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bundesarbeitsblatt - Bundesministerium für Arbeit und Soziales

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<strong>B<strong>und</strong>esministerium</strong> www.<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong>.de<br />

<strong>für</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>sschutz B<strong>und</strong>esversorgungsblatt <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Sozialstatistik Heft 6-2004 E 1991<br />

Wettbewerb Vorbildliche Unternehmen prämiert<br />

Existenzgründungen<br />

Gründerzentren können helfen<br />

Verlag W. Kohlhammer ISSN 0007-5868


INHALT 6 04<br />

Top-Thema<br />

4 Der Wettbewerb „Beschäftigung<br />

gestalten – Unternehmen zeigen<br />

Verantwortung“: Ziele, Umsetzung,<br />

Ergebnisse<br />

Von Silke Gülker<br />

12 Die fünf prämierten Unternehmen<br />

im Porträt<br />

Existenzgründungen<br />

18 Die richtigen Typen sind gefragt<br />

Von Alexander Kritikos <strong>und</strong> Frank Wießner<br />

Internationales<br />

24 Blick über die Grenze<br />

News & Service<br />

27 Fachliteratur<br />

30 Impressum<br />

Amtliche Bekanntmachungen<br />

ab Seite 31<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

3


Von Silke Gülker. Die<br />

Autorin ist Projektleiterin<br />

im Bereich<br />

Beschäftigung, Personal<br />

<strong>und</strong> Qualifizierung<br />

des IFOK Institut<br />

<strong>für</strong> Organisationskommunikation<br />

<strong>und</strong><br />

zuständig <strong>für</strong> die<br />

fachliche Begleitung<br />

des Wettbewerbs.<br />

TOP-THEMA<br />

Der Wettbewerb<br />

„Beschäftigung gestalten – Unternehmen<br />

zeigen Verantwortung“:<br />

Ziele, Umsetzung <strong>und</strong> Ergebnisse<br />

Am 21. Mai 2004 wurden in Berlin fünf Preisträger im Wettbewerb „Beschäftigung<br />

gestalten – Unternehmen zeigen Verantwortung“ ausgezeichnet.<br />

Die Jury hatte im März 2004 elf Unternehmen <strong>für</strong> eine Auszeichnung<br />

nominiert (vgl. B<strong>und</strong>esarbeitsblatt 4/2004 <strong>und</strong> Porträts der Unternehmen<br />

in diesem Heft). Der Wettbewerb ist ein Kooperationsprojekt des <strong>B<strong>und</strong>esministerium</strong>s<br />

<strong>für</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> der Initiative <strong>für</strong> Beschäftigung!<br />

unter dem Dach der Initiative Team<strong>Arbeit</strong> <strong>für</strong> Deutschland. Der folgende<br />

Artikel untersucht Ziele, Prozess <strong>und</strong> Ergebnisse des Projektes. Es wird<br />

der Frage nachgegangen, ob <strong>und</strong> unter welchen Bedingungen ein solcher<br />

Wettbewerb zu einer positiven Entwicklung am <strong>Arbeit</strong>smarkt beitragen<br />

kann.<br />

Hintergr<strong>und</strong>: Eine gemeinsame Initiative<br />

von Politik <strong>und</strong> Wirtschaft<br />

Die Idee zu einem b<strong>und</strong>esweiten Wettbewerb <strong>für</strong><br />

engagierte Unternehmen war wesentlich inspiriert<br />

durch die Vorschläge der „Kommission <strong>für</strong> moderne<br />

Dienstleistungen am <strong>Arbeit</strong>smarkt“, der so genannten<br />

Hartz-Kommission. Modul 7 des Konzepts<br />

der Hartz-Kommission sah so genannte Beschäftigungsbilanzen<br />

vor, anhand derer Unternehmen<br />

von Sozialversicherungsabgaben entlastet<br />

werden sollten, wenn sie eine positive Beschäftigungsentwicklung<br />

nachweisen konnten. Der Gedanke<br />

von den „Profis der Nation“ (Modul 13)<br />

forderte zudem alle Akteure aus Wirtschaft, Politik<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft auf, in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich<br />

alle Möglichkeiten zur positiven<br />

Gestaltung des <strong>Arbeit</strong>smarktes zu nutzen.<br />

Der Wettbewerb „Beschäftigung gestalten – Unternehmen<br />

zeigen Verantwortung“ kombiniert diese<br />

beiden Gr<strong>und</strong>ideen <strong>und</strong> fokussiert sie neu. Ein<br />

4 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

neuer Bürokratismus bei der Einführung von Beschäftigungsbilanzen<br />

sollte vermieden <strong>und</strong> die<br />

Aufforderung an die Profis Unternehmen konkreter,<br />

verbindlicher werden.<br />

Mit der Initiative <strong>für</strong> Beschäftigung!, dem Ministerium<br />

<strong>für</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> dessen Initiative<br />

Team<strong>Arbeit</strong> <strong>für</strong> Deutschland haben sich<br />

Partner zur Zusammenarbeit gef<strong>und</strong>en, die den<br />

zur Umsetzung eines solchen Projektes nötigen<br />

gemeinsamen Gestaltungswillen <strong>und</strong> die Gestaltungskompetenz<br />

haben. Die Initiative <strong>für</strong> Beschäftigung!<br />

ist ein b<strong>und</strong>esweit getragenes Netzwerk<br />

von Vertretern aus Unternehmen, Gewerkschaften,<br />

Verbänden, Kammern, Politik, Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft, das sich seit 1998 in regionalen<br />

Netzwerken aktiv um die positive Entwicklung<br />

des <strong>Arbeit</strong>smarktes verdient macht.<br />

Die Initiative Team<strong>Arbeit</strong> <strong>für</strong> Deutschland ist eine<br />

Initiative des <strong>B<strong>und</strong>esministerium</strong>s <strong>für</strong> Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> zusammen mit engagierten Bürgerin-


nen <strong>und</strong> Bürgern aus Politik, Kirche, Kultur, Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft. Sie wurde im Juni 2003<br />

von B<strong>und</strong>esminister Clement ins Leben gerufen.<br />

Sie bringt Menschen <strong>und</strong> Organisationen zusammen,<br />

die neue Ideen <strong>und</strong> Konzepte gegen <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />

entwickeln <strong>und</strong> umsetzen.<br />

Ziele: Positives sichtbar machen <strong>und</strong><br />

multiplizieren<br />

Mit dem Wettbewerb sollte deutlich werden, dass<br />

es auch in Zeiten von zum Teil schwierigen wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen viele Unternehmen<br />

in Deutschland gibt, die sich ihrer Verantwortung<br />

stellen <strong>und</strong> sich <strong>für</strong> eine positive Gestaltung<br />

des <strong>Arbeit</strong>smarktes engagieren. In einer Zeit,<br />

in der Nachrichten über Beschäftigung <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />

in aller Regel negative Nachrichten<br />

sind, sollte dieser Wettbewerb auch psychologisch<br />

einen Kontrapunkt bilden: Diejenigen Unternehmen,<br />

die sich bei allen Widrigkeiten immer wieder<br />

mit großer Kraft zum Beispiel gegen eine Standortverlagerung<br />

stellen, die sich <strong>für</strong> eine hochwertige<br />

Ausbildung von jungen Menschen <strong>und</strong> gegen eine<br />

Ausgrenzung von älteren Mitarbeiter/innen stark<br />

machen, sollten eine öffentliche Würdigung erfahren.<br />

Über die Würdigung von engagierten Unternehmen<br />

hinaus, ist es Ziel des Wettbewerbes, andere<br />

Unternehmen zur Nachahmung aufzufordern.<br />

Gute Beispiele sollen breit publiziert werden <strong>und</strong><br />

so Anregungen geben <strong>für</strong> Unternehmen, die in<br />

ähnlichen Situationen nach neuen Lösungen suchen.<br />

In einer mittelfristigen Wirkung soll der<br />

Wettbewerb damit einen Beitrag zu mehr personal-<br />

<strong>und</strong> arbeitsmarktpolitischen Innovationen in<br />

Deutschland leisten.<br />

Umsetzung: Lagerübergreifende Kooperation<br />

der <strong>Arbeit</strong>smarktpartner<br />

Die Aufgabe<br />

Eine mittelfristige Wirkung zur Gestaltung des<br />

<strong>Arbeit</strong>smarktes kann ein Wettbewerb nur erzielen,<br />

wenn es gelingt, breit alle Unternehmen in<br />

Deutschland anzusprechen, die sich in verschiedener<br />

Weise über das übliche Kerngeschäft hinaus<br />

<strong>für</strong> Beschäftigung engagieren. Eine zentrale Herausforderung<br />

<strong>für</strong> die umsetzenden Akteure des<br />

Wettbewerbs 1 ) war es deshalb, Unternehmen aller<br />

Betriebsgrößen, aller Branchen <strong>und</strong> Regionen <strong>für</strong><br />

den Wettbewerb zu interessieren <strong>und</strong> dann eine<br />

Bewertung von sehr unterschiedlichen Formen<br />

des Engagements vorzunehmen.<br />

TOP-THEMA<br />

Gleichzeitig stand aus Budgetgründen bereits zu<br />

Beginn des Prozesses fest, dass mit dem Wettbewerb<br />

kein Geldpreis verb<strong>und</strong>en sein würde. Der<br />

Preis <strong>für</strong> die Unternehmen war die öffentlichkeitswirksame<br />

Verbreitung ihres Engagements. Um so<br />

wichtiger war es, inhaltliche Anreize zur Beteiligung<br />

zu schaffen. Die Besetzung der Jury, die Art<br />

der Ausschreibung, die Transparenz der Auswahlkriterien<br />

<strong>und</strong> die Vermarktung sind die wesentlichen<br />

Erfolgsfaktoren eines Wettbewerbs <strong>und</strong><br />

sollen deshalb im folgenden kurz reflektiert werden.<br />

Die Jury<br />

Das zentrale Gremium eines solchen Wettbewerbes<br />

ist die Jury. Ob es gelingt, <strong>für</strong> diese Aufgabe<br />

geeignete Persönlichkeiten zu gewinnen, ist <strong>für</strong><br />

die Außenwirkung <strong>und</strong> <strong>für</strong> die kompetente Bearbeitung<br />

des Wettbewerbes von entscheidender Bedeutung.<br />

Die Jury dieses Wettbewerbs ist in mehrfacher<br />

Weise besonders <strong>und</strong> hat die Umsetzung<br />

wesentlich unterstützt:<br />

Prominent: Ob ein Unternehmen sich <strong>für</strong> die<br />

Teilnahme an einem Wettbewerb entscheidet,<br />

hängt davon ob, wie bekannt die Jury ist, die über<br />

die Beiträge entscheidet <strong>und</strong> schließlich einen<br />

Preisträger kürt. Dies gilt um so mehr, wenn ein<br />

Die Initiative <strong>für</strong> Beschäftigung!<br />

Prof. Dr. Jürgen Strube, Vorsitzender des Vorstands der BASF Aktiengesellschaft,<br />

Reinhard Mohn, Mitglied des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung,<br />

<strong>und</strong> Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie<br />

etablierten im Herbst 1998 die Initiative <strong>für</strong> Beschäftigung!. Ziel ist die enge<br />

Zusammenarbeit von Persönlichkeiten aus Unternehmen, Verbänden,<br />

Gewerkschaften, Kammern, wissenschaftlichen Einrichtungen, Verwaltungen,<br />

Kommunen <strong>und</strong> weiteren Akteuren im Rahmen regionaler Netzwerke,<br />

um konkrete Beschäftigungsprojekte zu entwickeln <strong>und</strong> umzusetzen. 2001<br />

übernahm Dr. Gunter Thielen den Stab von Reinhard Mohn.<br />

Bis Herbst 2001 konnten in 19 Regionen Deutschlands Netzwerke aufgebaut<br />

werden, in denen Persönlichkeiten sich zur Übernahme gesellschaftspolitischer<br />

Verantwortung, zur Eigeninitiative <strong>und</strong> zum Handeln im<br />

eigenen Wirkungsbereich verpflichten. Über 2.500 Aktive entwickeln<br />

innovative Beschäftigungsprojekte <strong>und</strong> setzen sie um, allein über 400<br />

Unternehmen beteiligen sich an der Initiative. Damit gilt sie als größte<br />

konzertierte Aktion der deutschen Wirtschaft zum Thema Beschäftigung.<br />

Die bislang durchgeführten r<strong>und</strong> 200 Projekte konzentrieren sich auf<br />

folgende Schwerpunktthemen: Integration von Jugendlichen in das Berufsleben,<br />

Förderung von Unternehmensgründungen, Integration von Benachteiligten<br />

sowie <strong>Arbeit</strong>splätze entwickeln, Beschäftigungsfähigkeit fördern.<br />

Weitere Informationen unter www.initiative-fuer-beschaeftigung.de.<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

5


TOP-THEMA<br />

Die Jury des Wettbewerbs<br />

Prof. Dr. Jutta Allmendinger, Direktorin des Instituts <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt- <strong>und</strong><br />

Berufsforschung (IAB)<br />

Dr. Nobert Bensel, Mitglied des Vorstands der Deutsche Bahn AG<br />

Dr. Hermann Borghorst, Mitglied des Vorstands Vattenfall Europe Mining<br />

AG <strong>und</strong> Generation AG <strong>und</strong> Co. KG<br />

Minister Wolfgang Clement, <strong>B<strong>und</strong>esministerium</strong> <strong>für</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

Angela Fauth-Herkner, Partnerin des Beratungsunternehmens Fauth-Herkner<br />

& Partner<br />

Dr. h.c. Peter Hartz, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG<br />

Dr. Tessen von Heydebreck, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank AG<br />

Dr. Dieter H<strong>und</strong>t, Präsident der B<strong>und</strong>esvereinigung der Deutschen <strong>Arbeit</strong>geberverbände<br />

Franz-Josef Möllenberg, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-<br />

Gaststätten (NGG)<br />

Harald Müsse, Vorsitzender der Geschäftsführung der Verlagsgruppe<br />

Handelsblatt GmbH<br />

Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie<br />

Dr. Hartmut Seifert, Leiter des Wirtschaft- <strong>und</strong> Sozialwissenschaftlichen<br />

Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung<br />

Michael Sommer, B<strong>und</strong>esvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es<br />

Dr. Gunter Thielen, Vorsitzender des Vorstands der Bertelsmann AG <strong>und</strong><br />

Sprecher der IfB!<br />

Dr. Ursula Weidenfeld, Leitende Redakteurin <strong>und</strong> Ressortleiterin Wirtschaft<br />

der Tageszeitung „Der Tagesspiegel“<br />

Kriterien zur Bewertung des besonderen Engagements:<br />

Innovationsgehalt<br />

• Wie neuartig bzw. besonders ist der Problemlösungsansatz?<br />

• Kann durch dieses Engagement etwas gelöst werden, was in anderen<br />

Unternehmen weniger gut gelingt?<br />

• Werden vorhandene Konzepte kreativ <strong>und</strong> intelligent verknüpft <strong>und</strong> so<br />

neue Lösungen eröffnet?<br />

Art <strong>und</strong> Weise der Umsetzung<br />

• Wie wird erreicht, dass das Engagement zielgerichtet umgesetzt wird?<br />

• Wie transparent sind Ziele <strong>und</strong> Vorgehen <strong>für</strong> die Beteiligten?<br />

• Wie ernsthaft werden die Beteiligten innerhalb (Betriebsrat, Mitarbeiter/innen,<br />

Führungskräfte) <strong>und</strong> außerhalb des Unternehmens (regionale<br />

Akteure, zum Beispiel <strong>Arbeit</strong>geberverbände, Gewerkschaften,<br />

Kommunen, Kirchen, Wissenschaft...) einbezogen?<br />

Ergebnisse<br />

• Gibt es einen messbaren Erfolg? Wie wird er festgestellt?<br />

• Werden die selbst gesetzten Ziele erreicht?<br />

• Gibt es über die eigentlichen Ziele hinaus weitere positive Effekte <strong>für</strong><br />

das Unternehmen?<br />

• Welche dauerhafte Wirkung ist abzusehen? Gibt es mittel- oder<br />

langfristige Planungen?<br />

Übertragbarkeit<br />

• Lassen sich die Ergebnisse <strong>und</strong> Erfahrungen auch auf Unternehmen anderer<br />

Größe oder Finanzstärke übertragen?<br />

6 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

Wettbewerb zum ersten Mal durchgeführt wird,<br />

also keine Tradition hat. Mit B<strong>und</strong>esminister<br />

Clement <strong>und</strong> Dr. Gunter Thielen als Vorsitzende<br />

dieser Jury ist es gelungen, namhafte Führungspersönlichkeiten<br />

<strong>für</strong> die Mitwirkung zu gewinnen.<br />

Lagerübergreifend <strong>und</strong> integrierend: Mit den<br />

Spitzen von <strong>Arbeit</strong>geberverband <strong>und</strong> Gewerkschaften<br />

arbeiten die zwei zentralen <strong>Arbeit</strong>smarktparteien<br />

in der Jury zusammen. Gleichzeitig sind<br />

führende Unternehmensvertreter <strong>und</strong> weitere Vorsitzende<br />

von Einzelgewerkschaften Mitglieder.<br />

Mit dieser Zusammenarbeit ist das Signal verb<strong>und</strong>en:<br />

Neue Lösungen am <strong>Arbeit</strong>smarkt werden von<br />

Unternehmensleitung <strong>und</strong> Belegschaft gemeinsam<br />

vorangetrieben. Der Wettbewerb legt Wert auf diese<br />

Kooperation.<br />

Fachkompetent: Mit der Wettbewerbsteilnahme<br />

setzt sich ein Unternehmen einer externen Bewertung<br />

aus. Einer Jury muss man zutrauen können,<br />

dass sie das eigene Engagement fachkompetent<br />

<strong>und</strong> fair beurteilt. Für diesen Wettbewerb wurden<br />

deshalb Experten unterschiedlicher Disziplinen,<br />

aus Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis an der Bewertung der<br />

Unternehmensbeispiele beteiligt.<br />

Breiter Multiplikationsradius: Schließlich verfügt<br />

eine Jury immer über eigene Kontaktnetzwerke,<br />

die <strong>für</strong> eine Verbreitung des Wettbewerbs<br />

genutzt werden können. Die Netzwerke der hier<br />

beteiligten Häuser konnten zur unmittelbaren<br />

Ansprache zahlreicher Unternehmen in Deutschland<br />

genutzt werden, die einbezogenen Medienvertreter/innen<br />

haben breit <strong>für</strong> den Wettbewerb<br />

geworben.<br />

Die Ausschreibung<br />

Um der Zielsetzung des Wettbewerbs entsprechend<br />

Unternehmen aller Größen <strong>und</strong> Branchen<br />

in Deutschland anzusprechen, war eine Form der<br />

Ausschreibung nötig, die einerseits den Unternehmen<br />

möglichst wenig Aufwand bereitete, andererseits<br />

aber die Besonderheit des spezifischen Engagements<br />

leicht erfassbar machen konnte. Eine<br />

da<strong>für</strong> geeignete Form der Ausschreibung wurde in<br />

einem gemeinsamen Prozess mit Experten aller<br />

Jury-Häuser entwickelt. Im Ergebnis wurden die<br />

Unternehmen aufgefordert, ihre Bewerbung in<br />

drei Teilen zu verfassen:<br />

Skizze des besonderen Engagements: Anhand<br />

von Leitfragen <strong>und</strong> beispielhaften Themen sollten<br />

besondere Aktivitäten, Projekte <strong>und</strong> Initiativen


der Unternehmen formlos in wenigen Seiten zusammengefasst<br />

werden.<br />

Statistische Eckpunkte: Zentrale Daten zur Beschäftigungsentwicklung<br />

wurden in tabellarischer<br />

Form erfragt.<br />

Anlagen: Optional konnten der Bewerbung Flyer,<br />

Presseauswertungen <strong>und</strong> andere Anlagen beigelegt<br />

werden, die zur Illustration des besonderen<br />

Engagements beitrugen.<br />

Die Auswahlkriterien<br />

Bei der Ausschreibung des Wettbewerbes wurde<br />

Wert darauf gelegt, von Beginn an eine möglichst<br />

hohe Transparenz <strong>für</strong> alle Beteiligten zu erreichen.<br />

Deshalb wurden bereits mit der Veröffentlichung<br />

des Wettbewerbs auch die zentralen Kriterien zur<br />

Bewertung des besonderen Engagements bekannt<br />

gegeben. Auch diese Kriterien wurden im Rahmen<br />

eines gemeinsamen Workshops, an dem Experten<br />

aller Jury-Häuser teilnahmen, entwickelt.<br />

In der gemeinsamen Auseinandersetzung wurde<br />

deutlich, dass die Kriterien <strong>für</strong> einen solchen Wettbewerb<br />

überwiegend qualitativ formuliert werden<br />

müssen. Das zum Teil sehr unterschiedliche<br />

Engagement der Unternehmen würde sich quantitativ<br />

nicht sinnvoll vergleichen lassen. Die erfragten<br />

Daten zur Beschäftigungsentwicklung sollten<br />

aber gleichzeitig Auskunft über das Gesamtprofil<br />

des Unternehmens <strong>und</strong> die Konsistenz mit dem<br />

beschriebenen Engagement geben.<br />

Die Vermarktung<br />

Die Ausschreibungsphase des Wettbewerbes wurde<br />

durch eine Öffentlichkeitskampagne im Rahmen<br />

von Team<strong>Arbeit</strong> <strong>für</strong> Deutschland unterstützt.<br />

