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Heft 2/2006 – 13. Jahrgang WundForum - Hartmann

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<strong>WundForum</strong><br />

Das Magazin für Wundheilung und Wundbehandlung <strong>Heft</strong> 2/<strong>2006</strong> <strong>–</strong> <strong>13.</strong> <strong>Jahrgang</strong><br />

Forschung<br />

Behandlung infizierter<br />

und infektionsgefährdeter<br />

Wunden<br />

Titelthema<br />

Differenzialdiagnostische<br />

Aspekte des Ulcus cruris<br />

ISSN 0945-6015<br />

B 30725 F<br />

Kasuistik<br />

Das intraoperative<br />

Dekubitusrisiko bei<br />

Alterspatienten<br />

Praxiswissen<br />

Die korrekte Auswahl von<br />

Wundauflagen: Grundlage<br />

für den Therapieerfolg<br />

50. Ausgabe


Inhalt<br />

Im Focus<br />

50 Ausgaben <strong>WundForum</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

Rechtsprechung:<br />

Wissenschaftlich fundierte Therapie<br />

contra „Superheilmittel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Kurzmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Buchtipp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

Titelthema<br />

Differenzialdiagnostische Aspekte<br />

des Ulcus cruris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

Forschung<br />

Behandlung infizierter und<br />

infektionsgefährdeter Wunden . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

Kasuistik<br />

Das intraoperative Dekubitusrisiko<br />

bei Alterspatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

Reinigung eines kavitären Dekubitus<br />

mit TenderWet active cavity . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

Praxiswissen<br />

Die korrekte Auswahl von Wundauflagen:<br />

Grundlage des Therapieerfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Titelbild:<br />

Elektronenmikroskopische Aufnahme von roten Blutkörperchen<br />

(Erythrozyten) in einer Kapillare, dem kleinsten Typ eines Blutgefäßes.<br />

Falschfarbendarstellung in circa 3600facher Vergrößerung.<br />

Editorial<br />

Verehrte Leserinnen und Leser,<br />

als Mitglied des Expertenbeirates habe ich mit besonderer<br />

Freude der Bitte entsprochen, für die 50. Ausgabe<br />

unseres <strong>WundForum</strong> das Vorwort zu schreiben.<br />

Im Frühjahr 1994 erschien die erste Ausgabe dieser<br />

Zeitschrift, die sich nun bereits im <strong>13.</strong> Jahr als Periodikum<br />

erfolgreich bewährt hat und von einem beachtlich<br />

großen und treuen Leserkreis geschätzt wird.<br />

Die Thematik ist noch immer von großer Aktualität,<br />

breit gefächert und verständlich dargestellt<br />

sowie didaktisch ausgezeichnet aufbereitet. Moderne<br />

Wundbehandlungskonzepte, wie z. B. die feuchte<br />

Wundbehandlung und der gezielte Einsatz interaktiver<br />

Wundauflagen, aber auch operative Maßnahmen<br />

werden schwerpunktmäßig besonders hervorgehoben.<br />

Das hat einen unschätzbaren informativen und praxisrelevanten<br />

Wert, da die Grundprinzipien moderner und<br />

bewährter Wundbehandlungsmaßnahmen teilweise<br />

leider nur unzureichend berücksichtigt werden, obwohl<br />

gerade die Behandlung von Problemwunden eine<br />

spezielle Herausforderung für Ärzte und Pflegekräfte<br />

darstellt und fundierte Kenntnisse und entsprechende<br />

Erfahrungen erfordert.<br />

Das <strong>WundForum</strong> hat der Problemwunde immer<br />

einen hohen Stellenwert beigemessen. Folgerichtig<br />

finden sich auch in dieser Jubiläumsausgabe wichtige<br />

und interessante Beiträge über die Behandlung infizierter<br />

und infektionsgefährdeter Wunden, über das<br />

Dekubitusrisiko sowie eine ausführliche Zusammenstellung<br />

über differenzialdiagnostische Aspekte des<br />

Ulcus cruris.<br />

Durch die praxisrelevante Wissensvermittlung ist<br />

das <strong>WundForum</strong> nicht nur für den wissenschaftlich<br />

interessierten oder praktisch tätigen Arzt, sondern<br />

besonders für die Vielzahl von Schwestern und Pflegern,<br />

die täglich mit den Fragen und Problemen der<br />

Wundbehandlung konfrontiert werden, eine wichtige<br />

Informationsquelle.<br />

Aus Anlass des Erscheinens der 50. Ausgabe ist es<br />

mir ein Bedürfnis, dem Herausgeber und der Redaktion<br />

zu gratulieren und zu danken. Dank auch den zahlreichen<br />

Autoren, die durch interessante und fachkompetente<br />

Beiträge wesentlichen Anteil am Erfolg dieser<br />

Zeitschrift gehabt haben. Dem <strong>WundForum</strong> wünsche<br />

ich noch viele erfolgreiche Ausgaben.<br />

Ihr<br />

Prof. Dr. med. Helmut Winter<br />

Im Focus<br />

Prof. Dr. Helmut Winter<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

3


Im Focus<br />

Die erste Ausgabe<br />

des HARTMANN<br />

<strong>WundForum</strong> erschien<br />

im Februar 1994.<br />

4 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

<strong>WundForum</strong> intern<br />

Auch nach 50 Ausgaben noch<br />

kein bisschen müde<br />

Nach inzwischen immerhin zwölfeinhalb Jahren ist<br />

das vorliegende <strong>Heft</strong> die 50. Ausgabe unseres speziellen<br />

Magazins für Wundheilung und Wundbehandlung,<br />

und die darin regelmäßig dokumentierte Thematik hat<br />

bei den fast 20.000 Abonnenten offenbar nichts an Aktualität<br />

eingebüßt. Mit dafür gesorgt haben in all den<br />

Jahren die Mitglieder des <strong>WundForum</strong>-Expertenbeirats<br />

aus Wissenschaft, medizinischer Praxis und Pflege, von<br />

denen vier unser Periodikum von Anfang an begleiten.<br />

Herausgeber und Redaktion danken allen, die als Autoren<br />

und Ratgeber oft über Jahre hinweg das Niveau<br />

des <strong>WundForum</strong> mitbestimmt haben.<br />

Anfang 1994 wurde eine schon lange diskutierte<br />

Idee erfreuliche Realität: Mit dem HARTMANN Wund-<br />

Forum erschien das in seiner Art erste deutschsprachige<br />

Periodikum, das sich ausschließlich mit Fragen der<br />

Wundheilung und der Wundbehandlung auseinander<br />

setzte. Autoren waren u. a. der leider früh verstorbene<br />

Karel M. Sedlarik, der als Titelthema eine Arbeit<br />

über die Prozesse der Wundheilung beisteuerte. Hans<br />

Lippert aus Magdeburg und Axel Kramer von der Uni<br />

Greifswald lieferten eine kritische Betrachtung über<br />

die lokale Anwendung von Antiseptika anstatt Antibiotika<br />

in der Chirurgie und auch Helmut Winter von<br />

der Berliner Charité war mit einem reich illustrierten<br />

Beitrag über die Wundkonditionierung mit Calciumalginat-Kompressen<br />

nach Hauttumoroperationen bei<br />

der Premiere dabei.<br />

Sedlarik, Lippert und Winter gehörten auch dem<br />

ersten Expertenbeirat an, der seinerzeit noch durch<br />

Dagmar Berg, Ulm, Günter Germann, Ludwigshafen,<br />

Friedhelm Lang, Leonberg, Jörg Schulz, Berlin-Buch,<br />

und Wolfgang Vanscheidt aus Freiburg ergänzt wurde.<br />

Vier von ihnen stehen dem <strong>WundForum</strong><br />

heute noch mit ihrem professionellen<br />

Rat und als<br />

Autoren zur Seite, neu hinzugekommen sind Barbara<br />

Nusser und der uns allen als engagierter <strong>WundForum</strong>-<br />

Autor seit langem vertraute Walter O. Seiler aus Basel.<br />

Das <strong>WundForum</strong> nimmt diese Jubiläumsausgabe<br />

zum Anlass, die aktuellen Mitglieder des Expertenbeirats<br />

unter Nennung der Schwerpunkte ihrer praktischen<br />

und wissenschaftlichen Tätigkeit kurz vorzustellen.<br />

Prof. Dr. med. Günter Germann<br />

Professor Germann ist sowohl Facharzt für Chirurgie<br />

als auch für Plastische Chirurgie und seit 1993 Chefarzt<br />

der Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive<br />

Chirurgie <strong>–</strong> Schwerbrandverletztenzentrum <strong>–</strong> der Berufsgenossenschaftlichen<br />

Unfallklinik Ludwigshafen.<br />

Nach seinem Medizinstudium an den Universitäten<br />

Düsseldorf und Mainz war er als Medizinalassistent<br />

und Oberarzt an verschiedenen Kliniken in Deutschland<br />

und über ein Stipendium auch an der Southern Illinois<br />

University in Springfield/USA tätig. Im Jahr 1998 wurde<br />

er zum Honorarprofessor der Universität Heidelberg<br />

bestellt, wo er seither den Lehrstuhl für Plastische und<br />

Handchirurgie vertritt. Die von ihm geleitete Klinik in<br />

Ludwigshafen gehört inzwischen zu den größten Einrichtungen<br />

ihrer Art weltweit. Ein Team aus 28 Ärzten<br />

vertritt dort das gesamte Spektrum der Plastisch-Ästhetischen,<br />

Rekonstruktiven und Handchirurgie sowie die<br />

Behandlung schwer Brandverletzter.<br />

Günter Germann ist Mitglied zahlreicher nationaler<br />

und internationaler Fachgesellschaften, der Deutschen<br />

Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen<br />

Chirurgen, der Deutschen Gesellschaft für<br />

Chirurgie, der American Society of Plastic Surgery und<br />

der American Society of Reconstructive Microsurgery.<br />

Zum Expertenbeirat des <strong>WundForum</strong> gehört er von<br />

Anfang an.<br />

Friedhelm Lang<br />

Friedhelm Lang vertritt im Expertenbeirat unseres<br />

Magazins schon seit der ersten Ausgabe mit großem<br />

Engagement den Bereich der Pflege. Er ist examinierter<br />

Krankenpfleger mit der Zusatzqualifikation zum<br />

OP-Fachpfleger und leitet seit 1986 die Abteilung<br />

Allgemein-, Gefäß- und Unfallchirurgie am Kreiskrankenhaus<br />

Leonberg, wo er aufgrund seiner reichen<br />

praktischen Erfahrung auch eine fachübergreifende<br />

Beraterfunktion in allen Fragen des Wundmanagements<br />

wahrnimmt.<br />

Friedhelm Lang war Gründungsmitglied des Deutschen<br />

Verbandes für Gipspfleger und der Deutschen<br />

Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung<br />

e. V. (DGfW) und hat sich durch zahlreiche Veröffentlichungen<br />

sowie durch seine Dozententätigkeit, unter<br />

anderem an der Heidenheimer Akademie für Wundmanagement,<br />

einen Namen als anerkannter Wundexperte<br />

gemacht. Über spezielle Kenntnisse verfügt er


insbesondere in der Behandlung und Dokumentation<br />

von chronischen und septischen Wunden mit problematischem<br />

Heilungsverlauf.<br />

Prof. Dr. med. Hans Lippert<br />

Professor Lippert ist im Expertenbeirat ebenfalls ein<br />

Mann der ersten Stunde. In seiner beruflichen Laufbahn<br />

hatte er zunächst ein Krankenpflegepraktikum in<br />

Neustrelitz absolviert, um 1965-1971 ein Medizinstudium<br />

an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald<br />

anzuschließen. An der dortigen Chirurgischen Klinik<br />

war Hans Lippert dann acht Jahr als Assistenzarzt tätig,<br />

erwarb in dieser Zeit den Facharzt für Chirurgie und<br />

habilitierte sich zum Dr. sc. med. Ab dem Jahr 1979<br />

wirkte er als Oberarzt an der Chirurgischen Klinik der<br />

Berliner Charité, deren kommissarischer Direktor er von<br />

1992 bis 1993 war. Seit April 1993 ist Professor Lippert<br />

Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Magdeburg<br />

und seit Anfang 2002 Ärztlicher Direktor der<br />

Medizinischen Fakultät. Unseren Abonnenten ist Hans<br />

Lippert als Autor zahlreicher Studien und Publikationen,<br />

unter anderem zur Thrombo-Embolie-Prophylaxe,<br />

zur Wundbehandlung, zur Sepsis und zur Antibiotika-<br />

Problematik, bekannt. Die Schwerpunkte seiner praktischen<br />

Tätigkeit sind die Leber- und Pankreaschirurgie<br />

sowie die Onko- und Transplantationschirurgie.<br />

Barbara Nusser<br />

Seit dem Jahr 2003 vertritt Barbara Nusser im Expertenbeirat<br />

insbesondere die Fachinteressen der PAUL<br />

HARTMANN AG, der Herausgeberin des <strong>WundForum</strong>.<br />

Sie ist examinierte Krankenschwester, hat sich zur<br />

Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege<br />

weitergebildet und absolvierte anschließend<br />

ein Weiterbildungsstudium „Pflegedienstleitung im<br />

Krankenhaus“ an der Fachhochschule Osnabrück. Ihre<br />

praktische Tätigkeit in der Pflege leistete sie über viele<br />

Jahre am Kreiskrankenhaus Neu-Ulm, zuletzt als Pflegedienstleiterin<br />

dieser Klinik. Seit 1991 leitet Barbara<br />

Nusser die Abteilung Medizinische Schulung bei der<br />

PAUL HARTMANN AG in Heidenheim. Durch ihren in<br />

dieser Position weltweiten Einsatz als Wundberaterin<br />

und Venenfachberaterin ist sie auch mit den internationalen<br />

Standards in der Wundbehandlung bestens<br />

vertraut.<br />

Prof. Dr. med. Walter O. Seiler<br />

Professor Seiler studierte in den 1960er-Jahren Medizin<br />

in Fribourg, Lausanne und zuletzt an der Universität<br />

Basel, wo er Anfang 1971 auch promovierte. Nach<br />

Assistenz- und Oberarzttätigkeiten in verschiedenen<br />

Schweizer Kliniken war Seiler seit 1983 leitender Arzt<br />

der Geriatrischen Universitätsklinik in Basel, im Jahr<br />

2002 wurde er zum Chefarzt a. i. bestellt. Seine Lehrtätigkeit<br />

startete er mit der Erteilung der Venia docendi<br />

im Fach Innere Medizin, 1996 erfolgte die Ernennung<br />

zum Titularprofessor.<br />

Walter O. Seiler hat sich in den letzten Jahrzehnten<br />

durch seine umfassenden Forschungsvorhaben und<br />

mit über 300 Publikationen zu den Themen Dekubitalulzera,<br />

Urogenitalsystem-Infektionen, Palliative<br />

Medizin, Wundheilung, Malnutrition sowie Delirium<br />

und Demenz international einen Namen gemacht.<br />

Seine Forschungstätigkeit führte insbesondere auch zu<br />

zahlreichen aktiven Mitgliedschaften in akademischen<br />

Gesellschaften und Organisationen.<br />

Prof. Dr. med. Helmut Winter<br />

Mit über 250 Publikationen und fast 400 Vorträgen<br />

ist Helmut Winter mit Sicherheit einer der weltweit<br />

bedeutendsten Experten in Sachen Wundbehandlung.<br />

Der emeritierte Universitätsprofessor für Dermatochirurgie<br />

hat sich als Ur-Berliner auch beruflich stets auf<br />

seine Heimatstadt konzentriert. Nach seinem Studium<br />

der Humanmedizin an der Humboldt-Universität war er<br />

als Assistenz- und Oberarzt vor allem an der Chirurgischen<br />

Klinik der Charité tätig, wo er 1970 den Facharzt<br />

für Chirurgie erwarb. Von 1979 bis 2004 leitete er den<br />

Bereich Dermatochirurgie an der Charité in Berlin,<br />

1993 wurde er zum Professor an der Humboldt-Universität<br />

bestellt. Die Schwerpunkte aus seiner praktischen<br />

Erfahrung sind die chirurgische Behandlung von benignen<br />

und malignen Tumoren der Haut, insbesondere<br />

des malignen Melanoms unter Anwendung der Sentinel<br />

Lymph Node Byopsie, die Entfernung von Naevi,<br />

Warzen, Condylomen, Molusken und Hämangiomen,<br />

Eingriffe bei Akne, Rhinophym, Hyperhidrosis axillaris,<br />

die Phlebologie, Proktologie, plastische Chirurgie, die<br />

Behandlung von Problemwunden sowie Korrekturen<br />

und Behandlung von Narben und Keloiden. �<br />

Im Focus<br />

Der Expertenbeirat des<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong>:<br />

Prof. Dr. med. Günter<br />

Germann, Friedhelm Lang,<br />

Prof. Dr. med. Hans Lippert,<br />

Barbara Nusser, Prof. Dr.<br />

med. Walter O. Seiler, Prof.<br />

Dr. med. Helmut Winter<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

5


Im Focus<br />

Über die TÜV-Zertifizierung<br />

freut sich ganz besonders<br />

Barbara Nusser, die als<br />

Leiterin der Abteilung<br />

Medizinische Schulung bei<br />

der PAUL HARTMANN AG<br />

die Akademie für Wundmanagement<br />

von Anfang<br />

an fachlich geleitet hat.<br />

Fortbildung<br />

Über 800 Fachkräfte haben bisher die Akademie<br />

für Wundmanagement (AWM) an der<br />

Berufsakademie in Heidenheim erfolgreich<br />

absolviert. Jetzt konnten die 24 Teilnehmer<br />

des letzten 6-tägigen Basisseminars (Foto<br />

6 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

Akademie für Wundmanagement<br />

jetzt TÜV-zertifiziert<br />

Die Akademie für Wundmanagement (AWM) an<br />

der Berufsakademie Heidenheim <strong>–</strong> gefördert durch<br />

die PAUL HARTMANN AG <strong>–</strong> existiert nunmehr seit<br />

neun Jahren. Bisher haben über 800 Fachkräfte dieses<br />

sehr erfolgreiche Seminar absolviert. Jetzt gibt es noch<br />

einen weiteren Erfolgsgarant <strong>–</strong> die Fortbildung zum<br />

Wundberater ist TÜV-zertifiziert. 24 Teilnehmer des<br />

6-tägigen Basisseminars haben erstmals im März <strong>2006</strong><br />

die schriftliche TÜV-Prüfung abgelegt, in der Inhalte<br />

aus allen behandelten Themengebieten abgefragt<br />

wurden. Alle Teilnehmer haben die Prüfung bestanden<br />

und können sich nun zum 2-tägigen Aufbauseminar<br />

anmelden. Zwischen Basis- und Aufbauseminar ist ein<br />

Praxisbericht zu erstellen, der ebenfalls Bestandteil der<br />

TÜV-Gesamtprüfung ist. Danach erhalten die Teilnehmer<br />

den Abschluss „geprüfte(r) Wundberater(in) AWM<br />

TÜV-zertifiziert“. Dieses TÜV-Zertifikat ist ohne zeitliche<br />

Begrenzung.<br />

Im Rahmen der Zertifizierung wurden Referentenqualifikation,<br />

Lehrplan- und Prüfungsinhalte sowie Zulassungsvoraussetzungen<br />

von der TÜV-SÜD-Akademie<br />

GmbH bewertet. Ziel der Zertifizierung ist es u. a., den<br />

Interessenten eine fundierte Entscheidungsgrundlage<br />

zu bieten, um aus dem großen Angebot von Wundbehandlungsseminaren<br />

eine Veranstaltung mit entsprechendem<br />

Abschluss aussuchen zu können.<br />

oben links) erstmals eine schriftliche Prüfung<br />

ablegen. Damit erhielten sie alle den<br />

Abschluss „geprüfte(r) Wundberater(in)<br />

AWM TÜV-zertifiziert“, was ihnen im Praxisalltag<br />

sicherlich von großem Vorteil ist.<br />

Veranstalter der Fachseminare ist die Akademie für<br />

Wundmanagement, ein gemeinnütziger Förderverein<br />

der Berufsakademie Heidenheim, gefördert durch die<br />

PAUL HARTMANN AG als Kooperationspartner. Mit<br />

dem Fachseminar wird eine interdisziplinär ausgerichtete<br />

Fortbildung für Mediziner und Pflegefachkräfte<br />

angeboten, die in kompakter Form theoretisches und<br />

praktisches Wissen über Wundheilung und Wundbehandlung<br />

vermittelt und die Seminarteilnehmer<br />

für die tägliche Praxis „fit“ macht. Das Fachseminar<br />

ist auf maximal 25 Teilnehmer beschränkt ist, um so<br />

genügend Freiraum für individuelle Fragestellungen<br />

und praktische Übungen zu haben. Die berufliche<br />

Voraussetzung für die Teilnahme ist eine mindestens<br />

dreijährige Ausbildung in einem der Berufe im Gesundheitswesen.<br />

Wünschenswert ist auch eine zweijährige<br />

Berufserfahrung im Bereich Wundbehandlung.<br />

Übrigens: alle Teilnehmer, die im Jahr 2005 ein<br />

Basisseminar absolvierten, haben die Möglichkeit,<br />

ebenfalls den Abschluss zu erhalten. Details sind zu<br />

erfragen über www.wundwoche.de �<br />

Rechtsprechung<br />

Wissenschaftlich fundierte<br />

Therapie contra „Superheilmittel“<br />

Die medizinische Wundversorgung ist eine Wissenschaft<br />

und kein Probierladen oder Versuchslabor<br />

für nicht ausgereifte Methoden. Die Gefahr nicht<br />

abgesicherter Therapien im Arzneimittelbereich hat<br />

sich unlängst dramatisch gezeigt, als Probanden einer<br />

Arzneimittelstudie erhebliche Komplikationen mit<br />

zu befürchtenden Dauerfolgen hinnehmen mussten.<br />

Auch Wunden bergen erhebliche Risiken, wie es jedem<br />

fachlich kompetenten Anwender aus der ärztlich-pflegerischen<br />

Praxis hinlänglich bekannt sein dürfte, ohne<br />

hier weitere Details aufzuzeichnen. Ein Superheilmittel<br />

existiert dabei weder für organische Erkrankungen bis<br />

hin zur Krebstherapie noch für andere Behandlungsbilder<br />

wie für Wunden. Der jeweilige Wundstatus ist<br />

pflichtgemäß zu erfassen. Dann ist die gebotene diagnostisch-therapeutische<br />

