Heft 2/2006 – 13. Jahrgang WundForum - Hartmann
Heft 2/2006 – 13. Jahrgang WundForum - Hartmann
Heft 2/2006 – 13. Jahrgang WundForum - Hartmann
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<strong>WundForum</strong><br />
Das Magazin für Wundheilung und Wundbehandlung <strong>Heft</strong> 2/<strong>2006</strong> <strong>–</strong> <strong>13.</strong> <strong>Jahrgang</strong><br />
Forschung<br />
Behandlung infizierter<br />
und infektionsgefährdeter<br />
Wunden<br />
Titelthema<br />
Differenzialdiagnostische<br />
Aspekte des Ulcus cruris<br />
ISSN 0945-6015<br />
B 30725 F<br />
Kasuistik<br />
Das intraoperative<br />
Dekubitusrisiko bei<br />
Alterspatienten<br />
Praxiswissen<br />
Die korrekte Auswahl von<br />
Wundauflagen: Grundlage<br />
für den Therapieerfolg<br />
50. Ausgabe
Inhalt<br />
Im Focus<br />
50 Ausgaben <strong>WundForum</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
Rechtsprechung:<br />
Wissenschaftlich fundierte Therapie<br />
contra „Superheilmittel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Kurzmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Buchtipp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
Titelthema<br />
Differenzialdiagnostische Aspekte<br />
des Ulcus cruris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
Forschung<br />
Behandlung infizierter und<br />
infektionsgefährdeter Wunden . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
Kasuistik<br />
Das intraoperative Dekubitusrisiko<br />
bei Alterspatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
Reinigung eines kavitären Dekubitus<br />
mit TenderWet active cavity . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
Praxiswissen<br />
Die korrekte Auswahl von Wundauflagen:<br />
Grundlage des Therapieerfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
Titelbild:<br />
Elektronenmikroskopische Aufnahme von roten Blutkörperchen<br />
(Erythrozyten) in einer Kapillare, dem kleinsten Typ eines Blutgefäßes.<br />
Falschfarbendarstellung in circa 3600facher Vergrößerung.<br />
Editorial<br />
Verehrte Leserinnen und Leser,<br />
als Mitglied des Expertenbeirates habe ich mit besonderer<br />
Freude der Bitte entsprochen, für die 50. Ausgabe<br />
unseres <strong>WundForum</strong> das Vorwort zu schreiben.<br />
Im Frühjahr 1994 erschien die erste Ausgabe dieser<br />
Zeitschrift, die sich nun bereits im <strong>13.</strong> Jahr als Periodikum<br />
erfolgreich bewährt hat und von einem beachtlich<br />
großen und treuen Leserkreis geschätzt wird.<br />
Die Thematik ist noch immer von großer Aktualität,<br />
breit gefächert und verständlich dargestellt<br />
sowie didaktisch ausgezeichnet aufbereitet. Moderne<br />
Wundbehandlungskonzepte, wie z. B. die feuchte<br />
Wundbehandlung und der gezielte Einsatz interaktiver<br />
Wundauflagen, aber auch operative Maßnahmen<br />
werden schwerpunktmäßig besonders hervorgehoben.<br />
Das hat einen unschätzbaren informativen und praxisrelevanten<br />
Wert, da die Grundprinzipien moderner und<br />
bewährter Wundbehandlungsmaßnahmen teilweise<br />
leider nur unzureichend berücksichtigt werden, obwohl<br />
gerade die Behandlung von Problemwunden eine<br />
spezielle Herausforderung für Ärzte und Pflegekräfte<br />
darstellt und fundierte Kenntnisse und entsprechende<br />
Erfahrungen erfordert.<br />
Das <strong>WundForum</strong> hat der Problemwunde immer<br />
einen hohen Stellenwert beigemessen. Folgerichtig<br />
finden sich auch in dieser Jubiläumsausgabe wichtige<br />
und interessante Beiträge über die Behandlung infizierter<br />
und infektionsgefährdeter Wunden, über das<br />
Dekubitusrisiko sowie eine ausführliche Zusammenstellung<br />
über differenzialdiagnostische Aspekte des<br />
Ulcus cruris.<br />
Durch die praxisrelevante Wissensvermittlung ist<br />
das <strong>WundForum</strong> nicht nur für den wissenschaftlich<br />
interessierten oder praktisch tätigen Arzt, sondern<br />
besonders für die Vielzahl von Schwestern und Pflegern,<br />
die täglich mit den Fragen und Problemen der<br />
Wundbehandlung konfrontiert werden, eine wichtige<br />
Informationsquelle.<br />
Aus Anlass des Erscheinens der 50. Ausgabe ist es<br />
mir ein Bedürfnis, dem Herausgeber und der Redaktion<br />
zu gratulieren und zu danken. Dank auch den zahlreichen<br />
Autoren, die durch interessante und fachkompetente<br />
Beiträge wesentlichen Anteil am Erfolg dieser<br />
Zeitschrift gehabt haben. Dem <strong>WundForum</strong> wünsche<br />
ich noch viele erfolgreiche Ausgaben.<br />
Ihr<br />
Prof. Dr. med. Helmut Winter<br />
Im Focus<br />
Prof. Dr. Helmut Winter<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
3
Im Focus<br />
Die erste Ausgabe<br />
des HARTMANN<br />
<strong>WundForum</strong> erschien<br />
im Februar 1994.<br />
4 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
<strong>WundForum</strong> intern<br />
Auch nach 50 Ausgaben noch<br />
kein bisschen müde<br />
Nach inzwischen immerhin zwölfeinhalb Jahren ist<br />
das vorliegende <strong>Heft</strong> die 50. Ausgabe unseres speziellen<br />
Magazins für Wundheilung und Wundbehandlung,<br />
und die darin regelmäßig dokumentierte Thematik hat<br />
bei den fast 20.000 Abonnenten offenbar nichts an Aktualität<br />
eingebüßt. Mit dafür gesorgt haben in all den<br />
Jahren die Mitglieder des <strong>WundForum</strong>-Expertenbeirats<br />
aus Wissenschaft, medizinischer Praxis und Pflege, von<br />
denen vier unser Periodikum von Anfang an begleiten.<br />
Herausgeber und Redaktion danken allen, die als Autoren<br />
und Ratgeber oft über Jahre hinweg das Niveau<br />
des <strong>WundForum</strong> mitbestimmt haben.<br />
Anfang 1994 wurde eine schon lange diskutierte<br />
Idee erfreuliche Realität: Mit dem HARTMANN Wund-<br />
Forum erschien das in seiner Art erste deutschsprachige<br />
Periodikum, das sich ausschließlich mit Fragen der<br />
Wundheilung und der Wundbehandlung auseinander<br />
setzte. Autoren waren u. a. der leider früh verstorbene<br />
Karel M. Sedlarik, der als Titelthema eine Arbeit<br />
über die Prozesse der Wundheilung beisteuerte. Hans<br />
Lippert aus Magdeburg und Axel Kramer von der Uni<br />
Greifswald lieferten eine kritische Betrachtung über<br />
die lokale Anwendung von Antiseptika anstatt Antibiotika<br />
in der Chirurgie und auch Helmut Winter von<br />
der Berliner Charité war mit einem reich illustrierten<br />
Beitrag über die Wundkonditionierung mit Calciumalginat-Kompressen<br />
nach Hauttumoroperationen bei<br />
der Premiere dabei.<br />
Sedlarik, Lippert und Winter gehörten auch dem<br />
ersten Expertenbeirat an, der seinerzeit noch durch<br />
Dagmar Berg, Ulm, Günter Germann, Ludwigshafen,<br />
Friedhelm Lang, Leonberg, Jörg Schulz, Berlin-Buch,<br />
und Wolfgang Vanscheidt aus Freiburg ergänzt wurde.<br />
Vier von ihnen stehen dem <strong>WundForum</strong><br />
heute noch mit ihrem professionellen<br />
Rat und als<br />
Autoren zur Seite, neu hinzugekommen sind Barbara<br />
Nusser und der uns allen als engagierter <strong>WundForum</strong>-<br />
Autor seit langem vertraute Walter O. Seiler aus Basel.<br />
Das <strong>WundForum</strong> nimmt diese Jubiläumsausgabe<br />
zum Anlass, die aktuellen Mitglieder des Expertenbeirats<br />
unter Nennung der Schwerpunkte ihrer praktischen<br />
und wissenschaftlichen Tätigkeit kurz vorzustellen.<br />
Prof. Dr. med. Günter Germann<br />
Professor Germann ist sowohl Facharzt für Chirurgie<br />
als auch für Plastische Chirurgie und seit 1993 Chefarzt<br />
der Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive<br />
Chirurgie <strong>–</strong> Schwerbrandverletztenzentrum <strong>–</strong> der Berufsgenossenschaftlichen<br />
Unfallklinik Ludwigshafen.<br />
Nach seinem Medizinstudium an den Universitäten<br />
Düsseldorf und Mainz war er als Medizinalassistent<br />
und Oberarzt an verschiedenen Kliniken in Deutschland<br />
und über ein Stipendium auch an der Southern Illinois<br />
University in Springfield/USA tätig. Im Jahr 1998 wurde<br />
er zum Honorarprofessor der Universität Heidelberg<br />
bestellt, wo er seither den Lehrstuhl für Plastische und<br />
Handchirurgie vertritt. Die von ihm geleitete Klinik in<br />
Ludwigshafen gehört inzwischen zu den größten Einrichtungen<br />
ihrer Art weltweit. Ein Team aus 28 Ärzten<br />
vertritt dort das gesamte Spektrum der Plastisch-Ästhetischen,<br />
Rekonstruktiven und Handchirurgie sowie die<br />
Behandlung schwer Brandverletzter.<br />
Günter Germann ist Mitglied zahlreicher nationaler<br />
und internationaler Fachgesellschaften, der Deutschen<br />
Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen<br />
Chirurgen, der Deutschen Gesellschaft für<br />
Chirurgie, der American Society of Plastic Surgery und<br />
der American Society of Reconstructive Microsurgery.<br />
Zum Expertenbeirat des <strong>WundForum</strong> gehört er von<br />
Anfang an.<br />
Friedhelm Lang<br />
Friedhelm Lang vertritt im Expertenbeirat unseres<br />
Magazins schon seit der ersten Ausgabe mit großem<br />
Engagement den Bereich der Pflege. Er ist examinierter<br />
Krankenpfleger mit der Zusatzqualifikation zum<br />
OP-Fachpfleger und leitet seit 1986 die Abteilung<br />
Allgemein-, Gefäß- und Unfallchirurgie am Kreiskrankenhaus<br />
Leonberg, wo er aufgrund seiner reichen<br />
praktischen Erfahrung auch eine fachübergreifende<br />
Beraterfunktion in allen Fragen des Wundmanagements<br />
wahrnimmt.<br />
Friedhelm Lang war Gründungsmitglied des Deutschen<br />
Verbandes für Gipspfleger und der Deutschen<br />
Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung<br />
e. V. (DGfW) und hat sich durch zahlreiche Veröffentlichungen<br />
sowie durch seine Dozententätigkeit, unter<br />
anderem an der Heidenheimer Akademie für Wundmanagement,<br />
einen Namen als anerkannter Wundexperte<br />
gemacht. Über spezielle Kenntnisse verfügt er
insbesondere in der Behandlung und Dokumentation<br />
von chronischen und septischen Wunden mit problematischem<br />
Heilungsverlauf.<br />
Prof. Dr. med. Hans Lippert<br />
Professor Lippert ist im Expertenbeirat ebenfalls ein<br />
Mann der ersten Stunde. In seiner beruflichen Laufbahn<br />
hatte er zunächst ein Krankenpflegepraktikum in<br />
Neustrelitz absolviert, um 1965-1971 ein Medizinstudium<br />
an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald<br />
anzuschließen. An der dortigen Chirurgischen Klinik<br />
war Hans Lippert dann acht Jahr als Assistenzarzt tätig,<br />
erwarb in dieser Zeit den Facharzt für Chirurgie und<br />
habilitierte sich zum Dr. sc. med. Ab dem Jahr 1979<br />
wirkte er als Oberarzt an der Chirurgischen Klinik der<br />
Berliner Charité, deren kommissarischer Direktor er von<br />
1992 bis 1993 war. Seit April 1993 ist Professor Lippert<br />
Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Magdeburg<br />
und seit Anfang 2002 Ärztlicher Direktor der<br />
Medizinischen Fakultät. Unseren Abonnenten ist Hans<br />
Lippert als Autor zahlreicher Studien und Publikationen,<br />
unter anderem zur Thrombo-Embolie-Prophylaxe,<br />
zur Wundbehandlung, zur Sepsis und zur Antibiotika-<br />
Problematik, bekannt. Die Schwerpunkte seiner praktischen<br />
Tätigkeit sind die Leber- und Pankreaschirurgie<br />
sowie die Onko- und Transplantationschirurgie.<br />
Barbara Nusser<br />
Seit dem Jahr 2003 vertritt Barbara Nusser im Expertenbeirat<br />
insbesondere die Fachinteressen der PAUL<br />
HARTMANN AG, der Herausgeberin des <strong>WundForum</strong>.<br />
Sie ist examinierte Krankenschwester, hat sich zur<br />
Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege<br />
weitergebildet und absolvierte anschließend<br />
ein Weiterbildungsstudium „Pflegedienstleitung im<br />
Krankenhaus“ an der Fachhochschule Osnabrück. Ihre<br />
praktische Tätigkeit in der Pflege leistete sie über viele<br />
Jahre am Kreiskrankenhaus Neu-Ulm, zuletzt als Pflegedienstleiterin<br />
dieser Klinik. Seit 1991 leitet Barbara<br />
Nusser die Abteilung Medizinische Schulung bei der<br />
PAUL HARTMANN AG in Heidenheim. Durch ihren in<br />
dieser Position weltweiten Einsatz als Wundberaterin<br />
und Venenfachberaterin ist sie auch mit den internationalen<br />
Standards in der Wundbehandlung bestens<br />
vertraut.<br />
Prof. Dr. med. Walter O. Seiler<br />
Professor Seiler studierte in den 1960er-Jahren Medizin<br />
in Fribourg, Lausanne und zuletzt an der Universität<br />
Basel, wo er Anfang 1971 auch promovierte. Nach<br />
Assistenz- und Oberarzttätigkeiten in verschiedenen<br />
Schweizer Kliniken war Seiler seit 1983 leitender Arzt<br />
der Geriatrischen Universitätsklinik in Basel, im Jahr<br />
2002 wurde er zum Chefarzt a. i. bestellt. Seine Lehrtätigkeit<br />
startete er mit der Erteilung der Venia docendi<br />
im Fach Innere Medizin, 1996 erfolgte die Ernennung<br />
zum Titularprofessor.<br />
Walter O. Seiler hat sich in den letzten Jahrzehnten<br />
durch seine umfassenden Forschungsvorhaben und<br />
mit über 300 Publikationen zu den Themen Dekubitalulzera,<br />
Urogenitalsystem-Infektionen, Palliative<br />
Medizin, Wundheilung, Malnutrition sowie Delirium<br />
und Demenz international einen Namen gemacht.<br />
Seine Forschungstätigkeit führte insbesondere auch zu<br />
zahlreichen aktiven Mitgliedschaften in akademischen<br />
Gesellschaften und Organisationen.<br />
Prof. Dr. med. Helmut Winter<br />
Mit über 250 Publikationen und fast 400 Vorträgen<br />
ist Helmut Winter mit Sicherheit einer der weltweit<br />
bedeutendsten Experten in Sachen Wundbehandlung.<br />
Der emeritierte Universitätsprofessor für Dermatochirurgie<br />
hat sich als Ur-Berliner auch beruflich stets auf<br />
seine Heimatstadt konzentriert. Nach seinem Studium<br />
der Humanmedizin an der Humboldt-Universität war er<br />
als Assistenz- und Oberarzt vor allem an der Chirurgischen<br />
Klinik der Charité tätig, wo er 1970 den Facharzt<br />
für Chirurgie erwarb. Von 1979 bis 2004 leitete er den<br />
Bereich Dermatochirurgie an der Charité in Berlin,<br />
1993 wurde er zum Professor an der Humboldt-Universität<br />
bestellt. Die Schwerpunkte aus seiner praktischen<br />
Erfahrung sind die chirurgische Behandlung von benignen<br />
und malignen Tumoren der Haut, insbesondere<br />
des malignen Melanoms unter Anwendung der Sentinel<br />
Lymph Node Byopsie, die Entfernung von Naevi,<br />
Warzen, Condylomen, Molusken und Hämangiomen,<br />
Eingriffe bei Akne, Rhinophym, Hyperhidrosis axillaris,<br />
die Phlebologie, Proktologie, plastische Chirurgie, die<br />
Behandlung von Problemwunden sowie Korrekturen<br />
und Behandlung von Narben und Keloiden. �<br />
Im Focus<br />
Der Expertenbeirat des<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong>:<br />
Prof. Dr. med. Günter<br />
Germann, Friedhelm Lang,<br />
Prof. Dr. med. Hans Lippert,<br />
Barbara Nusser, Prof. Dr.<br />
med. Walter O. Seiler, Prof.<br />
Dr. med. Helmut Winter<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
5
Im Focus<br />
Über die TÜV-Zertifizierung<br />
freut sich ganz besonders<br />
Barbara Nusser, die als<br />
Leiterin der Abteilung<br />
Medizinische Schulung bei<br />
der PAUL HARTMANN AG<br />
die Akademie für Wundmanagement<br />
von Anfang<br />
an fachlich geleitet hat.<br />
Fortbildung<br />
Über 800 Fachkräfte haben bisher die Akademie<br />
für Wundmanagement (AWM) an der<br />
Berufsakademie in Heidenheim erfolgreich<br />
absolviert. Jetzt konnten die 24 Teilnehmer<br />
des letzten 6-tägigen Basisseminars (Foto<br />
6 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
Akademie für Wundmanagement<br />
jetzt TÜV-zertifiziert<br />
Die Akademie für Wundmanagement (AWM) an<br />
der Berufsakademie Heidenheim <strong>–</strong> gefördert durch<br />
die PAUL HARTMANN AG <strong>–</strong> existiert nunmehr seit<br />
neun Jahren. Bisher haben über 800 Fachkräfte dieses<br />
sehr erfolgreiche Seminar absolviert. Jetzt gibt es noch<br />
einen weiteren Erfolgsgarant <strong>–</strong> die Fortbildung zum<br />
Wundberater ist TÜV-zertifiziert. 24 Teilnehmer des<br />
6-tägigen Basisseminars haben erstmals im März <strong>2006</strong><br />
die schriftliche TÜV-Prüfung abgelegt, in der Inhalte<br />
aus allen behandelten Themengebieten abgefragt<br />
wurden. Alle Teilnehmer haben die Prüfung bestanden<br />
und können sich nun zum 2-tägigen Aufbauseminar<br />
anmelden. Zwischen Basis- und Aufbauseminar ist ein<br />
Praxisbericht zu erstellen, der ebenfalls Bestandteil der<br />
TÜV-Gesamtprüfung ist. Danach erhalten die Teilnehmer<br />
den Abschluss „geprüfte(r) Wundberater(in) AWM<br />
TÜV-zertifiziert“. Dieses TÜV-Zertifikat ist ohne zeitliche<br />
Begrenzung.<br />
Im Rahmen der Zertifizierung wurden Referentenqualifikation,<br />
Lehrplan- und Prüfungsinhalte sowie Zulassungsvoraussetzungen<br />
von der TÜV-SÜD-Akademie<br />
GmbH bewertet. Ziel der Zertifizierung ist es u. a., den<br />
Interessenten eine fundierte Entscheidungsgrundlage<br />
zu bieten, um aus dem großen Angebot von Wundbehandlungsseminaren<br />
eine Veranstaltung mit entsprechendem<br />
Abschluss aussuchen zu können.<br />
oben links) erstmals eine schriftliche Prüfung<br />
ablegen. Damit erhielten sie alle den<br />
Abschluss „geprüfte(r) Wundberater(in)<br />
AWM TÜV-zertifiziert“, was ihnen im Praxisalltag<br />
sicherlich von großem Vorteil ist.<br />
Veranstalter der Fachseminare ist die Akademie für<br />
Wundmanagement, ein gemeinnütziger Förderverein<br />
der Berufsakademie Heidenheim, gefördert durch die<br />
PAUL HARTMANN AG als Kooperationspartner. Mit<br />
dem Fachseminar wird eine interdisziplinär ausgerichtete<br />
Fortbildung für Mediziner und Pflegefachkräfte<br />
angeboten, die in kompakter Form theoretisches und<br />
praktisches Wissen über Wundheilung und Wundbehandlung<br />
vermittelt und die Seminarteilnehmer<br />
für die tägliche Praxis „fit“ macht. Das Fachseminar<br />
ist auf maximal 25 Teilnehmer beschränkt ist, um so<br />
genügend Freiraum für individuelle Fragestellungen<br />