Durch gezielte Anzeigenwerbung wurden Unternehmensvertreter/innen<br />

in ganz Deutschland <strong>für</strong><br />

den Wettbewerb interessiert. Ein Internet-Auftritt<br />

<strong>und</strong> eine Service-Hotline boten die nötige Infrastruktur<br />

<strong>und</strong> Transparenz <strong>für</strong> einen solchen Prozess.<br />

Die Netzwerke der Initiative <strong>für</strong> Beschäftigung!<br />

sowie aller Jury-Häuser wurden aktiv zur<br />

Vermarktung genutzt.<br />

Ergebnisse: Breite Wahrnehmung <strong>und</strong><br />

hohe Qualität<br />

Die Resonanz-Gesamteinschätzung<br />

An dem Wettbewerb haben 229 Unternehmen<br />

teilgenommen. Alle Beteiligten werteten dies als<br />

erfreuliche Resonanz, insbesondere vor dem Hintergr<strong>und</strong>,<br />

dass dieser Wettbewerb zum ersten Mal<br />

ausgeschrieben wurde <strong>und</strong> kein Geldpreis ausgelobt<br />

wurde.<br />

TOP-THEMA<br />

Eine statistische Auswertung der eingegangenen<br />

Bewerbungen zeigt überdies, dass das selbst gesetzte<br />

Ziel der Jury, nämlich Unternehmen aller<br />

Regionen, Größen <strong>und</strong> Branchen anzusprechen,<br />

im Wesentlichen erreicht werden konnte.<br />

Die regionale Verteilung der beteiligten<br />

Unternehmen<br />

Aus allen B<strong>und</strong>esländern haben sich Unternehmen<br />

am Wettbewerb beteiligt (Tabelle 1). Ein leichtes<br />

Übergewicht liegt in Nordrhein-Westfalen. Die<br />

hohe Industriedichte, starke Präsenz der Initiative<br />

<strong>für</strong> Beschäftigung! in diesem B<strong>und</strong>esland <strong>und</strong><br />

auch die langjährige Erfahrung der Akteure mit<br />

solchen <strong>und</strong> ähnlichen <strong>Arbeit</strong>smarktprojekten sind<br />

mögliche Ursachen hier<strong>für</strong>.<br />

Tabelle 1: Regionale Verteilung der eingegangenen Bewerbungen<br />

B<strong>und</strong>esland Anzahl der Bewerbungen<br />

Baden-Württemberg 29<br />

Bayern 22<br />

Berlin 12<br />

Brandenburg 6<br />

Bremen 2<br />

Hamburg 8<br />

Hessen 20<br />

Mecklenburg-Vorpommern 4<br />

Niedersachsen 24<br />

Nordrhein-Westfalen 58<br />

Rheinland-Pfalz 14<br />

Saarland 1<br />

Sachsen 9<br />

Sachsen-Anhalt 3<br />

Schleswig-Holstein 6<br />

Thüringen 11<br />

Die neuen B<strong>und</strong>esländer sind deutlich weniger im<br />

Wettbewerb vertreten. Dieses Ungleichgewicht<br />

findet sich auch in anderen Prozessen dieser Art,<br />

die Ursachen da<strong>für</strong> liegen aber nicht auf der Hand.<br />

Zwar stehen Unternehmen hier in vielen Regionen<br />

unter erheblichem wirtschaftlichen Druck, was<br />

die Bereitschaft zur Teilnahme an einem solchen<br />

Wettbewerb einschränken kann. Gleichzeitig arbeiten<br />

aber auch hier sehr viele Unternehmen mit<br />

außerordentlich hohem Engagement <strong>und</strong> vielfach<br />

in regionalen Kooperationen an der Verbesserung<br />

der <strong>Arbeit</strong>smarktsituation, so dass man auch eine<br />

höhere Beteiligung erwarten könnte.<br />

Die sektorale Verteilung der eingegangenen<br />

Bewerbungen<br />

Die Verteilung nach Branchen (Abbildung 1) zeigt,<br />

dass es gelungen ist, sehr unterschiedliche Unter-<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

7


TOP-THEMA<br />

nehmen an dem Wettbewerb zu beteiligen. Industrie-,<br />

Dienstleistungs-, Handels- <strong>und</strong> Handwerksunternehmen<br />

halten sich beinahe die Waage. Ausnahme<br />

bilden dabei die Unternehmensdienstleistungen,<br />

die deutlich überproportional beteiligt<br />

sind. Ein möglicher Hintergr<strong>und</strong> ist, dass hier auch<br />

solche Unternehmen zusammengefasst sind, die<br />

arbeitsmarktpolitische Projekte als ihr Kerngeschäft<br />

umsetzen 2 ).<br />

Abbildung 1: Verteilung der eingegangenen<br />

Bewerbungen nach Branchen<br />

Die Verteilung nach Betriebsgrößen<br />

Der Wettbewerb hat kleine wie große Unternehmen<br />

gleichermaßen angesprochen (Abbildung 2).<br />

Interessant ist vor allem, dass sich sehr viele<br />

Kleinstunternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten<br />

beworben haben. Aber auch <strong>für</strong> Großkonzerne<br />

war offensichtlich die Anreizwirkung<br />

des Wettbewerbs groß genug, um sich zu beteiligen<br />

3 ).<br />

Abbildung 2: Verteilung der eingegangenen<br />

Bewerbungen nach Betriebsgrößen<br />

8 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

Inhalte <strong>und</strong> Qualität der Bewerbungen<br />

Neben der Quantität überzeugt auch die Qualität<br />

der eingegangenen Bewerbungen. Deutlich wird<br />

die große Bandbreite innerhalb derer sich Unternehmen<br />

in Deutschland <strong>für</strong> eine Verbesserung am<br />

<strong>Arbeit</strong>smarkt engagieren.<br />

Die eingegangenen Bewerbungen wurden <strong>für</strong> eine<br />

Bewertung <strong>und</strong> bessere Vergleichbarkeit nach den<br />

Schwerpunkten ihres besonderen Engagements<br />

sortiert. Folgende Kategorien wurden so gebildet:<br />

• Aufbau <strong>und</strong> Stabilisierung von Beschäftigung<br />

durch flexible <strong>und</strong> neue <strong>Arbeit</strong>s(zeit)organisation,<br />

neue Finanzierungsformen, Eröffnung<br />

neuer Geschäftsfelder.<br />

• Erhaltung <strong>und</strong> Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit<br />

der Mitarbeiter durch neue<br />

Wege in der Personalentwicklung, individuelle<br />

Weiterbildungskonzepte, neue Methoden bei<br />

der Qualifizierung der Mitarbeiter, neue Führungsinstrumente,<br />

Unterstützung der Eigeninitiative,<br />

Vorsorgender Ges<strong>und</strong>heitsschutz.<br />

• Perspektiven <strong>für</strong> Jugendliche durch Ausbildung,<br />

Qualifizierung <strong>und</strong> Integration, durch<br />

Partnerschaften mit Schulen zur frühzeitigen<br />

Berufsorientierung, durch Zusammenarbeit mit<br />

Hochschulen zur Stärkung der Praxisorientierung<br />

<strong>und</strong> zur Integration von Fachkräften.<br />

• Integration besonderer Zielgruppen, z.B.:<br />

Geringqualifizierte, Behinderte, ältere <strong>Arbeit</strong>nehmer/innen,<br />

Langzeitarbeitslose, Berufsrückkehrer/innen,<br />

ausländische Beschäftigte, befristet<br />

Beschäftigte <strong>und</strong> Leiharbeitnehmer/innen.<br />

• Neue Chancen durch Zusammenarbeit<br />

durch Engagement in Netzwerken zur Sicherung,<br />

Schaffung <strong>und</strong> Gestaltung von Beschäftigung<br />

<strong>und</strong> regionalpolitische Verantwortung.<br />

Abbildung 3 macht deutlich, dass ein Großteil der<br />

eingegangenen Bewerbungen den Aufbau <strong>und</strong> die<br />

Stabilisierung zum Schwerpunktthema haben.<br />

Eine Erklärung <strong>für</strong> dieses Übergewicht ist der Charakter<br />

der Kategorie selbst. Wenn ein Unternehmen<br />

seine gesamte Firmenphilosophie zum Thema<br />

der Bewerbung macht, wurde dies in der Regel<br />

dieser Kategorie zugeordnet. Aber die Verteilung<br />

gibt auch einen Hinweis darauf, dass sich Unternehmen<br />

vielfach mit sehr vielen Ideen <strong>und</strong> mit<br />

großer Kraft da<strong>für</strong> einsetzen, <strong>Arbeit</strong>splätze an<br />

einem Standort nicht verloren zu geben, sondern


gemeinsam mit allen Beteiligten nach Alternativen<br />

zu suchen.<br />

Abbildung 3: Verteilung der eingegangenen<br />

Bewerbungen nach Kategorien des Engagements<br />

58 Unternehmen engagieren sich mit Schwerpunkt<br />

im Bereich „Perspektiven <strong>für</strong> Jugendliche“.<br />

Dies zeigt die Relevanz dieses Themas auch aus<br />

Unternehmensperspektive. Dabei beschränken sich<br />

die Beispiele nicht auf Ausbildungsaktivitäten der<br />

Unternehmen im eigenen Haus. Deutlich wird<br />

vielmehr eine breite Initiative, die bereits mit einer<br />

engen Zusammenarbeit mit Schulen <strong>und</strong> zum Teil<br />

mit Kindergärten beginnt, die die örtliche Jugend<strong>und</strong><br />

Stadtteilarbeit einbezieht <strong>und</strong> die mit höchst<br />

innovativen pädagogischen Konzepten arbeitet.<br />

In der Gruppe „Erhaltung <strong>und</strong> Steigerung der<br />

Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter“ wurden<br />

solche Unternehmen zusammengefasst, die Personalentwicklung<br />

<strong>und</strong> lebenslanges Lernen in den<br />

Mittelpunkt ihrer beschriebenen Aktivitäten gestellt<br />

haben (selbstverständlich hat dieses Thema<br />

auch Schnittstellen mit den anderen genannten<br />

Kategorien). Aus den dargestellten Projekten wird<br />

deutlich, dass viele Unternehmen etwa die Herausforderung<br />

des Know-how-Transfers von älteren<br />

auf jüngere Beschäftigte als zentral erkannt<br />

haben <strong>und</strong> sich ihr aktiv stellen. Auch zeigt sich,<br />

dass Themen wie vorsorgender Ges<strong>und</strong>heitsschutz<br />

in Unternehmen von steigernder Bedeutung sind<br />

<strong>und</strong> dass eine gut funktionierende Personalentwicklung<br />

auf die aktive Mitgestaltung der Mitarbeiter/innen<br />

angewiesen ist.<br />

Die Integration von besonderen Zielgruppen war<br />

<strong>für</strong> relativ wenige der Unternehmen ein Schwerpunktthema,<br />

die nicht selbst als professionelle<br />

<strong>Arbeit</strong>smarktträger tätig sind 4 ). Die wachsende<br />

Problematik der steigenden Sockelarbeitslosigkeit<br />

am deutschen <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong> die sich weiter<br />

öffnende Schere zwischen Insidern <strong>und</strong> Outsidern<br />

spiegelt sich auch in diesem Wettbewerb.<br />

TOP-THEMA<br />

Die Kategorie „Neue Chancen durch Zusammenarbeit“<br />

fällt zwar quantitativ nicht sehr stark ins<br />

Gewicht. Allerdings wurden hier Aktivitäten einsortiert,<br />

die weit über das eigene Unternehmen<br />

hinaus reichen <strong>und</strong> im besten Sinne als „Corporate<br />

Citizenship“ zu bewerten sind. Daher sind auch<br />

die 20 Bewerbungen, die es in diesem Feld gibt,<br />

durchaus als positiv zu bewerten.<br />

Nominierte, Preisträger <strong>und</strong><br />

Prämierung – Der Auswahlprozess<br />

Die eingegangenen Bewerbungen wurden anhand<br />

der eingangs dargestellten Kriterien Innovationsgehalt,<br />

Ergebnisse, Art <strong>und</strong> Weise der Umsetzung<br />

<strong>und</strong> Übertragbarkeit bewertet. Dabei erwies es<br />

sich als sinnvoll, die Bewertung der Innovationskraft<br />

<strong>und</strong> der Ergebnisse stärker zu gewichten als<br />

die anderen beiden Kriterien.<br />

Im Rahmen einer Erstbewertung wurden r<strong>und</strong> 50<br />

Unternehmen identifiziert, die <strong>für</strong> eine Nominierung<br />

in Frage kamen. In einem intensiven Austausch<br />

im Rahmen einer Veranstaltung von Experten<br />

aller Juryhäuser wurde dieser Kreis weiter<br />

eingeengt <strong>und</strong> schließlich aus allen Kategorien<br />

eine Anzahl an potenziellen Preisträgern bestimmt,<br />

die in einem nächsten Verfahrensschritt<br />

vor Ort besucht wurden 5 ).<br />

Im Rahmen einer Jurysitzung im März 2004 wurden<br />

11 Unternehmen nominiert <strong>und</strong> fünf Preisträger<br />

ausgewählt, die dann im Rahmen einer öffentlichen<br />

Prämierungsfeier im Mai bekannt gegeben<br />

wurden. Die Abstufung von nominierten Unternehmen<br />

<strong>und</strong> Preisträgern wurde bewusst gewählt,<br />

um so bis zur Prämierungsveranstaltung <strong>und</strong> auch<br />

darüber hinaus mehr Unternehmen öffentlich <strong>für</strong><br />

ihr Engagement zu würdigen als nur die Preisträger.<br />

Die ausgewählten Unternehmen<br />

Die Auswahl der nominierten Unternehmen <strong>und</strong><br />

schließlich der Preisträger macht deutlich, dass es<br />

mit dem Wettbewerb gelungen ist, genau solche<br />

Beispiele zu identifizieren, die auch <strong>für</strong> andere<br />

Unternehmen als Vorbild dienen können.<br />

Insbesondere zeigt sich,<br />

... dass die Kernthemen unternehmensstrategischer<br />

Fragestellungen angesprochen wurden:<br />

Wenn etwa ein betriebliches Bündnis ausgezeichnet<br />

wurde, mit dem eine Standortentscheidung<br />

<strong>für</strong> Deutschland ermöglicht <strong>und</strong> der<br />

nachhaltige Aufbau von Beschäftigung vorbereitet<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

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TOP-THEMA<br />

Tabelle 2: Preisträger <strong>und</strong> Nominierte im Überblick<br />

Kategorie Preisträger Nominierte<br />

Aufbau <strong>und</strong> Stabilisierung von Be- Trumpf GmbH & Co. KG Gebäudeservice Menschel e. K. Ottweiler<br />

schäftigung Druckerei <strong>und</strong> Verlag GmbH, Print <strong>und</strong><br />

Mediengruppe Paul<br />

Erhaltung <strong>und</strong> Steigerung der Beschäf- KSB AG Schreiner Group GmbH & Co. KG<br />

tigungsfähigkeit der Mitarbeiter<br />

Perspektiven <strong>für</strong> Jugendliche MENNEKES Elektrotechnik FKT Formenbau <strong>und</strong> Kunststofftechnik<br />

GmbH & Co. KG GmbH<br />

Werkstätten <strong>für</strong> Denkmalpflege GmbH<br />

Neue Chancen durch Zusammenarbeit Tischlerei Sebastian Schulz Initiativkreis Ruhrgebiet Verwaltungs-<br />

GmbH<br />

Integration besonderer Zielgruppen Perspektiva gGmbH, Fördergemein- Keine<br />

schaft Theresienhof <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong><br />

Leben<br />

wurde, dann deutet dies darauf hin, dass im Rahmen<br />

des Wettbewerbes nicht die schnellen Öffentlichkeitskampagnen<br />

sondern das „Bohren auch dicker<br />

Bretter“ gewürdigt wurden.<br />

... dass die Zusammenarbeit von Unternehmensleitung<br />

<strong>und</strong> Belegschaft ein zentraler<br />

Erfolgsfaktor ist. Alle nominierten Unternehmen<br />

<strong>und</strong> auch sehr viele Beispiele darüber hinaus betonen<br />

die Notwendigkeit gemeinsamer Gestaltung<br />

von Unternehmensleitung <strong>und</strong> Betriebsrat beziehungsweise<br />

Belegschaft, um langfristig wirksame<br />

Erfolge zu erzielen.<br />

... dass die Unternehmensgröße nicht ausschlaggebend<br />

<strong>für</strong> die personal- <strong>und</strong> arbeitsmarktpolitische<br />

Innovationskraft ist. Dass unter<br />

den Preisträgern zwei mittelständische Unternehmen<br />

sowie ein Netzwerk, das stark von mittelständischen<br />

Unternehmen getragen wird, vertreten<br />

sind, macht deren Kompetenz deutlich.<br />

Die Prämierungsfeier<br />

Die Prämierungsfeier wurde in der Ankündigung<br />

des Wettbewerbes als ein Baustein im Rahmen der<br />

Öffentlichkeitsarbeit <strong>für</strong> die Preisträger angekündigt.<br />

Die Umsetzung hat deutlich gemacht, dass<br />

diese Veranstaltung auch durchaus als Preis von<br />

allen Beteiligten angenommen wurde.<br />

Eingeladen waren alle Unternehmen, die am Wettbewerb<br />

teilgenommen haben, sowie weitere Fachöffentlichkeit<br />

<strong>und</strong> Medien.<br />

10 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

Bereits am Vorabend der Prämierung trafen sich<br />

200 Unternehmensvertreter/innen in der Berliner<br />

Repräsentanz von Bertelsmann zu einem informellen<br />

Empfang, zur offiziellen Prämierungsveranstaltung<br />

in den Räumen des <strong>B<strong>und</strong>esministerium</strong>s<br />

<strong>für</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> waren es r<strong>und</strong> 250.<br />

Alle Festreden, so von B<strong>und</strong>esminister Clement,<br />

Dr. Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann<br />

AG, DGB-Chef Michael Sommer <strong>und</strong> von<br />

anderen Jurymitgliedern, würdigten das Engagement<br />

der Unternehmen. Beim ebenfalls gut besuchten<br />

„Markt der Möglichkeiten” im Anschluss<br />

an die Prämierung wurden Kontakte zwischen<br />

den beteiligten Unternehmen geknüpft <strong>und</strong> erste<br />

weitergehende Zusammenarbeit verabredet.<br />

Für alle Beteiligten erfreulich war zudem die gute<br />

Medienresonanz b<strong>und</strong>esweit <strong>und</strong> insbesondere in<br />

den Regionen der Nominierten <strong>und</strong> der Preisträger.<br />

Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Eingangs wurde die Frage formuliert, in wiefern<br />

ein Wettbewerb wie der hier vorgestellte einen<br />

Beitrag zu einer positiven Entwicklung am <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />

leisten kann. Selbstverständlich sind wenige<br />

Wochen nach der Auszeichnung der Preisträger<br />

heute keine sinnvollen Aussagen dazu möglich, ob<br />

diese Initiative eine Beschäftigungswirkung hat.<br />

Wahrscheinlich werden zudem auch später die<br />

mittelbaren Effekte einer solchen Initiative nur<br />

schwer nachzuvollziehen sein.