Behandlungsmaßnahme nach<br />

anerkanntem wissenschaftlichen Standard risikominimierend<br />

und schnellstmögliche Linderung und Heilung<br />

versprechend für den Patienten in Angriff zu nehmen.<br />

So weit lautet der stets einzuhaltende Standard.<br />

Entwicklungen, Berichte und Methodik<br />

Es soll nicht verkannt werden, dass die medizinische<br />

Entwicklung mit immer neuen Forschungsergebnissen<br />

keinen Stillstand erlaubt und das therapeutische Team<br />

stets gehalten ist, neue Erkenntnisse zu beobachten<br />

und diese bei hinreichender Erfolgsaussicht therapeu-


tisch in der Praxis ein- und umzusetzen. Schließlich<br />

sind ärztliche und pfl egerische Mitarbeiter, wie von<br />

der Rechtsprechung formuliert, verpfl ichtet, sich in der<br />

sachgerechten Patientenversorgung bis zur Grenze des<br />

Zumutbaren fortzubilden. Die Frage ist nur, was beachtenswerte<br />

Neuentwicklungen und ab wann und unter<br />

welchen Voraussetzungen neues Denken und Handeln<br />

angesagt sind.<br />

Die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes<br />

hat wegweisend für die therapeutische<br />

Praxis ausgeführt, dass es in der angemessenen<br />

Patientenversorgung auf „die nötige Durchsetzung<br />

des Neuen gegen das im Bisherigen Befangene“<br />

ankomme. Zur Begründung führt das höchste deutsche<br />

Gericht in Zivil- und Strafsachen hierzu aus, „das<br />

Recht habe insoweit der geschichtlichen Entwicklung<br />

der naturwissenschaftlich-medizinischen Entdeckungen<br />

Rechnung zu tragen“.<br />

Die rechtliche Vorgabe weist eindeutig den Weg<br />

einer modernen, dem heutigen wissenschaftlichen<br />

Stand entsprechenden Wundversorgung. Allein der<br />

noch oft gehörte Hinweis auf langjährige Praxis und<br />

vermeintlich gute Erfahrungen nicht evaluierter Verfahren<br />

begründet keine Rechtfertigung nicht abgesicherter<br />

Verfahren.<br />

Die einzig weiter zu erörternde Fragestellung bezieht<br />

sich darauf, wie dann heute und zukünftig mit<br />

neuen Tendenzen und aktualisierten Berichten zu neu<br />

angebotenen Verfahren umzugehen ist. Schließlich<br />

bedingt es das Medienzeitalter mit einer kaum noch<br />

zu überbietenden Fülle von Informationen, dass auch<br />

im Bereich der Wundversorgung fortlaufend eine Flut<br />

von Mitteilungen wie auch mehr oder minder fundierte<br />

Erfahrungsberichte mit Hinweis auf neue, manchmal<br />

leider auch auf überholte Erkenntnisse fl ächendeckend<br />

verbreitet wird. Da fragt sich schon, welcher Methodik<br />

in Beachtung des aktuellen wissenschaftlichen Standards<br />

zu folgen ist.<br />

Keine Irritation bei sachlicher Analyse neuer<br />

Publikationen<br />

Nicht alles was neu ist, wird dem Anspruch sicherer<br />

Versorgung gerecht. Oft verbirgt sich hinter einer neuen<br />

Veröffentlichung der Schatten der Vergangenheit.<br />

Es ist schon zu hinterleuchten, was sich im Einzelnen<br />

hinter oft spektakulär angepriesenen Methoden verbirgt.<br />

Ist es immer wissenschaftlicher Fortschritt oder<br />

manchmal nur populär verpackte Pseudowissenschaft?<br />

Ein Beispiel für ein nicht immer angeratenes Umsetzen<br />

zeigt der in der Rubrik Medizin jüngst veröffentlichte<br />

Beitrag eines renommierten deutschen Nachrichtenmagazins,<br />

das für sich den Anspruch für die Verbreitung<br />

informativer Fakten vorgibt: Unter Berufung auf<br />

einen neuseeländischen Biochemiker wird dort als besonders<br />

wirksam von Teebäumen gewonnener Honig<br />

als Superheilmittel dargestellt, das „als Wundaufl age<br />

genutzt das chemisch aggressive Wasserstoffperoxyd<br />

freisetze, das selbst antibiotikaresistente Bakterien<br />

töte und so Infektionen lindere. Der Biochemiker habe<br />

bei einer Analyse mehrerer Studien, bei der mehr als<br />

2.000 Patienten mit dem süßen Stoff behandelt wurden,<br />

herausgefunden, dass Honig Wunden oft besser<br />

heilen könne als manches herkömmliche Medikament<br />

…“ (FOCUS 16/<strong>2006</strong>, S. 13). Dieser Artikel hatte alsbald<br />

einen neuen Informationen aufgeschlossenen<br />

Therapeuten fast schon in Versuchung geführt, die<br />

bislang ohne wissenschaftlichen Nachweis dastehende<br />

alternative Natur- und Hausmittelversorgung wieder<br />

in das therapeutische Spektrum einzufügen. Zunächst<br />

war der Wundtherapeut nur von dem besagten Freisetzen<br />

von Wasserstoffperoxyd durch Honig verunsichert<br />

worden, was allein schon in Fachkreisen erhebliche<br />

Diskussion auszulösen vermag. Auch sei Skepsis bei<br />

dem Testat der Linderung von Infektionen erlaubt, was<br />

auch alles damit gemeint sein solle. Letztlich ist festzustellen,<br />

dass Hinweise auf neue Erfahrungen und vermeintliche<br />

Ergebnisse wie hier am Beispiel des Honigs<br />

dargestellt keinen Anspruch auf anerkanntes Wissen,<br />

denn auf medizinischen Fortschritt nach evaluierten<br />

Verfahren mit der Berechtigung eines praktischen Einsatzes<br />

in der Wundversorgung haben können. Hierzu<br />

wird auf nachfolgenden Prüf- und Maßnahmenkatalog<br />

verwiesen, der die Mindestanforderungen für den<br />

Einsatz medizinisch-therapeutisch indizierter Maßnahmen<br />

aufzeigt, soweit es sich nicht um den mehr oder<br />

minder verzweifelten Versuch handelt, Problemfälle<br />

alternativ zu versorgen, in denen die wissenschaftlich<br />

anerkannten Maßnahmen wegen der aussichtslosen<br />

und schicksalhaften Situation des Patienten keine Hilfe<br />

bieten konnten:<br />

CD-Tipp<br />

HARTMANN medical edition <strong>–</strong><br />

drei Ausgaben zum Wundmanagement<br />

auf einer CD-ROM<br />

Die HARTMANN medical editionen sind seit Jahren ein<br />

attraktiver Bestandteil des Fort- und Weiterbildungsangebotes<br />

von HARTMANN und werden in der Praxis mit sehr guter Resonanz<br />

genutzt. „Bestseller“ sind dabei die drei <strong>Heft</strong>e, die sich<br />

mit dem komplexen Thema der Wundheilung und Wundbehandlung<br />

beschäftigen. Für alle Interessierten stehen diese Editionen<br />

komplett auf einer CD-ROM zur Verfügung, die kostenlos<br />

bei der HARTMANN Kundenbetreuung angefordert werden<br />

kann. Alle drei HARTMANN medical editionen <strong>–</strong> „Kompendium<br />

Wunde und Wundbehandlung“, „Die phasengerechte Wundbehandlung<br />

des Ulcus cruris venosum“ und „Die phasengerechte<br />

Wundbehandlung des Dekubitalulkus“ <strong>–</strong> wurden 2005<br />

vollständig überarbeitet. Sie vermitteln umfangreiches Basiswissen<br />

und stellen zeitgemäße Behandlungsmöglichkeiten<br />

übersichtlich dar.<br />

Im Focus<br />

Ein Beitrag von<br />

Hans-Werner Röhlig,<br />

Oberhausen<br />

Die CD-ROM ist kostenlos<br />

erhältlich bei der Kundenbetreuung<br />

der PAUL HART-<br />

MANN AG, Postfach 1420,<br />

89504 Heidenheim, E-Mail<br />

customer.care.center@<br />

hartmann.info<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

7


Im Focus<br />

Kongresse und Fortbildungen<br />

8 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

� Zugang zum Einsatz in der Wundversorgung haben<br />

bei evaluiertem Nachweis der Förderung der Wundheilung<br />

ausschließlich zugelassene Arzneimittel und<br />

Medizinprodukte.<br />

Unter die Rubrik der zugelassenen Therapeutika fallen<br />

damit schon begrifflich nicht z. B. Melkfett und<br />

Lebensmittel wie Zucker, Honig etc. Lediglich klarstellend<br />

sei vermerkt, dass auf dem Markt CE-zertifizierter<br />

Medizinprodukte eine Wundauflage auf Basis<br />

von Honig nicht zugelassen ist. Ein Vergleich der Beigabe<br />

von Honig mit in der Wirksamkeit anerkannten<br />

silberhaltigen Wundauflagen ist weder möglich noch<br />

zulässig, da für Lebensmittel wie Honig etc. validierte<br />

und evaluierte Verfahren arzneimittel- und medizinprodukterechtlich<br />

und -technisch nicht vorliegen.<br />

(Es wäre schließlich auch nicht akzeptabel, statt<br />

einer silberhaltigen CE-zertifizierten Wundauflage<br />

eine sonstige Wundauflage unter Beigabe einer silberhaltigen<br />

alten 5-DM-Münze oder eines silbernen<br />

Kaffeelöffels zu verwenden.)<br />

� Der im therapeutischen Spektrum zu erbringende<br />

evaluierte Nachweis der Förderung der Wundheilung<br />

setzt eine auf objektivierbare Daten gestützte<br />

anerkannte wissenschaftliche Begutachtung voraus.<br />

Fragen Sie bei Produkten der Wundversorgung,<br />

insbesondere bei innovativen Produkten nach,<br />

aus welchen vergleichenden Untersuchungen und<br />

Studien der Nachweis der spezifisch beschriebenen<br />

Wirksamkeit des Produkts hergeleitet wird. Das angeführte<br />

Beispiel des als Superheilmittel beschriebenen<br />

Honigs weist hier schon erhebliche Defizite auf,<br />

die den kritischen Therapeuten pflichtgemäß zum<br />

Verzicht auf ein nicht nachweislich abgesichertes<br />

Konzept bewegen werden und müssen: Was beweist<br />

allein die Analyse mehrerer Studien über mit Honig<br />

behandelter Patienten? Welche Art von Wundver-<br />

6. Dresdner Symposium „Ästhetisch-Plastische Medizin“<br />

Dresden, 16.-17.6.<strong>2006</strong><br />

Auskunft: Heine & Böhm GmbH, F.-C.-Weiskopf-Platz 2, 01187 Dresden, Telefon: 0351-471 33 13,<br />

Fax: 0351-4 72 49 88<br />

7. Jahrestagung der Europäischen Wundheilungs-Gesellschaft (ETRS)<br />

Köln, 23.-26.8.<strong>2006</strong><br />

Auskunft: Universität Köln, Frau Kaser, wissenschaftliches Sekretariat, Telefon: 0221-478-4540<br />

22. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie DGG<br />

Mülheim, 6.-9.9.<strong>2006</strong><br />

Auskunft: Carlo Prätorius GmbH, Kongressorganisation, Menzelstraße 5, 81679 München,<br />

Telefon: 089-982 9320, Fax: 089-982 932 14, info@carlo-praetorius.de, www.carlo-praetorius.de<br />

48. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie<br />

Rostock, 4.-7.10.<strong>2006</strong><br />

Auskunft: Carlo Prätorius GmbH, Kongressorganisation, Menzelstraße 5, 81679 München,<br />

Telefon: 089-982 9320, Fax: 089-982 932 14, info@carlo-praetorius.de, www.carlo-praetorius.de<br />

bänden wurde bei den Vergleichsgruppen eingesetzt?<br />

Mit welchen „herkömmlichen Medikamenten“<br />

wurden die Vergleichsgruppen von Wundpatienten<br />

versorgt? Etwa mit Melkfett oder bekannten auch<br />

noch heute bekanntermaßen eingesetzten Arzneimitteln<br />

mit nicht mehr bestehender Zulassung für<br />

die Wundversorgung, die oft sogar das Komplikationsrisiko<br />

erhöhen?<br />

Die beispielhafte Erwähnung einer vermeintlichen<br />

Innovation in der Wundversorgung soll nur ansatzweise<br />

aufzeigen, wie Wundexperten auf neue und teils<br />

wiederholte alte Erfahrungsberichte und Publikationen<br />

zur als sicheren Weg beschriebenen Wundversorgung<br />

reagieren sollten. Die Kenntnis der Eckpunkte einer<br />

sicheren Versorgung und die Analyse der als fortschrittlich<br />

beschriebenen Behandlungs- und Untersuchungsparameter<br />

ist alles. Im Ergebnis gefahrträchtige<br />

Behandlungsalternativen werden ausgeschlossen,<br />

wenn man um die Chancen und Risiken einer Behandlungsmethode<br />

weiß. In Umsetzung dieses Wissens<br />

kann und wird es auch nicht zu Irritationen durch<br />

manchmal nicht nur einen Fortschritt ausweisende<br />

neue Publikationen kommen.<br />

Die Freiheit zur fehlerhaften Darstellung<br />

und zur richtigen Entscheidung<br />

Es mag dem einen oder anderen empörend erscheinen,<br />

dass und wie heute selbst in seriösen Medien<br />

teils als kritisch und im Ergebnis gefahrerhöhend zu<br />

bewertende Therapieansätze in den Blickpunkt von<br />

Anwendern und noch mehr von in der Verunsicherung<br />

lebenden Patienten gestellt werden. Doch das ist der<br />

Preis der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt in<br />

einem freien Land, das es seinen Bürgern zu Recht<br />

ermöglicht, auf alternative Methoden bis hin zum<br />

Wunderheiler auszuweichen. Es ist dabei die Aufgabe<br />

der therapeutisch fortgebildeten Wundexperten,<br />

fachlich versiert in Bewertung der objektiven Studien<br />

zu Wundversorgungssystemen Spreu von Weizen zu<br />

trennen und den Patienten die heute wissenschaftlich<br />

anerkannte sichere Versorgungsweise zuteil werden<br />

zu lassen. Hierzu wird verwiesen auf die Produktinformationen<br />

der Hersteller und die hierzu zum Nachweis<br />

der Wirksamkeit vorgelegten Studien, die nicht zuletzt<br />

auch schützend für den ärztlich-pflegerischen Anwender<br />

ein haftungsrechtliches Absicherungspotenzial im<br />

nicht auszuschließenden Komplikationsfall ausweisen.<br />

Ebenso sollte vor nicht weiter belegten Presse- und<br />

Medienberichten den in Fachzeitschriften wie dem<br />

<strong>WundForum</strong> und vergleichbaren Publikationen niedergelegten<br />

Prinzipien anerkannter Wundversorgung<br />

Vorrang eingeräumt werden. Vielleicht bedarf es auch<br />

gesellschaftspolitisch einer höheren Sensibilisierung<br />

der Patienten und ihrer Angehörigen, um das Bewusstsein<br />

für eine Gefahrerhöhung bei der Wahl zu nicht


wissenschaftlich abgesicherten alternativen Verfahren<br />

zu schärfen. Der Weg hierzu ist lang und steinig, zumal<br />

es heute manchmal noch leichter erscheint, eine<br />

Wundversorgung mit Zucker und Honig leistungsmäßig<br />

abzurechnen als eine im Einzelfall gebotene VAC-<br />

Therapie in der ambulanten Versorgung. Die Richtung<br />

ist dennoch vorgegeben, da nach der rechtlichen<br />

Position u. a. durch Vorgaben des Arzneimittel- und<br />

Medizinprodukterechts sowie durch Qualitätsprüfungen<br />

nach dem GKV-Modernisierungsgesetz und Pflegequalitätssicherungsgesetz<br />

grundsätzlich nur evaluierte<br />

Therapieverfahren und patientenbezogen abgesicherte<br />

Arzneimittel und Medizinprodukte in Vermeidung<br />

finanzieller und rechtlicher Sanktionen eingesetzt werden<br />

dürfen. Dies sollte in hoffentlich naher Zukunft das<br />

„Aus“ bedeuten für angepriesene Superheilmittel ohne<br />

hierfür erbrachten therapeutischen Nachweis und zugleich<br />

der wissenschaftlich fundierten Therapie in der<br />

Wundversorgung weiter zum Durchbruch verhelfen. �<br />

Neues Kommunikationszentrum eingeweiht<br />

Eine attraktive Visitenkarte<br />

für HARTMANN<br />

Dialog-Plattform, Veranstaltungszentrum sowie<br />

Forum zur Präsentation von Unternehmen, Marke<br />

und Produkten <strong>–</strong> all diese Funktionen deckt das neue<br />

Kommunikationszentrum von HARTMANN ab, das am<br />

7. Mai <strong>2006</strong> vom Vorstandsvorsitzenden Dr. Rinaldo<br />

Riguzzi offiziell eröffnet wurde.<br />

Für das neue Kommunikationszentrum wurde eine<br />

ehemals für die Pflasterherstellung genutzte Halle<br />

hinter dem neuen Verwaltungsgebäude umgebaut.<br />

Unter ihrem charakteristischen Industriebau-Dach<br />

(„Shed-Dach“) ist auf einer Fläche von etwa 600 Quadratmetern<br />

ein flexibel nutzbarer Raum entstanden.<br />

Die neu geschaffenen Büros im Obergeschoss bieten<br />

denjenigen Mitarbeitern Platz, die zuvor in externen<br />

Räumlichkeiten untergebracht waren. Im Erdgeschoss<br />

befindet sich der Ausstellungs-, Veranstaltungs- und<br />

Bewirtungsbereich. Flexibel abtrennbare, mit moderner<br />

Medientechnik ausgestattete Besprechungsräume<br />

an einer Seite und als Ausstellung gestaltete Wände<br />

entlang der anderen Seiten umschließen einen etwa<br />

400 Quadratmeter großen, lichtdurchfluteten Innenbereich,<br />

der ebenfalls für Veranstaltungen genutzt<br />

werden kann. Das Kommunikationszentrum ist mit<br />

dem Hauptgebäude verbunden und vom Foyer aus<br />

zugänglich.<br />

Der Bau eines Kommunikationszentrums war<br />

notwendig geworden, um eine dem Unternehmen<br />

angemessene Plattform für den Dialog mit Kunden,<br />

Besuchern und der Öffentlichkeit zu schaffen. Darüber<br />

hinaus können ab sofort auch größere Veranstaltungen,<br />

die bisher an externen Orten ausgerichtet werden<br />

mussten, am Standort der Konzernzentrale stattfinden.<br />

Die Räume sind für Veranstaltungen mit bis zu 500 Besuchern,<br />

zum Beispiel für Hauptversammlungen oder<br />

Außendiensttreffen, geeignet.<br />

Das Unternehmen legte besonderen Wert auf die<br />

Gestaltung des Ausstellungsbereichs. Er ist durchgängig<br />

zweisprachig in Deutsch und Englisch beschriftet<br />

und damit auch auf internationale Besucher zugeschnitten.<br />

Die Geschichte von HARTMANN wird mit<br />

Schautafeln, einer Hörstation und zahlreichen historischen<br />

Exponaten erlebbar gemacht, ausgewählte Produkte<br />

des heutigen Sortiments laufen über ein Band<br />

am Betrachter vorbei. Für Fachbesucher aus Medizin<br />

und Pflege wurde ein Dialogforum eingerichtet, das<br />

Möglichkeiten zur Produktdemonstration bietet. „Wir<br />

haben jetzt einen offenen Treffpunkt geschaffen, um<br />

sich zu informieren, auszutauschen oder fortzubilden“,<br />

ist Dr. Rinaldo Riguzzi überzeugt. �<br />

Im Focus<br />

HARTMANN hat ein neues<br />

Kommunikationszentrum,<br />

das als allgemeines Dialogforum<br />

und insbesondere für<br />

Fortbildungsveranstaltungen<br />

für Fachleute aus<br />

Medizin und Pflege ein<br />

neuer Mittelpunkt des<br />

Unternehmens werden soll.<br />

Es entstand in einer alten<br />

Produktionshalle, in der<br />

ehemals Pflaster gefertigt<br />

wurde und umfasst ca.<br />

600 Quadratmeter. Als<br />

„Erinnerung“ an die frühere<br />

Nutzung wurde auch das<br />

charakteristische Industriebau-Dach<br />

beibehalten (Bild<br />

Mitte), das dem Kommunikationszentrum<br />

einen besonderen<br />

Charakter verleiht.<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

9


Titelthema<br />

Diese Arbeit entstand auf<br />

der Grundlage des Buches<br />

„Ulcus cruris <strong>–</strong> Genese,<br />

Diagnostik und Therapie“<br />

(Kap. 2) von Priv.-Doz.<br />

Dr. Joachim Dissemond,<br />

UNI-Med Verlag AG, Bremen,<br />

1. Auflage 2005,<br />

ISBN 3-89599-872-9.<br />

1 2<br />

3 3<br />

1<br />

3 4<br />

Abb. 1<br />

Corona phlebectatica paraplantaris<br />

unterhalb des Malleolus medialis<br />

Abb. 2<br />

Purpura jaune d’ocre<br />

10 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

J. Dissemond, Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum Essen<br />

Differenzialdiagnostische Aspekte<br />

des Ulcus cruris<br />

Wenngleich mindestens 70 % aller Beingeschwüre ihre Ursache in einer chronischen<br />

venösen Insuffizienz haben, sind insbesondere bei therapierefraktären Verläufen<br />

stets auch Ulcera cruris nicht venöser Genese in die differenzialdiagnostischen<br />