und praktische Übungen zu haben. Die berufliche<br />
Voraussetzung für die Teilnahme ist eine mindestens<br />
dreijährige Ausbildung in einem der Berufe im Gesundheitswesen.<br />
Wünschenswert ist auch eine zweijährige<br />
Berufserfahrung im Bereich Wundbehandlung.<br />
Übrigens: alle Teilnehmer, die im Jahr 2005 ein<br />
Basisseminar absolvierten, haben die Möglichkeit,<br />
ebenfalls den Abschluss zu erhalten. Details sind zu<br />
erfragen über www.wundwoche.de �<br />
Rechtsprechung<br />
Wissenschaftlich fundierte<br />
Therapie contra „Superheilmittel“<br />
Die medizinische Wundversorgung ist eine Wissenschaft<br />
und kein Probierladen oder Versuchslabor<br />
für nicht ausgereifte Methoden. Die Gefahr nicht<br />
abgesicherter Therapien im Arzneimittelbereich hat<br />
sich unlängst dramatisch gezeigt, als Probanden einer<br />
Arzneimittelstudie erhebliche Komplikationen mit<br />
zu befürchtenden Dauerfolgen hinnehmen mussten.<br />
Auch Wunden bergen erhebliche Risiken, wie es jedem<br />
fachlich kompetenten Anwender aus der ärztlich-pflegerischen<br />
Praxis hinlänglich bekannt sein dürfte, ohne<br />
hier weitere Details aufzuzeichnen. Ein Superheilmittel<br />
existiert dabei weder für organische Erkrankungen bis<br />
hin zur Krebstherapie noch für andere Behandlungsbilder<br />
wie für Wunden. Der jeweilige Wundstatus ist<br />
pflichtgemäß zu erfassen. Dann ist die gebotene diagnostisch-therapeutische<br />
Behandlungsmaßnahme nach<br />
anerkanntem wissenschaftlichen Standard risikominimierend<br />
und schnellstmögliche Linderung und Heilung<br />
versprechend für den Patienten in Angriff zu nehmen.<br />
So weit lautet der stets einzuhaltende Standard.<br />
Entwicklungen, Berichte und Methodik<br />
Es soll nicht verkannt werden, dass die medizinische<br />
Entwicklung mit immer neuen Forschungsergebnissen<br />
keinen Stillstand erlaubt und das therapeutische Team<br />
stets gehalten ist, neue Erkenntnisse zu beobachten<br />
und diese bei hinreichender Erfolgsaussicht therapeu-
tisch in der Praxis ein- und umzusetzen. Schließlich<br />
sind ärztliche und pfl egerische Mitarbeiter, wie von<br />
der Rechtsprechung formuliert, verpfl ichtet, sich in der<br />
sachgerechten Patientenversorgung bis zur Grenze des<br />
Zumutbaren fortzubilden. Die Frage ist nur, was beachtenswerte<br />
Neuentwicklungen und ab wann und unter<br />
welchen Voraussetzungen neues Denken und Handeln<br />
angesagt sind.<br />
Die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes<br />
hat wegweisend für die therapeutische<br />
Praxis ausgeführt, dass es in der angemessenen<br />
Patientenversorgung auf „die nötige Durchsetzung<br />
des Neuen gegen das im Bisherigen Befangene“<br />
ankomme. Zur Begründung führt das höchste deutsche<br />
Gericht in Zivil- und Strafsachen hierzu aus, „das<br />
Recht habe insoweit der geschichtlichen Entwicklung<br />
der naturwissenschaftlich-medizinischen Entdeckungen<br />
Rechnung zu tragen“.<br />
Die rechtliche Vorgabe weist eindeutig den Weg<br />
einer modernen, dem heutigen wissenschaftlichen<br />
Stand entsprechenden Wundversorgung. Allein der<br />
noch oft gehörte Hinweis auf langjährige Praxis und<br />
vermeintlich gute Erfahrungen nicht evaluierter Verfahren<br />
begründet keine Rechtfertigung nicht abgesicherter<br />
Verfahren.<br />
Die einzig weiter zu erörternde Fragestellung bezieht<br />
sich darauf, wie dann heute und zukünftig mit<br />
neuen Tendenzen und aktualisierten Berichten zu neu<br />
angebotenen Verfahren umzugehen ist. Schließlich<br />
bedingt es das Medienzeitalter mit einer kaum noch<br />
zu überbietenden Fülle von Informationen, dass auch<br />
im Bereich der Wundversorgung fortlaufend eine Flut<br />
von Mitteilungen wie auch mehr oder minder fundierte<br />
Erfahrungsberichte mit Hinweis auf neue, manchmal<br />
leider auch auf überholte Erkenntnisse fl ächendeckend<br />
verbreitet wird. Da fragt sich schon, welcher Methodik<br />
in Beachtung des aktuellen wissenschaftlichen Standards<br />
zu folgen ist.<br />
Keine Irritation bei sachlicher Analyse neuer<br />
Publikationen<br />
Nicht alles was neu ist, wird dem Anspruch sicherer<br />
Versorgung gerecht. Oft verbirgt sich hinter einer neuen<br />
Veröffentlichung der Schatten der Vergangenheit.<br />
Es ist schon zu hinterleuchten, was sich im Einzelnen<br />
hinter oft spektakulär angepriesenen Methoden verbirgt.<br />
Ist es immer wissenschaftlicher Fortschritt oder<br />
manchmal nur populär verpackte Pseudowissenschaft?<br />
Ein Beispiel für ein nicht immer angeratenes Umsetzen<br />
zeigt der in der Rubrik Medizin jüngst veröffentlichte<br />
Beitrag eines renommierten deutschen Nachrichtenmagazins,<br />
das für sich den Anspruch für die Verbreitung<br />
informativer Fakten vorgibt: Unter Berufung auf<br />
einen neuseeländischen Biochemiker wird dort als besonders<br />
wirksam von Teebäumen gewonnener Honig<br />
als Superheilmittel dargestellt, das „als Wundaufl age<br />
genutzt das chemisch aggressive Wasserstoffperoxyd<br />
freisetze, das selbst antibiotikaresistente Bakterien<br />
töte und so Infektionen lindere. Der Biochemiker habe<br />
bei einer Analyse mehrerer Studien, bei der mehr als<br />
2.000 Patienten mit dem süßen Stoff behandelt wurden,<br />
herausgefunden, dass Honig Wunden oft besser<br />
heilen könne als manches herkömmliche Medikament<br />
…“ (FOCUS 16/<strong>2006</strong>, S. 13). Dieser Artikel hatte alsbald<br />
einen neuen Informationen aufgeschlossenen<br />
Therapeuten fast schon in Versuchung geführt, die<br />
bislang ohne wissenschaftlichen Nachweis dastehende<br />
alternative Natur- und Hausmittelversorgung wieder<br />
in das therapeutische Spektrum einzufügen. Zunächst<br />
war der Wundtherapeut nur von dem besagten Freisetzen<br />
von Wasserstoffperoxyd durch Honig verunsichert<br />
worden, was allein schon in Fachkreisen erhebliche<br />
Diskussion auszulösen vermag. Auch sei Skepsis bei<br />
dem Testat der Linderung von Infektionen erlaubt, was<br />
auch alles damit gemeint sein solle. Letztlich ist festzustellen,<br />
dass Hinweise auf neue Erfahrungen und vermeintliche<br />
Ergebnisse wie hier am Beispiel des Honigs<br />
dargestellt keinen Anspruch auf anerkanntes Wissen,<br />
denn auf medizinischen Fortschritt nach evaluierten<br />
Verfahren mit der Berechtigung eines praktischen Einsatzes<br />
in der Wundversorgung haben können. Hierzu<br />
wird auf nachfolgenden Prüf- und Maßnahmenkatalog<br />
verwiesen, der die Mindestanforderungen für den<br />
Einsatz medizinisch-therapeutisch indizierter Maßnahmen<br />
aufzeigt, soweit es sich nicht um den mehr oder<br />
minder verzweifelten Versuch handelt, Problemfälle<br />
alternativ zu versorgen, in denen die wissenschaftlich<br />
anerkannten Maßnahmen wegen der aussichtslosen<br />
und schicksalhaften Situation des Patienten keine Hilfe<br />
bieten konnten:<br />
CD-Tipp<br />
HARTMANN medical edition <strong>–</strong><br />
drei Ausgaben zum Wundmanagement<br />
auf einer CD-ROM<br />
Die HARTMANN medical editionen sind seit Jahren ein<br />
attraktiver Bestandteil des Fort- und Weiterbildungsangebotes<br />
von HARTMANN und werden in der Praxis mit sehr guter Resonanz<br />
genutzt. „Bestseller“ sind dabei die drei <strong>Heft</strong>e, die sich<br />
mit dem komplexen Thema der Wundheilung und Wundbehandlung<br />
beschäftigen. Für alle Interessierten stehen diese Editionen<br />
komplett auf einer CD-ROM zur Verfügung, die kostenlos<br />
bei der HARTMANN Kundenbetreuung angefordert werden<br />
kann. Alle drei HARTMANN medical editionen <strong>–</strong> „Kompendium<br />
Wunde und Wundbehandlung“, „Die phasengerechte Wundbehandlung<br />
des Ulcus cruris venosum“ und „Die phasengerechte<br />
Wundbehandlung des Dekubitalulkus“ <strong>–</strong> wurden 2005<br />
vollständig überarbeitet. Sie vermitteln umfangreiches Basiswissen<br />
und stellen zeitgemäße Behandlungsmöglichkeiten<br />
übersichtlich dar.<br />
Im Focus<br />
Ein Beitrag von<br />
Hans-Werner Röhlig,<br />
Oberhausen<br />
Die CD-ROM ist kostenlos<br />
erhältlich bei der Kundenbetreuung<br />
der PAUL HART-<br />
MANN AG, Postfach 1420,<br />
89504 Heidenheim, E-Mail<br />
customer.care.center@<br />
hartmann.info<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
7
Im Focus<br />
Kongresse und Fortbildungen<br />
8 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
� Zugang zum Einsatz in der Wundversorgung haben<br />
bei evaluiertem Nachweis der Förderung der Wundheilung<br />
ausschließlich zugelassene Arzneimittel und<br />
Medizinprodukte.<br />
Unter die Rubrik der zugelassenen Therapeutika fallen<br />
damit schon begrifflich nicht z. B. Melkfett und<br />
Lebensmittel wie Zucker, Honig etc. Lediglich klarstellend<br />
sei vermerkt, dass auf dem Markt CE-zertifizierter<br />
Medizinprodukte eine Wundauflage auf Basis<br />
von Honig nicht zugelassen ist. Ein Vergleich der Beigabe<br />
von Honig mit in der Wirksamkeit anerkannten<br />
silberhaltigen Wundauflagen ist weder möglich noch<br />
zulässig, da für Lebensmittel wie Honig etc. validierte<br />
und evaluierte Verfahren arzneimittel- und medizinprodukterechtlich<br />
und -technisch nicht vorliegen.<br />
(Es wäre schließlich auch nicht akzeptabel, statt<br />
einer silberhaltigen CE-zertifizierten Wundauflage<br />
eine sonstige Wundauflage unter Beigabe einer silberhaltigen<br />
alten 5-DM-Münze oder eines silbernen<br />
Kaffeelöffels zu verwenden.)<br />
� Der im therapeutischen Spektrum zu erbringende<br />
evaluierte Nachweis der Förderung der Wundheilung<br />
setzt eine auf objektivierbare Daten gestützte<br />
anerkannte wissenschaftliche Begutachtung voraus.<br />
Fragen Sie bei Produkten der Wundversorgung,<br />
insbesondere bei innovativen Produkten nach,<br />
aus welchen vergleichenden Untersuchungen und<br />
Studien der Nachweis der spezifisch beschriebenen<br />
Wirksamkeit des Produkts hergeleitet wird. Das angeführte<br />
Beispiel des als Superheilmittel beschriebenen<br />
Honigs weist hier schon erhebliche Defizite auf,<br />
die den kritischen Therapeuten pflichtgemäß zum<br />
Verzicht auf ein nicht nachweislich abgesichertes<br />
Konzept bewegen werden und müssen: Was beweist<br />
allein die Analyse mehrerer Studien über mit Honig<br />
behandelter Patienten? Welche Art von Wundver-<br />
6. Dresdner Symposium „Ästhetisch-Plastische Medizin“<br />
Dresden, 16.-17.6.<strong>2006</strong><br />
Auskunft: Heine & Böhm GmbH, F.-C.-Weiskopf-Platz 2, 01187 Dresden, Telefon: 0351-471 33 13,<br />
Fax: 0351-4 72 49 88<br />
7. Jahrestagung der Europäischen Wundheilungs-Gesellschaft (ETRS)<br />
Köln, 23.-26.8.<strong>2006</strong><br />
Auskunft: Universität Köln, Frau Kaser, wissenschaftliches Sekretariat, Telefon: 0221-478-4540<br />
22. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie DGG<br />
Mülheim, 6.-9.9.<strong>2006</strong><br />
Auskunft: Carlo Prätorius GmbH, Kongressorganisation, Menzelstraße 5, 81679 München,<br />
Telefon: 089-982 9320, Fax: 089-982 932 14, info@carlo-praetorius.de, www.carlo-praetorius.de<br />
48. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie<br />
Rostock, 4.-7.10.<strong>2006</strong><br />
Auskunft: Carlo Prätorius GmbH, Kongressorganisation, Menzelstraße 5, 81679 München,<br />
Telefon: 089-982 9320, Fax: 089-982 932 14, info@carlo-praetorius.de, www.carlo-praetorius.de<br />
bänden wurde bei den Vergleichsgruppen eingesetzt?<br />
Mit welchen „herkömmlichen Medikamenten“<br />
wurden die Vergleichsgruppen von Wundpatienten<br />
versorgt? Etwa mit Melkfett oder bekannten auch<br />
noch heute bekanntermaßen eingesetzten Arzneimitteln<br />
mit nicht mehr bestehender Zulassung für<br />
die Wundversorgung, die oft sogar das Komplikationsrisiko<br />
erhöhen?<br />
Die beispielhafte Erwähnung einer vermeintlichen<br />
Innovation in der Wundversorgung soll nur ansatzweise<br />
aufzeigen, wie Wundexperten auf neue und teils<br />
wiederholte alte Erfahrungsberichte und Publikationen<br />
zur als sicheren Weg beschriebenen Wundversorgung<br />
reagieren sollten. Die Kenntnis der Eckpunkte einer<br />
sicheren Versorgung und die Analyse der als fortschrittlich<br />
beschriebenen Behandlungs- und Untersuchungsparameter<br />
ist alles. Im Ergebnis gefahrträchtige<br />
Behandlungsalternativen werden ausgeschlossen,<br />
wenn man um die Chancen und Risiken einer Behandlungsmethode<br />
weiß. In Umsetzung dieses Wissens<br />
kann und wird es auch nicht zu Irritationen durch<br />
manchmal nicht nur einen Fortschritt ausweisende<br />
neue Publikationen kommen.<br />
Die Freiheit zur fehlerhaften Darstellung<br />
und zur richtigen Entscheidung<br />
Es mag dem einen oder anderen empörend erscheinen,<br />
dass und wie heute selbst in seriösen Medien<br />
teils als kritisch und im Ergebnis gefahrerhöhend zu<br />
bewertende Therapieansätze in den Blickpunkt von<br />
Anwendern und noch mehr von in der Verunsicherung<br />
lebenden Patienten gestellt werden. Doch das ist der<br />
Preis der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt in<br />
einem freien Land, das es seinen Bürgern zu Recht<br />
ermöglicht, auf alternative Methoden bis hin zum<br />
Wunderheiler auszuweichen. Es ist dabei die Aufgabe<br />
der therapeutisch fortgebildeten Wundexperten,<br />
fachlich versiert in Bewertung der objektiven Studien<br />
zu Wundversorgungssystemen Spreu von Weizen zu<br />
trennen und den Patienten die heute wissenschaftlich<br />
anerkannte sichere Versorgungsweise zuteil werden<br />
zu lassen. Hierzu wird verwiesen auf die Produktinformationen<br />
der Hersteller und die hierzu zum Nachweis<br />
der Wirksamkeit vorgelegten Studien, die nicht zuletzt<br />
auch schützend für den ärztlich-pflegerischen Anwender<br />
ein haftungsrechtliches Absicherungspotenzial im<br />
nicht auszuschließenden Komplikationsfall ausweisen.<br />
Ebenso sollte vor nicht weiter belegten Presse- und<br />
Medienberichten den in Fachzeitschriften wie dem<br />
<strong>WundForum</strong> und vergleichbaren Publikationen niedergelegten<br />
Prinzipien anerkannter Wundversorgung<br />
Vorrang eingeräumt werden. Vielleicht bedarf es auch<br />
gesellschaftspolitisch einer höheren Sensibilisierung<br />
der Patienten und ihrer Angehörigen, um das Bewusstsein<br />
für eine Gefahrerhöhung bei der Wahl zu nicht
wissenschaftlich abgesicherten alternativen Verfahren<br />
zu schärfen. Der Weg hierzu ist lang und steinig, zumal<br />
es heute manchmal noch leichter erscheint, eine<br />
Wundversorgung mit Zucker und Honig leistungsmäßig<br />
abzurechnen als eine im Einzelfall gebotene VAC-<br />
Therapie in der ambulanten Versorgung. Die Richtung<br />
ist dennoch vorgegeben, da nach der rechtlichen<br />
Position u. a. durch Vorgaben des Arzneimittel- und<br />
Medizinprodukterechts sowie durch Qualitätsprüfungen<br />
nach dem GKV-Modernisierungsgesetz und Pflegequalitätssicherungsgesetz<br />
grundsätzlich nur evaluierte<br />
Therapieverfahren und patientenbezogen abgesicherte<br />
Arzneimittel und Medizinprodukte in Vermeidung<br />
finanzieller und rechtlicher Sanktionen eingesetzt werden<br />
dürfen. Dies sollte in hoffentlich naher Zukunft das<br />
„Aus“ bedeuten für angepriesene Superheilmittel ohne<br />
hierfür erbrachten therapeutischen Nachweis und zugleich<br />
der wissenschaftlich fundierten Therapie in der<br />
Wundversorgung weiter zum Durchbruch verhelfen. �<br />
Neues Kommunikationszentrum eingeweiht<br />
Eine attraktive Visitenkarte<br />
für HARTMANN<br />
Dialog-Plattform, Veranstaltungszentrum sowie<br />
Forum zur Präsentation von Unternehmen, Marke<br />
und Produkten <strong>–</strong> all diese Funktionen deckt das neue<br />
Kommunikationszentrum von HARTMANN ab, das am<br />
7. Mai <strong>2006</strong> vom Vorstandsvorsitzenden Dr. Rinaldo<br />
Riguzzi offiziell eröffnet wurde.<br />
Für das neue Kommunikationszentrum wurde eine<br />
ehemals für die Pflasterherstellung genutzte Halle<br />
hinter dem neuen Verwaltungsgebäude umgebaut.<br />
Unter ihrem charakteristischen Industriebau-Dach<br />
(„Shed-Dach“) ist auf einer Fläche von etwa 600 Quadratmetern<br />
ein flexibel nutzbarer Raum entstanden.<br />
Die neu geschaffenen Büros im Obergeschoss bieten<br />
denjenigen Mitarbeitern Platz, die zuvor in externen<br />
Räumlichkeiten untergebracht waren. Im Erdgeschoss<br />
befindet sich der Ausstellungs-, Veranstaltungs- und<br />
Bewirtungsbereich. Flexibel abtrennbare, mit moderner<br />
Medientechnik ausgestattete Besprechungsräume<br />
an einer Seite und als Ausstellung gestaltete Wände<br />
entlang der anderen Seiten umschließen einen etwa<br />
400 Quadratmeter großen, lichtdurchfluteten Innenbereich,<br />
der ebenfalls für Veranstaltungen genutzt<br />
werden kann. Das Kommunikationszentrum ist mit<br />
dem Hauptgebäude verbunden und vom Foyer aus<br />
zugänglich.<br />
Der Bau eines Kommunikationszentrums war<br />
notwendig geworden, um eine dem Unternehmen<br />
angemessene Plattform für den Dialog mit Kunden,<br />
Besuchern und der Öffentlichkeit zu schaffen. Darüber<br />
hinaus können ab sofort auch größere Veranstaltungen,<br />
die bisher an externen Orten ausgerichtet werden<br />
mussten, am Standort der Konzernzentrale stattfinden.<br />
Die Räume sind für Veranstaltungen mit bis zu 500 Besuchern,<br />
zum Beispiel für Hauptversammlungen oder<br />
Außendiensttreffen, geeignet.<br />
Das Unternehmen legte besonderen Wert auf die<br />
Gestaltung des Ausstellungsbereichs. Er ist durchgängig<br />
zweisprachig in Deutsch und Englisch beschriftet<br />
und damit auch auf internationale Besucher zugeschnitten.<br />
Die Geschichte von HARTMANN wird mit<br />
Schautafeln, einer Hörstation und zahlreichen historischen<br />
Exponaten erlebbar gemacht, ausgewählte Produkte<br />
des heutigen Sortiments laufen über ein Band<br />
am Betrachter vorbei. Für Fachbesucher aus Medizin<br />
und Pflege wurde ein Dialogforum eingerichtet, das<br />
Möglichkeiten zur Produktdemonstration bietet. „Wir<br />