Dennoch lässt sich heute bilanzieren, dass die<br />

Gr<strong>und</strong>thesen, die mit dem Wettbewerb verb<strong>und</strong>en<br />

wurden, zutreffen:<br />

Unternehmen engagieren sich vielfältig <strong>für</strong> Beschäftigung.<br />

Dies gilt über Betriebsgrößen <strong>und</strong><br />

Branchen hinweg <strong>und</strong> auch unter zum Teil<br />

schwierigen Rahmenbedingungen.<br />

Die darüber hinaus möglicherweise zukunftsweisende<br />

Aussage hinter der Resonanz auf diesen<br />

Wettbewerb heißt: Es besteht ein großes Interesse<br />

in Deutschland, dieses Engagement öffentlich zu<br />

machen. Alle Unternehmen, die sich beworben<br />

haben, haben dies in dem Ansinnen getan, mit<br />

ihrem Engagement öffentlich dargestellt zu werden.<br />

Dies ist insbesondere nicht selbstverständlich,<br />

wenn man bedenkt, dass etwa an den<br />

Aktienmärkten Ankündigungen von Personalabbau<br />

in der Regel zu positiven Reaktionen führen.<br />

Und nicht allein die Unternehmen haben ein Interesse<br />

an positiven Nachrichten zum Thema Beschäftigung<br />

sondern auch die Medien. Die Resonanz<br />

auf die Prämierungsveranstaltung <strong>und</strong> die<br />

ausführliche Berichterstattung über die Preisträger<br />

machen Mut. Denn das Kernziel des Wettbewerbes,<br />

über eine Veränderung der Gr<strong>und</strong>stimmung<br />

am deutschen <strong>Arbeit</strong>smarkt auch eine positive Be-<br />

TOP-THEMA<br />

schäftigungswirkung zu erzielen, ist nur erreichbar,<br />

wenn auch in der Wahrnehmung der Medienverantwortlichen<br />

der Wert von positiven Nachrichten<br />

steigt.<br />

Neben diesen guten Ergebnissen, mit denen der<br />

Wettbewerb aufwarten kann, hat die Auswertung<br />

zugleich mindestens zwei zentrale Herausforderungen<br />

deutlich gemacht: Wenn der Wettbewerb<br />

künftig weiter am Kern der deutschen <strong>Arbeit</strong>smarktproblematik<br />

ansetzen will, ist der unterproportionalen<br />

Beteiligung von Unternehmen aus den<br />

neuen B<strong>und</strong>esländern ebenso nachzugehen wie<br />

der relativ geringen Bedeutung, die das Thema<br />

„Integration besonderer Zielgruppen“ in den Bewerbungen<br />

der Unternehmen hat.<br />

Die über den diesjährigen Wettbewerb identifizierten<br />

Beispiele können zu einer vertieften Auseinandersetzung<br />

Anlass geben: Was macht diese Beispiele<br />

erfolgreich? Welches Engagement von wem<br />

<strong>und</strong> welche politischen Rahmenbedingungen sind<br />

notwendig, um diese Beispiele zu multiplizieren?<br />

Der Wettbewerb kann so Ausgangspunkt <strong>für</strong> einen<br />

intensiven Dialog zwischen Wirtschaft <strong>und</strong> Politik<br />

sein.<br />

So entstehen neue Handlungsoptionen sowie personal-<br />

<strong>und</strong> arbeitsmarktpolitische Innovationen. ■<br />

1 ) Dies war neben den beteiligten Häusern der Jurymitglieder insbesondere eine Projektgruppe, der Mitarbeiter/innen des<br />

Ministeriums <strong>für</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>, der Bertelsmann Stiftung <strong>und</strong> des Institut <strong>für</strong> Organisationskommunikation angehörten,<br />

<strong>und</strong> die zentrale Prozessschritte gemeinsam entwickelte.<br />

2 ) Im Einvernehmen aller Jurymitglieder konnten Unternehmen, die als arbeitsmarktpolitische Träger fungieren, <strong>für</strong> ihre am<br />

Markt oder bei der öffentlichen Hand als Kerngeschäft angebotenen Aktivitäten nicht ausgezeichnet werden. Wohl aber wurde<br />

dieses Engagement bewertet <strong>und</strong> konnten auch Träger <strong>für</strong> ihr besonderes Engagement als <strong>Arbeit</strong>geber ausgezeichnet werden.<br />

3 ) Die mit 20 Unternehmen relativ große Kategorie „keine Angaben“ umfasst zum Teil Initiativen, die von mehreren<br />

Unternehmen gemeinsam getragen werden <strong>und</strong> <strong>für</strong> die damit keine sinnvolle Beschäftigtenzahl angegeben werden konnte.<br />

Darüber hinaus finden sich hier auch die sehr wenigen Bewerbungen, die formale Mängel aufweisen <strong>und</strong> daher nicht in die<br />

Bewertung einfließen konnten.<br />

4 ) Der Anteil der Beschäftigungsträger ist in dieser Kategorie überproportional hoch.<br />

5 ) Die persönliche Begutachtung vor Ort ist zwar sehr aufwändig, aber <strong>für</strong> eine seriöse Beurteilung der Unternehmen unbedingt<br />

geboten. Die Besuche haben deutlich gemacht, dass die Schriftform allein nur Teilaspekte der Unternehmensrealität wiedergibt.<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

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TOP-THEMA<br />

Die fünf prämierten<br />

Unternehmen im Porträt<br />

Prämiert in der Kategorie:<br />

Aufbau <strong>und</strong> Stabilisierung von<br />

Beschäftigung<br />

TRUMPF<br />

Wenn die IG Metall Gerhard Rübling Wirtschaftsjournalisten<br />

ins Haus schickt, um über <strong>Arbeit</strong>szeiten<br />

zu sprechen, kann sich der Trumpf-Personalchef<br />

entspannt zurücklehnen. Das Unternehmen<br />

hat längst geschafft, was bei den meisten<br />

Tarifverhandlungen unmöglich scheint: Geschäftsführung<br />

<strong>und</strong> Betriebsrat haben gemeinsam eine<br />

betriebsinterne Vereinbarung entwickelt, um die<br />

Lohnkosten zu senken – mit Billigung der Gewerkschaften.<br />

1995 stand der Hersteller <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen<br />

<strong>und</strong> Lasertechnik mit Standorten in 23 Ländern<br />

weltweit vor der Entscheidung, eine neue Fabrik<br />

<strong>für</strong> die Entwicklung, Produktion <strong>und</strong> den Vertrieb<br />

von Laserstrahlquellen zu bauen. Ein Kostenvergleich<br />

zwischen Trumpf-Standorten in Deutschland,<br />

Frankreich <strong>und</strong> der Schweiz ergab, dass die<br />

deutschen Lohnkosten bis zu 38 Prozent höher<br />

lagen. Für den Standort in Deutschland sprach<br />

jedoch die Nähe zu bewährten Zulieferern <strong>und</strong> zu<br />

den Forschungsinstituten, mit denen Trumpf in<br />

der Lasertechnik eng zusammenarbeitet.<br />

12 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

Geschäftsführung <strong>und</strong> Betriebsrat suchten gemeinsam<br />

nach einer Lösung <strong>und</strong> entwarfen ein betriebsinternes<br />

„Bündnis <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>“: Um die <strong>Arbeit</strong>skosten<br />

zu senken, wurden Guthabenkonten<br />

eingeführt, auf denen Überst<strong>und</strong>en gesammelt<br />

werden. Trumpf bezahlt, je nach Vertrag, konstant<br />

35 oder 40 St<strong>und</strong>en die Woche, während die Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiter je nach Auftragslage<br />

zwischen 30-45 St<strong>und</strong>en arbeiten. Weiterhin verpflichtete<br />

sich die Belegschaft, 70 St<strong>und</strong>en pro<br />

Jahr zusätzlich zu arbeiten. Um den Krankenstand<br />

zu senken, wurde ein Maßnahmenbündel aus<br />

Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sschutz entwickelt.<br />

Im Gegenzug versprach die Geschäftsleitung, die<br />

Laserfabrik in Ditzingen zu bauen, die dortige<br />

Stammbelegschaft nicht zu reduzieren, alle Auszubildenden<br />

zu übernehmen <strong>und</strong> 100 neue <strong>Arbeit</strong>splätze<br />

zu schaffen. „Wir gingen damals bis an<br />

den Rand der Tarifverträge <strong>und</strong> zum Teil auch<br />

darüber hinaus. Das war eine gewisse Form<br />

‚zivilen Ungehorsams‘ zur Standortsicherung“ sagt<br />

Gerhard Rübling. Doch wenn Trumpf es damals<br />

nicht gewagt hätte, „säße ich heute nicht hier,<br />

sondern vielleicht in Frankreich.“<br />

Inzwischen hat das Trumpf-Bündnis viele Nachahmer<br />

gef<strong>und</strong>en. „Nicht nur Vorstände reden miteinander,<br />

auch die Betriebsräte verschiedener


Unternehmen beraten sich“, sagt Rübling. Teile<br />

des Bündnisses sind Vorbild <strong>für</strong> entsprechende Öffnungsklauseln<br />

in den Tarifverträgen der badenwürttembergischen<br />

Metallindustrie.<br />

Die Zahlen sprechen <strong>für</strong> sich. Seit 1996 hat<br />

Trumpf (Umsatz Geschäftsjahr 2002/2003: 1,19<br />

Mrd. Euro) mehr als 40 Millionen Euro in den<br />

Standort Ditzingen investiert <strong>und</strong> die dortige<br />

Bruttonutzfläche mehr als verdoppelt. Statt 100<br />

wurden 501 neue <strong>Arbeit</strong>splätze geschaffen <strong>und</strong><br />

219 Auszubildende mit unbefristeten Verträgen<br />

übernommen. Die Krankenquote ist von 3,96 Prozent<br />

auf 2,73 Prozent gesunken.<br />

Seit Beginn des wirtschaftlichen Abschwungs der<br />

Branche 2001 schützen die <strong>Arbeit</strong>szeitkonten die<br />

Stellen der Belegschaft. Die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />

Mitarbeiter hatten jeweils durchschnittlich 200<br />

St<strong>und</strong>en angesammelt, die nun abgebaut werden.<br />

Ohne diesen Überst<strong>und</strong>en-Puffer müssten derzeit<br />

etwa 200 <strong>Arbeit</strong>splätze abgebaut werden.<br />

Natürlich sei bei der Entscheidung Lokalpatriotismus<br />

dabei gewesen, gibt der Personalchef zu.<br />

Berthold Leibinger, der Eigentümer des 1923 gegründeten<br />

Familienunternehmens, ist in der Nähe<br />

von Ditzingen aufgewachsen <strong>und</strong> fest in der Gemeinde<br />

verwurzelt. „Da packt man nicht einfach<br />

<strong>und</strong> geht.“ Als weiteren Gr<strong>und</strong> nennt er die Ausbildung<br />

der Beschäftigten <strong>und</strong> deren Fleiß. „In<br />

Deutschland werden <strong>Arbeit</strong>nehmer nie so billig<br />

sein wie im Ausland“, sagt Rübling, „damit es ein<br />

Argument gibt, hier zu bleiben, müssen sie besser<br />

sein.“<br />

Seit das Bündnis bis 2005 verlängert wurde, hat<br />

die gesamte Trumpf-Belegschaft Anspruch auf bis<br />

zu 25 St<strong>und</strong>en Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung im Jahr.<br />

Zudem können seitdem die St<strong>und</strong>enguthaben der<br />

Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter in Bausteine <strong>für</strong><br />

die betriebliche Altersversorgung umgewandelt<br />

werden. Etwa die Hälfte der Belegschaft nutzt<br />

diese Möglichkeit. In den vergangenen drei Jahren<br />

wurden so 5,65 Millionen Euro in Altersversorgungsbausteine<br />

umgewandelt.<br />

Dass das Bündnis in irgendeiner Form auch 2005<br />

wieder verlängert wird, daran zweifelt bei Trumpf<br />

niemand. Längst ist der Vertrag ein selbstverständlicher<br />

Teil der Unternehmenskultur. Eine<br />

Entwicklung, die Gerhard Rübling nicht nur positiv<br />

sieht. „Bei uns gilt zum Teil ‚Stell dir vor, es<br />

ist Krise – <strong>und</strong> keiner merkt´s’ “, sagt der Personalchef.<br />

Dadurch sei vielen nur schwer zu vermitteln,<br />

dass derzeit nicht so viel Personalkapazität<br />

benötigt wird. Er müsse die Belegschaft geradezu<br />

zwingen, weniger zu arbeiten. Also verordnet der<br />

TOP-THEMA<br />

Personalchef Freizeit: Urlaub an Brückentagen<br />

oder die 4-Tage-Woche. „Von allein machen die<br />

Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter das nicht – da<br />

muss ich mich morgens fast vor das Tor stellen,<br />

um niemanden reinzulassen.“<br />

Prämiert in der Kategorie:<br />

Erhaltung <strong>und</strong> Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit<br />

der Mitarbeiter<br />

KSB<br />

Jeder dritte Beschäftigte der KSB AG, Hersteller<br />

von Pumpen, Industriearmaturen <strong>und</strong> Systemlösungen,<br />

ist über 50 Jahre alt. Personalchef Armin<br />

Zisgen, 52, kann verstehen, dass man mit Ende 50<br />

von Nacht- <strong>und</strong> Sonderschichten <strong>und</strong> heftigem<br />

Termindruck nicht gerade begeistert ist. „Als wir<br />

alle unsere Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter über<br />

50 befragt haben, was sie davon abhalten könnte,<br />

jenseits der 60 bei uns weiterzuarbeiten, waren<br />

das die Hauptkritikpunkte.“ Die Älteren wünschten<br />

sich mehr Anerkennung <strong>und</strong> Respekt. „Wir<br />

mussten uns etwas einfallen lassen“, sagt Zisgen.<br />

Bis 2010 droht der KSB AG (Jahresumsatz 1,2<br />

Milliarden Euro) der Verlust der Erfahrung von<br />

1000 bis 1500 Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern.<br />

Knapp ein Drittel ihrer 4300 Beschäftigten in<br />

Deutschland zu verlieren, „darauf wollten wir es<br />

nicht ankommen lassen“, sagt Zisgen, Personalchef<br />

am größten deutschen Standort des Unternehmens<br />

in Frankenthal.<br />

Aus gutem Gr<strong>und</strong>: Es dauert, bis man sich mit der<br />

Entwicklung, der Montage <strong>und</strong> der Wartung von<br />

Pumpensystemen auskennt. „Die Lernzeit ist lang,<br />

aber da<strong>für</strong> hält das Wissen ein <strong>Arbeit</strong>sleben lang“,<br />

sagt Guido Wambold, im Konzernpersonalwesen<br />

<strong>für</strong> Gr<strong>und</strong>satzfragen verantwortlich. Ebenso käme<br />

es beim Verkauf der Systeme auf dem heiß umkämpften<br />

globalen Markt sehr auf die Kontakte<br />

<strong>und</strong> die Erfahrung der Verkäufer <strong>und</strong> Manager an.<br />

„Wir wollten die Altersteilzeit nicht abschaffen“,<br />

sagt Wambold, „aber wir können uns Abwanderungen<br />

einfach nicht leisten.“ Um die Alten nicht<br />

nur zu halten, sondern auch zu motivieren <strong>und</strong><br />

weiter zu qualifizieren, entwickelte die KSB das<br />

vom Land Rheinland-Pfalz mit dem Innovationspreis<br />

2002 ausgezeichnete Projekt „Ältere Mitarbeiter“.<br />

Ab 55 Jahren wird nun mit jedem Beschäftigten im<br />

Rahmen des Beurteilungsgesprächs ein persönliches<br />

Gespräch über seine Zukunft geführt. „Darin<br />

wird offen darüber gesprochen, wann sie in Rente<br />

gehen wollen, ob noch Versetzungen anstehen<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

13


TOP-THEMA<br />

oder nicht.“ Außerdem gibt es von nun an kostenlose<br />

Ges<strong>und</strong>heitschecks <strong>und</strong> auf Wunsch der<br />

Senioren spezielles EDV-Training. „Darüber waren<br />

wir überrascht, aber viele ältere Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiter wollten nicht länger neben jungen<br />

Computercracks sitzen“, sagt Zisgen.<br />

Ab 58 können sich Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />

von der Nachtschicht befreien lassen <strong>und</strong><br />

die <strong>Arbeit</strong>szeit aus Beständen ihres Langzeit-<br />

<strong>Arbeit</strong>szeitkontos reduzieren. Nach 25 Jahren im<br />

Unternehmen kann das Gehalt nach einer Versetzung<br />

nicht mehr sinken. Und wenn eine Führungskraft<br />

mit 60 ihre Abteilung abgeben möchte,<br />

sucht die KSB einen anderen Einsatzort ohne<br />

Status- <strong>und</strong> Geldverlust. Ab 63 gibt es drei Tage<br />

mehr Urlaub im Jahr. Wer länger krank ist, erhält<br />

trotzdem drei Monate lang sein letztes Netto-<br />

Gehalt weiter. „Das ist keine Schongruppe, aber<br />

wenn ein älterer Dreher einen jungen Facharbeiter<br />

einarbeitet, wird sein Pensum reduziert“, erklärt<br />

Zisgen. Das Konzept scheint zu funktionieren.<br />

2003 sanken erstmals die Anträge auf Altersteilzeit.<br />

Doch die Förderung der Älteren allein reicht<br />

nicht, um ein Unternehmen zukunftsfähig zu halten.<br />

Zwar sei die Zahl der Auszubildenden seit<br />

2001 von 168 auf 239 gestiegen <strong>und</strong> die Azubis<br />

gehörten regelmäßig zu den Kammerbesten, aber<br />

bei den Ingenieuren werde es enger, sagt Armin<br />

Zisgen. Um die Besten zu locken, lässt sich die<br />

KSB einiges einfallen. Als Trainees können bis zu<br />

sechs Studierende im Jahr parallel zum Studium<br />

an KSB-Projekten mitarbeiten. Der feste Job nach<br />

dem Diplom ist ihnen garantiert, vorher geht es<br />

bei vollem Gehalt sechs Monate an einen KSB-<br />

Standort im Ausland. Die KSB AG ist in 39 Ländern<br />

vertreten <strong>und</strong> beschäftigt weltweit 12.000<br />

Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter. Zudem bildet<br />

die KSB an der Berufsakademie in Mannheim<br />

Nachwuchsingenieure <strong>und</strong> -kaufleute aus. Für<br />

zukünftige Managerinnen <strong>und</strong> Manager gibt es das<br />

18-monatige internationale Traineeprogramm.<br />

Die gewerblichen <strong>und</strong> kaufmännischen Auszubildenden<br />

hingegen lernen im Young Business Center<br />

(YBC) der KSB AG nicht nur ihr Handwerk,<br />

sondern werden zusätzlich in Rhetorik, Moderation,<br />

Präsentation sowie Englisch <strong>und</strong> Französisch<br />

geschult. Outdoortraining soll die Persönlichkeitsbildung<br />

stärken <strong>und</strong> das Programm „Azubi-Fit“<br />

kümmert sich um die Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge. Ausgewählte<br />

