Kaktus September 2011 - Grüne Solingen
Kaktus September 2011 - Grüne Solingen
Kaktus September 2011 - Grüne Solingen
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<strong>Kaktus</strong><br />
Informationen über bündnis/grüne Politik in <strong>Solingen</strong><br />
Sommer<br />
Politik trotz Sommerloch<br />
<strong>September</strong> <strong>2011</strong>
2<br />
„ Katze mit Hut an Wein “
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
eigentlich sollte diese Ausgabe des <strong>Kaktus</strong> einen umfassenden Schwerpunkt Bildung haben, angesichts der<br />
aktuellen Ereignisse um die „Causa Lapawa“ haben wir uns jedoch anders entschieden, der <strong>Kaktus</strong> ist nun sehr<br />
viel facettenreicher geworden. Sie finden in dieser Ausgabe einige Artikel zu schulpolitischen Themen in <strong>Solingen</strong>,<br />
einen sehr persönlichen Bericht über die Bemühungen, ein behindertes Kind in einer Grundschule für den<br />
gemeinsamen Unterricht anzumelden, sowie ein umfassendes Interview mit der grünen Bildungsministerin Sylvia<br />
Löhrmann, die ja auch Solinger Abgeordnete ist. Darüber hinaus stellen wir die dringend notwendigen, von<br />
Rot-Grün im Koalitionsvertrag versprochenen Veränderungen von kibiz vor, die noch kurz vor der Sommerpause<br />
verabschiedet wurden. Frühkindliche Bildung wird so wieder in die richtigen Bahnen gelenkt, zumindest ein erster<br />
wichtiger Schritt ist dafür getan. Aber auch die aktuellen Entwicklungen in der außerschulischen Bildung –<br />
sprich VHS – werden beschrieben.<br />
Wir haben eine Vision: Das Bergische soll zur 100 % Erneuerbare Energien Region werden! Im Juli hat dazu<br />
ein großer Kongress stattgefunden. Etwa 250 Anwesende aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik haben Möglichkeiten<br />
und Wege diskutiert. Wie es nun weiter gehen soll und was es mit der neuen Energiegenossenschaft<br />
auf sich hat – darüber berichten wir ebenfalls.<br />
Natürlich gibt es darüber hinaus viele Themen, die in der Kommunalpolitik in den letzten Monaten diskutiert<br />
wurden. Ein zentrales Thema war der Altschuldenfonds des Landes zur Unterstützung notleidender Kommunen,<br />
von dem <strong>Solingen</strong> allerdings (noch) nichts abbekommen soll. Auch das thematisieren wir in diesem kaktus.<br />
Außerdem gibt es den Landtagsreport, Filmhinweise und vieles mehr.<br />
Wir wünschen viel Spaß beim Lesen<br />
Die Redaktion<br />
Inhalt<br />
Blickpunkt 4<br />
Service<br />
Adressen, Termine,<br />
Impressum 13<br />
Vorgestellt 14<br />
Fraktion in Aktion 17<br />
Landtagsreport 22<br />
3<br />
Editorial
Blickpunkt<br />
4<br />
Ein Jahr rot-grüne Bildungspolitik<br />
Interview mit Sylvia Löhrmann<br />
Das neue Schuljahr hat begonnen und bringt viele Impulse für<br />
tiefgreifende Veränderungen unserer Schullandschaft mit sich.<br />
Was lag da näher, als mit der grünen Bildungsministerin des<br />
Landes NRW, Sylvia Löhrmann, ein Interview über all die bildungspolitischen<br />
Veränderungen des letzten Jahres zu sprechen.<br />
<strong>Kaktus</strong>: Seit einem Jahr nun bist du Ministerin und damit Mitglied<br />
der rot-grünen Landesregierung, die als Minderheitsregierung unter<br />
dem Motto „Politik der Einladung“ angetreten ist. Hat diese Politik<br />
der Einladung in dem von dir verantworteten Bereich funktioniert?<br />
SL: In jedem Fall. Und zwar besser als gedacht. So habe ich<br />
zum Beispiel die muslimischen Verbände, die im Koordinierungsrat<br />
der Muslime organisiert sind, eingeladen, um endlich einen bekenntnisorientierten<br />
islamischen Religionsunterricht für die<br />
320.000 muslimischen Schülerinnen und Schüler in unseren Schulen<br />
einführen zu können. Dieses Ziel steht seit zehn Jahren auf<br />
der politischen Agenda, seit es die interfraktionelle Integrationsoffensive<br />
in NRW gibt. Aber richtig voran gekommen waren wir<br />
bislang nicht. Gemeinsam mit den Verbänden habe ich in drei intensiven<br />
Gesprächen eine Erklärung erarbeitet, die am 22. Februar<br />
<strong>2011</strong> unterzeichnet wurde. Dies war die Grundlage für einen Gesetzentwurf<br />
zur Einführung des bekenntnisorientierten islamischen<br />
Religionsunterrichts, der inzwischen von CDU, SPD und Bündnis90/Die<br />
<strong>Grüne</strong>n in den Landtag eingebracht wurde und im Herbst<br />
verabschiedet werden soll.<br />
<strong>Kaktus</strong>: Bedenkt man die Beratungswege des Parlaments (1. Lesung,<br />
Anhörungsverfahren, Auswertung, 2. Lesung etc.) bedeutet<br />
das konkret, dass ab dem Schuljahr 2012/13 schrittweise der erste<br />
Unterricht gegeben werden könnte. Von wem?<br />
SL: Ja, nach Verabschiedung des Gesetzes werden wir schrittweise<br />
ab dem Schuljahr 2012/13 den islamischen Religionsunterricht<br />
in deutscher Sprache, unter deutscher Schulaufsicht und mit<br />
in Deutschland ausgebildeten Lehrkräften einführen. Wir gehen<br />
dabei ganz pragmatisch vor und können an den rund 130 Schulen<br />
beginnen, an denen es bereits das Fach Islamkunde gibt. Das<br />
heißt, wir werden nicht sofort hunderte oder gar tausende Lehrerstellen<br />
benötigen. Wir können zunächst auf rund 80 Islamkundelehrkräfte<br />
zurückgreifen und auf etwa 60 weitere Lehrerinnen und<br />
Lehrer, die im Sommer <strong>2011</strong> einen Zertifikatskurs Islamkunde abgeschlossen<br />
haben. Weitere Lehrkräfte gehen zum kommenden<br />
Schuljahr in die Zertifikatsfortbildung. Und wir haben von der<br />
Bundesbildungsministerin den Zuschlag für eine Aufstockung der<br />
islamischen Religionspädagogik an der Universität Münster in Kooperation<br />
mit der Universität Osnabrück bekommen. Dort können<br />
jetzt weitere Professuren ausgeschrieben und besetzt werden, sodass<br />
Interessierte ab sofort das Studium für das Fach „Islamische<br />
Religionslehre“ aufnehmen können. Darauf aufbauend können wir<br />
den islamischen Religionsunterricht schrittweise landesweit ausweiten.
