Landtag Brandenburg Drucksache 5/5448
Landtag Brandenburg Drucksache 5/5448
5. Wahlperiode
Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
der FDP-Fraktion
zur Beschlussempfehlung „Verbesserung der Lebenssituation von Flüchtlingen und
Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im Land Brandenburg“ des Ausschusses für
Arbeit, Soziales, Frauen und Familie (Drucksache 5/5420):
Die Rechte von Flüchtlingen stärken - Bereitstellung von Wohnungen für
Flüchtlinge intensivieren! Mindestbedingungen für den Betrieb von
Gemeinschaftsunterkünften im Land Brandenburg verbessern!
Der Landtag stellt fest:
Flüchtlinge brauchen individuelle und gesellschaftliche Akzeptanz, die ihre hiesige
Existenz begleitet. Deshalb stehen die Aufnahmekommunen vor neuen
Herausforderungen, die es anzunehmen gilt.
Brandenburg setzt sich für einen Wandel im Umgang mit Flüchtlingen ein. Die
Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften wird zwar durch die Bundesgesetze
gefördert, jedoch wird sie nicht zwingend vorgeschrieben - Ausnahmen wegen
öffentlichen Interesses oder der Belange der Betroffenen sind möglich.
Flüchtlinge sollen künftig in Wohnungen oder abgetrennten Wohneinheiten
untergebracht werden, wenn dies aus persönlichen Gründen der Betroffenen
(Gesundheit, Familienverhältnisse u. ä.) sinnvoll ist oder wenn dies wirtschaftlicher ist
als die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften.
Der Landtag beschließt:
Im Ergebnis des von der Landesregierung vorgelegten Berichtes „Empfehlungen
zum Änderungsbedarf der Mindestbedingungen für den Betrieb von
Gemeinschaftsunterkünften und die soziale Betreuung und Beratung“ (Drucksache
5/4573) sowie des am 14.3.2012 im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Frauen und
Familie durchgeführten Fachgespräches zum o. g. Bericht wird die Landesregierung
ersucht, die folgenden Maßnahmen umzusetzen:
1. Stärkung der Eigenverantwortung der Flüchtlinge für ihr Leben in
Brandenburg
Um Flüchtlingen die Möglichkeit zu geben, ihr Leben eigenverantwortlich zu
gestalten, ist der Zugang zu qualifiziertem Deutschunterricht sicherzustellen. Der
Aufenthalt in der Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt und den
Gemeinschaftsunterkünften in den Landkreisen hat das Ziel, sie auf ein Leben in
Selbstständigkeit und normalen Wohnungen vorzubereiten. Zu diesem Zweck sollen
die Gegebenheiten in den Gemeinschaftsunterkünften so beschaffen sein,
Datum des Eingangs: 04.06.2012 / Ausgegeben: 05.06.2012
dass sie dem Leben in einer privaten Wohnung möglichst nahe kommen. Für die
Hilfe zur Selbsthilfe bei der Wohnungssuche und -ausstattung ist die Anwendbarkeit
des Leverkusener Modells zu prüfen.
2. Begrenzung der Verweildauer in Gemeinschaftsunterkünften
Der Aufenthalt in der Erstaufnahmestelle ist auf 3 Monate für alle Flüchtlinge zu
begrenzen. Die Verweildauer in einer nachrangigen Gemeinschaftsunterkunft ist
zeitlich zu begrenzen und nach folgenden Personengruppen zu differenzieren:
a) für Flüchtlinge ohne spezielle Schutzbedürftigkeit wird die Aufenthaltspflicht in der
Gemeinschaftsunterkunft auf maximal 9 Monaten ab dem ersten Aufnahmetag
begrenzt.
b) für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge nach EU-Richtlinie 2003/9/EG wird von
den Kommunen eine sofortige Wohnungsunterbringung sichergestellt.
3. Schaffung von Wohnungen für Flüchtlinge
Es ist sicherzustellen, dass bei steigenden Flüchtlingszahlen keine neuen
Gemeinschaftsunterkünfte in Betrieb genommen werden. Flüchtlingen ist spätestens
nach Ablauf der in Punkt 2 a) und b) genannten Fristen eine Wohnungsunterbringung
zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang wird die Landesregierung ersucht,
gemeinsam mit den Landkreisen sowie den Städten und den Kommunen ein
Stufenkonzept zu erarbeiten, aus dem hervorgeht, wie die Flüchtlinge in Wohnungen
in den jeweiligen Kommunen untergebracht werden.
Das Stufenkonzept ist dem Landtag bis zum 31.12.2012 vorzulegen.