Lehrlinge werden ins Ausland geschickt.<br />

Neben dem intensiven Nachwuchstraining <strong>und</strong><br />

dem Projekt <strong>für</strong> Ältere, wird seit 1999 im KSB-<br />

14 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

Trainingscenter das Wissen der Belegschaft auf<br />

dem neuesten Stand gehalten.<br />

Alle Führungskräfte sind verpflichtet, an Seminaren<br />

teilzunehmen, um ihren Führungsstil auf den<br />

neuesten Stand zu bringen. Neben Fachseminaren<br />

werden in dem Profitcenter auch Zeitmanagement-Kurse<br />

<strong>und</strong> persönliche Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />

Entspannungsprogramme angeboten. Damit die<br />

Fluktuation der Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />

auch in Zukunft so gering wie möglich bleibt,<br />

plant die KSB AG zudem einen Betriebskindergarten.<br />

„Das Konzept hat Erfolg“, sagt Guido<br />

Wambold. „Nur 0,5 Prozent kündigen selbst.“<br />

Prämiert in der Kategorie:<br />

Perspektiven <strong>für</strong> Jugendliche<br />

Mennekes Elektrotechnik<br />

Walter Mennekes musste lange suchen, bis er eine<br />

passende Lehrstelle fand. Sich ins gemachte Nest<br />

setzen <strong>und</strong> die Ausbildung in der Firma des Vaters<br />

machen, wollte er nicht; also schrieb er Bewerbung<br />

um Bewerbung. Am Ende verschlug es ihn<br />

aus dem heimischen Sauerland nach Baden-Württemberg.<br />

Später holte er auf dem zweiten Bildungsweg<br />

das Abitur nach <strong>und</strong> studierte Maschinenbau.<br />

Das war vor gut 30 Jahren.<br />

Heute hat der gelernte Werkzeugmacher den Betrieb<br />

des Vaters längst übernommen. Aus dem ehemaligen<br />

Lehrstellensucher wurde Mitte der 70er-<br />

Jahre der Geschäftsführer eines überaus florierenden<br />

Unternehmens. Die Mennekes Elektrotechnik<br />

GmbH & Co. KG ist einer der führenden Hersteller<br />

von Elektrosteckern <strong>und</strong> Steckvorrichtungen, im<br />

Volksm<strong>und</strong> Steckdosen genannt, die weltweit passen.<br />

Walter Mennekes beschäftigt über 600 Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiter, davon 350 im<br />

sauerländischen Kirchh<strong>und</strong>em, die übrigen im<br />

sächsischen Neudorf <strong>und</strong> im chinesischen<br />

Nanjing. Der Jahresumsatz 2003 betrug 65<br />

Millionen Euro. Fünfzig Prozent des Umsatzes<br />

werden im Ausland erzielt – ganz analog zum<br />

Firmenslogan „Mennekes – Plugs for the World.“<br />

Wenn es allerdings darum geht, der nachwachsenden<br />

Generation eine Chance zu geben, könnte der<br />

56-jährige Mennekes seiner Region nicht verb<strong>und</strong>ener<br />

sein. Mit 26 Auszubildenden – alleine<br />

2003 begannen 16 das erste Lehrjahr – bildet die<br />

Elektrotechnik-Gruppe nicht nur über Durchschnitt<br />

aus. Der Betrieb lädt auch regelmäßig<br />

ganze Schulklassen aus den umliegenden Schulen<br />

Kirchh<strong>und</strong>ems ein, damit sie in einen etwaigen<br />

späteren Beruf hineinschnuppern. Mennekes gibt<br />

die Möglichkeit zum anschließenden Betriebs-


praktikum. Letzteres wird übrigens nicht nur<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern angeboten. Auch Lehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Lehrer können sich bei Mennekes<br />

weiterbilden – um dann später einen praxisnäheren<br />

<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Schüler effizienteren Unterricht<br />

anbieten zu können.<br />

Weil Walter Mennekes das alles noch nicht reicht,<br />

wirbt er auch bei anderen <strong>Arbeit</strong>gebern darum,<br />

sich stärker der Ausbildung zu widmen. Allein<br />

2003 hat er zwölf weitere Lehrstellen im Umkreis<br />

von Kirchh<strong>und</strong>em akquiriert – vor allem indem er,<br />

wie er sagt, bei einem Unternehmer-Stammtisch<br />

„mächtig auf den Tisch gehauen“ habe. Mit Hilfe<br />

einer 30.000 Euro-Spende aus dem Hause Mennekes<br />

konnte die nordrhein-westfälische Landesregierung<br />

dann noch fünf weitere Lehrstellen in<br />

Betrieben unterstützen, die sich sonst keinen<br />

Azubi hätten leisten können.<br />

Die gängigen Argumente, Ausbildung sei zu teuer<br />

<strong>und</strong> besonders Hauptschüler seien häufig nicht<br />

ausbildungsreif, lässt Mennekes nicht gelten. Ausbildung<br />

sei eine unverzichtbare Investition in die<br />

Zukunft. Mennekes: „Ich habe es meinen Ausbildern<br />

früher auch nicht immer leicht gemacht.“<br />

Immer wieder tritt das Unternehmen den Beweis<br />

da<strong>für</strong> an, dass auch lernschwache oder (ehemals)<br />

sozial auffällige Jugendliche zu engagierten Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeitern werden können,<br />

wenn man ihnen eine Aufgabe gibt, die ihnen<br />

gerecht wird: Keiner darf verloren gehen!<br />

Dabei ist Mennekes nicht nur Idealist, sondern<br />

auch Pragmatiker. Wenn in ein paar Jahren die<br />

geburtenschwachen Jahrgänge auf den Markt<br />

kämen, rechnet er vor, stünde die deutsche Wirtschaft<br />

vor einem enormen Fachkräftemangel. „Wir<br />

werden noch hinter jedem Einzelnen herlaufen,<br />

der die Schule verlässt“, sagt er, „da wäre es doch<br />

völlig kurzsichtig, nicht jetzt schon so viele wie<br />

möglich auszubilden.“ Auch wenn jeder Auszubildende<br />

das Unternehmen in jedem Jahr 18.000<br />

Euro kostet, auch in wirtschaftlich schwierigen<br />

Zeiten? Schwierige Zeiten, konstatiert Mennekes<br />

nüchtern, erforderten besondere Anstrengungen –<br />

<strong>und</strong> nicht Selbstmitleid <strong>und</strong> Pessimismus. „Die<br />

Zeiten werden auch mal wieder besser“, sagt<br />

Mennekes, <strong>und</strong>: „Bildung wird <strong>für</strong> uns zur nationalen<br />

Überlebensfrage werden – schade, dass viele<br />

das immer noch nicht verstanden haben.“<br />

Und weil das so ist, bekommen in seinem Elektrotechnik-Unternehmen<br />

nicht nur Jugendliche die<br />

Chance, etwas zu lernen. Auch der Rest der Belegschaft<br />

kann sich ständig weiterbilden. In ihren<br />

Berufen, aber auch zum Beispiel ihren Fremdsprachenkenntnissen.<br />

Mennekes zahlt seinen Mit-<br />

TOP-THEMA<br />

arbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern nicht nur die<br />

Sprachkurse, sondern rechnet ihnen die Hälfte der<br />

Zeit als <strong>Arbeit</strong>szeit an. So wurde das Weiterbildungs-Konzept<br />

der Firma Mennekes vom TÜV<br />

Rheinland als „vorbildhaft“ ausgezeichnet.<br />

Prämiert in der Kategorie:<br />

Neue Chancen durch Zusammenarbeit<br />

Tischlerei Sebastian Schulz<br />

Elbe-Hochwasser, Ärger mit Banken, Kurzarbeit –<br />

Sebastian Schulz lässt sich nicht so leicht aus der<br />

Ruhe bringen. Schlimmer als damals im volkseigenen<br />

Betrieb kann es nicht werden, sagt sich<br />

der Chemnitzer Tischler immer. Als er dort 1989<br />

als Jungmeister anfing, war er mit seinen 23 Jahren<br />

jünger als die meisten Gesellen, gehörte aber<br />

zur Geschäftsleitung. „Das waren fast alles Stasileute.<br />

Ich bekam also Druck von allen Seiten.“<br />

Selbstständig machen wollte sich Sebastian Schulz<br />

schon immer. Schon vor der Wende stellte er<br />

einen Antrag auf eine eigene Werkstatt. Als er<br />

seinen Betrieb 1990 eröffnete, gehörte er zu den<br />

jüngsten Chefs des Landes. Der traditionsbewusste<br />

Tischler hat sich auf die Restaurierung <strong>und</strong> Rekonstruktion<br />

historischer Bauelemente spezialisiert.<br />

Sein bislang größter Auftrag: der Innenausbau der<br />

Dresdner Frauenkirche 2003. Jetzt hat er dort<br />

wieder einen Auftrag bekommen – <strong>für</strong> das Gestühl.<br />

„Das ist phantastisch. Nicht nur, weil jeder<br />

stolz ist, an der Frauenkirche mitarbeiten zu<br />

dürfen. Das Auftragsvolumen von 1,6 Millionen<br />

Euro garantiert uns <strong>Arbeit</strong> bis August 2005“, sagt<br />

Schulz. Nun kann er die Zeitarbeiter wieder einstellen,<br />

die er entlassen musste, nachdem die Betstuben<br />

<strong>und</strong> die Empore der Frauenkirche fertig<br />

<strong>und</strong> eingebaut waren.<br />

Zwanzig feste Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />

hat Sebastian Schulz. Zwar musste er, bis die<br />

K<strong>und</strong>en bezahlt hatten, ihre Gehälter nach dem<br />

Elbe-Hochwasser 2002 mit Kurzarbeit <strong>und</strong> Krediten<br />

von Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Verwandten sichern, aber<br />

bis jetzt hat er es geschafft, alle <strong>Arbeit</strong>splätze zu<br />

erhalten. „Angefangen habe ich fast nur mit Lehrlingen“,<br />

erzählt er. Doch ohne qualifizierte Kollegen<br />

sei es schwer, Termine <strong>und</strong> Qualität zu halten.<br />

„Altgesellen bringen allein durch ihre Erfahrung<br />

Ruhe rein.“<br />

Schwierigkeiten, Auszubildende zu finden, hat er<br />

nicht. Neben Praktikumsplätzen <strong>für</strong> Studierende,<br />

bietet Schulz Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern an, in<br />

den Ferien bei ihm eine „Schnupperlehre“ zu<br />

machen. Sie lernen die Abläufe kennen <strong>und</strong> sehen,<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

15


TOP-THEMA<br />

ob ihnen die <strong>Arbeit</strong> mit Holz liegt. Es sei wichtig,<br />

schon vor der Suche nach einer Lehrstelle zu<br />

wissen, was man will, sagt Schulz. Auch müssten<br />

seine Facharbeiter anders über ihre <strong>Arbeit</strong> nachdenken,<br />

wenn sie ständig erklären müssen, was<br />

sie machen, so Schulz. Außerdem habe er so die<br />

Chance, die Jugendlichen zu beobachten. Dann<br />

könne er spätere Bewerber besser einschätzen.<br />

„Unsere Azubis gehören zu den besten in Sachsen.“<br />

Seit 1991 hat Schulz sieben Meister <strong>und</strong> 47<br />

Lehrlinge ausgebildet. Und wenn im Winter nicht<br />

so viel los ist, bietet Schulz in seiner Werkstatt<br />

zusätzlich Volkshochschulkurse an – Lehrgänge<br />

über historische <strong>Arbeit</strong>stechniken, Möbelstilk<strong>und</strong>e<br />

oder -restaurierung sowie Führungen auf ehemaligen<br />

Baustellen, wie zum Beispiel der Esche-Villa in<br />

Chemnitz oder der Frauenkirche in Dresden.<br />

Einzelkämpfer will Sebastian Schulz nicht sein. Er<br />

setzt auf Netzwerke. Zusammen mit zehn anderen<br />

Handwerkern gründete er 1993 den Verein<br />

„Junioren des Handwerks Südwestsachsen“. Zimmermeister<br />

sind dabei, Maurer oder Klempner. Es<br />

sei einfacher, ein Netzwerk mit Kollegen aus anderen<br />

Branchen zu bilden, sagt der Vereinsvorsitzende<br />

Schulz. Sonst sei die Konkurrenz einfach zu<br />

groß. „Als ich mit 27 Jahren der Innung beitrat,<br />

war das schlimm “, sagt er. Statt ihm zu helfen,<br />

hätten ihm die alteingesessenen Tischlermeister<br />

Steine in den Weg gelegt <strong>und</strong> seien zu plötzlichen<br />

Werkstattkontrollen erschienen, um zu sehen, ob<br />

er alles ordnungsgemäß mache.<br />

Der Juniorenverband hingegen regt Gesellen an,<br />

sich selbstständig zu machen <strong>und</strong> steht jungen<br />

Meistern während der Ausbildung <strong>und</strong> Betriebsgründung<br />

zur Seite. In der Ausbildung lerne man<br />

nicht, wie man Personal führt, Angebote <strong>für</strong> öffentliche<br />

Aufträge schreibt, Forderungen eintreibt<br />

oder K<strong>und</strong>en ordentlich pflegt, so Schulz. „Das ist<br />

aber <strong>für</strong> jeden Handwerker sehr wichtig.“ Zudem<br />

seien die sächsischen Junioren schon früh dem<br />

B<strong>und</strong>esverband beigetreten. Dabei ging es nicht<br />

nur um die politischen Interessen des Handwerks,<br />

sondern auch um Kontakte in der ganzen B<strong>und</strong>esrepublik.<br />

„Ein Tischler in Regensburg oder Flensburg<br />

ist keine Konkurrenz, da ist der Erfahrungsaustausch<br />

sehr nützlich“, sagt Schulz.<br />

Bei Betriebsbesichtigungen <strong>und</strong> in Seminaren erfahren<br />

die Handwerker mehr über die jeweils anderen<br />

Gewerke, bekommen Informationen über<br />

anstehende Projekte <strong>und</strong> eventuelle Aufträge, <strong>für</strong><br />

die man sich bewerben kann. Einer empfiehlt den<br />

anderen. Wie die meisten arbeitet auch Schulz am<br />

liebsten <strong>für</strong> öffentliche Bauherren. Nicht, dass<br />

andere Aufträge schlechter seien, aber „da weiß<br />

16 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

man, dass das Geld irgendwann kommt.“ Mit privaten<br />

Auftraggebern habe er, wie alle, schon ganz<br />

andere Erfahrungen gemacht. Auch da<strong>für</strong> ist der<br />

Juniorenverband gut. „Wenn einer nicht zahlt,<br />

warnen wir uns gegenseitig. Denn dann bezahlt er<br />

seine anderen Rechnungen auch nicht.“<br />

Prämiert in der Kategorie:<br />

Integration besonderer Zielgruppen<br />

Perspektiva<br />

Wolfgang Langer hat es geschafft. Seit über zwei<br />

Jahren arbeitet er im Lager der DaimlerChrysler-<br />

Niederlassung in Fulda <strong>und</strong> sortiert <strong>und</strong> stapelt<br />

Ersatzteile. Damit hat der 29-Jährige, der seit<br />

seiner Geburt mit einer leichten geistigen Behinderung<br />

lebt, endlich eine Beschäftigung gef<strong>und</strong>en,<br />

die zu ihm passt. Schrauben <strong>und</strong> Metall, das lag<br />

ihm schon immer. Und auch wenn Lesen nicht<br />

seine Stärke ist, kann er sich die Nummern, wie<br />

sie auf den Regalen geschrieben stehen, gut merken.<br />

Dennoch hätte er diesen Job ohne die Fuldaer Perspektiva<br />

gGmbH nie bekommen. In der gemeinnützigen<br />

Gesellschaft sind 45 Unternehmen <strong>und</strong><br />

zwei soziale Einrichtungen zusammengeschlossen.<br />

Ihr Ziel ist es, Jugendliche unter 27 Jahren<br />

mit Lernbeeinträchtigungen oder Behinderungen<br />

in den ersten <strong>Arbeit</strong>smarkt zu integrieren. Mit<br />

ihren Sonder- oder schwachen Hauptschulabschlüssen<br />

haben die meisten ohne fremde Hilfe<br />

dort kaum eine Chance. Vielen bleibt nur die <strong>Arbeit</strong><br />

in einer Behindertenwerkstatt. „Dabei können<br />

viele einer normalen <strong>Arbeit</strong> nachgehen“, ist<br />

Perspektiva-Geschäftsführer Michael Becker überzeugt,<br />

„man muss sie nur darauf vorbereiten.“<br />

Perspektiva bereitet sie darauf vor – <strong>und</strong> befreit<br />

damit so manchen nicht nur aus der Abhängigkeit<br />

von Sozialhilfe, sondern verhilft auch zu einer<br />

Lebensperspektive. „Einen richtigen Job zu haben“,<br />

sagt Becker, „das hat auch etwas mit Würde<br />

<strong>und</strong> Selbstwertgefühl zu tun.“<br />

Vom ersten Kontakt bis zur Integration in den<br />

ersten <strong>Arbeit</strong>smarkt dauert es allerdings. Drei<br />

Jahre lang werden die Jugendlichen – 50 sind es<br />

zurzeit – bei Perspektiva gefördert. Etwa ein Jahr<br />

lang arbeiten sie auf dem Perspektiva-eigenen<br />

Theresienhof. Sie kümmern sich um die hofeigene<br />

Baumschule oder erledigen einfache Auftragsarbeiten.<br />

Die Förderung handwerklichen Geschicks<br />

ist aber nur ein Ziel der Orientierungsphase.<br />

Die meisten müssen nach Jahren in betreuten<br />

Einrichtungen erst lernen, ihr Leben oder


zumindest Teile davon selbst in die Hand zu<br />

nehmen. „Ordnung, Pünktlichkeit, soziales Verhalten<br />

– diese Dinge sind nicht selbstverständlich“,<br />

sagt Michael Becker.<br />

Auf das „Orientierungsjahr“ – das auch kürzer<br />

oder länger als ein Jahr sein kann – folgen zwei<br />

Jahre der Qualifizierung <strong>und</strong> Einarbeitung in<br />

einem Betrieb. Nach drei Jahren soll der Jugendliche<br />

als fest Angestellter übernommen werden.<br />

Das klappt allerdings nicht immer. Nicht wenige<br />

brauchen ein Jahr länger oder fühlen sich der<br />

Selbstständigkeit nicht gewachsen <strong>und</strong> brechen<br />

ab. Dennoch, sagt Michael Becker, lohne sich die<br />

Mühe: „Jeder, den wir aus der Abhängigkeit<br />

holen, ist ein großer Erfolg.“<br />

Schon die Suche nach einem passenden Job verläuft<br />

anders als bei anderen <strong>Arbeit</strong>nehmerinnen<br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>nehmern. Die Unternehmerinnen <strong>und</strong><br />