haben jetzt einen offenen Treffpunkt geschaffen, um<br />
sich zu informieren, auszutauschen oder fortzubilden“,<br />
ist Dr. Rinaldo Riguzzi überzeugt. �<br />
Im Focus<br />
HARTMANN hat ein neues<br />
Kommunikationszentrum,<br />
das als allgemeines Dialogforum<br />
und insbesondere für<br />
Fortbildungsveranstaltungen<br />
für Fachleute aus<br />
Medizin und Pflege ein<br />
neuer Mittelpunkt des<br />
Unternehmens werden soll.<br />
Es entstand in einer alten<br />
Produktionshalle, in der<br />
ehemals Pflaster gefertigt<br />
wurde und umfasst ca.<br />
600 Quadratmeter. Als<br />
„Erinnerung“ an die frühere<br />
Nutzung wurde auch das<br />
charakteristische Industriebau-Dach<br />
beibehalten (Bild<br />
Mitte), das dem Kommunikationszentrum<br />
einen besonderen<br />
Charakter verleiht.<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
9
Titelthema<br />
Diese Arbeit entstand auf<br />
der Grundlage des Buches<br />
„Ulcus cruris <strong>–</strong> Genese,<br />
Diagnostik und Therapie“<br />
(Kap. 2) von Priv.-Doz.<br />
Dr. Joachim Dissemond,<br />
UNI-Med Verlag AG, Bremen,<br />
1. Auflage 2005,<br />
ISBN 3-89599-872-9.<br />
1 2<br />
3 3<br />
1<br />
3 4<br />
Abb. 1<br />
Corona phlebectatica paraplantaris<br />
unterhalb des Malleolus medialis<br />
Abb. 2<br />
Purpura jaune d’ocre<br />
10 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
J. Dissemond, Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum Essen<br />
Differenzialdiagnostische Aspekte<br />
des Ulcus cruris<br />
Wenngleich mindestens 70 % aller Beingeschwüre ihre Ursache in einer chronischen<br />
venösen Insuffizienz haben, sind insbesondere bei therapierefraktären Verläufen<br />
stets auch Ulcera cruris nicht venöser Genese in die differenzialdiagnostischen<br />
Erwägungen einzubeziehen.<br />
Als kutanes Ulkus wird ein Gewebedefekt bezeichnet,<br />
der über die Basalmembran der Epidermis hinausreicht<br />
und durch deren irreversible Zerstörung bedingt<br />
obligat mit der Ausbildung einer Narbe abheilt. Der<br />
Terminus Ulcus cruris beschreibt ein Ulkus, das am<br />
Unterschenkel lokalisiert ist. Somit bezeichnet der Begriff<br />
Ulcus cruris lediglich ein Symptom, jedoch keine<br />
Diagnose. Erst durch einen weiteren Zusatz, wie beispielsweise<br />
Ulcus cruris venosum, kann das eigentliche<br />
Krankheitsbild beschrieben werden.<br />
Die Ursachen für die Entstehung eines Ulcus cruris<br />
können vielfältig sein. Mindestens 70 % aller Patienten<br />
mit einem Ulcus cruris leiden an einem Ulcus cruris<br />
venosum, 10 % an einem Ulcus cruris arteriosum,<br />
10 % an einem Ulcus cruris gemischt arterio-venöser<br />
Genese und knapp 10 % an einem Ulcus cruris anderer<br />
Abb. 3<br />
Atrophie blanche<br />
Abb. 4<br />
Exulzerierte Capillaritis alba<br />
Genese. Auch wenn in der Ätiologie des Ulcus cruris die<br />
venösen Gefäßerkrankungen mit Abstand dominieren,<br />
so ist doch die Kenntnis der relevanten Differenzialdiagnosen<br />
insbesondere bei therapierefraktären Verläufen<br />
von entscheidender Bedeutung. Die Einleitung<br />
einer dauerhaft erfolgreichen Therapie muss daher<br />
auf einer korrekten und umfassenden Diagnostik und<br />
den daraus resultierenden spezifischen Maßnahmen<br />
basieren.<br />
Genese chronische venöse Insuffizienz<br />
und deren klinische Stigmata<br />
Als chronische venöse Insuffizienz (CVI) wird eine<br />
persistierende Rückflussstörung des Blutes aus den<br />
peripheren in die zentralen Venen und ihre Folgeerscheinungen<br />
bezeichnet. Somit beschreibt die CVI die<br />
Unfähigkeit, nach Aktivierung der Muskelvenenpumpe<br />
einen adäquaten Druckabfall in den Venen der betroffenen<br />
Abschnitte zu bewirken. Eine CVI resultiert aus<br />
einem postthrombotischen Syndrom, einer Varikose<br />
oder einer Gefäßmalformation. Dabei spielt das postthrombotische<br />
Syndrom (PTS) bei der Mehrzahl der<br />
Patienten eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung<br />
einer CVI bzw. eines Ulkus. Nach einer Phlebothrombose<br />
entwickeln 80 % der Betroffenen eine CVI und bei<br />
mindestens 10 % wird im Laufe des Lebens ein Ulcus<br />
cruris postthromboticum auftreten.<br />
Schweregrad, Lokalisation und Bestandsdauer der<br />
venösen Rückflussstörung sowie Grad und Dauer der<br />
Belastung des Beinvenensystems bestimmen die verschiedenen<br />
klinischen Erscheinungsbilder einer CVI,<br />
die sich allmählich und stetig verstärkend ausbilden<br />
kann.<br />
Die Entwicklung einer Corona phlebectatica paraplantaris<br />
im Bereich beider Malleolen mit dem Auftreten<br />
von Phlebödemen der Unterschenkel unter Aussparung<br />
der Zehen kann als ein klinisches Zeichen einer<br />
CVI im Stadium I nach Widmer gesehen werden (Abb.<br />
1). Dahingegen sind Purpura jaune d‘ocre, Atrophie<br />
blanche, Stauungsdermatitis, Dermatoliposklerose<br />
und Akroangiodermatitis Mali Ausdruck trophischer
Störungen einer CVI im Stadium II nach Widmer.<br />
Auch aufgrund dieser typischen Stigmata kann bereits<br />
nach kurzer klinischer Inspektion ohne Vorliegen von<br />
apparativen Untersuchungsergebnissen die klinische<br />
Verdachtsdiagnose CVI gestellt werden.<br />
Purpura jaune d‘ocre<br />
Die Erstbeschreibung der Purpura jaune d‘ocre<br />
erfolgte 1924 durch Favre und 1926 durch Chaix.<br />
Daher existiert auch die synonyme Bezeichnung als<br />
Stasis-Purpura Favre-Chaix oder Favre-Chaix Syndrom.<br />
Als Prädilektionsstellen werden die Areale oberhalb<br />
des Malleolus medialis beschrieben (Abb. 2). Durch<br />
eine Ablagerung von Hämosiderin aus Erythrozyten im<br />
Extravasalraum kommt es zum Auftreten einer initial<br />
roten, später gelb-braunen Purpura. Unter einer konsequenten<br />
Kompressionstherapie ist eine meist jedoch<br />
unvollständige Rückbildung der Purpura jaune d‘ocre<br />
innerhalb von Monaten bis Jahren möglich.<br />
Atrophie blanche / Capillaritis alba<br />
Die Atrophie blanche wurde erstmalig 1929 von<br />
dem Franzosen Milian beschrieben. Im angloamerikanischen<br />
Sprachraum entspricht eine Atrophie blanche<br />
dem Krankheitsbild der Livedo-Vasculopathie und wird<br />
somit als weitestgehend unabhängig vom Auftreten<br />
einer CVI gesehen. Im deutschsprachigen Raum versteht<br />
man unter dem Begriff Atrophie blanche jedoch<br />
eine primär entzündliche Hauterkrankung im Bereich<br />
der Unterschenkel oder Fußrücken meist im Rahmen<br />
einer CVI (Abb. 3). Oft wird die Atrophie blanche in<br />
der deutschsprachigen Literatur synonym auch als<br />
Capillaritis alba bezeichnet. Die Atrophie blanche ist<br />
bei 9-38 % der Patienten mit einer CVI und bei 70 %<br />
bei Patienten mit einem Ulcus cruris venosum zu finden.<br />
Jedoch sollen auch 1-5 % der Betroffenen mit<br />
Atrophie blanche keine CVI aufweisen.<br />
Als Atrophie blanche wird eine Rarefizierung der<br />
Kapillaren und schließlich die Ausbildung einer Vernarbung<br />
beschrieben. In einer Atrophie blanche kann<br />
sowohl eine Abnahme der Sauerstoffpartialdrücke bis<br />
unter 5 mmHg als auch eine Abnahme der Kapillardichte<br />
auf 5/mm² beobachtet werden.<br />
Meist werden zwei Phasen des Krankheitsverlaufes<br />
voneinander differenziert. Initial kommt es während<br />
einer entzündlichen Phase zum Auftreten livider<br />
Erytheme, die in eine zweite atrophe Phase mit Ausbildung<br />
weißer, oft von Hyperpigmentierungen umgebener<br />
Areale übergeht. Insbesondere während der<br />
akuten Phase kann es zum Auftreten einer Exulzeration<br />
kommen (Abb. 4). Es resultieren meist bizarr konfigurierte,<br />
sehr schmerzhafte Ulzera. Als Prädilektionsstellen<br />
werden die perimalleolären Bereiche beschrieben.<br />
Somit erscheint es sinnvoll, die frühe entzündliche Phase<br />
als Capillaritis alba und die späte atrophe Phase als<br />
Ätiologie des Ulcus cruris<br />
Gefäßerkrankungen<br />
� Venen: CVI, PTS, Phlebitis, Dysplasie<br />
� Arterien: pAVK, Hypertonus, arteriovenöse<br />
Fistel, arterielle Thrombose, Embolie,<br />
Dysplasie, Thrombangiitis obliterans,<br />
Aneurysma<br />
� Lymphabflussstörung: Lymphödem,<br />
Dysplasie<br />
� Vasculitis: Erythema induratum Bazin,<br />
Lupus erythematodes, Sjögren Syndrom,<br />
Sklerodermie, Morbus Behçet, Rheumatoide<br />
Arthritis, Leukozytoklastische Vasculitis,<br />
Poyarteriitis nodosa, Wegener Granulomatose,<br />
Churg-Strauss Syndrom, Livedo-Vasculopathie<br />
� Mikroangiopathie: Diabetes mellitus<br />
Neuropathien<br />
� Peripher: Diabetes mellitus, Alkohol,<br />
Medikamente<br />
� ZNS: Tabes dorsalis, Myelodysplasie,<br />
Syringomyelie, Spina bifida, Poliomyelitis,<br />
Multiple Sklerose<br />
Metabolisch<br />
� Diabetes mellitus, Gicht, Prolidasemangel,<br />
Morbus Gaucher, Amyloidose, Kalziphylaxie,<br />
Porphyrien, Hyperhomocysteinämie<br />
Hämatologisch<br />
� Erythrozyten: Sichelzellanämie,<br />
Thalassämie, Polycythaemia vera<br />
� Leukozyten: Leukämie<br />
� Thrombozyten: Thrombozytämie<br />
� Dysproteinämien: Kryoglobulinämie,<br />
Lymphom<br />
� Gerinnung:<br />
Plasmatische Gerinnungsfaktoren (Faktor<br />
I-XIII), Gerinnungsinhibitoren (Antithrombin<br />
Atrophie blanche zu bezeichnen. Als Pseudoatrophie<br />
blanche bezeichnet man hingegen das Vorliegen einer<br />
hypopigmentierten Narbe bei abgeheiltem Ulcus cruris<br />
(Abb. 5). Eine antiinflammatorische Therapie beispielsweise<br />
mit der topischen Applikation hochpotenter<br />
Glukokortikoide ist lediglich in der initialen Phase einer<br />
Capillaritis alba wirksam und soll eine Exulzeration<br />
vermeiden. Ansonsten steht die Therapie der Grunderkrankung<br />
im Vordergrund.<br />
Stauungsdermatitis<br />
Unter einer Stauungsdermatitis versteht man das<br />
Auftreten von Ekzemen im Bereich der Unterschenkel<br />
bei Patienten mit CVI (Abb. 6). Die Stauungsdermatitis<br />
ist initial oft über insuffizienten Venen im distalen<br />
Drittel des Unterschenkels lokalisiert und klinisch kaum<br />
von einem allergischen Kontaktekzem zu differenzieren.<br />
Die Therapie basiert in einem akuten Stadium auf<br />
der topischen Applikation von Glukokortikoiden oder<br />
Titelthema<br />
III, Protein C und S, APC-Resistenz), Fibrinolysefaktoren<br />
(t-PA,PAI, Plasmin)<br />
Exogen<br />
� thermisch, mechanisch, chemisch,<br />
aktinisch, artefiziell, kontaktallergisch<br />
Neoplasien<br />
� Primär cutan:<br />
maligne: Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom<br />
(Marjolin-Ulcus), Malignes Melanom,<br />
(Angio-)Sarkom, cutanes Lymphom;<br />
benigne: Papillomatosis cutis carcinoides,<br />
Keratoakanthom<br />
� Metastasen: viszerale Neoplasien<br />
Infektionen<br />
� Bakterien: Furunkel, Ecthyma, Mycobacteriose,<br />
Lues, Erysipel, Anthrax, Diphterie,<br />
chronisch vegetierende Pyodermie<br />
� Viren: Herpes, Pockenviren<br />
� Pilze: Sporotrichose, Histoplasmose,<br />
Blastomycose, Kokzidioidomykose<br />
� Protozoen: Leishmaniose<br />
Medikamente<br />
� Hydroxyurea, Leflunomid, MTX, Halogene,<br />
Marcumar, Impfungen, Ergotamin, paravasale<br />
Zytostatika<br />
Genetische Defekte<br />
� Klinefelter-Syndrom, Felty-Syndrom, TAP 1<br />
Mutation, Leukozytenadhäsionsdefizienz,<br />
Faktor V Mutation<br />
Dermatosen<br />
� Pyoderma gangraenosum, Necrobiosis lipoidica,<br />
Sarkoidose, perforierende Dermatose,<br />
Langerhans-Histiozytose, Papulosis maligna<br />
atrophicans, bullöse Dermatose<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
Tab. 1<br />
11
Titelthema<br />
5 6<br />
7 8<br />
Abb. 5<br />
Pseudoatrophie blanche nach Abheilung<br />
eines Ulcus cruris<br />
Abb. 6<br />
Stauungsdermatitis<br />
12 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
Abb. 7<br />
Ulcus cruris venosum und Dermatoliposklerose<br />
mit der Ausbildung einer so genannten<br />
umgekehrten Flaschenhalsdeformität<br />
Abb. 8<br />
Akroangiodermatitis Mali<br />
Calcineurin-Inhibitoren wie beispielsweise Tacrolimus.<br />
Gleichzeitig sollte auf eine adäquate Kompressionstherapie<br />
geachtet werden.<br />
Dermatoliposklerose<br />
Die auch als Hypodermitis sclerodermiformis bezeichnete<br />
Dermatoliposklerose wurde erstmalig von<br />
Huriez 1955 als chronische Entzündung der Dermis,<br />
Subcutis und ggf. der Faszien mit schmerzhaften<br />
Indurationen der Unterschenkel beschrieben. In der<br />
Ätiologie scheint die ambulatorische Hypertonie im<br />
Rahmen einer CVI mit vermehrter Ausscheidung von<br />
Fibrinogen aus den Gefäßen, das als Fibrin perikapillär<br />
abgelagert wird, bedeutsam zu sein. Die resultierende<br />
perikapilläre Fibrinmanschette stellt eine funktionelle<br />
Permeabilitätsbarriere dar und bedingt in der Folge<br />
die Ausbildung von Sklerose und Fibrose. Die Prädilektionsstellen<br />
dieser gelegentlich spontan und/oder auf<br />
Druck schmerzhaften Veränderung sind am distalen<br />
Unterschenkel. Meist zeigt sich die Dermatoliposklerose<br />
initial von einem Unterschenkelödem und später<br />
von einer flächigen Hyperpigmentierung begleitet. Die<br />
Hautfalten sind in späteren Stadien nicht mehr abzuheben,<br />
die Hautanhangsgebilde zerstört und die Follikelostien<br />
verstrichen. Bei einer Ausprägung in der gesamten<br />
Zirkumferenz des Unterschenkels können sich<br />
Ödeme insbesondere proximal der Dermatoliposklerose<br />
ausbilden. Man spricht dann auch von dem klinischen<br />
Bild einer „umgekehrten Flaschenhalsdeformität“<br />
(Abb. 7). Im Rahmen einer so genannten Shave-Therapie<br />
ist in den letzten Jahren die operative Abtragung<br />
dieses bradytrophen Gewebes meist mit unmittelbarer<br />
Deckung mittels Mesh-graft erfolgreich etabliert<br />
worden.<br />
Akroangiodermatitis Mali<br />
Bereits 1965 berichten Mali und Mitarbeiter von einer<br />
Akroangiodermatitis bei Patienten mit CVI. Die seitdem<br />
als Akroangiodermatitis Mali oder synonym auch<br />
als Pseudo-Kaposi-Sarkom bezeichnete Erkrankung<br />
ist klinisch gekennzeichnet durch das oft bilaterale<br />
Auftreten von primär lividroten Papeln und Plaques<br />
im Bereich des distalen Unterschenkels oder der Fußrücken<br />
(Abb. 8). Hinsichtlich sowohl der klinischen als<br />
auch der histologischen Beurteilung ist die eindeutige<br />
Differenzierung von einem Initialstadium des Kaposi-<br />
Sarkoms nicht immer möglich. Während jedoch die<br />
Akroangiodermatitis Mali eine benigne, rückbildungsfähige,<br />
vaskuläre Reaktionsform hyperplastischen Charakters<br />
darstellt, ist das maligne Kaposi-Sarkom durch<br />
eine multifokale Neubildung kapillarartiger Strukturen<br />
mit progressiver sarkomatöser Entartung gekennzeichnet<br />
und oft mit dem Nachweis von humanem Herpes<br />
Virus 8 (HHV 8) assoziiert. Es wurde diskutiert, dass ein<br />
erhöhter Venen- und Kapillardruck für die Entwicklung<br />
der Gefäßbindegewebsproliferation der Akroangiodermatitis<br />
Mali ätiopathologisch entscheidend ist. Hämodynamischen<br />
Untersuchungsergebnissen zufolge fehlt<br />
den Patienten mit einer Akroangiodermatitis Mali ein<br />
Abfall von Druck und Volumen unter Aktivierung der<br />
Wadenmuskelvenenpumpe. Die höchste Inzidenz für<br />
die Ausbildung einer Akroangiodermatitis Mali findet<br />
sich in der 4.-6. Lebensdekade. Interessanterweise wird<br />
das Verhältnis der erkrankten Männer und Frauen mit<br />
9:1 beschrieben, obwohl die CVI bei Frauen häufiger<br />
vorkommt. Eine spezifische Therapie der Akroangiodermatitis<br />
Mali ist nicht erforderlich. Unter Durchführung<br />
einer konsequenten Kompressionstherapie können sich<br />
die Hautveränderungen vollständig zurückbilden.<br />
Lymphödem<br />
Ein intaktes Lymphsystem kann im Bedarfsfall ein<br />
Transportvolumen von bis zu 100 l/Tag bewältigen<br />
und stellt das einzige kompensatorische Gefäßsystem<br />
bei venösen Erkrankungen dar. Allerdings wird die<br />
Beteiligung des lymphatischen Systems durch Störung<br />
des Lymphabflusses in der Pathogenese und Therapie<br />
des Ulcus cruris venosum oft unterschätzt.<br />
Im Gegensatz zu dem eher selten beobachteten<br />
primären Lymphödem, das mit einer familiären Disposition<br />
verbunden sein kann, resultiert das sekundäre<br />
Lymphödem meist aus entzündlichen Prozessen. Auch<br />
durch eine lange bestehende und nicht suffizient
eingestellte CVI kann ein sekundäres Lymphödem<br />
entstehen. Das resultierende Lymphödem ist zumeist<br />
an einem Bein unter Einbeziehung der Zehen lokalisiert<br />
und mit einer Pachydermie vergesellschaftet. Unter<br />
dem Terminus Pachydermie, der eigentlich die Verdickung<br />
sämtlicher Hautschichten beschreibt, werden<br />
die teils papillomatösen, teils verruciformen kutanen<br />
Veränderungen im Rahmen eines chronischen Lymphödems<br />
zusammengefasst (Abb. 9). Die Zehennägel der<br />
betroffenen Extremität sind oft dystroph und werden<br />
als Onychomycose fehlinterpretiert.<br />
Es wird diskutiert, dass das hämodynamisch bedingte<br />
Stauungsekzem ein klinisches Korrelat eines<br />
gestörten Lymphabflusses darstellt, da der Lymphabfluss<br />
ein Bestandteil der immunologischen Körperabwehr<br />
ist. Durch eine exsudative Papillomatosis cutis<br />
lymphostatica können rezidivierend Erosionen und<br />
Ulzerationen auftreten, die die Eintrittspforte für Bakterien<br />
darstellen und nachfolgend zur Ausbildung von<br />
Erysipelen beitragen können. Das rezidivierende Auftreten<br />
von Erysipelen führt zu Lymphabflussstörungen.<br />
Die Ausbildung einer Elephantiasis nostras (Abb. 10)<br />
kann schließlich als Maximalvariante einer Pachydermie<br />
gesehen werden.<br />
Differenzialdiagnostisch vom Lymphödem zu unterscheiden<br />
ist das Lipödem, das eine anlagebedingte<br />
Lipohypertrophie mit orthostatischem Ödem darstellt<br />
und nahezu ausschließlich bei Frauen nach der Pubertät<br />
zu finden ist. Das Lipödem der unteren Extremität<br />
liegt meist beidseitig vor und endet in Höhe des oberen<br />
Sprunggelenkes. Da es im Verlauf der Erkrankung<br />
