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vorhang zu - Kulturmagazin

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Penrose zaubert die zeit weg<br />

penroses Wunderland ist mit einer besichtigung<br />

seiner bewusstseinstheorie<br />

nicht fertig bereist. er wird an der biennale<br />

auch mit seiner neuesten Theorie über<br />

den «konformen zyklischen Kosmos» aufwarten.<br />

Fast wie bei alice wird hier Grosses<br />

ganz klein und Kleines ganz gross, die<br />

zeit verschwindet und unendliche Weiten<br />

tun sich auf, um plötzlich <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>schrumpfen.<br />

Von der Quantenmechanik, die sich in<br />

den kleinsten (un-)vorstellbaren Räumen<br />

abspielt, schwenkt nun der Fokus auf die<br />

unendlichen Weiten des Weltalls. es ist<br />

mittlerweile unbestritten, dass dieses sich<br />

aus einem urknall entwickelt hat. Doch<br />

sobald gefragt wird, was vor dem urknall<br />

war und was einst sein wird, wenn sich<br />

unser universum maximal ausgedehnt<br />

hat, gehen die meinungen der physiker<br />

auseinander. Roger penrose stellt sich<br />

gleich beiden meistdiskutierten Grundthesen<br />

entgegen: Weder dehne sich das universum<br />

bis <strong>zu</strong>m «Kältetod» linear aus,<br />

noch falle es irgendwann <strong>zu</strong>sammen, um<br />

sich dann erneut durch einen urknall auf<strong>zu</strong>blähen.<br />

«zyklisch» meint in seiner Theorie<br />

etwas anderes. Seine mathematischen<br />

modelle besagen, dass sich das universum<br />

so lange ausdehne, bis auch seine allerkleinsten<br />

Teile voneinander getrennt seien.<br />

materie verliere alle ihre eigenschaften,<br />

auch ihre masse. Seit einstein wissen<br />

wir, dass masse mal lichtgeschwindigkeit<br />

im Quadrat energie bedeutet. Da lichtgeschwindigkeit<br />

die einzige unverrückbare<br />

Konstante <strong>zu</strong>r zeitberechnung ist, müssen<br />

Biennale<br />

mit dem Verschwinden der masse auch<br />

energie und zeit verlustig gehen. penrose:<br />

«masselose materie ist zeitlos», und deswegen<br />

werde sich im Rentenalter unseres<br />

universums <strong>zu</strong>sammen mit der masse die<br />

zeit im nichts auflösen.<br />

er könnte die art, wie wir über unsere Welt<br />

nachdenken, grundsätzlich verändern:<br />

Sir Roger penrose. Bild zvg<br />

ein verkleinerungstrank für unser<br />

universum<br />

mit zeit und masse verliert das universum<br />

auch seinen räumlichen massstab.<br />

Das Koordinatensystem zerfällt. Die entfernung<br />

zwischen den Teilchen ist nicht<br />

mehr messbar, der Raum nicht mehr «skalierbar»,<br />

wie der mathematiker sagt. Was<br />

mathematiker machen, um einen riesigen<br />

Raum übersichtlich dar<strong>zu</strong>stellen, nämlich<br />

Schweizer Biennale <strong>zu</strong> Wissenschaft, Technik und Ästhetik 2012<br />

ez. Bereits <strong>zu</strong>m 9. Mal organisiert die Neue Galerie Luzern eine Biennale, deren wissenschaftliche<br />

Ausstrahlung weit über die Schweizer Grenzen hinausgeht und Besucher aus der ganzen Welt anzieht.<br />

Neben Roger Penrose (GB) und seinen Mitstreitern Stuart Hameroff (USA) und Vahe Gurzadyan<br />

(Armenien) sind dieses Jahr acht weitere hochrangige Wissenschaftler aus insgesamt fünf verschiedenen<br />