Unternehmer ermitteln in ihren Betrieben Hilfsarbeiten,<br />

die die besonderen Schwächen <strong>und</strong> Stärken<br />

der Jugendlichen berücksichtigen. Meist übernehmen<br />

die Jugendlichen einfache Tätigkeiten,<br />

die vorher nebenbei oder gar nicht erledigt wurden.<br />

Sie helfen in einer Großbäckerei mit oder<br />

übernehmen Garten- oder Reinigungsarbeiten.<br />

Ihre Bezahlung erfolgt angepasst an die <strong>Arbeit</strong>sleistung.<br />

Sie kann z. B. im Einzelfall – mit Duldung<br />

der Gewerkschaften – bei siebzig Prozent<br />

des Tariflohns eines Hilfsarbeiters liegen. Das mag<br />

TOP-THEMA<br />

nach wenig klingen, ist aber mehr als der Sozialhilfesatz,<br />

den sie ansonsten bekämen.<br />

Bisher greift Perspektiva bei der Suche nach <strong>Arbeit</strong>splätzen<br />

vor allem auf die 45 beteiligten Unternehmen<br />

zurück. Einen wesentlichen Anstoß <strong>für</strong><br />

das Netzwerk, das im Jahre 1999 gegründet wurde,<br />

gab das Fuldaer „Antoniusheim“, ein heilpädagogisches<br />

Zentrum <strong>für</strong> Menschen, die eine geistige<br />

Behinderung haben. Der Appell an bürgerschaftlichen<br />

Gemeinsinn <strong>und</strong> soziale Verantwortung<br />

kam nicht von ungefähr. Vor genau einh<strong>und</strong>ert<br />

Jahren entstand auch das Antoniusheim als Projekt<br />

engagierter Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger, die sich <strong>für</strong><br />

Menschen mit einer Behinderung einsetzen<br />

wollten, ohne an ihnen zu verdienen.<br />

Etwa 50 Prozent seiner Mittel erwirtschaftet Perspektiva<br />

inzwischen über die Leistungen der<br />

Jugendlichen <strong>und</strong> die beteiligten Unternehmen.<br />

Jedes Unternehmen zahlt 760 Euro an Perspektiva<br />

<strong>für</strong> jeden Jugendlichen, der in dem Betrieb<br />

hospitiert. Die andere Hälfte übernehmen zu etwa<br />

gleichen Teilen die B<strong>und</strong>esagentur <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong><br />

der Europäische Sozialfonds. Becker hofft, dass<br />

der Anteil der Eigenmittel in den kommenden<br />

Jahren noch steigen wird. Aber: „Wir sind schon<br />

sehr glücklich, dass so viele Unternehmen bereit<br />

sind, Zeit <strong>und</strong> Geld <strong>für</strong> einen guten Zweck zu<br />

investieren.“ ■<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

17<br />

� Information<br />

Die Portäts der Prämierten<br />

<strong>und</strong> der Nominierten<br />

Unternehmen<br />

finden Sie auch in der<br />

Broschüre „Unternehmen<br />

handeln! – Für<br />

mehr <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Ausbildung“.<br />

Die Broschüre<br />

ist erhältlich<br />

über die Bestelladresse<br />

Postfach<br />

30 02 65, 53182 Bonn.<br />

Bestelltelefon<br />

01888/6154171.<br />

Bestellfax:<br />

0228/4223 462


Von Alexander<br />

Kritikos (Europa-Universität<br />

Viadrina,<br />

Frankfurt/Oder) &<br />

Frank Wießner (IAB),<br />

dieser Beitrag wurde<br />

zunächst als IAB-<br />

Kurzbericht Nr.<br />

3/2004 veröffentlicht.<br />

Abbildung 1<br />

EXISTENZGRÜNDUNGEN<br />

Die richtigen Typen sind<br />

gefragt<br />

„Sicherheit einlösen – Eigeninitiative auslösen“ lautet die Devise der neuen<br />

aktivierenden <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik, die die Kommission „Moderne Dienstleistungen<br />

am <strong>Arbeit</strong>smarkt“ um Peter Hartz im Sommer des Jahres 2002<br />

präsentierte. Auch wenn das Leitbild des „eigenverantwortlichen Bürgers“<br />

den „<strong>für</strong>sorgenden Sozialstaat“ zunehmend verdrängt, so bleibt auf der<br />

konkreten Maßnahmeebene gleichwohl noch viel Handlungs- <strong>und</strong> Steuerungsbedarf,<br />

um das neue Paradigma in den Köpfen <strong>und</strong> Programmen zu<br />

verankern. Nachfolgend wird gezeigt, wie gezielte Interventionen die<br />

richtigen Förderteilnehmer erreichen <strong>und</strong> so deren Eingliederung effizient<br />

gestalten können.<br />

Gründung <strong>und</strong> Förderung<br />

Im Jahre 2003 hat sich fast eine Viertelmillion vormals<br />

<strong>Arbeit</strong>sloser mit Unterstützung des <strong>Arbeit</strong>samtes<br />

selbständig gemacht. Gut drei Fünftel davon<br />

starten mit Hilfe des Überbrückungsgeldes (§ 57<br />

SGB III). Die restlichen fast 93.000 Geförderten<br />

gründen eine Ich-AG, die seit Anfang 2003 mit<br />

dem neuen Existenzgründungszuschuss (§ 421 l<br />

SGB III) gefördert wird. Gegenüber dem Vorjahr<br />

hat sich die Zahl der Förderfälle damit fast verdoppelt<br />

(vgl. Abbildung 1). Gemeinsam ist diesen<br />

Personen das Ziel, mit der Gründung einer selbständigen<br />

Existenz ihre <strong>Arbeit</strong>slosigkeit zu beenden<br />

<strong>und</strong> ihren Lebensunterhalt künftig wieder<br />

selbst zu erwirtschaften.<br />

18 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

Paradoxerweise stagniert gleichzeitig die Zahl der<br />

Gründungen (vgl. Abbildung 2). Dies bedeutet,<br />

dass mittlerweile fast jeder zweite Existenzgründer<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik den Weg über das<br />

<strong>Arbeit</strong>samt nimmt. Eine Erklärung <strong>für</strong> diese Flaute<br />

des Gründungsgeschehens mag in der wachsenden<br />

Zahl von Insolvenzen in den vergangenen Jahren<br />

(Grotz/Otto, 2003) <strong>und</strong> – daraus resultierend –<br />

einer zunehmenden Angst vor dem Scheitern<br />

liegen. Der Anstieg der Pleiten zeigt auch deutlich,<br />

dass berufliche Selbständigkeit eben keine<br />

Option <strong>für</strong> jedermann ist. Die Folgen eines Bankrotts<br />

sind allseits bekannt: Durch die vorangegangene<br />

<strong>Arbeit</strong>slosigkeit ohnehin geschwächt,<br />

wird die finanzielle Situation des gescheiterten<br />

Gründers in vielen Fällen durch zusätzliche Schulden<br />

noch weiter belastet. Zugleich schwinden die<br />

Hoffnung auf Rückkehr in den <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong><br />

das Selbstvertrauen, wieder eigenes Geld verdienen<br />

zu können.<br />

Bereits Mitte der Neunziger Jahre wurde erkannt,<br />

dass – neben finanziellen Hilfen zur Sicherung des<br />

Lebensunterhaltes während der Startphase – zusätzlich<br />

flankierende Unterstützung die Aussichten<br />

der Gründer auf ein existenzsicherndes Erwerbseinkommen<br />

verbessern kann. Knapp ausgedrückt<br />

basiert der Erfolg einer Gründung auf Start<strong>und</strong><br />

Humankapital.<br />

Schon lange bevor die heute gebräuchlichen Förderinstrumente<br />

– Trainingsmaßnahmen, ESFfinanziertes<br />

Coaching <strong>und</strong> als nachrangiges Instrument<br />

die Freie Förderung, – ins Standardreper-


toire der Gründungshilfen aufgenommen wurden,<br />

hatte das <strong>B<strong>und</strong>esministerium</strong> <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong> („BMA<br />

alt“) eine Reihe von Förderprogrammen aufgelegt<br />

<strong>und</strong> die B<strong>und</strong>esanstalt <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong> (BA) mit deren<br />

Umsetzung beauftragt 1 ). Mit diesen Mitteln wurde<br />

seit 1995 eine größere Zahl von Gründerzentren<br />

ins Leben gerufen, um verschiedene innovative<br />

Wege der Gründerbegleitung zu testen. Nach<br />

einer knappen Dekade sind davon heute noch die<br />

Modellprojekte „EXIS“ (Dresden), „EXZET“<br />

(Stuttgart) <strong>und</strong> „ENIGMA“ (Hamburg; mit den<br />

Folgeprojekten „Garage“ <strong>und</strong> „Gründerwerft“) aktiv.<br />

Gemeinsam ist den drei Ansätzen das Ziel, die<br />

Gründungsrisiken zu minimieren, wenn auch auf<br />

verschiedenen Wegen.<br />

Im Rahmen eines IAB-Forschungsprojektes werden<br />

gegenwärtig die Wirksamkeit <strong>und</strong> die Wirkungsweise<br />

dieser drei Einrichtungen untersucht.<br />

Bislang wurden in den Gründerzentren vor Ort<br />

Beobachtungen <strong>und</strong> Expertengespräche durchgeführt,<br />

sowohl mit internen wie externen <strong>Arbeit</strong>smarktakteuren<br />

als auch mit den Gründern selbst.<br />

Darüber wird im Folgenden berichtet. Geplant ist<br />

bis Mitte 2004 noch eine quantitative Analyse<br />

unter Berücksichtigung von Kontrollgruppen auf<br />

Basis der so genannten Maßnahmeteilnehmer-<br />

Gr<strong>und</strong>datei (MTG) des IAB.<br />

Gründungsrisiken<br />

Im wesentlichen gehen Insolvenzen von Unternehmen<br />

auf zwei Ursachen zurück: Die internen<br />

<strong>und</strong> die externen Risken der Gründung. Externe<br />

Risiken liegen dann vor, wenn die Produkte oder<br />

Dienstleistungen trotz durchdachter Entwicklung<br />

<strong>und</strong> strukturierter Vermarktung von den K<strong>und</strong>en<br />

nicht angenommen werden. Dies kann gerade bei<br />

innovativen Geschäftsideen der Fall sein. Mithin<br />

sind externe Risiken weitgehend durch die Unternehmensidee<br />

vorbestimmt. Sie können von den<br />

Gründern nur insoweit beeinflusst werden, wie<br />

diese bereit <strong>und</strong> fähig sind, ihr Geschäftskonzept<br />

zu modifizieren. Da bei einem Großteil der Gründungen<br />

aus der <strong>Arbeit</strong>slosigkeit der Innovationsgrad<br />

nicht besonders stark ausgeprägt ist, 2 ) soll<br />

dieses Risiko in der weiteren Untersuchung, ebenso<br />

wie exogen bedingte Konjunkturschwankungen,<br />

nicht weiter behandelt werden.<br />

Stattdessen liegt der Fokus auf der zweiten Ursache<br />

vieler Insolvenzen, den internen Risiken.<br />

Häufig entwickeln Gründer gute Produkte, haben<br />

jedoch Defizite beim Marketing: Entweder können<br />

die K<strong>und</strong>en den Produktnutzen nicht erkennen<br />

<strong>und</strong> kaufen deshalb das Produkt nicht, oder<br />

die Unternehmung arbeitet trotz gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

Abbildung 2<br />

EXISTENZGRÜNDUNGEN<br />

positiver K<strong>und</strong>enresonanz schlichtweg nicht profitabel<br />

genug. 3 ) Der Ursprung des internen Risikos<br />

liegt also in der operativen Ausgestaltung der<br />

Gründungsphase, den Monaten vor <strong>und</strong> nach der<br />

Gründung. Dies macht klar, warum nur manchen<br />

Personen eine erfolgreiche Gründung gelingt. Denn<br />

die Wahrscheinlichkeit, ein existenzsicherndes Einkommen<br />

zu erwirtschaften, ist um so höher, je<br />

besser die Markteintrittsstrategie 4 ) entwickelt ist.<br />

Die Erfolgsaussichten steigen dabei, je besser<br />

• es dem Gründer gelingt, ein Produkt zu entwickeln<br />

<strong>und</strong> zu vertreiben, das zu seiner<br />

anvisierten Zielgruppe passt,<br />

• die vom Gründer anvisierte Zielgruppe den<br />

Nutzen seines Angebots erkennt <strong>und</strong><br />

• die vom Gründer entwickelte Preisstrategie<br />

zum Produkt (abgeleitet von den Produktionskosten)<br />

<strong>und</strong> zu den Preisvorstellungen der<br />

anvisierten Zielgruppe passt.<br />

Um diesen Dreiklang aus Produkt, Zielgruppe <strong>und</strong><br />

Preisstrategie 5 ) harmonisieren zu können, müssen<br />

die Gründer entsprechende Entscheidungen treffen.<br />

Erforderlich sind da<strong>für</strong> zum einen Kenntnisse<br />

(„Know-How“) über betriebswirtschaftliche Abläufe<br />

wie Marketing, Vertrieb, Kostenrechnung,<br />

Buchhaltung, Finanzierung, Steuern 6 ) etc. Zum<br />

anderen gehören dazu auch Fähigkeiten („Skills“),<br />

diese Kenntnisse so einzusetzen, dass im Sinne des<br />

„magischen Dreiecks“ (Abbildung 3) optimierte<br />

Entscheidungen getroffen werden. Ganz besonders<br />

kommt es darauf an, Entscheidungen auch<br />

rechtzeitig zu revidieren oder zu modifizieren,<br />

wenn sie sich als falsch erweisen. 7 )<br />

Dem Marketing-Mix aus Produkt, Zielgruppe <strong>und</strong><br />

Preisstrategie sind verschiedene Komponenten der<br />

„Unternehmerpersönlichkeit“ zuzuordnen, die<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

19


EXISTENZGRÜNDUNGEN<br />

Abbildung 3<br />

ihrerseits abhängig sind vom individuellen Fähigkeits-<br />

<strong>und</strong> Kenntnisgrad.<br />

Eine Ursachenanalyse von Insolvenzen in der<br />

jüngeren Vergangenheit zeigt vor allem Mängel<br />

bei Vorbereitung <strong>und</strong> Planung der Gründungen –<br />

interne Risiken also. 8 ) Daraus folgt, dass die Gründer<br />

über unterschiedliche Kenntnis- <strong>und</strong> Fähigkeitsniveaus<br />

verfügen. Im Wesentlichen können<br />

vier Gründertypen unterschieden werden (vgl.<br />

Abbildung 4): 9 )<br />

• Personen, die ein ausreichendes Fähigkeitsniveau<br />

besitzen <strong>und</strong> nur wenige zusätzliche<br />

Kenntnisse benötigen. Sie können eine erfolgreiche<br />

Gründung auch ohne Unterstützung<br />

eines Gründerzentrums realisieren („Start-Typ“).<br />

• Personen, die bereits weitgehend über die<br />

erforderlichen Fähigkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse <strong>für</strong><br />

eine erfolgreiche Gründung verfügen. Sie<br />

können mit geringer, aber gezielter Unterstützung<br />

bald „Gründungsreife“ erlangen („Stayshort-Typ“).<br />

Diese Art der Flankierung gibt es<br />

bei den Kenntnissen in konventioneller Seminarform<br />

praktisch überall. Dagegen ist das Angebot<br />

zur Entwicklung von Fähigkeiten hierzulande<br />

noch immer weitaus geringer.<br />

Abbildung 4<br />

20 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

• Personen mit erfolgversprechenden Geschäftsideen,<br />

deren Kenntnis- <strong>und</strong> Fähigkeitsniveau<br />

eher niedrig aber gr<strong>und</strong>sätzlich „entwicklungsfähig“<br />

ist. Sie können eine erfolgreiche Gründung<br />

nur mit einer längeren prozessorientierten<br />

Unterstützung realisieren („Stay-long-<br />

Typ“).<br />

• Personen ohne ausbaufähige Gründungsidee<br />

oder mit niedrigem, nicht entwickelbarem<br />

Fähigkeitsniveau. Sie können trotz flankierender<br />

Unterstützung in absehbarer Zeit keine<br />

oder allenfalls eine wenig aussichtsreiche<br />

Gründung schaffen. Dieser Personengruppe ist<br />

von einer Gründung abzuraten („Stop-Typ“).<br />

Die Besonderheiten der Modellprojekte<br />

Aus diesen vier Gründertypen lassen sich Schwerpunkte<br />

<strong>und</strong> Methoden der untersuchten Gründerzentren<br />

ableiten. Ihr Hauptziel ist es, die Fähigkeit<br />

zu trainieren, vermittelte Kenntnisse auf die<br />

eigene Gründung anzuwenden. Damit unterscheiden<br />

sich die drei Zentren elementar von der „konventionellen“<br />

Gründungsberatung.<br />

Um die Integration von Kenntnissen <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

zu gewährleisten, haben die Gründerzentren<br />

einen strukturierten Ablaufplan entwickelt,<br />

nach dem ihre Angebote ineinander greifen. Eine<br />

zentrale Rolle spielt dabei eine Vielzahl aufeinander<br />

folgender Filter, die gleichzeitig verschiedene<br />

Funktionen ausüben.<br />

Bei EXIS Dresden, das aufgr<strong>und</strong> seines Angebotsspektrums<br />

– bedingt durch Budget- <strong>und</strong> Kapazitätsrestriktionen<br />

– ausschließlich „Stay-Short-<br />

Typen“ zur Zielgruppe hat, beginnt die Auswahl<br />

mit einem persönlichen Erstgespräch. Dabei werden<br />

den Gründern Aufgaben zur Weiterentwicklung<br />

ihrer Geschäftspläne gestellt (etwa eigenständige<br />

K<strong>und</strong>engewinnung). Diese können in<br />

erster Linie von „Stay-short-Typen“ erfüllt werden.<br />

Gründertypen mit geringeren Fähigkeiten scheitern<br />

daran gewöhnlich. Gründer, die diese Anforderungen<br />

erfüllen, erhalten Einzelberatungen <strong>für</strong><br />

bis zu 12 Monate nach der Gründung. Parallel<br />

werden Seminare zur gezielten Kenntnisvermittlung<br />

angeboten.<br />

Ziel der Einzelberatungen ist es, den Gründern<br />

Feedback zu geben auf ihre strategischen Entscheidungen<br />

im Gründungsprozess <strong>und</strong> auf eine<br />

vollständige Planung zu achten. Kurz gefasst geht<br />

es beim Angebot von EXIS darum, „Stay-short-<br />

Gründer“ zu erkennen, zu unterstützen <strong>und</strong><br />

die Nachhaltigkeit ihrer Gründungen zu verbessern.


