
Display-Formaten wie Banner, Preroll, Wallpaper etc., solange<br />
diese eine feste Platzierung und genug Reichweite im Panel<br />
generieren. Die Simulationen von Paid Content in Social-Media-Netzwerken<br />
stellt eine weitere Stufe dar, um Branding-<br />
Effekte und deren Kombination mit Social-Media-Aktivitäten<br />
zu untersuchen.<br />
27<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
28<br />
Best Paper 2012<br />
Multi-Sensory Sculpting<br />
Dr. Maria Kreuzer und Dr. Sylvia von Wallpach, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, zur<br />
Erhebung multisensorischen Markenwissens anhand dreidimensionaler Skulpturen*<br />
Markentheoretiker betonen zunehmend die Bedeutung multisensorischer Markenerlebnisse<br />
für die Entwicklung multisensorischen Markenwissens. Die Abrufung multisensorischen Markenwissens<br />
bedarf einer Stimulation jener Sinne, die während des Markenerlebnisses beteiligt<br />
waren, sowie der Möglichkeit zu metaphorischem Ausdruck. Bestehende Erhebungsmethoden<br />
erfüllen diese Voraussetzungen nur begrenzt. Die von Kreuzer und von Wallpach vorgestellte<br />
Methode des Multi-Sensory Sculpting beschreibt ein Instrument, das diese Lücke schließt.<br />
Konsumenten erleben Marken auf unterschiedlichste Art<br />
und Weise – zum Beispiel über Produkte, den Point-of-Sale,<br />
Markenkommunikation, andere Markenverwender – in unterschiedlichen<br />
Situationen und mit allen Sinnen (Brakus et al.<br />
2009; Schmitt 1999). Markentheoretiker betonen zunehmend<br />
die Bedeutung dieser multisensorischen Markenerlebnisse<br />
für die Entwicklung multisensorischen Markenwissens (Christensen<br />
& Olson 2002; Keller 2009; Zaltman 1997).<br />
Um nichtbewusstes, multisensorisches<br />
Wissen abzurufen, müssen daher jene Sinne<br />
wieder stimuliert werden, die an der ursprünglichen<br />
Entstehung von Wissen während<br />
des Markenerlebnisses beteiligt waren.<br />
Psychologischen und neurologischen Erkenntnissen zufolge<br />
zeichnet sich dieses Wissen dadurch aus, dass es<br />
(a) auf einer nichtbewussten Ebene und in jener sensorischen<br />
Form gespeichert wird, in welcher der Konsument<br />
die Marke erlebt. Bilder werden zum Beispiel als visuelle<br />
Metaphern im Gedächtnis repräsentiert (Barsalou 1999;<br />
Damasio 1994).<br />
(b) über Metaphern zum Ausdruck kommt (Zaltman 1997).<br />
Um nichtbewusstes, multisensorisches Wissen abzurufen,<br />
müssen daher jene Sinne wieder stimuliert werden, die an der<br />
ursprünglichen Entstehung von Wissen während des Marken-<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Dr. Maria Kreuzer<br />
Projektleiterin, Institut für Marketing – Strategieberatung,<br />
und wissenschaftliche Mitarbeiterin,<br />
Institut für Strategisches Management, Marketing<br />
und Tourismus, Leopold-Franzens-Universität<br />
Innsbruck<br />
erlebnisses beteiligt waren (Barsalou 1999). Zudem muss der<br />
metaphorische Ausdruck dieses Wissens gefördert werden<br />
(Zaltman 1997).<br />
Markenmanager bemühen sich zunehmend um die Gestaltung<br />
multisensorischer Markenerlebnisse, die zu einem unverwechselbaren<br />
Bild der Marke im Gedächtnis des Konsumenten<br />
führen sollen. Lediglich die Markenwissenserhebung,<br />
welche eine wichtige Funktion des Marken-Monitorings darstellt,<br />
vernachlässigt es, dem multisensorischen Charakter<br />
des Markenwissens Rechnung zu tragen. Gängige Methoden<br />
zur Erhebung von Markenwissen – beispielsweise Skalierungsverfahren,<br />
freie Assoziationstechniken, narrative Interviews<br />
– zielen mehrheitlich auf bewusste, verbal gespeicherte<br />
Wissensinhalte ab (Woodside 2004).<br />
Nur wenige Methoden (zum Beispiel Collagetechniken, Zaltman<br />
Metaphor Elicitation Technique) setzen es sich zum Ziel,<br />
zu nichtbewusstem multisensorischem Wissen vorzudringen,<br />
indem sie den Konsumenten sinnlich stimulieren (Blümelhuber<br />
2004; Zaltman 1997). Diese Methoden beschränken sich<br />
aktuell aber vorwiegend auf die Stimulation des Sehsinns und<br />
vernachlässigen damit andere Sinne, die ebenfalls zu multisensorischem<br />
Markenwissen führen.<br />
Umfassende Einblicke in multisensorisches Markenwissen<br />
bleiben bislang verwehrt. Die Methode des Multi-Sensory<br />
Sculpting schließt diese Lücke, indem sie Konsumenten multisensorisch<br />
aktiviert und eine multisensorische, metaphorische<br />
Darstellung von Markenwissen ermöglicht.<br />
Dr. Sylvia von Wallpach<br />
Visiting Scholar, Copenhagen Business School,<br />
Dänemark, und Assistant Professor of Marketing,<br />
Institut für Strategisches Management, Marketing<br />
und Tourismus, Leopold-Franzens-Universität<br />
Innsbruck
Zur Methode des Multi-Sensory Sculpting (MSS)<br />
1. MSS Toolkit<br />
Multi-Sensory Sculpting arbeitet mit einem Toolkit, das aus<br />
einer breiten Auswahl multisensorischer abstrakter Materialien<br />
besteht (vgl. Sims & Doyle 1995). Diese Materialien dienen<br />
dazu, all jene Sinne zu stimulieren, die während des ursprünglichen<br />
Markenerlebnisses involviert waren. Die Materialien<br />
erlauben es dem Konsumenten, schwer verbalisierbares multisensorisches<br />
Wissen in der Form zum Ausdruck zu bringen,<br />
in der es im Gedächtnis gespeichert ist (Kosslyn 1995).<br />
Das Toolkit ist Resultat eines intensiven Brainstorming-<br />
Prozesses, in dem diverse Sinne wie Sehsinn, Gehörsinn, Geruchsinn,<br />
Geschmacksinn und Haptik mit Eigenschaften von<br />
tatsächlichen Objekten wie beispielsweise rot, schrill, fruchtig,<br />
hart, die Teil des Markenerlebnisses des Konsumenten sein<br />
können, in Verbindung gebracht wurden. Um die Kreativität<br />
der Konsumenten nicht einzuschränken, wurden bewusst<br />
abstrakte Materialien, zum Beispiel Holzsteine, Watte, Nahrungsmittel,<br />
Gerüche gewählt, die keine beziehungsweise<br />
möglichst wenig vordefinierte Bedeutung haben.<br />
Tabelle 1 zeigt einen Ausschnitt der im MSS Toolkit enthaltenen<br />
Materialien sowie deren Objekteigenschaften und von<br />
ihnen stimulierten Sinne. Der Vorteil des Toolkits besteht<br />
vorwiegend darin, dass allen Teilnehmern dieselben Materialien<br />
zur Verfügung stehen und damit die Vergleichbarkeit der<br />
Ergebnisse für einzelne Marken aber auch über verschiedene<br />
Marken hinweg gesteigert werden kann.<br />
Tabelle 1: Beispiele für Elemente des MSS Toolkit<br />
2. Datenerhebungsprozess<br />
Der Datenerhebungsprozess beginnt mit einer freien Explorationsphase,<br />
in der die Teilnehmer aufgefordert werden, die<br />
zur Verfügung stehenden Materialien mit allen Sinnen zu erkunden.<br />
Diese erlaubt es den Teilnehmern, sich mit den unterschiedlichen<br />
Materialien vertraut zu machen. Ziel der ersten<br />
Phase ist es, die Teilnehmer multisensorisch zu stimulieren<br />
und damit auf die eigentliche Konstruktionsaufgabe vorzubereiten.<br />
In einem zweiten Schritt erhalten die Teilnehmer dann die<br />
eigentliche Aufgabenstellung, die wie folgt lautet: „Bitte verwenden<br />
Sie die zur Verfügung stehenden Materialien, um eine<br />
Skulptur zu bauen, welche die Bedeutung der Marke x für Sie<br />
widerspiegelt”. Die Teilnehmer erhalten keine weiteren Anweisungen,<br />
welche Materialien sie verwenden sollen oder wie<br />
sie diese Materialien zu einer Skulptur vereinen sollen. Sie<br />
können so ihrer Kreativität freien Lauf lassen und intuitiv jene<br />
Materialien wählen, die ihrem Markenwissen am besten Ausdruck<br />
verleihen.<br />
29<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
30<br />
Um die Teilnehmer nicht unter Druck zu<br />
setzen, gibt es auch keine zeitliche Be-<br />
schränkung für die Erstellung der Skulptur.<br />
Das Ergebnis dieser ersten Phase<br />
ist eine Skulptur, welche die Bedeutung<br />
der Marke aus Sicht des Teilnehmers<br />
darstellt (siehe Abbildung 1 für<br />
ein Beispiel einer Skulptur, welche die<br />
Markenbedeutung einer österreichischen<br />
Luxusmarke verkörpert).<br />
Erste Anwendungen der Methode bei knapp<br />
150 Probanden und über 7 Marken aus unterschiedlichen<br />
Branchen (Bildungs-, Finanz- und Gesundheitswesen,<br />
Konsumgüterindustrie, Informationstechnologie, Tourismus)<br />
hinweg zeigen, dass die Aufgabenstellung für die Teilnehmer<br />
leicht verständlich und auch einfach durchführbar ist. Viele<br />
Teilnehmer betonten vor allem die Attraktivität des Spielcharakters,<br />
welcher der MSS-Methode innewohnt: „Das hat Spaß<br />
gemacht, wieder mal zu basteln” (Hugo, 35 Jahre).<br />
Im letzten Schritt der Datenerhebungsphase werden die entstandenen<br />
Markenskulpturen als multisensorische Stimuli<br />
für ein projektives narratives Interview verwendet (Heisley &<br />
Levy 1991). In Einzelinterviews bringt der Teilnehmer die Bedeutung<br />
einzelner Materialien sowie die Bedeutung der Gesamtskulptur<br />
nochmals verbal zum Ausdruck. Die während<br />
dieses Interviews generierten Metaphern, das heißt verbale<br />
Ausdrücke, die nicht in ihrer wörtlichen, sondern in einer übertragenen<br />
Bedeutung verwendet werden, bieten vertiefende<br />
Einblicke in das multisensorische Markenwissen des Teilnehmers<br />
(vgl. Johnson 2009; Lakoff & Johnson 1999).<br />
Abbildung 2: Embodied Brand Knowledge Map einer<br />
österreichischen Luxusmarke<br />
Cold Charisma 7 Light Reflection 9<br />
is associated with is associated with<br />
Ephemeral 10<br />
is associated with<br />
Fantasy World 34<br />
Fragility 14<br />
is cause of<br />
Softness 5<br />
contradicts Reality 10<br />
Tradition 13 Structure 9<br />
is part of<br />
Simplicity 5<br />
contradicts<br />
Opulence 12<br />
is associated with<br />
is associated with is associated with<br />
is associated with<br />
is associated with is associated with<br />
Core 29 Periphery 16<br />
is cause of<br />
Robustness 11<br />
Unnecessity 7<br />
Die Skulpturen werden schließlich fotografiert, die dazugehörigen<br />
verbalen Ausführungen auf Tonträger aufgezeichnet<br />
und anschließend wörtlich transkribiert. Der hier beschriebene<br />
Prozess ist für Marken verschiedenster Branchen sowie<br />
zur Erhebung des verkörperten Markenwissens diverser Interessensträger<br />
einer Marke wie zum Beispiel Konsumenten<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
oder MMitarbeiter<br />
anwendbar. Eine minimale Stich-<br />
prob probengröße von 15 bis 20 Probanden ist empfehlenswert<br />
feh (vgl. Zaltman 1997).<br />
3. Datenanalyse und -darstellung<br />
Der Fokus der Datenanalyse liegt auf den<br />
Bedeutungen, die über verbale Metaphern<br />
Abbildung 1: Exemplarische Markenskulptur<br />
einer österreichischen Luxusmarke<br />
sowie über multisensorische Materialien zum Ausdruck<br />
kommen. Die Datenanalyse involviert sowohl die teilnehmenden<br />
Probanden als auch die Forscher.<br />
In einem ersten Schritt explizieren die Teilnehmer die Bedeutung<br />
ihrer Skulpturen und bestätigen damit ihre eigenen Interpretationen<br />
mittels „confirmatory personal introspection”<br />
(Woodside 2004). Mindestens zwei Forscher wenden dann<br />