<strong>Kaktus</strong>: Hat der islamische Religionsunterricht zukünftig denselben<br />
Rang wie der katholische?<br />
SL: Auf jeden Fall. Wir werden – immer vorausgesetzt, das Parlament<br />
beschließt – zukünftig gleichberechtigt Unterricht aller Religionen<br />
haben, mit allen Rechten und Pflichten – und für diejenigen,<br />
die keinen Religionsunterricht wünschen, das Fach Praktische<br />
Philosophie anbieten. Damit sind wir in NRW bundesweit Vorreiter,<br />
erfüllen endlich das Verfassungsrecht auf freie Religionsausübung<br />
und leisten einen wichtigen Beitrag zur Integration.<br />
Inklusion als bildungspolitisches Ziel<br />
<strong>Kaktus</strong>: Ein weiteres wichtiges Thema – auch hier vor Ort – ist die<br />
so genannte inklusive Schule, manchmal auch unter dem Kürzel GU<br />
(Gemeinsamer Unterricht) bekannt – also das gemeinsame Lernen<br />
von Kindern mit und ohne Behinderung. Die Bundesrepublik hat<br />
die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet, damit steht<br />
sie in der Pflicht.<br />
SL: Sehr richtig. Und da Bildung Ländersache ist, sind wir in<br />
NRW aufgerufen, die inklusive Schule für alle Altersstufen zu entwickeln.<br />
Dabei müssen sich alle Beteiligten klarmachen, dass Inklusion<br />
weit mehr ist als der gemeinsame Unterricht.<br />
<strong>Kaktus</strong>: In <strong>Solingen</strong> funktioniert das im Grundschulbereich recht<br />
erfolgreich, der Übergang in die SEK I oder gar SEK II ist praktisch<br />
unmöglich. Die Diskussion vor Ort zeigt, wie viele Ängste und Vorbehalte<br />
bei aller Unterstützung des grundsätzlichen Gedankens<br />
noch bestehen.<br />
SL: Ja, trotzdem sind wir auf Landesebene einen guten Schritt<br />
vorankommen. Ich habe den von meiner Vorgängerin Barbara Sommer<br />
ins Leben gerufenen Gesprächskreis „Inklusion“ fortgesetzt,<br />
um mit allen Beteiligten und Interessenverbänden auszuloten, wie<br />
wir das durch die UN-Behindertenkonvention formulierte Recht auf<br />
inklusive Bildung in NRW umsetzen können. SPD und <strong>Grüne</strong> haben<br />
als eine der ersten Maßnahmen nach Regierungsantritt einen entsprechenden<br />
Antrag in den Landtag eingebracht, nachdem in der<br />
letzten Legislaturperiode ein entsprechender Vorstoß am Widerstand<br />
der FDP gescheitert war. Am 1. Dezember 2010, einer Sternstunde<br />
der parlamentarischen Debatte im NRW-Landtag, wurde der<br />
Antrag, auf den sich CDU, SPD und <strong>Grüne</strong> geeinigt hatten, letztlich<br />
sogar einstimmig verabschiedet. In der Folge habe ich im Ministerium<br />
eine Projektgruppe Inklusion eingerichtet, die einen Inklusionsplan<br />
für den Bereich Schule erarbeitet. Dazu gibt es weiterhin<br />
den Gesprächskreis „Inklusion“ mit über hundert Personen und<br />
den gezielten fachlichen Austausch mit wichtigen Betroffenen und<br />
Akteuren, z. B. den Elternverbänden, die für ihre Kinder mit einer<br />
Behinderung das Recht auf den Besuch der allgemeinen Schule<br />
einfordern, oder die kommunalen Spitzenverbände, die natürlich<br />
mit ins Boot müssen.<br />
<strong>Kaktus</strong>: Ein großer parlamentarischer Erfolg, aber wie soll die konkrete<br />
Umsetzung erfolgen? Immer wieder wird ja gesagt, die Schulen,<br />
aber auch das Lehrpersonal sei gar nicht darauf vorbereitet.<br />
SL: Unser Ziel ist es, nach der Sommerpause die Eckpunkte für den<br />
Inklusionsplan für den Schulbereich in NRW zur Diskussion zu stellen<br />
und diese Diskussion auch intensiv zu führen. Denn der Anspruch<br />
der Inklusion richtet sich tatsächlich an alle Schulformen.<br />
Aber natürlich können wir für eine solche Generationenaufgabe<br />
nicht einfach den Schalter umlegen. Das ist ein Prozess, und wir<br />
müssen in Etappen vorgehen. Denn wir brauchen nicht nur einen<br />
Paradigmenwechsel in den Köpfen, auch der „Umbau“ unserer<br />
Schulen braucht gute Unterstützung. Folgerichtig haben wir im<br />
Landeshaushalt zusätzliche Stellen für integrative Lerngruppen sowie<br />
Mittel für Fortbildung bereit gestellt. Und in jedem Schulamt<br />
wird eine Stelle geschaffen, die die Erstellung eines regionalen Inklusionsplans<br />
koordiniert. Unser Ziel ist die allgemeine inklusive<br />
Schule. Für <strong>Solingen</strong> ist als nächster Schritt vordringlich, Schulen<br />
der Sekundarstufe I zu finden, die sich dieser Aufgabe annehmen.<br />
Es freut mich, dass sich inzwischen alle Schulen grundsätzlich bereit<br />
erklärt haben, denn das ist natürlich eine große Herausforderung.<br />
Gemeinsam über Schulreform reden<br />
<strong>Kaktus</strong>: Kommen wir zur Bildungskonferenz. Immer wieder konnten<br />
wir im vergangenen Jahr über die Arbeit einer Bildungskonferenz<br />
lesen, was war das Ziel? Und wurde es erreicht?<br />
SL: Wir haben schon in der Koalitionsvereinbarung festgehalten,<br />
dass wir eine NRW-Bildungskonferenz einberufen wollen, um<br />
mit allen am Schulleben Beteiligten und den im Landtag vertretenen<br />
Parteien auszuloten, ob es einen Konsens zur Weiterentwicklung<br />
unseres Schulsystems gibt.<br />
<strong>Kaktus</strong>: War die Bildungskonferenz also die Vorarbeit zum Schulkonsens?<br />
SL: Im Ergebnis ja. Aber das war am Anfang nicht abzusehen.<br />
Es ist in der Tat in den fünf Plenarsitzungen der Bildungskonferenz<br />
und den vielen Unterarbeitsgruppen gelungen, Empfehlungen zu<br />
den zentralen Fragestellungen des Schulsystems zu erarbeiten und<br />
fast alle einstimmig zu verabschieden. Der gesamte Prozess ist dokumentiert<br />
unter: www.schulministerium.nrw.de/BP/Bildungskonferenz/index.html<br />
<strong>Kaktus</strong>: Welche Themen waren das?<br />
SL: Wir haben fünf Themen bearbeitet: die individuelle Förderung<br />
von der Qualitätsanalyse bis zur systematischen Unterrichtsentwicklung<br />
und Lehrerfortbildung, die Gestaltung der Übergänge<br />
zur Sicherung der Anschlussfähigkeit, die Weiterentwicklung des<br />
Ganztags, die eigenverantwortliche Schule in regionalen Bildungsnetzwerken<br />
und die Schulstruktur in Zeiten demografischen Wandels.<br />
<strong>Kaktus</strong>: Wie war die Arbeit in der Bildungskonferenz?<br />
SL: Eingeladen waren Vertreterinnen und Vertreter von rund 50<br />
Verbänden, Institutionen und Parteien; alles in allem haben 120<br />
Personen mitgewirkt. Fachleute, die bisher im Wesentlichen die<br />
5<br />
Blickpunkt
Blickpunkt<br />
6<br />
Interessen ihres eigenen Verbandes im Auge hatten und die sich<br />