Im Unterschied zu EXIS verfügen ENIGMA<br />

Hamburg <strong>und</strong> EXZET Stuttgart über ein<br />

breiteres Angebotsspektrum, das sich sowohl an<br />

„Stay-short“- als auch „Stay-long-Gründer“ richtet.<br />

Dabei stellt die trennscharfe Unterscheidung von<br />

„Stay-long-Gründern“ <strong>und</strong> „Stop-Gründern“ hohe<br />

Anforderungen an den Auswahlprozess. Gilt es<br />

doch zu erkennen, bei welchen Gründern in ausreichendem<br />

Maße Fähigkeiten entwickelt werden<br />

können, um die geplante Unternehmung erfolgreich<br />

zu gestalten. Dementsprechend verwenden<br />

EXZET <strong>und</strong> ENIGMA zur Auswahl „förderungsfähiger“<br />

Gründertypen ein ganzes System aufeinander<br />

aufbauender Filter (vgl. Abbildung 5).<br />

Die stufenweise Aktivierung beginnt mit einer<br />

halbtägigen Informationsveranstaltung <strong>für</strong> gründungsinteressierte<br />

Personen. Die Aufklärung über<br />

Anforderungen <strong>und</strong> Risiken in Verbindung mit<br />

dem Schritt in die Selbständigkeit setzt zunächst<br />

einen Selbstselektionsprozess in Gang. 10 ) Wer nach<br />

dieser ersten Selbstprüfung die Angebote der<br />

beiden Gründerzentren noch immer nutzen will,<br />

muss sich zuvor einem weiteren Filter unterziehen<br />

– einem Assessment Center in Hamburg <strong>und</strong><br />

einem multimodalen Interview in Stuttgart. Dieser<br />

zweite Filter versetzt die Zentren schon frühzeitig<br />

in die Lage, ihre Klientel mit gewisser Sicherheit<br />

auf die vier Gründertypen aufzuteilen. In anschließenden<br />

Feedback-Gesprächen wird „Start-<br />

Typen“ zu einer Gründung ohne weitere Unterstützung<br />

geraten – <strong>für</strong> diese Gruppe fungieren die<br />

ersten beiden Filter lediglich als externe Validierung<br />

ihres Unternehmenskonzeptes. „Stay-short-<br />

Typen“ werden Kurzseminare in Kombination mit<br />

zeitlich begrenztem Einzelcoaching empfohlen,<br />

wobei diese Angebote in Stuttgart <strong>und</strong> Hamburg<br />

dem oben skizzierten Ablauf von EXIS Dresden<br />

ähneln. „Stop-Typen“ wird von einer Gründung<br />

abgeraten. Konsequenterweise werden sie von den<br />

beiden Zentren auch nicht weiter betreut. „Staylong-Typen“<br />

– die wichtigste Zielgruppe der beiden<br />

Zentren – werden dazu eingeladen, innerhalb<br />

moderierter Gruppenprozesse (in Stuttgart) bzw.<br />

innerhalb eines „Inkubators“ mit informellen<br />

Gruppenprozessen (in Hamburg) ihre Gründung<br />

zu planen <strong>und</strong> zu realisieren. 11 )<br />

Ziel der Zentren in Stuttgart <strong>und</strong> Hamburg ist es,<br />

die Gründer so zu begleiten, dass sie bis zum Ende<br />

der Überbrückungsgeld-Förderung ein möglichst<br />

existenzsicherndes Einkommen erwirtschaften<br />

können. Dazu wurden Gruppenprozesse mit folgender<br />

Struktur entwickelt:<br />

Zunächst werden bestimmte Aufgaben festgelegt,<br />

die jeder Gründer im nächsten <strong>Arbeit</strong>sschritt bear-<br />

Abbildung 5<br />

EXISTENZGRÜNDUNGEN<br />

beiten muss (z.B. Marktanalyse oder Befragung<br />

potenzieller K<strong>und</strong>en). Begleitend können den<br />

Gründern in Seminaren die da<strong>für</strong> notwendigen<br />

Kenntnisse vermittelt werden.<br />

Während einer solchen Phase werden in informellen<br />

Kleingruppen Informationen ausgetauscht<br />

oder in moderierten Workshops Methoden zur<br />

Anwendung der Kenntnisse auf die eigene Unternehmung<br />

vermittelt.<br />

In regelmäßigen Abständen werden die Ergebnisse<br />

der letzten <strong>Arbeit</strong>sschritte vor der Gruppe präsentiert.<br />

Gruppe <strong>und</strong> Moderator geben darauf ein<br />

Feedback <strong>und</strong> illustrieren dem Gründer den aktuellen<br />

Entwicklungsstand seines Vorhabens.<br />

Die strukturierte Abfolge der einzelnen <strong>Arbeit</strong>sschritte<br />

(Seminar, Workshop, eigenes Handeln,<br />

Vorstellung der Zwischenergebnisse, Feedback<br />

durch Coach <strong>und</strong> Gruppe) sowie die knappen Zeitvorgaben<br />

beschleunigen <strong>und</strong> intensivieren die Vorbereitung<br />

(„Kaskadenmodell“, vgl. Abbildung 5).<br />

Dabei lernen entwicklungsfähige Personen, die<br />

Entscheidungsprozesse <strong>für</strong> ihre eigene Unternehmung<br />

erfolgreich zu gestalten. In den Hamburger<br />

Inkubatoren <strong>und</strong> den Stuttgarter Gründerzirkeln<br />

werden Gründer auf diese Weise <strong>für</strong> bis zu sechs<br />

Monate nach der formellen Gründung betreut.<br />

Gründer, die sich weitaus schneller als die anderen<br />

entwickeln (also eigentlich „Stay short“-Typen),<br />

oder solche, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Persönlichkeitsstrukturen<br />

<strong>für</strong> gruppendynamische Prozesse weniger<br />

geeignet sind („Einzelgänger“) steigen aus<br />

der Gruppe aus <strong>und</strong> organisieren ihre Gründung in<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

21


EXISTENZGRÜNDUNGEN<br />

eigener Regie. Umgekehrt erkennen auch die<br />

meisten „Stop-Typen“, die nicht schon im Anfangsfilter<br />

identifiziert werden konnten, dass sie<br />

<strong>für</strong> eine selbständige Existenz ungeeignet sind.<br />

Zusammengefasst geht es bei EXZET Stuttgart <strong>und</strong><br />

ENIGMA Hamburg also vor allem darum, „Gründerpotenziale“<br />

zu erkennen, Personen zu formen<br />

<strong>und</strong> zu entscheidungsfähigen Unternehmern auszubilden.<br />

Lehren <strong>für</strong> effektive <strong>und</strong> effiziente<br />

Gründungsförderung<br />

Die Forderung „Mehr Gründer <strong>für</strong> Deutschland“<br />

als wirtschaftspolitisches Ziel geht einher mit einer<br />

arbeitsmarktpolitisch motivierten Betonung selbständiger<br />

Erwerbstätigkeit als Ausweg aus der<br />

<strong>Arbeit</strong>slosigkeit. Dies zeigt sich auch in den erleichterten<br />

Zugangsbedingungen zu Überbrückungsgeld<br />

<strong>und</strong> Existenzgründungszuschuss. So genannte<br />

„niedrigschwellige“ Angebote wie der neue Existenzgründungszuschuss<br />

(§ 421 l SGB III) <strong>und</strong> eine<br />

expansive Förderpolitik ziehen aber neben den<br />

„guten Risiken“ auch verstärkt „Stay-long“-Gründer<br />

<strong>und</strong> „Stop-Typen“ an. In früheren Untersuchungen<br />

(Wießner 2000) konnte jedoch gezeigt<br />

werden, dass eine komfortablere Förderung allein<br />

die Nachhaltigkeit <strong>und</strong> die Erfolgsaussichten von<br />

Existenzgründungen nicht verbessert.<br />

Eine volkswirtschaftlich sinnvolle Allokation von<br />

Fördermitteln wie von Humankapital erfordert<br />

deshalb auch, die entsprechenden Gründertypen<br />

richtig zu erkennen, passgenau zu betreuen <strong>und</strong><br />

den „Stop-Typen“ von einer Gründung abzuraten.<br />

Gelingen kann dies nur, wenn auf breiter Basis<br />

Intermediäre tätig werden, die anders als im<br />

reinen Seminarbetrieb nicht nur Wissen transferieren,<br />

sondern zugleich auch die Fähigkeiten<br />

der Gründer aus- <strong>und</strong> weiterbilden. Eine effiziente<br />

Unterstützung besteht darin, den jungen Unternehmern<br />

gezieltes Feedback auf ihre Entscheidungen<br />

im Gründungsprozess zu geben <strong>und</strong> sie in<br />

die Lage zu versetzen, ihre Planungsschritte „zu<br />

Ende zu denken“. Im Ergebnis wird so das interne<br />

Risiko der Gründung minimiert – <strong>und</strong> damit auch<br />

die Angst vor dem Scheitern.<br />

Die skizzierten Abläufe unterstreichen die zentrale<br />

Bedeutung mehrstufiger Filter: Ein ungefiltertes<br />

Angebot der Gründerzentren würde bei<br />

„Start-Typen“ zu Mitnahmeeffekten führen <strong>und</strong><br />

bei „Stop-Typen“ wirkungslos verpuffen. Eine<br />

frühzeitige Identifizierung des individuellen Gründerprofils<br />

stellt sicher, dass in erster Linie die entwicklungsfähigen<br />

<strong>und</strong> damit förderwürdigen<br />

22 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

„Stay-Typen“ Unterstützung bei ihrer Gründung<br />

erhalten.<br />

Zudem ermöglichen die Filter eine frühzeitige Zuordnung<br />

<strong>und</strong> Anpassung der einzelnen Angebote<br />

in den Gründerzentren an die unterschiedlichen<br />

„Stay-Typen“. Erst dadurch kann ein angemessener<br />

Grad an Aktivierung erreicht werden.<br />

Gründerzentren der hier beschriebenen Art liefern<br />

damit ein Vorbild <strong>für</strong> eine aktivierende <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik,<br />

das auch bei der Ausgestaltung<br />

anderer Instrumente genutzt werden könnte.<br />

Mit dieser Form der Unterstützung ist darüber<br />

hinaus ein marktkonformes Instrument entwickelt<br />

worden, das kaum Wettbewerbsverzerrungen verursacht.<br />

Denn die öffentlichen Mittel fließen ausschließlich<br />

in die Weiterentwicklung persönlicher<br />

Fähigkeiten, hier speziell in die Entwicklung eines<br />

Alleinstellungsmerkmals 12 ) junger Unternehmen.<br />

Die Produkte der Gründer werden in keiner Weise<br />

subventioniert, Verdrängungseffekte somit gering<br />

gehalten. Mitnahmeeffekte durch „Start“-Gründer<br />

sind ebenso wie Fehlallokationen durch intensive<br />

Betreuung von „Stop“-Typen durch die geschickt<br />

miteinander verzahnte Fremd- <strong>und</strong> Selbstselektion<br />

kaum zu erwarten.<br />

Gründerzentren dieses neuen Typs erfordern aber<br />

auch ein Umdenken, wenn es um die Finanzierungsstrukturen<br />

der Einrichtungen geht. Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> die Aufrechterhaltung der notwendigen<br />

Mehrfachfilter in den Gründerzentren ist eine<br />

differenzierte Förderstrategie. Ziel muss z.B. sein,<br />

die bisherigen Förderschienen des SGB III<br />

(Trainingsmaßnahmen – ESF-BA-Programm – Freie<br />

Förderung) noch stärker als bisher miteinander zu<br />

verzahnen.<br />

Die Lösung der Finanzierungsfrage durch so genannte<br />

„Globalbudgets“, wie man sie etwa aus<br />

den USA kennt, erscheint zumindest zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt unter haushaltsrechtlichen<br />

Gesichtspunkten als unerreichbar. Ein „deutscher<br />

Weg“ könnte vielleicht in einer segmentierten<br />

Unterstützung bestehen, die verschiedene Module<br />

miteinander kombiniert <strong>und</strong> so eine flexible<br />

Durchführung gewährleistet. Zu untermauern<br />

wäre dieser Ansatz durch klar definierte Qualitätsstandards<br />

<strong>und</strong> durch Zielvereinbarungen hinsichtlich<br />

der Zahl der Gründungen von „Stay-short“<strong>und</strong><br />

„Stay-long“-Gründern.<br />

Fazit<br />

Eine auf Teilnehmer bezogene Abrechnung der<br />

Träger (z.B. über Gutscheine oder Beratungs-


Schecks) ließe die Typisierung der Gründer unberücksichtigt<br />

<strong>und</strong> würde Fehlanreize setzen: Ohne<br />

Zielvereinbarung würden die Zentren dann einmal<br />

gewonnene Teilnehmer gr<strong>und</strong>sätzlich bis zum Ende<br />

der „Maßnahme“ betreuen, länger <strong>und</strong> kostenintensiver<br />

als eigentlich erforderlich. Auch „Stop“-<br />

Typen, denen schon zu ihrem eigenen Schutz von<br />

einer Gründung abgeraten werden sollte, würden<br />

die Förderprogramme bis zum „bitteren Ende“<br />

durchlaufen. Mit Zielvereinbarung – z.B. zum Eingliederungserfolg<br />

– wäre eine Konzentration auf<br />

„Start-Typen“ <strong>und</strong> „Stay-Short-Typen“ wahrscheinlich<br />

(„Creaming-Effekt“). Diese verursachen nämlich<br />

den geringsten Betreuungsaufwand, da sie im<br />

Prinzip schon alle Voraussetzungen <strong>für</strong> einen erfolgreichen<br />

Start in die Selbständigkeit mitbringen.<br />

Ein solches Verfahren wäre nicht nur mit den fortschrittlichen<br />

Abläufen in den Gründerzentren mit<br />

ihren Mehrfachfiltern unvereinbar. Auch aus der<br />

Förderperspektive wäre es fatal. Denn Gründerzentren<br />

würden „Start-Typen“ dann nicht mehr<br />

EXISTENZGRÜNDUNGEN<br />

zur sofortigen Gründung ermuntern <strong>und</strong> „Stop-<br />

Typen“ nicht mehr sofort von der Gründung<br />

abraten. Der Anreiz <strong>für</strong> eine differenzierte Betreuung<br />

<strong>und</strong> Aktivierung unterschiedlicher Gründertypen<br />

ginge so verloren.<br />

Ein ähnlicher Effekt ist zu be<strong>für</strong>chten, wenn bei<br />

Ausschreibungen im Wettbewerb Entscheidungen<br />

ausschließlich über den Preis getroffen würden<br />

<strong>und</strong> die jeweiligen Zielgruppen außer Acht<br />

blieben. Die Zuschläge würden an die preisgünstigsten<br />

Träger mit den meisten „Start“- oder „Stayshort-Typen“<br />

gehen, die am wenigsten Unterstützung<br />

benötigen. Gründungsförderung hätte sich so<br />

selbst ad absurdum geführt.<br />

Eine Gr<strong>und</strong>finanzierung der Gründerzentren, die<br />

die Fixkosten (bei „Stay-long-Gründern“) angemessen<br />

berücksichtigt, wäre in Verbindung mit<br />

einer Zielvereinbarung, die nach Gründertypen<br />

differenziert, die beste Lösung <strong>für</strong> alle drei Beteiligten,<br />

<strong>für</strong> Gründer, <strong>Arbeit</strong>samt <strong>und</strong> Träger. ■<br />

1 ) Auf das erste Sonderprogramm, „Förderung <strong>und</strong> Erprobung neuer Wege in der <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik“ (1995 – 1998) folgte 1998<br />

die „Förderung von Maßnahmen zur Erprobung zusätzlicher Wege in der <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik“. Ab dem Jahr 2000 konnten aus<br />

dem B<strong>und</strong>eshaushalt im Rahmen der „Förderung der Erprobung <strong>und</strong> Entwicklung innovativer Maßnahmen zur Bekämpfung der<br />

<strong>Arbeit</strong>slosigkeit“ im Teilbereich „innovative Einzelprojekte“ nur noch neue Modellansätze erprobt <strong>und</strong> gefördert werden. Zugang<br />

zu den Sonderprogrammen bzw. zur nächsten Förderetappe erhielten nur Vorhaben mit nachweislich innovativem Charakter.<br />

In der b<strong>und</strong>esdeutschen Förderlandschaft sind solche aufeinander folgenden Sonderprogramme die Ausnahme. Da der Modellcharakter<br />

stets eine zeitliche Befristung impliziert, haben die Projekte kaum jemals Chancen, sich über einen längeren Zeitraum<br />

kontinuierlich zu entwickeln, zu verbessern <strong>und</strong> zu bewähren.<br />

2 ) Frühere IAB-Untersuchungen zeigen, dass die Geförderten weit überwiegend „konventionelle“ Gründungen tätigen. Auf einen<br />

eher geringen High Tech-Anteil lassen auch die anfänglichen Investitionsvolumina schließen, die in den ersten drei Jahren in<br />

90% aller Fälle unter 50.000 Euro liegen, siehe etwa Struck et al. [1998].<br />

3 ) Natürlich kann auch ein schlecht entwickeltes Produkt Ursache <strong>für</strong> eine Pleite sein. Auf diese offensichtliche Ursache <strong>für</strong> eine<br />

Pleite wollen wir hier jedoch nicht weiter eingehen.<br />

4 ) In Shrader/Simon (1997) finden sich verschiedene Markteintrittsstrategien, unter denen die im folgenden beschriebene<br />

Strategie als Nischenstrategie zu verstehen ist.<br />

5 ) Aus dem Überblicksartikel von Mellewigt/Witt (2002) geht in ähnlicher Weise hervor, daß gerade die Verknüpfung der drei<br />

Punkte zentrales Anliegen einer jeden Gründung sein muß, um erfolgreich zu werden.<br />

6 ) Für einen Überblick über die Details zum Gründungswissen siehe inter alia Reynolds/Miller (1992).<br />

7 ) Bereits in Röpke (1977) wurde erkannt, daß das Fähigkeitsniveau eines Gründers von ausschlaggebender Bedeutung <strong>für</strong> die<br />

Erfolgswahrscheinlichkeit einer Gründung ist. Lazear (2003) bezeichnet erfolgreiche Gründertypen, die Fähigkeiten in vielen<br />

Bereichen entwickelt haben sollten, als „Jacks of all Trades“.<br />

8 ) Siehe dazu etwa Struck et al. (1998) sowie die Jahresberichte der Deutschen Ausgleichsbank zum Gründungsgeschehen.<br />

9 ) Trotz einer völlig unterschiedlichen Genese weist diese Kategorisierung deutliche Analogien auf zu den jüngst spezifizierten<br />

K<strong>und</strong>engruppen der neuen Organisationseinheit „Produkte <strong>und</strong> Programme“ in der <strong>Arbeit</strong>sverwaltung. Hier wird künftig<br />

unterschieden zwischen „Marktk<strong>und</strong>en“, „Beratungsk<strong>und</strong>en“ („Intervention“/„Investition“) <strong>und</strong> „Betreuungsk<strong>und</strong>en“.<br />

10 ) In einer parallelen US-amerikanischen Studie (siehe Cox et al., 2002) zeigte man sich erstaunt, daß die pure Information über<br />

Anforderungen an Gründungen den Kreis potentieller Gründer nicht erweitert sondern einschränkt.<br />

11 ) Anders als EXIS <strong>und</strong> EXZET bietet ENIGMA den Gründern zusätzlich die Möglichkeit, <strong>für</strong> die Dauer des Überbrückungsgeld-<br />

Bezuges innerhalb des Inkubators Räumlichkeiten <strong>und</strong> Infrastruktur kostenfrei zu nutzen.<br />

12 ) Ein Alleinstellungsmerkmal oder „Unique Selling Proposition“ (USP) bezeichnet die Unterscheidung des Anbieters von<br />

(möglichst allen) anderen Marktteilnehmern. Die daraus resultierende „Nischenstrategie“ im Markt verringert den Verdrängungswettbewerb<br />

zwischen gleichartigen Angeboten.<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

23<br />

Literatur<br />

Cox, L.W./Mueller, S.L./<br />

Moss, S.E. (2002): The<br />

Impact of Entrepreneurship<br />

Education on<br />

Entrepreneurial Self-<br />

Efficacy, International<br />

Journal of Entrepreneurship<br />

Education<br />

1, S. 229-245<br />

Grotz, R./Otto, A.<br />

(2003): Betriebsgründungen<br />

in der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland: Überlebenschancen<br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkteffekte,<br />