getrennt voneinander Prinzipien der hermeneutischen Textanalyse<br />
(Arnold & Fischer 1994; Thompson 1997) mit einem<br />
speziellen Fokus auf Metaphern auf die verbalen Ausführungen<br />
an. Die Metaphern werden zunächst gemäß der von Johnson<br />
(1987) vorgeschlagenen Typologie klassifiziert und dann<br />
auf ihre zugrundeliegende Bedeutung hin analysiert. Die verbalen<br />
Metaphern werden zudem konstant mit den multisensorischen<br />
Materialien in Verbindung gebracht, die die verbalen<br />
Ausführungen ursprünglich stimulierten.<br />
Der Datenerhebungsprozess beginnt mit<br />
einer freien Explorationsphase, in der die<br />
Teilnehmer aufgefordert werden, die zur<br />
Verfügung stehenden Materialien mit allen<br />
Sinnen zu erkunden.<br />
Die Forscher gleichen ihre individuellen Ergebnisse dann ab,<br />
um ein konsensuales Verständnis bezüglich der zentralen<br />
Markenbedeutungen der Teilnehmer zu generieren. Die Ergebnisse<br />
werden schließlich in die qualitative Analysesoftware<br />
ATLAS.ti eingespeist, die eine Aggregation und graphische<br />
Darstellung der Daten in einer sogenannten „Embodied<br />
Brand Knowledge Map” (EBKM) ermöglicht. Diese illustriert<br />
die am häufigsten auftretenden Markenbedeutungen über<br />
alle Probanden hinweg, Verbindungen zwischen diesen Bedeutungen<br />
sowie die Sinne, durch welche die Markenbedeutungen<br />
aktiviert wurden. Um in die EBKM aufgenommen zu<br />
werden, muss eine Bedeutung von mindestens einem Drittel<br />
der Befragten genannt werden (vgl. Zaltman & Coulter 1995).<br />
4. Exemplarische Embodied Brand Knowledge Map<br />
Die in Abbildung 2 dargestellte EBKM aggregiert die zentralen<br />
Markenbedeutungen von 15 Konsumenten – sechs Frauen<br />
und neun Männern – bezüglich einer international operierenden<br />
österreichischen Luxusmarke. Insgesamt wurden 21 Markenbedeutungen<br />
über alle Teilnehmer hinweg identifiziert.<br />
Durchschnittlich nannte jeder Teilnehmer 6 Bedeutungen
(Mehrfachnennungen waren möglich). Die den Bedeutungen<br />
beigestellte Zahl bringt zum Ausdruck, wie häufig eine Bedeutung<br />
genannt wurde.<br />
Die den Bedeutungen beigestellten Symbole indizieren, welche<br />
Sinne bei der Abrufung der Bedeutung über die Skulptur<br />
aktiviert wurden. Die Verbindungen zwischen einzelnen Bedeutungen<br />
veranschaulichen die aggregierten Markenassoziationsketten<br />
der Teilnehmer. Diese Verbindungen können<br />
assoziativer, kausaler, partizipativer oder kontradiktorischer<br />
Natur sein.<br />
Im Zentrum der EBKM steht die Dichotomie von „Fantasiewelt”<br />
und „Realität”, die die Bedeutung der Marke für die<br />
teilnehmenden Konsumenten stark charakterisiert. Diese<br />
zwei Bedeutungen bilden den Ausgangspunkt für mehrere<br />
Assoziationsketten, welche wiederum die Bedeutung dieser<br />
Konzepte speisen. Konsumenten nutzen zahlreiche verbale<br />
Metaphern wie „Träume”, „auf Wolken schweben”, „Winter<br />
Wonderland”, „Glitter und Bling Bling”, „Märchenland”, „eine<br />
weit entfernte Welt” sowie multisensorische Materialien –<br />
zum Beispiel Watte, Aluminiumfolie, Glitter, Schmucksteine<br />
und Kristalle in kalten Farben, Perlen, weiße Wachssteine –<br />
zur Untermauerung der Bedeutung „Fantasiewelt”. Fragilität<br />
und Vergänglichkeit werden stark mit Fantasiewelt in Verbindung<br />
gebracht.<br />
Die Bedeutung „Realität” wird hingegen durch verbale Metaphern<br />
wie „Alltäglichkeit”, „Natur” oder „wirkliches Leben”<br />
zum Ausdruck gebracht. Konsumenten nutzen natürliche, solide<br />
Materialien in Erdtönen, um dieser Bedeutung Ausdruck<br />
zu verleihen – zum Beispiel mit Materialien wie Baumrinde,<br />
Moos, Korken, Nüssen, Tannenzapfen, Steinen und Lego. Die<br />
Bedeutungen Tradition und Struktur stehen in enger Verbindung<br />
zu Realität.<br />
Abbildung 1 zeigt eine Markenskulptur, die diese Dichotomie<br />
klar zum Ausdruck bringt. Im Zentrum befindet sich das<br />
Wertvolle, Zerbrechliche, Surreale – dargestellt durch glänzende<br />
Edelsteine und Glitter. Dieser Kern ist umgeben von einer<br />
Schicht Watte sowie von einem Kranz aus Rosenblättern, die<br />
das wertvolle Innere von der harten Realität schützen sollen,<br />
die die Skulptur umgibt.<br />
Der Fokus der Datenanalyse liegt auf den<br />
Bedeutungen, die über verbale Metaphern<br />
sowie über multisensorische Materialien zum<br />
Ausdruck kommen.<br />
Innovationsgehalt und Praxistauglichkeit der Methode<br />
Die Methode des Multi-Sensory Sculpting stellt eine Innovation<br />
im Bereich der Markenwissenserhebung dar, da sie<br />
Forschern sowie Praktikern die Möglichkeit bietet, Zugriff zu<br />
multisensorischem Wissen verschiedener „Markeninteressensträger”<br />
zu gewinnen. Im Gegensatz zu bestehenden Erhebungsmethoden<br />
arbeitet MSS mit abstrakten Materialien,<br />
die jene Sinne stimulieren, welche an der ursprünglichen Wis-<br />
sensentstehung beteiligt waren. Die multisensorischen Markenskulpturen,<br />
die während des Prozesses entstehen, sind<br />
selbst Ausdruck von Markenwissen und dienen des Weiteren<br />
als Stimuli für eine darauf folgende verbale Markenwissenserhebung.<br />
Diesem methodischen Ansatz liegt die Annahme<br />
zugrunde, dass Probanden aufgrund der vorherigen multisensorischen<br />
Stimulation auf Wissensinhalte zugreifen können,<br />
die mit rein verbalen Verfahren nicht abrufbar wären.<br />
Die Bedeutung „Realität” wird hingegen<br />
durch verbale Metaphern wie „Alltäglichkeit”,<br />
„Natur” oder „wirkliches Leben” zum<br />
Ausdruck gebracht. Konsumenten nutzen<br />
natür liche, solide Materialien in Erdtönen, um<br />
dieser Bedeutung Ausdruck zu verleihen<br />
Die durch MSS erlangten vertiefenden Einblicke in multisensorisches<br />
Markenwissen sind von äußerster Relevanz für<br />
Markenmanager. Je nach Ziel der Studie kann das Markenmanagement,<br />
um Einblicke in das multisensorische Markenwissen<br />
von Individuen zu erlangen, MSS auf individueller Ebene<br />
anwenden. Es kann aber ebenso in Gruppen einsetzt werden,<br />
um Gruppendiskussion und gemeinsame Markenentwicklung<br />
zu forcieren.<br />
Ein Anwendungsgebiet für die Methode ist die Markenstrategieentwicklung.<br />
Mithilfe von MSS kann beispielsweise die<br />
vom Management intendierte Markenbedeutung erarbeitet<br />
werden. Die während eines Strategieworkshops entstandene<br />
Markenskulptur kann als starkes multisensorisches Symbol<br />
für die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse dienen.<br />
MSS kann des Weiteren im Markenmonitoring Einsatz finden.<br />
Markenmanager erhalten beispielsweise vertiefende Einblicke<br />
in das multisensorische Markenwissen ihrer Konsumenten<br />
sowie ein Verständnis der zugrundeliegenden multisensorischen<br />
Markenerfahrungen. Ein Vergleich des so erhobenen<br />
Markenwissens über mehrere Erhebungszeitpunkte hinweg<br />
kann Informationen bezüglich des Erfolges diverser operativer<br />
multisensorischer Marketingmaßnahmen liefern. Die so<br />
gewonnenen Ergebnisse können zudem zukünftigen Handlungsbedarf<br />
aufzeigen und als Basis für die Entwicklung konkreter<br />
operativer Markenführungsmaßnahmen dienen, wie<br />
zum Beispiel für die Gestaltung von Markenerlebnissen am<br />
POS.<br />
Referenzen zum Text sind auf Anfrage bei den Autorinnen<br />
erhältlich.<br />
*) Der Beitrag basiert auf der Publikation: von Wallpach, Sylvia; Kreuzer,<br />
Maria (forthcoming). Multi-sensory sculpting (MSS): Eliciting<br />
brand knowledge via multi-sensory metaphors. Journal of Business<br />
Research, Special Issue on Advancing Research Methods in Marketing.<br />
Für weitere Informationen besuchen Sie bitte: www.multisensorysculpting.com<br />
31<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
32<br />
Nominiert für das Best Paper 2012<br />
Neuroökonomische Marketingforschung<br />
Dr. Nadine Hennigs und Dr. Steffen Schmidt, Leibniz Universität Hannover zur Bestimmung<br />
ganzheitlicher Markenwirkung anhand expliziter und impliziter Erhebungstechniken<br />
Die Erkenntnis der Neuroökonomie, dass starke Marken ihre spezifische Anziehungskraft<br />
auf einer expliziten sowie impliziten Ebene entfalten, trifft mittlerweile auf eine breite Zustimmung.<br />
Erstaunlich hierbei ist, dass es trotzdem an einem ganzheitlichen Mess- und<br />
Steuerungskonzept mangelt, das beide Ebenen systematisch verknüpft und zur Entscheidungsfindung<br />
analysiert. Die Autoren thematisieren ein derartiges Konzept auf Basis neuroökonomischer<br />
Erkenntnisse theoretisch und konzeptionell und stellen die Ergebnisse einer<br />
Kausalanalyse vor.<br />
Der immaterielle Werttreiber „Marke” bildet nach wie vor ein<br />
relevantes und dominierendes Thema sowohl in der Marketingpraxis<br />
als auch der Marketingwissenschaft. Das hohe<br />
Interesse an dieser Thematik lässt sich in erster Linie durch<br />
den Erfolg starker Marken wie zum Beispiel Apple oder Coca-<br />
Cola begründen. Derartig starken Marken gelingt es scheinbar<br />
spielend, die Bestposition auf bestehenden Märkten über<br />
Jahrzehnte hinweg erfolgreich zu verteidigen oder sich auf<br />
neuen Märkten in kürzester Zeit zu etablieren.<br />
Das Geheimnis dieser Marken liegt in der besonderen<br />
Anziehungskraft, die sich im Gehirn<br />
der Kunden entfaltet. Dass dieser Erfolg nicht<br />
selbstverständlich ist, verdeutlicht die hohe<br />
Floprate bei der Einführung neuer Produkte.<br />
Das Geheimnis dieser Marken liegt in der besonderen Anziehungskraft,<br />
die sich im Gehirn der Kunden entfaltet. Dass<br />
dieser Erfolg nicht selbstverständlich ist, verdeutlicht die hohe<br />
Floprate bei der Einführung neuer Produkte: Je nach Quelle<br />
scheitern weltweit zwischen 40 und 90 Prozent aller Neuprodukteinführungen<br />
in den ersten zwölf Monaten. Und das,<br />
obwohl in der Regel im Vorfeld Ergebnisse aus der konventionellen<br />
<strong>Markt</strong>forschung auf einen Erfolg dieser Produkte nach<br />
<strong>Markt</strong>einführung hingedeutet haben. Ursächlich für das letztendliche<br />
Scheitern im <strong>Markt</strong> scheinen in der Regel ein mangelndes<br />
beziehungsweise nur oberflächliches Kundenverständnis<br />
und damit eine verfehlte Kundenansprache zu sein.<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Dr. Nadine Hennigs<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für<br />
Marketing und Management, Leibniz Universität<br />
Hannover, tätig in den Forschungsschwerpunkten<br />
Luxusmarketing, Markenmanagement, Methoden<br />
der Marketingforschung, Zielkundenmanagement,<br />
Finanzdienstleistungsmarketing<br />
Den Erkenntnissen der Neuroökonomie folgend läuft das Gros<br />
der menschlichen Wahrnehmungs- und Verhaltensprozesse<br />
automatisch beziehungsweise unbewusst ab. Klassische<br />
Erhebungstechniken, wie zum Beispiel die weit verbreiteten<br />
schriftlichen oder mündlichen Befragungen, sind nicht in der<br />
Lage, diese implizite Ebene (zusätzlich) zu erfassen.<br />