Erwägungen einzubeziehen.<br />

Als kutanes Ulkus wird ein Gewebedefekt bezeichnet,<br />

der über die Basalmembran der Epidermis hinausreicht<br />

und durch deren irreversible Zerstörung bedingt<br />

obligat mit der Ausbildung einer Narbe abheilt. Der<br />

Terminus Ulcus cruris beschreibt ein Ulkus, das am<br />

Unterschenkel lokalisiert ist. Somit bezeichnet der Begriff<br />

Ulcus cruris lediglich ein Symptom, jedoch keine<br />

Diagnose. Erst durch einen weiteren Zusatz, wie beispielsweise<br />

Ulcus cruris venosum, kann das eigentliche<br />

Krankheitsbild beschrieben werden.<br />

Die Ursachen für die Entstehung eines Ulcus cruris<br />

können vielfältig sein. Mindestens 70 % aller Patienten<br />

mit einem Ulcus cruris leiden an einem Ulcus cruris<br />

venosum, 10 % an einem Ulcus cruris arteriosum,<br />

10 % an einem Ulcus cruris gemischt arterio-venöser<br />

Genese und knapp 10 % an einem Ulcus cruris anderer<br />

Abb. 3<br />

Atrophie blanche<br />

Abb. 4<br />

Exulzerierte Capillaritis alba<br />

Genese. Auch wenn in der Ätiologie des Ulcus cruris die<br />

venösen Gefäßerkrankungen mit Abstand dominieren,<br />

so ist doch die Kenntnis der relevanten Differenzialdiagnosen<br />

insbesondere bei therapierefraktären Verläufen<br />

von entscheidender Bedeutung. Die Einleitung<br />

einer dauerhaft erfolgreichen Therapie muss daher<br />

auf einer korrekten und umfassenden Diagnostik und<br />

den daraus resultierenden spezifischen Maßnahmen<br />

basieren.<br />

Genese chronische venöse Insuffizienz<br />

und deren klinische Stigmata<br />

Als chronische venöse Insuffizienz (CVI) wird eine<br />

persistierende Rückflussstörung des Blutes aus den<br />

peripheren in die zentralen Venen und ihre Folgeerscheinungen<br />

bezeichnet. Somit beschreibt die CVI die<br />

Unfähigkeit, nach Aktivierung der Muskelvenenpumpe<br />

einen adäquaten Druckabfall in den Venen der betroffenen<br />

Abschnitte zu bewirken. Eine CVI resultiert aus<br />

einem postthrombotischen Syndrom, einer Varikose<br />

oder einer Gefäßmalformation. Dabei spielt das postthrombotische<br />

Syndrom (PTS) bei der Mehrzahl der<br />

Patienten eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung<br />

einer CVI bzw. eines Ulkus. Nach einer Phlebothrombose<br />

entwickeln 80 % der Betroffenen eine CVI und bei<br />

mindestens 10 % wird im Laufe des Lebens ein Ulcus<br />

cruris postthromboticum auftreten.<br />

Schweregrad, Lokalisation und Bestandsdauer der<br />

venösen Rückflussstörung sowie Grad und Dauer der<br />

Belastung des Beinvenensystems bestimmen die verschiedenen<br />

klinischen Erscheinungsbilder einer CVI,<br />

die sich allmählich und stetig verstärkend ausbilden<br />

kann.<br />

Die Entwicklung einer Corona phlebectatica paraplantaris<br />

im Bereich beider Malleolen mit dem Auftreten<br />

von Phlebödemen der Unterschenkel unter Aussparung<br />

der Zehen kann als ein klinisches Zeichen einer<br />

CVI im Stadium I nach Widmer gesehen werden (Abb.<br />

1). Dahingegen sind Purpura jaune d‘ocre, Atrophie<br />

blanche, Stauungsdermatitis, Dermatoliposklerose<br />

und Akroangiodermatitis Mali Ausdruck trophischer


Störungen einer CVI im Stadium II nach Widmer.<br />

Auch aufgrund dieser typischen Stigmata kann bereits<br />

nach kurzer klinischer Inspektion ohne Vorliegen von<br />

apparativen Untersuchungsergebnissen die klinische<br />

Verdachtsdiagnose CVI gestellt werden.<br />

Purpura jaune d‘ocre<br />

Die Erstbeschreibung der Purpura jaune d‘ocre<br />

erfolgte 1924 durch Favre und 1926 durch Chaix.<br />

Daher existiert auch die synonyme Bezeichnung als<br />

Stasis-Purpura Favre-Chaix oder Favre-Chaix Syndrom.<br />

Als Prädilektionsstellen werden die Areale oberhalb<br />

des Malleolus medialis beschrieben (Abb. 2). Durch<br />

eine Ablagerung von Hämosiderin aus Erythrozyten im<br />

Extravasalraum kommt es zum Auftreten einer initial<br />

roten, später gelb-braunen Purpura. Unter einer konsequenten<br />

Kompressionstherapie ist eine meist jedoch<br />

unvollständige Rückbildung der Purpura jaune d‘ocre<br />

innerhalb von Monaten bis Jahren möglich.<br />

Atrophie blanche / Capillaritis alba<br />

Die Atrophie blanche wurde erstmalig 1929 von<br />

dem Franzosen Milian beschrieben. Im angloamerikanischen<br />

Sprachraum entspricht eine Atrophie blanche<br />

dem Krankheitsbild der Livedo-Vasculopathie und wird<br />

somit als weitestgehend unabhängig vom Auftreten<br />

einer CVI gesehen. Im deutschsprachigen Raum versteht<br />

man unter dem Begriff Atrophie blanche jedoch<br />

eine primär entzündliche Hauterkrankung im Bereich<br />

der Unterschenkel oder Fußrücken meist im Rahmen<br />

einer CVI (Abb. 3). Oft wird die Atrophie blanche in<br />

der deutschsprachigen Literatur synonym auch als<br />

Capillaritis alba bezeichnet. Die Atrophie blanche ist<br />

bei 9-38 % der Patienten mit einer CVI und bei 70 %<br />

bei Patienten mit einem Ulcus cruris venosum zu finden.<br />

Jedoch sollen auch 1-5 % der Betroffenen mit<br />

Atrophie blanche keine CVI aufweisen.<br />

Als Atrophie blanche wird eine Rarefizierung der<br />

Kapillaren und schließlich die Ausbildung einer Vernarbung<br />

beschrieben. In einer Atrophie blanche kann<br />

sowohl eine Abnahme der Sauerstoffpartialdrücke bis<br />

unter 5 mmHg als auch eine Abnahme der Kapillardichte<br />

auf 5/mm² beobachtet werden.<br />

Meist werden zwei Phasen des Krankheitsverlaufes<br />

voneinander differenziert. Initial kommt es während<br />

einer entzündlichen Phase zum Auftreten livider<br />

Erytheme, die in eine zweite atrophe Phase mit Ausbildung<br />

weißer, oft von Hyperpigmentierungen umgebener<br />

Areale übergeht. Insbesondere während der<br />

akuten Phase kann es zum Auftreten einer Exulzeration<br />

kommen (Abb. 4). Es resultieren meist bizarr konfigurierte,<br />

sehr schmerzhafte Ulzera. Als Prädilektionsstellen<br />

werden die perimalleolären Bereiche beschrieben.<br />

Somit erscheint es sinnvoll, die frühe entzündliche Phase<br />

als Capillaritis alba und die späte atrophe Phase als<br />

Ätiologie des Ulcus cruris<br />

Gefäßerkrankungen<br />

� Venen: CVI, PTS, Phlebitis, Dysplasie<br />

� Arterien: pAVK, Hypertonus, arteriovenöse<br />

Fistel, arterielle Thrombose, Embolie,<br />

Dysplasie, Thrombangiitis obliterans,<br />

Aneurysma<br />

� Lymphabflussstörung: Lymphödem,<br />

Dysplasie<br />

� Vasculitis: Erythema induratum Bazin,<br />

Lupus erythematodes, Sjögren Syndrom,<br />

Sklerodermie, Morbus Behçet, Rheumatoide<br />

Arthritis, Leukozytoklastische Vasculitis,<br />

Poyarteriitis nodosa, Wegener Granulomatose,<br />

Churg-Strauss Syndrom, Livedo-Vasculopathie<br />

� Mikroangiopathie: Diabetes mellitus<br />

Neuropathien<br />

� Peripher: Diabetes mellitus, Alkohol,<br />

Medikamente<br />

� ZNS: Tabes dorsalis, Myelodysplasie,<br />

Syringomyelie, Spina bifida, Poliomyelitis,<br />

Multiple Sklerose<br />

Metabolisch<br />

� Diabetes mellitus, Gicht, Prolidasemangel,<br />

Morbus Gaucher, Amyloidose, Kalziphylaxie,<br />

Porphyrien, Hyperhomocysteinämie<br />

Hämatologisch<br />

� Erythrozyten: Sichelzellanämie,<br />

Thalassämie, Polycythaemia vera<br />

� Leukozyten: Leukämie<br />

� Thrombozyten: Thrombozytämie<br />

� Dysproteinämien: Kryoglobulinämie,<br />

Lymphom<br />

� Gerinnung:<br />

Plasmatische Gerinnungsfaktoren (Faktor<br />

I-XIII), Gerinnungsinhibitoren (Antithrombin<br />

Atrophie blanche zu bezeichnen. Als Pseudoatrophie<br />

blanche bezeichnet man hingegen das Vorliegen einer<br />

hypopigmentierten Narbe bei abgeheiltem Ulcus cruris<br />

(Abb. 5). Eine antiinflammatorische Therapie beispielsweise<br />

mit der topischen Applikation hochpotenter<br />

Glukokortikoide ist lediglich in der initialen Phase einer<br />

Capillaritis alba wirksam und soll eine Exulzeration<br />

vermeiden. Ansonsten steht die Therapie der Grunderkrankung<br />

im Vordergrund.<br />

Stauungsdermatitis<br />

Unter einer Stauungsdermatitis versteht man das<br />

Auftreten von Ekzemen im Bereich der Unterschenkel<br />

bei Patienten mit CVI (Abb. 6). Die Stauungsdermatitis<br />

ist initial oft über insuffizienten Venen im distalen<br />

Drittel des Unterschenkels lokalisiert und klinisch kaum<br />

von einem allergischen Kontaktekzem zu differenzieren.<br />

Die Therapie basiert in einem akuten Stadium auf<br />

der topischen Applikation von Glukokortikoiden oder<br />

Titelthema<br />

III, Protein C und S, APC-Resistenz), Fibrinolysefaktoren<br />

(t-PA,PAI, Plasmin)<br />

Exogen<br />

� thermisch, mechanisch, chemisch,<br />

aktinisch, artefiziell, kontaktallergisch<br />

Neoplasien<br />

� Primär cutan:<br />

maligne: Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom<br />

(Marjolin-Ulcus), Malignes Melanom,<br />

(Angio-)Sarkom, cutanes Lymphom;<br />

benigne: Papillomatosis cutis carcinoides,<br />

Keratoakanthom<br />

� Metastasen: viszerale Neoplasien<br />

Infektionen<br />

� Bakterien: Furunkel, Ecthyma, Mycobacteriose,<br />

Lues, Erysipel, Anthrax, Diphterie,<br />

chronisch vegetierende Pyodermie<br />

� Viren: Herpes, Pockenviren<br />

� Pilze: Sporotrichose, Histoplasmose,<br />

Blastomycose, Kokzidioidomykose<br />

� Protozoen: Leishmaniose<br />

Medikamente<br />

� Hydroxyurea, Leflunomid, MTX, Halogene,<br />

Marcumar, Impfungen, Ergotamin, paravasale<br />

Zytostatika<br />

Genetische Defekte<br />

� Klinefelter-Syndrom, Felty-Syndrom, TAP 1<br />

Mutation, Leukozytenadhäsionsdefizienz,<br />

Faktor V Mutation<br />

Dermatosen<br />

� Pyoderma gangraenosum, Necrobiosis lipoidica,<br />

Sarkoidose, perforierende Dermatose,<br />

Langerhans-Histiozytose, Papulosis maligna<br />

atrophicans, bullöse Dermatose<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

Tab. 1<br />

11


Titelthema<br />

5 6<br />

7 8<br />

Abb. 5<br />

Pseudoatrophie blanche nach Abheilung<br />

eines Ulcus cruris<br />

Abb. 6<br />

Stauungsdermatitis<br />

12 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

Abb. 7<br />

Ulcus cruris venosum und Dermatoliposklerose<br />

mit der Ausbildung einer so genannten<br />

umgekehrten Flaschenhalsdeformität<br />

Abb. 8<br />

Akroangiodermatitis Mali<br />

Calcineurin-Inhibitoren wie beispielsweise Tacrolimus.<br />

Gleichzeitig sollte auf eine adäquate Kompressionstherapie<br />

geachtet werden.<br />

Dermatoliposklerose<br />

Die auch als Hypodermitis sclerodermiformis bezeichnete<br />

Dermatoliposklerose wurde erstmalig von<br />

Huriez 1955 als chronische Entzündung der Dermis,<br />

Subcutis und ggf. der Faszien mit schmerzhaften<br />

Indurationen der Unterschenkel beschrieben. In der<br />

Ätiologie scheint die ambulatorische Hypertonie im<br />

Rahmen einer CVI mit vermehrter Ausscheidung von<br />

Fibrinogen aus den Gefäßen, das als Fibrin perikapillär<br />

abgelagert wird, bedeutsam zu sein. Die resultierende<br />

perikapilläre Fibrinmanschette stellt eine funktionelle<br />

Permeabilitätsbarriere dar und bedingt in der Folge<br />

die Ausbildung von Sklerose und Fibrose. Die Prädilektionsstellen<br />

dieser gelegentlich spontan und/oder auf<br />

Druck schmerzhaften Veränderung sind am distalen<br />

Unterschenkel. Meist zeigt sich die Dermatoliposklerose<br />

initial von einem Unterschenkelödem und später<br />

von einer flächigen Hyperpigmentierung begleitet. Die<br />

Hautfalten sind in späteren Stadien nicht mehr abzuheben,<br />

die Hautanhangsgebilde zerstört und die Follikelostien<br />

verstrichen. Bei einer Ausprägung in der gesamten<br />

Zirkumferenz des Unterschenkels können sich<br />

Ödeme insbesondere proximal der Dermatoliposklerose<br />

ausbilden. Man spricht dann auch von dem klinischen<br />

Bild einer „umgekehrten Flaschenhalsdeformität“<br />

(Abb. 7). Im Rahmen einer so genannten Shave-Therapie<br />

ist in den letzten Jahren die operative Abtragung<br />

dieses bradytrophen Gewebes meist mit unmittelbarer<br />

Deckung mittels Mesh-graft erfolgreich etabliert<br />

worden.<br />

Akroangiodermatitis Mali<br />

Bereits 1965 berichten Mali und Mitarbeiter von einer<br />

Akroangiodermatitis bei Patienten mit CVI. Die seitdem<br />

als Akroangiodermatitis Mali oder synonym auch<br />

als Pseudo-Kaposi-Sarkom bezeichnete Erkrankung<br />

ist klinisch gekennzeichnet durch das oft bilaterale<br />

Auftreten von primär lividroten Papeln und Plaques<br />

im Bereich des distalen Unterschenkels oder der Fußrücken<br />

(Abb. 8). Hinsichtlich sowohl der klinischen als<br />

auch der histologischen Beurteilung ist die eindeutige<br />

Differenzierung von einem Initialstadium des Kaposi-<br />

Sarkoms nicht immer möglich. Während jedoch die<br />

Akroangiodermatitis Mali eine benigne, rückbildungsfähige,<br />

vaskuläre Reaktionsform hyperplastischen Charakters<br />

darstellt, ist das maligne Kaposi-Sarkom durch<br />

eine multifokale Neubildung kapillarartiger Strukturen<br />

mit progressiver sarkomatöser Entartung gekennzeichnet<br />

und oft mit dem Nachweis von humanem Herpes<br />

Virus 8 (HHV 8) assoziiert. Es wurde diskutiert, dass ein<br />

erhöhter Venen- und Kapillardruck für die Entwicklung<br />

der Gefäßbindegewebsproliferation der Akroangiodermatitis<br />

Mali ätiopathologisch entscheidend ist. Hämodynamischen<br />

Untersuchungsergebnissen zufolge fehlt<br />

den Patienten mit einer Akroangiodermatitis Mali ein<br />

Abfall von Druck und Volumen unter Aktivierung der<br />

Wadenmuskelvenenpumpe. Die höchste Inzidenz für<br />

die Ausbildung einer Akroangiodermatitis Mali findet<br />

sich in der 4.-6. Lebensdekade. Interessanterweise wird<br />

das Verhältnis der erkrankten Männer und Frauen mit<br />

9:1 beschrieben, obwohl die CVI bei Frauen häufiger<br />

vorkommt. Eine spezifische Therapie der Akroangiodermatitis<br />

Mali ist nicht erforderlich. Unter Durchführung<br />

einer konsequenten Kompressionstherapie können sich<br />

die Hautveränderungen vollständig zurückbilden.<br />

Lymphödem<br />

Ein intaktes Lymphsystem kann im Bedarfsfall ein<br />

Transportvolumen von bis zu 100 l/Tag bewältigen<br />

und stellt das einzige kompensatorische Gefäßsystem<br />

bei venösen Erkrankungen dar. Allerdings wird die<br />

Beteiligung des lymphatischen Systems durch Störung<br />

des Lymphabflusses in der Pathogenese und Therapie<br />

des Ulcus cruris venosum oft unterschätzt.<br />

Im Gegensatz zu dem eher selten beobachteten<br />

primären Lymphödem, das mit einer familiären Disposition<br />

verbunden sein kann, resultiert das sekundäre<br />

Lymphödem meist aus entzündlichen Prozessen. Auch<br />

durch eine lange bestehende und nicht suffizient


eingestellte CVI kann ein sekundäres Lymphödem<br />

entstehen. Das resultierende Lymphödem ist zumeist<br />

an einem Bein unter Einbeziehung der Zehen lokalisiert<br />

und mit einer Pachydermie vergesellschaftet. Unter<br />

dem Terminus Pachydermie, der eigentlich die Verdickung<br />

sämtlicher Hautschichten beschreibt, werden<br />

die teils papillomatösen, teils verruciformen kutanen<br />

Veränderungen im Rahmen eines chronischen Lymphödems<br />

zusammengefasst (Abb. 9). Die Zehennägel der<br />

betroffenen Extremität sind oft dystroph und werden<br />

als Onychomycose fehlinterpretiert.<br />

Es wird diskutiert, dass das hämodynamisch bedingte<br />

Stauungsekzem ein klinisches Korrelat eines<br />

gestörten Lymphabflusses darstellt, da der Lymphabfluss<br />

ein Bestandteil der immunologischen Körperabwehr<br />

ist. Durch eine exsudative Papillomatosis cutis<br />

lymphostatica können rezidivierend Erosionen und<br />

Ulzerationen auftreten, die die Eintrittspforte für Bakterien<br />

darstellen und nachfolgend zur Ausbildung von<br />

Erysipelen beitragen können. Das rezidivierende Auftreten<br />

von Erysipelen führt zu Lymphabflussstörungen.<br />

Die Ausbildung einer Elephantiasis nostras (Abb. 10)<br />

kann schließlich als Maximalvariante einer Pachydermie<br />

gesehen werden.<br />

Differenzialdiagnostisch vom Lymphödem zu unterscheiden<br />

ist das Lipödem, das eine anlagebedingte<br />

Lipohypertrophie mit orthostatischem Ödem darstellt<br />

und nahezu ausschließlich bei Frauen nach der Pubertät<br />

zu finden ist. Das Lipödem der unteren Extremität<br />

liegt meist beidseitig vor und endet in Höhe des oberen<br />

Sprunggelenkes. Da es im Verlauf der Erkrankung<br />

auch zu funktionellen Störungen der primär normalen<br />

Lymphgefäße kommt, resultiert sekundär oft ein Lipolymphödem<br />

mit der Neigung zu Fibrosierung und<br />

Sklerosierung.<br />

Therapeutisch sollte der Einsatz von Diuretika bei<br />

Patienten mit Lymphödem zurückhaltend erfolgen, da<br />

Diuretika nur bei eiweißarmen Ödemen wirksam sind<br />

und ansonsten eine paradoxe Wirkung durch Anreicherung<br />

von Eiweiß im Interstitium entfalten können.<br />

Wesentlich wichtiger ist die regelmäßige Durchführung<br />

einer Lymphdrainage mit Einbeziehung der Zehen und<br />

anschließender Anlage einer suffizienten Kompression.<br />

Ulcus cruris venosum<br />

Das floride Ulcus cruris venosum stellt die schwerwiegendste<br />

Manifestation einer CVI entsprechend einem<br />

Grad III nach Widmer dar. Typischer und häufigster<br />

Sitz des Ulkus ist der Bereich oberhalb des Malleolus<br />

medialis (Abb. 11). Bei etwa 20 % der Patienten ist<br />

ein Ulcus cruris venosum auch an anderen Stellen<br />

der Unterschenkel lokalisiert. Form und Größe des<br />

Ulcus cruris venosum sind variabel, wobei das Ulkus<br />

den gesamten Unterschenkel erfassen kann, was als<br />

Gamaschenulkus bezeichnet wird (Abb. 12).<br />

9 10<br />

Liegt eine chronisch venöse Insuffizienz und gleichzeitig<br />

eine arterielle Verschlusskrankheit vor, kann es<br />

durch die venös-arteriellen Zirkulationsstörungen zu<br />

einem so genannten Ulcus cruris mixtum (Abb. 13/14)<br />

kommen, dessen Prognose vom Grad der arteriellen<br />

Störung dominiert wird.<br />

Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)<br />

Das typische Ulcus cruris arteriosum resultiert aus einer<br />

peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK).<br />

Die häufigste Ursache für die Entstehung einer pAVK<br />

in den westlichen Industrienationen ist mit 90 % die<br />

Arteriosklerose, für deren Entstehung als wesentliche<br />

Risikofaktoren u. a. Rauchen, Diabetes mellitus und ein<br />

steigendes Lebensalter identifiziert werden konnten.<br />

Aktuell wird in Deutschland davon ausgegangen, dass<br />

ab dem 65. Lebensjahr 20 % der Bevölkerung unter<br />

einer pAVK leiden, jedoch lediglich ein Drittel dieser<br />

Betroffenen klinische Symptome aufweisen.<br />

11 12<br />

13<br />

Abb. 11<br />

Ulcus cruris venosum in typischer Lokalisation<br />

oberhalb des Malleolus medialis<br />

Abb. 12<br />

Zirkulär um den Unterschenkel laufendes<br />

„Gamaschenulkus“<br />

14<br />

Titelthema<br />

Abb. 9<br />

Lymphödem beider Beine<br />

mit Ausbildung einer<br />

Papillomatosis cutis<br />

Abb. 10<br />

Elephantiasis nostras<br />

mit exsudativen Erosionen<br />

Abb. 13/14<br />

Ulcera cruris gemischt arterio-venöser<br />

Genese (Ulcus cruris mixtum)<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