nun darauf eingelassen haben, die Perspektiven für die Schule von<br />
morgen zu beschreiben und gemeinsam Empfehlungen für die konkrete<br />
Umsetzung zu erarbeiten. Das hat eine ungeheure Dynamik<br />
entwickelt, und damit haben alle Beteiligten Verantwortung für<br />
das Ganze übernommen. Ein Kernanliegen hat alle geeint, den jungen<br />
Menschen in unserem Land die bestmöglichen Bildungschancen<br />
zu bieten. Und ich kann sagen: Ich freue mich und bin auch<br />
ein wenig stolz darauf, dass es tatsächlich gelungen ist, die Empfehlungen<br />
mit einer Ausnahme im Konsens aller Beteiligten zu verabschieden.<br />
Dabei war es jederzeit möglich, eine abweichende<br />
Meinung geltend zu machen. Die Empfehlungen sind dann an die<br />
Ministerpräsidentin für die Landesregierung und an den Landtagspräsidenten<br />
für das Parlament überreicht worden.<br />
<strong>Kaktus</strong>: Was wurde denn zu der so kniffligen Frage der Schulstruktur<br />
vorgeschlagen?<br />
SL: Es ist gelungen, zwischen den unterschiedlichen Ansätzen<br />
eine Brücke zu bauen. Empfohlen wurde, die Möglichkeiten zur Bildung<br />
von organisatorischen Verbünden von Schulen unterschiedlicher<br />
Schulformen sowie von integrativen Zusammenschlüssen<br />
unterschiedlicher Schulformen zu erweitern und die neuen Angebote<br />
gründlich zu evaluieren. Allerdings ist dieser Bereich der Bildungskonferenz<br />
als einziger nicht einstimmig, sondern „nur“ mit<br />
großer Mehrheit beschlossen worden.<br />
<strong>Kaktus</strong>: Und dann kam das, was landauf landab „historischer<br />
Schulkonsens“ gefeiert wurde. Warum eigentlich?<br />
SL: Wenn man in die Geschichte der NRW-Politik schaut, zeigt<br />
sich, dass gerade die Auseinandersetzungen um die richtige Schulstruktur<br />
insbesondere zwischen CDU und SPD erbittert geführt<br />
wurden und tiefe Gräben verursacht haben, die immer noch zu<br />
spüren waren. Dabei ging es häufig darum, wer Recht hat. Die<br />
Schärfe der Diskussion hat dazu geführt, dass auch die Verbände<br />
stark polarisiert wurden; sie waren entweder für oder gegen die jeweilige<br />
politische Linie. Dass wir diesen tiefen, die bundesdeutsche<br />
Schuldiskussion jahrzehntelang bestimmenden Konflikt in<br />
NRW befriedet haben, ist phänomenal und macht jetzt endlich den<br />
Weg frei für eine innovative Schulentwicklung vor Ort. Die macht<br />
ernst mit individueller Förderung und stellt konsequent die Kinder<br />
und Jugendlichen in den Mittelpunkt.<br />
<strong>Kaktus</strong>: Was ist der Kern des Konsenses?<br />
SL: Die Einführung der Sekundarschule. Diese neue Schule ist<br />
die Antwort auf den Rückgang der Schülerzahlen und den veränderten<br />
Elternwillen. In der Schlussphase der sehr vertrauensvollen<br />
und ernsthaften Gespräche mit der CDU ist es uns damit sogar gelungen,<br />
über die Empfehlung der Bildungskonferenz zum Sowohlals-auch<br />
von Gemeinschaftsschule und Verbundschule hinauszugehen<br />
und die Eckpunkte der Sekundarschule einvernehmlich zu entwickeln.<br />
Dabei ist entscheidend, dass die Sekundarschule alle wesentlichen<br />
Merkmale der Gemeinschaftsschule enthält.<br />
<strong>Kaktus</strong>: Das wären?<br />
SL: Das längere gemeinsame Lernen in den Klassen 5 und 6 und<br />
die Sicherung auch gymnasialer Standards. Damit bietet die Sekundarschule<br />
ein attraktives, umfassendes und wohnortnahes Bildungsangebot<br />
für alle Kinder. Sie selektiert nicht mehr nach der<br />
Klasse 4 und eröffnet auch ohne eigene Oberstufe durch verbindliche<br />
Kooperationen mit der Oberstufe von Gymnasium, Gesamtschule,<br />
Berufskolleg den Bildungsweg bis zum Abitur. Gleichzeitig<br />
haben wir im Konsens die erleichterte Gründung neuer Gesamtschulen<br />
vereinbart, wenn in einer Kommune der Bedarf für eine<br />
neue integrierte Schule der Sekundarstufen I und II besteht. Künftig<br />
gilt auch für Gesamtschulen eine niedrigere Errichtungsgröße –<br />
statt der bisher notwendigen 112 Anmeldungen brauchen es künftig<br />
nur noch 100 Anmeldungen für vier Parallelklassen sein. Wir<br />
haben also zukünftig in Nordrhein-Westfalen zwei integrierte<br />
Schulformen: die Sekundarschule und die Gesamtschule.<br />
<strong>Kaktus</strong>: Islamischer Religionsunterricht, Bildungskonferenz, Schulkonsens<br />
– ganz schön viel in so kurzer Zeit. Hättest du geglaubt,<br />
dass du nach einem Jahr soweit kommst?<br />
SL: Hätte man mir gesagt, dass es in einem Jahr eine Einigung<br />
mit der CDU über ein neues Schulgesetz einschließlich<br />
einer Verfassungsänderung geben würde, hätte ich das kaum<br />
für möglich gehalten. Natürlich wartet mit der Ausgestaltung<br />
der Gesetze und ihrer Umsetzung noch viel Arbeit auf uns.<br />
Aber wir haben das Fundament gelegt für die Gestaltung einer<br />
zukunftsfesten Schulstruktur und für Schulen der Zukunft in<br />
Nordrhein-Westfalen.<br />
<strong>Kaktus</strong>: Du bist jetzt Ministerin und hättest das sicherlich niemals<br />
gedacht, als du 1985 als sachkundige Einwohnerin im Ausschuss<br />
für Öffentlichkeitsarbeit der Stadt <strong>Solingen</strong> mit deinem kommunalpolitischen<br />
Engagement begonnen hast. Was hat sich für dein Leben<br />
in <strong>Solingen</strong> verändert?<br />
SL: Eine ganze Menge, denn ich bin meistens von halb<br />
acht bis spät abends unterwegs. Alles was ich als Ministerin<br />
tue, ist extrem durchstrukturiert, es fordert und erfüllt mich in<br />
noch stärkerem Maße als meine vorherige Arbeit. Der Grad an<br />
Selbstbestimmung ist doch sehr reduziert, die Arbeit und die<br />
Verantwortung als Mitglied der Landesregierung für ganz NRW<br />
stehen im Vordergrund. Und auch in <strong>Solingen</strong> werde ich jetzt<br />
über dieses Amt gesehen – obwohl ich mich in meiner Heimatstadt<br />
natürlich auch völlig normal bewege. Erst letztens<br />
bin ich vom Landeswettbewerb des Deutschen Roten Kreuzes,<br />
wo ich ein Grußwort gehalten habe, zu Fuß nach Hause gegangen.<br />
Da habe ich beim Nordstadtfest spontan Halt gemacht;<br />
offensichtlich sehr zum Erstaunen einiger Anwesenden: eine<br />
Ministerin – ganz ohne Entourage. Das hat mir Spaß gemacht<br />
– schließlich bin ich ja auch als Ministerin „nur“ Mensch und<br />
habe auch ein Privatleben, das ich letztlich so lebe wie alle anderen<br />
auch – zumindest in der Zeit, die dafür bleibt.<br />
<strong>Kaktus</strong>: Wir danken für das Gespräch.