Ebenso erlauben es traditionelle Analysemethoden nicht, die<br />
komplexen Wirkungszusammenhänge zwischen Markenstärke,<br />
Markenwahrnehmung und Markenverhalten zur fundierten<br />
Unterstützung von Entscheidungen für das Markenmanagement<br />
kausalanalytisch zu bestimmen. Allerdings lässt sich<br />
eine Marke ohne eine verhaltenswissenschaftliche Messung<br />
und fundierte Analyse der Markenwirkung letzten Endes nur<br />
unzureichend und „auf kurze Sicht fliegen” beziehungsweise<br />
managen, aber nicht langfristig am <strong>Markt</strong> positionieren und<br />
halten.<br />
Forschungsfragen und -ziele<br />
Der konkrete Forschungsbedarf ergibt sich aus der Erkenntnis,<br />
dass die nachhaltige Kraft von Marken allein in den Köpfen<br />
der Kunden entfaltet wird. Vor dem Hintergrund der vorab<br />
skizzierten Aktualität der Themenrelevanz können dabei die<br />
folgenden Forschungslücken identifiziert werden:<br />
Theoretisch:<br />
Bisher existiert kein managementorientiertes Mess- und Steuerungskonzept,<br />
das eine explizite und implizite Markenwirkungsebene<br />
zur Identifikation und Optimierung von markenwertsteigernden<br />
Erfolgsfaktoren gleichzeitig berücksichtigt.<br />
Dr. Steffen Schmidt<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für<br />
Marketing und Management, Leibniz Universität<br />
Hannover, tätig in den Forschungsschwerpunkten<br />
Markenmanagement, Neuroökonomie, Usability,<br />
User Experience, Data Mining
Empirisch:<br />
Ebenso fehlt es bislang an einer ganzheitlichen Bestimmung<br />
der expliziten und impliziten Wirkungspotenziale einer Marke<br />
unter Anwendung leistungsstarker Kausalanalysen in Bezug<br />
auf die kundenseitige Markenwahrnehmung und das tatsächliche<br />
Markenwahlverhalten.<br />
Methodisch:<br />
Des Weiteren mangelt es an einem systematischen und zielgerichteten<br />
Einsatz von kausalanalytischen Analysetechniken<br />
(Ursache-Wirkungs-Prinzip) zur simultanen Auswertung von<br />
expliziten und impliziten Erhebungsdaten.<br />
Die primäre Zielsetzung des vorliegenden Beitrags besteht<br />
vor diesem Hintergrund darin, einen nachhaltigen Erkenntnisgewinn<br />
zur expliziten und impliziten Wirkung von Marken<br />
für die Marketingpraxis und -wissenschaft zu liefern. Hierzu<br />
sollen die wahrnehmungs- und verhaltensbestimmenden<br />
Wirkungsbereiche einer Marke eindeutig definiert, ein kombinierter<br />
Messinstrumenteneinsatz zur Erfassung der impliziten<br />
und expliziten Ebene konzipiert sowie die werttreibenden<br />
Wirkungsbereiche auf ausgewählte Key-Performance-Indikatoren<br />
des Marketings wie zum Beispiel Image, Vertrauen, Loyalität<br />
und Kaufabsicht empirisch ergründet werden.<br />
Mehrwert eines kombinierten Einsatzes von expliziten und<br />
impliziten Erhebungsverfahren<br />
Die wissenschaftliche und praktische Marketingforschung ist<br />
sich verstärkt der Limitationen traditioneller Erhebungstechniken<br />
bewusst. Gerade die jüngere Forschung zeigt, insbesondere<br />
auf dem Gebiet der Neurowissenschaften, dass die<br />
unbewussten, impliziten Vorgänge im menschlichen Gehirn<br />
die Entscheidung für oder gegen ein Produkt beziehungsweise<br />
eine Marke stark beeinflussen. Konventionelle Studien zu<br />
Konsumentscheidungen nutzen klassische Erhebungstechniken<br />
wie schriftliche Befragungen oder telefonische Interviews.<br />
Im Alltag auftretenden Herausforderungen der Marketingforschung<br />
bei der Datenerhebung wie soziale Erwünschtheit<br />
oder Introspektionsfähigkeit (zum Beispiel Erinnerungsleistung)<br />
können mit klassischen Methoden nicht hinreichend<br />
valide und reliabel begegnet werden.<br />
Daneben gibt es speziell in der wissenschaftlichen Forschung<br />
einen verstärkten Trend in Bezug auf den Einsatz von neuartigen<br />
Verfahren der Neurowissenschaften, die einen direkteren<br />
Zugang ermöglichen, um die besonders verhaltensrelevanten<br />
impliziten Hirnprozesse zu erfassen. Diese Verfahren setzen<br />
meist auf die Erfassung von Hirnaktivitäten – zum Beispiel via<br />
funktioneller Magnetresonanztomographie oder Elektroenzephalographie<br />
– beziehungsweise physiologischen Körperreaktionen<br />
wie zum Beispiel via Hautwiderstandsmessung oder<br />
Elektrokardiogramm.<br />
Abbildung 1: Prozesse der Informationsverarbeitung nach<br />
Camerer et al. (2005)<br />
Ein klarer Vorteil von neurowissenschaftlichen Erhebungsverfahren<br />
ist dabei auch der Zeitpunkt der Erhebung, gerade<br />
im Hinblick auf die Konsumentenreaktion bei der Darbietung<br />
von Marketingstimuli wie beispielsweise Printanzeigen, Werbespots,<br />
PR-Events etc. Während konventionelle explizite<br />
Methoden ihrer Anlage entsprechend nur eine asynchrone<br />
Erhebung erlauben, in der der Zeitpunkt des Marketingkontaktes<br />
vor dem Zeitpunkt der Erhebung der Konsumentenreaktion<br />
liegt, sind neurowissenschaftliche implizite Verfahren<br />
(meistens) zur synchronen Erhebung fähig. Der Zeitpunkt des<br />
Marketingkontaktes entspricht meist genau dem Zeitpunkt<br />
der Datenerhebung.<br />
Während explizite Methoden sich der Problematik<br />
stellen müssen, dass der Befragte<br />
willig und fähig ist, eine Antwort abzugeben,<br />
unterliegen implizite Verfahren insbesondere<br />
einem kulturellen Einfluss, wie zum Beispiel<br />
soziokulturell geprägten Vorurteilen.<br />
An dieser Stelle ist allerdings zu betonen, dass die alleinige<br />
Konzentration auf implizite Verfahren zu kurz greift und<br />
ebenso Gefahren aufweist. Während explizite Methoden sich<br />
der Problematik stellen müssen, dass der Befragte willig und<br />
fähig ist, eine Antwort abzugeben, unterliegen implizite Verfahren<br />
insbesondere einem kulturellen Einfluss, wie zum Beispiel<br />
soziokulturell geprägten Vorurteilen, die nicht notwen-<br />
33<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
34<br />
digerweise für das einzelne Individuum entscheidungs- und<br />
damit verhaltensrelevant sein müssen. Explizit-bewusste und<br />
implizit-unbewusste Markenbewertungen stellen also in ihrer<br />
Kombination unterschiedliche Facetten der Wahrnehmung<br />
und des Verhaltens auf Seiten der Konsumenten dar. Demnach<br />
ist auch ein integrierter Ansatz unabdingbar, der sowohl<br />
explizite als auch implizite Methoden einbezieht, um zum Beispiel<br />
die ganzheitlichen Entscheidungsprozesse von Kunden<br />
bei der Markenwahl im Detail zu verstehen und im Markenmanagement<br />
entsprechend berücksichtigen zu können.<br />
Herleitung des konzeptionellen Bezugsrahmens<br />
Aus kognitionswissenschaftlicher Sicht stellt jeder Mensch<br />
ein informationsverarbeitendes System dar. Ein modelltheoretischer<br />
Ansatz dieser Informationsverarbeitung stellt<br />
das Consumer Information Processing (CIP) dar. Etwas verknappt<br />
dargestellt beschreibt dieser Theorieansatz alle im<br />
Inneren ablaufenden Hirnaktivitäten, mit denen der Mensch<br />
beziehungsweise der Konsument als ein psychisches System<br />
Abbildung 2: Konzeptionelles Untersuchungsmodell<br />
Abbildung 3: Eingesetzte implizite Messmethoden –<br />
EEG und SC-IAT<br />
Abbildung 4: Empirisches Untersuchungsmodell<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Informationen (zum Beispiel Imageanzeigen) über seine Sinnessysteme<br />
aufnimmt, speichert und verarbeitet. Dabei gilt<br />
aufgrund unterschiedlicher expliziter und impliziter Informationsverarbeitungsrouten,<br />
dass nicht alle aufgenommenen,<br />
abgespeicherten und verarbeiteten Informationen stets verfügbar<br />
und zugänglich sind, aber dennoch entscheidungs- und<br />
verhaltensrelevant sein können. Aus Sicht des Markenmanagements<br />
bietet sich hierbei das Vier-Felder-Modell von CAME-<br />
RER / LOEWENSTEIN / PRELEC (2005) als strukturierter Mess-<br />
und Steuerungsansatz an, der in Abbildung 1 dargestellt ist.<br />
Diesem zweidimensionalen Modell zufolge lassen sich die<br />
Informationsverarbeitungsprozesse als explizit oder implizit<br />
und kognitiv oder affektiv einteilen, wodurch sich vier Verarbeitungsmodi<br />
ergeben: explizit-kognitiv, explizit-affektiv,<br />
implizit-kognitiv, implizit-affektiv. Explizit-kognitiver Ursache<br />
sind zum Beispiel reflektierte Einschätzungen oder Urteile,<br />
dagegen sind bewusst gewordene Gefühle wie Freude oder<br />
Sympathie explizit-affektiver Natur. Derweil basieren spontane<br />
Erinnerungen oder intuitives Wissen in erster Linie auf<br />
implizit-kognitiven Prozessen, Impulskäufe dagegen primär<br />
auf implizit-affektiven Prozessen. Diese vier Verarbeitungsmodi<br />
bestimmen in ihrer Gesamtheit wiederum die Markenwahrnehmung<br />
und das Markenverhalten. Abbildung 2 stellt<br />
den konzeptionellen Bezugsrahmen dar.<br />
Design der Studie<br />
Die Erfassung der Markenwahrnehmung erfolgte über eine<br />
schriftliche Befragung bezüglich des wahrgenommenen Markenimages<br />
und Markenvertrauens. Das Markenverhalten ist<br />
anhand einer schriftlichen Abfrage der Markenloyalität und<br />
zukünftigen Kaufabsicht erfasst worden. Sowohl zur Markenwahrnehmungs-<br />
als auch zur Markenverhaltensmessung<br />
wurde eine 5er-Rating-Skala eingesetzt (1 = stimme überhaupt<br />
nicht zu bis 5 = stimme voll und ganz zu).<br />
Um das Ausmaß zu bestimmen, inwiefern welcher Verarbeitungsmodus<br />
die Markenwahrnehmung und das Markenverhalten<br />
beeinflusst, wurde jeder Verarbeitungsmodus separat<br />
erfasst und als einzelne latente Variable im Untersuchungsmodell<br />
abgebildet. Konkret ist zur Bestimmung der beiden<br />
expliziten Dimensionen eine schriftliche Befragung mit Hilfe<br />
von sieben-poligen semantischen Differenzialen eingesetzt<br />
worden, in der konkret die Glaubwürdigkeit (explizit-kognitiv)<br />
und die Einstellung (explizit-affektiv) bestimmt wurden. Die<br />
Erfassung der beiden impliziten Dimensionen erfolgte anhand<br />
einer Reaktionszeit- und einer Hirnstrommessung. Für die<br />
Reaktionszeitmessung kam ein Single Category Implicit Association<br />
Test (SC-IAT) zum Einsatz, mit dem Ziel, die implizitkognitive<br />
Ebene zu erfassen. Als Erhebungssoftware wurde<br />
Inquisit 3.04 von Millisecond Software eingesetzt. Die Hirnstrommessung<br />
ist mit einem Elektroenzephalogramm (EEG)<br />
bestimmt worden. Hierzu wurde das EEG-Headset EPOC von<br />
Emotiv verwendet, das 14 Elektroden umfasst. Konkret ging<br />
es bei der Hirnstrommessung um die Erfassung der mentalen<br />
Engagement- und Meditationsaktivierung, die von dem verwendeten<br />
EPOC Headset automatisch ausgegeben wird.<br />
Vorstudien zeigten, dass die beiden mentalen Aktivierungszustände<br />
eine links- beziehungsweise rechtsseitige Dominanz
des Vorderhirns anzeigen und stark mit der konsumentenseitigen<br />
Markenpräferenz und dem Markenbesitz korrelierten.<br />
Zur Synchronisierung der EEG-Daten mit den auf dem Bildschirm<br />
dargebotenen Markenlogos kam die Software i² Visualizer<br />
von eye square zum Einsatz. In Abbildung 3 sind beide<br />
implizite Messmethoden dargestellt.<br />