13


Titelthema<br />

15 16<br />

17 18<br />

Abb. 15<br />

Ulcus cruris arteriosum unterhalb des<br />

Malleolus lateralis<br />

Abb. 16<br />

Ulcus cruris hypertonicum Martorell<br />

14 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

Abb. 17<br />

Multiple Ulzerationen bei kutaner<br />

leukozytoklastischer Vasculitis<br />

Abb. 18<br />

Ulcus cruris bei Wegener Granulomatose<br />

Klinisch äußern die symptomatischen Patienten<br />

meist vor Auftreten einer Ulzeration eine eingeschränkte<br />

Gehstrecke, die sich als Claudicatio intermittens<br />

manifestiert. Zu einer Zunahme der subjektiven<br />

Beschwerden kommt es meist nach Hochlagerung<br />

der Beine. Ulzerationen treten überwiegend in Form<br />

von akralen Gangränen und Ulzerationen, die von<br />

kühler Haut umgeben sind, auf. Bei Lokalisation am<br />

Unterschenkel als Ulcus cruris arterisoum ist häufiger<br />

die Region um den Malleolus lateralis oder die Tibiakante<br />

betroffen (Abb. 15). Verglichen mit Patienten<br />

mit einem Ulcus cruris venosum klagen Patienten mit<br />

einem Ulcus cruris arteriosum häufiger über eine ausgeprägte<br />

Schmerzsymptomatik.<br />

Ulcus cruris hypertonicum Martorell<br />

Das Ulcus cruris hypertonicum wurde 1945 von dem<br />

Angiologen Fernando Martorell erstmalig beschrieben.<br />

Er diskutierte, dass der arterielle Hypertonus der<br />

Patienten einen kausalen Faktor in der Genese der<br />

chronischen Wunden darstellen könnte. Diese als äußerst<br />

schmerzhaft beschriebenen Ulzerationen finden<br />

sich mit einem Altersgipfel zwischen dem 40. und 70.<br />

Lebensjahr bei Frauen häufiger als bei Männern. Sie<br />

sind meist am distalen Unterschenkel oberhalb des<br />

Malleolus lateralis und oft beidseitig lokalisiert (Abb.<br />

16). Initial beschreiben die meisten Patienten das<br />

Auftreten von lividen Macula, die beispielsweise nach<br />

Minimaltrauma exulzerieren. Auch wurde das nahezu<br />

obligate Auftreten begleitender Ödeme beschrieben.<br />

Die arteriellen diastolischen Drücke liegen bei diesen<br />

Patienten meist dauerhaft über 95 mmHg. Es wurde<br />

diskutiert, dass kausal eine Lumeneinengung der<br />

Arteriolen durch eine subendotheliale Intimafibrose<br />

und reaktiv die Ausbildung einer Hyalinose der Media<br />

zugrunde liegen könnte.<br />

Bis heute ist jedoch der primäre kausale Zusammenhang<br />

zwischen dem Auftreten eines Ulcus cruris und<br />

einem arteriellen Hypertonus sehr umstritten und nie<br />

zweifelsfrei nachgewiesen worden. Auch besteht eine<br />

auffallende epidemiologische Diskrepanz zwischen der<br />

Häufigkeit der arteriellen Hypertonie und der gleichzeitigen<br />

Beschreibung eines Ulcus cruris hypertonicum.<br />

Aktuell wird daher der arterielle Hypertonus eher als<br />

ein die Wundheilung prolongierender Faktor denn als<br />

ein kausaler Faktor des Ulcus cruris gesehen.<br />

Vasculitis<br />

Der Begriff Vasculitis beschreibt eine Entzündung<br />

mit nachfolgender Schädigung der Gefäßwand. Die<br />

Einteilung der primären systemischen Vasculitiden<br />

erfolgt heute meist entsprechend der Klassifikation<br />

der Chapel Hill Konsensuskonferenz und orientiert sich<br />

an dem anatomischen Durchmesser der betroffenen<br />

Gefäße. So gibt es eine Unterteilung nach Vasculitiden<br />

entsprechend der Beteiligung der großen, mittelgroßen<br />

und kleinen Gefäße. Als adjuvante differenzialdiagnostische<br />

Parameter wurden serologische und<br />

immunhistochemische Befunde eingestuft. Als sekundär<br />

werden Vasculitiden bezeichnet, die im Rahmen<br />

von anderen Grunderkrankungen wie beispielsweise<br />

Kollagenosen, Sarkoidosen, Arzneimittelreaktionen,<br />

Infekten oder Neoplasien auftreten.<br />

Kutane leukozytoklastische Vasculitis<br />

Die kutane leukozytoklastische Vasculitis wird auch<br />

synonym als Vasculitis allergica oder Immunkomplexvasculitis<br />

bezeichnet und beschreibt eine oft in<br />

Schüben verlaufende Entzündung der kutanen Blutgefäße<br />

ohne Nachweis einer systemischen Vasculitis<br />

oder Glomerulonephritis. Bei systemischer Beteiligung<br />

spricht man ansonsten auch von einer Hypersensitivitätsvasculitis.<br />

Die vasculäre Entzündungsreaktion resultiert aus<br />

der Ablagerung von zirkulierenden Immunkomplexen<br />

oder Bakterienendotoxinen in Gefäßwänden mit<br />

nachfolgender Komplementaktivierung. Sie betrifft<br />

nahezu ausschließlich die postkapillären Venolen. Die<br />

pathogenetisch relevanten Ursachen für das Auftreten<br />

einer kutanen leukozytoklastischen Vasculitis können<br />

vielfältig sein. Die Inkubationszeit nach einem Infekt<br />

beträgt beispielsweise etwa 2-3 Wochen. Bei bis zu<br />

50 % der Patienten bleibt die zugrunde liegende Genese<br />

jedoch unklar.


Bei der kutanen leukozytoklastischen Vasculitis<br />

kommt es bei meist normwertiger Thrombozytenzahl<br />

zu petechialen Einblutungen in die Haut. In Abhängigkeit<br />

von dem Stadium imponiert die Purpura klinisch<br />

mit hämorrhagischen Maculae oder Papeln, begleitet<br />

von Juckreiz, Schmerz oder Brennen. Das klinische Kardinalsymptom<br />

ist die palpable Purpura, die auch mit<br />

einem Glasspatel (Diaskopie) nicht wegdrückbar ist. In<br />

weiteren Entwicklungsstadien können sich Bläschen<br />

oder Blasen, hämorrhagische Plaques und sekundäre<br />

Pusteln, Erosionen oder Ulzera ausbilden (Abb. 17).<br />

Als Prädilektionsstellen sind die Extremitäten und insbesondere<br />

die Unterschenkel beschrieben. Frauen sind<br />

2-3-mal häufiger betroffen als Männer. Über letale<br />

Verläufe wurde bei 2-3 % der Patienten berichtet.<br />

Wegener Granulomatose<br />

Die Wegener Granulomatose ist eine erstmalig 1936<br />

beschriebene, selten auftretende, nekrotisierende,<br />

granulomatöse Vasculitis, die sich oft mit der klassischen<br />

Trias aus Lungen-, HNO- und Nierenbeteiligung<br />

manifestiert. Die exakte Ätiologie ist weiterhin unklar.<br />

Diskutiert wurde beispielsweise eine infektallergische<br />

Aktivierung neutrophiler Granulozyten, die reaktiv<br />

eine inflammatorische Kaskade initiieren. Klinisch<br />

zeigt sich meist ein biphasischer Verlauf mit einem<br />

vorwiegend granulomatösen Initialstadium unter<br />

Einbeziehung des oberen Respirationstraktes. Nach<br />

Monaten bis Jahren geht dieses lavierte Stadium in<br />

ein foudroyantes vasculitisches Generalisationsstadium<br />

über, das oft auch einen Multiorganbefall aufweist.<br />

Kutane Manifestationen beispielsweise in Form eines<br />

Ulcus cruris (Abb. 18) zeigen sich überwiegend im<br />

späteren Verlauf der Wegener Granulomatose bei circa<br />

40 % der Patienten.<br />

Polyarteriitis nodosa<br />

Die Polyarteriitis nodosa (PN) wurde erstmalig<br />

1866 durch Kussmaul und Maier beschrieben und<br />

bezeichnet eine selten auftretende, zumeist schwer<br />

verlaufende, nekrotisierende Vasculitis. Die Erkrankung<br />

manifestiert sich zumeist nach dem 50. Lebensjahr,<br />

der Erkrankungsgipfel der Patienten liegt bei 65-75<br />

Jahren. Die Ätiologie der PN ist bislang lediglich in<br />

Teilaspekten verstanden. Als assoziierte, potenziell<br />

kausal relevante Faktoren sind Streptokokkenantigene,<br />

Hepatitis B, Autoimmunerkrankungen, Kryoglobuline,<br />

ANCAs aber auch maligne Grunderkrankungen<br />

beschrieben worden. Daher wurde diskutiert, dass es<br />

sich bei der PN um eine immunmediierte Vasculitits<br />

handeln könnte. Das klinische Bild wird durch die<br />

Zahl, Ausdehnung und Lokalisation der betroffenen<br />

Arterien bestimmt. Einem uncharakteristischen Prodromalstadium<br />

mit Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust,<br />

subfebrilen Temperaturen, Myalgien und Arthralgien<br />

19 20 21<br />

Abb. 19<br />

Multiple Ulzerationen bei<br />

Polyarteriitis nodosa<br />

Abb. 20<br />

Livedo racemosa, typisches<br />

Leitsymptom der PN<br />

folgen multiple Organveränderungen. Es zeigen sich<br />

plötzlich auftretende, diskret schmerzhafte, kutan oder<br />

subkutan gelegene Papeln und Noduli meist entlang<br />

des Arterienverlaufs, häufiger an der unteren Extremität,<br />

die im weiteren Verlauf exulzerieren können (Abb.<br />

19). Als ein typisches klinisches Symptom der PN gilt<br />

die Livedo racemosa (Abb. 20).<br />

Rheumatoide Arthritis<br />

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist mit einer Prävalenz<br />

von 0,4-1,2 % die häufigste entzündlich rheumatische<br />

Erkrankung der weißen Bevölkerung. Bis zu 10 % aller<br />

Patienten mit RA entwickeln im Laufe ihrer Krankheitsgeschichte<br />

ein Ulcus cruris. In der Ätiologie ist insbesondere<br />

das Auftreten einer sekundären Vasculitits<br />

relevant. Vasculitische Ulzera bei RA sind oft scharf demarkiert<br />

und bizarr konfiguriert (Abb. 21). Außerdem<br />

zeigen sie eine schlechte spontane Heilungstendenz.<br />

Bezüglich der Pathomechanismen der Ulkusgenese<br />

bei der RA geht man davon aus, dass eine rheumatoide<br />

Vasculitits oft die initiale Läsion verursacht. Zusätzlich<br />

stellt die häufig resultierende arthrogene Bewegungseinschränkung<br />

insbesondere der Sprunggelenke und<br />

die resultierende vermehrte Ödembildung und Schwächung<br />

der Muskelvenenpumpen bis hin zur Ausbildung<br />

eines arthrogenen Stauungssyndroms einen weiteren,<br />

die Wundheilung prolongierenden Faktor dar. Da auch<br />

gehäuft das Auftreten einer CVI und/oder pAVK bei<br />

Patienten mit RA beschrieben wurde, sollte bei Vorliegen<br />

eines Ulcus cruris rheumaticum immer eine breite<br />

differenzialdiagnostische Abklärung erfolgen.<br />

Sjögren Syndrom<br />

Als Sjögren Syndrom (SS) bezeichnet man eine<br />

bislang ätiologisch unklare, langsam progrediente<br />

Autoimmunerkrankung mit den klinischen Symptomen<br />

Titelthema<br />

Abb. 21<br />

Ulcus cruris bei<br />

rheumatoider Arthritis<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

15


Titelthema<br />

Abb. 22<br />

Ulcus cruris bei Sjögren<br />

Syndrom<br />

Abb. 23<br />

Multiple Ulzerationen bei<br />

Livedo-Vasculopathie<br />

Der Autor:<br />

PD Dr. med. Joachim<br />

Dissemond,<br />

Universitätsklinikum Essen,<br />

Klinik und Poliklinik für<br />

Dermatologie, Venerologie<br />

und Allergologie,<br />

Hufelandstraße 55,<br />

45122 Essen,<br />

E-Mail: joachimdissemond@<br />

hotmail.com<br />

22<br />

23<br />

16 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

Xerophtalmie und Xerostomie auf dem pathophysiologischen<br />

Boden einer lymphozytären Infiltration von<br />

Tränen- und Speicheldrüsen. Man unterscheidet das<br />

primäre SS mit alleinigem Auftreten der o. g. Symptome<br />

vom sekundären SS, bei dem die Symptome assoziiert<br />

mit einer anderen Autoimmunerkrankung, zumeist<br />

der rheumatoiden Arthritis, dem systemischen Lupus<br />

erythematodes oder der Sklerodermie auftreten. Eine<br />

einheitliche Klassifikation der SS existiert bislang nicht.<br />

Das SS ist nach der rheumatoiden Arthritis die zweithäufigste<br />

rheumatologische Autoimmunerkrankung.<br />

Das Auftreten eines sehr schmerzhaften Ulcus cruris<br />

mit lividem Randsaum bei Patienten mit SS ist bislang<br />

in der Literatur selten beschrieben worden (Abb. 22).<br />

Die Ulzerationen entstehen pathophysiologisch im<br />

Rahmen einer sekundären Vasculitis. Differenzialdiagnostisch<br />

sollte bei V. a. ein SS immer auch an das<br />

Vorliegen eines systemischen Lupus erythematodes<br />

gedacht oder ein so genanntes Overlap-Syndrom ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Livedo-Vasculopathie<br />

Die Livedo-Vasculopathie wurde erstmalig von Bard<br />

und Winkelmann 1967 als eigenständige Entität beschrieben.<br />

Dem Krankheitsbild liegt eine thrombotische<br />

Vasculopathie kleiner Gefäße der unteren Extremität,<br />

die sekundär zur Ausbildung sehr therapierefraktärer<br />

Ulzerationen führt, zugrunde (Abb. 23). Daher wird<br />

heute statt des ursprünglichen Begriffes der Livedo-<br />

Vasculitis meist der Begriff der Livedo-Vasculopathie<br />

verwendet. Bei den Patienten handelt es sich oft um<br />

junge Erwachsene ohne familiäre Prädisposition, wobei<br />

Frauen dreimal häufiger als Männer erkrankt sind.<br />

Die Livedo-Vasculopathie ist primär eine Erkrankung,<br />

die meist auf die unteren Extremitäten bis zum<br />

Knie begrenzt ist und insbesondere die Malleolarregionen<br />

betrifft. Der klinische Verlauf der Livedo-Vasculopathie<br />

ist chronisch schubartig, sodass sich Ab-<br />

heilungs- und Rezidivphasen überlappen können. Das<br />

klinische Bild ist durch die drei nicht spezifischen Kardinalsymptome<br />

Livedo racemosa, Ulzera und Atrophie<br />

blanche gekennzeichnet. Die meist sehr schmerzhaften<br />

Ulzerationen sind überwiegend bizarr geformt und von<br />

einem inflammatorisch-hämorrhagischen lividen Randsaum<br />

umgeben. Im angloamerikanischen Sprachraum<br />

wird die Livedo-Vasculopathie daher auch mit dem<br />

Akronym PURPLE beschrieben, was deskriptiv die Symptome<br />

„Painful Purpuric Ulcers with Reticular Pattering<br />

of the Lower Extremities“ zusammenfasst.<br />

Pyoderma gangraenosum<br />

Erstmalig wurde das Pyoderma gangraenosum 1930<br />

von Brunsting, Goeckerman und O‘Leary beschrieben.<br />

Gemeinsam mit Erkrankungen wie beispielsweise dem<br />

Sweet-Syndrom oder dem Morbus Behçet wird das<br />

Pyoderma gangraenosum heute zu den neutrophilen<br />

Dermatosen gerechnet. Das Pyoderma gangraenosum<br />

stellt einen umschriebenen destruktiv-ulzerierenden<br />

Prozess unklarer Ätiologie dar. Anamnestisch wird<br />

das Auftreten dieser immunopathogenen Ulzerationen<br />

oft nach teils minimalen Verletzungen wie Insektenstichen,<br />

Exkoriationen oder operativen Eingriffen<br />

beschrieben. Dieser Pathomechanismus wird auch als<br />

Pathergie-Phänomen bezeichnet.<br />

Klinische Charakteristika eines Pyoderma gangraenosum<br />

sind initial druckdolente erythematöse Noduli,<br />

die exulzerieren und von hämorrhagischen Pusteln<br />

umgeben sind. Der bakteriologische Abstrich solcher<br />

Pusteln zeigt sich typischerweise steril. Klinisch existieren<br />

verschiedene Varianten mit Ausbildung von<br />

vegetierenden, bullösen, superfiziellen und/oder granulomatösen<br />

Verläufen. Die Ulzerationen sind meist<br />

polyzyklisch begrenzt und weisen einen düster-lividen,<br />

teils unterminierten schmerzhaften Randsaum auf<br />

(Abb. 24). Das Wachstum der gehäuft an der unteren<br />

Extremität anzutreffenden Ulzera wird oft als serpiginös<br />

zentrifugal beschrieben. Der Krankheitsverlauf<br />

ist oft nach mehreren Wochen bis Monaten selbstlimitierend.<br />

Pyodermien<br />

Unter dem Begriff der Pyodermie versteht man<br />

bakterielle Infektionen der Haut durch Eitererreger<br />

(Abb. 25). Die kausal relevanten, überwiegend grampositiven<br />

Bakterien, insbesondere ß-hämolysierende<br />

Streptokokken der Gruppe A oder Staphylococcus<br />

species, sind ubiquitär verbreitet. Es existieren zahlreiche<br />

begünstigende Faktoren für das Auftreten von<br />

Pyodermien. Prädisponierende Faktoren können beispielsweise<br />

ein heißes oder feuchtes Klima, mangelnde<br />

Hygiene, Malnutrition, Adipositas, Diabetes mellitus,<br />

Immunsuppression oder Störung der Hautbarrierefunktion<br />

durch Ekzeme darstellen.