auch zu funktionellen Störungen der primär normalen<br />
Lymphgefäße kommt, resultiert sekundär oft ein Lipolymphödem<br />
mit der Neigung zu Fibrosierung und<br />
Sklerosierung.<br />
Therapeutisch sollte der Einsatz von Diuretika bei<br />
Patienten mit Lymphödem zurückhaltend erfolgen, da<br />
Diuretika nur bei eiweißarmen Ödemen wirksam sind<br />
und ansonsten eine paradoxe Wirkung durch Anreicherung<br />
von Eiweiß im Interstitium entfalten können.<br />
Wesentlich wichtiger ist die regelmäßige Durchführung<br />
einer Lymphdrainage mit Einbeziehung der Zehen und<br />
anschließender Anlage einer suffizienten Kompression.<br />
Ulcus cruris venosum<br />
Das floride Ulcus cruris venosum stellt die schwerwiegendste<br />
Manifestation einer CVI entsprechend einem<br />
Grad III nach Widmer dar. Typischer und häufigster<br />
Sitz des Ulkus ist der Bereich oberhalb des Malleolus<br />
medialis (Abb. 11). Bei etwa 20 % der Patienten ist<br />
ein Ulcus cruris venosum auch an anderen Stellen<br />
der Unterschenkel lokalisiert. Form und Größe des<br />
Ulcus cruris venosum sind variabel, wobei das Ulkus<br />
den gesamten Unterschenkel erfassen kann, was als<br />
Gamaschenulkus bezeichnet wird (Abb. 12).<br />
9 10<br />
Liegt eine chronisch venöse Insuffizienz und gleichzeitig<br />
eine arterielle Verschlusskrankheit vor, kann es<br />
durch die venös-arteriellen Zirkulationsstörungen zu<br />
einem so genannten Ulcus cruris mixtum (Abb. 13/14)<br />
kommen, dessen Prognose vom Grad der arteriellen<br />
Störung dominiert wird.<br />
Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)<br />
Das typische Ulcus cruris arteriosum resultiert aus einer<br />
peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK).<br />
Die häufigste Ursache für die Entstehung einer pAVK<br />
in den westlichen Industrienationen ist mit 90 % die<br />
Arteriosklerose, für deren Entstehung als wesentliche<br />
Risikofaktoren u. a. Rauchen, Diabetes mellitus und ein<br />
steigendes Lebensalter identifiziert werden konnten.<br />
Aktuell wird in Deutschland davon ausgegangen, dass<br />
ab dem 65. Lebensjahr 20 % der Bevölkerung unter<br />
einer pAVK leiden, jedoch lediglich ein Drittel dieser<br />
Betroffenen klinische Symptome aufweisen.<br />
11 12<br />
13<br />
Abb. 11<br />
Ulcus cruris venosum in typischer Lokalisation<br />
oberhalb des Malleolus medialis<br />
Abb. 12<br />
Zirkulär um den Unterschenkel laufendes<br />
„Gamaschenulkus“<br />
14<br />
Titelthema<br />
Abb. 9<br />
Lymphödem beider Beine<br />
mit Ausbildung einer<br />
Papillomatosis cutis<br />
Abb. 10<br />
Elephantiasis nostras<br />
mit exsudativen Erosionen<br />
Abb. 13/14<br />
Ulcera cruris gemischt arterio-venöser<br />
Genese (Ulcus cruris mixtum)<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
13
Titelthema<br />
15 16<br />
17 18<br />
Abb. 15<br />
Ulcus cruris arteriosum unterhalb des<br />
Malleolus lateralis<br />
Abb. 16<br />
Ulcus cruris hypertonicum Martorell<br />
14 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
Abb. 17<br />
Multiple Ulzerationen bei kutaner<br />
leukozytoklastischer Vasculitis<br />
Abb. 18<br />
Ulcus cruris bei Wegener Granulomatose<br />
Klinisch äußern die symptomatischen Patienten<br />
meist vor Auftreten einer Ulzeration eine eingeschränkte<br />
Gehstrecke, die sich als Claudicatio intermittens<br />
manifestiert. Zu einer Zunahme der subjektiven<br />
Beschwerden kommt es meist nach Hochlagerung<br />
der Beine. Ulzerationen treten überwiegend in Form<br />
von akralen Gangränen und Ulzerationen, die von<br />
kühler Haut umgeben sind, auf. Bei Lokalisation am<br />
Unterschenkel als Ulcus cruris arterisoum ist häufiger<br />
die Region um den Malleolus lateralis oder die Tibiakante<br />
betroffen (Abb. 15). Verglichen mit Patienten<br />
mit einem Ulcus cruris venosum klagen Patienten mit<br />
einem Ulcus cruris arteriosum häufiger über eine ausgeprägte<br />
Schmerzsymptomatik.<br />
Ulcus cruris hypertonicum Martorell<br />
Das Ulcus cruris hypertonicum wurde 1945 von dem<br />
Angiologen Fernando Martorell erstmalig beschrieben.<br />
Er diskutierte, dass der arterielle Hypertonus der<br />
Patienten einen kausalen Faktor in der Genese der<br />
chronischen Wunden darstellen könnte. Diese als äußerst<br />
schmerzhaft beschriebenen Ulzerationen finden<br />
sich mit einem Altersgipfel zwischen dem 40. und 70.<br />
Lebensjahr bei Frauen häufiger als bei Männern. Sie<br />
sind meist am distalen Unterschenkel oberhalb des<br />
Malleolus lateralis und oft beidseitig lokalisiert (Abb.<br />
16). Initial beschreiben die meisten Patienten das<br />
Auftreten von lividen Macula, die beispielsweise nach<br />
Minimaltrauma exulzerieren. Auch wurde das nahezu<br />
obligate Auftreten begleitender Ödeme beschrieben.<br />
Die arteriellen diastolischen Drücke liegen bei diesen<br />
Patienten meist dauerhaft über 95 mmHg. Es wurde<br />
diskutiert, dass kausal eine Lumeneinengung der<br />
Arteriolen durch eine subendotheliale Intimafibrose<br />
und reaktiv die Ausbildung einer Hyalinose der Media<br />
zugrunde liegen könnte.<br />
Bis heute ist jedoch der primäre kausale Zusammenhang<br />
zwischen dem Auftreten eines Ulcus cruris und<br />
einem arteriellen Hypertonus sehr umstritten und nie<br />
zweifelsfrei nachgewiesen worden. Auch besteht eine<br />
auffallende epidemiologische Diskrepanz zwischen der<br />
Häufigkeit der arteriellen Hypertonie und der gleichzeitigen<br />
Beschreibung eines Ulcus cruris hypertonicum.<br />
Aktuell wird daher der arterielle Hypertonus eher als<br />
ein die Wundheilung prolongierender Faktor denn als<br />
ein kausaler Faktor des Ulcus cruris gesehen.<br />
Vasculitis<br />
Der Begriff Vasculitis beschreibt eine Entzündung<br />
mit nachfolgender Schädigung der Gefäßwand. Die<br />
Einteilung der primären systemischen Vasculitiden<br />
erfolgt heute meist entsprechend der Klassifikation<br />
der Chapel Hill Konsensuskonferenz und orientiert sich<br />
an dem anatomischen Durchmesser der betroffenen<br />
Gefäße. So gibt es eine Unterteilung nach Vasculitiden<br />
entsprechend der Beteiligung der großen, mittelgroßen<br />
und kleinen Gefäße. Als adjuvante differenzialdiagnostische<br />
Parameter wurden serologische und<br />
immunhistochemische Befunde eingestuft. Als sekundär<br />
werden Vasculitiden bezeichnet, die im Rahmen<br />
von anderen Grunderkrankungen wie beispielsweise<br />
Kollagenosen, Sarkoidosen, Arzneimittelreaktionen,<br />
Infekten oder Neoplasien auftreten.<br />
Kutane leukozytoklastische Vasculitis<br />
Die kutane leukozytoklastische Vasculitis wird auch<br />
synonym als Vasculitis allergica oder Immunkomplexvasculitis<br />
bezeichnet und beschreibt eine oft in<br />
Schüben verlaufende Entzündung der kutanen Blutgefäße<br />
ohne Nachweis einer systemischen Vasculitis<br />
oder Glomerulonephritis. Bei systemischer Beteiligung<br />
spricht man ansonsten auch von einer Hypersensitivitätsvasculitis.<br />
Die vasculäre Entzündungsreaktion resultiert aus<br />
der Ablagerung von zirkulierenden Immunkomplexen<br />
oder Bakterienendotoxinen in Gefäßwänden mit<br />
nachfolgender Komplementaktivierung. Sie betrifft<br />
nahezu ausschließlich die postkapillären Venolen. Die<br />
pathogenetisch relevanten Ursachen für das Auftreten<br />
einer kutanen leukozytoklastischen Vasculitis können<br />
vielfältig sein. Die Inkubationszeit nach einem Infekt<br />
beträgt beispielsweise etwa 2-3 Wochen. Bei bis zu<br />
50 % der Patienten bleibt die zugrunde liegende Genese<br />
jedoch unklar.
Bei der kutanen leukozytoklastischen Vasculitis<br />
kommt es bei meist normwertiger Thrombozytenzahl<br />
zu petechialen Einblutungen in die Haut. In Abhängigkeit<br />
von dem Stadium imponiert die Purpura klinisch<br />
mit hämorrhagischen Maculae oder Papeln, begleitet<br />
von Juckreiz, Schmerz oder Brennen. Das klinische Kardinalsymptom<br />
ist die palpable Purpura, die auch mit<br />
einem Glasspatel (Diaskopie) nicht wegdrückbar ist. In<br />
weiteren Entwicklungsstadien können sich Bläschen<br />
oder Blasen, hämorrhagische Plaques und sekundäre<br />
Pusteln, Erosionen oder Ulzera ausbilden (Abb. 17).<br />
Als Prädilektionsstellen sind die Extremitäten und insbesondere<br />
die Unterschenkel beschrieben. Frauen sind<br />
2-3-mal häufiger betroffen als Männer. Über letale<br />
Verläufe wurde bei 2-3 % der Patienten berichtet.<br />
Wegener Granulomatose<br />
Die Wegener Granulomatose ist eine erstmalig 1936<br />
beschriebene, selten auftretende, nekrotisierende,<br />
granulomatöse Vasculitis, die sich oft mit der klassischen<br />
Trias aus Lungen-, HNO- und Nierenbeteiligung<br />
manifestiert. Die exakte Ätiologie ist weiterhin unklar.<br />
Diskutiert wurde beispielsweise eine infektallergische<br />
Aktivierung neutrophiler Granulozyten, die reaktiv<br />
eine inflammatorische Kaskade initiieren. Klinisch<br />
zeigt sich meist ein biphasischer Verlauf mit einem<br />
vorwiegend granulomatösen Initialstadium unter<br />
Einbeziehung des oberen Respirationstraktes. Nach<br />
Monaten bis Jahren geht dieses lavierte Stadium in<br />
ein foudroyantes vasculitisches Generalisationsstadium<br />
über, das oft auch einen Multiorganbefall aufweist.<br />
Kutane Manifestationen beispielsweise in Form eines<br />
Ulcus cruris (Abb. 18) zeigen sich überwiegend im<br />
späteren Verlauf der Wegener Granulomatose bei circa<br />
40 % der Patienten.<br />
Polyarteriitis nodosa<br />
Die Polyarteriitis nodosa (PN) wurde erstmalig<br />
1866 durch Kussmaul und Maier beschrieben und<br />
bezeichnet eine selten auftretende, zumeist schwer<br />
verlaufende, nekrotisierende Vasculitis. Die Erkrankung<br />
manifestiert sich zumeist nach dem 50. Lebensjahr,<br />
der Erkrankungsgipfel der Patienten liegt bei 65-75<br />
Jahren. Die Ätiologie der PN ist bislang lediglich in<br />
Teilaspekten verstanden. Als assoziierte, potenziell<br />
kausal relevante Faktoren sind Streptokokkenantigene,<br />
Hepatitis B, Autoimmunerkrankungen, Kryoglobuline,<br />
ANCAs aber auch maligne Grunderkrankungen<br />
beschrieben worden. Daher wurde diskutiert, dass es<br />
sich bei der PN um eine immunmediierte Vasculitits<br />
handeln könnte. Das klinische Bild wird durch die<br />
Zahl, Ausdehnung und Lokalisation der betroffenen<br />
Arterien bestimmt. Einem uncharakteristischen Prodromalstadium<br />
mit Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust,<br />
subfebrilen Temperaturen, Myalgien und Arthralgien<br />
19 20 21<br />
Abb. 19<br />
Multiple Ulzerationen bei<br />
Polyarteriitis nodosa<br />
Abb. 20<br />
Livedo racemosa, typisches<br />
Leitsymptom der PN<br />
folgen multiple Organveränderungen. Es zeigen sich<br />
plötzlich auftretende, diskret schmerzhafte, kutan oder<br />
subkutan gelegene Papeln und Noduli meist entlang<br />
des Arterienverlaufs, häufiger an der unteren Extremität,<br />
die im weiteren Verlauf exulzerieren können (Abb.<br />
19). Als ein typisches klinisches Symptom der PN gilt<br />
die Livedo racemosa (Abb. 20).<br />
Rheumatoide Arthritis<br />
Die rheumatoide Arthritis (RA) ist mit einer Prävalenz<br />
von 0,4-1,2 % die häufigste entzündlich rheumatische<br />
Erkrankung der weißen Bevölkerung. Bis zu 10 % aller<br />
Patienten mit RA entwickeln im Laufe ihrer Krankheitsgeschichte<br />
ein Ulcus cruris. In der Ätiologie ist insbesondere<br />
das Auftreten einer sekundären Vasculitits<br />
relevant. Vasculitische Ulzera bei RA sind oft scharf demarkiert<br />
und bizarr konfiguriert (Abb. 21). Außerdem<br />
zeigen sie eine schlechte spontane Heilungstendenz.<br />
Bezüglich der Pathomechanismen der Ulkusgenese<br />
bei der RA geht man davon aus, dass eine rheumatoide<br />
Vasculitits oft die initiale Läsion verursacht. Zusätzlich<br />
stellt die häufig resultierende arthrogene Bewegungseinschränkung<br />
insbesondere der Sprunggelenke und<br />
die resultierende vermehrte Ödembildung und Schwächung<br />
der Muskelvenenpumpen bis hin zur Ausbildung<br />
eines arthrogenen Stauungssyndroms einen weiteren,<br />
die Wundheilung prolongierenden Faktor dar. Da auch<br />
gehäuft das Auftreten einer CVI und/oder pAVK bei<br />
Patienten mit RA beschrieben wurde, sollte bei Vorliegen<br />
eines Ulcus cruris rheumaticum immer eine breite<br />
differenzialdiagnostische Abklärung erfolgen.<br />
Sjögren Syndrom<br />
Als Sjögren Syndrom (SS) bezeichnet man eine<br />
bislang ätiologisch unklare, langsam progrediente<br />
Autoimmunerkrankung mit den klinischen Symptomen<br />
Titelthema<br />
Abb. 21<br />
Ulcus cruris bei<br />
rheumatoider Arthritis<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
15
Titelthema<br />
Abb. 22<br />
Ulcus cruris bei Sjögren<br />
Syndrom<br />
Abb. 23<br />
Multiple Ulzerationen bei<br />
Livedo-Vasculopathie<br />
Der Autor:<br />
PD Dr. med. Joachim<br />
Dissemond,<br />
Universitätsklinikum Essen,<br />
Klinik und Poliklinik für<br />
Dermatologie, Venerologie<br />
und Allergologie,<br />
Hufelandstraße 55,<br />
45122 Essen,<br />
E-Mail: joachimdissemond@<br />
hotmail.com<br />
22<br />
23<br />
16 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
Xerophtalmie und Xerostomie auf dem pathophysiologischen<br />
Boden einer lymphozytären Infiltration von<br />
Tränen- und Speicheldrüsen. Man unterscheidet das<br />
primäre SS mit alleinigem Auftreten der o. g. Symptome<br />
vom sekundären SS, bei dem die Symptome assoziiert<br />
mit einer anderen Autoimmunerkrankung, zumeist<br />
der rheumatoiden Arthritis, dem systemischen Lupus<br />
erythematodes oder der Sklerodermie auftreten. Eine<br />
einheitliche Klassifikation der SS existiert bislang nicht.<br />
Das SS ist nach der rheumatoiden Arthritis die zweithäufigste<br />
rheumatologische Autoimmunerkrankung.<br />
Das Auftreten eines sehr schmerzhaften Ulcus cruris<br />
mit lividem Randsaum bei Patienten mit SS ist bislang<br />
in der Literatur selten beschrieben worden (Abb. 22).<br />
Die Ulzerationen entstehen pathophysiologisch im<br />
Rahmen einer sekundären Vasculitis. Differenzialdiagnostisch<br />
sollte bei V. a. ein SS immer auch an das<br />
Vorliegen eines systemischen Lupus erythematodes<br />
gedacht oder ein so genanntes Overlap-Syndrom ausgeschlossen<br />
werden.<br />
Livedo-Vasculopathie<br />
Die Livedo-Vasculopathie wurde erstmalig von Bard<br />
und Winkelmann 1967 als eigenständige Entität beschrieben.<br />
Dem Krankheitsbild liegt eine thrombotische<br />
Vasculopathie kleiner Gefäße der unteren Extremität,<br />
die sekundär zur Ausbildung sehr therapierefraktärer<br />
Ulzerationen führt, zugrunde (Abb. 23). Daher wird<br />
heute statt des ursprünglichen Begriffes der Livedo-<br />
Vasculitis meist der Begriff der Livedo-Vasculopathie<br />
verwendet. Bei den Patienten handelt es sich oft um<br />
junge Erwachsene ohne familiäre Prädisposition, wobei<br />
Frauen dreimal häufiger als Männer erkrankt sind.<br />
Die Livedo-Vasculopathie ist primär eine Erkrankung,<br />
die meist auf die unteren Extremitäten bis zum<br />
Knie begrenzt ist und insbesondere die Malleolarregionen<br />
betrifft. Der klinische Verlauf der Livedo-Vasculopathie<br />
ist chronisch schubartig, sodass sich Ab-<br />
heilungs- und Rezidivphasen überlappen können. Das<br />
klinische Bild ist durch die drei nicht spezifischen Kardinalsymptome<br />
Livedo racemosa, Ulzera und Atrophie<br />
blanche gekennzeichnet. Die meist sehr schmerzhaften<br />
Ulzerationen sind überwiegend bizarr geformt und von<br />
einem inflammatorisch-hämorrhagischen lividen Randsaum<br />
umgeben. Im angloamerikanischen Sprachraum<br />
wird die Livedo-Vasculopathie daher auch mit dem<br />
Akronym PURPLE beschrieben, was deskriptiv die Symptome<br />
„Painful Purpuric Ulcers with Reticular Pattering<br />
of the Lower Extremities“ zusammenfasst.<br />
Pyoderma gangraenosum<br />
Erstmalig wurde das Pyoderma gangraenosum 1930<br />
von Brunsting, Goeckerman und O‘Leary beschrieben.<br />
Gemeinsam mit Erkrankungen wie beispielsweise dem<br />
Sweet-Syndrom oder dem Morbus Behçet wird das<br />
Pyoderma gangraenosum heute zu den neutrophilen<br />
Dermatosen gerechnet. Das Pyoderma gangraenosum<br />
stellt einen umschriebenen destruktiv-ulzerierenden<br />
Prozess unklarer Ätiologie dar. Anamnestisch wird<br />
das Auftreten dieser immunopathogenen Ulzerationen<br />
oft nach teils minimalen Verletzungen wie Insektenstichen,<br />
Exkoriationen oder operativen Eingriffen<br />
beschrieben. Dieser Pathomechanismus wird auch als<br />
Pathergie-Phänomen bezeichnet.<br />
Klinische Charakteristika eines Pyoderma gangraenosum<br />
sind initial druckdolente erythematöse Noduli,<br />
die exulzerieren und von hämorrhagischen Pusteln<br />
umgeben sind. Der bakteriologische Abstrich solcher<br />
Pusteln zeigt sich typischerweise steril. Klinisch existieren<br />
verschiedene Varianten mit Ausbildung von<br />
vegetierenden, bullösen, superfiziellen und/oder granulomatösen<br />
Verläufen. Die Ulzerationen sind meist<br />
polyzyklisch begrenzt und weisen einen düster-lividen,<br />
teils unterminierten schmerzhaften Randsaum auf<br />
(Abb. 24). Das Wachstum der gehäuft an der unteren<br />
Extremität anzutreffenden Ulzera wird oft als serpiginös<br />
zentrifugal beschrieben. Der Krankheitsverlauf<br />
ist oft nach mehreren Wochen bis Monaten selbstlimitierend.<br />
Pyodermien<br />
Unter dem Begriff der Pyodermie versteht man<br />
bakterielle Infektionen der Haut durch Eitererreger<br />
(Abb. 25). Die kausal relevanten, überwiegend grampositiven<br />
Bakterien, insbesondere ß-hämolysierende<br />
Streptokokken der Gruppe A oder Staphylococcus<br />
species, sind ubiquitär verbreitet. Es existieren zahlreiche<br />
begünstigende Faktoren für das Auftreten von<br />
Pyodermien. Prädisponierende Faktoren können beispielsweise<br />
ein heißes oder feuchtes Klima, mangelnde<br />
Hygiene, Malnutrition, Adipositas, Diabetes mellitus,<br />
Immunsuppression oder Störung der Hautbarrierefunktion<br />
durch Ekzeme darstellen.