28 gesunde, rechtshändige Probanden (Geschlechterverhältnis:<br />
53,6 Prozent weiblich und 46,4 Prozent männlich) wurden<br />
im Sommer 2011 zur Durchführung der Studie rekrutiert. Jeder<br />
Studienteilnehmer hatte mit Volkswagen und Continental<br />
zwei Marken aus der Automotive-Branche zu bewerten. Die<br />
Studie setzte hierbei auf einem Vorher-Nachher-Design auf.<br />
Nachdem die Probanden beide Marken ein erstes Mal bewertet<br />
hatten, sahen sie sich PR-Event-Videos von beiden Marken<br />
an, um anschließend noch einmal eine Markenbewertung<br />
vorzunehmen. Damit ergaben sich zur anschließenden Datenauswertung<br />
insgesamt 112 Datenpunkte beziehungsweise<br />
Nettobewertungen (28*2*2). Die ganzheitliche und simultane<br />
Auswertung erfolgte unter Rückgriff auf das kausalanalytische<br />
Strukturgleichungsverfahren Partial Least Squares (PLS)<br />
und die Software SmartPLS 2.0.<br />
Alle expliziten und impliziten Messinstrumente erreichten<br />
zufriedenstellende Reliabilitäts- und Validitätswerte. Insbesondere<br />
die Split-Half-Reliabilitätswerte der SC-IAT- und der<br />
EEG-Messung überzeugten durch Reliabilitätskoeffizienten<br />
von über 0.6, was bereits als sehr gut für implizite Methoden<br />
interpretiert werden kann. In Abbildung 4 sind die Pfadkoeffizienten<br />
der PLS-Analyse abgetragen.<br />
Das aufgestellte Kausalmodell erzielt mit R²-Werten von über<br />
0.6 eine sehr gute Modellgüte. Die durchgeführte Studie kann<br />
hierbei eindeutig aufzeigen, dass die Wirkung einer Marke auf<br />
die Markenwahrnehmung und das Markenverhalten sowohl<br />
von einer expliziten als auch einer impliziten Ebene ausgeht.<br />
Die Markenwahrnehmung wiederum hat einen direkten Effekt<br />
auf das Markenverhalten. Als besonders interessant erweist<br />
sich das Ergebnis, dass beide kognitive Dimensionen auf direktem<br />
Wege (lediglich) die Markenwahrnehmung beeinflussen,<br />
während von beiden affektiven Dimensionen eine Wirkung<br />
sowohl auf die Markenwahrnehmung als auch auf das<br />
Markenverhalten ausgeübt wird.<br />
Im Detail geht in dieser Studie der stärkste direkte Effekt auf<br />
die Markenwahrnehmung von der explizit-affektiven Ebene<br />
aus, gefolgt von der explizit-kognitiven und der implizit-kognitiven<br />
Ebene. Der direkte Einfluss der implizit-affektiven<br />
Dimension auf die Markenwahrnehmung fällt zwar schwach<br />
aus, ist aber noch auf einem 90-Prozent-Niveau signifikant<br />
und im Rahmen einer explorativen Studie wie der vorliegenden<br />
durchaus akzeptabel. In Bezug auf das Markenverhalten<br />
geht ebenso von der explizit-affektiven Ebene die stärkste<br />
Wirkung aus. Im Vergleich fällt der direkte Einfluss der implizit-affektiven<br />
Wirkungsebene etwa halb so hoch aus. Er ist in<br />
diesem Fall aber auf dem 99-Prozent-Niveau hochsignifikant.<br />
Im Gegensatz hierzu konnte weder von der explizit-kognitiven<br />
noch der implizit-kognitiven Wirkungsdimension ein direkter<br />
Effekt auf das Markenverhalten bestimmt werden.<br />
Die Ergebnisse zeigen deutlich den ökonomischen Managementwert<br />
einer affektiven Markenwirkung auf der expliziten<br />
und impliziten Ebene für oder auf ein positives Kundenverhalten<br />
an. Gleichzeitig implizieren die Ergebnisse, dass kognitive<br />
Bewertungen beziehungsweise Argumentationen, egal<br />
ob expliziter oder impliziter Natur, sozusagen als notwendige<br />
Bedingungen fungieren, indem sie die Markenwahrnehmung<br />
stark mitprägen. Damit es letzten Endes aber zur Verhaltensrelevanz<br />
bei der Markenauswahlentscheidung kommt, bedarf<br />
es als hinreichende Bedingung in erster Linie einer affektiven<br />
Markenwirkung, wobei auch hier sowohl die explizite als auch<br />
die implizite Informationsverarbeitungsroute einen Einfluss<br />
ausüben.<br />
Mit der vorgestellten Messkombination einer<br />
neuroökonomisch fundierten Erhebung und<br />
Analyse der ganzheitlichen Markenwirkung<br />
kann die Effektivität und Effizienz der Markenführung<br />
auf objektiv analytischem Wege<br />
überprüft und sichergestellt werden, ohne<br />
subjektiv geführte Grabenkämpfe bestreiten<br />
zu müssen.<br />
Fazit und Ausblick<br />
Der Mehrwert eines kombinierten Methodeneinsatzes mit<br />
dem gleichzeitigen Einsatz von expliziten und impliziten Erhebungstechniken<br />
wird durch die Ergebnisse der durchgeführten<br />
Untersuchung klar aufgezeigt. Anhand dieser Studie wird<br />
vor allem der Glaubensstreit befriedet beziehungsweise die<br />
Beweggründe zumindest stark angezweifelt, aus einer primär<br />
ideologisch getriebenen Forschungsmotivation heraus entweder<br />
nur explizite oder implizite Erhebungstechniken isoliert<br />
einzusetzen.<br />
Mit der vorgestellten Messkombination einer neuroökonomisch<br />
fundierten Erhebung und Analyse der ganzheitlichen<br />
Markenwirkung kann die Effektivität und Effizienz der Markenführung<br />
auf objektiv analytischem Wege überprüft und<br />
sichergestellt werden, ohne subjektiv geführte Grabenkämpfe<br />
bestreiten zu müssen. Die skizzierte Demonstration der Leistungsfähigkeit<br />
eines kombinierten Einsatzes aus expliziten<br />
und impliziten Erhebungsmethoden bildet hierbei hoffentlich<br />
einen motivierenden Ausgangspunkt für weitere Studien.<br />
Entsprechend hoffen wir im Sinne von Gerald Zaltman, Harvard<br />
Business School, auf vielfältige Anreize für eine vertiefende<br />
Auseinandersetzung mit dieser Thematik im Bereich<br />
von Marketingforschung und Markenmanagement, gerade<br />
mit Blick auf leistungsstarke Alternativen zur Überwindung<br />
der Grenzen konventioneller Methoden:<br />
„The world has changed, but our methods for understanding<br />
consumers have not. We keep relying on familiar but ineffective<br />
research techniques and consequently misread consumers’<br />
actions and thoughts. The products we create based on those<br />
techniques, simply aren‘t connecting with consumers.”<br />
35<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
36<br />
Verpackung – der Touchpoint zwischen<br />
Marke und Konsument<br />
Ulrike Oberascher und Julia Roßteuscher, IFM MANNHEIM, zur Relevanz impliziter und<br />
expliziter Reaktionen für den <strong>Markt</strong>erfolg<br />
Verpackungen sind maßgeblich für Produkt- und Markenwahl von Konsumenten und spielen<br />
eine entscheidende Rolle für Absatzerfolg und Markenführung am Point of Sale. Deshalb<br />
werden neue Verpackungen auch regelmäßig Packungstests unterzogen, deren Prognosen<br />
sich allerdings oft als unzutreffend erweisen.<br />
Reaktionen von Konsumenten erfolgen nicht nur bewusst<br />
und reflektiert, sondern werden von impliziten (intuitiven)<br />
Prozessen gesteuert. Diese unbewussten Reaktionen können<br />
von Konsumenten nicht begründet werden, sind aber für<br />
den <strong>Markt</strong>erfolg von Produkten entscheidend. Die Autorinnen<br />
stellen einen Ansatz vor, der die Analyse expliziter und impliziter<br />
Reaktionen von Konsumenten kombiniert und dadurch<br />
zuverlässige und valide Prognosen für den Absatzerfolg möglich<br />
macht.<br />
Für die Wirkung der Verpackung am POS sind<br />
vor allem implizite Entscheidungsprozesse<br />
maßgeblich. Um die Komplexität der Kaufentscheidung<br />
zu reduzieren, entscheiden<br />
Konsumenten implizit (intuitiv) in wenigen<br />
Sekunden ohne nachzudenken.<br />
Da Konsumenten ihre Kaufentscheidung mehrheitlich erst am<br />
Point of Sale (POS) treffen, stellt die Verpackung einen zentralen<br />
Touchpoint zwischen Konsument und Marke dar. Auf dem<br />
deutschen <strong>Markt</strong> werden derzeit rund 50.000 Marken und<br />
deren Produkte angeboten. Experten schätzen, dass lediglich<br />
etwa 300 dieser Marken starke Marken sind. Bei diesen ist<br />
die Verpackung zuständig für die zweifelsfreie Erkennbarkeit<br />
der Marke im Wettbewerbsumfeld. Die Mehrheit sind „Märkchen”.<br />
Über deren Produktwahl entscheidet am POS allein die<br />
Attraktivität ihrer Verpackung.<br />
Neue Verpackungen werden regelmäßig Packungstests unterzogen,<br />
deren Prognosen sich allerdings oft als unzutreffend<br />
erweisen. Reaktionen von Konsumenten auf eine Verpackung<br />
werden von impliziten und expliziten Prozessen gesteuert.<br />
Es gibt vier Merkmale für Kaufentscheidungssituationen,<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Ulrike Oberascher<br />
Diplom Psychologin, Projektleiterin für qualitative<br />
Forschungs projekte beim IFM MANNHEIM<br />
in denen implizite Prozesse dominieren: Low Involvement,<br />
Zeitdruck, hohe Komplexität und Informations-Overload. Bei<br />
hoch reflektierten Konsumenten beziehungsweise hohem Involvement<br />
dominieren hingegen explizite Prozesse (Friese et<br />
al. 2009). Für die Wirkung der Verpackung am POS sind vor<br />
allem implizite Entscheidungsprozesse maßgeblich. Um die<br />
Komplexität der Kaufentscheidung zu reduzieren, entscheiden<br />
Konsumenten implizit (intuitiv) in wenigen Sekunden ohne<br />
nachzudenken und können ihre Entscheidung daher nicht begründen.<br />
Immer wieder kommt es vor, dass sich Produkte trotz<br />
positiver Testergebnisse im klassischen Packungstest (explizit)<br />
als <strong>Markt</strong>flop erweisen. Die Vorhersagegenauigkeit solcher<br />
expliziter Messverfahren ist offensichtlich eingeschränkt.<br />
Mast / Zaltman 2005 stellen entsprechend fest, dass 80 Prozent<br />
der neuen Produkte, denen aufgrund von herkömmlichen<br />
expliziten Testverfahren <strong>Markt</strong>erfolg prognostiziert wurde,<br />
diese Erwartung im <strong>Markt</strong> leider nicht erfüllen konnten.<br />
Es ist davon auszugehen, dass die zuverlässige Prognose des<br />
<strong>Markt</strong>erfolges von Verpackungen eine kombinierte Analyse<br />
sowohl impliziter als auch expliziter Reaktionen erfordert.<br />
Dennoch werden implizite Messverfahren in der gängigen<br />
Marketingpraxis noch selten eingesetzt. Vor allem apparative<br />
Verfahren der Hirnforschung (fMRT) liefern zwar den physiologischen<br />
Nachweis für die Beteiligung impliziter Prozesse am<br />
Entscheidungsverhalten der Konsumenten, stoßen jedoch im<br />
<strong>Markt</strong>forschungsalltag an ihre Grenzen. Die Kosten sind hoch,<br />
die Datenanalyse aufwändig und die Stichprobe nicht repräsentativ.<br />
Die aktuelle Herausforderung für die psychologische <strong>Markt</strong>forschung<br />
besteht deshalb darin, valide und zuverlässige<br />
Methoden zu entwickeln, die implizite Reaktionen der Konsumenten<br />
auf Verpackungen aufdecken und die in der <strong>Markt</strong>forschungspraxis<br />
ökonomisch und effizient eingesetzt werden<br />
können.<br />
Julia Roßteuscher<br />
Diplom Psychologin, Junior-Projektleiterin für qualitative<br />
Forschungsprojekte beim IFM MANNHEIM
Forschungsprozess und Untersuchungsergebnisse<br />
Das IFM MANNHEIM hat in einem mehrstufigen Forschungsprozess<br />
einen praxistauglichen methodischen Ansatz entwickelt,<br />
der sowohl implizite als auch explizite Reaktionen auf<br />
Verpackungen kombiniert und zu validen und zuverlässigen<br />