Als Ecthyma (simplex) bezeichnet man eine ulzerierende<br />

Pyodermie (Abb. 26). Initial kommt es zu<br />

einer bakteriellen Superinfektion von vorbestehenden<br />

Verletzungen, die beispielsweise nach banalen Traumata,<br />

Insektenstichen oder Excoriationen auftreten.<br />

Es entwickelt sich an dem Ort, an dem die Bakterien<br />

die Hautbarriere durchdringen konnten, eine Pustel<br />

auf erythematösem Grund. Sekundär bildet sich zentral<br />

eine tiefe, scharf begrenzte Nekrose aus, die in der<br />

Folge eine Ulzeration bedingt. Das Auftreten dieser<br />

sehr therapierefraktären und meist multipel vorkommenden<br />

Ulzera wird bevorzugt an den Unterschenkeln<br />

beobachtet.<br />

Kalziphylaxie<br />

Bei der Kalziphylaxie handelt es sich um eine erstmals<br />

1962 von Selye beschriebene, selten auftretende,<br />

jedoch potenziell lebensbedrohlich verlaufende Erkrankung.<br />

Die Ätiopathogenese der Kalziphylaxie ist bis<br />

heute nicht vollständig geklärt. Störungen im Kalzium-<br />

Phosphatstoffwechsel scheinen eine wesentliche Rolle<br />

zu spielen. Die Erkrankung betrifft fast ausschließlich<br />

Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz unter<br />

Dialyse-Therapie. Klinisch imponieren initial livide<br />

Erytheme, aus denen sich ausgeprägt schmerzhafte<br />

Ulzerationen und Nekrosen entwickeln können (Abb.<br />

27). Die Hautläsionen können sowohl solitär als auch<br />

multipel auftreten. Die Prädilektionsstellen sind das<br />

Abdomen sowie die medialen Seiten der Ober- und<br />

Unterschenkel.<br />

Kutane Neoplasien & artifizielle Manipulationen<br />

Es existieren zahlreiche weitere in der Genese des<br />

Ulcus cruris zu berücksichtigende Faktoren (Tab. 1),<br />

von denen hier insbesondere auf die primär kutanen<br />

Neoplasien (Abb. 28/29) und artifiziellen Manipulationen<br />

(Abb. 30) hingewiesen werden soll. Die Diagnose<br />

bei Neoplasien wird histologisch gestellt, wobei in<br />

diesem Zusammenhang auf die Wichtigkeit der frühzeitigen<br />

Probeexzision hinzuweisen ist.<br />

Kontaktallergene<br />

Die Entwicklung einer Kontaktallergie hängt von<br />

verschiedenen Faktoren ab. Außer einer endogenen<br />

genetischen Disposition können auch regionäre Faktoren<br />

wie eine Schädigung der Hautbarriere förderlich für<br />

die Entstehung einer Kontaktsensibilisierung sein (Abb.<br />

31). Exogene Faktoren wie eine verlängerte Einwirkzeit<br />

des potenziellen Allergens, eine fettige Galenik oder<br />

die Anwendung einer Okklusion scheinen ebenfalls<br />

die Gefahr der Entstehung einer Sensibilisierung zu fördern.<br />

Auch die allergene Potenz der applizierten Substanzen<br />

und die Konzentration des Allergens sind von<br />

Bedeutung. Interessanterweise entwickeln jedoch Patienten<br />

mit einem Ulcus cruris gehäuft Kontaktallergien<br />

24 25<br />

26<br />

28 29<br />

Abb. 24<br />

Pyoderma gangraenosum<br />

Abb. 25<br />

Chronisch vegetierende Pyodermie<br />

Abb. 26<br />

Ecthymata, ulzerierende Pyodermie<br />

Abb. 27<br />

Kalziphylaxie<br />

gegen ansonsten eher schwach allergene Substanzen,<br />

was erneut die Bedeutung einer gestörten Hautbarriere<br />

bei der Entwicklung einer Kontaktallergie belegt. Die<br />

am häufigsten nachgewiesenen Kontaktallergene bei<br />

Patienten mit CVI und Ulcus cruris sind Bestandteile<br />

von Lokaltherapeutika der Wundtherapie und von<br />

Hautpflegemitteln. �<br />

30 31<br />

27<br />

Titelthema<br />

Abb. 28<br />

Basalzellkarzinom als Ursache für ein Ulcus<br />

cruris<br />

Abb. 29<br />

Plattenepithelkarzinom auf einer Verbrennungsnarbe<br />

als Ursache für ein Ulcus cruris<br />

Abb. 30<br />

Dermatitis artefacta,<br />

multiple Ulzerationen<br />

durch Manipulation durch<br />

den Patienten<br />

Abb. 31<br />

Allergisches Kontaktekzem<br />

um ein Ulcus cruris venosum<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

17


Forschung<br />

Für die Autoren:<br />

Holger Kapp,<br />

Medizinredakteur,<br />

PAUL HARTMANN AG,<br />

89522 Heidenheim<br />

Bakterienreduktion<br />

18 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

H. Kapp, P. Zöllner, H. Smola, PAUL HARTMANN AG<br />

Behandlung infizierter und<br />

infektionsgefährdeter Wunden<br />

Laboruntersuchungen und klinische Studien bestätigen die gute Wirksamkeit und<br />

Verträglichkeit der silberhaltigen Salbenkompresse Atrauman Ag.<br />

Akute und chronische Wunden sind häufig mit<br />

fäkalen, dermalen und oralen Bakterien besiedelt. Je<br />

nach Immunstatus des Patienten und Pathogenität<br />

der Mikroorganismen kann sich aus einer Kolonisation<br />

eine Wundinfektion entwickeln. Vor allem Patienten<br />

mit therapieresistenten Ulzera, bei denen aufgrund<br />

vaskulärer Erkrankungen die Mikro- und Makrozirkulation<br />

im Wundgebiet beeinträchtigt sind, haben ein<br />

hohes Risiko für eine klinisch apparente Infektion. Im<br />

klinischen Alltag bereiten immer häufiger Keime wie<br />

methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme<br />

(MRSA) logistische und therapeutische Probleme. Eine<br />

Wundinfektion erhöht nicht nur die Behandlungskosten,<br />

sondern auch das Leiden der Patienten.<br />

Silberhaltige Wundauflagen haben die lokalen<br />

Behandlungsmöglichkeiten kritisch kolonisierter, infizierter<br />

und infektionsgefährdeter Wunden deutlich<br />

verbessert. Das in ihnen enthaltene Silber wirkt in der<br />

Wunde gegen ein breites Spektrum pathogener Bakterien.<br />

Schon geringe Konzentrationen an Silberionen in<br />

der Wunde reichen aus, um Bakterien zuverlässig zu<br />

eradizieren, ohne dass es bislang in der klinischen Anwendung<br />

zu einer Resistenzproblematik gekommen ist.<br />

Silberionen wirken jedoch auch auf die Hautzellen<br />

im Wundgebiet toxisch. Daher wird an silberhaltige<br />

Reduktion verschiedener Bakterien unter Atrauman Ag nach 24 Stunden. Die Anzahl aller untersuchten<br />

Bakterienstämme wurde um mindesten 4 log10-Stufen verringert (aus: Skin Pharmacol<br />

Physiol <strong>2006</strong>; 19:140-146).<br />

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Abb. 1<br />

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Wundauflagen die Anforderung gestellt, dass sie einerseits<br />

ausreichend Silberionen an die Wunde abgeben,<br />

um Bakterien effektiv abzutöten. Andererseits muss<br />

die Dosis so niedrig wie möglich sein, damit die Zellen<br />

im Wundgebiet nicht geschädigt werden. Vor diesem<br />

Hintergrund wurde von HARTMANN die silberhaltige<br />

Salbenkompresse Atrauman Ag entwickelt. In kürzlich<br />

publizierten klinischen Untersuchungen und Laborversuchen<br />

konnte das vorteilhafte Wirkprofil von geringer<br />

Zytotoxizität und potenter antimikrobieller Wirkung<br />

gezeigt werden.<br />

Zuverlässige antimikrobielle Wirkung bei<br />

geringer Zytotoxizität<br />

Dass Atrauman Ag ein breites Spektrum grampositiver<br />

und -negativer Bakterien zuverlässig abtötet,<br />

konnten In-vitro-Versuche zeigen (Abb. 1). Auch Problemkeime<br />

wie MRSA wurden von der Wundauflage<br />

effektiv eradiziert (Ziegler K, Görl R, Ellermann J, Mappes<br />

M, Otten S, Kapp H, Zoellner P, Spaeth D, Smola<br />

H. Reduced cellular toxicity of a new silver-containing<br />

ointment dressing and clinical performance in nonhealing<br />

wounds. Skin Pharmacol Physiol <strong>2006</strong>;19:140-<br />

146). Dabei setzte die bakterizide Wirkung sehr schnell<br />

ein. Selbst bei einer Ausgangskeimzahl von 10 6 Keimen<br />

pro ml wurde bei S. aureus eine vollständige Abtötung<br />

nach vier, bei Klebsiella pneumoniae sogar schon nach<br />

zwei Stunden erreicht. Dass dabei die bakterizide Wirkung<br />

nicht nur kurzfristig, sondern über einen langen<br />

Zeitraum anhält, konnte in einem weiteren Laborversuch<br />

nachgewiesen werden. Hier tötete Atrauman Ag<br />

sowohl S. aureus als auch K. pneumoniae <strong>–</strong> trotz einer<br />

wiederholten Neubeimpfung des Mediums alle 24<br />

Stunden über einen Zeitraum von neun Tagen und damit<br />

einer andauernd hohen Keimbelastung <strong>–</strong> effektiv<br />

ab (Abb. 2).<br />

Eine effektive bakterizide Wirkung ist jedoch nur<br />

dann klinisch relevant, wenn gleichzeitig eine geringe<br />

Zytotoxizität gewährleistet ist. Dass Atrauman Ag<br />

auch diese Anforderung erfüllt, konnte in Versuchen<br />

mit der humanen Keratinozyten-Zelllinie HaCaT belegt<br />

werden. Verglichen mit zwei weiteren silberhaltigen<br />

Wundauflagen waren bei Atrauman Ag mit Abstand


die geringsten zytotoxischen Effekte auf die Hautzellen<br />

nachweisbar. Die Keratinozyten zeigten unter Atrauman<br />

Ag eine Viabilität von 90 %, wohingegen die<br />

beiden anderen getesteten Wundauflagen niedrigere<br />

Werte von 80 % und 2 % erreichten.<br />

Wie die Autoren der Studie betonen, belegen<br />

diese In-vitro-Versuche das ausgezeichnete Nutzen-<br />

Risiko-Verhältnis von Atrauman Ag. Die silberhaltige<br />

Salbenkompresse gibt einerseits genug Silberionen ab,<br />

um Bakterien schnell und lang andauernd abzutöten.<br />

Andererseits ist jedoch die Konzentration so niedrig<br />

dosiert, dass die Zytotoxizität auf die Zellen im Wundgebiet<br />

sehr gering ist.<br />

Klinische Studie bestätigt Laborergebnisse<br />

Dass die geringen Mengen an freigesetzten Silberionen<br />

den Heilungsprozess chronischer Ulzera zu unterstützen<br />

scheinen, konnte eine große multizentrische<br />

und ambulant durchgeführte Anwendungsbeobachtung<br />

mit 624 Patienten feststellen (Smola H, Zoellner<br />

P, Kapp H. Atrauman Ag in the treatment of chronic<br />

wounds <strong>–</strong> an application study on 624 patients. Akt<br />

Dermatol 2005; 31: 561-565).<br />

Die Studie wurde von 211 niedergelassenen Ärzten<br />

<strong>–</strong> Allgemeinmediziner, Dermatologen, Chirurgen und<br />

Internisten <strong>–</strong> sowie 11 Pflegediensten betreut. Die<br />

Patienten wurden im Durchschnitt 23 Tage lang mit<br />

Atrauman Ag behandelt, wobei pro Patienten drei<br />

Verbandwechsel dokumentiert wurden. Mit 43 % waren<br />

dabei Ulcera cruris venosa die am häufigsten mit<br />

Atrauman Ag behandelten Wundarten, gefolgt von<br />

gemischten Ulzera (12,5 %), Dekubitalulzera (9,8 %),<br />

diabetischem Fußsyndrom (9,1 %), arteriellen Ulzera<br />

(4,5 %) und Wunden anderer Ätiologie (22,3 %). Die<br />

Wunden bestanden im Durchschnitt seit 1,4 Jahren.<br />

Im Verlauf der Anwendungsbeobachtung nahm der<br />

Anteil der Wunden, die stark oder vollständig von Belägen<br />

bedeckt waren, von 35 % auf 3 % ab (Abb. 3A).<br />

Gleichzeitig bildete sich vermehrt Granulations- und<br />

Epithelgewebe (Abb. 3B, 3C). Am Ende der Untersuchung<br />

hatte sich die Zahl der Wunden mit mittlerer,<br />

starker oder vollständiger Epithelisierung von 4,5 %<br />

auf 45 % erhöht. Die Wundgröße verringerte sich von<br />

4,9 x 3,3 cm auf 3,5 x 2,4 cm und der Anteil der Wunden,<br />

bei denen die Ärzte klinische Zeichen einer Infektion<br />

diagnostizierten, fiel von 60 % auf 20 %. Weitere<br />

Parameter, die sich unter der Atrauman Ag-Behandlung<br />

verbesserten, waren der Zustand der Wundumgebung<br />

(Tab. 1), die Menge des Exsudats sowie die<br />

Wundschmerzen.<br />

Nach Abschluss der Studie waren die Ärzte bei mehr<br />

als 90 % der behandelten Patienten der Ansicht, dass<br />

sich der Zustand der Wunden unter Atrauman Ag<br />

verbessert oder sogar deutlich verbessert hatte. Dass<br />

die Wundtherapie mit Atrauman Ag sehr gut oder gut<br />

Langzeiteffizienz<br />

Forschung<br />

Langzeiteffizienz von Atrauman Ag bei Staphylococcus aureus. S. aureus wurde alle 24 Stunden<br />

auf Atrauman Ag an neun aufeinander folgenden Tagen inokuliert. Alle 24 Stunden wurden die lebensfähigen<br />

Bakterien gezählt und Atrauman Ag erneut inokuliert. Atrauman Ag reduzierte in dem<br />

neuntägigen Versuch die Bakterien fast vollständig (aus: Skin Pharmacol Physiol <strong>2006</strong>; 19:140-146).<br />

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verträglich ist, wurde ebenfalls von mehr als 90 %<br />

bestätigt.<br />

Die Autoren kommen in ihrem Fazit zu dem<br />

Schluss, dass dem Anwender mit Atrauman Ag eine<br />

wirksame Wundauflage zur Behandlung infizierter<br />

und infektionsgefährdeter Wunden zur Verfügung<br />

steht, die nicht nur in der Exsudationsphase, sondern<br />

auch phasenübergreifend eingesetzt werden kann.<br />

Gerade therapeutisch nur schwer zu beeinflussende<br />

Wunden profitierten von der Behandlung. Dabei kann<br />

Atrauman Ag mit zahlreichen hydroaktiven wie auch<br />

traditionellen Wundauflagen kombiniert werden. Dies<br />

hat für den Anwender den Vorteil, dass er je nach Zustand<br />

der Wunde den seiner Meinung nach geeigneten<br />

Sekundärverband auswählen oder auch die bislang<br />

eingesetzte Wundauflage weiterverwenden kann, falls<br />

nur vorübergehend eine Behandlung mit Atrauman Ag<br />

indiziert ist.<br />

Zustand der Wundumgebung<br />

vor und nach der Behandlung mit Atrauman Ag<br />

Eingangsuntersuchung<br />

Abschlussuntersuchung<br />

Kein Befund 8,3 % 46,7 %<br />

Ödem 34,5 % 10,1 %<br />

Mazeration 23,9 % 4,3 %<br />

Überwärmung 23,4 % 4,5 %<br />

Ekzem 18,1 % 7,7 %<br />

Hyperkeratose 7,5 % 5,5 %<br />

Rötung 80,8 % 40,7 %<br />

Mehrfachnennungen möglich<br />

(aus: Akt Dermatol 2005; 31: 561-565)<br />

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Tab. 1<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