Bonn<br />

Koch, S./Wießner, F.<br />

(2003): Ich-AG oder<br />

Überbrückungsgeld?<br />

Wer die Wahl, hat die<br />

Qual, IAB-Kurzbericht<br />

Nr. 2<br />

Lazear, E.P. (2003):<br />

Entrepreneurship, IZA<br />

Disc. Paper No. 760<br />

Mellewigt, T./Witt, P.<br />

(2002): Die Bedeutung<br />

des Vorgründungsprozesses<br />

<strong>für</strong> die<br />

Evolution von<br />

Unternehmen: Stand<br />

der empirischen<br />

Forschung, Zeitschrift<br />

<strong>für</strong> Betriebswirtschaft<br />

72, S. 81-110<br />

Reynolds, P./Miller, B.<br />

(1992): New Firm<br />

Gestation: Conception,<br />

Birth, and Implications<br />

for research, Journal<br />

of Business Venturing<br />

7, S. 405-417<br />

Röpke, J. (1977): Die<br />

Strategie der<br />

Innovation, Mohr Verlag<br />

Tübingen<br />

Shrader, R.C./Simon,<br />

M. (1997): Corporate<br />

versus Independent<br />

new Ventures:<br />

Resource, Strategy,<br />

and Performance<br />

Differences, Journal of<br />

Business Venturing 12,<br />

S. 47-66<br />

Struck, J./Thomsen,<br />

U./Kuhn, C. (1998):<br />

Gründungsfinanzierung<br />

<strong>und</strong> Überbrückungsgeld<br />

– zwei Förderansätze,<br />

eine Zielgruppe?<br />

Wissenschaftliche<br />

Reihe der DtA, Bd. 8<br />

Wießner, F. (2000):<br />

Masse statt Klasse?.<br />

IAB-Materialien 2,<br />

S. 14 –15<br />

Wießner, F. (2001):<br />

<strong>Arbeit</strong>slose werden<br />

Unternehmer, Nürnberg


INTERNATIONALES<br />

Blick über die Grenze<br />

Brasilien<br />

Mindestlohn erhöht<br />

Am Vorabend des 1. Mai hat<br />

die Regierung Lula den Mindestlohn<br />

erhöht. Er soll von<br />

240 auf 260 Reais angehoben<br />

werden, was inflationsbereinigt<br />

einer realen Zunahme<br />

um gut 1 Prozent entspricht.<br />

Im Wahlkampf hatte Lula eine<br />

reale Verdoppelung des Mindestlohnes<br />

bis 2006 versprochen.<br />

Die Entscheidung wurde<br />

erwartungsgemäss vom Unternehmerverband<br />

CNI gelobt,<br />

während sich die Gewerkschaften<br />

kritisch äußerten.<br />

Unterstützung hatte die Regierung<br />

von den hochverschuldeten<br />

Gemeinden <strong>und</strong> Ländern<br />

erhalten, denn die Höhe des<br />

Mindestlohnes hat vor allem Bedeutung<br />

bei der Festsetzung<br />

von Rentenansprüchen.<br />

Der vorgeschlagene Wert bedarf<br />

noch der Bestätigung durch den<br />

Kongress. Dabei sind Änderungen<br />

noch möglich, obgleich er<br />

sich nahe dem Wert bewegt, der<br />

vom Kongress gemeinsam mit<br />

dem Haushalt 2004 gebilligt<br />

worden war (256 Reais).<br />

Viele Beobachter haben die Frage<br />

aufgeworfen, warum Präsident<br />

Lula die bis zum 1. Mai zu treffende<br />

Entscheidung so lange hinausgezögert<br />

hat, wenn schon in<br />

der Höhe kein Spielraum gewesen<br />

sei. Die wochenlange Debatte<br />

über die Höhe des Mindestlohns<br />

habe nur die Märkte beunruhigt<br />

<strong>und</strong> generell <strong>für</strong> ein Klima der<br />

Unsicherheit gesorgt. Diese Auffassung<br />

wurde auch von Vertretern<br />

der deutsch-brasilianischen<br />

Handelskammer geäußert, die sich<br />

24 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

am 30.04. in der Botschaft zum<br />

Handelsrat versammelt hatten.<br />

Planungs- <strong>und</strong> Haushaltsminister<br />

Guido Mantega hat der Öffentlichkeit<br />

gegenüber diese<br />

Frage damit beantwortet, dass<br />

die Regierung es sich mit der<br />

Entscheidung eben nicht einfach<br />

gemacht habe. Man habe<br />

bis zuletzt warten wollen, wie<br />

die Steuereinnahmen sich entwickelten,<br />

um wirklich soviel<br />

zu genehmigen, wie möglich<br />

sein wird. Leider sei die Einnahmeentwicklung<br />

nicht so positiv<br />

verlaufen, wie man es sich<br />

erhofft habe. Mantega, der ursprünglich<br />

selbst <strong>für</strong> einen höheren<br />

Wert eingetreten war,<br />

räumte außerdem ein, dass die<br />

Entdeckung einer neuen Leiche<br />

im brasilianischen Schuldenkeller<br />

(hier „Skelett” genannt) Zurückhaltung<br />

angezeigt erscheinen<br />

ließ. Ein brasilianisches Gericht<br />

hatte einer Klage von Rentenberechtigten<br />

stattgegeben,<br />

der zufolge bei der Berechnung<br />

der Ansprüche in den 90er Jahren<br />

ein – höherer – Inflationsindex<br />

hätte zugr<strong>und</strong>e gelegt werden<br />

sollen. Diese Entscheidung<br />

verpflichtet die brasilianische<br />

Rentenkasse, INSS nachträglich<br />

einen Betrag an die Rentner auszugeben,<br />

der immerhin 1 % PSB<br />

entspricht. Vom früheren Finanzminister<br />

Pedro Malan wird<br />

das geflügelte Wort zitiert: „In<br />

Brasilien ist nicht einmal die<br />

Vergangenheit sicher!”<br />

Die Entscheidung über den<br />

Mindestlohn zeigt, dass die Regierung<br />

Lula in der Wirtschaftspolitik<br />

verantwortungsvoll vorgeht<br />

<strong>und</strong> unpopuläre Entscheidungen<br />

nicht scheut. Diese Linie<br />

kennzeichnet die Finanz<strong>und</strong><br />

Geldpolitik der Regierung<br />

seit Amtsantritt. Be<strong>für</strong>chtungen<br />

über ein Nachlassen der Haushaltspolitik,<br />

wie sie im März<br />

von amerikanischen Investmenthäusern<br />

geäußert worden waren,<br />

entbehren der Gr<strong>und</strong>lage.<br />

Tatsächlich erwirtschaftete die<br />

öffentliche Hand im ersten<br />

Quartal 2004, wie jetzt bekannt<br />

gegeben wurde, einen Primärüberschuss<br />

(Vorzahlung der Zinsen<br />

auf Kredite <strong>und</strong> Tilgungen)<br />

in Höhe von 20,5 Mrd Reais.<br />

Dies entspricht 5,4 Prozent des<br />

Bruttoinlandsprodukts <strong>und</strong> stellt<br />

gleichzeitig den höchsten Wert<br />

seit 1991 dar, als in Brasilien<br />

mit der Berechnung des Indikators<br />

begonnen wurde. Das mit<br />

dem IWF vereinbarte Ziel von<br />

4,25 Prozent könnte damit um<br />

rd. 6 Mrd. Reais übertroffen<br />

werden. Im März sank der<br />

Schuldenstand nicht nur relativ,<br />

sondern auch absolut auf 57,4<br />

Prozent des BIP bzw. 924,4<br />

Mrd Reais.<br />

Die Entscheidung über den<br />

Mindestlohn ist eine Richtungsentscheidung<br />

<strong>für</strong> die brasilianische<br />

Wirtschaftspolitik <strong>und</strong> gilt<br />

als Sieg Paloccis. Seine Stellung<br />

in der Regierung ist – trotz aller<br />

öffentlich geäußerten Kritik –<br />

derzeit stärker denn je. Nächster<br />

Test wird die <strong>für</strong> Ende Juni<br />

anberaumte Sitzung des Nationalen<br />

Geldrates sein, der über das<br />

Inflationsziel 2006 zu entscheiden<br />

hat. Bei dieser Gelegenheit<br />

möchten einige Vertreter des Regierungslagers<br />

– wie Senator<br />

Mercadante oder Minister Dirceu<br />

– das bereits im vergangenen Jahr<br />

festgelegte Inflationsziel 2005<br />

aufweichen <strong>und</strong> von 4,5 auf 5,5<br />

Prozent anheben. Finanzminister<br />

Palocci, der den Nationalen Geldrat<br />

leitet, sagte hierzu lediglich,<br />

das Inflationsziel 2005 sei bereits<br />

entschieden <strong>und</strong> stehe daher<br />

nicht auf der Tagesordnung.


Schweden<br />

Reichstag lehnt<br />

Übergangsfrist ab<br />

Der Regierungsvorschlag, <strong>für</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>nehmer aus den<br />

neuen EU-Mitgliedstaaten eine<br />

zweijährige Übergangsfrist<br />

<strong>für</strong> die Herstellung der<br />

Freizügigkeit einzuführen,<br />

wurde am 28.4.2004 vom<br />

schwedischen Reichstag<br />

mehrheitlich abgelehnt.<br />

Gleichzeitig sprachen sich die<br />

Abgeordneten der Sozialdemokraten,<br />

der Linkspartei <strong>und</strong> der<br />

Umweltpartei <strong>für</strong> die Schaffung<br />

von Maßnahmen aus, mit denen<br />

Lohndumping <strong>und</strong> Schwarzarbeit<br />

verhindert sowie die Einhaltung<br />

von Tarifverträgen<br />

sichergestellt werden soll. Diese<br />

vor allem vom Dachverband der<br />

<strong>Arbeit</strong>ergewerkschaften, LO,<br />

geforderten Maßnahmen sollen<br />

möglichst rasch beschlossen<br />

werden. Sollten wider Erwarten<br />

durch einen größeren Zustrom<br />

von Wanderarbeitnehmern aus<br />

den zehn neuen EU-MS erhebliche<br />

Störungen auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />

auftreten, behält sich<br />

der Reichstag vor, die Frage der<br />

Übergangsfristen nochmals auf<br />

die Tagesordnung zu setzen. Somit<br />

können <strong>Arbeit</strong>nehmer aus<br />

den neuen EU-MS ab dem<br />

01.05.2004 nach Schweden<br />

einreisen, um <strong>für</strong> die Dauer von<br />

drei Monaten eine <strong>Arbeit</strong>sstelle<br />

zu suchen. Für die <strong>Arbeit</strong>saufnahme<br />

ist keine <strong>Arbeit</strong>sgenehmigung<br />

erforderlich. Schweden<br />

gehört damit zu den wenigen<br />

„alten“ EU-MS, die keine Übergangsregelungen<br />

<strong>für</strong> die Freizügigkeit<br />

einführen.<br />

Migrationsministerin Barbro<br />

Holmberg sagte, dass die Entwicklung<br />

nun genau beobachtet<br />

werden würde, um ggf. schon im<br />

Herbst neue Vorschläge zu Übergangsregeln<br />

vorzulegen. Auch<br />

Volkspartei <strong>und</strong> Moderate stell-<br />

ten in Aussicht, sich konstruktiv<br />

an einer späteren erneuten Diskussion<br />

zu beteiligen.<br />

Die Frage der Übergangsregelungen<br />

war <strong>für</strong> mehrere Parteien<br />

eine Art Zerreißprobe, was<br />

sich auch bei der Abstimmung<br />

zeigte. Mehrere Abgeordnete<br />

der Volkspartei wichen von der<br />

Mehrheitsmeinung ihrer Partei<br />

ab, zwei Angeordnete der Linkspartei<br />

stimmten <strong>für</strong> den Antrag<br />

der Sozialdemokraten.<br />

Das zentrale Argument der Sozialdemokraten,<br />

dass man eine<br />

weitere Belastung des schwedischen<br />

Wohlfahrtssystems sowie<br />

den ausufernden Export<br />

von Sozialleistungen („Sozialtourismus“)<br />

verhindern wolle,<br />

war sehr problematisch <strong>und</strong><br />

provozierte Proteste von Seiten<br />

der neuen EU-Mitgliedstaaten<br />

<strong>und</strong> der anderen Parteien. Kritisiert<br />

wurde v.a. die ausschließliche<br />

Diskriminierung der <strong>Arbeit</strong>nehmer<br />

aus den neuen EU-<br />

Mitgliedsstaaten <strong>und</strong> dass die<br />

Regierung damit Populismus<br />

<strong>und</strong> Fremdenfeindlichkeit schüre.<br />

Schließlich kämen seit vielen<br />

Jahren auch zahlreiche qualifizierte<br />

<strong>Arbeit</strong>skräfte, wie Ärzte<br />

<strong>und</strong> Ingenieure, aus diesen<br />

Ländern nach Schweden, die<br />

man hier auch dringend brauche.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der zukünftigen<br />