Als Ecthyma (simplex) bezeichnet man eine ulzerierende<br />
Pyodermie (Abb. 26). Initial kommt es zu<br />
einer bakteriellen Superinfektion von vorbestehenden<br />
Verletzungen, die beispielsweise nach banalen Traumata,<br />
Insektenstichen oder Excoriationen auftreten.<br />
Es entwickelt sich an dem Ort, an dem die Bakterien<br />
die Hautbarriere durchdringen konnten, eine Pustel<br />
auf erythematösem Grund. Sekundär bildet sich zentral<br />
eine tiefe, scharf begrenzte Nekrose aus, die in der<br />
Folge eine Ulzeration bedingt. Das Auftreten dieser<br />
sehr therapierefraktären und meist multipel vorkommenden<br />
Ulzera wird bevorzugt an den Unterschenkeln<br />
beobachtet.<br />
Kalziphylaxie<br />
Bei der Kalziphylaxie handelt es sich um eine erstmals<br />
1962 von Selye beschriebene, selten auftretende,<br />
jedoch potenziell lebensbedrohlich verlaufende Erkrankung.<br />
Die Ätiopathogenese der Kalziphylaxie ist bis<br />
heute nicht vollständig geklärt. Störungen im Kalzium-<br />
Phosphatstoffwechsel scheinen eine wesentliche Rolle<br />
zu spielen. Die Erkrankung betrifft fast ausschließlich<br />
Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz unter<br />
Dialyse-Therapie. Klinisch imponieren initial livide<br />
Erytheme, aus denen sich ausgeprägt schmerzhafte<br />
Ulzerationen und Nekrosen entwickeln können (Abb.<br />
27). Die Hautläsionen können sowohl solitär als auch<br />
multipel auftreten. Die Prädilektionsstellen sind das<br />
Abdomen sowie die medialen Seiten der Ober- und<br />
Unterschenkel.<br />
Kutane Neoplasien & artifizielle Manipulationen<br />
Es existieren zahlreiche weitere in der Genese des<br />
Ulcus cruris zu berücksichtigende Faktoren (Tab. 1),<br />
von denen hier insbesondere auf die primär kutanen<br />
Neoplasien (Abb. 28/29) und artifiziellen Manipulationen<br />
(Abb. 30) hingewiesen werden soll. Die Diagnose<br />
bei Neoplasien wird histologisch gestellt, wobei in<br />
diesem Zusammenhang auf die Wichtigkeit der frühzeitigen<br />
Probeexzision hinzuweisen ist.<br />
Kontaktallergene<br />
Die Entwicklung einer Kontaktallergie hängt von<br />
verschiedenen Faktoren ab. Außer einer endogenen<br />
genetischen Disposition können auch regionäre Faktoren<br />
wie eine Schädigung der Hautbarriere förderlich für<br />
die Entstehung einer Kontaktsensibilisierung sein (Abb.<br />
31). Exogene Faktoren wie eine verlängerte Einwirkzeit<br />
des potenziellen Allergens, eine fettige Galenik oder<br />
die Anwendung einer Okklusion scheinen ebenfalls<br />
die Gefahr der Entstehung einer Sensibilisierung zu fördern.<br />
Auch die allergene Potenz der applizierten Substanzen<br />
und die Konzentration des Allergens sind von<br />
Bedeutung. Interessanterweise entwickeln jedoch Patienten<br />
mit einem Ulcus cruris gehäuft Kontaktallergien<br />
24 25<br />
26<br />
28 29<br />
Abb. 24<br />
Pyoderma gangraenosum<br />
Abb. 25<br />
Chronisch vegetierende Pyodermie<br />
Abb. 26<br />
Ecthymata, ulzerierende Pyodermie<br />
Abb. 27<br />
Kalziphylaxie<br />
gegen ansonsten eher schwach allergene Substanzen,<br />
was erneut die Bedeutung einer gestörten Hautbarriere<br />
bei der Entwicklung einer Kontaktallergie belegt. Die<br />
am häufigsten nachgewiesenen Kontaktallergene bei<br />
Patienten mit CVI und Ulcus cruris sind Bestandteile<br />
von Lokaltherapeutika der Wundtherapie und von<br />
Hautpflegemitteln. �<br />
30 31<br />
27<br />
Titelthema<br />
Abb. 28<br />
Basalzellkarzinom als Ursache für ein Ulcus<br />
cruris<br />
Abb. 29<br />
Plattenepithelkarzinom auf einer Verbrennungsnarbe<br />
als Ursache für ein Ulcus cruris<br />
Abb. 30<br />
Dermatitis artefacta,<br />
multiple Ulzerationen<br />
durch Manipulation durch<br />
den Patienten<br />
Abb. 31<br />
Allergisches Kontaktekzem<br />
um ein Ulcus cruris venosum<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
17
Forschung<br />
Für die Autoren:<br />
Holger Kapp,<br />
Medizinredakteur,<br />
PAUL HARTMANN AG,<br />
89522 Heidenheim<br />
Bakterienreduktion<br />
18 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
H. Kapp, P. Zöllner, H. Smola, PAUL HARTMANN AG<br />
Behandlung infizierter und<br />
infektionsgefährdeter Wunden<br />
Laboruntersuchungen und klinische Studien bestätigen die gute Wirksamkeit und<br />
Verträglichkeit der silberhaltigen Salbenkompresse Atrauman Ag.<br />
Akute und chronische Wunden sind häufig mit<br />
fäkalen, dermalen und oralen Bakterien besiedelt. Je<br />
nach Immunstatus des Patienten und Pathogenität<br />
der Mikroorganismen kann sich aus einer Kolonisation<br />
eine Wundinfektion entwickeln. Vor allem Patienten<br />
mit therapieresistenten Ulzera, bei denen aufgrund<br />
vaskulärer Erkrankungen die Mikro- und Makrozirkulation<br />
im Wundgebiet beeinträchtigt sind, haben ein<br />
hohes Risiko für eine klinisch apparente Infektion. Im<br />
klinischen Alltag bereiten immer häufiger Keime wie<br />
methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme<br />
(MRSA) logistische und therapeutische Probleme. Eine<br />
Wundinfektion erhöht nicht nur die Behandlungskosten,<br />
sondern auch das Leiden der Patienten.<br />
Silberhaltige Wundauflagen haben die lokalen<br />
Behandlungsmöglichkeiten kritisch kolonisierter, infizierter<br />
und infektionsgefährdeter Wunden deutlich<br />
verbessert. Das in ihnen enthaltene Silber wirkt in der<br />
Wunde gegen ein breites Spektrum pathogener Bakterien.<br />
Schon geringe Konzentrationen an Silberionen in<br />
der Wunde reichen aus, um Bakterien zuverlässig zu<br />
eradizieren, ohne dass es bislang in der klinischen Anwendung<br />
zu einer Resistenzproblematik gekommen ist.<br />
Silberionen wirken jedoch auch auf die Hautzellen<br />
im Wundgebiet toxisch. Daher wird an silberhaltige<br />
Reduktion verschiedener Bakterien unter Atrauman Ag nach 24 Stunden. Die Anzahl aller untersuchten<br />
Bakterienstämme wurde um mindesten 4 log10-Stufen verringert (aus: Skin Pharmacol<br />
Physiol <strong>2006</strong>; 19:140-146).<br />
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Abb. 1<br />
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Wundauflagen die Anforderung gestellt, dass sie einerseits<br />
ausreichend Silberionen an die Wunde abgeben,<br />
um Bakterien effektiv abzutöten. Andererseits muss<br />
die Dosis so niedrig wie möglich sein, damit die Zellen<br />
im Wundgebiet nicht geschädigt werden. Vor diesem<br />
Hintergrund wurde von HARTMANN die silberhaltige<br />
Salbenkompresse Atrauman Ag entwickelt. In kürzlich<br />
publizierten klinischen Untersuchungen und Laborversuchen<br />
konnte das vorteilhafte Wirkprofil von geringer<br />
Zytotoxizität und potenter antimikrobieller Wirkung<br />
gezeigt werden.<br />
Zuverlässige antimikrobielle Wirkung bei<br />
geringer Zytotoxizität<br />
Dass Atrauman Ag ein breites Spektrum grampositiver<br />
und -negativer Bakterien zuverlässig abtötet,<br />
konnten In-vitro-Versuche zeigen (Abb. 1). Auch Problemkeime<br />
wie MRSA wurden von der Wundauflage<br />
effektiv eradiziert (Ziegler K, Görl R, Ellermann J, Mappes<br />
M, Otten S, Kapp H, Zoellner P, Spaeth D, Smola<br />
H. Reduced cellular toxicity of a new silver-containing<br />
ointment dressing and clinical performance in nonhealing<br />
wounds. Skin Pharmacol Physiol <strong>2006</strong>;19:140-<br />
146). Dabei setzte die bakterizide Wirkung sehr schnell<br />
ein. Selbst bei einer Ausgangskeimzahl von 10 6 Keimen<br />
pro ml wurde bei S. aureus eine vollständige Abtötung<br />
nach vier, bei Klebsiella pneumoniae sogar schon nach<br />
zwei Stunden erreicht. Dass dabei die bakterizide Wirkung<br />
nicht nur kurzfristig, sondern über einen langen<br />
Zeitraum anhält, konnte in einem weiteren Laborversuch<br />
nachgewiesen werden. Hier tötete Atrauman Ag<br />
sowohl S. aureus als auch K. pneumoniae <strong>–</strong> trotz einer<br />
wiederholten Neubeimpfung des Mediums alle 24<br />
Stunden über einen Zeitraum von neun Tagen und damit<br />
einer andauernd hohen Keimbelastung <strong>–</strong> effektiv<br />
ab (Abb. 2).<br />
Eine effektive bakterizide Wirkung ist jedoch nur<br />
dann klinisch relevant, wenn gleichzeitig eine geringe<br />
Zytotoxizität gewährleistet ist. Dass Atrauman Ag<br />
auch diese Anforderung erfüllt, konnte in Versuchen<br />
mit der humanen Keratinozyten-Zelllinie HaCaT belegt<br />
werden. Verglichen mit zwei weiteren silberhaltigen<br />
Wundauflagen waren bei Atrauman Ag mit Abstand
die geringsten zytotoxischen Effekte auf die Hautzellen<br />
nachweisbar. Die Keratinozyten zeigten unter Atrauman<br />
Ag eine Viabilität von 90 %, wohingegen die<br />
beiden anderen getesteten Wundauflagen niedrigere<br />
Werte von 80 % und 2 % erreichten.<br />
Wie die Autoren der Studie betonen, belegen<br />
diese In-vitro-Versuche das ausgezeichnete Nutzen-<br />
Risiko-Verhältnis von Atrauman Ag. Die silberhaltige<br />
Salbenkompresse gibt einerseits genug Silberionen ab,<br />
um Bakterien schnell und lang andauernd abzutöten.<br />
Andererseits ist jedoch die Konzentration so niedrig<br />
dosiert, dass die Zytotoxizität auf die Zellen im Wundgebiet<br />
sehr gering ist.<br />
Klinische Studie bestätigt Laborergebnisse<br />
Dass die geringen Mengen an freigesetzten Silberionen<br />
den Heilungsprozess chronischer Ulzera zu unterstützen<br />
scheinen, konnte eine große multizentrische<br />
und ambulant durchgeführte Anwendungsbeobachtung<br />
mit 624 Patienten feststellen (Smola H, Zoellner<br />
P, Kapp H. Atrauman Ag in the treatment of chronic<br />
wounds <strong>–</strong> an application study on 624 patients. Akt<br />
Dermatol 2005; 31: 561-565).<br />
Die Studie wurde von 211 niedergelassenen Ärzten<br />
<strong>–</strong> Allgemeinmediziner, Dermatologen, Chirurgen und<br />
Internisten <strong>–</strong> sowie 11 Pflegediensten betreut. Die<br />
Patienten wurden im Durchschnitt 23 Tage lang mit<br />
Atrauman Ag behandelt, wobei pro Patienten drei<br />
Verbandwechsel dokumentiert wurden. Mit 43 % waren<br />
dabei Ulcera cruris venosa die am häufigsten mit<br />
Atrauman Ag behandelten Wundarten, gefolgt von<br />
gemischten Ulzera (12,5 %), Dekubitalulzera (9,8 %),<br />
diabetischem Fußsyndrom (9,1 %), arteriellen Ulzera<br />
(4,5 %) und Wunden anderer Ätiologie (22,3 %). Die<br />
Wunden bestanden im Durchschnitt seit 1,4 Jahren.<br />
Im Verlauf der Anwendungsbeobachtung nahm der<br />
Anteil der Wunden, die stark oder vollständig von Belägen<br />
bedeckt waren, von 35 % auf 3 % ab (Abb. 3A).<br />
Gleichzeitig bildete sich vermehrt Granulations- und<br />
Epithelgewebe (Abb. 3B, 3C). Am Ende der Untersuchung<br />
hatte sich die Zahl der Wunden mit mittlerer,<br />
starker oder vollständiger Epithelisierung von 4,5 %<br />
auf 45 % erhöht. Die Wundgröße verringerte sich von<br />
4,9 x 3,3 cm auf 3,5 x 2,4 cm und der Anteil der Wunden,<br />
bei denen die Ärzte klinische Zeichen einer Infektion<br />
diagnostizierten, fiel von 60 % auf 20 %. Weitere<br />
Parameter, die sich unter der Atrauman Ag-Behandlung<br />
verbesserten, waren der Zustand der Wundumgebung<br />
(Tab. 1), die Menge des Exsudats sowie die<br />
Wundschmerzen.<br />
Nach Abschluss der Studie waren die Ärzte bei mehr<br />
als 90 % der behandelten Patienten der Ansicht, dass<br />
sich der Zustand der Wunden unter Atrauman Ag<br />
verbessert oder sogar deutlich verbessert hatte. Dass<br />
die Wundtherapie mit Atrauman Ag sehr gut oder gut<br />
Langzeiteffizienz<br />
Forschung<br />
Langzeiteffizienz von Atrauman Ag bei Staphylococcus aureus. S. aureus wurde alle 24 Stunden<br />
auf Atrauman Ag an neun aufeinander folgenden Tagen inokuliert. Alle 24 Stunden wurden die lebensfähigen<br />
Bakterien gezählt und Atrauman Ag erneut inokuliert. Atrauman Ag reduzierte in dem<br />
neuntägigen Versuch die Bakterien fast vollständig (aus: Skin Pharmacol Physiol <strong>2006</strong>; 19:140-146).<br />
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verträglich ist, wurde ebenfalls von mehr als 90 %<br />
bestätigt.<br />
Die Autoren kommen in ihrem Fazit zu dem<br />
Schluss, dass dem Anwender mit Atrauman Ag eine<br />
wirksame Wundauflage zur Behandlung infizierter<br />
und infektionsgefährdeter Wunden zur Verfügung<br />
steht, die nicht nur in der Exsudationsphase, sondern<br />
auch phasenübergreifend eingesetzt werden kann.<br />
Gerade therapeutisch nur schwer zu beeinflussende<br />
Wunden profitierten von der Behandlung. Dabei kann<br />
Atrauman Ag mit zahlreichen hydroaktiven wie auch<br />
traditionellen Wundauflagen kombiniert werden. Dies<br />
hat für den Anwender den Vorteil, dass er je nach Zustand<br />
der Wunde den seiner Meinung nach geeigneten<br />
Sekundärverband auswählen oder auch die bislang<br />
eingesetzte Wundauflage weiterverwenden kann, falls<br />
nur vorübergehend eine Behandlung mit Atrauman Ag<br />
indiziert ist.<br />
Zustand der Wundumgebung<br />
vor und nach der Behandlung mit Atrauman Ag<br />
Eingangsuntersuchung<br />
Abschlussuntersuchung<br />
Kein Befund 8,3 % 46,7 %<br />
Ödem 34,5 % 10,1 %<br />
Mazeration 23,9 % 4,3 %<br />
Überwärmung 23,4 % 4,5 %<br />
Ekzem 18,1 % 7,7 %<br />
Hyperkeratose 7,5 % 5,5 %<br />
Rötung 80,8 % 40,7 %<br />
Mehrfachnennungen möglich<br />
(aus: Akt Dermatol 2005; 31: 561-565)<br />
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Tab. 1<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
Abb. 2<br />
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19
Forschung<br />
Verlauf der Wundheilung<br />
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Abb. 4a<br />
Eingangsuntersuchung: Das Ulkus ist<br />
zu 100 % von Belägen bedeckt und infiziert.<br />
Behandlung mit Atrauman Ag und<br />
PermaFoam, begleitend eine Kompressionstherapie.<br />
Abb. 4b<br />
5. Verbandwechsel: Der Anteil der Wundfläche<br />
mit Belägen ist auf 30 % zurückge-<br />
20 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
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Abb. 3<br />
Fallstudie<br />
Ein sehr interessanter Fall, bei dem Atrauman Ag<br />
den Wundheilungsprozess unterstützte, ist die Behandlung<br />
einer 74 Jahre alten Patientin mit einem Ulcus<br />
cruris venosum. Die Patientin litt seit zwei Monaten an<br />
dem Ulkus, das eine Größe von 1,5 x 3,2 cm hatte. Da<br />
die Wunde infiziert war, wurde sie mit desinfizierenden<br />
Bädern behandelt. Als orale Begleitmedikation nahm<br />
4a 4b 4c<br />
A) Anteil der von Belägen bedeckten<br />
Wunden vor und nach<br />
der Behandlung mit Atrauman<br />
Ag (aus: Akt Dermatol 2005;<br />
31: 561-565)<br />
B) Anteil der Wunden mit<br />
Granulationsgewebe bei der<br />
Eingangs- und Abschlussuntersuchung<br />
(aus: Akt Dermatol<br />
2005; 31: 561-565)<br />
C) Anteil der Wunden mit Epithelgewebe<br />
bei der Eingangs-<br />
und Abschlussuntersuchung<br />
(aus: Akt Dermatol 2005; 31:<br />
561-565)<br />
gangen, 70 % des Wundgrundes sind von<br />
Granulationsgewebe bedeckt.<br />
Abb. 4c<br />
Abschlussuntersuchung: 60 % der Wundfläche<br />
sind von Belägen bedeckt, 30 % von<br />
Granulationsgewebe und 10 % von Epithelgewebe.<br />
Umstellung der Wundtherapie auf<br />
ein Hydrogel mit Alginaten kombiniert mit<br />
Grassolind neutral.<br />
die Patientin zur Behandlung ihrer Angina pectoris<br />
Isosorbiddinitrat, Amlodipinmesilat, Azetylsalizylsäure<br />
sowie L-Thyroxin ein. Zur Behandlung ihrer chronisch<br />
venösen Insuffizienz erhielt die Patientin begleitend zur<br />
Wundbehandlung eine Kompressionstherapie.<br />
Der Wundgrund des Ulkus war vor der Behandlung<br />
mit Atrauman Ag zu 100 % von hellen fibrinösen<br />
Belägen bedeckt (Abb. 4a). Granulations- oder Epithelgewebe<br />
hatte sich noch nicht gebildet. Die Wunde<br />
exsudierte vor der Behandlung mit Atrauman Ag<br />
mäßig, die Wundränder waren aufgeworfen und in der<br />
Wundumgebung wurde ein Erythem diagnostiziert. Zudem<br />
klagte die Patientin über gelegentlich auftretende<br />
starke Wundschmerzen.<br />
Die Patientin wurde über einen Zeitraum von fünf<br />
Wochen mit Atrauman Ag behandelt, wobei insgesamt<br />
zehn Verbandwechsel (etwa alle 4-6 Tage) durchgeführt<br />
wurden. Als sekundäre Wundauflage wurde der<br />
Schaumverband PermaFoam eingesetzt.<br />
Behandlungsverlauf<br />
Nach nur zweiwöchiger Wundbehandlung hatte<br />
sich der Wundstatus deutlich verbessert. Der Anteil<br />
der Beläge war auf 30 % zurückgegangen, 70 % des<br />
Wundgrundes waren nun von Granulationsgewebe<br />
bedeckt (Abb. 4b). Das Ulkus exsudierte weiterhin<br />
mäßig, wobei es unter Atrauman Ag zu keinem Sekretstau<br />
gekommen war. Die Infektion war vollständig<br />
abgeklungen. Weitere drei Wochen später waren<br />
60 % der Wundfläche von Belägen bedeckt, 30 % von<br />
Granulationsgewebe und auf 10 % hatte sich ein Epithelgewebe<br />
gebildet (Abb. 4c). Die Wundränder hatten<br />
sich mittlerweile abgeflacht, Verfärbungen der Wunde<br />
konnte der behandelnde Arzt weiterhin nicht beobachten.<br />
Allerdings klagte die Patientin wieder über starke<br />
Schmerzen, nachdem diese in den ersten Wochen<br />
der Therapie zurückgegangen waren. Aufgrund des<br />
deutlich verbesserten Wundstatus entschloss sich der<br />
behandelnde Arzt, die Wundtherapie auf ein Hydrogel<br />
mit Alginaten kombiniert mit Grassolind neutral umzustellen.<br />
Beurteilung durch den Arzt<br />
Der Zustand der Wunde sowie der Wundumgebung<br />
hatte sich nach Angabe des Arztes im Vergleich zur<br />
Eingangsuntersuchung verbessert. Insofern hatten sich<br />
seine Erwartungen an die wundheilungsfördernde Wirkung<br />
erfüllt. Besonders hob der Mediziner hervor, dass<br />
Atrauman Ag einen sehr guten Kontakt zum Wundgrund<br />
hatte, sehr leicht und ohne zu verkleben von der<br />
Wunde entfernt werden konnte, sehr gut von der Patientin<br />
vertragen wurde und insgesamt die Wundauflage<br />
sehr gut zu handhaben war. Die wundreinigende Wirkung<br />
bewertete er als gut. Die Patientin bestätigte die<br />
vom Arzt als gut bewertete Verträglichkeit. �
F. Lang, Kreiskrankenhaus Leonberg<br />
Das intraoperative Dekubitusrisiko<br />
bei Alterspatienten<br />
Einleitung<br />
Die moderne Operations- und Narkosetechnik befindet<br />
sich auf einem hohen medizinischen Niveau,<br />
das es ermöglicht, auch Patienten mit einem außerordentlichen<br />
Operationsrisiko nahezu ohne Einschränkung<br />
zu operieren. So ist es heute selbstverständlich,<br />
beispielsweise Patienten mit einer Schenkelhals- oder<br />
Oberschenkelfraktur bis ins hohe Alter operativ zu<br />
versorgen.<br />
Tatsache ist aber auch, dass Alterspatienten ein erhöhtes<br />
Risiko tragen, intraoperativ einen Dekubitus zu<br />
entwickeln. Zum Teil sind die Risikofaktoren dabei solche,<br />
die auch bei jüngeren Patienten eine Rolle spielen,<br />
zum Teil sind sie jedoch durch altersabhängige Funktionseinbußen<br />
und Erkrankungen bedingt. Nachfolgend<br />
werden einige der altersassoziierten Risikofaktoren<br />
beschrieben. Das Fallbeispiel dazu soll insbesondere<br />
die typische zeitverzögerte Entwicklung eines<br />
intraoperativ erworbenen Gewebeschadens aufzeigen.<br />
Altersassoziierte Risikofaktoren<br />
Physiologische Hautalterung<br />
Unabhängig davon, ob Erkrankungen vorliegen,<br />
stellt bereits die Altershaut an sich ein Dekubitusrisiko<br />
dar. Durch den altersbedingten Schwund an Zell- und<br />
Faserelementen wird die Haut insgesamt dünner, das<br />
Hautbindegewebe verliert an Elastizität. Damit verringert<br />
sich die mechanische Belastbarkeit der Haut,<br />
sodass selbst kurzfristige Druckeinwirkungen zur Dekubitusentwicklung<br />
führen können.<br />
Ein weiterer Punkt ist, dass die altersphysiologischen<br />
Veränderungen auch Auswirkungen auf die Funktion<br />
einzelner Zellen und insbesondere der Merkelzellen<br />
als Druckrezeptoren haben. Die sich in der Epidermis<br />
befindlichen Merkelzellen erhalten die Druckmeldung<br />
nicht mehr oder leiten sie nur verzögert an das Gehirn<br />
weiter. Diese gestörte Reizübermittlung erhöht dann<br />
das Risiko eines Gewebeschadens enorm.<br />
Mangeldurchblutung der Haut<br />
Eine Mangeldurchblutung der Haut bedeutet verminderte<br />
Sauerstoffzufuhr und beeinträchtigte Stoffwechselvorgänge<br />
in den Hautzellen, mit der Folge,<br />
dass sich auch die Drucktoleranz der Haut vermindert.<br />
Mangeldurchblutungen können dabei durch viele Ur-<br />
sachen ausgelöst werden, so z. B. durch hypovolämischen,<br />
kardiogenen oder septischen Schock, niederen<br />
Blutdruck, Dehydration, Herzinsuffizienz, Diabetes<br />
mellitus, Arteriosklerose usw. Insbesondere die vier<br />
letzteren dieser Krankheitsbilder sind im Alter häufiger<br />
anzutreffen als in jüngeren Jahren, sodass sie unbedingt<br />
in das Risikoassessment miteinzubeziehen sind.<br />
Aber auch intraoperativ können zusätzlich kritische<br />
Durchblutungssituationen entstehen. So müssen zum<br />
Beispiel bei Eingriffen im Bereich der Gefäßchirurgie<br />
(Aorta, Biforkationsprothese) die zuführenden Blutgefäße<br />
zumindest für die Dauer der Anastomosennaht<br />
abgeklemmt werden. Dies bedeutet für ein bereits<br />
grenzwertig versorgtes Gewebe eine weitere Belastung<br />
während der Operation. Die Sauerstoffversorgung wird<br />
für die Zeit der Naht noch kritischer. Das schon zuvor<br />
schlecht durchblutete Gewebe toleriert eine solche Unterversorgung<br />
während des operativen Eingriffs kaum<br />
mehr, sodass auch hier Gewebe zugrunde gehen kann.<br />
Vorschädigungen der Haut<br />
Hier sind vor allem die Auswirkungen der Inkontinenz<br />
zu nennen, deren Inzidenz mit zunehmendem<br />
Alter bei Patienten beiderlei Geschlechts ansteigt.<br />
Feuchtigkeit und die aggressiven Zersetzungsprodukte<br />
von Urin und/oder Stuhl reizen und weichen die Haut<br />
auf, die zudem auch bakteriell stark belastet ist. Es<br />
kann zu Mazerationserscheinungen der oberen Hautschichten<br />
kommen, wodurch die Widerstandskraft der<br />
Haut gegen Druck weiter herabgesetzt wird.<br />
Vorschädigungen der Haut entstehen im speziellen<br />
Fall aber auch durch präoperative Maßnahmen. Beispielsweise<br />
wird bei Verletzungen im Oberschenkelbereich<br />
die Extremität bis zur operativen Versorgung<br />
meist in einem Streckverband auf einer Schiene gelagert.<br />
Dies verhindert eine Lagerungsbehandlung zur<br />
Dekubitusprophylaxe bis zur Operation. Der Patient<br />
liegt in dieser Zeit ausschließlich in Rückenlage, wodurch<br />
die Kreuzbeinregion bereits präoperativ extrem<br />
belastet wird.<br />
Mangelernährung<br />
Großen Einfluss auf die Prävention wie auch auf die<br />
Behandlung eines Dekubitus hat die Ernährungssituation<br />
des Betroffenen. Studien zeigen jedoch, dass bis<br />
zu zwei Drittel der in Krankenhäuser aufgenommenen<br />
Kasuistik<br />
Der Autor:<br />
Friedhelm Lang,<br />
Abteilungsleiter Chirurgie,<br />
Allgemeinchirurgische<br />
Klinik, Kreiskrankenhaus<br />
Leonberg,<br />
Rutesheimer Straße 50,<br />
71229 Leonberg<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
21
Kasuistik<br />
22 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
Senioren zwar nicht unbedingt unterernährt, aber<br />
mangelernährt sind. Häufig liegt ein Mangel an Vitaminen,<br />
Magnesium, Eisen und Zink vor. Dies zeigt sich im<br />
Blutbild teilweise an einem niedrigen Hb-Wert, der im<br />
Falle einer Operation noch weiter absinkt.<br />
Intraoperativ auftretende Druck- und Scherkräfte<br />
Es liegt auf der Hand, dass Alterspatienten mit all<br />
ihren alters- oder erkrankungsbedingten Funktionsdefiziten<br />
der Haut ganz besonders empfindlich auf<br />
intraoperativ auftretende Druck- und Scherkräfte<br />
reagieren. Diese sind bei jüngeren Patienten und erst<br />
recht bei älteren und hochbetagten Menschen Risikofaktor<br />
Nr. 1 zur Entwicklung eines Dekubitus. Extreme<br />
Scherkräfte ergeben sich dabei vor allem bei hüftnahen<br />
Operationen.<br />
Allgemein gültige Empfehlungen zur<br />
intraoperativen Dekubitusprävention<br />
Unabhängig vom Alter des Patienten beginnt die<br />
Prophylaxe bereits bei der rechtlich vorgegebenen<br />
Einschätzung des Dekubitusrisikos mittels einer Dekubitus-Risikoskala.<br />
Die Information über das Ergebnis<br />
des Schweregrades der Gefährdung des Patienten<br />
muss unbedingt bei der Übergabe des Patienten in den<br />
OP (Schleuse) erfolgen.<br />
Bei einem festgestellt erhöhten Risiko kann eine<br />
auf die Kreuzbeinregion aufgebrachte Hydrogelplatte<br />
optimalen Schutz vor einer Hautläsion bieten.<br />
Alternativ helfen hier aber auch Hydrokolloid- oder<br />
Weichschaumplatten, die in speziellen Zuschnitten<br />
(Sakrumplatten) angeboten werden, das Risiko eines<br />
Hautschadens zu mindern.<br />
Des Weiteren obliegt es den medizinischen Mitarbeitern,<br />
dafür Sorge zu tragen, dass die ihnen anvertrauten<br />
Patienten während der Operation auf einer<br />
druckmindernden Auflage gelagert werden. Dies ist<br />
mit großzelligen, speziell für den Operationstisch angebotenen<br />
Luftkammerwechseldruckmatratzen möglich.<br />
Insgesamt hat ein guter lokaler Hautschutz zusammen<br />
mit der unerlässlichen Weichlagerung des Patienten<br />
folgende positive Effekte:<br />
� Druckreduzierung, da die OP-Tischauflagen oft sehr<br />
klein und wenig gepolstert sind (Extensionstisch bei<br />
Oberschenkel- oder Schenkelhalsfrakturen),<br />
� weniger Scherkräfte in Rückenlage,<br />
� kein Flüssigkeitskontakt der Haut durch Desinfektionsmittel,<br />
das sich bei unsachgemäßer Mengenanwendung<br />
am tiefsten Punkt (Kreuzbein) sammelt,<br />
� keine Verdunstungskälte des Alkohols im Desinfektionsmittel,<br />
� Vermeidung des Liegens im feuchten Milieu,<br />
� Verteilung des Auflagedrucks auf eine größere Fläche<br />
im relaxierten Zustand,<br />
� bessere Verteilung der Zug- und Scherkräfte,<br />
� Verzögerung des schnellen Auskühlens des Kreuzbeingewebes.<br />
Von Wichtigkeit ist, dass Patienten nach OP-gerechter<br />
Lagerung nochmals im Gesäßbereich angehoben werden.<br />
Die durch Zug- und Scherkräfte überdehnte Haut<br />
kann sich somit entspannen.<br />
Des Weiteren muss während der Operation das<br />
Abstützen des Assistenzpersonals im Beckenbereich<br />
verhindert werden, um so den Auflagedruck des Os<br />
sacrums nicht weiter zu erhöhen.<br />
Der aufgebrachte Hautschutz durch Hydrogel-,<br />
Hydrokolloid- oder Weichschaumplatten sollte nach<br />
der Operation noch ein bis zwei Tage belassen werden.<br />
Dadurch kann das Dekubitusrisiko des Patienten nach<br />
dem Eingriff weiter minimiert werden, da sehr häufig<br />
die Rückenlage bevorzugt wird. Zu Beginn der Mobilisierungsphase<br />
können die Schutzplatten dann entfernt<br />
werden, da das Risiko einer Hautläsion deutlich sinkt.<br />
Die Seitenlage wird in dieser Zeit von den Patienten<br />
zunehmend toleriert.<br />
Der intraoperative Gewebeschaden<br />
Die Mangelversorgung des Gewebes während der<br />
Operation zeigt sich nicht sofort nach dem operativen<br />
Eingriff. Erst nach zwei bis fünf Tagen kann zu Beginn<br />
eine livide, teils weißliche Verfärbung der Kreuzbeinregion<br />
dokumentiert werden. Der irreversible Gewebeschaden<br />
ist zu dieser Zeit bereits eingetreten. Die Cutis<br />
ist zu dieser Zeit noch intakt. Das avitale Gewebe befindet<br />
sich in den tieferen Gewebeschichten. Sehr häufig<br />
ist hier die Sehnenplatte am Os sacrum durch den<br />
Lagerungsschaden dauerhaft geschädigt. Über Tage<br />
hinweg vergrößert sich dann das Hautareal, welches<br />
sich dunkellivide verfärbt. Das Ausmaß des entstandenen<br />
Gewebeschadens wird somit erst nach fünf bis acht<br />
Tagen sichtbar. Der jetzt erkennbare Gewebeuntergang<br />
ist daher nicht als Pflegefehler, wie fälschlicherweise<br />
oft behauptet, sondern als ein intraoperatives<br />
Lagerungsproblem zu werten. Eine Weichlagerung mit<br />
Lagerungsbehandlung nach Plan kann postoperativ<br />
nur noch weiteren Schaden verhindern.<br />
Eine exakte Dokumentation sowohl schriftlich als<br />
auch fotografisch ist aus forensischen Gründen unerlässlich.<br />
Patienten, die einen Gewebeschaden erlitten<br />
haben, durchleiden immense Schmerzen. Dies muss<br />
beim Schmerzmanagement vorrangig mitberücksichtigt<br />
werden.<br />
Resümee<br />
Die Bereitstellung und Anwendung effektiver<br />
Prophylaxemittel ist wesentlich wirtschaftlicher als<br />
ein verlängerter Krankenhausaufenthalt des Patienten<br />
wegen eines Dekubitus durch eine falsche Lagerung<br />
auf dem OP-Tisch, ganz abgesehen von einem Regressanspruch<br />
des Patienten oder der Kostenträger. Auch ist
der Imageschaden für die Klinik bei wiederkehrenden<br />
Dekubiti nicht zu unterschätzen.<br />
Fallbeispiel<br />
Dekubitus am Kreuzbein nach operativer Versorgung<br />
einer Oberschenkelfraktur<br />
Anamnese<br />
81-jährige Patientin, Z. n. Mamma-Ca., Erstdiagnose<br />
1997, brusterhaltend operiert.<br />
Die Patientin berichtet, dass sie vor ca. 8 Wochen<br />
auf die rechte Körperseite gestürzt ist. Danach war sie<br />
noch mobil. Ca. 8 Tage vor der stationären Aufnahme<br />
kam es zu einer plötzlichen Schmerzzunahme mit akuter<br />
Gehunfähigkeit. Des Weiteren berichtet die Patientin<br />
über einen deutlichen Leistungsabfall in den letzten<br />
Monaten sowie eine Gewichtsabnahme von ca. 15 kg.<br />
Sie fühlte sich schlapp und müde, mit ausgeprägten<br />
Schmerzen im Bereich der Schultern und des Beckens.<br />
Bei der stationären Aufnahme ist die Beweglichkeit des<br />
rechten Hüftgelenks schmerzbedingt komplett aufgehoben.<br />
Es kann ein ausgeprägter Leistendruckschmerz<br />
ausgelöst werden. Es besteht keine Dislokation des<br />
rechten Beines. Periphere Durchblutung, Motorik und<br />
Sensibilität sind intakt.<br />
In den Röntgenaufnahmen, Beckenübersicht sowie<br />
rechte Hüfte a. p., zeigt sich zum einen eine pathologische<br />
Schenkelhalsfraktur rechts sowie eine pathologische<br />
Fraktur des oberen und unteren Schambeinastes.<br />
Des Weiteren ist das gesamte Beckenskelett,<br />
einschließlich der Hüftgelenke, Schenkelhälse und proximaler<br />
Femur von disseminierten gemischtförmigen<br />
osteolytisch-osteoplastischen Metastasen durchsetzt.<br />
Im Röntgenthorax zeigt sich eine ausgedehnte disseminierte<br />
gemischtförmige Metastasierung im Bereich<br />
der rechten Scapula einschließlich der Schulterpfanne<br />
sowie der Clavicula und multipler Rippen beidseits.<br />
Therapie und Verlauf<br />
Nach präoperativer Vorbereitung erfolgte die<br />
Implantation einer vollzementierten Hüft-Totalendoprothese<br />
rechts. Nach Entfernung der Redondrainage<br />
konnte postoperativ mit einer intensiven krankengymnastischen<br />
Übungsbehandlung und Mobilisation<br />
der Patientin unter ansteigender Belastung begonnen<br />
werden. Dies gestaltete sich aufgrund des deutlich<br />
reduzierten Allgemeinzustandes der Patientin äußerst<br />
schwierig. Es bildete sich trotz konsequenter Lagerungstherapie<br />
ein Dekubitus der Kreuzbeingegend<br />
mit einer Nekrosezone von über 4 cm im Durchmesser.<br />
Die Nekrose wurde in Narkose exzidiert und mit einer<br />
Calciumalginat-Tamponade (Sorbalgon) versorgt. Die<br />
Verbandwechsel mit Calciumalginat-Kompressen in<br />
Kombination mit Polyhexanid wurden anfänglich<br />
täglich durchgeführt. Darunter zeigten sich reizlose<br />
1 2<br />
3 4<br />
5 6<br />
Abb. 1<br />
48 Stunden nach der Operation ist im<br />
Kreuzbeinbereich eine livide Verfärbung zu<br />
erkennen, die mit weißlichen Arealen durchsetzt<br />
ist.<br />
Abb. 2<br />
4 Tage nach OP sind trotz konsequenter<br />
Lagerung aus den weißen Bezirken Nekroseareale<br />
entstanden.<br />
Abb. 3<br />
Ein Teil der geschädigten Haut erholt sich<br />
nur langsam.<br />
Wundverhältnisse sowie eine allmähliche Abheilung.<br />
Die Lagerung erfolgte weiterhin konsequent nach<br />
Lagerungsplan, unter Ausschluss jeglicher Belastung<br />
der Kreuzbeingegend.<br />
Auf der Suche nach dem Primärtumor wurden<br />
weitere diagnostische Maßnahmen durchgeführt.<br />
Die Tumormarker CEA, CA 15/3 sowie CA 19/9 waren<br />
allesamt deutlich erhöht, auch die histologische Untersuchung<br />
des bei der Operation entfernten Hüftkopfes<br />
zeigte metastatisches Tumorgewebe eines teils soliden,<br />
teils adenoid-strukturierten und relativ stromareichen<br />
Karzinoms, sodass als Primärtumor in erster Linie das<br />
bereits 1997 diagnostizierte Mamma-Ca. in Frage<br />
kam. Eine erneut durchgeführte Mammographie beidseits<br />
ergab bei Z. n. BET rechts keinen Anhalt für ein<br />
Lokalrezidiv. �<br />
Kasuistik<br />
Abb. 4<br />
Nach chirurgischem Débridement zeigt<br />
sich der komplette Gewebsuntergang, die<br />
Nekrosen werden bis zum Übergang ins<br />
vitale Gewebe exzidiert.<br />
Abb. 5<br />
Restbeläge werden schmerzfrei beim Verbandwechsel<br />
entfernt.<br />
Abb. 6<br />
28 Tage nach Erstoperation zeigt sich gesundes<br />
Granulationsgewebe. In diesem<br />
Wundstadium wird die Patientin in die Kurzzeitpflege<br />
übergeleitet.<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
23
Kasuistik<br />
Der Autor:<br />
Frans Meuleneire,<br />
Wondcentrum,<br />
AZ St. Elisabeth,<br />
Godveerdegemstraat 69,<br />
9620 Zottegem,<br />
Belgien<br />
1 2<br />
3 4<br />
Abb. 1-4<br />
Das Austamponieren von Dekubituskavitäten<br />
mit in Antiseptika getränkten Gazestreifen<br />
(Abb. 1) gewährleistet nicht immer eine<br />
ausreichende Reinigung, sodass alternativ<br />
ein schnelles und gründliches Débridement<br />
mit dem Wundkissen TenderWet active<br />
24 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
F. Meuleneire, Wundzentrum St. Elisabeth, Zottegem, Belgien<br />
Versorgung eines kavitären Dekubitus<br />
mit TenderWet active cavity<br />
Dekubiti weisen häufig tiefe, schwer zu reinigende Wundhöhlen auf, die äußerlich<br />
durch eher kleine Hautdefekte kaum zu erkennen sind. Mit TenderWet active cavity<br />
kann jedoch auch in diesem Fall eine effiziente Reinigung erzielt werden.<br />
Problemstellung<br />
Vor allem bei Dekubiti im Sakralbereich oder über<br />
den Trochantern findet man nicht selten die Situation<br />
vor, dass nur ein relativ kleiner Hautdefekt sichtbar<br />
ist. Eine gründliche Untersuchung der Wunde offenbart<br />
dann aber, dass der sichtbare Teil des Dekubitus<br />
sprichwörtlich die „Spitze des Eisberges“ ist. Die Wunde<br />
ist meistens tief unterminiert und stellt eine Kavität<br />
dar, in der sich nekrotisches und fibrinöses Gewebe<br />
angesammelt hat. Solange aber die Wunde bis in ihre<br />
Tiefen nicht sauber und von Nekrosen frei ist, kann sie<br />
nur sehr langsam oder überhaupt nicht granulieren.<br />
Um nun solch schwer zugängliche Wunden zu reinigen,<br />
ist es gängige Praxis, einen mit Povidon-Jod-Lösung<br />
getränkten Gazestreifen in die Wundhöhle einzutamponieren<br />
(Abb. 1). Das Einbringen der Gazestreifen<br />
ist jedoch oft nicht einfach. Vor allem ist es schwierig,<br />
cavity in Erwägung gezogen werden sollte<br />
(Abb. 2-4). Selbstverständlich muss die<br />
lokale Wundbehandlung konsequent durch<br />
druckentlastende Maßnahmen gestützt<br />
werden, beispielsweise durch Lagern des<br />
Patienten auf Antidekubitusmatratzen bzw.<br />
durch regelmäßiges Umlagern.<br />
exakt abzuschätzen, wie tief und wie groß die Wundhöhle<br />
ist und ob auch alle Wundbereiche sicher<br />
austamponiert sind. Zudem ist die Saugkapazität des<br />
Gazestreifens durch das Tränken mit Povidon-Jod-<br />
Lösung von vorneherein begrenzt, sodass sich die<br />
Effizienz der Reinigungswirkung einer solchen Gazetamponade<br />
schlecht evaluieren lässt.<br />
Lösung mithilfe von TenderWet active cavity<br />
Bei dem vorliegenden kavitären Dekubitus sind<br />
wir folgendermaßen vorgegangen: Durch Palpation<br />
mit dem Finger (Abb. 2) konnten wir die Größe der<br />
Wundhöhle relativ genau feststellen, die wir mit einem<br />
Filzstift außen auf der Haut markierten. Anhand der<br />
Markierung bestimmten wir die erforderliche Größe<br />