Abb. 2<br />

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19


Forschung<br />

Verlauf der Wundheilung<br />

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Abb. 4a<br />

Eingangsuntersuchung: Das Ulkus ist<br />

zu 100 % von Belägen bedeckt und infiziert.<br />

Behandlung mit Atrauman Ag und<br />

PermaFoam, begleitend eine Kompressionstherapie.<br />

Abb. 4b<br />

5. Verbandwechsel: Der Anteil der Wundfläche<br />

mit Belägen ist auf 30 % zurückge-<br />

20 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

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Abb. 3<br />

Fallstudie<br />

Ein sehr interessanter Fall, bei dem Atrauman Ag<br />

den Wundheilungsprozess unterstützte, ist die Behandlung<br />

einer 74 Jahre alten Patientin mit einem Ulcus<br />

cruris venosum. Die Patientin litt seit zwei Monaten an<br />

dem Ulkus, das eine Größe von 1,5 x 3,2 cm hatte. Da<br />

die Wunde infiziert war, wurde sie mit desinfizierenden<br />

Bädern behandelt. Als orale Begleitmedikation nahm<br />

4a 4b 4c<br />

A) Anteil der von Belägen bedeckten<br />

Wunden vor und nach<br />

der Behandlung mit Atrauman<br />

Ag (aus: Akt Dermatol 2005;<br />

31: 561-565)<br />

B) Anteil der Wunden mit<br />

Granulationsgewebe bei der<br />

Eingangs- und Abschlussuntersuchung<br />

(aus: Akt Dermatol<br />

2005; 31: 561-565)<br />

C) Anteil der Wunden mit Epithelgewebe<br />

bei der Eingangs-<br />

und Abschlussuntersuchung<br />

(aus: Akt Dermatol 2005; 31:<br />

561-565)<br />

gangen, 70 % des Wundgrundes sind von<br />

Granulationsgewebe bedeckt.<br />

Abb. 4c<br />

Abschlussuntersuchung: 60 % der Wundfläche<br />

sind von Belägen bedeckt, 30 % von<br />

Granulationsgewebe und 10 % von Epithelgewebe.<br />

Umstellung der Wundtherapie auf<br />

ein Hydrogel mit Alginaten kombiniert mit<br />

Grassolind neutral.<br />

die Patientin zur Behandlung ihrer Angina pectoris<br />

Isosorbiddinitrat, Amlodipinmesilat, Azetylsalizylsäure<br />

sowie L-Thyroxin ein. Zur Behandlung ihrer chronisch<br />

venösen Insuffizienz erhielt die Patientin begleitend zur<br />

Wundbehandlung eine Kompressionstherapie.<br />

Der Wundgrund des Ulkus war vor der Behandlung<br />

mit Atrauman Ag zu 100 % von hellen fibrinösen<br />

Belägen bedeckt (Abb. 4a). Granulations- oder Epithelgewebe<br />

hatte sich noch nicht gebildet. Die Wunde<br />

exsudierte vor der Behandlung mit Atrauman Ag<br />

mäßig, die Wundränder waren aufgeworfen und in der<br />

Wundumgebung wurde ein Erythem diagnostiziert. Zudem<br />

klagte die Patientin über gelegentlich auftretende<br />

starke Wundschmerzen.<br />

Die Patientin wurde über einen Zeitraum von fünf<br />

Wochen mit Atrauman Ag behandelt, wobei insgesamt<br />

zehn Verbandwechsel (etwa alle 4-6 Tage) durchgeführt<br />

wurden. Als sekundäre Wundauflage wurde der<br />

Schaumverband PermaFoam eingesetzt.<br />

Behandlungsverlauf<br />

Nach nur zweiwöchiger Wundbehandlung hatte<br />

sich der Wundstatus deutlich verbessert. Der Anteil<br />

der Beläge war auf 30 % zurückgegangen, 70 % des<br />

Wundgrundes waren nun von Granulationsgewebe<br />

bedeckt (Abb. 4b). Das Ulkus exsudierte weiterhin<br />

mäßig, wobei es unter Atrauman Ag zu keinem Sekretstau<br />

gekommen war. Die Infektion war vollständig<br />

abgeklungen. Weitere drei Wochen später waren<br />

60 % der Wundfläche von Belägen bedeckt, 30 % von<br />

Granulationsgewebe und auf 10 % hatte sich ein Epithelgewebe<br />

gebildet (Abb. 4c). Die Wundränder hatten<br />

sich mittlerweile abgeflacht, Verfärbungen der Wunde<br />

konnte der behandelnde Arzt weiterhin nicht beobachten.<br />

Allerdings klagte die Patientin wieder über starke<br />

Schmerzen, nachdem diese in den ersten Wochen<br />

der Therapie zurückgegangen waren. Aufgrund des<br />

deutlich verbesserten Wundstatus entschloss sich der<br />

behandelnde Arzt, die Wundtherapie auf ein Hydrogel<br />

mit Alginaten kombiniert mit Grassolind neutral umzustellen.<br />

Beurteilung durch den Arzt<br />

Der Zustand der Wunde sowie der Wundumgebung<br />

hatte sich nach Angabe des Arztes im Vergleich zur<br />

Eingangsuntersuchung verbessert. Insofern hatten sich<br />

seine Erwartungen an die wundheilungsfördernde Wirkung<br />

erfüllt. Besonders hob der Mediziner hervor, dass<br />

Atrauman Ag einen sehr guten Kontakt zum Wundgrund<br />

hatte, sehr leicht und ohne zu verkleben von der<br />

Wunde entfernt werden konnte, sehr gut von der Patientin<br />

vertragen wurde und insgesamt die Wundauflage<br />

sehr gut zu handhaben war. Die wundreinigende Wirkung<br />

bewertete er als gut. Die Patientin bestätigte die<br />

vom Arzt als gut bewertete Verträglichkeit. �


F. Lang, Kreiskrankenhaus Leonberg<br />

Das intraoperative Dekubitusrisiko<br />

bei Alterspatienten<br />

Einleitung<br />

Die moderne Operations- und Narkosetechnik befindet<br />

sich auf einem hohen medizinischen Niveau,<br />

das es ermöglicht, auch Patienten mit einem außerordentlichen<br />

Operationsrisiko nahezu ohne Einschränkung<br />

zu operieren. So ist es heute selbstverständlich,<br />

beispielsweise Patienten mit einer Schenkelhals- oder<br />

Oberschenkelfraktur bis ins hohe Alter operativ zu<br />

versorgen.<br />

Tatsache ist aber auch, dass Alterspatienten ein erhöhtes<br />

Risiko tragen, intraoperativ einen Dekubitus zu<br />

entwickeln. Zum Teil sind die Risikofaktoren dabei solche,<br />

die auch bei jüngeren Patienten eine Rolle spielen,<br />

zum Teil sind sie jedoch durch altersabhängige Funktionseinbußen<br />

und Erkrankungen bedingt. Nachfolgend<br />

werden einige der altersassoziierten Risikofaktoren<br />

beschrieben. Das Fallbeispiel dazu soll insbesondere<br />

die typische zeitverzögerte Entwicklung eines<br />

intraoperativ erworbenen Gewebeschadens aufzeigen.<br />

Altersassoziierte Risikofaktoren<br />

Physiologische Hautalterung<br />

Unabhängig davon, ob Erkrankungen vorliegen,<br />

stellt bereits die Altershaut an sich ein Dekubitusrisiko<br />

dar. Durch den altersbedingten Schwund an Zell- und<br />

Faserelementen wird die Haut insgesamt dünner, das<br />

Hautbindegewebe verliert an Elastizität. Damit verringert<br />

sich die mechanische Belastbarkeit der Haut,<br />

sodass selbst kurzfristige Druckeinwirkungen zur Dekubitusentwicklung<br />

führen können.<br />

Ein weiterer Punkt ist, dass die altersphysiologischen<br />

Veränderungen auch Auswirkungen auf die Funktion<br />

einzelner Zellen und insbesondere der Merkelzellen<br />

als Druckrezeptoren haben. Die sich in der Epidermis<br />

befindlichen Merkelzellen erhalten die Druckmeldung<br />

nicht mehr oder leiten sie nur verzögert an das Gehirn<br />

weiter. Diese gestörte Reizübermittlung erhöht dann<br />

das Risiko eines Gewebeschadens enorm.<br />

Mangeldurchblutung der Haut<br />

Eine Mangeldurchblutung der Haut bedeutet verminderte<br />

Sauerstoffzufuhr und beeinträchtigte Stoffwechselvorgänge<br />

in den Hautzellen, mit der Folge,<br />

dass sich auch die Drucktoleranz der Haut vermindert.<br />

Mangeldurchblutungen können dabei durch viele Ur-<br />

sachen ausgelöst werden, so z. B. durch hypovolämischen,<br />

kardiogenen oder septischen Schock, niederen<br />

Blutdruck, Dehydration, Herzinsuffizienz, Diabetes<br />

mellitus, Arteriosklerose usw. Insbesondere die vier<br />

letzteren dieser Krankheitsbilder sind im Alter häufiger<br />

anzutreffen als in jüngeren Jahren, sodass sie unbedingt<br />

in das Risikoassessment miteinzubeziehen sind.<br />

Aber auch intraoperativ können zusätzlich kritische<br />

Durchblutungssituationen entstehen. So müssen zum<br />

Beispiel bei Eingriffen im Bereich der Gefäßchirurgie<br />

(Aorta, Biforkationsprothese) die zuführenden Blutgefäße<br />

zumindest für die Dauer der Anastomosennaht<br />

abgeklemmt werden. Dies bedeutet für ein bereits<br />

grenzwertig versorgtes Gewebe eine weitere Belastung<br />

während der Operation. Die Sauerstoffversorgung wird<br />

für die Zeit der Naht noch kritischer. Das schon zuvor<br />

schlecht durchblutete Gewebe toleriert eine solche Unterversorgung<br />

während des operativen Eingriffs kaum<br />

mehr, sodass auch hier Gewebe zugrunde gehen kann.<br />

Vorschädigungen der Haut<br />

Hier sind vor allem die Auswirkungen der Inkontinenz<br />

zu nennen, deren Inzidenz mit zunehmendem<br />

Alter bei Patienten beiderlei Geschlechts ansteigt.<br />

Feuchtigkeit und die aggressiven Zersetzungsprodukte<br />

von Urin und/oder Stuhl reizen und weichen die Haut<br />

auf, die zudem auch bakteriell stark belastet ist. Es<br />

kann zu Mazerationserscheinungen der oberen Hautschichten<br />

kommen, wodurch die Widerstandskraft der<br />

Haut gegen Druck weiter herabgesetzt wird.<br />

Vorschädigungen der Haut entstehen im speziellen<br />

Fall aber auch durch präoperative Maßnahmen. Beispielsweise<br />

wird bei Verletzungen im Oberschenkelbereich<br />

die Extremität bis zur operativen Versorgung<br />

meist in einem Streckverband auf einer Schiene gelagert.<br />

Dies verhindert eine Lagerungsbehandlung zur<br />

Dekubitusprophylaxe bis zur Operation. Der Patient<br />

liegt in dieser Zeit ausschließlich in Rückenlage, wodurch<br />

die Kreuzbeinregion bereits präoperativ extrem<br />

belastet wird.<br />

Mangelernährung<br />

Großen Einfluss auf die Prävention wie auch auf die<br />

Behandlung eines Dekubitus hat die Ernährungssituation<br />

des Betroffenen. Studien zeigen jedoch, dass bis<br />

zu zwei Drittel der in Krankenhäuser aufgenommenen<br />

Kasuistik<br />

Der Autor:<br />

Friedhelm Lang,<br />

Abteilungsleiter Chirurgie,<br />

Allgemeinchirurgische<br />

Klinik, Kreiskrankenhaus<br />

Leonberg,<br />

Rutesheimer Straße 50,<br />

71229 Leonberg<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

21


Kasuistik<br />

22 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

Senioren zwar nicht unbedingt unterernährt, aber<br />

mangelernährt sind. Häufig liegt ein Mangel an Vitaminen,<br />

Magnesium, Eisen und Zink vor. Dies zeigt sich im<br />

Blutbild teilweise an einem niedrigen Hb-Wert, der im<br />

Falle einer Operation noch weiter absinkt.<br />

Intraoperativ auftretende Druck- und Scherkräfte<br />

Es liegt auf der Hand, dass Alterspatienten mit all<br />

ihren alters- oder erkrankungsbedingten Funktionsdefiziten<br />

der Haut ganz besonders empfindlich auf<br />

intraoperativ auftretende Druck- und Scherkräfte<br />

reagieren. Diese sind bei jüngeren Patienten und erst<br />

recht bei älteren und hochbetagten Menschen Risikofaktor<br />

Nr. 1 zur Entwicklung eines Dekubitus. Extreme<br />

Scherkräfte ergeben sich dabei vor allem bei hüftnahen<br />

Operationen.<br />

Allgemein gültige Empfehlungen zur<br />

intraoperativen Dekubitusprävention<br />

Unabhängig vom Alter des Patienten beginnt die<br />

Prophylaxe bereits bei der rechtlich vorgegebenen<br />

Einschätzung des Dekubitusrisikos mittels einer Dekubitus-Risikoskala.<br />

Die Information über das Ergebnis<br />

des Schweregrades der Gefährdung des Patienten<br />

muss unbedingt bei der Übergabe des Patienten in den<br />

OP (Schleuse) erfolgen.<br />

Bei einem festgestellt erhöhten Risiko kann eine<br />

auf die Kreuzbeinregion aufgebrachte Hydrogelplatte<br />

optimalen Schutz vor einer Hautläsion bieten.<br />

Alternativ helfen hier aber auch Hydrokolloid- oder<br />

Weichschaumplatten, die in speziellen Zuschnitten<br />

(Sakrumplatten) angeboten werden, das Risiko eines<br />

Hautschadens zu mindern.<br />

Des Weiteren obliegt es den medizinischen Mitarbeitern,<br />

dafür Sorge zu tragen, dass die ihnen anvertrauten<br />

Patienten während der Operation auf einer<br />

druckmindernden Auflage gelagert werden. Dies ist<br />

mit großzelligen, speziell für den Operationstisch angebotenen<br />

Luftkammerwechseldruckmatratzen möglich.<br />

Insgesamt hat ein guter lokaler Hautschutz zusammen<br />

mit der unerlässlichen Weichlagerung des Patienten<br />

folgende positive Effekte:<br />

� Druckreduzierung, da die OP-Tischauflagen oft sehr<br />

klein und wenig gepolstert sind (Extensionstisch bei<br />

Oberschenkel- oder Schenkelhalsfrakturen),<br />

� weniger Scherkräfte in Rückenlage,<br />

� kein Flüssigkeitskontakt der Haut durch Desinfektionsmittel,<br />

das sich bei unsachgemäßer Mengenanwendung<br />

am tiefsten Punkt (Kreuzbein) sammelt,<br />

� keine Verdunstungskälte des Alkohols im Desinfektionsmittel,<br />

� Vermeidung des Liegens im feuchten Milieu,<br />

� Verteilung des Auflagedrucks auf eine größere Fläche<br />

im relaxierten Zustand,<br />

� bessere Verteilung der Zug- und Scherkräfte,<br />

� Verzögerung des schnellen Auskühlens des Kreuzbeingewebes.<br />

Von Wichtigkeit ist, dass Patienten nach OP-gerechter<br />

Lagerung nochmals im Gesäßbereich angehoben werden.<br />

Die durch Zug- und Scherkräfte überdehnte Haut<br />

kann sich somit entspannen.<br />

Des Weiteren muss während der Operation das<br />

Abstützen des Assistenzpersonals im Beckenbereich<br />

verhindert werden, um so den Auflagedruck des Os<br />

sacrums nicht weiter zu erhöhen.<br />

Der aufgebrachte Hautschutz durch Hydrogel-,<br />

Hydrokolloid- oder Weichschaumplatten sollte nach<br />

der Operation noch ein bis zwei Tage belassen werden.<br />

Dadurch kann das Dekubitusrisiko des Patienten nach<br />

dem Eingriff weiter minimiert werden, da sehr häufig<br />

die Rückenlage bevorzugt wird. Zu Beginn der Mobilisierungsphase<br />

können die Schutzplatten dann entfernt<br />

werden, da das Risiko einer Hautläsion deutlich sinkt.<br />

Die Seitenlage wird in dieser Zeit von den Patienten<br />

zunehmend toleriert.<br />

Der intraoperative Gewebeschaden<br />

Die Mangelversorgung des Gewebes während der<br />

Operation zeigt sich nicht sofort nach dem operativen<br />

Eingriff. Erst nach zwei bis fünf Tagen kann zu Beginn<br />

eine livide, teils weißliche Verfärbung der Kreuzbeinregion<br />

dokumentiert werden. Der irreversible Gewebeschaden<br />

ist zu dieser Zeit bereits eingetreten. Die Cutis<br />

ist zu dieser Zeit noch intakt. Das avitale Gewebe befindet<br />

sich in den tieferen Gewebeschichten. Sehr häufig<br />

ist hier die Sehnenplatte am Os sacrum durch den<br />

Lagerungsschaden dauerhaft geschädigt. Über Tage<br />

hinweg vergrößert sich dann das Hautareal, welches<br />

sich dunkellivide verfärbt. Das Ausmaß des entstandenen<br />

Gewebeschadens wird somit erst nach fünf bis acht<br />

Tagen sichtbar. Der jetzt erkennbare Gewebeuntergang<br />

ist daher nicht als Pflegefehler, wie fälschlicherweise<br />

oft behauptet, sondern als ein intraoperatives<br />

Lagerungsproblem zu werten. Eine Weichlagerung mit<br />

Lagerungsbehandlung nach Plan kann postoperativ<br />

nur noch weiteren Schaden verhindern.<br />

Eine exakte Dokumentation sowohl schriftlich als<br />

auch fotografisch ist aus forensischen Gründen unerlässlich.<br />

Patienten, die einen Gewebeschaden erlitten<br />

haben, durchleiden immense Schmerzen. Dies muss<br />

beim Schmerzmanagement vorrangig mitberücksichtigt<br />

werden.<br />

Resümee<br />

Die Bereitstellung und Anwendung effektiver<br />

Prophylaxemittel ist wesentlich wirtschaftlicher als<br />

ein verlängerter Krankenhausaufenthalt des Patienten<br />

wegen eines Dekubitus durch eine falsche Lagerung<br />

auf dem OP-Tisch, ganz abgesehen von einem Regressanspruch<br />

des Patienten oder der Kostenträger. Auch ist


der Imageschaden für die Klinik bei wiederkehrenden<br />

Dekubiti nicht zu unterschätzen.<br />

Fallbeispiel<br />

Dekubitus am Kreuzbein nach operativer Versorgung<br />

einer Oberschenkelfraktur<br />

Anamnese<br />

81-jährige Patientin, Z. n. Mamma-Ca., Erstdiagnose<br />

1997, brusterhaltend operiert.<br />

Die Patientin berichtet, dass sie vor ca. 8 Wochen<br />

auf die rechte Körperseite gestürzt ist. Danach war sie<br />

noch mobil. Ca. 8 Tage vor der stationären Aufnahme<br />

kam es zu einer plötzlichen Schmerzzunahme mit akuter<br />

Gehunfähigkeit. Des Weiteren berichtet die Patientin<br />

über einen deutlichen Leistungsabfall in den letzten<br />

Monaten sowie eine Gewichtsabnahme von ca. 15 kg.<br />

Sie fühlte sich schlapp und müde, mit ausgeprägten<br />

Schmerzen im Bereich der Schultern und des Beckens.<br />

Bei der stationären Aufnahme ist die Beweglichkeit des<br />

rechten Hüftgelenks schmerzbedingt komplett aufgehoben.<br />

Es kann ein ausgeprägter Leistendruckschmerz<br />

ausgelöst werden. Es besteht keine Dislokation des<br />

rechten Beines. Periphere Durchblutung, Motorik und<br />

Sensibilität sind intakt.<br />

In den Röntgenaufnahmen, Beckenübersicht sowie<br />

rechte Hüfte a. p., zeigt sich zum einen eine pathologische<br />

Schenkelhalsfraktur rechts sowie eine pathologische<br />

Fraktur des oberen und unteren Schambeinastes.<br />

Des Weiteren ist das gesamte Beckenskelett,<br />

einschließlich der Hüftgelenke, Schenkelhälse und proximaler<br />

Femur von disseminierten gemischtförmigen<br />

osteolytisch-osteoplastischen Metastasen durchsetzt.<br />

Im Röntgenthorax zeigt sich eine ausgedehnte disseminierte<br />

gemischtförmige Metastasierung im Bereich<br />

der rechten Scapula einschließlich der Schulterpfanne<br />

sowie der Clavicula und multipler Rippen beidseits.<br />

Therapie und Verlauf<br />

Nach präoperativer Vorbereitung erfolgte die<br />

Implantation einer vollzementierten Hüft-Totalendoprothese<br />

rechts. Nach Entfernung der Redondrainage<br />

konnte postoperativ mit einer intensiven krankengymnastischen<br />

Übungsbehandlung und Mobilisation<br />

der Patientin unter ansteigender Belastung begonnen<br />

werden. Dies gestaltete sich aufgrund des deutlich<br />

reduzierten Allgemeinzustandes der Patientin äußerst<br />

schwierig. Es bildete sich trotz konsequenter Lagerungstherapie<br />

ein Dekubitus der Kreuzbeingegend<br />

mit einer Nekrosezone von über 4 cm im Durchmesser.<br />

Die Nekrose wurde in Narkose exzidiert und mit einer<br />

Calciumalginat-Tamponade (Sorbalgon) versorgt. Die<br />

Verbandwechsel mit Calciumalginat-Kompressen in<br />

Kombination mit Polyhexanid wurden anfänglich<br />

täglich durchgeführt. Darunter zeigten sich reizlose<br />

1 2<br />

3 4<br />

5 6<br />

Abb. 1<br />

48 Stunden nach der Operation ist im<br />

Kreuzbeinbereich eine livide Verfärbung zu<br />

erkennen, die mit weißlichen Arealen durchsetzt<br />

ist.<br />

Abb. 2<br />

4 Tage nach OP sind trotz konsequenter<br />

Lagerung aus den weißen Bezirken Nekroseareale<br />

entstanden.<br />

Abb. 3<br />

Ein Teil der geschädigten Haut erholt sich<br />

nur langsam.<br />

Wundverhältnisse sowie eine allmähliche Abheilung.<br />

Die Lagerung erfolgte weiterhin konsequent nach<br />

Lagerungsplan, unter Ausschluss jeglicher Belastung<br />

der Kreuzbeingegend.<br />

Auf der Suche nach dem Primärtumor wurden<br />

weitere diagnostische Maßnahmen durchgeführt.<br />

Die Tumormarker CEA, CA 15/3 sowie CA 19/9 waren<br />

allesamt deutlich erhöht, auch die histologische Untersuchung<br />

des bei der Operation entfernten Hüftkopfes<br />

zeigte metastatisches Tumorgewebe eines teils soliden,<br />

teils adenoid-strukturierten und relativ stromareichen<br />

Karzinoms, sodass als Primärtumor in erster Linie das<br />

bereits 1997 diagnostizierte Mamma-Ca. in Frage<br />

kam. Eine erneut durchgeführte Mammographie beidseits<br />

ergab bei Z. n. BET rechts keinen Anhalt für ein<br />

Lokalrezidiv. �<br />

Kasuistik<br />

Abb. 4<br />

Nach chirurgischem Débridement zeigt<br />

sich der komplette Gewebsuntergang, die<br />

Nekrosen werden bis zum Übergang ins<br />

vitale Gewebe exzidiert.<br />

Abb. 5<br />

Restbeläge werden schmerzfrei beim Verbandwechsel<br />

entfernt.<br />

Abb. 6<br />

28 Tage nach Erstoperation zeigt sich gesundes<br />

Granulationsgewebe. In diesem<br />

Wundstadium wird die Patientin in die Kurzzeitpflege<br />

übergeleitet.<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

23


Kasuistik<br />

Der Autor:<br />

Frans Meuleneire,<br />

Wondcentrum,<br />

AZ St. Elisabeth,<br />

Godveerdegemstraat 69,<br />

9620 Zottegem,<br />

Belgien<br />

1 2<br />

3 4<br />

Abb. 1-4<br />

Das Austamponieren von Dekubituskavitäten<br />

mit in Antiseptika getränkten Gazestreifen<br />

(Abb. 1) gewährleistet nicht immer eine<br />

ausreichende Reinigung, sodass alternativ<br />

ein schnelles und gründliches Débridement<br />

mit dem Wundkissen TenderWet active<br />

24 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

F. Meuleneire, Wundzentrum St. Elisabeth, Zottegem, Belgien<br />

Versorgung eines kavitären Dekubitus<br />

mit TenderWet active cavity<br />

Dekubiti weisen häufig tiefe, schwer zu reinigende Wundhöhlen auf, die äußerlich<br />

durch eher kleine Hautdefekte kaum zu erkennen sind. Mit TenderWet active cavity<br />

kann jedoch auch in diesem Fall eine effiziente Reinigung erzielt werden.<br />

Problemstellung<br />

Vor allem bei Dekubiti im Sakralbereich oder über<br />

den Trochantern findet man nicht selten die Situation<br />

vor, dass nur ein relativ kleiner Hautdefekt sichtbar<br />

ist. Eine gründliche Untersuchung der Wunde offenbart<br />

dann aber, dass der sichtbare Teil des Dekubitus<br />

sprichwörtlich die „Spitze des Eisberges“ ist. Die Wunde<br />

ist meistens tief unterminiert und stellt eine Kavität<br />

dar, in der sich nekrotisches und fibrinöses Gewebe<br />

angesammelt hat. Solange aber die Wunde bis in ihre<br />

Tiefen nicht sauber und von Nekrosen frei ist, kann sie<br />

nur sehr langsam oder überhaupt nicht granulieren.<br />

Um nun solch schwer zugängliche Wunden zu reinigen,<br />

ist es gängige Praxis, einen mit Povidon-Jod-Lösung<br />

getränkten Gazestreifen in die Wundhöhle einzutamponieren<br />

(Abb. 1). Das Einbringen der Gazestreifen<br />

ist jedoch oft nicht einfach. Vor allem ist es schwierig,<br />

cavity in Erwägung gezogen werden sollte<br />

(Abb. 2-4). Selbstverständlich muss die<br />

lokale Wundbehandlung konsequent durch<br />

druckentlastende Maßnahmen gestützt<br />

werden, beispielsweise durch Lagern des<br />

Patienten auf Antidekubitusmatratzen bzw.<br />

durch regelmäßiges Umlagern.<br />

exakt abzuschätzen, wie tief und wie groß die Wundhöhle<br />

ist und ob auch alle Wundbereiche sicher<br />

austamponiert sind. Zudem ist die Saugkapazität des<br />

Gazestreifens durch das Tränken mit Povidon-Jod-<br />

Lösung von vorneherein begrenzt, sodass sich die<br />

Effizienz der Reinigungswirkung einer solchen Gazetamponade<br />

schlecht evaluieren lässt.<br />

Lösung mithilfe von TenderWet active cavity<br />

Bei dem vorliegenden kavitären Dekubitus sind<br />

wir folgendermaßen vorgegangen: Durch Palpation<br />

mit dem Finger (Abb. 2) konnten wir die Größe der<br />

Wundhöhle relativ genau feststellen, die wir mit einem<br />

Filzstift außen auf der Haut markierten. Anhand der<br />

Markierung bestimmten wir die erforderliche Größe<br />

des Wundkissens TenderWet active cavity (Abb. 3), das<br />

über ein einmaliges Saug-Spülprinzip mit einer hohen<br />

Reinigungswirkung verfügt. Dabei war TenderWet<br />

selbst bei der schmalen Wundöffnung gut einzubringen<br />

(Abb. 4). So konnten wir mit dieser Methode die<br />

Wunde nicht nur sehr schnell versorgen (im Vergleich<br />

zum zeitaufwendigen Eintamponieren von Gazestreifen),<br />

sondern erzielten in kurzer Zeit auch ein gutes<br />

autolytisches Débridement der Wundhöhle.<br />

Diskussion<br />

Herkömmliche Behandlungsmethoden wie das Eintamponieren<br />

von in Antiseptika getränkten Gazestreifen<br />

sind noch weit verbreitet. Wenn möglich, sollten<br />

jedoch Methoden gewählt werden, die den modernen<br />

Grundsätzen der Wundversorgung entsprechen und<br />

ein schnelles und gründliches autolytisches Débridement<br />

sichern. Denn nur dadurch können das Infektionsrisiko<br />

vermindert und die Wundheilung mit Bildung<br />

von Granulationsgewebe stimuliert werden.<br />

Die Saug-Spülkompresse TenderWet active cavity<br />

erfüllt diese Anforderungen und ist zudem einfach zu<br />

handhaben. Die Kompresse bleibt in der Wundkavität<br />

gut in Position und kann beim Verbandwechsel problemlos<br />

und schmerzlos entfernt werden. Wenn die<br />

Granulation in der Wundhöhle gut fortschreitet und die<br />

Kavität zu klein wird, kann eventuell zu einem Calciumalginat-Verband<br />

(Sorbalgon) gewechselt werden. �


F. Lang, Kreiskrankenhaus Leonberg, H. Röthel, CMC Medical Information, Heidenheim<br />

Die korrekte Auswahl von Wundauflagen:<br />

Grundlage des Therapieerfolgs<br />

Eine Wunde, egal welcher Genese, ist für den betroffenen Patienten eine Erkrankung,<br />