Ländern als Vortragende und Diskussionsgäste eingeladen.<br />

1995 ins Leben gerufen, hat die Biennale bis heute das Ziel, verschiedene naturwissenschaftliche<br />

und nicht-naturwissenschaftliche Forschungsbereiche miteinander <strong>zu</strong> konfrontieren und dadurch neue<br />

Horizonte <strong>zu</strong> eröffnen. Sie will Interessierte aus breiten Kreisen der Bevölkerung, Wissenschaftler und<br />

Studenten vieler Fach- und Kunsthochschulen ansprechen.<br />

Durch das Referendum der SVP wurden Beitragsleistungen der Stadt Luzern sistiert, die 15 Prozent<br />

des Gesamtbudgets ausmachen. Das Zurückhalten der Mittel gefährdet das Überleben und das Ansehen<br />

der Biennale.<br />

Das Grosse, das Kleine und der menschliche Geist – Teil 2: 31. März bis 2. April,<br />

Verkehrshaus Luzern. Infos und Vorverkauf: www.neugalu.ch<br />

16<br />

einfach die abstände zwischen seinen objekten<br />

<strong>zu</strong> verkürzen, das passiere nun ganz<br />

von alleine mit dem universum: alles sei<br />

extrem nah beieinander, weil es entfernung<br />

nicht mehr gebe. Das ist kein «<strong>zu</strong>sammenbrechen»<br />

des universums, es ist<br />

vielmehr so, als hätte es plötzlich einen<br />

Verkleinerungstrank getrunken. indem<br />

sich so plötzlich alle Teilchen in einem einzigen<br />

punkt konzentrieren, entsteht eine<br />

enorme energie, wo vorher Stillstand war.<br />

Wo vorher keine masse war, bündelt sich<br />

alle masse des universums. nun beginnt<br />

die zeit wieder <strong>zu</strong> arbeiten und die materie<br />

dehnt sich in einem urknall erneut aus.<br />

Der zaubertrick: nicht das universum ist<br />

in einem zyklus vergangen und entstanden,<br />

sondern die zeit hat sich quasi «neu<br />

erfunden».<br />

Wenn penroses These stimmt und das<br />

universum immer dasselbe bleibt, so sollten<br />

sich in der kosmischen hintergrundstrahlung<br />

hinweise dafür finden, dass es<br />

schon vor dem urknall da war. Diese glaubt<br />

penrose <strong>zu</strong>sammen mit dem Kosmologen<br />

Vahe Gurzadyan entdeckt <strong>zu</strong> haben: ringförmige<br />

Strukturen, die auf die Kollision<br />

von schwarzen löchern hinweisen. Fast<br />

einhellig jedoch führen Forschungskollegen<br />

die Ringe auf nebeneffekte heutiger<br />

messmethoden <strong>zu</strong>rück. in einigen Jahren<br />

werden neue Daten vorliegen und penrose<br />

wird erneut herausgefordert sein, sie in<br />

seinem Sinne <strong>zu</strong> interpretieren.<br />

Der «verrückte hutmacher» in alices<br />

Wunderland bringt durchgedrehte ideen<br />

unter seinem hut hervor. aber das ist nicht<br />

alices, das ist penroses Wunderland. Der<br />

hut, aus dem er seine ideen wie weisse Kaninchen<br />

zieht, hat noch die eine oder andere<br />

überraschung parat. penrose könnte<br />

die art, wie wir über unsere Welt nachdenken,<br />

grundsätzlich verändern.<br />

* Auf eine genaue Erläuterung der Begriffe «Orch-<br />

OR»-Theorie und «konformer zyklischer Kosmos»<br />

wurde der Einfachheit halber hier verzichtet. Nach<strong>zu</strong>lesen<br />

sind Penroses Thesen in seinen empfehlenswerten<br />

populärwissenschaftlichen Büchern:<br />

- Das Große, das Kleine und der menschliche Geist.<br />

Spektrum, Heidelberg 2002.<br />

- Zyklen der Zeit. Eine neue ungewöhnliche Sicht<br />

des Universums. Spektrum, Heidelberg 2011.

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