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AUFBRECHEN Warum wir eine Exzellenzgesellschaft ... - jumpxs

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Viele Kunden schauen sich im Buchladen alles schön an, fleddern Bücher, fassen alles an – und gehen<br />

wieder nach Hause, um die ausgesuchten Bücher im Internet zu bestellen. Die Bücher kommen frei Haus.<br />

Die Kunden schauen sich generell Markenartikel im Laden an, probieren die Größen der Textilien, lassen<br />

alles in der Kabine liegen und bestellen im Internet. Sie gehen in Möbelhäuser und lassen sich reihum<br />

fünfmal von Innenarchitekten <strong>eine</strong> Küche entwerfen, wählen die schönste aus und kaufen sich die Teile in<br />

<strong>eine</strong>m schwedischen Möbelhaus.<br />

Die Markenkaufhäuser müssen nun für jeden verkauften Artikel mehrmals beraten. Das macht die<br />

Waren im Kaufhaus teurer. Dadurch <strong>wir</strong>d der Preisabstand zum Internet größer. Nun kaufen immer mehr im<br />

Internet, die Markenkaufhäuser sterben.<br />

Die Dienstleistungen sterben, weil <strong>wir</strong> sie durch solches unethisches Verhalten erschleichen. Wir<br />

honorieren die Dienstleistungen und die Beratung nicht mehr durch <strong>eine</strong>n Kauf.<br />

Machen Sie so etwas auch? Dann sind auch Sie <strong>eine</strong>r der Totengräber der<br />

Dienstleistungsgesellschaft.<br />

»Ich bin zu zehn Banken gegangen und habe den Kleinkredit verhandelt. Dann <strong>eine</strong> zweite<br />

Runde, bei der ich sie gegeneinander ausgespielt habe. Dadurch habe ich in zwanzig Verhandlungen ein<br />

halbes Prozent raushandeln können.« Zählen Sie einmal mit, wie viele Minuten zu ein bis zwei Euro<br />

Kosten so <strong>eine</strong> Totengräberei erzielt hat? Deshalb werden Kredite bald von Computern vergeben. Und<br />

deshalb <strong>wir</strong>d bald niemand mehr mit Ihnen viel reden, Ihr Arzt nicht, Ihr Scheidungsanwalt nicht – k<strong>eine</strong>r.<br />

Sie bezahlen es ja nicht. Ein Kassenarzt bekommt pro Patient und Quartal pauschal um die 40 Euro. Wie<br />

lange sollte er mit Ihnen reden, wenn die Praxis insgesamt etwa 2,50 Euro die Minute kostet? 220 Tage im<br />

Jahr Praxis mal 8 Stunden mal 60 Minuten = 105600 Minuten; <strong>eine</strong> Praxis hat durchschnittlich etwa 230000<br />

Euro Umsatz im Jahr. Was also verlangen Sie für 40 Euro im Quartal? »Ich verlange, dass der Arzt<br />

ausgiebig Zeit für mich hat. Sonst gehe ich zu <strong>eine</strong>m anderen. Ich lasse mich übrigens kaum jemals ohne<br />

<strong>eine</strong> zweite Meinung behandeln.« 40 Euro aber sind 16 Minuten pro Quartal.<br />

Und gerade als ich an diesem Abschnitt schreibe, gab es <strong>eine</strong> Diskussion vor der Sparkasse in<br />

Waldhilsbach. Jemand aus dem Gemeinderat mahnte die Bürger, die Bankdienstleistungen nicht online<br />

zu tätigen. »Lassen Sie uns alle die Überweisungen hier vom Bankangestellten ausführen. Lassen Sie<br />

uns hier Geld abheben. Dadurch hat er viel Arbeit und <strong>wir</strong> demonstrieren, dass <strong>wir</strong> ihn alle brauchen. Dann<br />

kann die Sparkasse Heidelberg die Zweigstelle hier nicht schließen.« Das hat mich fast umgehauen! Ich<br />

erklärte: »Wenn jeder hier die Überweisungen von der Bank ausfüllen lässt, dauert es immer zwei<br />

Minuten. Dann brauchen sie für den ganzen Ort doch noch <strong>eine</strong>n zweiten Angestellten, verstehen Sie<br />

das nicht?« – »Ja, klar! Wir schaffen Arbeitsplätze!« – »Liebe Leute, Sie schaffen k<strong>eine</strong> Arbeit, sondern<br />

Sie machen welche, das ist etwas anderes. Arbeit schaffen bedeutet, jemanden <strong>eine</strong> Arbeit ausführen<br />

lassen und ihn dafür bezahlen, damit er davon leben kann. Sie aber verursachen für den Angestellten da<br />

drin Mehrarbeit, ohne s<strong>eine</strong> Arbeit mit der Überweisung zu bezahlen, weil die in der Kontopauschale<br />

schon abgegolten ist. Wenn das die Sparkasse Heidelberg merkt, rechnet sie nach, dass ein Automat<br />

statt <strong>eine</strong>r Zweigstelle billiger wäre. Wenn Sie also alle hier dem Menschen da drin mehr Arbeit machen,<br />

ohne sie zu bezahlen, <strong>wir</strong>d er ineffizient und sofort entlassen. Sie vernichten also gerade <strong>eine</strong>n<br />

Arbeitsplatz und glauben, Sie erhalten ihn!« Diese ganze Argumentation habe ich mehrfach wiederholt.<br />

Ich weiß nicht genau, ob man mir geglaubt hat.<br />

Legen Sie dieses Buch einmal kurz zur Seite. Fragen Sie sich: Wie viele Jobs können durch bloße<br />

Optimierung der Auslastung und durch Kundenarbeit gestrichen werden? Ich habe k<strong>eine</strong> Zahlen zu<br />

bieten, aber wie klingt für Sie m<strong>eine</strong> intuitive Schätzung von <strong>eine</strong>m guten Drittel? Können Sie mit dieser<br />

Zahl mitgehen? Ja?<br />

Dann führe ich Sie in Gedanken an die Kasse von Lidl, REWE oder Tengelmann. Da piept es an

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