bei der er Anspruch auf eine sachgerechte Therapie hat, die eine Heilung<br />

impliziert. Im Gesamtkonzept der Wundbehandlung stellt dabei der Wundverband<br />

eine entscheidende Therapiemaßnahme dar, deren Erfolg von indikationsgerecht<br />

ausgewählten und angewandten Wundauflagen mitbestimmt wird.<br />

Einleitung<br />

Für die lokale Wundbehandlung steht heute eine<br />

Vielzahl traditioneller und moderner Wundauflagen<br />

mit den unterschiedlichsten Wirkungsprinzipien zur<br />

Verfügung, mit denen die Wundheilung gezielt beeinflusst<br />

und gefördert werden kann. In der Praxis ist es<br />

aber gerade dieses breite, differenzierte Angebot, das<br />

nicht selten als zu unübersichtlich und zu kompliziert<br />

in der Anwendung bewertet wird. Eine dem aktuellen<br />

medizinischen Standard entsprechende Wundbehandlung<br />

mithilfe moderner Wundauflagen hat dann keine<br />

Chance.<br />

Es soll deshalb aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten<br />

in der Nutzung dieser Vielfalt liegen. Denn<br />

sie ist letztlich die Voraussetzung dafür, dass in jedem<br />

individuellen Behandlungsfall problemorientiert und<br />

effizient und damit auch wirtschaftlich therapiert<br />

werden kann. Die Nutzung der Vielfalt bedeutet dabei<br />

aber keineswegs, dass alle verfügbaren Wundauflagen<br />

und -systeme bereitgehalten werden müssen. Vielmehr<br />

kann sich der Wundtherapeut aus den vorhandenen<br />

Alternativen sein spezielles Wundauflagensortiment<br />

zusammenstellen, mit dem er am besten die Wunden<br />

behandeln kann, die in seiner Praxis am häufigsten<br />

vorkommen.<br />

Hilfreich bei dem Vorhaben, das breite Angebot<br />

an modernen Wundauflagen für sich nach den<br />

eigenen Praxisgegebenheiten zu strukturieren, ist<br />

Basiswissen zu den therapeutischen Aufgaben des<br />

Wundverbandes, seiner indikationsgerechten Anwendung<br />

sowie seinen materialbedingten Eigenschaften.<br />

Die Themenbereiche werden hier kurz dargestellt.<br />

Therapeutische Aufgaben des Wundverbandes<br />

Je nach ihrer Entstehung heilen Wunden primär<br />

oder sekundär. Die primär heilende Wunde stellt dabei<br />

wenige Anforderungen an die therapeutische Wirkung<br />

eines Wundverbandes. Sie ist durch Naht geschlossen,<br />

und die Heilung läuft geschützt, quasi im Verborgenen<br />

ab. Dem Wundverband verbleiben die Aufgaben, eventuelle<br />

Sickerblutungen aufzunehmen und die Wunde<br />

vor mechanischer Irritation und Sekundärinfektionen<br />

zu schützen, da die Naht immer noch eine Eintrittsstelle<br />

für Keime darstellt.<br />

Ganz anders sieht es hingegen bei der Sekundärheilung<br />

aus. Hier muss Granulationsgewebe zur<br />

Defektauffüllung aufgebaut werden, das dann auch die<br />

Matrix für eine Spontanepithelisierung oder eine plastisch-chirurgische<br />

Deckung durch Lappenplastiken<br />

oder Spalthaut darstellt. Damit sich aber Granulationsgewebe<br />

entwickeln kann, muss die Wunde erst einmal<br />

sauber, infektfrei und gut durchblutet sein. Alle diese<br />

Vorgänge laufen dabei „offen“ ab und sind von vielen<br />

endogenen und externen Faktoren beeinflusst, sodass<br />

hier die therapeutischen Wirkungen eines Wundverbandes<br />

dringend benötigt werden.<br />

Grundsätzlich können dabei bereits die Schutzfunktionen<br />

des Wundverbandes als therapeutisch angesehen<br />

werden. Denn der Verband übernimmt bei der<br />

„offenen“ Sekundärheilung interimsweise, bis die<br />

Wunde abgeheilt ist bzw. gedeckt wurde, wesentliche<br />

Aufgaben der intakten Haut. Wird dieser Schutz nicht<br />

gewährleistet, kann sich die Heilung erheblich verzögern.<br />

Ebenso lässt auch das kosmetische Ergebnis<br />

meist zu wünschen übrig. Die Aufgaben bestehen im<br />

� Schutz vor mechanischer Irritation (Druck, Stoß,<br />

Scheuern) und vor Verschmutzung,<br />

� Schutz vor Sekundärinfektionen,<br />

� Schutz vor Austrocknung und Verlust von Körperflüssigkeiten<br />

(Elektrolytverlusten) sowie<br />

� Schutz vor Wärmeverlusten.<br />

Über den umfassenden Wundschutz hinaus kann der<br />

Wundverband aber auch aktiv das Heilungsgeschehen<br />

beeinflussen durch die Reinigung der Wunde, die<br />

Schaffung eines wundheilungsfördernden Mikroklimas<br />

und den Erhalt der Wundruhe.<br />

Praxiswissen<br />

Für die Autoren:<br />

Hildegard Röthel,<br />

CMC Medical Information,<br />

Weberstraße 8,<br />

89522 Heidenheim,<br />

h.roethel@cmc-online.de<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

25


Praxiswissen<br />

26 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

Aufgaben in der Reinigungsphase<br />

In jeder Wunde sammelt sich zunächst Exsudat, das<br />

mit Detritus (Zelltrümmern), Schmutz, Bakterien und<br />

deren toxischen Stoffwechselprodukten durchsetzt<br />

ist. Bleiben größere Exsudatmengen auf der Wunde<br />

stehen, wird der Fortgang der Heilung sowohl mechanisch<br />

als auch biologisch behindert, die Infektionsgefahr<br />

wächst. Wenn Okklusiv-Verbände angewendet<br />

werden, besteht zudem die Gefahr der Ausbildung so<br />

genannter feuchter Kammern. Überschüssiges, keimbelastetes<br />

Exsudat muss deshalb abgesaugt werden.<br />

Des Weiteren lassen sich aber auch mit feuchten<br />

Wundverbänden Nekrosen und Beläge aufweichen<br />

und leichter ablösen.<br />

Insgesamt beschleunigt und unterstützt der Wundverband<br />

damit die Säuberung der Wunde, was das<br />

Aufgaben und Funktionen von Wundauflagen Tab. 1<br />

Das braucht die Wunde Das muss die Wundauflage leisten<br />

Reinigungsphase<br />

„Saubere“ Wundverhältnisse als wichtigste<br />

Voraussetzung zum nachfolgenden Gewebeaufbau;<br />

nekrotisches Gewebe, Detritus,<br />

Fremdkörper und Bakterien erhöhen die Infektionsgefahr<br />

und verzögern das Einwandern<br />

von Fibroblasten sowie die Entwicklung von<br />

Kapillaren<br />

Granulations- und Epithelisierungsphase<br />

Eine gute Mikrozirkulation mit anhaltender<br />

physiologischer Sekretion, damit die für die<br />

Heilung wichtigen Zellen und Substanzen in<br />

das Wundgebiet gelangen können<br />

Ein ausgewogen feuchtes Wundmilieu für den<br />

ungestörten Ablauf der zellulären Vorgänge,<br />

sowohl zu viel Feuchtigkeit als auch zu trockene<br />

oder gar ausgetrocknete Wundverhältnisse<br />

behindern die Heilung<br />

Ein gutes Mikroklima mit Wundtemperaturen<br />

nahe der Kerntemperatur des Körpers zur Förderung<br />

der mitotischen Aktivitäten<br />

Von Fall zu Fall, z. B. bei chronischen Wunden<br />

mit schlechter Heilungstendenz, einen reduzierten<br />

Sauerstoffpartialdruck sowie einen<br />

pH-Wert im sauren Bereich zur Stimulierung<br />

von Proliferationszellen, insbesondere von<br />

Fibroblasten<br />

Allgemeine Bedürfnisse<br />

Absaugen von überschüssigem, mit Detritus,<br />

Fremdkörpern, Keimen und toxischen Stoffwechselprodukten<br />

belasteten Exsudats; unterstützt<br />

dadurch die körpereigenen Reinigungsmechanismen;<br />

dient der Infektionsbekämpfung<br />

und im Hinblick auf fakultativ pathogene<br />

Keime der Infektionsprophylaxe<br />

Anregen der physiologischen Sekretion durch<br />

die osmotischen Effekte ihrer Saug- und Sogwirkung<br />

Ausbalancieren der Feuchtigkeit durch kontinuierliches<br />

Absaugen überschüssiger Sekrete<br />

und Abgabe überschüssiger Feuchtigkeit<br />

als Wasserdampf an die Umgebung; bei zu<br />

trockenen Wundverhältnissen ist der Wunde<br />

durch feuchte Verbandbehandlung die erforderliche<br />

Feuchtigkeit zuzuführen<br />

Fördern des idealen Mikroklimas durch ihre<br />

wärmeisolierenden Fähigkeiten in Verbindung<br />

mit der Luft- und Wasserdampfdurchlässigkeit<br />

Herstellen eines semiokklusiven bzw. okklusiven<br />

Wundabschlusses durch speziell ausgebildete<br />

keim- und wasserdichte Deckschichten<br />

Schutz vor Sekundärinfektionen Undurchlässig für Mikroorganismen sein<br />

Schutz vor biochemischen Irritationen Chemisch reizlos und biologisch unbedenklich<br />

sein und sich inert gegenüber anderen Substanzen<br />

verhalten<br />

Schutz vor Traumatisierung des jungen<br />

Gewebes beim Verbandwechel<br />

Atraumatisch, d. h. wundfreundlich sein;<br />

kein Verkleben mit der Wunde<br />

autolytische Débridement wesentlich fördert, dient im<br />

Hinblick auf vorhandene pathogene Keime der Infektionsprophylaxe<br />

und schützt zugleich vor neuerlicher<br />

Kontamination.<br />

Aufgaben in der Granulationsphase<br />

Neben einer funktionierenden Mikrozirkulation ist<br />

ein ausgewogen feuchtes Wundmilieu eine weitere<br />

wichtige Voraussetzung zum Aufbau von Granulationsgewebe.<br />

Dagegen wird die Heilung sowohl durch ein<br />

Austrocknen als auch durch überschüssiges Sekret in<br />

ihrem Ablauf gestört.<br />

Eine entsprechende Regulierung des Exsudats ist<br />

dabei nur durch den Wundverband möglich: Er saugt<br />

überschüssiges Exsudat ab, verhindert das Austrocknen<br />

der Wunde und führt ihr bei Bedarf auch dosiert<br />

Feuchtigkeit zu. Selbstverständlich müssen die dazu<br />

eingesetzten Wundauflagen über spezifische physikalische<br />

Eigenschaften verfügen, wenn sie diesen Aufgaben<br />

gerecht werden wollen. Hierbei bewähren sich vor<br />

allem die verschiedenen so genannten hydroaktiven<br />

Wundauflagen.<br />

Bedeutsam in dieser Phase ist auch der Schutz des<br />

Granulationsgewebes vor jeglicher Traumatisierung.<br />

Durch das eiweißreiche Sekret und die hohe Anzahl<br />

feinster Haarkapillaren neigt es vor allem außerordentlich<br />

zum Verkleben, weshalb die Wundauflage über<br />

atraumatische Eigenschaften verfügen muss, d. h. sie<br />

darf nicht mit der Wunde verkleben. Andernfalls wird<br />

bei jedem Verbandwechsel das Granulationsgewebe<br />

durch das so genannte Zellstripping geschädigt, das<br />

bedeutet, dass frisch gebildete Zellen mit dem Verband<br />

abgerissen werden. Dies wirft die Wunde in ihrem<br />

Heilungsprozess zumindest teilweise zurück und verursacht<br />

neue Entzündungen.<br />

Darüber hinaus hat der Wundverband weiterhin<br />

die Funktion, für einen sicheren Infektionsschutz zu<br />

sorgen, wenngleich die Infektionsgefährdung proportional<br />

zu einem gut ausgebildeten Granulationsgewebe<br />

abnimmt.<br />

Aufgaben in der Epithelisierungsphase<br />

Eine feuchte, gut durchblutete Granulation etwa<br />

bis auf Wundrandhöhe ist die Vorbedingung für die<br />

abschließende Epithelisierung. Der Wundverband<br />

muss die Wunde deshalb weiterhin in ausgewogenem<br />

Maße feucht halten. Bleibt überschüssiges Sekret auf<br />

der Wunde stehen, schwimmen die Epithelzellen auf.<br />

Ist die Wunde zu trocken, bildet sich Schorf, der die<br />

Reepithelisierung beeinträchtigt, weil die Epithelzellen<br />

unter den Schorf kriechen müssen, was Zeit und<br />

Energie erfordert. Es werden also auch in dieser Phase<br />

wieder Wundauflagen benötigt, die die Wundfläche<br />

vor dem Austrocknen und die Epithelzellen vor dem<br />

Zellstripping beim Verbandwechsel schützen.