Prognosen für ihren <strong>Markt</strong>erfolg führt. In allen Untersuchungsschritten<br />
wurden Produkte unterschiedlicher Warengruppen<br />
aus der Kategorie FMCG verwendet und potenziellen<br />
Konsumenten in ihrer handelsüblichen Verpackung zur Beurteilung<br />
präsentiert.<br />
Folgende Grundannahmen bestimmten das Vorgehen bei der<br />
Entwicklung des Untersuchungsansatzes:<br />
Implizite Entscheidungen zu Produkt- und Packungspräferenzen<br />
lassen sich über die Reaktionszeit bestimmen.<br />
Neuropsychologische Ergebnisse aus fMRT-Studien zeigen,<br />
dass implizite Reaktionen in einem Zeitfenster von 1<br />
bis 3 Sekunden erfolgen; Reaktionszeiten unter 3 Sekunden<br />
gelten entsprechend als Indikator für implizite Pro-<br />
zesse, Reaktionszeiten über 3 Sekunden als Indikator für<br />
explizite Prozesse (Pöppel, 2010).<br />
Tiefenpsychologische Hintergründe implizit getroffener<br />
Entscheidungen (Reaktionszeit < 3 sec) können durch projektive<br />
Verfahren und psychologische Experimente mit<br />
Bildassoziationen aufgedeckt werden.<br />
Explizite Produkt- und Packungspräferenzen können auf<br />
fünf validierten Dimensionen mit Hilfe einer Ratingskala<br />
abgebildet werden. Diese fünf expliziten Erfolgsfaktoren<br />
wurden in früheren Grundlagenstudien im IFM MANNHEIM<br />
ermittelt: persönliche Ansprache und Anmutung, Markensympathie,<br />
Produkt- und Markenpassung, Uniqueness sowie<br />
Funktionalität.<br />
Die psychologischen Erklärungen für die Richtung expliziter<br />
Entscheidungen (Akzeptanz oder Ablehnung) werden von<br />
psychologischen Explorationen geliefert.<br />
37<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
38<br />
Nachfolgend werden die einzelnen Stufen im Forschungsprozess<br />
skizziert.<br />
I. Stufe: Vergleich neurophysiologischer Befunde (fMRT) mit<br />
Reaktionszeitmessungen<br />
Ziel des ersten Untersuchungsschrittes war es, zu zeigen,<br />
dass reaktionszeitbasierte Messungen eine valide Erfassung<br />
impliziter Konsumentenreaktionen ermöglichen und somit<br />
eine praxistaugliche Alternative zu den komplexen apparativen<br />
Verfahren der Hirnforschung (fMRT) bieten.<br />
Zu diesem Zweck wurde mittels Reaktionszeitmessungen eine<br />
Vergleichsstudie zu einer fMRT-Studie von Stoll et al. (2008)<br />
durchgeführt. In dieser fMRT-Studie wurde die neuronale<br />
Aktivierung durch attraktive und unattraktive Verpackungen<br />
von Marken- und No-Name-Produkten unterschiedlicher Warengruppen<br />
untersucht. Die Bewertung der Verpackungen als<br />
eindeutig attraktiv beziehungsweise eindeutig nicht attraktiv<br />
wurde zuvor in einem Pretest festgestellt, Verpackungen mit<br />
indifferenten Bewertungen wurden aussortiert. Diese Verpackungen<br />
wurden insgesamt elf Probanden – sieben Männern<br />
und vier Frauen – im Kernspin präsentiert.<br />
Attraktive Verpackungen erzielten neuronale Aktivierungsmuster,<br />
wie sie auch bei First-Choice-Brands beziehungsweise<br />
sympathischen, emotional ansprechenden Stimuli zu beobachten<br />
sind. Umgekehrt zeigten unattraktive Verpackungen<br />
Aktivierungsmuster, die typisch sind für abstoßende Stimuli<br />
wie hässliche Bilder oder unfaire Angebote.<br />
a) Untersuchungsdesign<br />
Für die Vergleichsstudie des IFM MANNHEIM wurden Abbildungen<br />
der attraktiven und unattraktiven Testverpackungen<br />
aus der Studie von Stoll et al. einer Stichprobe von 65 Frauen<br />
und Männern einzeln am Computer präsentiert. Basis für die<br />
Quotenbildung der Stichprobe war die Stichprobenstruktur der<br />
fMRT-Studie (Verteilung Alter, Geschlecht).<br />
Am <strong>Markt</strong> erfolgreiche Produkte werden<br />
sowohl explizit als auch implizit positiv beurteilt.<br />
Bei am <strong>Markt</strong> weniger erfolgreichen<br />
Produkten hingegen unterscheiden sich die<br />
impliziten und expliziten Konsumentenreaktionen.<br />
Für die implizite Messung sollten die Probanden so rasch wie<br />
möglich, spontan und ohne nachzudenken urteilen, ob ihnen<br />
die jeweilige Verpackung attraktiv oder nicht attraktiv erscheint.<br />
Gemessen wurde die Reaktionszeit bis zur Abgabe einer<br />
positiven beziehungsweise negativen Bewertung, die per<br />
Tastendruck erfolgte.<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
b) Ergebnisse<br />
Die reaktionszeitbasierten Messungen impliziter Reaktionen<br />
konnten dieselben Produkt- und Packungspräferenzen vorhersagen<br />
wie die neurophysiologischen Messungen in der<br />
fMRT-Studie, im Vergleich dazu aber mit minimalem technischen<br />
Aufwand durchgeführt werden. Konfliktfreie implizite<br />
Urteile erfolgten in einem Zeitfenster von 0,5 bis 2 Sekunden,<br />
so dass für die weiteren Untersuchungsschritte 2 Sekunden<br />
als Grenzwert für implizite Reaktionen angemessen sind.<br />
II. Stufe:<br />
Prädiktive Validität impliziter und expliziter Einstellungen<br />
für den <strong>Markt</strong>erfolg von Verpackungen<br />
Im nächsten Schritt des Forschungsprozesses sollte die Relevanz<br />
impliziter und expliziter Einstellungen für eine zuverlässige<br />
Prognose des <strong>Markt</strong>erfolges von Verpackungen überprüft<br />
werden. Hierzu wurde eine kombinierte Analyse sowohl impliziter<br />
als auch expliziter Reaktionen von Konsumenten auf<br />
ausgewählte Verpackungen von am <strong>Markt</strong> erfolgreichen und<br />
weniger erfolgreichen Produkten vorgenommen.<br />
a) Untersuchungsdesign<br />
Der <strong>Markt</strong>erfolg der Produkte wurde anhand von Abverkaufszahlen<br />
der Handelskette dm-drogerie markt, die Kooperationspartner<br />
des IFM MANNHEIM ist, ermittelt. Unter Berücksichtigung<br />
eines vergleichbaren Preises wurden Produktpaare<br />
aus unterschiedlichen Kategorien wie zum Beispiel Körperpflege<br />
oder Süßwaren gebildet, jeweils bestehend aus einem<br />
Produkt mit über- und unterdurchschnittlichen Abverkaufszahlen<br />
bezogen auf die entsprechende Kategorie. Abbildungen<br />
der ausgewählten Produktverpackungen wurden einer<br />
Zufallsstichprobe von 50 Personen, hälftig Männern und Frauen,<br />
im Alter von 18 bis 50 Jahren einzeln am Computer präsentiert.<br />
Implizite Bewertungen wurden reaktionszeitbasiert,<br />
explizite Bewertungen auf fünf validierten Dimensionen (vgl.<br />
Grundannahmen) anhand klassischer Ratingskalen erfasst.<br />
b) Ergebnisse<br />
Am <strong>Markt</strong> erfolgreiche Produkte werden sowohl explizit als<br />
auch implizit positiv beurteilt. Bei am <strong>Markt</strong> weniger erfolgreichen<br />
Produkten hingegen unterscheiden sich die impliziten<br />
und expliziten Konsumentenreaktionen. So konnten Produkte<br />
identifiziert werden, die zwar explizit positiv, jedoch implizit<br />
eindeutig negativ bewertet werden, ebenso Produkte, die explizit<br />
negativ, aber implizit positiv bewertet wurden. Auf Basis<br />
dieser Ergebnisse wurde von IFM MANNHEIM ein Modell entwickelt,<br />
das durch die kombinierte Betrachtung der impliziten<br />
und expliziten Konsumentenreaktionen den <strong>Markt</strong>erfolg von<br />
Verpackungen zuverlässig prognostizieren kann (siehe Abbildung<br />
1).<br />
Identifiziert werden können:<br />
a. „Stars” (implizit und explizit positive Bewertung)<br />
b. „Potentials” (implizit positive, jedoch explizit negative Bewertung)
Abbildung 1: Prognosemodell<br />
c. „False Friends” (explizit positive, jedoch implizit negative<br />
Bewertung)<br />
d. „Loser” (implizit und explizit negative Bewertung)<br />
III. Stufe: Validierung des Prognosemodells<br />
Die Validierung dieses Modells erfolgte in einem dritten Untersuchungsschritt.<br />
Hierzu wurden dem IFM MANNHEIM<br />
Produktverpackungen renommierter Markenhersteller aus<br />
unterschiedlichen Kategorien – zum Beispiel Körper- und<br />
Zahnpflege – zur Verfügung gestellt, die vor der <strong>Markt</strong>einführung<br />
explizit positiv getestet wurden,<br />
deren Performance im <strong>Markt</strong> allerdings hinter den Erwartungen<br />
zurückblieb („False Friend”-Produkte)<br />
sowie solche, die sich erfolgreich im <strong>Markt</strong> behaupten<br />
konnten („Star”-Produkte).<br />
Falls Verpackungen implizit positiv, aber explizit<br />
negativ bewertet werden („Potentials”),<br />
können Optimierungsansätze für den Packungsauftritt<br />
durch Anwendung qualitativ<br />
psychologischer Explorationen entwickelt<br />
werden.<br />
a) Untersuchungsdesign<br />
Die Abbildungen der Verpackungen wurden einer Zufallsstichprobe<br />
von n=62 Frauen im Alter von 18 bis 50 Jahren<br />
präsentiert. Um Wechselwirkungen zwischen impliziten und<br />
expliziten Reaktionen auszuschließen, wurden implizite und<br />
explizite Messungen an unabhängigen Stichproben durchgeführt.<br />
Analog zu der vorangegangenen Untersuchung erfolg-<br />
te die implizite Bewertung reaktionszeitbasiert, die explizite<br />
Bewertung wurde auf fünf validierten Dimensionen anhand<br />
klassischer Ratingskalen erfasst (vgl. Grundannahmen).<br />
b) Ergebnisse<br />
Ein zentrales Ergebnis besteht darin, dass „False-Friend”-<br />
Produkte implizit abgelehnt werden. Die hohe Floprate von<br />
Produkten erklärt sich demnach durch das Phänomen der<br />
False Friends. Nur wenn sowohl implizite als auch explizite<br />
Urteile positiv ausfallen, bietet die Verpackung die Voraussetzung,<br />
ein „Star”-Produkt auf dem <strong>Markt</strong> zu werden.<br />
Fazit und Ausblick<br />
Der <strong>Markt</strong>erfolg von Verpackungen hängt von expliziten und<br />
impliziten Urteilen der Verbraucher ab. Nur wenn beide positiv<br />
ausfallen, ist der <strong>Markt</strong>erfolg sicher.<br />
Mit dem entwickelten Prognosemodell können die Grundlagen<br />
für sichere Marketing-Entscheidungen geschaffen werden.<br />
Zuverlässige Entscheidungen im Marketing erfordern vor<br />
allem die differenzierte Unterscheidung von „False Friends”<br />
und „Potentials”. Der psychologische Hintergrund implizit negativer<br />
Entscheidungen („False Friends”) kann durch tiefenpsychologische<br />
Methoden, beispielsweise projektive Bildassoziationsverfahren<br />
aufgedeckt werden.<br />
Falls Verpackungen implizit positiv, aber explizit negativ bewertet<br />
werden („Potentials”), können Optimierungsansätze<br />
für den Packungsauftritt durch Anwendung qualitativ psychologischer<br />
Explorationen entwickelt werden. Aus einem „Potential”<br />
kann so doch noch ein echter „Star” werden.<br />
Kaufentscheidungen von Konsumenten liegen komplexe psychologische<br />
Prozesse zugrunde. Die Verpackung spielt dabei<br />
eine entscheidende Rolle. Eine systematische Packungsentwicklung<br />
in mehreren Stufen, die unter anderem explizite und<br />
implizite Entscheidungsprozesse von Anfang an berücksichtigt,<br />
ist der sicherste Weg zu erfolgreichen Verpackungen.<br />
Quellen<br />
Friese, Malte / Hofmann, Wilhelm / Wänke, Michaela (2009): The impulsive<br />
consumer: Predicting consumer behavior with implicit reaction<br />
time measures. In: Wänke M. (Hrsg.): Frontiers in social psychology:<br />