demographischen Entwicklung<br />

Schwedens würden auch weiterhin<br />

<strong>Arbeit</strong>skräfte aus dem<br />

Ausland benötigt.<br />

Alle wissenschaftlichen Untersuchungen<br />

<strong>und</strong> historische Erfahrungen<br />

würden zudem zeigen,<br />

dass EU-Erweiterungen<br />

nicht zu massiven Einwanderungen<br />

von <strong>Arbeit</strong>skräften führen.<br />

Außerdem wurde verschiedentlich<br />

die Auffassung vertreten,<br />

dass die sofortige Freizügigkeit<br />

<strong>für</strong> das Wirtschaftswachstum<br />

sowohl im Herkunftsland<br />

als auch im Beschäftigungsland<br />

positiv sei.<br />

Dennoch konnte die Regierung<br />

insofern einen Teilerfolg verbuchen,<br />

als sie zusammen mit<br />

den Unterstützungsparteien einen<br />

Reichstagsbeschluss <strong>für</strong> verschärfte<br />

Regelungen bei der Beschäftigung<br />

von Ausländern auf<br />

dem <strong>Arbeit</strong>smarkt zustande<br />

brachte. Durch noch zu konkretisierende<br />

Maßnahmen sollen<br />

Lohndumping <strong>und</strong> Schwarzarbeit<br />

entgegengewirkt werden.<br />

Auch soll den Gewerkschaften –<br />

wie von LO gefordert – das<br />

Recht eingeräumt werden, die<br />

Einhaltung von Tarifverträgen<br />

auch in den Unternehmen zu<br />

prüfen, in denen sie nicht vertreten<br />

seind.<br />

Frankreich<br />

INTERNATIONALES<br />

Einwanderung nahm<br />

zu<br />

Zwischen 1999 <strong>und</strong> 2002 hat<br />

die Einwanderung in Frankreich<br />

um 36 % zugenommen.<br />

Der Anteil an Zuwanderern<br />

aus Drittländern ist um 50 %<br />

gestiegen.<br />

Außerdem hat die Zahl von<br />

Asylanträgen in Frankreich zugenommen.<br />

Inzwischen nimmt<br />

Frankreich hierbei in Europa<br />

den 1. Rang ein. Eine noch<br />

unveröffentliche Studie des Sozialministeriums<br />

zur Zuwanderung<br />

nach Frankreich wird,<br />

nach vorzeitig bekanntgewordenen<br />

Informationen, eine<br />

deutliche Zunahme beschreiben.<br />

In 2001 waren 140 953<br />

neue Einwanderer auf französischem<br />

Gebiet gezählt worden,<br />

im Jahre 2002 waren es 156<br />

243. Die Zahl der Zuwanderer<br />

nach Frankreich steigt regelmäßig<br />

<strong>und</strong> hat zwischen 1999<br />

<strong>und</strong> 2002 um 36 Prozent zugenommen.<br />

Nach ersten Schätzungen<br />

ist <strong>für</strong> 2003 eine weitere<br />

Zunahme anzunehmen.<br />

Die Zahl der ausländischen Studenten<br />

(aus Staaten außerhalb<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

25


INTERNATIONALES<br />

des Schengen-Raums), die nicht<br />

in diesen Zahlen mitgezählt sind,<br />

erreichten in 1998 23 502 <strong>und</strong> in<br />

2002 55 498. Deren Zahl ist also<br />

ebenfalls erheblich gestiegen.<br />

Nach den einschränkenden Reformen<br />

des Asylrechtes in Großbritannien<br />

<strong>und</strong> Deutschland ist<br />

Frankreich <strong>für</strong> Asylbewerber<br />

besonders attraktiv geworden.<br />

Im Jahre 2002 gingen in Frankreich<br />

51 000 Anträge auf politisches<br />

Asyl ein, im Jahre 2003<br />

52 000. Dies bedeutet eine Zunahme<br />

um 1,5 Prozent nach<br />

starkem Aufstieg in den letzten<br />

Jahren (im Jahre 1996 wurden<br />

weniger als 20 000 Anträge<br />

26 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

registriert). Es ist besonders<br />

bemerkenswert, dass diese Zahl<br />

immer noch leicht ansteigt,<br />

während die Asylanträge überall<br />

sonst in Europa zurückgehen.<br />

Zum Beispiel hat die Anzahl der<br />

Anträge in Großbritannien in<br />

einem Jahr um 44,9 Prozent<br />

<strong>und</strong> in Deutschland um 29 Prozent<br />

abgenommen. Letztlich<br />

werden aber in Frankreich<br />

weniger als 20 Prozent der<br />

Anträge positiv entschieden.<br />

Den Umfang der illegalen Einwanderung<br />

kann naturgemäß<br />

niemand genau einschätzen. Es<br />

werden von verschiedenen Seiten<br />

sehr unterschiedliche Grö-<br />

ßenordnungen angegeben, die<br />

nicht alle gleich glaubwürdig<br />

scheinen. Nicht nur illegale<br />

Neueinwanderer fallen unter<br />

diese Kategorie, sondern auch<br />

die abgelehnten Asylbewerber,<br />

die in der Hoffnung auf eine<br />

inkonsequente Abschiebepraxis<br />

illegal in Frankreich bleiben,<br />

sind hierunter einzuordnen. Die<br />

Zahl der illegalen Immigranten<br />

wird auf ca. 100 000 im Jahr<br />

geschätzt. Die Schätzungen<br />

schwanken jedoch zwischen<br />

300 000 (von Sarkozy genannt<br />

beim Antritt seines Amtes als<br />

Innenminister), 700 000 (von<br />

verschiedenen Politikern genannt)<br />

<strong>und</strong> über 1 Million. ■


Neue Fachliteratur<br />

Von Erlaucht bis Spektabilis.<br />

Kleines Lexikon der Titel<br />

<strong>und</strong> Anreden. Von Otto<br />

Krabs, München 2004 (C.<br />

H. Beck), 167 Seiten, Preis<br />

9,90 EUR.<br />

Zugegeben – die Wahrscheinlichkeit,<br />

dem japanischen Tenno<br />

vorgestellt zu werden, ist recht<br />

gering. Daher dürfte sich <strong>für</strong> die<br />

Mehrheit der Leser das Problem,<br />

mit welcher korrekten<br />

Formulierung ein Kaiser anzureden<br />

bzw. anzuschreiben ist,<br />

nicht stellen. Anders sieht es<br />

freilich im Umgang mit akademischen,<br />

diplomatischen, geistlichen<br />

<strong>und</strong> militärischen Amtsbzw.<br />

Würdenträgern <strong>und</strong> Adeligen<br />

aus: Wer hat heute noch<br />

einen Titel inne? Wer ist Durchlaucht,<br />

Exzellenz, Spektabilis<br />

oder Rat? Wie lautet die richtige<br />

persönliche bzw. schriftliche<br />

Anrede? Wie ist zu verfahren,<br />

wenn eine Person gar über<br />

mehrere Titel verfügt?<br />

Diese Fragen des korrekten gesellschaftlichen<br />

<strong>und</strong> beruflichen<br />

Umgangs behandelt der handliche<br />

<strong>und</strong> informative Band von<br />

Otto Krabs, der gekonnt – <strong>und</strong><br />

mit zuweilen deutlichem Augenzwinkern<br />

– durch die nichtduzbaren<br />

Problemgruppen aus<br />

Adel, Kirche, öffentlicher Verwaltung<br />

<strong>und</strong> diplomatischem<br />

Dienst führt. In fünf ausführlichen<br />

Kapiteln werden die<br />

Feinheiten alphabetisch angegangen:<br />

Zunächst wird jeweils<br />

die persönliche <strong>und</strong> schriftliche<br />

Anrede <strong>und</strong> der Name im Anschriftenfeld<br />

genannt. Wie so<br />

oft, liegt auch hier die Krux im<br />

Detail: bei Herzögen ist beispielsweise<br />

zu prüfen, ob sie bis<br />

1918/19 zu den regierenden<br />

Häusern zählten oder nicht;<br />

denn hiernach richtet sich ihre<br />

korrekte Anrede „Königliche<br />

Hoheit“ oder „Durchlaucht“.<br />

Auch die Anrede eines baltischen<br />

Barons kann zu einer verwickelten<br />

Angelegenheit werden.<br />

Im Anschluss folgt jeweils ein<br />

Überblick über die historische<br />

Entwicklung des Titels <strong>und</strong> seiner<br />

Träger. So erfährt der Leser<br />

im Kapitel der akademischen<br />

Titel <strong>und</strong> Anreden zum Beispiel,<br />

dass im 18. Jhd. die Herren<br />

Doktoren wegen begangener<br />

Verbrechen „nicht in öffentliche<br />

oder tiefe Gefängnisse, unter<br />

der Erde geleget, sondern in<br />

leidlicher Verwahrung gehalten“<br />

werden sollten. Vom Undank<br />

verfolgt sind hingegen<br />

heute die Minister: Ihnen kam<br />

die vormals übliche Anrede<br />

„Exzellenz“ abhanden – korrekt<br />

ist: „Herr Minister“ bzw.<br />

„Frau Ministerin“ – nicht aber<br />

die Last des Amtes <strong>und</strong> die Abhängigkeit<br />

vom Regierungschef,<br />

der Fraktion, der Presse <strong>und</strong><br />

nicht zuletzt den „wankelmütigen<br />

Wählern“. An solchen Stellen<br />

entwickelt sich das Werk<br />

zum fulminanten Kulturlexikon.<br />

Es folgen einige kürzere Kapitel<br />

über Amtsbezeichnungen in der<br />

öffentlichen Verwaltung, in der<br />

Justiz, in den jüdischen <strong>und</strong><br />

muslimischen Religionsgemeinschaften<br />

sowie über die Dienstgrade<br />

der B<strong>und</strong>eswehr. Eine<br />

Übersicht mit Hinweisen zum<br />

Gebrauch von Titeln <strong>und</strong> Anreden<br />

einschließlich des Problems<br />

von „Titelgirlanden“ r<strong>und</strong>et den<br />

Band schließlich ab.<br />

Insgesamt ein köstlicher, vor<br />

allem aber nützlicher Lesestoff<br />

<strong>für</strong> alle, die karriereabträgliche<br />

Fettnäpfchen geschickt umgehen<br />

wollen. Zur entspannenden<br />

Lektüre unbedingt empfohlen.<br />

(D. J. Blesgen)<br />

NEWS & SERVICE<br />

Medizinisches Lexikon der<br />

beruflichen Belastungen <strong>und</strong><br />

Gefährdungen – Definitionen<br />

– Vorkommen – Gefährdungen.<br />

Herausgegeben von<br />

Kurt Landau <strong>und</strong> Gerhard<br />

Pressel unter Mitarbeit von<br />

Yvonne Ferreira <strong>und</strong> ca. 70<br />

Fachautoren; Gentner Verlag<br />

Stuttgart, 1. Aufl. 2004. 728<br />

Seiten. Preis 128 EUR.<br />

Das medizinische Fachgebiet<br />

„<strong>Arbeit</strong>smedizin“ befasst sich<br />

mit der Wechselwirkung zwischen<br />

Mensch <strong>und</strong> Beruf. Berufswelt,<br />

Umwelt <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

unterliegen einem tief<br />

greifenden Wandel. Die Komplexität<br />

<strong>und</strong> die damit wechselnden<br />

Anforderungen der <strong>Arbeit</strong>sprozesse<br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>ssysteme<br />

nehmen ständig zu. Im<br />

globalisierten Wettbewerb steigt<br />

der Anpassungsdruck <strong>und</strong> somit<br />

sind der ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> leistungsbereite<br />

Mitarbeiter, der ges<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> menschengerechte Betrieb<br />

<strong>und</strong> deshalb der <strong>Arbeit</strong>smediziner<br />

zunehmend gefragt <strong>und</strong><br />

gefordert.<br />

Ziel der <strong>Arbeit</strong>smedizin ist die<br />

Prävention. <strong>Arbeit</strong>smediziner<br />

<strong>und</strong> Betriebsärzte haben den gesetzlichen<br />

Auftrag die Beschäftigten<br />

<strong>und</strong> die im Unternehmen<br />

Verantwortlichen im Hinblick<br />

auf die ges<strong>und</strong>heitlichen Gefahren<br />

<strong>und</strong> Gefährdungen umfassend<br />

zu begleiten <strong>und</strong> zu beraten.<br />

Dies erfordert hohe Kompetenz,<br />

aktuelles Fachwissen<br />

<strong>und</strong> eine adäquate Methodik<br />

zur Problemerkennung <strong>und</strong> Problemlösung.<br />

Die Herausgeber sind als hochkompetente<br />

Wissenschaftler<br />

<strong>und</strong> Praktiker der <strong>Arbeit</strong>smedizin<br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>swissenschaft<br />

bekannt. Es ist Ihnen gelungen,<br />

ein Lexikon zu entwickeln, das<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

27


NEWS & SERVICE<br />

den direkten Zugriff auf eine<br />

konzentrierte, wissenschaftlich<br />

f<strong>und</strong>ierte Information auf dem<br />

kaum überschaubaren breiten<br />

Fachgebiet der <strong>Arbeit</strong>smedizin<br />

ermöglicht.<br />

Das Lexikon umfasst ca. 200 zentrale,<br />

arbeitsmedizinisch <strong>und</strong><br />

beruflich besonders relevante<br />

Belastungs- <strong>und</strong> Gefährdungsbereiche.<br />

Die Beiträge zu den<br />

jeweiligen Sachgebieten sind<br />

nach einem methodisch einheitlichen<br />

Konzept aufgebaut.<br />

Das Lexikon gibt konkreten Rat<br />

bei täglich zu treffenden Entscheidungen<br />

in Fragen der<br />

<strong>Arbeit</strong>s- bzw. Erwerbsfähigkeit,<br />

Rehabilitationsmaßnahmen <strong>und</strong><br />

Umschulungen, bei <strong>Arbeit</strong>splatzwechsel<br />

der durch Alter oder<br />

Krankheit leistungsgewandelter<br />

Mitarbeiter, beim Jugendarbeits<strong>und</strong><br />

Mutterschutz, aber auch bei<br />

der Ursachensuche <strong>und</strong> Behandlung<br />

von arbeitsbedingten Erkrankungen<br />

einschließlich der<br />

Berufskrankheiten.<br />

Das Lexikon ist umfassend,<br />

durchgängig gegliedert <strong>und</strong> enthält<br />

ein ausführliches Register,<br />

was dem breiten Spektrum des<br />

<strong>Arbeit</strong>smedizinischen Fachgebietes<br />

gerecht wird. Der Nutzer<br />

erhält ein modernes Basiswerk<br />

<strong>für</strong> Studium, Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Praxis der <strong>Arbeit</strong>smedizin. Es<br />

wendet sich an <strong>Arbeit</strong>smediziner,<br />

Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure<br />

<strong>und</strong> Fachkräfte <strong>für</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>ssicherheit ebenso wie an<br />

Gewerbeärzte, Umwelt- <strong>und</strong> Sozialmediziner<br />

sowie Ärzte aller<br />

Fachrichtungen. Der medizinische<br />

Sachverständige, <strong>Arbeit</strong>s<strong>und</strong><br />

Sozialjuristen Versicherungsträger<br />

sowie Führungskräfte<br />

oder <strong>Arbeit</strong>nehmervertreter<br />

hat mit dem Lexikon ein kompetentes<br />

Nachschlagewerk in<br />

der Hand. Es kann bestens empfohlen<br />

werden. (T. Giesen)<br />

Handbuch Mobbing-Rechtsschutz.<br />

Peter Wickler (Hrsg.)<br />

28 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

Verlag C.F.Müller, Verlagsgruppe<br />

Hüthig Jehle Rehm.<br />

2004. 454 Seiten. Preis<br />

59,80 EUR.<br />

Ähnlich wie Stress ist Mobbing<br />

schon zu einem stehenden<br />

Begriff gewoerden, der viel <strong>und</strong><br />

gerne im M<strong>und</strong>e geführt wird –<br />

zu viel <strong>und</strong> zu gerne, um den<br />

ernsten Folgen echten Mobbings<br />

<strong>für</strong> die Betroffenen gerecht<br />

zu werden. Tritt Mobbing<br />

in Firmen auf, so handelt es sich<br />

um eine vielschichtiges Problem,<br />

das mit Personen ebenso<br />

wie mit <strong>Arbeit</strong>sbedingungen zusammenhängen<br />

kann, <strong>und</strong> das<br />

ohne Hilfe von außen oft nicht<br />

zu lösen ist. Zunehmend suchen<br />

Mobbing-Opfer juristische Hilfe<br />

als Ausweg aus ihrer Notsituation.<br />

Die rechtliche Aufarbeitung von<br />

Mobbingfällen allerdings ist<br />

äußerst schwierig. Das vorliegende<br />

Buch schließt eine Lücke<br />

in der juristischen Literatur <strong>und</strong><br />

bietet Anwälten, Richtern, Beratern<br />

<strong>und</strong> Rechtsanwendern in<br />

Behörden, Verbänden <strong>und</strong> Gewerkschaften,<br />

aber auch Personalverantwortlichen<br />

<strong>und</strong> Betriebsräten<br />

einen Überblick<br />

über alle Aspekte des Mobbing,<br />

die im Rechtsstreit eine Rolle<br />

spielen. Zunächst vermittelt der<br />

Band gr<strong>und</strong>legende Kenntnisse<br />

etwa über Kennzeichen, Ursachen<br />

<strong>und</strong> Folgen von Mobbing,<br />

rechtsstaatlichen Handlungsbedarf<br />

oder Mobbing in der<br />

Rechtsentwicklung. Im zweiten<br />

Teil werden die Rechtsgr<strong>und</strong>lagen<br />

der Mobbingbekämpfung<br />

dargestellt, die Teile 3 <strong>und</strong> 4<br />

widmen sich den aktiven Maßnahmen<br />

des Mobbingrechtsschutzes<br />

im <strong>Arbeit</strong>sverhältnis<br />

<strong>und</strong> im Beamtenverhältnis; Teil<br />

5 schlileßlich betrachtet Berührungspunkte<br />

des Sozialrechts<br />

mit dem Mobbingrechtsschutz,<br />

etwa wenn Mobbing zu Berufskrankheit<br />

oder <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />

führt, oder es zu Entschädi-<br />

gungsleistungen kommt. Im Anhang<br />

finden sich ergänzend<br />

aktuelle Urteile zum Thema<br />

Mobbing sowie eine ausführliches<br />

Literaturverzeichnis.<br />

(Red.)<br />

50 Jahre B<strong>und</strong>esarbeitsgericht.<br />

Hartmut Oetker, Ulrich<br />

Preis, Volker Rieble.<br />

Verlag C.H. Beck 2004. 1417<br />

Seiten Preis: 198. EUR.<br />

Im Mai 2004 feierte das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht<br />

den 50. Jahrestag<br />

seiner Errichtung. Aus<br />

diesem Anlass haben sich 70<br />

Autoren zusammengef<strong>und</strong>en,<br />

um zu aktuellen Problemen des<br />

<strong>Arbeit</strong>srechts Stellung zu nehmen<br />

<strong>und</strong> hierbei auch den Beitrag<br />

des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts<br />

<strong>für</strong> die Entwicklung der <strong>Arbeit</strong>srechtsordnung<br />

zu würdigen.<br />

Die in der Festschrift zusammengefassten<br />

Beiträge wurden<br />

von namhaften <strong>Arbeit</strong>srechtlern<br />

verfasst. Neben <strong>Arbeit</strong>srechtwissenschaftlern<br />

zählen insbesondere<br />

auch Vertreter der arbeitsrechtlichen<br />

Praxis zu den<br />

Autoren. Hierzu gehören nicht<br />

nur Repräsentanten der Fachanwaltschaft<br />

<strong>und</strong> der Verbände,<br />

sondern auch Unternehmensjuristen.<br />

Das Werk wendet sich an alle<br />

Interessierten, die sich mit arbeitsrechtlichenFragestellungen<br />

auseinandersetzen, insbesondere<br />

Personen aus der arbeitsrechtlichen<br />

Praxis. (Red.)<br />

Taschenlexikon mobil – dier<br />

<strong>Arbeit</strong>sschutz-Software <strong>für</strong><br />

Mobilcomputer Wegweiser<br />

Gefahrstoffe 7.0 – alle aktuellen<br />

Gr<strong>und</strong>daten <strong>und</strong> Einstufungen.<br />

Version 7.0. Universum<br />

Verlag Wiesbaden.<br />

Preis 36,50 EUR<br />

Mit dem Taschenlexikon mobil<br />

macht Universum das <strong>Arbeit</strong>sschutzwissen<br />

nun auch <strong>für</strong> mo-


ile Computer, so genannte<br />

PDAs oder Handhelds, zugänglich.<br />

Der in der Praxis bewährte<br />

Wegweiser Gefahrstoffe ist in<br />

der Version 7.0 auf CD-ROM<br />

erschienen. Alle Stoffangaben<br />

wurden auf ihre Aktualität<br />

geprüft <strong>und</strong> entsprechend neuer<br />

Regelungen ergänzt. Wichtige<br />

Aktualisierungen betraffen in<br />

dieser Ausgabe insbesonder die<br />

TRGS 900 <strong>und</strong> TRGS 905. Die<br />

Anwendung enthält somit wieder<br />

alle relevanten <strong>und</strong> aktuellen<br />

Informationen zu über 3800<br />

Gefahrstoffen, mehr als 5800<br />

Synonymen <strong>und</strong> deren Einstufungen.<br />

Die Gefahrstoffinformationen<br />

lassen sich schnell <strong>und</strong> komfortabel<br />

anzeigen, ausdrucken<br />

<strong>und</strong> bieten die Vorraussetzung<br />

<strong>für</strong> den sicheren Umgang mit<br />

Gefahrstoffen, die Festlegung<br />

technischer <strong>und</strong> persönlicher<br />

Schutzmaßnahmen, die Genehmigung<br />

von Anlagen, den<br />

Brand- <strong>und</strong> Explosionsschutz,<br />

den Gewässerschutz <strong>und</strong> die <strong>Arbeit</strong>splatz-Konzentrationsmessungen.<br />

NEWS & SERVICE<br />

Zu jedem Stoff werden unter<br />

anderm die R- <strong>und</strong> S-Sätze, Gefahrensymbole<br />

sowie Hinweise<br />

auf MAK, TRK <strong>und</strong> BAT angezeigt.<br />

Außerdem enthalten sind<br />

die aktuellen Luftgrezwerte (TA<br />

Luft) Aggregatzustände, Wasserlöslichkeiten,<br />

Angaben zur Entzündlichkeit<br />

<strong>und</strong> EWG-Nummern.<br />

Die CD-ROM erlaubt<br />

eine komfortable Suche der<br />

Stoffe sowohl über die Stoffbezeichnung/Synonym<br />

als auch<br />

über die CAS-, Index-, UN- oder<br />

EWG-Nummer. (Red.) ■<br />

�� Neues Veröffentlichungsorgan <strong>für</strong> Informationen aus dem <strong>B<strong>und</strong>esministerium</strong> <strong>für</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziale Sicherung<br />

Mit der Neuorganisation der B<strong>und</strong>esministerien hat das<br />

<strong>B<strong>und</strong>esministerium</strong> <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziale<br />

Sicherung das „Gemeinsame Ministerialblatt“ als<br />

künftiges Veröffentlichungsorgan ausgewählt. Wenn Sie<br />

künftig an Informationen aus dem Bereich des BMGS<br />

interessiert sind, können sie diese Publikation beim<br />

Carl-Heymanns-Verlag <strong>für</strong> jährlich 29 Euro bestellen.<br />

Adresse:<br />

Carl Heymanns Verlag<br />

Luxemburger Straße 449<br />

50939 Köln<br />

Tel: 02 21-9 43 73-0<br />

Fax: 02 21-9 43 73-90<br />

www.carl-heymanns-verlag.de<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

29


NEWS & SERVICE<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong><br />

Herausgeber<br />

<strong>B<strong>und</strong>esministerium</strong> <strong>für</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

(BMWA), Scharnhorststraße 34-37, 10115 Berlin<br />

Internet: http://www.bmwa.b<strong>und</strong>.de<br />

V.i.S.d.P.<br />

Susanne Gasde<br />

<strong>B<strong>und</strong>esministerium</strong> <strong>für</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

(BMWA), 11019 Berlin<br />

Redaktion<br />

Heike Helfer (Leitung), Thomas Gitt<br />

BMWA, 11019 Berlin<br />

<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong>@bmwa.b<strong>und</strong>.de<br />

Autoren <strong>und</strong> Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />

Silke Gülker, Projektleiterin beim Institut <strong>für</strong> Organisationskommunikation,<br />

Alexander Kritikos, Europa-<br />

Universität Viadrina, Frankfurt/Oder, Frank Wießner,<br />

Institut <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong> Berufsforschung, Nürnberg<br />

Verlag<br />

W. Kohlhammer GmbH, 70549 Stuttgart,<br />

Telefon (0711) 7863-7299, Telefax (0711) 7863-8434,<br />

Internet: http://www.<strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong>.de<br />

Satzherstellung / Druck<br />

SZ Offsetdruck-Verlag,<br />

Herbert W. Schallowetz GmbH, Sankt Augustin<br />

Grafiken<br />

IFOK, IAB<br />

Bezug<br />

Das B<strong>und</strong>esarbeitsblatt erscheint monatlich.<br />

Das Jahresabonnement kostet 2004 EUR 114,30<br />

(zzgl. Versandkosten EUR 6,15);<br />

das Einzelheft EUR 12,60 zzgl. Versandkosten.<br />

Die angegebenen Preise enthalten<br />

die z.Z. geltende Mehrwertsteuer.<br />

Bestellungen <strong>und</strong> Abbestellungen (sechs Wochen vor<br />

Jahresende) sind an den Verlag zu richten.<br />

Die Zeitschrift kann auch<br />

über den Buchhandel bezogen werden.<br />

Anzeigenmarketing<br />

Verlag W. Kohlhammer GmbH, 70549 Stuttgart,<br />

Telefon (0711) 7863-7260, Telefax (0711) 7863-8393<br />

30 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 6-2004<br />

Kohlhammer<br />

Lauterbach<br />

Unfallversicherung –<br />

Sozialgesetzbuch VII<br />

4. völlig neu bearbeitete Auflage<br />

Loseblattausgabe<br />

Ca. 4.652 Seiten, incl. 3 Ordner. 1 170,–<br />

ISBN 3-17-018010-X<br />

Kohlhammer Kommentare<br />

In langjähriger Kommentierungspraxis hat sich<br />

das Werk zum großen Spezialkommentar <strong>für</strong> die<br />

gesetzliche Unfallversicherung unter Einbeziehung<br />

aller relevanten Nebenvorschriften entwickelt.<br />

Das ständig aktualisierte Werk wird so<br />

den Ansprüchen von Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis<br />

gerecht. Aktuelle Informationen <strong>und</strong> eine ausgewogene<br />

Rechtsinterpretation haben dem<br />

Werk das Ansehen eines Standard-Kommentars<br />

verliehen. Die hochkarätigen Verfasser stammen<br />

aus der gesetzlichen Unfallversicherung <strong>und</strong><br />

verfügen über langjährige Erfahrung, die auf<br />

diese Weise dem Benutzer zugute kommt.<br />

Begründet von Dr. Herbert Lauterbach (†) <strong>und</strong><br />

Dr. Friedrich Watermann.<br />

Fortgeführt von Dr. Joachim Breuer, Hauptgeschäftsführer<br />

des Hauptverbandes der gewerblichen<br />

Berufsgenossenschaften (Herausgeber)<br />

<strong>und</strong> Mitgliedern aus dem Kreis der Versicherungsträger<br />

<strong>und</strong> ihrer Verbände.<br />

www.kohlhammer.de<br />

W. Kohlhammer GmbH · 70549 Stuttgart

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