Problemfall chronische Wunde<br />

Der geschilderte zeitgerechte Ablauf bei der Sekundärheilung<br />

findet bei chronischen Wunden jedoch eher<br />

selten statt. Vor allem wenn chronische Wunden schon<br />

monate- und gar nicht so selten jahrelang bestehen,<br />

ist es auch für den erfahrenen Wundtherapeuten nicht<br />

immer einfach, das Stadium der Wundheilung richtig<br />

einzuschätzen. Denn zumeist finden sich in der chronischen<br />

Wunde alle Zustände gleichzeitig: nekrotisches<br />

Gewebe, Fibrinbeläge, Inseln mit frischem Granulationsgewebe<br />

und spärlich Epithel an den häufig eingezogenen<br />

Wundrändern. Dann stellt sich natürlich die<br />

Frage, welche Wundauflage jetzt geeignet ist, um hier<br />

die Wundheilung voranzubringen.<br />

Fünf wichtige Fragen zum Wundzustand<br />

helfen weiter<br />

Die Behandlung chronischer Wunden besteht praktisch<br />

aus zwei Teilen: Zunächst einmal müssen die<br />

Ursachen behandelt werden, die zur Entstehung der<br />

chronischen Wunde geführt haben. So ist zum Beispiel<br />

bei venösen Ulzera vorrangig durch eine Kompressionstherapie<br />

die venöse Rückflussstörung zu beheben<br />

oder weitestgehend zu kompensieren. Dies wird als<br />

Kausaltherapie bezeichnet. Die Entstehungsursache<br />

und die Art der chronischen Wunde spielen jedoch bei<br />

der Auswahl des Wundverbandes keine Rolle.<br />

Der zweite Teil der Wundbehandlung beschäftigt<br />

sich lokal mit der Abheilung der Wunde. Welche<br />

Maßnahmen und welche Wundverbände dabei zur<br />

Anwendung kommen, ist ausschließlich vom erkennbaren<br />

äußeren Zustand der Wunde abhängig. Und<br />

selbst wenn es nicht möglich ist, das Stadium, in dem<br />

sich die Wundheilung befindet, sicher zu identifizieren,<br />

ist es mithilfe einer guten Wundeinschätzung nicht so<br />

schwierig, den Wundverband auszuwählen, der im<br />

vorliegenden Fall den größten therapeutischen Nutzen<br />

bringt. Es ist zumeist ausreichend, fünf Kriterien zum<br />

Wundzustand abzufragen, um die „korrekte“ Wundauflage<br />

zu finden.<br />

Ist die Wunde flächig oder tief und zerklüftet?<br />

Jede Wundauflage <strong>–</strong> unabhängig vom Material und<br />

der spezifischen Wirkungsweise <strong>–</strong> muss so appliziert<br />

werden, dass sie engen Kontakt zum Wundgrund hat.<br />

Denn nur dann ist sie in der Lage, keimbelastetes Exsudat<br />

aufzusaugen bzw. nekrotische und fibrinöse Beläge<br />

aufzuweichen und abzulösen.<br />

Für die Versorgung flächiger Wunden, zum Beispiel<br />

von Wunden mit nur wenigen Millimetern Wundtiefe<br />

(Schädigungen von Epidermis einschließlich der Dermis),<br />

epithelisierende Wunden oder durch Primärnaht<br />

verschlossene Wunden, eignen sich somit alle kompressenförmigen,<br />

flächigen Wundauflagen (Abb. 1/2).<br />

Tamponierfähige Materialien sind nicht erforderlich.<br />

1 2<br />

3<br />

Abb. 1<br />

Behandlung eines flächigen Ulcus cruris<br />

mit TenderWet. Die Kompressen sind leicht<br />

überlappend appliziert.<br />

Abb. 2<br />

Der Hydrogel-Verband Hydrosorb kann nur<br />

bei flächigen Wunden angewandt werden,<br />

Anders bei tiefen Wunden, die Muskelgewebe mitbetreffen,<br />

stark zerklüftet sind oder tiefe Wundhöhlen<br />

aufweisen. Um hier den notwendigen Kontakt zum<br />

Wundgrund auch in tiefen Wundbereichen zu sichern,<br />

müssen die Wundauflagen tamponierfähig sein. Da<br />

aber über die Tamponierfähigkeit hinaus auch noch<br />

andere Eigenschaften für eine effiziente Reinigung<br />

gebraucht werden, stehen tamponierfähige Wundauflagen<br />

aus unterschiedlich wirkenden Materialien zur<br />

Verfügung. Optionen aus dem HARTMANN-Sortiment<br />

sind zum Beispiel die Calciumalginat-Kompresse Sorbalgon<br />

(Abb. 3/4), das Wundkissen TenderWet active<br />

cavity oder der Schaumverband PermaFoam cavity.<br />

Wie stark sezerniert die Wunde?<br />

In der Regel ist das Ausmaß der Exsudation abhängig<br />

von der dominierenden Wundheilungsphase: Sie ist<br />

zumeist am stärksten in der Reinigungsphase, geht in<br />

der Granulationsphase in eine physiologische Sekretion<br />

über und kommt in der Epithelisierungsphase nahezu<br />

zum Stillstand. Die Exsudatmenge zu regulieren sowie<br />

die Feuchtigkeit in der Wunde in einem ausgewogenen<br />

Niveau zu halten, ist dabei nur mithilfe geeigneter<br />

Wundauflagen möglich.<br />

Damit Wundauflagen im Einzelfall aber auch ein<br />

effizientes Exsudatmanagement ermöglichen, stehen<br />

sie in Konstruktionen mit unterschiedlich definiertem<br />

4<br />

Praxiswissen<br />

lässt sich aber an konischen Körperteilen für<br />

einen guten Sitz entsprechend einschneiden.<br />

Abb. 3/4<br />

Die Calciumalginat-Kompresse Sorbalgon<br />

verfügt über die besten Tamponiereigenschaften<br />

und gewährleistet eine absolut<br />

gewebeschonende Tamponade.<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

27


Praxiswissen<br />

5a 5b<br />

5c<br />

Abb. 5a-d<br />

Die schnelle und effiziente Reinigung von<br />

TenderWet bewährte sich bei dieser dehiszenten<br />

medialen Abdominalwunde. Beginn<br />

der Behandlung (5b) mit Verbandwechseln<br />

28 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

5d<br />

alle 12 Stunden. Bereits zwei Tage später<br />

(5c) zeigte sich eine deutliche Reduzierung<br />

der Beläge. Zustand der Wunde nach 20<br />

Tagen mit transplantationsfähigem Granulationsgewebe<br />

(5d). Kasuistik: M. Butcher<br />

Saugvermögen zur Verfügung. Beispielsweise kann<br />

eine Wundauflage in kurzer Zeit sehr viel Exsudat<br />

aufnehmen, ist dann aber auch schneller gesättigt und<br />

muss in kürzerer Zeit gewechselt werden. Ein anderer<br />

Wundauflagentyp saugt langsam an, nimmt dann aber<br />

kontinuierlich Exsudat auf und kann dadurch länger<br />

auf der Wunde verbleiben, sodass weniger Verbandwechsel<br />

erforderlich sind. Oder aber die Wundauflage<br />

ist so gestaltet, dass sie der austrocknungsgefährdeten<br />

Wunde Feuchtigkeit zuführen kann. Über welches<br />

Saugvermögen bzw. welche Saugkapazität eine Wundauflage<br />

verfügt, wird vom Hersteller exakt deklariert.<br />

Optionen aus dem HARTMANN-Sortiment sind für<br />

� sehr stark sezernierende Wunden: Zetuvit, Sorbalgon<br />

(ist auch zur Blutstillung nach Exzisionen bzw. nach<br />

einem chirurgischen Débridement geeignet), Tender-<br />

Wet<br />

� stark bis mäßig sezernierende Wunden: Sorbalgon,<br />

TenderWet, PermaFoam, Hydrocoll<br />

� austrocknungsgefährdete Wunden: Hydrosorb<br />

Wie groß ist der Anteil an Nekrosen und/oder<br />

Fibrinbelägen?<br />

Alles nekrotische und fibrinöse Gewebe muss so<br />

rasch wie möglich aus der Wunde entfernt werden.<br />

Wenn immer möglich, sollte die Abtragung von Nekrosen<br />

durch ein chirurgisches bzw. scharfes Débridement<br />

erfolgen. Ist jedoch ein chirurgisches Débridement<br />

aufgrund spezifischer Situationen nicht möglich<br />

(z. B. Verweigerung des Patienten, Multimorbidität<br />

mit schlechtem Allgemeinzustand, Marcumar- bzw.<br />

Heparintherapie usw.), ist die Nekrosenaufweichung<br />

und Ablösung mithilfe der feuchten Wundbehandlung<br />

die gegebene Alternative. Feuchte Wundverbände sind<br />

oft auch zusätzlich zum chirurgischen Débridement zur<br />

Ablösung restlicher Nekrosen bzw. zur Fortführung der<br />

Wundreinigung erforderlich.<br />

Aus dem HARTMANN-Sortiment ist hierfür vor allem<br />

TenderWet active geeignet, das durch seine Saug-<br />

Spülwirkung Wunden rasch und effizient reinigt. Dabei<br />

kann TenderWet active bei allen Wundzuständen angewendet<br />

werden: bei sehr stark bis mäßig exsudierenden<br />

und trockenen Wunden, bei infizierten Wunden,<br />

bei flächigen Wunden (TenderWet 24 active) oder bei<br />

tiefen Wundkavitäten (TenderWet active cavity, siehe<br />

auch Kasuistik Seite 24). Weitere Optionen sind Perma-<br />

Foam und Hydrocoll, die bei Wunden mit stärkerer bis<br />

mäßiger Exsudation gute Dienste leisten.<br />

Ist die Wunde infiziert?<br />

Je früher die Diagnose einer kritischen Kolonisation<br />

bzw. einer Infektion gestellt wird, umso größer sind die<br />

Chancen, sie rechtzeitig in den Griff zu bekommen.<br />

Gerade das Erkennen beginnender Infektionen ist<br />

jedoch mit Schwierigkeiten verbunden, weil eindeutige<br />

Symptome noch fehlen. Gerötete, überwärmte<br />

und ödematöse Wundränder sowie sich verstärkende<br />

Wundschmerzen sind immer ein ernst zu nehmendes<br />

Anzeichen. Tritt Eiter auf, ist dies bereits ein eindeutiges<br />

Infektionszeichen, wobei der erfahrene Wundtherapeut<br />

oft an Farbe und Geruch des Eiters die Art des<br />

Infektionserregers erkennen kann.<br />

Eine wirksame Maßnahme, Wundinfektionen möglichst<br />

bereits in der Phase der kritischen Kolonisation<br />

zu bekämpfen, ist die Anwendung der silberhaltigen<br />

Salbenkompresse Atrauman Ag. Sie wirkt sicher bakterizid<br />

bei nachgewiesener guter Gewebeverträglichkeit<br />

mit nur geringer Toxizität (siehe auch Forschung, Seite<br />

18-20). Da Atrauman Ag selbst nicht saugt, muss über<br />

Atrauman Ag ein saugender Wundverband appliziert<br />

werden. Dazu eignen sich nicht nur die klassischen<br />

Mull- und Saugkompressen, auch eine Kombination<br />

beispielsweise mit TenderWet oder PermaFoam ist<br />

möglich, wobei letztere die Wundreinigung, die auch<br />

der Infektionsbekämpfung dient, zusätzlich unterstützen.<br />

Wie gut ist die Patientencompliance?<br />

Diese letzte Frage bezieht sich nicht auf den Wundzustand,<br />

sondern auf die Mitarbeit des Patienten.<br />

Denn immerhin ist der Erfolg einer Wundbehandlung,<br />

vor allem bei langwierigen Behandlungen chronischer<br />

Wunden, wesentlich davon abhängig, ob der Patient


die gewählte Behandlungsmethode akzeptiert. Er<br />

sollte deshalb über die Zielsetzung der Behandlung<br />

sowie über die Wirkungsweise der gewählten Wundauflage<br />

zumindest in Grundzügen informiert werden.<br />

Denn wird der Sinn einer Maßnahme verstanden, ist<br />

in der Regel auch die Mitarbeit des Patienten besser.<br />

Diese wird in besonderem Maße bei einer ambulanten<br />

Wundbehandlung benötigt, wenn der Patient oder seine<br />

Angehörigen den Verbandwechsel gegebenenfalls<br />

selbst vornehmen sollen.<br />

Ist ein eigenverantwortlicher Verbandwechsel durch<br />

die individuelle Patientensituation nicht möglich und<br />

übernimmt ein ambulanter Pflegedienst die Wundversorgung<br />

vor Ort, ist es hilfreich, wenn der Wundverband<br />

nicht täglich, sondern etwa nur alle drei bis vier<br />

Tage gewechselt werden muss. Dann ist bei der Auswahl<br />

der Wundauflage zu berücksichtigen, dass diese<br />

längere Zeit auf der Wunde verbleiben kann, dabei<br />

aber auch die gewünschten therapeutischen Aufgaben<br />

erfüllt. Ein Beispiel hierzu aus dem HARTMANN-Sortiment<br />

ist der hydroaktive Schaumverband PermaFoam.<br />

Er verfügt über eine hohe Saugkapazität und vor allem<br />

über einen hohes Zurückhaltevermögen (Retention) für<br />

Flüssigkeiten. Selbst wenn von außen Druck erzeugt<br />

wird, so z. B. durch einen Kompressionsverband, wird<br />

das Exsudat im Schaumstoff gehalten.<br />

Methoden und Materialien<br />

in der Wundbehandlung<br />

Je nach ihrem Zustand werden Wunden „trocken“<br />

oder „feucht“ versorgt, wozu Wundauflagen aus den<br />

unterschiedlichsten Materialien benötigt werden. Für<br />

die trockene Wundbehandlung, die vorwiegend zur<br />

Versorgung von Wunden im Rahmen der Ersten Hilfe<br />

sowie zur Versorgung primär heilender, mit Naht<br />

verschlossener Wunden zur Aufnahme von Sickerblutungen,<br />

als Schutz vor Sekundärinfektionen oder als<br />

Polsterschutz gegen mechanische Irritationen praktiziert<br />

wird, kommen Mullkompressen, Kompressen aus<br />

Vliesstoff und die verschiedensten Saugkompressen zur<br />

Anwendung. Für die feuchte Wundbehandlung, die<br />

heute für alle sekundär heilenden Wunden Standard<br />

ist, wurden Wundauflagen aus innovativen Materialien<br />

entwickelt, die eine neue Ära in der Wundbehandlung<br />

eingeleitet haben.<br />

Wundauflagen für die trockene Wundbehandlung<br />

Nach wie vor haben die traditionellen Kompressen<br />

aus Verbandmull, z. B. ES-Kompressen, ihren festen<br />

Platz in der Wundversorgung und vielen anderen medizinischen<br />

und pflegerischen Bereichen. Sie verfügen<br />

über eine hohe Saugfähigkeit, sind gleichzeitig luftdurchlässig<br />

und reißfest, dabei aber auch weich und<br />

geschmeidig. Bei der Anwendung von Mullkompressen<br />

als direkte Wundauflage ist allerdings ihre starke<br />

Verklebungsneigung zu berücksichtigen, die beim<br />

Verbandwechsel zum Zellstripping führt. Vor allem bei<br />

Dauerverbänden dürfen Mullkompressen deshalb nur<br />

in Verbindung mit wundfreundlichen, nicht verklebenden<br />

Zwischenlagen oder feucht angewendet werden.<br />

In vielen Fällen können auch Kompressen aus<br />

Vliesstoff eine vertretbare Alternative zur klassischen<br />

Mullkompresse sein, beispielsweise die Vliesstoff-<br />

Kompresse Medicomp. Bei der Anwendung, die der<br />

von Mullkompressen entspricht, ist aber auch hier die<br />

Verklebungsneigung zu berücksichtigen.<br />

Zur Gruppe der Wundauflagen für die trockene<br />

Wundbehandlung zählen des Weiteren kombinierte<br />

Saugkompressen. Diese sind schichtweise aus unterschiedlichen<br />

Materialien aufgebaut und weisen damit<br />

eine gute Saugkraft auf. Sekrete werden nicht nur<br />

flächig verteilt, sondern von der Wunde weggezogen<br />

und in der Tiefe des Saugkörpers gehalten. Sie sind<br />

luft- und wasserdampfdurchlässig, weich und drapierfähig<br />

und verfügen über eine gute Polsterwirkung<br />

zum Schutz der Wunde. Beispiele für die verschiedenen<br />

Arten von Saugkompressen sind Zetuvit, Cosmopor<br />

steril sowie Comprigel (siehe Tabelle 2, Seite 30).<br />

Weder trocken noch feucht sind Salbenkompressen,<br />

die zum Geschmeidighalten von Wundflächen oder in<br />

der Spezialausführung mit Silberionen zur Infektionsbekämpfung<br />

eingesetzt werden. Da sie selbst durch die<br />

6a 6b<br />

6c<br />

Abb. 6a-d<br />

Tamponade eines großen Bauchdeckenabszesses<br />

mit PermaFoam cavity. Das weiche<br />

Schaummaterial und die spezielle Lochstruktur<br />

(6b) ermöglichen ein problemloses<br />

Austamponieren mit guter Anpassung an<br />

6d<br />

Praxiswissen<br />

die Wundränder. PermaFoam cavity speichert<br />

sicher überschüssiges Wundsekret, die<br />

Wundränder sind frei von Mazeration (6c).<br />

Am Entlassungstag hat sich die Wunde so<br />

weit verkleinert, dass auf Sorbalgon (6d)<br />

umgestellt wurde. Kasuistik: F. Lang<br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

29


Praxiswissen<br />

Innovative HARTMANN-Wundaufl agen im Überblick Tab. 2<br />

Zetuvit<br />

wundfreundliche Saugkompresse<br />

mit nicht verklebender<br />

Vliesumhüllung und Saugkörper<br />

aus hochsaugfähigen Zellstoff-<br />

Flocken, sehr saugfähig, weich<br />

und drapierfähig, luftdurchlässig,<br />

gute Polsterwirkung;<br />

zur Versorgung von akuten,<br />

fl ächenhaften Wunden mit<br />

sehr starker Sekretion, guter<br />

Kontaminationsschutz durch<br />

integrierte, feuchtigkeitsabweisende<br />

Zellstoffl age<br />

TenderWet active<br />

mit Ringerlösung getränktes<br />

Wundkissen mit Saug-Spülkörper<br />

aus superabsorbierendem<br />

Polyacrylat, durch kontinuierliche<br />

Abgabe von Ringerlösung<br />

an die Wunde und gleichzeitigem<br />

Absaugen keimbelasteten<br />

Exsudats (= Saug-Spülwirkung)<br />

rasche aktive Wundreinigung<br />

und Förderung der Proliferation<br />

der Gewebezellen, zur Behandlung<br />

chronischer, infi zierter und<br />

nicht infi zierter Wunden<br />

30 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

Cosmopor steril<br />

selbsthaftender Wundverband<br />

mit hydrophobem Micronetz als<br />

wundnaher Schicht, Saugkissen<br />

aus reiner Baumwollwatte,<br />

weiches Trägervlies mit hypoallergenem<br />

Polyacrylatkleber<br />

beschichtet, kein Verkleben,<br />

gute Saugkraft und Polsterwirkung,<br />

sicher abschließende<br />

Klebezone; für die postoperative<br />

Wundversorgung, zur<br />

Versorgung von Bagatellverletzungen<br />

im Rahmen der Ersten<br />

Hilfe<br />

Sorbalgon<br />

tamponierbare, wirkstofffreie<br />

Calciumalginat-Kompresse, die<br />

sich bei Kontakt mit Wundsekreten<br />

in ein feuchtes Gel umwandelt;<br />

mit dem Quellvorgang<br />

werden auch Keime sicher in<br />

die Gelstruktur eingeschlossen;<br />

hohe Saugkraft mit effi zienter<br />

Reinigungswirkung, fördert<br />

Granulationsbildung; zur Reinigung<br />

und Konditionierung tiefer<br />

und zerklüfteter, infi zierter<br />

und nicht infi zierter Wunden<br />

Comprigel<br />

imprägnierte, nicht verklebende<br />

Gelkompresse mit integriertem<br />

Saugkörper aus Vliesstoff, gut<br />

saugfähig, sekret- und luftdurchlässig,<br />

verklebt nicht mit<br />

der Wunde und hält die Wundränder<br />

geschmeidig, leicht<br />

kühlender, schmerzlindernder<br />

Effekt; zur Versorgung von akuten,<br />

kleineren, fl ächenhaften<br />

Wunden bzw. von Bagatellverletzungen,<br />

auch während der<br />

Epithelisierungsphase ideal<br />

PermaFoam<br />

hydroaktiver Schaumverband<br />

aus unterschiedlich strukturiertem<br />

Schaumstoff mit hoher<br />

vertikaler Kapillarwirkung und<br />

Retention zur sicheren Flüssigkeitsbindung,<br />

keimdichte Deckschicht,<br />

rasche Regulierung<br />

des Wundexsudates, schützt<br />

Wundränder vor Mazeration;<br />

besonders geeignet zur Behandlung<br />

venöser Ulzera und<br />

zur Konditionierung fl ächenhafter<br />

Wunden<br />

Atrauman<br />

wundfreundliche Salbenkompresse<br />

aus hydrophobem Polyestertüll,<br />

imprägniert mit einer<br />

wirkstofffreien Salbenmasse,<br />

luft- und sekretdurchlässig,<br />

kein Verkleben mit der Wunde,<br />

durch selbstemulgierende Salbenmasse<br />

keine Rückstände auf<br />

der Wunde, wirkt nicht sensibilisierend;<br />

zum Geschmeidighalten<br />

von akuten und chronischen<br />

Wunden, insbesondere in der<br />

Dermatologie<br />

Hydrocoll<br />

selbsthaftender Hydrokolloid-Verband<br />

mit besonders<br />

saug- und quellfähigen Hydrokolloiden,<br />

kombiniert mit semipermeabler,<br />

keim- und wasserdichter<br />

Deckschicht, sorgt für<br />

eine gute Reinigung, verbessert<br />

die Mikrozirkulation im Wundgebiet,<br />

fördert die Granulationsbildung,<br />

insbesondere zur<br />

Konditionierung nicht infi zierter<br />

Wunden mit mittelstarker bis<br />

schwacher Sekretion<br />

Atrauman Ag<br />

silberhaltige Salbenkompresse<br />

mit sicherer bakterizider<br />

Wirkung; das mit Silber ummantelte<br />

Trägermaterial aus<br />

hydrophobem Gittertüll ist mit<br />

einer wirkstofffreien Salbenmasse<br />

imprägniert, breites<br />

bakterizides Wirkspektrum<br />

grampositiv/-negativ, gute<br />

Gewebeverträglichkeit; zur<br />

Behandlung infi zierter und<br />

infektionsgefährdeter Wunden,<br />

die Salbenimprägnierung pfl egt<br />

die Wundränder<br />

Hydrosorb<br />

transparenter Gelverband aus<br />

saugfähigen Polyurethan-Polymeren,<br />

in die ein hoher Wasseranteil<br />

von ca. 60 % eingelagert<br />

ist, kombiniert mit semipermeabler,<br />

keim- und wasserdichter<br />

Deckschicht, führt der Wunde<br />

von Anfang an Feuchtigkeit zu,<br />

ermöglicht durch Transparenz<br />

jederzeit die Inspektion der<br />

Wunde; zum Feuchthalten von<br />

Granulation und Epithel


Salbenimprägnierung über keine Saugkraft verfügen,<br />

müssen sie mit saugenden Wundauflagen zur Sekretaufnahme<br />

kombiniert werden.<br />

Wundauflagen für die feuchte Wundbehandlung<br />

Eine Materialkombination, die eine einzigartige Wirkungsweise<br />

erbringt, ist das Wundkissen TenderWet<br />

mit einem Saug-Spülkörper aus superabsorbierendem<br />

Polyacrylat. Dieser wirkstofffreie Superabsorber wird<br />

vor der Anwendung mit einer entsprechenden Menge<br />

Ringerlösung aktiviert, die dann über Stunden kontinuierlich<br />

an die Wunde abgegeben wird. Gleichzeitig<br />

wird aber auch keimbelastetes Wundexsudat in das<br />

Wundkissen aufgenommen und dort gebunden. Dieser<br />

Austausch <strong>–</strong> Ringerlösung wird abgegeben und<br />

Proteine werden gebunden <strong>–</strong> funktioniert, weil der<br />

Superabsorber des Wundkissens eine höhere Affinität<br />

für das proteinhaltige Wundexsudat besitzt als für die<br />

salzhaltige Ringerlösung, die somit aus dem Kissen<br />

verdrängt wird.<br />

Dass Algen nützlich für die Blutstillung und Wundversorgung<br />

sind, haben bereits die alten Seefahrer<br />

gewusst. Heute werden die Algen bzw. die enthaltene<br />

Algin-Säure in aufwendigen Verfahren zu Calciumalginat-Fasern<br />

umgewandelt, aus denen dann Kompressen<br />

wie Sorbalgon gefertigt werden. Calciumalginat-Fasern<br />

besitzen die Fähigkeit, sich im Kontakt mit<br />

Natriumsalzen, wie sie beispielsweise im Blut und im<br />

Wundsekret vorhanden sind, in ein feuchtes Gel umzuwandeln,<br />

das die Wunde ausfüllt und sie ohne Okklusionseffekt<br />

ausfüllt. Umfang und Geschwindigkeit der<br />

Gelbildung sind dabei von der anfallenden Sekretmenge<br />

abhängig. Falls die Sekretion zur Gelumwandlung<br />

nicht ausreicht, kann Ringerlösung zugesetzt werden<br />

oder die verbliebenen trockenen Fasern werden beim<br />

Verbandwechsel einfach mit ausgespült.<br />

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Nusser, Prof. Dr. med. Walter O.<br />

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Redaktion:<br />

CMC Medical Information<br />

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der Veröffentlichungen können<br />

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und Applikationsformen<br />

kann nicht übernommen<br />

werden. Derartige Angaben müssen<br />

vom Absender im Einzelfall anhand<br />

anderer verbindlicher Quellen auf<br />

ihre Richtigkeit überprüft werden.<br />

Zunehmend erobern sich auch Schaumverbände<br />

ihren festen Platz in der modernen Wundversorgung.<br />

Ihre Wirkungsweise ist dabei abhängig von der Art des<br />

verwendeten Schaumstoffes. PermaFoam beispielsweise<br />

ist eine Kombination zweier unterschiedlich<br />

strukturierter Schaumstoffe, die wundseitig große Poren<br />

aufweisen und zur Deckschicht hin immer kleiner<br />

werden. Dadurch ergibt sich eine hohe vertikale Kapillarwirkung,<br />

sodass PermaFoam sehr gut saugt und<br />

dabei Flüssigkeit sicher im Schaumstoff bindet. Diese<br />

hohe Retention für Flüssigkeiten ist auch der Grund,<br />

warum aggressives Wundexsudat nicht zurückdrücken<br />

und Wundränder schädigen kann.<br />

Hydrokolloid-Verbände dürften zu den bekanntesten<br />

modernen Wundauflagen zählen. Sie enthalten in ihrer<br />

Trägerschicht Hydrokolloide, die durch die Aufnahme<br />

von Wundsekret quellen und in ein Gel übergehen, das<br />

in die Wunde expandiert und die Wunde feucht hält.<br />

Mit dem Quellvorgang werden Detritus und Bakterien<br />

sicher in der Gelstruktur eingeschlossen. Bedeutsam ist<br />

auch, dass die semipermeablen Hydrokolloid-Verbände<br />

wie etwa Hydrocoll durch einen leichten Okklusionseffekt<br />

die Mikrozirkulation im Wundgebiet sowie die<br />

Neubildung von Gefäßen und Gewebe stimulieren.<br />

Hydrogele hingegen sind bereits fertige Gele, die<br />

kein Wundsekret brauchen, um zu funktionieren. Sie<br />

verfügen selbst über einen unterschiedlich hohen Prozentsatz<br />

an Wasser, das in eine dreidimensionale Netzstruktur<br />

eingelagert ist. Hydrosorb hat beispielsweise<br />

einen Wasseranteil von 60 %. Der trockenen Wunde<br />

kann also von Anfang an Feuchtigkeit zugeführt werden,<br />

was auch die hauptsächliche Indikation darstellt.<br />

Dabei bleibt Hydrosorb saugfähig, weil die dreidimensionale<br />

Netzstruktur mit der Aufnahme von Wundsekret<br />

aufquillt. Mit dem Quellvorgang werden auch<br />

hier Keime und Gerüche zuverlässig absorbiert. �<br />

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von Abbildungen, Vervielfältigungen<br />

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Ausgabe 2. Quartal <strong>2006</strong><br />

HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

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