Social psychology of consumer behavior. New York, S. 335–364.<br />
Mast, Fred W. / Zaltman, Gerald (2005): A Behavioural Window to the<br />
Mind of the Market. An Application of the Response-Time-Paradigm.<br />
In: Brain Research Bulletin, 67/5, S. 422–427.<br />
Pöppel, Ernst (2010): Neuronale Repräsentation von Marken: Eine Frage<br />
der Identität. In: Bruhn, M. / Köhler R. (Hrsg.): Wie Marken wirken.<br />
Impulse aus der Neuroökonomie für die Markenführung. Verlag Franz<br />
Vahlen München.<br />
Stoll, M. / Baecke, S. / Kenning, P. (2008): What they see is what they<br />
get? An fMRI-Study on neural correlates of attractive packaging. In:<br />
Journal of Consumer Behavior, 7/2008, S. 342-359.<br />
39<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
40<br />
Intuition bei Entscheidungen<br />
Benjamin Rubenwolf, International University Network, zum rekognitiven Einfluss bei der Wahl<br />
von Markennamen durch Phonetik und Buchstabenhäufigkeit.<br />
Können kleinste phonetische Einheiten wie Buchstaben oder Silben als Teil des Markennamens<br />
dazu führen, dass sich die Wahrnehmung oder gar die Präferenz für diesen erhöht?<br />
Zur Klärung dieser Frage führte der Autor zwei Studien durch. Er untersuchte real existierende<br />
und fiktiv generierte Markennamen. Dabei leitete ihn die Hypothese, dass bei zwei Namensalternativen<br />
diejenige gewählt wird, die entsprechend der im deutschen Sprachraum geltenden<br />
Häufigkeitstabellen einen höheren Buchstabenwert erzielt. Dies spräche dafür, dass Rezipienten<br />
bei unbekannten Marken – also beispielsweise bei neu eingeführten Produkten –<br />
diejenigen Marken präferieren, die eher bekannte Laute enthalten.<br />
Markennamen sind Wiedererkennungswerte, die Botschaften<br />
über das Produkt oder die Dienstleistung transportieren. Sie<br />
dienen der Differenzierung und lenken die Aufmerksamkeit<br />
des Konsumenten auf vordefinierte Werbebotschaften. Im<br />
Idealfall führt Markenbewusstsein, das die subjektive Gewissheit<br />
von Konsumenten über die Bedeutung einer Marke darstellt,<br />
zu einer abschließenden Kaufentscheidung.<br />
Zahlreiche Studien beschäftigen sich beispielsweise<br />
mit dem richtigen Einsatz von<br />
Licht, Farbe, Ton, Form und Testimonials, um<br />
der Marke einen wiedererkennbaren Charakter<br />
zu verleihen. So richtig und notwendig<br />
diese Maßnahmen auch sind, bleibt bei dieser<br />
Vorgehensweise in vielen Fällen unbeachtet,<br />
dass es sich beim Markennamen schlicht<br />
um eine Aneinanderkettung von Buchstaben<br />
handelt.<br />
Fragestellung<br />
Bevor ein Markenname jedoch tatsächlich in der Lage ist,<br />
eine Kaufentscheidung beziehungsweise Präferenz einer bestimmten<br />
Marke gegenüber einer Alternative zu beeinflussen,<br />
muss das „Markenbewusstsein” erst geschaffen werden. Dies<br />
gelingt in der Regel durch die Aufladung des Markennamens<br />
mit Attributen und Eigenschaften, die von den Konsumenten<br />
erwartet werden.<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Benjamin Rubenwolf<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, International<br />
University Network IUN, Studium der Wirtschaftspsychologie,<br />
Fachhochschule Erding und LMU,<br />
München.<br />
Zahlreiche Studien beschäftigen sich beispielsweise mit dem<br />
richtigen Einsatz von Licht, Farbe, Ton, Form und Testimonials,<br />
um der Marke einen wiedererkennbaren Charakter zu verleihen.<br />
So richtig und notwendig diese Maßnahmen auch sind,<br />
bleibt bei dieser Vorgehensweise in vielen Fällen unbeachtet,<br />
dass es sich beim Markennamen schlicht um eine Aneinanderkettung<br />
von Buchstaben handelt. Daher soll diese Facette<br />
als zusätzliche Instanz zur Etablierung von Markennamen herangezogen<br />
werden.<br />
Buchstaben bilden entweder einzelne semantisch sinnbesetzte<br />
Worte oder stehen für Abkürzungen wortbildender<br />
Markennamen. In jedem Fall jedoch wird sich ein Markenname<br />
aus einem oder mehreren Vokalen und Konsonanten<br />
zusammensetzen. Obwohl die Wichtigkeit der richtigen Namensgebung<br />
für ein Produkt grundsätzlich bekannt ist, existieren<br />
zu den kleinsten Bestandteilen eines Markennamens<br />
kaum systematische Untersuchungen.<br />
Aus diesem Grund lautet die Kernfrage vorliegender Studie:<br />
Können kleinste phonetische Einheiten wie Buchstaben oder<br />
Silben als Teil des Markennamens dazu führen, dass sich die<br />
Wahrnehmung oder gar die Präferenz für einen Markennamen<br />
erhöht?<br />
Forschungshypothese<br />
Aufbauend auf rekognitionsheuristischen Schemata 1) (vgl.<br />
Gigerenzer, 2007), beruht der Ansatz auf der Hypothese, dass<br />
Markennamen, die häufig verwendete Buchstaben und Silben<br />
aus dem Sprachgebrauch beinhalten, eher gewählt werden als<br />
Markennamen, deren Buchstaben und Silben im Sprachgebrauch<br />
seltener vorkommen. Hatten Probanden die Wahl zwischen<br />
zwei Markennamen, die sich beispielsweise hinsichtlich<br />
der Buchstaben „e” und „u” (Sprachgebrauch e = 17,4 Prozent<br />
und u = 4,4 Prozent) unterschieden, wurde angenommen, dass<br />
die Wahl auf den Markennamen fällt, der den Vokal „e” enthält.<br />
Der Grund dieser Annahme liegt in der höheren Buchstabenhäufigkeit<br />
von „e” gegenüber „u”.
Grundlage der Buchstabenhäufigkeit sowie deren Verteilungsform<br />
bildet die von Beutelspacher (2009) berechnete<br />
Häufigkeitstabelle (Abbildung 1).<br />
Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass die Wahlpräferenz<br />
einer Alternative immer dann am höchsten ist, wenn der<br />
Buchstaben- oder Silbenhäufigkeitswert des Markennamens<br />
– bei gleicher Bekanntheit beider Alternativen – höher ist als<br />
bei der zur Verfügung stehenden Alternative mit geringeren<br />
Häufigkeitswerten. Es wird angenommen, dass phonetische<br />
Häufigkeitsausprägungen zusätzlich zum ursprünglich vom<br />
Marketing generierten Bekanntheitsgrad wirken und so die<br />
Entscheidungsfindung der Probanden beeinflusst. Untersucht<br />
wurden real existierende Namen, die bereits einen Bekanntheitsgrad<br />
besaßen, sowie Namen, die fiktiv generiert wurden.<br />
Fiktiv generierte Namen dienen der Überprüfung und Bestätigung<br />
rekognitiver Effekte. Hierfür wurden Buchstabenreihen<br />
ohne konkreten Inhalt gegenübergestellt und analysiert.<br />
Zwei Studien mit insgesamt N = 812 Probanden (463 weiblich)<br />
untersuchten den Einfluss der Rekognitionsheuristik<br />
durch Buchstaben- und Silbenhäufigkeit im Sprachgebrauch<br />
bezüglich der Markenpräferenz. Alle Teilnehmer hatten ihr<br />
achtzehntes Lebensjahr erreicht (M = 1970, SD = 8,880). Die<br />
Teilnehmer wurden über ein Mailingsystem in Bayern, Berlin,<br />
Hessen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen zum Onlinefragebogen<br />
eingeladen.<br />
Bei der Wahl zwischen zwei Alternativen mit<br />
ähnlichen Eigenschaften wird signifikant<br />
häufiger diejenige Alternative gewählt, die<br />
einen Namen mit hohen Silben- oder Buchstabenhäufigkeitswerten<br />
trägt.<br />
Die Häufigkeiten einzelner Buchstaben und Silben – entnommen<br />
aus gültigen Häufigkeitstabellen (vergleiche dazu<br />
Beutelspacher, 2009 und Trost, 2010) – variierten innerhalb<br />
der Markennamen jeweils von einer stark und einer schwach<br />
ausgeprägten Wahlalternative. Präferenzen beim Wahlverhalten<br />
wurden sowohl für real existierende Markennamen<br />
(N = 373) als auch für fiktiv generierte Namen (N = 439) beobachtet.<br />
Bei reellen Markennamen wurde zusätzlich darauf<br />
geachtet, wie sich der Bekanntheitsgrad auf den rekognitiven<br />
Effekt der Buchstaben- und Silbenhäufigkeit auswirkt. Um<br />
den in Deutschland geltenden Bekanntheitsgrad einer Marke<br />
darstellen zu können, wurde die SPIEGEL-Studie Outfit 6<br />
(2007) herangezogen. Hierbei wurde die Entscheidung „für”<br />
oder „gegen” eine Marke (z.B. Nike vs. Fila) hinsichtlich Be-<br />
Abbildung 1: Häufigkeiten von Buchstaben der deutschen Sprache<br />
(Beutelspacher, 2009)<br />
Abbildung 2: Faktische Unterschiede der Markennamen Nike und Fila<br />
kanntheitsgrad und Summenwert ihrer Buchstabenhäufigkeit<br />
unterschieden. Ausgewählte Marken 2) mit unterschiedlichem<br />
Bekanntheitsgrad wurden untersucht, um feststellen zu können,<br />
wie stark die Häufigkeitsausprägung von Buchstaben<br />
und Silben das Wahlverhalten tatsächlich beeinflussen. Dabei<br />
wurden die Wortpaare so ausgewählt, dass eine Alternative<br />
als Gesamtname bekannter war als die andere.<br />
Ergebnisse<br />
Rekognitionsheuristische Effekte der Buchstabenhäufigkeit<br />
beeinflussen das Wahlverhalten bei fiktiv generierten Markenkennamen<br />
signifikant (p < .021). Ebenfalls signifikant sind<br />
die Ergebnisse gemessen an der Silbenhäufigkeit (p < .018).<br />
Bei der Wahl zwischen zwei Alternativen mit ähnlichen Eigenschaften<br />
wird signifikant häufiger diejenige Alternative<br />
gewählt, die einen Namen mit hohen Silben- oder Buchstabenhäufigkeitswerten<br />
trägt.<br />
41<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
42<br />
Demnach wählen Teilnehmer signifikant eher Markennamen<br />
aus, die eine höhere Buchstaben- oder Silbenhäufigkeit aufweisen.<br />
Dies gilt sowohl für Markennamen, deren Bekanntheitsgrad<br />
gleich war, als auch für fiktiv generierte Marken.<br />
Wurde beispielsweise der Markenname „Nike” mit einem<br />
Häufigkeitswert von 35,94 Prozent und einem Bekanntheitsgrad<br />
von (75) gegenüber „Fila” mit einem Häufigkeitswert von<br />
19,16 Prozent und einem Bekanntheitsgrad von (78) gestellt,<br />
wurde signifikant die Alternative „Nike” gewählt (p < .001) (Abbildung<br />
2).<br />
Mit Hilfe der vorliegenden Forschungsergebnisse<br />
können neue Methoden entwickelt<br />
werden, um Markennamen zu generieren, die<br />
aufgrund ihrer Buchstaben- und Silbenhäufigkeit<br />
bevorzugt gewählt werden. Die Studie<br />
relativiert den zum Teil überdimensionierten<br />
Bedeutungsbegriff des Marketings.<br />
Fazit<br />
Wenn der gezeigte Bekanntheitsgrad den der Alternative<br />
wesentlich überschritt, erfolgte die Wahl nicht nach rekognitionsheuristischen<br />
Schemata. In diesen Fällen wurde jeweils<br />
eine Alternative mit dem höheren Bekanntheitsgrad gewählt.<br />
In den vorgelegten Studien wurde ein statistisch signifikanter<br />
Einfluss kleinster phonetischer Einheiten – Buchstaben oder<br />
Anmerkungen<br />
1) Von Heuristiken kann gesprochen werden, wenn mittels eines geringen<br />
kognitiven Aufwands durch das Individuum ein größtmöglicher<br />
Nutzen entsteht. Heuristiken entlasten evolvierte Prozesse<br />
im Gehirn und dienen der schnellen, einfachen Entscheidungsfindung<br />
(vgl. Edelkamp & Schroedl, 2011). Nach Gigerenzer (2007) ist<br />
das Hauptmerkmal rekognitionsheuristischer Schemata darin zu<br />
sehen, dass gewählt wird, was bekannter ist, auch wenn keine expliziten<br />
Denkmuster in die Entscheidungsfindung einfließen. Die<br />
Entscheidung erfolgt intuitiv.<br />