Der weite Weg der Schulen zur Inklusion<br />
ein Erfahrungsbericht<br />
August <strong>2011</strong>, bald ist es soweit. Der erste Schultag meines<br />
Sohnes Joshua rückt näher. Ein erster Schultag auf den wir seit<br />
über sieben Jahren hingearbeitet haben.<br />
Joshua kam im Sommer 2004 mit einer körperlichen Behinderung<br />
auf die Welt und vom ersten Tag an war klar, dass er und wir<br />
als seine Eltern mit seinem Handicap so manche Hürde in den<br />
nächsten Jahren zu meistern hätten.<br />
Aber eigentlich lief dank der behandelnden Ärzte, der Frühförderung<br />
in <strong>Solingen</strong> und vor allem der integrativen Kita „Alsenbande“<br />
in der er als Förderkind einen Platz hatte, alles optimal für<br />
ihn.<br />
Die Kita-Zeit neigte sich ihrem Ende zu und mit der Anmeldung<br />
zur Grundschule im November 2010 standen plötzlich die vier<br />
Buchstaben „AO-SF“ als Herausforderung vor uns.<br />
AO-SF steht für die „Ausbildungsordnung über die sonderpädagogische<br />
Förderung“ und unser Ziel war es, unseren Sohn an einer<br />
Regelgrundschule einzuschulen.<br />
Mit einem formlosen Antrag auf Förderung im gemeinsamen<br />
Unterricht (GU), den wir bei der Anmeldung an unserer „Wunschgrundschule“<br />
stellten, wurde dieses Verwaltungsverfahren beim<br />
Schulamt gestartet.<br />
In den folgenden Monaten erfolgten neben der üblichen Schuluntersuchung,<br />
diverse Termine zur Begutachtung des Kindes durch<br />
die Gutachter, kurzfristige Absagen dieser Termine durch die Gutachter<br />
aufgrund schulischer Unabkömmlichkeiten, Telefonaten zwischen<br />
uns Eltern und den Gutachtern, Telefonaten zwischen der<br />
Kita und den Gutachtern, Telefonaten zwischen uns Eltern und der<br />
Wunschgrundschule, ein Abschlussgespräch mit dem Gutachter<br />
und ein Gespräch mit der Wunschgrundschule über das mögliche<br />
weitere Vorgehen.<br />
Inzwischen haben wir Ende April <strong>2011</strong> und wir konnten den ersten<br />
Erfolg verzeichnen. Die Begutachtung hat ergeben, dass Joshua<br />
für den gemeinsamen Unterricht mit dem Förderschwerpunkt<br />
„Körperliche und motorische Entwicklung“ dem Schulamt als geeignet<br />
vorgeschlagen wird. Eigentlich nicht wirklich überraschend,<br />
aber nun doch offiziell.<br />
Damit waren wir unserem Ziel, dem GU-Platz an einer Regelschule,<br />
endlich ein Stück näher gekommen.<br />
Aber ob dies nun an unserer Wunschgrundschule möglich ist,<br />
oder wie im Amtsdeutsch, ob der Förderort unsere Wunschgrundschule<br />
sein wird, das kann uns zu diesem Zeitpunkt keiner beantworten.<br />
Das erstellte Gutachten wird nämlich jetzt an das zuständige<br />
Schulamt gesandt und dort wird zu gegebener Zeit über den<br />
Förderort entschieden.<br />
Inzwischen ist es Juni und an den Grundschulen finden die ersten<br />
Informationsabende für die Eltern der I-Dötzchen statt. Einladungen<br />
hierzu gingen natürlich nur an die Eltern raus, deren<br />
Kinder nicht über das AO-SF Verfahren laufen. Denn die Förderkinder<br />
im GU haben ja noch immer keinen Förderort vom Schulamt<br />
zugewiesen bekommen.<br />
Wir haben uns aber einfach mal erlaubt, auch ohne Einladung<br />
zu einem solchen Abend zu gehen. Eigentlich hätten wir zu allen<br />
Informationsabenden der Grundschulen mit GU-Klassen gehen<br />
müssen, aber wir haben uns dann doch auf unsere Wunschgrundschule<br />
fokussiert. Wenn man als Eltern dann am Eingang nicht auf<br />
der Teilnehmerliste zu finden ist, so sorgt das dann doch anfänglich<br />
für etwas „Irritation“ bei den Organisatoren dieser Infoabende.<br />
Juli <strong>2011</strong>, es sind nur noch zwei Wochen bis zu den großen Fe-<br />
rien. In der Kita laufen die Abschiedsfeiern der angehenden Schulkinder<br />
auf Hochtouren. Im Briefkasten liegt ein Brief des Schulamtes.<br />
Es ist der Brief des Schulamtes! Der Brief, der aus unserer<br />
Wunschgrundschule endlich unsere Grundschule macht!<br />
Happy End, oder?<br />
Im Prinzip ja, aber es zeigt sich auch wie weit wir noch von der<br />
Inklusion allein im schulischen Umfeld noch entfernt sind.<br />
Aber jetzt ist endlich die Zeit, das gesellschaftspolitische Veränderungsprojekt<br />
Inklusion anzugehen. Ein Beschluss, wie der der<br />
LDK vom 28./29. Mai <strong>2011</strong> in Emsdetten „Inklusion – <strong>Grüne</strong>r Aufbruch<br />
für ein inklusives Gemeinwesen“ hilft dabei die Weichen für<br />
eine inklusive Zukunft zu stellen.<br />
Denn: Inklusion ist Kopfsache und Herzensangelegenheit zugleich.<br />
Alles inklusive…<br />
Arne Vaeckenstadt<br />
7<br />
Blickpunkt
Blickpunkt<br />
8<br />
Auflösung der Klasse 2c am Klauberg<br />
Die Aufregung der Eltern der betroffenen Klasse in der Grundschule<br />
Klauberg ist verständlich. Da hatten 22 Kinder (jetzt 18)<br />
inzwischen zwei Jahre miteinander gelernt und nun sollten sie<br />
auseinandergerissen und auf die Parallelklassen verteilt werden.<br />
Der Grund: Die bisherige Klassenlehrerin bekommt im neuen<br />
Schuljahr eine feste Anstellung, die aber daran gebunden ist, dass<br />
sie die integrative Klasse des zukünftigen zweiten Schuljahres<br />
übernimmt. Es heißt, dass dann für die jetzige 2c keine Lehrkraft<br />
mehr zur Verfügung steht. Das ist schlimm für die betroffenen<br />
Schüler. Da fragt man sich doch: Was ist denn mit der Lehrkraft,<br />
die diese integrative Klasse bisher geführt hat? Auf Nachfrage<br />
wurde mir erklärt, dass die bisherige Klassenlehrerin zum neuen<br />
Schuljahr versetzt wurde und deshalb diese Stelle von der Schule<br />
ausgeschrieben und neu besetzt werden konnte. Aber warum steht<br />
dann keine andere Kraft für die verwaiste Klasse zur Verfügung?<br />
Das hängt damit zusammen, dass es Richtwerte für die Klassenbildung<br />
gibt. Danach liegt die durchschnittliche Schülerzahl pro<br />
Klasse, nach der die Lehrerzuweisung berechnet wird, derzeit für<br />
Grundschulen bei 24. Der Schule stehen deshalb bei nunmehr 77<br />
Kindern im betreffenden Jahrgang nur drei Lehrkräfte dafür zu.<br />
Hätte man es trotzdem bei vier Klassen belassen (die zulässige<br />
Bandbreite beträgt 18 bis 32 Schüler pro Klasse), müssten andere<br />
Klassen der Schule erheblich über dem Durchschnitt von 24 liegen.<br />
Sonst kommt man mit den zugewiesenen Lehrern nicht aus.<br />
Die Schulleitung der Grundschule Klauberg hatte deshalb keine<br />
andere Wahl und konnte dies der Elternschaft noch vor den Sommerferien<br />
plausibel erklären.<br />
Zur weiteren Information: Auch im kommenden Schuljahr wird<br />
die Schule wieder eine neue integrative Klasse bilden und dann im<br />
ersten Schuljahr voraussichtlich eine durchschnittliche Klassenstärke<br />
von 23 Kindern haben.<br />
Wenn wir in Zukunft durchweg kleinere Klassen wollen, müssen<br />
wir uns dafür einsetzen, dass bei zurückgehenden Schülerzahlen<br />