des Wundkissens TenderWet active cavity (Abb. 3), das<br />
über ein einmaliges Saug-Spülprinzip mit einer hohen<br />
Reinigungswirkung verfügt. Dabei war TenderWet<br />
selbst bei der schmalen Wundöffnung gut einzubringen<br />
(Abb. 4). So konnten wir mit dieser Methode die<br />
Wunde nicht nur sehr schnell versorgen (im Vergleich<br />
zum zeitaufwendigen Eintamponieren von Gazestreifen),<br />
sondern erzielten in kurzer Zeit auch ein gutes<br />
autolytisches Débridement der Wundhöhle.<br />
Diskussion<br />
Herkömmliche Behandlungsmethoden wie das Eintamponieren<br />
von in Antiseptika getränkten Gazestreifen<br />
sind noch weit verbreitet. Wenn möglich, sollten<br />
jedoch Methoden gewählt werden, die den modernen<br />
Grundsätzen der Wundversorgung entsprechen und<br />
ein schnelles und gründliches autolytisches Débridement<br />
sichern. Denn nur dadurch können das Infektionsrisiko<br />
vermindert und die Wundheilung mit Bildung<br />
von Granulationsgewebe stimuliert werden.<br />
Die Saug-Spülkompresse TenderWet active cavity<br />
erfüllt diese Anforderungen und ist zudem einfach zu<br />
handhaben. Die Kompresse bleibt in der Wundkavität<br />
gut in Position und kann beim Verbandwechsel problemlos<br />
und schmerzlos entfernt werden. Wenn die<br />
Granulation in der Wundhöhle gut fortschreitet und die<br />
Kavität zu klein wird, kann eventuell zu einem Calciumalginat-Verband<br />
(Sorbalgon) gewechselt werden. �
F. Lang, Kreiskrankenhaus Leonberg, H. Röthel, CMC Medical Information, Heidenheim<br />
Die korrekte Auswahl von Wundauflagen:<br />
Grundlage des Therapieerfolgs<br />
Eine Wunde, egal welcher Genese, ist für den betroffenen Patienten eine Erkrankung,<br />
bei der er Anspruch auf eine sachgerechte Therapie hat, die eine Heilung<br />
impliziert. Im Gesamtkonzept der Wundbehandlung stellt dabei der Wundverband<br />
eine entscheidende Therapiemaßnahme dar, deren Erfolg von indikationsgerecht<br />
ausgewählten und angewandten Wundauflagen mitbestimmt wird.<br />
Einleitung<br />
Für die lokale Wundbehandlung steht heute eine<br />
Vielzahl traditioneller und moderner Wundauflagen<br />
mit den unterschiedlichsten Wirkungsprinzipien zur<br />
Verfügung, mit denen die Wundheilung gezielt beeinflusst<br />
und gefördert werden kann. In der Praxis ist es<br />
aber gerade dieses breite, differenzierte Angebot, das<br />
nicht selten als zu unübersichtlich und zu kompliziert<br />
in der Anwendung bewertet wird. Eine dem aktuellen<br />
medizinischen Standard entsprechende Wundbehandlung<br />
mithilfe moderner Wundauflagen hat dann keine<br />
Chance.<br />
Es soll deshalb aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten<br />
in der Nutzung dieser Vielfalt liegen. Denn<br />
sie ist letztlich die Voraussetzung dafür, dass in jedem<br />
individuellen Behandlungsfall problemorientiert und<br />
effizient und damit auch wirtschaftlich therapiert<br />
werden kann. Die Nutzung der Vielfalt bedeutet dabei<br />
aber keineswegs, dass alle verfügbaren Wundauflagen<br />
und -systeme bereitgehalten werden müssen. Vielmehr<br />
kann sich der Wundtherapeut aus den vorhandenen<br />
Alternativen sein spezielles Wundauflagensortiment<br />
zusammenstellen, mit dem er am besten die Wunden<br />
behandeln kann, die in seiner Praxis am häufigsten<br />
vorkommen.<br />
Hilfreich bei dem Vorhaben, das breite Angebot<br />
an modernen Wundauflagen für sich nach den<br />
eigenen Praxisgegebenheiten zu strukturieren, ist<br />
Basiswissen zu den therapeutischen Aufgaben des<br />
Wundverbandes, seiner indikationsgerechten Anwendung<br />
sowie seinen materialbedingten Eigenschaften.<br />
Die Themenbereiche werden hier kurz dargestellt.<br />
Therapeutische Aufgaben des Wundverbandes<br />
Je nach ihrer Entstehung heilen Wunden primär<br />
oder sekundär. Die primär heilende Wunde stellt dabei<br />
wenige Anforderungen an die therapeutische Wirkung<br />
eines Wundverbandes. Sie ist durch Naht geschlossen,<br />
und die Heilung läuft geschützt, quasi im Verborgenen<br />
ab. Dem Wundverband verbleiben die Aufgaben, eventuelle<br />
Sickerblutungen aufzunehmen und die Wunde<br />
vor mechanischer Irritation und Sekundärinfektionen<br />
zu schützen, da die Naht immer noch eine Eintrittsstelle<br />
für Keime darstellt.<br />
Ganz anders sieht es hingegen bei der Sekundärheilung<br />
aus. Hier muss Granulationsgewebe zur<br />
Defektauffüllung aufgebaut werden, das dann auch die<br />
Matrix für eine Spontanepithelisierung oder eine plastisch-chirurgische<br />
Deckung durch Lappenplastiken<br />
oder Spalthaut darstellt. Damit sich aber Granulationsgewebe<br />
entwickeln kann, muss die Wunde erst einmal<br />
sauber, infektfrei und gut durchblutet sein. Alle diese<br />
Vorgänge laufen dabei „offen“ ab und sind von vielen<br />
endogenen und externen Faktoren beeinflusst, sodass<br />
hier die therapeutischen Wirkungen eines Wundverbandes<br />
dringend benötigt werden.<br />
Grundsätzlich können dabei bereits die Schutzfunktionen<br />
des Wundverbandes als therapeutisch angesehen<br />
werden. Denn der Verband übernimmt bei der<br />
„offenen“ Sekundärheilung interimsweise, bis die<br />
Wunde abgeheilt ist bzw. gedeckt wurde, wesentliche<br />
Aufgaben der intakten Haut. Wird dieser Schutz nicht<br />
gewährleistet, kann sich die Heilung erheblich verzögern.<br />
Ebenso lässt auch das kosmetische Ergebnis<br />
meist zu wünschen übrig. Die Aufgaben bestehen im<br />
� Schutz vor mechanischer Irritation (Druck, Stoß,<br />
Scheuern) und vor Verschmutzung,<br />
� Schutz vor Sekundärinfektionen,<br />
� Schutz vor Austrocknung und Verlust von Körperflüssigkeiten<br />
(Elektrolytverlusten) sowie<br />
� Schutz vor Wärmeverlusten.<br />
Über den umfassenden Wundschutz hinaus kann der<br />
Wundverband aber auch aktiv das Heilungsgeschehen<br />
beeinflussen durch die Reinigung der Wunde, die<br />
Schaffung eines wundheilungsfördernden Mikroklimas<br />
und den Erhalt der Wundruhe.<br />
Praxiswissen<br />
Für die Autoren:<br />
Hildegard Röthel,<br />
CMC Medical Information,<br />
Weberstraße 8,<br />
89522 Heidenheim,<br />
h.roethel@cmc-online.de<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
25
Praxiswissen<br />
26 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
Aufgaben in der Reinigungsphase<br />
In jeder Wunde sammelt sich zunächst Exsudat, das<br />
mit Detritus (Zelltrümmern), Schmutz, Bakterien und<br />
deren toxischen Stoffwechselprodukten durchsetzt<br />
ist. Bleiben größere Exsudatmengen auf der Wunde<br />
stehen, wird der Fortgang der Heilung sowohl mechanisch<br />
als auch biologisch behindert, die Infektionsgefahr<br />
wächst. Wenn Okklusiv-Verbände angewendet<br />
werden, besteht zudem die Gefahr der Ausbildung so<br />
genannter feuchter Kammern. Überschüssiges, keimbelastetes<br />
Exsudat muss deshalb abgesaugt werden.<br />
Des Weiteren lassen sich aber auch mit feuchten<br />
Wundverbänden Nekrosen und Beläge aufweichen<br />
und leichter ablösen.<br />
Insgesamt beschleunigt und unterstützt der Wundverband<br />
damit die Säuberung der Wunde, was das<br />
Aufgaben und Funktionen von Wundauflagen Tab. 1<br />
Das braucht die Wunde Das muss die Wundauflage leisten<br />
Reinigungsphase<br />
„Saubere“ Wundverhältnisse als wichtigste<br />
Voraussetzung zum nachfolgenden Gewebeaufbau;<br />
nekrotisches Gewebe, Detritus,<br />
Fremdkörper und Bakterien erhöhen die Infektionsgefahr<br />
und verzögern das Einwandern<br />
von Fibroblasten sowie die Entwicklung von<br />
Kapillaren<br />
Granulations- und Epithelisierungsphase<br />
Eine gute Mikrozirkulation mit anhaltender<br />
physiologischer Sekretion, damit die für die<br />
Heilung wichtigen Zellen und Substanzen in<br />
das Wundgebiet gelangen können<br />
Ein ausgewogen feuchtes Wundmilieu für den<br />
ungestörten Ablauf der zellulären Vorgänge,<br />
sowohl zu viel Feuchtigkeit als auch zu trockene<br />
oder gar ausgetrocknete Wundverhältnisse<br />
behindern die Heilung<br />
Ein gutes Mikroklima mit Wundtemperaturen<br />
nahe der Kerntemperatur des Körpers zur Förderung<br />
der mitotischen Aktivitäten<br />
Von Fall zu Fall, z. B. bei chronischen Wunden<br />
mit schlechter Heilungstendenz, einen reduzierten<br />
Sauerstoffpartialdruck sowie einen<br />
pH-Wert im sauren Bereich zur Stimulierung<br />
von Proliferationszellen, insbesondere von<br />
Fibroblasten<br />
Allgemeine Bedürfnisse<br />
Absaugen von überschüssigem, mit Detritus,<br />
Fremdkörpern, Keimen und toxischen Stoffwechselprodukten<br />
belasteten Exsudats; unterstützt<br />
dadurch die körpereigenen Reinigungsmechanismen;<br />
dient der Infektionsbekämpfung<br />
und im Hinblick auf fakultativ pathogene<br />
Keime der Infektionsprophylaxe<br />
Anregen der physiologischen Sekretion durch<br />
die osmotischen Effekte ihrer Saug- und Sogwirkung<br />
Ausbalancieren der Feuchtigkeit durch kontinuierliches<br />
Absaugen überschüssiger Sekrete<br />
und Abgabe überschüssiger Feuchtigkeit<br />
als Wasserdampf an die Umgebung; bei zu<br />
trockenen Wundverhältnissen ist der Wunde<br />
durch feuchte Verbandbehandlung die erforderliche<br />
Feuchtigkeit zuzuführen<br />
Fördern des idealen Mikroklimas durch ihre<br />
wärmeisolierenden Fähigkeiten in Verbindung<br />
mit der Luft- und Wasserdampfdurchlässigkeit<br />
Herstellen eines semiokklusiven bzw. okklusiven<br />
Wundabschlusses durch speziell ausgebildete<br />
keim- und wasserdichte Deckschichten<br />
Schutz vor Sekundärinfektionen Undurchlässig für Mikroorganismen sein<br />
Schutz vor biochemischen Irritationen Chemisch reizlos und biologisch unbedenklich<br />
sein und sich inert gegenüber anderen Substanzen<br />
verhalten<br />
Schutz vor Traumatisierung des jungen<br />
Gewebes beim Verbandwechel<br />
Atraumatisch, d. h. wundfreundlich sein;<br />
kein Verkleben mit der Wunde<br />
autolytische Débridement wesentlich fördert, dient im<br />
Hinblick auf vorhandene pathogene Keime der Infektionsprophylaxe<br />
und schützt zugleich vor neuerlicher<br />
Kontamination.<br />
Aufgaben in der Granulationsphase<br />
Neben einer funktionierenden Mikrozirkulation ist<br />
ein ausgewogen feuchtes Wundmilieu eine weitere<br />
wichtige Voraussetzung zum Aufbau von Granulationsgewebe.<br />
Dagegen wird die Heilung sowohl durch ein<br />
Austrocknen als auch durch überschüssiges Sekret in<br />
ihrem Ablauf gestört.<br />
Eine entsprechende Regulierung des Exsudats ist<br />
dabei nur durch den Wundverband möglich: Er saugt<br />
überschüssiges Exsudat ab, verhindert das Austrocknen<br />
der Wunde und führt ihr bei Bedarf auch dosiert<br />
Feuchtigkeit zu. Selbstverständlich müssen die dazu<br />
eingesetzten Wundauflagen über spezifische physikalische<br />
Eigenschaften verfügen, wenn sie diesen Aufgaben<br />
gerecht werden wollen. Hierbei bewähren sich vor<br />
allem die verschiedenen so genannten hydroaktiven<br />
Wundauflagen.<br />
Bedeutsam in dieser Phase ist auch der Schutz des<br />
Granulationsgewebes vor jeglicher Traumatisierung.<br />
Durch das eiweißreiche Sekret und die hohe Anzahl<br />
feinster Haarkapillaren neigt es vor allem außerordentlich<br />
zum Verkleben, weshalb die Wundauflage über<br />
atraumatische Eigenschaften verfügen muss, d. h. sie<br />
darf nicht mit der Wunde verkleben. Andernfalls wird<br />
bei jedem Verbandwechsel das Granulationsgewebe<br />
durch das so genannte Zellstripping geschädigt, das<br />
bedeutet, dass frisch gebildete Zellen mit dem Verband<br />
abgerissen werden. Dies wirft die Wunde in ihrem<br />
Heilungsprozess zumindest teilweise zurück und verursacht<br />
neue Entzündungen.<br />
Darüber hinaus hat der Wundverband weiterhin<br />
die Funktion, für einen sicheren Infektionsschutz zu<br />
sorgen, wenngleich die Infektionsgefährdung proportional<br />
zu einem gut ausgebildeten Granulationsgewebe<br />
abnimmt.<br />
Aufgaben in der Epithelisierungsphase<br />
Eine feuchte, gut durchblutete Granulation etwa<br />
bis auf Wundrandhöhe ist die Vorbedingung für die<br />
abschließende Epithelisierung. Der Wundverband<br />
muss die Wunde deshalb weiterhin in ausgewogenem<br />
Maße feucht halten. Bleibt überschüssiges Sekret auf<br />
der Wunde stehen, schwimmen die Epithelzellen auf.<br />
Ist die Wunde zu trocken, bildet sich Schorf, der die<br />
Reepithelisierung beeinträchtigt, weil die Epithelzellen<br />
unter den Schorf kriechen müssen, was Zeit und<br />
Energie erfordert. Es werden also auch in dieser Phase<br />
wieder Wundauflagen benötigt, die die Wundfläche<br />
vor dem Austrocknen und die Epithelzellen vor dem<br />
Zellstripping beim Verbandwechsel schützen.
Problemfall chronische Wunde<br />
Der geschilderte zeitgerechte Ablauf bei der Sekundärheilung<br />
findet bei chronischen Wunden jedoch eher<br />
selten statt. Vor allem wenn chronische Wunden schon<br />
monate- und gar nicht so selten jahrelang bestehen,<br />
ist es auch für den erfahrenen Wundtherapeuten nicht<br />
immer einfach, das Stadium der Wundheilung richtig<br />
einzuschätzen. Denn zumeist finden sich in der chronischen<br />
Wunde alle Zustände gleichzeitig: nekrotisches<br />
Gewebe, Fibrinbeläge, Inseln mit frischem Granulationsgewebe<br />
und spärlich Epithel an den häufig eingezogenen<br />
Wundrändern. Dann stellt sich natürlich die<br />
Frage, welche Wundauflage jetzt geeignet ist, um hier<br />
die Wundheilung voranzubringen.<br />
Fünf wichtige Fragen zum Wundzustand<br />
helfen weiter<br />
Die Behandlung chronischer Wunden besteht praktisch<br />
aus zwei Teilen: Zunächst einmal müssen die<br />
Ursachen behandelt werden, die zur Entstehung der<br />
chronischen Wunde geführt haben. So ist zum Beispiel<br />
bei venösen Ulzera vorrangig durch eine Kompressionstherapie<br />
die venöse Rückflussstörung zu beheben<br />
oder weitestgehend zu kompensieren. Dies wird als<br />
Kausaltherapie bezeichnet. Die Entstehungsursache<br />
und die Art der chronischen Wunde spielen jedoch bei<br />
der Auswahl des Wundverbandes keine Rolle.<br />
Der zweite Teil der Wundbehandlung beschäftigt<br />
sich lokal mit der Abheilung der Wunde. Welche<br />
Maßnahmen und welche Wundverbände dabei zur<br />
Anwendung kommen, ist ausschließlich vom erkennbaren<br />
äußeren Zustand der Wunde abhängig. Und<br />
selbst wenn es nicht möglich ist, das Stadium, in dem<br />
sich die Wundheilung befindet, sicher zu identifizieren,<br />
ist es mithilfe einer guten Wundeinschätzung nicht so<br />
schwierig, den Wundverband auszuwählen, der im<br />
vorliegenden Fall den größten therapeutischen Nutzen<br />
bringt. Es ist zumeist ausreichend, fünf Kriterien zum<br />
Wundzustand abzufragen, um die „korrekte“ Wundauflage<br />
zu finden.<br />
Ist die Wunde flächig oder tief und zerklüftet?<br />
Jede Wundauflage <strong>–</strong> unabhängig vom Material und<br />
der spezifischen Wirkungsweise <strong>–</strong> muss so appliziert<br />
werden, dass sie engen Kontakt zum Wundgrund hat.<br />
Denn nur dann ist sie in der Lage, keimbelastetes Exsudat<br />
aufzusaugen bzw. nekrotische und fibrinöse Beläge<br />
aufzuweichen und abzulösen.<br />
Für die Versorgung flächiger Wunden, zum Beispiel<br />
von Wunden mit nur wenigen Millimetern Wundtiefe<br />
(Schädigungen von Epidermis einschließlich der Dermis),<br />
epithelisierende Wunden oder durch Primärnaht<br />
verschlossene Wunden, eignen sich somit alle kompressenförmigen,<br />
flächigen Wundauflagen (Abb. 1/2).<br />
Tamponierfähige Materialien sind nicht erforderlich.<br />
1 2<br />
3<br />
Abb. 1<br />
Behandlung eines flächigen Ulcus cruris<br />
mit TenderWet. Die Kompressen sind leicht<br />
überlappend appliziert.<br />
Abb. 2<br />
Der Hydrogel-Verband Hydrosorb kann nur<br />
bei flächigen Wunden angewandt werden,<br />
Anders bei tiefen Wunden, die Muskelgewebe mitbetreffen,<br />
stark zerklüftet sind oder tiefe Wundhöhlen<br />
aufweisen. Um hier den notwendigen Kontakt zum<br />
Wundgrund auch in tiefen Wundbereichen zu sichern,<br />
müssen die Wundauflagen tamponierfähig sein. Da<br />
aber über die Tamponierfähigkeit hinaus auch noch<br />
andere Eigenschaften für eine effiziente Reinigung<br />
gebraucht werden, stehen tamponierfähige Wundauflagen<br />
aus unterschiedlich wirkenden Materialien zur<br />
Verfügung. Optionen aus dem HARTMANN-Sortiment<br />
sind zum Beispiel die Calciumalginat-Kompresse Sorbalgon<br />
(Abb. 3/4), das Wundkissen TenderWet active<br />
cavity oder der Schaumverband PermaFoam cavity.<br />
Wie stark sezerniert die Wunde?<br />
In der Regel ist das Ausmaß der Exsudation abhängig<br />
von der dominierenden Wundheilungsphase: Sie ist<br />
zumeist am stärksten in der Reinigungsphase, geht in<br />
der Granulationsphase in eine physiologische Sekretion<br />
über und kommt in der Epithelisierungsphase nahezu<br />
zum Stillstand. Die Exsudatmenge zu regulieren sowie<br />
die Feuchtigkeit in der Wunde in einem ausgewogenen<br />
Niveau zu halten, ist dabei nur mithilfe geeigneter<br />
Wundauflagen möglich.<br />
Damit Wundauflagen im Einzelfall aber auch ein<br />
effizientes Exsudatmanagement ermöglichen, stehen<br />
sie in Konstruktionen mit unterschiedlich definiertem<br />
4<br />
Praxiswissen<br />
lässt sich aber an konischen Körperteilen für<br />
einen guten Sitz entsprechend einschneiden.<br />
Abb. 3/4<br />
Die Calciumalginat-Kompresse Sorbalgon<br />
verfügt über die besten Tamponiereigenschaften<br />
und gewährleistet eine absolut<br />
gewebeschonende Tamponade.<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
27
Praxiswissen<br />
5a 5b<br />
5c<br />
Abb. 5a-d<br />
Die schnelle und effiziente Reinigung von<br />
TenderWet bewährte sich bei dieser dehiszenten<br />
medialen Abdominalwunde. Beginn<br />
der Behandlung (5b) mit Verbandwechseln<br />
28 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
5d<br />
alle 12 Stunden. Bereits zwei Tage später<br />
(5c) zeigte sich eine deutliche Reduzierung<br />
der Beläge. Zustand der Wunde nach 20<br />
Tagen mit transplantationsfähigem Granulationsgewebe<br />