2) Die vorderen Prozentwerte entsprechen der aufsummierten Buchstabenhäufigkeit,<br />
z.B. Nike (N 9,78 Prozent) + (i 7,55 Prozent) + (k<br />
1,21 Prozent) + (e 17,4 Prozent) = 35,94 Prozent Summe der Buchstabenhäufigkeit.<br />
Der Wert in Klammern entspricht dem Bekanntheitsgrad<br />
nach Böcker-Lüttke, R. Goedecke, C. Nagel, A. & Schnaars,<br />
D. (2007). Vergleiche finden nur innerhalb der gegenübergestellten<br />
Marken statt. 35,94 Nike (78) vs. 6,08 Joop (78); 39,6 Mustang (87) vs.<br />
59,31 Versace (67); 35,94 Nike (78) vs. 19,16 Fila (78); 47,41 Reebok<br />
(88) vs. 46,16 Esprit (88); 15,43 Brax (35) vs. 21,15 Zara (34); 41,34<br />
Lebek (7) vs. 19,49 Jobis (19); 28,64 Sand (7) vs. 25,45 Gant (11); 13,54<br />
Odlo (10) vs. 33,06 Etro (7); 33,06 Etro (7) vs. 25,45 Gant (11); 17,14<br />
Comma (23) vs. 32,03 Guess (19); 17,14 Comma (23) vs. 49,74 Verse<br />
(9); 43,51 Basler (44) vs. 42,97 Sisley (25); 43,51 Basler (44) vs. 49,36<br />
Hermes (24); 32,03 Kenzo (46) vs. 27,2 Kiton (12); 31,11 Samoon (6)<br />
vs. 36,85 Canali (6); 21,03 Gucci (39) vs. 25,89 Prada (29); 35,94 Nike<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Silben – bei der Wahl von Markennamen nachgewiesen. Dieser<br />
Sachverhalt kann einen weiteren Grundstein bei der Generierung<br />
neuer Markennamen legen.<br />
Intuitive Entscheidungsfindung bietet den Vorteil, dass diese<br />
unser Verhalten beeinflusst, ohne dabei auf evolvierte Prozesse<br />
des Gehirns zurückzugreifen. Damit eröffnet sich die<br />
Möglichkeit, Informationen oder Botschaften ohne bewusste<br />
Wahrnehmung im Gehirn zu platzieren, um ein gewünschtes<br />
Verhalten auszulösen.<br />
Mit Hilfe der vorliegenden Forschungsergebnisse können<br />
neue Methoden entwickelt werden, um Markennamen zu generieren,<br />
die aufgrund ihrer Buchstaben- und Silbenhäufigkeit<br />
bevorzugt gewählt werden. Die Studie relativiert den zum Teil<br />
überdimensionierten Bedeutungsbegriff des Marketings. Allerdings<br />
liefern die Ergebnisse auch einen Beleg dafür, dass<br />
Marketingmaßnahmen nicht zu ersetzen sind. Wie gezeigt<br />
werden konnte, hat der Bekanntheitsgrad ähnlich wie die<br />
Buchstabenhäufigkeit maßgeblichen Einfluss auf die Wahl<br />
von Alternativen.<br />
Primärer Nutzen findet sich demnach vor allem in der neu hinzugewonnenen<br />
Möglichkeit für das Marketing, Markennamen<br />
bereits vor allen Werbemaßnahmen einen Bekanntheitsgrad<br />
zu verleihen. Zudem wird dabei der prägende Charakter einer<br />
Marke gestärkt. Zwar gelten die vorliegenden Ergebnisse<br />
ausschließlich für den deutschsprachigen Raum, doch ist es<br />
durchaus sinnvoll, bei der Etablierung neuer Markennamen<br />
auch andere Sprachen in die rekognitionsheuristische Namensgebung<br />
mit einzubeziehen.<br />
(43) vs. 18,94 Boss (48); 38 Adidas (63) vs. 46,16 Esprit (50); 34,58 Alpina<br />
(34) vs. 45,83 Escada (33); 31,11 Oakley (11) vs. 47,41 Reebok (11); 40,98<br />
Exte (5) vs. 16,11 Dkny (17); 35,94 Nike (77) vs. 19,16 Fila (75); 18,94<br />
Boss (63) vs. 22,95 Geox (53); 36,7 Hess (13) vs. 26,03 Ecco (42); 38,73<br />
Arche (13) vs. 20,76 Lotto (15); 47,17 Pirelli (6) vs. 43,52 Tamaris (24);<br />
14,35 Lowa (10) vs. 14,71 Koil (5); 54,67 Cartie (39) vs. 56,62 Senator<br />
(21); 76,4 Staedtler (54) vs. 79,3 Schneider (48).<br />
Referenzen<br />
Beutelspacher, A. (2009): Kryptologie: Eine Einführung in die Wissenschaft<br />
vom Verschlüsseln, Verbergen und Verheimlichen. 9. Auflage<br />
(S. 10). Wiesbaden: Vieweg + Teubner.<br />
Böcker-Lüttke, R., Goedecke, C., Nagel, A., Schnaars, D. (2007): Outfit 6.<br />
SPIEGEL-Verlag. Zugriff am 12. März 2010 unter http://www.spiegel.<br />
de/deutsch/leistungswerte/studien/outfit/index.php.<br />
Edelkamp, S., Schroedl, S. (2011): Heuristic Search: Theory and Applications.<br />
1. Edition (pp. 3f). Waltham: Morgan Kaufmann Publishers.<br />
Gigerenzer, Gerd (2007): Gut Feelings: The intelligence of the unconscious.<br />
2. Edition (p. 24). München: Goldmann Verlag.<br />
Trost, S. (2010): Silbenhäufigkeit: Deutsch. Zugriff am 15. Februar 2010<br />
unter http://www.sttmedia.de/silbenhaeufigkeit-deutsch.
QR-Code® Mobile Research<br />
Frank Gehre und Horst Regenscheit, inviso, zu einem innovativen Methodenansatz der<br />
modernen <strong>Markt</strong>forschung<br />
Mit dem Aufkommen von Smartphones werden Quick-Response-Codes (QR-Codes) zunehmend<br />
im Marketing eingesetzt. Sie dienen der innovativen, zielgruppengerechten und interaktiven<br />
Kundenansprache. Gerade ihre einfache Anwendbarkeit bietet aber auch Potenziale<br />
in der mobilen <strong>Markt</strong>forschung. Die Autoren stellen eine vielfältig einsetzbare Methode vor.<br />
Der Quick-Response-Code (QR-Code) wurde 1994 vom Automobilzulieferer<br />
Denso Wave zur Produktionssteuerung beziehungsweise<br />
Teileverfolgung bei der KFZ-Produktion entwickelt<br />
und von Toyota eingesetzt. Mit dem stark steigenden<br />
Absatz von Smartphones und Tablet-PCs findet der QR-Code<br />
immer mehr Einsatzgebiete in Marketing und Kommunikation.<br />
Während QR-Codes in anderen Ländern schon länger und<br />
häufiger eingesetzt werden, begann deren Nutzung für das<br />
Marketing in Deutschland erst seit 2011 in nennenswerter<br />
Größenordnung.<br />
QR-Codes lassen sich in <strong>Markt</strong>forschung<br />
und Mobile Research in vielfältiger Art und<br />
Weise einsetzen. Dank ihres zunehmenden<br />
Bekanntheitsgrades und ihrer steigenden<br />
Akzeptanz bei den Usern werden sie im Rahmen<br />
von innovativen <strong>Markt</strong>forschungstools<br />
zunehmend an Bedeutung gewinnen.<br />
Die Methoden der klassischen <strong>Markt</strong>forschung stoßen zunehmend<br />
an ihre Grenzen. Unter anderem ist dies auf folgende<br />
Punkte zurückzuführen:<br />
rückläufige Teilnahmebereitschaft<br />
mangelnde Erreichbarkeit verschiedener Zielgruppen<br />
zeitliche Verzögerung zwischen Benutzung und Bewertung<br />
zeitaufwendige Durchführung<br />
steigender Kostendruck<br />
Frank Gehre<br />
Geschäftsführender Gesellschafter, INVISO –<br />
Gesellschaft für Kommunikations- und Marketingforschung,<br />
Hannover<br />
Diese Beobachtungen gaben uns das Motiv, den nachfolgenden<br />
Methodenansatz zu entwickeln.<br />
Entwicklung einer innovativen, in der <strong>Markt</strong>forschung einsetzbaren<br />
Methode<br />
Mit der Entscheidung, QR-Codes für die <strong>Markt</strong>forschung in<br />
einen Methodenansatz zu implementieren, war das Ziel verbunden,<br />
Entscheider in Unternehmen in die Lage zu versetzen,<br />
überall auf der Welt Ergebnisse und damit Informationen über<br />
einen Online-Link abzurufen, um besser auf Entscheidungsprozesse<br />
vorbereitet zu sein. Frei nach dem Motto: Informationen<br />
schaden nur demjenigen, der keine hat. Vorausgesetzt, es<br />
sind die richtigen Informationen von der richtigen Zielgruppe.<br />
Abbildung 1: Informationen schaden nur demjenigen, der keine hat<br />
Horst Regenscheit<br />
Research Director, INVISO – Gesellschaft für Kommunikations-<br />
und Marketingforschung, Hannover<br />
43<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
44<br />
Abbildung 2: Ablauf der Befragung<br />
Abbildung 3: Einsatzgebiete für QR-Codes<br />
QR-Codes tragen hauptsächlich zur Verschmelzung von Offline-<br />
und Online-Inhalten bei. Sie sind insbesondere dazu geeignet,<br />
die reale Welt, beispielsweise in Printmedien, mit der<br />
digitalen Welt im Internet zu verschmelzen. QR-Codes können<br />
sinnvoll immer dann angewendet werden, wenn zusätzliche<br />
Informationen transportiert oder beschafft werden sollen.<br />
Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz ist die Schaffung<br />
echter Mehrwerte für den Anwender, also über den bisherigen<br />
Status hinausgehende Informationen beziehungsweise einen<br />
echten Anreiz zur Teilnahme an einer Befragung über Incentive-<br />
und Bonussysteme.<br />
Einsatzgebiete von QR-Codes allgemein und in der <strong>Markt</strong>forschung<br />
QR-Codes dienen generell zur innovativen, zielgruppengerechten<br />
und interaktiven Kundenansprache, zur Kommunikation<br />
am Ort des Geschehens, zur Individualisierung von<br />
Massenansprachen, zur Minimierung von Kommunikations-<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
Streuverlusten, zur Intensivierung der Kundenbindung, zur Integration<br />
von Kommunikationskanälen (Cross-Media / Multi<br />
Channel Marketing) und zur einfachen und kostengünstigen<br />
Informationsbeschaffung.<br />
Aktuell werden QR-Codes u.a. in folgenden Bereichen eingesetzt:<br />
in Markenkommunikation und Werbung: Plakate, Anzeigen,<br />
Produktpackungen, Promotionsmaterialien, Häuserwände<br />
und Gewinnspiele<br />
bei Zusatzinformationen auf und in Produktverpackungen:<br />
Rohstoffrückverfolgung, Bedienungsanleitung und Demovideos<br />
für das Online-Shopping: z.B. Tesco-E-Market in Korea,<br />
Budnikowski-Deutschland, PayPal<br />
bei der Rekrutierung von Probanden am direkten Kontaktpunkt:<br />
Erfassung von Daten über Interessenten, Kunden<br />
und Teilnehmern auf Messen und Veranstaltungen<br />
für Direct Response bei Directmailings: Erfassung von<br />
Nutzung und Usability<br />
in der Touristik- und Verkehrsbranche: Bahn- und Flugtickets,<br />
Reiseführer, Touristenguide, Reisevideos<br />
in Kunstausstellungen und Museen: Zusatzinformationen<br />
über Exponate<br />
in Social Media: Scannen von Informationen und Verbreitung<br />
in der eigenen Comunity<br />
für die Offline-Nutzung von Websites<br />
im Beschwerde-Management<br />
last, but not least: in <strong>Markt</strong>forschung und Mobile Research<br />
QR-Codes lassen sich in <strong>Markt</strong>forschung und Mobile Research<br />
in vielfältiger Art und Weise einsetzen. Dank ihres zunehmenden<br />
Bekanntheitsgrades und ihrer steigenden Akzeptanz bei<br />
den Usern werden sie im Rahmen von innovativen <strong>Markt</strong>forschungstools<br />
zunehmend an Bedeutung gewinnen.<br />
Auf Basis von QR-Codes lassen sich Befragungskonzepte entwickeln,<br />
die wesentlich zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen<br />
beitragen, indem sie dem Auftraggeber ein unmittelbares,<br />
zeitnahes, verlässliches, regelmäßiges und kostengünstiges<br />
Kundenfeedback verschaffen. Ferner sind sie in der Lage, einen<br />
maßgeblichen Beitrag im Zuge der unternehmerischen<br />
Informationsgewinnung zu leisten.<br />
Aus heutiger Sicht lassen sich die Einsatzgebiete in der <strong>Markt</strong>forschung<br />
wie folgt beschreiben:<br />
Bewertung von Images, Produkten und Dienstleistungen<br />
Messung der Wirkung von Marketingaktivitäten (POS-<br />
Aktionen, Promotion, Werbebeilagen)
Bewertung der Unternehmenskommunikation (trifft man<br />
mit der werblichen Ansprache die Kaufargumente des Verbrauchers?)<br />
Werbemittel- und Werbewirkungsforschung (Anzeigen,<br />
Plakate, Cover, Direct Mailings etc.)<br />
Reichweitenmessung von Werbeaktionen (Wurfsendungen,<br />
Handzettel, Produktbeilagen etc.)<br />
Untersuchungen am POS (am Regal oder Produkt, hinter<br />