die Richtwerte für die Zuweisung von Lehrpersonal abgesenkt werden.<br />
Das wäre eine sinnvolle Entwicklung im Hinblick darauf, dass<br />
inzwischen die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit<br />
Behinderung auch für Deutschland verbindlich ist. Dadurch sollen<br />
im Sinne der Inklusion zunehmend Kinder mit besonderem Förderbedarf<br />
nicht mehr ausgegrenzt, sondern im Regelschulsystem mit<br />
unterrichtet werden. Das würde ein Absenken der Richtwerte und<br />
damit kleinere Klassen sogar zwingend voraussetzen. Der vorhandene<br />
Schulraum könnte so bei zurückgehenden Schülerzahlen weiter<br />
sinnvoll genutzt werden.<br />
Helga Bisier
Grundschule Erholungsstraße<br />
Aufgabe der Dependance Fürker Irlen<br />
Das so genannte Haushaltssicherungskonzept (HSK) ist die<br />
Giftliste der Verwaltung, die im Rahmen der Haushaltsdiskussion<br />
im vergangenen Jahr (auch mit unseren Stimmen) beschlossen<br />
wurde. Darin enthalten sind viele Streich- bzw. Sparmaßnahmen,<br />
die helfen sollen, das extrem hohe Defizit der Stadt zu senken. Die<br />
Aufgabe des Schulgebäudes Fürker Irlen ist eine dieser Maßnahmen<br />
und wurde im vergangenen Jahr vom Rat für den Sommer<br />
2012 beschlossen.<br />
Die Schulleitung der Grundschule Erholungsstraße war durchaus<br />
einverstanden mit der Aufgabe des Gebäudes, das in einem sehr<br />
schlechten baulichen Zustand ist. Nur bezüglich des Zeitpunktes<br />
hatte man Bedenken.<br />
Bereits im Frühjahr 2010 wurde die Schulverwaltung darüber<br />
informiert, dass die Schulleitung ab Sommer <strong>2011</strong> nicht mehr bereit<br />
ist, die Verantwortung für dann nur noch zwei am Standort<br />
Fürker Irlen verbleibende Klassen zu übernehmen. Bei einer Besichtigung<br />
mit anschließendem Gespräch wurde festgehalten, dass<br />
dann am Hauptstandort Erholungsstraße mindestens drei weitere<br />
Klassenräume zur Verfügung gestellt werden müssen.<br />
Wir <strong>Grüne</strong>n haben daraufhin im Herbst 2010 im Ausschuss für<br />
Schule und Weiterbildung eine Anfrage gestellt, um Informationen<br />
über den Stand der Entwicklung zu bekommen. In der Antwort<br />
wurden wir auf das Frühjahr <strong>2011</strong> vertröstet.<br />
Leider hat es bis kurz vor den Sommerferien <strong>2011</strong> gedauert, bis<br />
die Schule endlich Klarheit hatte, wie es im neuen Schuljahr<br />
weitergehen soll: Die Stadt hat also tatsächlich beschlossen, die<br />
Dependance schon <strong>2011</strong> aufzugeben, allerdings ohne die für nötig<br />
gehaltenen weiteren Räume bisher zur Verfügung zu stellen. Daher<br />
wird die Grundschule an der Erholungsstraße zunächst noch deutliche<br />
Einschränkungen im Schulbetrieb in Kauf nehmen müssen.<br />
Wir werden also weiterhin im Auge behalten müssen, dass hier<br />
so schnell wie möglich Abhilfe geschaffen wird.<br />
Helga Bisier<br />
9<br />
Blickpunkt
Blickpunkt<br />
10<br />
Kibiz 1<br />
Änderungsgesetz: Rot-Grün hält Wort!<br />
Die rot-grüne Landesregierung hat mit der Verabschiedung des<br />
1. Kibiz-Änderungsgesetzes vor der Sommerpause ein wichtiges<br />
Wahlversprechen umgesetzt. Zu den wesentlichen Neuerungen gehört,<br />
dass das Land mehr Geld pro Kind im Rahmen der Gruppenpauschalen<br />
und in zusätzliche Ergänzungskraftstunden der U3-Betreuung<br />
investiert. Zudem entfallen die Elternbeiträge im letzten<br />
Kita-und Tagespflegejahr. Insgesamt stellt das Land für <strong>2011</strong> zusätzlich<br />
245 Mio. Euro für die Verbesserung der frühkindlichen Bildung<br />
und den weiteren Ausbau der U3-Betreuung zur Verfügung.<br />
Systemwechsel á la Schwarz-Gelb<br />
Zur Erinnerung: Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung hatte<br />
mit dem Kinderbildungsgesetz (Kibiz) einen Systemwechsel in der<br />
Kindertagesbetreuung eingeleitet. Doch die ab dem 1. August<br />
2008 in Kraft getretenen Regelungen hielten den eigenen Ansprüchen<br />
des Gesetzgebers nicht stand, was nach der massiven Kritik<br />
und den Protesten von Elternschaft, Erzieherinnen, Verbänden und<br />
Gewerkschaften, die das Gesetzgebungsverfahren begleiteten, zu<br />
befürchten war. Zwar hatte Familienminister Armin Laschet (CDU)<br />
die Reform mit der gewachsenen Bedeutung der frühkindlichen<br />
Bildung, der Notwendigkeit einer verbesserten Vereinbarkeit von<br />
Familie und Beruf sowie dem Versprechen, Bürokratie abzubauen,<br />
begründet, was den gesellschaftlichen Konsens bediente und dem<br />
daher alle nur zustimmen konnten. Aber in erster Linie zielte das<br />
Gesetz auf eine für das Land kosteneinsparende und berechenbare<br />
Lösung. Entsprechend war mit der Umstellung der Kostenerstattung<br />
von Spitzabrechnung (also tatsächliche Kosten werden erstattet)<br />
auf Pauschalzuweisungen eine Unterfinanzierung verbunden.<br />
Diesen Tatbestand merkte die freie Wohlfahrtspflege erst im<br />
letzten Jahr kritisch an. Sie verwiesen darauf, dass bei Vernachlässigung<br />
der ebenfalls intendierten fachlich-strukturellen Weiterentwicklung<br />
die finanziellen Überlegungen handlungsleitend waren.<br />
So kam es gerade mit Kibiz zu einer Verschlechterung des Personalschlüssels<br />
und zu einer Standardabsenkung im frühkindlichen<br />
Bereich.<br />
Ärmere Kommunen verlieren<br />
Des Weiteren brachte die Festsetzung, wonach 19 % der Kosten<br />
über Elternbeiträge zu erzielen seien, gerade die ärmeren Kommunen<br />
in NRW in Bedrängnis. In <strong>Solingen</strong> z.B. wurden vor Kibiz gerade<br />
einmal 16,5 % erreicht, und dies nur mittels Beitragserhöhung.<br />
Zugleich aber konnten vermögende Städte durch die Kommunalisierung<br />
der Kitagebühren, die zuvor verbindlich vom Land festgelegt<br />
wurden, Beiträge senken. Dies beförderte die Ungleichheit der<br />
Lebensverhältnisse. Musste nämlich <strong>Solingen</strong> die Gebühren ent-<br />
sprechen hoch halten, konnte Hilden zu Beginn des Kindergartenjahres<br />
2008 mit den niedrigsten Beiträgen in ganz NRW werben.<br />
Damit wurden Kita-Gebühren zum Standortfaktor.<br />
Chaotische Personalstruktur<br />
Für alle gleich problematisch gestalteten sich hingegen die<br />
Pauschalberechnungen nach neun möglichen Gruppenkategorien,<br />
die zum Teil miteinander kombiniert werden können. Wer hernach<br />
als Elternvertreter im Elternrat einer mehrgruppigen Einrichtung<br />
sich vom Träger, der zudem mehrere Kindertagesstätten unterhält,<br />
die Personalberechnungen nach den neuen Regeln erklären ließ,<br />
ließ schnell ab von seinem Bedürfnis, alles verstehen zu wollen.<br />
Völlig unberücksichtigt ließen die Pauschalen die Tarifklassen der<br />
Erzieherinnen, mit der Folge, dass reale Lohnkosten in diesem System<br />
keinen Maßstab bildeten und langjährig beschäftigte ältere<br />
Mitarbeiterinnen aufgrund ihrer besseren tariflichen Eingruppierung<br />
gegenüber jungen Berufseinsteigerinnen zum Kostenproblem<br />