4. Umsetzung von Mindeststandards in der Erstaufnahmestelle und in
Gemeinschaftsunterkünften
Folgende Mindeststandards sind in der Erstaufnahmestelle und in
Gemeinschaftsunterkünften einzuhalten:
1. abgetrennte, abschließbare Sanitärräume vorzuhalten
2. zugängliche Spiel- und Hausaufgabenzimmer vorzuhalten.
Darüber hinaus sollten in der Erstaufnahmeeinrichtung abgetrennte Wohneinheiten
geschaffen werden mit einem erhöhten Wohnflächenbedarf pro Person entsprechend
den im Bericht der Landesregierung enthaltenen Empfehlungen.
5. Verbesserung der medizinischen und psychotherapeutischen
Versorgung von Flüchtlingen
Die Landesregierung wird gebeten, in Zusammenarbeit mit den Landkreisen sowie
den Städten und Gemeinden die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Zahl der
Beratungs- und Behandlungsstellen für den medizinischen und
psychotherapeutischen Bedarf der Flüchtlinge zu schaffen. Die Landesregierung wird
aufgefordert, ein entsprechendes Konzept vorzulegen, das dieses Vorhaben, unter
Einbezug aller relevanten lokalen Akteure, realistisch und sinnvoll umsetzt. Im
Rahmen der Konzeption ist außerdem zu prüfen, inwieweit die derzeitige
projektgeförderte Beratungsstelle für Traumatisierte und Folteropfer in Fürstenwalde
in eine Regelfinanzierung überführt werden kann.
6. Erhebung und Zusammenstellung von Daten und Zahlen
Die Landesregierung wird ersucht, statistische Zahlen und Daten zu erheben, um auf
diesem Wege eine valide Grundlage für vergleichbare Unterbringung vorzuhalten.
Auf Grundlage der erhobenen Daten sollen die Unterbringungsleistungen der
verschiedenen Heimanbieter vergleichbar gemacht werden.
Die Realisierung der einzelnen Maßnahmen ist dem Landtag bis spätestens
31.12.2012 in Form einer überarbeiteten Unterbringungskonzeption vorzulegen.
Parallel hierzu das Integrationskonzept des Landes Brandenburg zu überarbeiten
und dem Landtag bis zum Ende des II. Quartals 2013 zu präsentieren.
Begründung:
Infolge des am 14. März dieses Jahres im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Frauen
und Familie des Landtages Brandenburg durchgeführte Fachgespräch zu dem von
der Landesregierung vorgelegten Bericht zu Mindestbedingungen für den Betrieb von
Gemeinschaftsunterkünften sowie die soziale Betreuung und Beratung im Land
Brandenburg ist deutlich geworden, dass hinsichtlich der Unterbringungskonzeption
des Landes Brandenburgs zum Teil erheblicher Änderungsbedarf besteht. Neben der
Begrenzung der Verweildauer in der Erstaufnahmestelle sowie den
Gemeinschaftsunterkünften wurde herausgearbeitet, dass auch bei der Definition
und Umsetzung von Mindeststandards Handlungsbedarf besteht.
Flüchtlinge benötigen neben den gesetzlich verbrieften Hilfeleistungen auch die
Möglichkeit, durch das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ ihr Leben möglichst
eigenverantwortlich zu meistern. Die Erprobung des Leverkusener Modells kann
hierbei ein Ansatz sein, die Abhängigkeit der Flüchtlinge von staatlichen
Hilfsangeboten zu verringern und ihnen mehr Möglichkeiten für eine individuelle
Lebensgestaltung zu eröffnen.
Für traumatisierte Flüchtlinge existiert derzeit lediglich eine Behandlungsstelle in
Fürstenwalde. Bei schwerwiegenden Traumatisierungen ist jedoch eine dauerhafte
Beratung und Behandlung notwendig. Für die Betroffenen ist hierbei ein langfristiges,
vertrauensvolles Betreuer-Patienten-Verhältnis unerlässlich. Um dieses langfristig
abzusichern, ist eine entsprechende Grundlage in Form einer Regelfinanzierung
anzustreben und die Errichtung weiterer Behandlungsstellen in anderen Landkreisen
zu prüfen.
Eine verantwortungsvolle Flüchtlings- und Integrationspolitik basiert auf einer validen
Datenbasis. Bisher ist nicht bekannt, wer wie lange und unter welchen Umständen in
den Gemeinschaftsunterkünften lebt und welche Einnahmen und Ausgaben
Landkreise und kreisfreie Städte für die Flüchtlinge (abhängig von ihrem jeweiligen
Status des Aufenthalts) aufwenden. Die künftige Kostenrechnung der Landkreise und
kreisfreien Städte sollte auf Grundlage einer solchen Erhebung erfolgen.
Axel Vogel Andreas Büttner
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN FDP-Fraktion