der Kassenzone)<br />
Geschmackstest in der Nutzungssituation (z.B. Beurteilung<br />
von Nahrungsmitteln beim Frühstück, Usability bei<br />
der Anwendung)<br />
Packaging-Tests<br />
Messung der Kundenzufriedenheit<br />
Stimmungsbarometer zu Einstellungen und speziellen<br />
Themen<br />
Standortvergleiche bei Filialisten<br />
Onlineabstimmungen mittels QR-Voting<br />
Messebefragungen<br />
Ablauf einer QR-Code-Mobile Befragung<br />
Bei der Durchführung einer QR-Code-Mobile-Befragung wird<br />
der QR-Code mit einem auf dem Smartphone oder Tablet-PC<br />
vorinstallierten Barcodescanner eingelesen, welcher in der<br />
Regel aus einem App-Store kostenlos heruntergeladen werden<br />
kann. Das Abscannen der QR-Codes erfolgt beispielsweise<br />
von Zeitschriften, Plakaten oder Produktverpackungen. Die<br />
im QR-Code enthaltenen Informationen sorgen dafür, dass der<br />
Nutzer direkt auf eine webbasierte Befragung geführt wird.<br />
Das Befragungslayout wird dabei automatisch mit Hilfe einer<br />
Device-Detection an die Erfordernisse des vom Teilnehmer<br />
verwendeten Mediums angepasst. Die Anpassung erfolgt hinsichtlich<br />
der Bildschirmauflösung, des verwendeten Browsers<br />
und der Displaygröße. Das gesamte Layout des Fragebogens<br />
wird damit an die spezifischen Erfordernisse angepasst und<br />
auf den unterschiedlichen Endgeräten immer in gleicher Form<br />
dargestellt. Bei der Anpassung werden in erster Linie Betriebssysteme<br />
wie IOS und Android berücksichtigt. Damit kann<br />
der Hauptanteil der verwendeten Smartphones und Tablet-<br />
PCs für die Teilnahme an einer Befragung verwendet werden.<br />
Es besteht zudem die Möglichkeit, weitere Stimuli in den Fragebogen<br />
zu integrieren, beispielsweise Bilder oder Videos. Die<br />
Befragung selbst kann an jedem Ort stattfinden, an dem ein<br />
Onlinezugang vorhanden ist. Zur Durchführung der Befragung<br />
ist keine weitere vorinstallierte Applikation (App) notwendig,<br />
wodurch die einfache Handhabung und die Anwenderfreundlichkeit<br />
eindeutig unterstützt werden.<br />
Nutzen und Vorteile der Nutzung von QR-Codes in der<br />
<strong>Markt</strong>forschung<br />
Auf Basis von QR-Codes lassen sich Befragungskonzepte entwickeln,<br />
die wesentlich zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen<br />
beitragen, indem sie dem Auftraggeber ein unmittelbares,<br />
zeitnahes, verlässliches, regelmäßiges und kostengünstiges<br />
Kundenfeedback verschaffen.<br />
Sie sind insbesondere in Befragungssituationen geeignet, wo<br />
die klassische <strong>Markt</strong>forschung aufgrund hoher Kosten, einer<br />
meist zeitaufwendigen Umsetzung und der Schwierigkeit, gerade<br />
spezielle Zielgruppen zu erreichen, an ihre Grenzen stößt.<br />
Vor allem sind sie in der Lage, einen maßgeblichen Beitrag zu<br />
einer einfachen und kostengünstigen Informationsgewinnung<br />
bei speziellen und schwierig zu erreichenden Zielgruppen zu<br />
leisten. Hiermit sind z.B. Vielflieger, Vielfahrer und alle Personenkreise<br />
gemeint, die aufgrund ihrer beruflichen Situation<br />
keine Bereitschaft zeigen, an einer Befragung teilzunehmen,<br />
die an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden ist.<br />
Der Hauptvorteil des Einsatzes von QR-Codes in der <strong>Markt</strong>forschung<br />
ist hauptsächlich die zeit- und personenunabhängige<br />
Durchführung von Befragungen. Diese können auch<br />
nach Geschäftsschluss zu jeder Tageszeit und ohne aufwendige<br />
Koordination von Interviewerstäben abgewickelt werden.<br />
Aufgrund ihrer einfachen und schnellen Anwendung sind QR-<br />
Codes in der Lage, eine kostengünstige Erfassung von großen<br />
Stichproben zu gewährleisten.<br />
Der Hauptvorteil des Einsatzes von QR-Codes<br />
in der <strong>Markt</strong>forschung ist die zeit- und<br />
personenunabhängige Durchführung von<br />
Befragungen.<br />
Ferner eignet sich die QR-Code-Befragung in besonderem<br />
Maße, die Erfolgsmessung von Marketingmaßnahmen jeder<br />
Art durchzuführen und dem Auftraggeber ein spontanes und<br />
unmittelbares Feedback des Kunden zu übermitteln.<br />
Beim Einsatz von QR-Codes am Point of Interest (POI) kann<br />
davon ausgegangen werden, dass der Kreis der Teilnehmer<br />
auf Personen beschränkt wird, die ein unmittelbares Interesse<br />
daran haben, sich an diesem Ort aufzuhalten und zum aktuellen<br />
Befragungsthema ihre Meinung kundzutun. Damit können<br />
Fehlzuordnungen von zielgruppenfremden Teilnehmern mini-<br />
45<br />
BVM Kongress-Special August 2012
SPECIAL<br />
46<br />
miert und eine Stichprobe gebildet werden, die zum aktuellen<br />
Thema aussagekräftige Ergebnisse liefert.<br />
Ein weiterer maßgeblicher Vorteil besteht darüber hinaus in<br />
der Erhebung von Daten, die es ermöglichen, ein Stimmungs-<br />
beziehungsweise Bewertungsbarometer aufzubauen. Neben<br />
der Möglichkeit der Zeitraumanalyse bietet sich hier auch ein<br />
Vergleich von regionalen Beurteilungseinheiten an. Diese können<br />
Geschäfte beziehungsweise Filialen sein, aber auch Hotels,<br />
Restaurants, SB-Bereiche in Banken oder Einrichtungen<br />
jeglicher Art, die von Kunden oder potenziellen Kunden aufgesucht<br />
werden. Ebenfalls ist es möglich, einen Stab von Außendienstlern<br />
zu bewerten und optimal zu steuern.<br />
Der Ansatz ist universell anwendbar und<br />
aufgrund der Befragung am Point of Interest<br />
(POI) unmittelbar. Dieser Methodenansatz<br />
führt schnell und kostengünstig zu validen<br />
Ergebnissen.<br />
Ein Bewertungsbarometer könnte z.B. folgende Punkte beinhalten:<br />
Sauberkeit, Freundlichkeit, Kontaktaufnahme, Beratungskompetenz,<br />
Service, aktuelle Angebote etc. Bei einem<br />
entsprechend hohen Ergebnisaufkommen lassen sich ebenfalls<br />
Benchmarks aufbauen, die zur Etablierung von Best-<br />
Practise-Modellen beitragen können.<br />
Unter allen genannten Vorteilen steht immer die Möglichkeit<br />
für den Auftraggeber im Vordergrund, zu jeder Zeit und an<br />
jedem Ort – vorausgesetzt, es gibt eine Verbindung zum Internet<br />
–, via Live-Link über sein Smartphone oder Tablet-PC<br />
direkt auf die aktuellen Ergebnisse zuzugreifen. Der Auftraggeber<br />
ist damit in der Lage, seine Entscheidungen auf einer<br />
hochaktuellen und gesicherten Informationsbasis zu treffen.<br />
Grenzen von QR-Code-Befragungen<br />
Es liegt in der Natur der Sache, dass dort, wo es Vorteile gibt,<br />
auch Grenzen des Einsatzes bestehen. Begrenzende Faktoren<br />
sind in erster Linie<br />
der Befragungsumfang und<br />
das eingeschränkte Methodenspektrum<br />
Um die Quote der Abbrecher so gering wir möglich zu halten,<br />
sollte die Länge eines Interviews nicht mehr als drei Minuten<br />
Bearbeitungszeit erfordern. Die Fragestellungen sollten kurz,<br />
eindeutig und einfach zu beantworten sein. Die verwendeten<br />
Skalen sollten prägnant und übersichtlich sowie schnell er-<br />
BVM Kongress-Special August 2012<br />
fassbar gestaltet sein. Es ist anzuraten, den Umfang von offenen<br />
Fragen sehr stark zu reglementieren. Ein bis maximal<br />
zwei offene Fragen erscheinen allerdings sinnvoll.<br />
Weitere begrenzende Punkte sind<br />
die momentane Dichte an Smartphones und<br />
die Motivation zur Teilnahme an einer Befragung<br />
Ohne jeden Zweifel wird die Verbreitung von Smartphones in<br />
der unmittelbaren Zukunft auch in den älteren Zielgruppen<br />
stark ansteigen, so dass diese Entwicklung sicherlich begünstigend<br />
den Einsatz von QR-Code-Befragungen begleiten wird.<br />
Die Motivation zur Teilnahme wird sich erhöhen lassen durch<br />
begleitende Maßnahmen des Auftraggebers und durch Incentiveanreize<br />
wie Bonusprogramme und Gewinnspiele beziehungsweise<br />
Verlosungen.<br />
Resümee<br />
Die Methode des QR-Code-basierten Mobile Research stellt<br />
einen crossmedialen, thematisch extrem breitbandigen Befragungsansatz<br />
dar, mit dem Zielgruppen unterschiedlichster Art<br />
zu einer Vielzahl von Themen mit großen Stichproben erreicht<br />
werden können. Der Ansatz ist universell anwendbar und aufgrund<br />
der Befragung am Point of Interest (POI) unmittelbar.<br />
Dieser Methodenansatz führt schnell und kostengünstig zu<br />
validen Ergebnissen. Die Praxiserprobung im Rahmen von<br />
aktuell durchgeführten Befragungen auf der Internationalen<br />
Grünen Woche in Berlin und der BIOFACH in Nürnberg haben<br />
dies in eindrucksvoller Form untermauert.<br />
Der Auftraggeber kann jederzeit auf die Befragungsergebnisse<br />
zugreifen und seine Entscheidungen auf Basis höchstaktueller<br />
Informationen treffen, ohne auf die final aufbereiteten<br />
Ergebnisse warten zu müssen.<br />
Macht man sich deutlich, dass sich hinter der Abkürzung QR<br />
die Worte Quick Response verbergen, so wird klar, dass diese<br />
beiden Wörter eher einen Dialog als einen Monolog implizieren.<br />
Quick Response wird in den einschlägigen Wörterbüchern<br />
mit „schnelle Antwort” beziehungsweise „schnelle Reaktion”<br />
übersetzt. Was liegt also näher, die Verwendung von Quick-<br />
Response-Codes mit allen Vorteilen und Grenzen für die<br />
<strong>Markt</strong>forschung nutzbar zu machen.<br />
Im Sinne des Dialogs zwischen Fragendem und Befragtem<br />
sind Quick-Response-Codes für den Einsatz in der <strong>Markt</strong>forschung<br />
prädestiniert. Damit würde die bisherige Praxis des<br />
Einsatzes von QR-Codes in Form von monologartiger Informationsverbreitung<br />
aufgebrochen. Der zunehmende Einsatz<br />
in der <strong>Markt</strong>forschung könnte darüber hinaus einen maßgeblichen<br />
Beitrag leisten, die bisherige Erfolgsstory der QR-Codes<br />
zu beschleunigen.
Programmkomitee Best Paper<br />
Dr. Michael Bartl, BVM-Vorstand<br />
Dr. Sven Dierks, BVM-Vorstand<br />
Dr. Frank Knapp, BVM-Vorsitzender<br />
Michael Pusler, BVM-Vorstand<br />
Dr. Ulrike Schöneberg, BVM-Vorstand<br />
Professor Dr. Raimund Wildner, stellvertretender BVM-Vorsitzender<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
BVM <strong>Berufsverband</strong><br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Markt</strong>- und<br />
Sozialforscher e.V.<br />
Friedrichstraße 187<br />
10117 Berlin<br />
Tel.: 030-4990 7420<br />
Fax: 030-4990 7421<br />
info@bvm.org<br />
www.bvm.org<br />
V.i.S.d.P.:<br />
BVM-Bundesvorstand<br />
Chefredaktion:<br />
Dr. Ulrike Schöneberg<br />
Assistenz und Koordination:<br />
Ulrike Großmann<br />
Sabine Steig<br />
Lektorat<br />
Dr. Gisela Hack-Molitor<br />
Gestaltung:<br />
Stephan Hasselbauer<br />
Design Büro, Fürth<br />
Bildmaterial:<br />
Jacob Cass,<br />
www.justcreativedesign.com<br />
Diverse Bildarchive<br />
Druck:<br />
Druckerei Seubert,<br />
Nürnberg<br />
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BVM Kongress-Special August 2012
BVM <strong>Berufsverband</strong><br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Markt</strong>- und<br />
Sozialforscher e.V.<br />
Friedrichstraße 187<br />
10117 Berlin<br />
Deutschland<br />
info@bvm.org<br />
www.bvm.org