(5d). Kasuistik: M. Butcher<br />
Saugvermögen zur Verfügung. Beispielsweise kann<br />
eine Wundauflage in kurzer Zeit sehr viel Exsudat<br />
aufnehmen, ist dann aber auch schneller gesättigt und<br />
muss in kürzerer Zeit gewechselt werden. Ein anderer<br />
Wundauflagentyp saugt langsam an, nimmt dann aber<br />
kontinuierlich Exsudat auf und kann dadurch länger<br />
auf der Wunde verbleiben, sodass weniger Verbandwechsel<br />
erforderlich sind. Oder aber die Wundauflage<br />
ist so gestaltet, dass sie der austrocknungsgefährdeten<br />
Wunde Feuchtigkeit zuführen kann. Über welches<br />
Saugvermögen bzw. welche Saugkapazität eine Wundauflage<br />
verfügt, wird vom Hersteller exakt deklariert.<br />
Optionen aus dem HARTMANN-Sortiment sind für<br />
� sehr stark sezernierende Wunden: Zetuvit, Sorbalgon<br />
(ist auch zur Blutstillung nach Exzisionen bzw. nach<br />
einem chirurgischen Débridement geeignet), Tender-<br />
Wet<br />
� stark bis mäßig sezernierende Wunden: Sorbalgon,<br />
TenderWet, PermaFoam, Hydrocoll<br />
� austrocknungsgefährdete Wunden: Hydrosorb<br />
Wie groß ist der Anteil an Nekrosen und/oder<br />
Fibrinbelägen?<br />
Alles nekrotische und fibrinöse Gewebe muss so<br />
rasch wie möglich aus der Wunde entfernt werden.<br />
Wenn immer möglich, sollte die Abtragung von Nekrosen<br />
durch ein chirurgisches bzw. scharfes Débridement<br />
erfolgen. Ist jedoch ein chirurgisches Débridement<br />
aufgrund spezifischer Situationen nicht möglich<br />
(z. B. Verweigerung des Patienten, Multimorbidität<br />
mit schlechtem Allgemeinzustand, Marcumar- bzw.<br />
Heparintherapie usw.), ist die Nekrosenaufweichung<br />
und Ablösung mithilfe der feuchten Wundbehandlung<br />
die gegebene Alternative. Feuchte Wundverbände sind<br />
oft auch zusätzlich zum chirurgischen Débridement zur<br />
Ablösung restlicher Nekrosen bzw. zur Fortführung der<br />
Wundreinigung erforderlich.<br />
Aus dem HARTMANN-Sortiment ist hierfür vor allem<br />
TenderWet active geeignet, das durch seine Saug-<br />
Spülwirkung Wunden rasch und effizient reinigt. Dabei<br />
kann TenderWet active bei allen Wundzuständen angewendet<br />
werden: bei sehr stark bis mäßig exsudierenden<br />
und trockenen Wunden, bei infizierten Wunden,<br />
bei flächigen Wunden (TenderWet 24 active) oder bei<br />
tiefen Wundkavitäten (TenderWet active cavity, siehe<br />
auch Kasuistik Seite 24). Weitere Optionen sind Perma-<br />
Foam und Hydrocoll, die bei Wunden mit stärkerer bis<br />
mäßiger Exsudation gute Dienste leisten.<br />
Ist die Wunde infiziert?<br />
Je früher die Diagnose einer kritischen Kolonisation<br />
bzw. einer Infektion gestellt wird, umso größer sind die<br />
Chancen, sie rechtzeitig in den Griff zu bekommen.<br />
Gerade das Erkennen beginnender Infektionen ist<br />
jedoch mit Schwierigkeiten verbunden, weil eindeutige<br />
Symptome noch fehlen. Gerötete, überwärmte<br />
und ödematöse Wundränder sowie sich verstärkende<br />
Wundschmerzen sind immer ein ernst zu nehmendes<br />
Anzeichen. Tritt Eiter auf, ist dies bereits ein eindeutiges<br />
Infektionszeichen, wobei der erfahrene Wundtherapeut<br />
oft an Farbe und Geruch des Eiters die Art des<br />
Infektionserregers erkennen kann.<br />
Eine wirksame Maßnahme, Wundinfektionen möglichst<br />
bereits in der Phase der kritischen Kolonisation<br />
zu bekämpfen, ist die Anwendung der silberhaltigen<br />
Salbenkompresse Atrauman Ag. Sie wirkt sicher bakterizid<br />
bei nachgewiesener guter Gewebeverträglichkeit<br />
mit nur geringer Toxizität (siehe auch Forschung, Seite<br />
18-20). Da Atrauman Ag selbst nicht saugt, muss über<br />
Atrauman Ag ein saugender Wundverband appliziert<br />
werden. Dazu eignen sich nicht nur die klassischen<br />
Mull- und Saugkompressen, auch eine Kombination<br />
beispielsweise mit TenderWet oder PermaFoam ist<br />
möglich, wobei letztere die Wundreinigung, die auch<br />
der Infektionsbekämpfung dient, zusätzlich unterstützen.<br />
Wie gut ist die Patientencompliance?<br />
Diese letzte Frage bezieht sich nicht auf den Wundzustand,<br />
sondern auf die Mitarbeit des Patienten.<br />
Denn immerhin ist der Erfolg einer Wundbehandlung,<br />
vor allem bei langwierigen Behandlungen chronischer<br />
Wunden, wesentlich davon abhängig, ob der Patient
die gewählte Behandlungsmethode akzeptiert. Er<br />
sollte deshalb über die Zielsetzung der Behandlung<br />
sowie über die Wirkungsweise der gewählten Wundauflage<br />
zumindest in Grundzügen informiert werden.<br />
Denn wird der Sinn einer Maßnahme verstanden, ist<br />
in der Regel auch die Mitarbeit des Patienten besser.<br />
Diese wird in besonderem Maße bei einer ambulanten<br />
Wundbehandlung benötigt, wenn der Patient oder seine<br />
Angehörigen den Verbandwechsel gegebenenfalls<br />
selbst vornehmen sollen.<br />
Ist ein eigenverantwortlicher Verbandwechsel durch<br />
die individuelle Patientensituation nicht möglich und<br />
übernimmt ein ambulanter Pflegedienst die Wundversorgung<br />
vor Ort, ist es hilfreich, wenn der Wundverband<br />
nicht täglich, sondern etwa nur alle drei bis vier<br />
Tage gewechselt werden muss. Dann ist bei der Auswahl<br />
der Wundauflage zu berücksichtigen, dass diese<br />
längere Zeit auf der Wunde verbleiben kann, dabei<br />
aber auch die gewünschten therapeutischen Aufgaben<br />
erfüllt. Ein Beispiel hierzu aus dem HARTMANN-Sortiment<br />
ist der hydroaktive Schaumverband PermaFoam.<br />
Er verfügt über eine hohe Saugkapazität und vor allem<br />
über einen hohes Zurückhaltevermögen (Retention) für<br />
Flüssigkeiten. Selbst wenn von außen Druck erzeugt<br />
wird, so z. B. durch einen Kompressionsverband, wird<br />
das Exsudat im Schaumstoff gehalten.<br />
Methoden und Materialien<br />
in der Wundbehandlung<br />
Je nach ihrem Zustand werden Wunden „trocken“<br />
oder „feucht“ versorgt, wozu Wundauflagen aus den<br />
unterschiedlichsten Materialien benötigt werden. Für<br />
die trockene Wundbehandlung, die vorwiegend zur<br />
Versorgung von Wunden im Rahmen der Ersten Hilfe<br />
sowie zur Versorgung primär heilender, mit Naht<br />
verschlossener Wunden zur Aufnahme von Sickerblutungen,<br />
als Schutz vor Sekundärinfektionen oder als<br />
Polsterschutz gegen mechanische Irritationen praktiziert<br />
wird, kommen Mullkompressen, Kompressen aus<br />
Vliesstoff und die verschiedensten Saugkompressen zur<br />
Anwendung. Für die feuchte Wundbehandlung, die<br />
heute für alle sekundär heilenden Wunden Standard<br />
ist, wurden Wundauflagen aus innovativen Materialien<br />
entwickelt, die eine neue Ära in der Wundbehandlung<br />
eingeleitet haben.<br />
Wundauflagen für die trockene Wundbehandlung<br />
Nach wie vor haben die traditionellen Kompressen<br />
aus Verbandmull, z. B. ES-Kompressen, ihren festen<br />
Platz in der Wundversorgung und vielen anderen medizinischen<br />
und pflegerischen Bereichen. Sie verfügen<br />
über eine hohe Saugfähigkeit, sind gleichzeitig luftdurchlässig<br />
und reißfest, dabei aber auch weich und<br />
geschmeidig. Bei der Anwendung von Mullkompressen<br />
als direkte Wundauflage ist allerdings ihre starke<br />
Verklebungsneigung zu berücksichtigen, die beim<br />
Verbandwechsel zum Zellstripping führt. Vor allem bei<br />
Dauerverbänden dürfen Mullkompressen deshalb nur<br />
in Verbindung mit wundfreundlichen, nicht verklebenden<br />
Zwischenlagen oder feucht angewendet werden.<br />
In vielen Fällen können auch Kompressen aus<br />
Vliesstoff eine vertretbare Alternative zur klassischen<br />
Mullkompresse sein, beispielsweise die Vliesstoff-<br />
Kompresse Medicomp. Bei der Anwendung, die der<br />
von Mullkompressen entspricht, ist aber auch hier die<br />
Verklebungsneigung zu berücksichtigen.<br />
Zur Gruppe der Wundauflagen für die trockene<br />
Wundbehandlung zählen des Weiteren kombinierte<br />
Saugkompressen. Diese sind schichtweise aus unterschiedlichen<br />
Materialien aufgebaut und weisen damit<br />
eine gute Saugkraft auf. Sekrete werden nicht nur<br />
flächig verteilt, sondern von der Wunde weggezogen<br />
und in der Tiefe des Saugkörpers gehalten. Sie sind<br />
luft- und wasserdampfdurchlässig, weich und drapierfähig<br />
und verfügen über eine gute Polsterwirkung<br />
zum Schutz der Wunde. Beispiele für die verschiedenen<br />
Arten von Saugkompressen sind Zetuvit, Cosmopor<br />
steril sowie Comprigel (siehe Tabelle 2, Seite 30).<br />
Weder trocken noch feucht sind Salbenkompressen,<br />
die zum Geschmeidighalten von Wundflächen oder in<br />
der Spezialausführung mit Silberionen zur Infektionsbekämpfung<br />
eingesetzt werden. Da sie selbst durch die<br />
6a 6b<br />
6c<br />
Abb. 6a-d<br />
Tamponade eines großen Bauchdeckenabszesses<br />
mit PermaFoam cavity. Das weiche<br />
Schaummaterial und die spezielle Lochstruktur<br />
(6b) ermöglichen ein problemloses<br />
Austamponieren mit guter Anpassung an<br />
6d<br />
Praxiswissen<br />
die Wundränder. PermaFoam cavity speichert<br />
sicher überschüssiges Wundsekret, die<br />
Wundränder sind frei von Mazeration (6c).<br />
Am Entlassungstag hat sich die Wunde so<br />
weit verkleinert, dass auf Sorbalgon (6d)<br />
umgestellt wurde. Kasuistik: F. Lang<br />
HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
29
Praxiswissen<br />
Innovative HARTMANN-Wundaufl agen im Überblick Tab. 2<br />
Zetuvit<br />
wundfreundliche Saugkompresse<br />
mit nicht verklebender<br />
Vliesumhüllung und Saugkörper<br />
aus hochsaugfähigen Zellstoff-<br />
Flocken, sehr saugfähig, weich<br />
und drapierfähig, luftdurchlässig,<br />
gute Polsterwirkung;<br />
zur Versorgung von akuten,<br />
fl ächenhaften Wunden mit<br />
sehr starker Sekretion, guter<br />
Kontaminationsschutz durch<br />
integrierte, feuchtigkeitsabweisende<br />
Zellstoffl age<br />
TenderWet active<br />
mit Ringerlösung getränktes<br />
Wundkissen mit Saug-Spülkörper<br />
aus superabsorbierendem<br />
Polyacrylat, durch kontinuierliche<br />
Abgabe von Ringerlösung<br />
an die Wunde und gleichzeitigem<br />
Absaugen keimbelasteten<br />
Exsudats (= Saug-Spülwirkung)<br />
rasche aktive Wundreinigung<br />
und Förderung der Proliferation<br />
der Gewebezellen, zur Behandlung<br />
chronischer, infi zierter und<br />
nicht infi zierter Wunden<br />
30 HARTMANN <strong>WundForum</strong> 2/<strong>2006</strong><br />
Cosmopor steril<br />
selbsthaftender Wundverband<br />
mit hydrophobem Micronetz als<br />
wundnaher Schicht, Saugkissen<br />
aus reiner Baumwollwatte,<br />
weiches Trägervlies mit hypoallergenem<br />
Polyacrylatkleber<br />
beschichtet, kein Verkleben,<br />
gute Saugkraft und Polsterwirkung,<br />
sicher abschließende<br />
Klebezone; für die postoperative<br />
Wundversorgung, zur<br />
Versorgung von Bagatellverletzungen<br />
im Rahmen der Ersten<br />
Hilfe<br />
Sorbalgon<br />
tamponierbare, wirkstofffreie<br />
Calciumalginat-Kompresse, die<br />
sich bei Kontakt mit Wundsekreten<br />
in ein feuchtes Gel umwandelt;<br />
mit dem Quellvorgang<br />
werden auch Keime sicher in<br />
die Gelstruktur eingeschlossen;<br />
hohe Saugkraft mit effi zienter<br />
Reinigungswirkung, fördert<br />
Granulationsbildung; zur Reinigung<br />
und Konditionierung tiefer<br />
und zerklüfteter, infi zierter<br />
und nicht infi zierter Wunden<br />
Comprigel<br />
imprägnierte, nicht verklebende<br />
Gelkompresse mit integriertem<br />
Saugkörper aus Vliesstoff, gut<br />
saugfähig, sekret- und luftdurchlässig,<br />
verklebt nicht mit<br />
der Wunde und hält die Wundränder<br />
geschmeidig, leicht<br />
kühlender, schmerzlindernder<br />
Effekt; zur Versorgung von akuten,<br />
kleineren, fl ächenhaften<br />
Wunden bzw. von Bagatellverletzungen,<br />
auch während der<br />
Epithelisierungsphase ideal<br />
PermaFoam<br />
hydroaktiver Schaumverband<br />
aus unterschiedlich strukturiertem<br />
Schaumstoff mit hoher<br />
vertikaler Kapillarwirkung und<br />
Retention zur sicheren Flüssigkeitsbindung,<br />
keimdichte Deckschicht,<br />
rasche Regulierung<br />
des Wundexsudates, schützt<br />
Wundränder vor Mazeration;<br />
besonders geeignet zur Behandlung<br />
venöser Ulzera und<br />
zur Konditionierung fl ächenhafter<br />
Wunden<br />
Atrauman<br />
wundfreundliche Salbenkompresse<br />
aus hydrophobem Polyestertüll,<br />
imprägniert mit einer<br />
wirkstofffreien Salbenmasse,<br />
luft- und sekretdurchlässig,<br />
kein Verkleben mit der Wunde,<br />
durch selbstemulgierende Salbenmasse<br />
keine Rückstände auf<br />
der Wunde, wirkt nicht sensibilisierend;<br />
zum Geschmeidighalten<br />
von akuten und chronischen<br />
Wunden, insbesondere in der<br />
Dermatologie<br />
Hydrocoll<br />
selbsthaftender Hydrokolloid-Verband<br />
mit besonders<br />
saug- und quellfähigen Hydrokolloiden,<br />
kombiniert mit semipermeabler,<br />
keim- und wasserdichter<br />
Deckschicht, sorgt für<br />
eine gute Reinigung, verbessert<br />
die Mikrozirkulation im Wundgebiet,<br />
fördert die Granulationsbildung,<br />
insbesondere zur<br />
Konditionierung nicht infi zierter<br />
Wunden mit mittelstarker bis<br />
schwacher Sekretion<br />
Atrauman Ag<br />
silberhaltige Salbenkompresse<br />
mit sicherer bakterizider<br />
Wirkung; das mit Silber ummantelte<br />
Trägermaterial aus<br />
hydrophobem Gittertüll ist mit<br />
einer wirkstofffreien Salbenmasse<br />
imprägniert, breites<br />
bakterizides Wirkspektrum<br />
grampositiv/-negativ, gute<br />
Gewebeverträglichkeit; zur<br />
Behandlung infi zierter und<br />
infektionsgefährdeter Wunden,<br />
die Salbenimprägnierung pfl egt<br />
die Wundränder<br />
Hydrosorb<br />
transparenter Gelverband aus<br />
saugfähigen Polyurethan-Polymeren,<br />
in die ein hoher Wasseranteil<br />
von ca. 60 % eingelagert<br />
ist, kombiniert mit semipermeabler,<br />
keim- und wasserdichter<br />
Deckschicht, führt der Wunde<br />
von Anfang an Feuchtigkeit zu,<br />
ermöglicht durch Transparenz<br />
jederzeit die Inspektion der<br />
Wunde; zum Feuchthalten von<br />
Granulation und Epithel
Salbenimprägnierung über keine Saugkraft verfügen,<br />
müssen sie mit saugenden Wundauflagen zur Sekretaufnahme<br />
kombiniert werden.<br />
Wundauflagen für die feuchte Wundbehandlung<br />
Eine Materialkombination, die eine einzigartige Wirkungsweise<br />
erbringt, ist das Wundkissen TenderWet<br />
mit einem Saug-Spülkörper aus superabsorbierendem<br />
Polyacrylat. Dieser wirkstofffreie Superabsorber wird<br />
vor der Anwendung mit einer entsprechenden Menge<br />
Ringerlösung aktiviert, die dann über Stunden kontinuierlich<br />
an die Wunde abgegeben wird. Gleichzeitig<br />
wird aber auch keimbelastetes Wundexsudat in das<br />
Wundkissen aufgenommen und dort gebunden. Dieser<br />
Austausch <strong>–</strong> Ringerlösung wird abgegeben und<br />
Proteine werden gebunden <strong>–</strong> funktioniert, weil der<br />
Superabsorber des Wundkissens eine höhere Affinität<br />
für das proteinhaltige Wundexsudat besitzt als für die<br />
salzhaltige Ringerlösung, die somit aus dem Kissen<br />
verdrängt wird.<br />
Dass Algen nützlich für die Blutstillung und Wundversorgung<br />
sind, haben bereits die alten Seefahrer<br />
gewusst. Heute werden die Algen bzw. die enthaltene<br />
Algin-Säure in aufwendigen Verfahren zu Calciumalginat-Fasern<br />
umgewandelt, aus denen dann Kompressen<br />
wie Sorbalgon gefertigt werden. Calciumalginat-Fasern<br />
besitzen die Fähigkeit, sich im Kontakt mit<br />
Natriumsalzen, wie sie beispielsweise im Blut und im<br />
Wundsekret vorhanden sind, in ein feuchtes Gel umzuwandeln,<br />
das die Wunde ausfüllt und sie ohne Okklusionseffekt<br />
ausfüllt. Umfang und Geschwindigkeit der<br />
Gelbildung sind dabei von der anfallenden Sekretmenge<br />
abhängig. Falls die Sekretion zur Gelumwandlung<br />
nicht ausreicht, kann Ringerlösung zugesetzt werden<br />
oder die verbliebenen trockenen Fasern werden beim<br />
Verbandwechsel einfach mit ausgespült.<br />
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Zunehmend erobern sich auch Schaumverbände<br />
ihren festen Platz in der modernen Wundversorgung.<br />
Ihre Wirkungsweise ist dabei abhängig von der Art des<br />
verwendeten Schaumstoffes. PermaFoam beispielsweise<br />
ist eine Kombination zweier unterschiedlich<br />
strukturierter Schaumstoffe, die wundseitig große Poren<br />
aufweisen und zur Deckschicht hin immer kleiner<br />
werden. Dadurch ergibt sich eine hohe vertikale Kapillarwirkung,<br />
sodass PermaFoam sehr gut saugt und<br />
dabei Flüssigkeit sicher im Schaumstoff bindet. Diese<br />
hohe Retention für Flüssigkeiten ist auch der Grund,<br />
warum aggressives Wundexsudat nicht zurückdrücken<br />
und Wundränder schädigen kann.<br />
Hydrokolloid-Verbände dürften zu den bekanntesten<br />
modernen Wundauflagen zählen. Sie enthalten in ihrer<br />
Trägerschicht Hydrokolloide, die durch die Aufnahme<br />
von Wundsekret quellen und in ein Gel übergehen, das<br />
in die Wunde expandiert und die Wunde feucht hält.<br />
Mit dem Quellvorgang werden Detritus und Bakterien<br />
sicher in der Gelstruktur eingeschlossen. Bedeutsam ist<br />
auch, dass die semipermeablen Hydrokolloid-Verbände<br />
wie etwa Hydrocoll durch einen leichten Okklusionseffekt<br />
die Mikrozirkulation im Wundgebiet sowie die<br />
Neubildung von Gefäßen und Gewebe stimulieren.<br />
Hydrogele hingegen sind bereits fertige Gele, die<br />
kein Wundsekret brauchen, um zu funktionieren. Sie<br />
verfügen selbst über einen unterschiedlich hohen Prozentsatz<br />
an Wasser, das in eine dreidimensionale Netzstruktur<br />
eingelagert ist. Hydrosorb hat beispielsweise<br />
einen Wasseranteil von 60 %. Der trockenen Wunde<br />
kann also von Anfang an Feuchtigkeit zugeführt werden,<br />
was auch die hauptsächliche Indikation darstellt.<br />
Dabei bleibt Hydrosorb saugfähig, weil die dreidimensionale<br />
Netzstruktur mit der Aufnahme von Wundsekret<br />
aufquillt. Mit dem Quellvorgang werden auch<br />
hier Keime und Gerüche zuverlässig absorbiert. �<br />
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