wurden. Auch soll nicht unerwähnt bleiben, dass Berufspraktikantinnen<br />
überhaupt nicht bei der Stellenberechnung berücksichtigt<br />
wurden, was für die berufliche Nachwuchsförderung in einem<br />
wachsenden Bereich eine Unmöglichkeit ist.<br />
Kibiz war schlecht – für alle Beteiligten!<br />
Denn im Ergebnis bedeutete Kibiz:<br />
t Deutliche Zunahme an Bürokratie<br />
t Verschlechterung der Arbeitsbedingungen mit teils dramatischen<br />
Auswirkungen, u.a. durch Zunahme von Zeitarbeitsverträgen<br />
t Abnahme von Flexibilität durch eine stärkere Reglementierung<br />
und<br />
t insgesamt klare Qualitätseinbußen.<br />
Kein Wunder, dass das Sozialpädagogische Institut in einer Evaluation<br />
der Auswirkungen von Kibiz nach nur sieben Monaten konstatiert,<br />
dass „das Kibiz seinen Ansprüchen nicht gerecht wird“.<br />
Erste Stufe der Revision geglückt<br />
Umso wichtiger sind die jetzt erfolgten Änderungen. Neben den<br />
bereits aufgeführten Verbesserungen<br />
t erhalten Kinder mit Behinderungen erhöhte Pauschalzuweisungen,<br />
t wird die Elternbeteiligung gestärkt,<br />
t wird die Sprachförderung einer Revision unterzogen,<br />
t werden Waldkindergärten, die durch Kibiz besonders in finanzielle<br />
Bedrängnis geraten waren, zusätzlich unterstützt.<br />
Durch vereinfachte Verwendungsnachweise werden die Träger
zudem von zeitaufwendiger Bürokratie entlastet. Und schließlich<br />
wurde darauf geachtet, dass die Gesetzesänderungen nicht zu einer<br />
Mehrbelastung der Kommunen führt. Im Gegenteil, liegt doch<br />
mit dem Vorschlag, nicht vereinnahmten Elternbeiträge zu kompensieren,<br />
wenn sich die Kommune im Gegenzug an einer verbesserten<br />
Personalausstattung beteiligen, ein Kompromiss auf dem<br />
Tisch, den die Kommunen jedoch zur Zeit noch ablehnen. Über ein<br />
Sonderprogramm wird zudem in zusätzliche Praktikumsplätze investiert.<br />
Die Volkshochschule -<br />
Bildung in öffentlicher Verantwortung ...<br />
... so lautet der Titel der vom Deutschen Volkshochschulverband<br />
(DVV) aktuell herausgegebenen Standortbestimmung. „Bildung<br />
für alle, unabhängig von sozialer Schicht, Geschlecht, Bildungsabschluss<br />
und Alter, Religion Weltanschauung und Staatsangehörigkeit:<br />
Das gehört zum Grundverständnis der Volkshochschulen.<br />
Niemand darf ausgeschlossen sein.“ postuliert die Präsidentin<br />
des DVV, Rita Süssmuth, zusammenfassend in dieser Schrift. Das<br />
ist der Anspruch. Und wie sieht die Realität aus?<br />
In der letzten Zweckverbandsversammlung der Bergischen VHS<br />
verkündete der Kämmerer der Stadt Wuppertal, dass der Bereich<br />
„Beschäftigung und Qualifizierung“ dauerhaft nicht finanziert werden<br />
kann und 2013 geschlossen wird.<br />
Der Anspruch wird von Finanzkürzungen überrollt<br />
Die sogenannte „Instrumentenreform“, die Arbeitsministerin<br />
Ursula von der Leyen vorbereitet hat, wird voraussichtlich im <strong>September</strong><br />
vom Bundestag verabschiedet. Das bedeutet, dass die<br />
Mittel für Maßnahmen, die zur Integration in den Arbeitsmarkt zur<br />
Verfügung stehen, drastisch reduziert und umverteilt werden. Diese<br />
Umverteilung basiert auf der Logik, dass bei boomender Konjunktur<br />
direkt auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden kann<br />
und dafür qualifiziert werden soll.<br />
Zukünftig können sogenannte „Arbeitsgelegenheiten“ – eher<br />
bekannt als 1-Euro-Jobs – nur noch für Arbeitslose mit besonderen<br />
Vermittlungshemmnissen angeboten werden. Gleichzeitig werden<br />
sie deutlich schlechter finanziert; pro Platz gibt es für die jeweiligen<br />
Träger monatlich pro Teilnehmer/in statt ca. 500,- Euro noch<br />
ca. 150,- Euro. Damit bricht den Trägern die finanzielle Grundlage<br />
für diese Beschäftigungsmaßnahmen weg. Auch bei einer sicher<br />
berechtigten, kritischen Betrachtung der 1-Euro-Jobs (schließlich<br />
wurden sie sogar vom Bundesrechnungshof als ineffizient beanstandet),<br />
bedarf es nach allen allgemein bekannten Erfahrungen<br />
unterstützender Maßnahmen für Menschen, die sich – meist<br />
schlecht qualifiziert – schwer tun, einen Platz auf dem begehrten<br />
ersten Arbeitsmarkt zu finden.<br />
Doch all diese Änderungen sind nur ein erster Schritt. Ab <strong>September</strong><br />
diesen Jahres geht es an die zweite Stufe des Revisionsgesetzes<br />
in der u.a. das Konzept der Familienzentren – die schon<br />
jetzt im ersten Schritt finanziell gestärkt werden - überprüft und<br />
generell ein neues Finanzierungssystem entwickelt werden soll.<br />
Die Zweiteilung des Arbeitsmarktes<br />
Thilo Schnor<br />
Der Paritätische Gesamtverband stellt dazu fest: „Die Sparbeschlüsse<br />
und die nach der Sommerpause im Deutschen Bundestag<br />
zur Verhandlung anstehende „Instrumentenreform“ bei der aktiven<br />
Arbeitsmarktpolitik führen zu einer immer stärkeren und immer<br />
einseitigeren Konzentration der arbeitsmarktpolitischen Bemühungen<br />
auf lediglich gut und schnell vermittelbare Arbeitslose.<br />
Gleichzeitig werden die Hilfen für diejenigen, die auf absehbare<br />
Zeit ohne realistische Chance auf eine Vermittlung sind, abgebaut<br />
oder erschwert. Die Konsequenz ist eine fatale Zweiteilung des Arbeitsmarktes.<br />
Langzeitarbeitslose und schwer Vermittelbare werden<br />
dabei zunehmend „auf der Strecke“ bleiben, wenn kein Kurswechsel<br />
eingeschlagen wird, darunter viele Menschen ohne Ausbildung,<br />
Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen,<br />
ältere Arbeitslose oder ohnehin benachteiligte Jugendliche.<br />
In einem gemeinsamen Aufruf mit Sozialverbänden, Gewerkschaften<br />
und Hochschulen wird die Bundesregierung zur arbeitsmarktpolitischen<br />
Umkehr und zur Umsetzung folgender Punkte<br />
aufgefordert :<br />
t eine Rücknahme der Sparbeschlüsse in der Beschäftigungsförderung,<br />
t mehr Handlungsspielräume für die Jobcenter vor Ort,<br />
t mehr sinnvolle Beschäftigungsangebote für schwer vermittelbare<br />
Langzeitarbeitslose und<br />
t die rechtliche und finanzielle Absicherung der Institutionen,<br />
die vor Ort die Leistungen für diese Personen erbringen, so etwa<br />
Beschäftigungsunternehmen oder Fortbildungseinrichtungen.<br />
Bildungsgerechtigkeit in der Region?<br />
Und damit sind wir wieder bei der Volkshochschule. Sie gehört<br />
zu den betroffenen Trägern. In Wuppertal werden zahlreiche Maßnahmen<br />
wegbrechen, in <strong>Solingen</strong> geht es u.a. um die Maßnahmen<br />
im Internetcafé. Sie könnten nur "gerettet" werden, wenn das ört-<br />
11<br />
Blickpunkt
Blickpunkt<br />
12<br />
lich Jobcenter die finanziellen Möglichkeiten dazu hat. Insgesamt<br />
sollen ca. ein Drittel der Beschäftigten der Bergischen VHS ihre<br />
derzeitige Aufgabe verlieren. Auch wenn die Zusage gegeben wurde,<br />
dass nicht betriebsbedingt gekündigt wird, ist die Verantwortung<br />
der Städte gefragt. Die meisten MitarbeiterInnen sind schon<br />
jahrelang für ihre Kommunen tätig und engagieren sich für die<br />
VHS. Sie müssen adäquat weiter beschäftigt und - wenn es sinnvoll<br />
und erforderlich ist - für neue Aufgaben qualifiziert werden.<br />
Ein anderes Thema sind die nachträglichen Schulabschlüsse.<br />
Ende Juli meldet die örtlich Presse, dass in <strong>Solingen</strong> die Anzahl<br />
derjenigen, die in <strong>Solingen</strong> die Schule ohne Abschluss verlassen,<br />
deutlich angestiegen ist. Dennoch ist die Reduktion der Kurse, die<br />
einen nachträglichen Schulabschluss ermöglichen, noch nicht vom<br />
Tisch.<br />
Wir halten es mit der Standortbestimmung des DVV, die dazu<br />
meint:<br />
„Bildungsbenachteiligte brauchen eine zweite Chance. Nur dauerhaft<br />
gesicherte und ausreichende Förderung verspricht Erfolg im<br />
Kampf gegen Bildungsungerechtigkeit. Dies ist nicht zuletzt auch<br />
ökonomisch und gesamtgesellschaftlich von grundlegender Bedeutung.“<br />
Zurzeit werden in <strong>Solingen</strong> noch drei Kurse angeboten, die<br />
unterschiedliche Abschlüsse ermöglichen. Die Nachfrage übersteigt<br />
das Angebot bei weitem; zahlreiche junge Menschen müssen abgewiesen<br />
werden. Viele bräuchten eine für sie passende Unterstützung.<br />
Vor diesem Hintergrund darf es keine Reduzierung geben!<br />
Zusammenfassend heißt es im Text des DVV:<br />
„Weiterbildung ist unverzichtbarer Teil Lebenslangen Lernens.<br />
Ihre finanzielle Sicherung und institutionelle Verankerung ist<br />
und bleibt unverzichtbar.<br />
Hierfür werben und hierfür kämpfen wir: für eine starke Volkshochschule.“<br />
Dem können wir uns nur anschließen. Wir werden uns weiter<br />
dafür einsetzen, dass den Worten Taten folgen.<br />
Manfred Krause<br />
t Um den Aufruf zu unterstützen, kann eine Mail an folgende<br />
Adresse geschrieben werden:<br />
aufruf@arbeitsmarktpolitik-fuer-alle.de<br />
Der Paritätische Gesamtverband will diesen Aufruf mit<br />
allen Unterstützernamen Anfang <strong>September</strong> allen Abgeordneten<br />
des Deutschen Bundestages übergeben. Weitere Infos finden sich<br />
auf der Internetseite www.arbeitsmarktpolitik-fuer-alle.de
Büros<br />
Kreisverbandsbüro geöffnet mo, mi, do 10 bis 13 Uhr;<br />
Annette Müller, T· 201060, F· 12404;<br />
E· buendnis90diegruenen@telebel.de<br />
Ktonr. 868711, BLZ 34250000, SSS<br />
Fraktionsbüro geöffnet mo, di und do 10 bis 15 Uhr,<br />
mi 15 bis 18 Uhr, fr 9 bis 13 Uhr, Susanne Fingscheidt, Thilo<br />
Schnor T· 200740, F· 12404; E· gruene-sg@telebel.de<br />
Büro der Landtagsabgeordneten Sylvia Löhrmann T· 202095<br />
Adresse der oben genannten Büros ist Eiland 17, 42651 <strong>Solingen</strong>;<br />
zu erreichen mit allen O-Bussen, Haltestelle Graf-Wilhelm-Platz.<br />
Vorstand<br />
Sprecherin Edelmira Zarniko, T· 45272, E· edelmiraz@t-online.de<br />
Sprecher Reiner Daams, T· 530355, E· reiner.daams@telebel.de<br />
Kassierer Dr. Hans Peter Kubersky, T· 54249<br />
BeisitzerInnen<br />
Annette Checchin T· 318520, E· annette@checchin.de;<br />
Fariha El-Zein, E· F_elzein@hotmail.com; Jonas Friege,<br />
E· jonasfriege@gmx.de; Mario-Konstantin Pless,<br />
E· mario.konstantin@googlemail.com; Ursel Ullmann, T· 80523<br />
<strong>Grüne</strong> Welle Jan Wittebrock, E. jan.wittebrock@web.de<br />
Ratsmitglieder<br />
Nasser Firouzkhah, T· 0172/2636027, E· nasfirou@gmx.de<br />
Julia Freiwald, T· 58052, E· freiwald@wtal.de<br />
Dietmar Gaida, T· 16606, E· dietmar.gaida@web.de<br />
Frank Knoche, T· 2308415, E· frankknoche@t-online.de<br />
Havva Koru, T· 814497, E· havva.koru@gmx.de<br />
Manfred Krause, T· 2242112, E· manfred.krause.gruene@web.de<br />
Joachim Schmidt, T· 6457608, E· hennes781@gmx.de<br />
Gisela Weih, T· 2471479, E· gisela@weih-solingen.de<br />
Ursula-Linda Zarniko, T· 0163/4543331, E· u.l.zarniko@gmail.com<br />
Martina Zsack-Möllmann, T· 2591016, F· 2591017,<br />
E·martina.moellmann@rmcnet.de<br />
Bezirksvertretungen<br />
Burg/Höhscheid<br />
Eckhard Plath, T·80767, E· eckhard.plath@telebel.de;<br />
Henning Pless, T· 87660, E· suse.pless@gmx.de<br />
Gräfrath Monika Tönnies, T· 590401, E· toennies.m@t-online.de;<br />
Abdel Badache, E· abdel.badache@web.de<br />
Mitte Annette Müller, T·549742, E· anroso@gmx.de<br />
Birgit Evertz, T· 53642, E· b.evertz@gmx.de;<br />
Ohligs/Aufderhöhe/Merscheid<br />
Juliane Hilbricht, T· 5992542, E· juliane@hilbricht.de;<br />
Thilo Schnor, T· 6457946, E· t.schnor@web.de<br />
Wald Iris Michelmann, T· 593806, E· irisbluete@telebel.de;<br />
Frank Knoche, T· 2308415, E· frankknoche@t-online.de<br />
Arbeitsgemeinschaften<br />
Jugend Nancy Kaniut, T· 0176/81109936<br />
Finanzen/Beteiligungen Ursula Linda Zarniko, T· 0163/4543331<br />
Kultur Manfred Krause, T· 2242112,<br />
Migration Nasser Firouzkhah, T· 0172/2636027<br />
Soziales Julia Freiwald, T· 58052<br />
Sport Birgit Evertz, T· 53642<br />
Umwelt und Stadtplanung Dietmar Gaida, T· 16606<br />
Wirtschaft Reiner Daams, T· 530355<br />
Termine<br />
Die erweiterte Fraktion von Bündnis 90/Die <strong>Grüne</strong>n-offene<br />
Liste tagt jeden Mittwoch ab 18 Uhr in der Regel in der Geschäftsstelle,<br />
Eiland 17. Wir tagen öffentlich und freuen uns über<br />
interessierte Bürgerinnen und Bürger. Die „offene Liste“ im Namen<br />
ist Programm: Bei uns kann jeder mitmachen, auch in den<br />
politischen Gremien, unabhängig davon, ob er oder sie Mitglied ist<br />
oder nicht.<br />
Es empfiehlt sich, vorher anzurufen, da wir häufiger auswärts<br />
tagen. Im Rahmen von „Fraktion unterwegs“ informieren wir uns<br />
bei Vereinen, Verbänden und anderen Institutionen über deren Arbeit.<br />
Auch hierzu sind Interessierte herzlich eingeladen.<br />
www.gruene-solingen.de<br />
www.gruenewelle-sg.de<br />
Impressum<br />
Der <strong>Kaktus</strong> erscheint sechsmal im Jahr in einer Auflage von 1.000 Stück,<br />
wovon 150 Exemplare als Abo u.a. an grüne Mitglieder verschickt werden,<br />
850 liegen im Stadtgebiet von <strong>Solingen</strong> in Kneipen, Geschäften etc.<br />
kostenlos aus.<br />
Herausgeber:<br />
Ratsfraktion Bündnis 90/Die <strong>Grüne</strong>n-offene Liste, <strong>Solingen</strong><br />
Verantwortlich für diese Ausgabe:<br />
Ratsfraktion Bündnis 90/Die <strong>Grüne</strong>n-offene Liste<br />
Ausnahme:<br />
Verantwortlich für den Landtagsreport (Seite 22-23):<br />
Sylvia Löhrmann, MdL<br />
Redaktion: Jan Boomers, Susanne Fingscheidt (V.i.S.d.P.), Eckhard Plath,<br />
Thilo Schnor<br />
Namentlich nicht gekennzeichnete Artikel: Susanne Fingscheidt.<br />
Fotos Umschlagkakteen: Deutsche Kakteen-Gesellschaft<br />
Titelfoto: Armin Schulte<br />
Die AutorInnen der eingesandten Artikel sind jeweils benannt.<br />
Gestaltung/Layout: Jan Boomers und Erik Pieck<br />
Gesamtherstellung: satz- und druckprojekte TEXTART verlag,<br />
T· 0212/43343, F· 44787, E· TEXTART@t-online.de<br />
Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier<br />
13<br />
Service
vorgestellt<br />
14<br />
Quer durch die Ohligser Heide<br />
Unser Ausflug im Juni unter dem Motto “<strong>Grüne</strong> vor Ort” war anstatt<br />
von schönem sommerlichen Wetter leider von einem leichten<br />
Dauerregen geprägt, was aber trotzdem viele neue Gesichter nicht<br />
davon abgehalten hat zu kommen. Mit Regenschirmen wanderten<br />
wir vom Engelsberger Hof an dem Teich vorbei in die Ohligser Heide.<br />
Die Ohligser Heide hat eine wechselvolle Geschichte hinter<br />
sich. Das ursprünglich überwiegend mit heimischen Gehölzen bestandene<br />
Gebiet hat einen sehr hohen Grundwasserspiegel. An vielen<br />
Stellen tritt das Wasser zutage. Aufgrund des sandigen Bodens<br />
entstand eine Heidelandschaft. Dort wachsen bedrohte Pflanzenarten<br />
und leben mehrere Amphibien-, Reptilien- und Libellenarten.<br />
Interessant wurde der Ausflug unter der fachkundigen Führung<br />
von Dr. Jan Boomers, der über seltene Tier- und Pflanzenarten wie<br />
zum Beispiel den Sonnentau berichtete.<br />
Ganz idyllisch und schön gemacht ist auch der Heidegarten an<br />
der Langhansstraße, von einer Hecke umgeben, mit verschiedenen<br />
Pflanzen und einigen kleinen Teichen gestaltet wurde, sowie mit<br />
Sitzmöglichkeiten ausgestattet ist und den Besuchern einen angenehmen<br />
Ort für Ruhe und Rast bietet.<br />
Dann, nach langem Wandern führte uns ein Holzsteg durch ein<br />
Sumpfgebiet, anschließend ein Abstecher nach links zu einer Vogelbeobachtungshütte<br />
am See mitten im Naturschutzgebiet Ohligser<br />
Heide, von wo aus bei endlich schönerem Wetter verschiedene<br />
Arten zu besichtigen wären. Uns war das leider nicht vergönnt. Wir<br />
folgten dem Weg, der uns zum Freibad Heide brachte, das geschlossen<br />
werden soll, um der Umwandlung der Landschaft (Renaturierung)<br />
nicht im Wege zu stehen. Weiter ging’s zu einem ins<br />
Moor führenden Steg, wo Libellen und Frösche zu sehen sein sollten,<br />
die aber bestimmt aufgrund des nassen Wetters wegblieben.<br />
Durchnässt und halb erschöpft machten wir uns auf dem Rückweg<br />
zum Ausklang bei Kaffee und Kuchen.<br />
Fariha El-Zein
Klimawandel konkret erleben<br />
Noch bis Ende des Jahres zeigt das Solinger Industriemuseum<br />
eine Kinder-Aktions-Ausstellung zum Klimawandel und Umweltschutz.<br />
„Unsere Erde im Fieber“ ist als interaktive Möglichkeit konzipiert,<br />
die globalen Zusammenhänge des Klimawandels zu verstehen.<br />
In Zusammenarbeit mit der Agenda 21 Geschäftsstelle und der<br />
Verbraucherzentrale wurde ein breit gefächertes Begleitprogramm<br />
erarbeitet, wozu u.a. zwei sehr interessante Filmangebote gehören:<br />
Am Freitag, den 16. <strong>September</strong> wird um 19 Uhr „Die 4. Revolution<br />
– Energy Autonomy“ gezeigt – prominente Umweltaktivisten,<br />
Nobelpreisträger, innovative Unternehmer und Politiker zeigen in<br />
diesem Film, dass der Umstieg auf 100 % Erneuerbare Energien<br />
innerhalb der nächsten 30 Jahre möglich ist. Die 4. Revolution<br />
bietet Chancen für eine nachhaltige ökonomische Entwicklung und<br />
soziale und ökonomische Gerechtigkeit. Er macht Mut und zeigt,<br />
dass der Plan, aus dem Bergischen Land eine 100 % Erneuerbare<br />
Energien Region zu machen, durchaus realistische Chancen hat,<br />
verwirklicht zu werden.<br />
Am Freitag, den 30. <strong>September</strong> folgt – ebenfalls um 19 Uhr –<br />
erscheint der Film „Good food – bad food“ – ein Film der Mut<br />
macht, als KonsumentIn durch bewusste Kaufentscheidungen an<br />
der Umkehr unserer weltweiten Ausbeutung von Boden und Artenvielfalt<br />
mitzuwirken. Die französische Regisseurin Coline Serreau<br />
zeigt faszinierende Persönlichkeiten, die vielfältige Lösungen für<br />
die intelligentere Nutzung unserer begrenzten Ressourcen gefunden<br />
haben. Menschen, die sich dafür einsetzen, dass Lebensmittel<br />
ohne eine Vergiftung der Böden durch Pestizide und Dünger hergestellt<br />
werden, die sich in ihrem Engagement gegen die Macht der<br />
wenigen Weltkonzerne stellen, die das Saatangebot kontrollieren,<br />
monopolisieren und damit die natürliche Saatenvielfalt zerstören.<br />
Der Eintritt zu beiden Filmen ist frei. Gezeigt werden die Filme<br />
im Veranstaltungsraum des Museums, Merscheider Str. 289-297,<br />
<strong>Solingen</strong>.<br />
Energiewender vor Ort<br />
Bergisch Energisch – Die Initiative der bergischen <strong>Grüne</strong>n<br />
Mit ihrer Ablehnung der Atomenergie ist die Energiefrage Gründungsthema<br />
der <strong>Grüne</strong>n. Um eine auf erneuerbare Energien fußende<br />
Energieerzeugung auch vor Ort verstärkt in die Wege zu leiten,<br />
arbeiten die <strong>Grüne</strong>n Kreisverbände <strong>Solingen</strong>, Wuppertal, Remscheid,<br />
Leverkusen sowie aus den Rheinisch-Bergischen-, Oberbergischen<br />
und Mettmanner Kreis unter dem Label Bergisch Energisch<br />
seit einigen Jahren zusammen. Aber leider bedurfte es erst eines<br />
Super-Gaus in Japan, um eine von breiten Gesellschaftsschichten<br />
getragene Energiewende in Deutschland wirklich anzugehen. Mit<br />
dem definitiven Ausstieg aus der Atomenergie wird die Energiewende<br />
konkret. Umso wertvoller ist vor diesem Hintergrund die<br />
bereits im Arbeitskreis Bergisch Energisch geleistete Vorarbeit. Neben<br />
Informationsbroschüren zu den Erneuerbaren gab die Gruppe<br />
auch den Anstoß zu der Veranstaltung „hunderprozent-erneuerbar“,<br />
die am 15. Juli auf dem Campus der Wuppertaler Universität<br />
stattfand. Ziel der Veranstaltung war, ganz im Sinne der grünen<br />
Energiepolitik, den Stadtschuss dafür zu geben, dass die in der<br />
bergischen Region verbrauchte Energie in Zukunft auch zu annähernd<br />
100 % aus hier erzeugten erneuerbaren Energien stammt. In<br />
einem gemeinsamen Kraftakt haben hierfür die Bergische Entwick-<br />
Susanne Fingscheidt<br />
lungsagentur, das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie,<br />
die Wuppertaler Universität, der Wupperverband, die Kreishandwerkschaft<br />
Wuppertal sowie die Energie Agentur NRW einen ersten<br />
Kongress mit vielen Fachvorträgen und Foren organisieren können.<br />
Weitere Informationen zum Kongress, der als Auftakt für nun jährlich<br />
stattfindende Veranstaltungen zu diesem Thema gilt, sind für<br />
Interessierte in einer Filmdokumentation unter mms://stream.uniwuppertal.de/hundertprozent_erneuerbar.wmv<br />
abrufbar. Auf dem<br />
Kongress hat sich auch die in Gründung befindliche Bergische Bürgerkraft<br />
Energiegenossenschaft (Vorgesellschaft) erstmals öffentlich<br />
präsentiert und für die Genossenschaft geworben. Wir wollen<br />
sie hier ebenfalls vorstellen, da die Akteure zum Teil in Bergisch<br />
Energisch engagiert sind. Als ein Beispiel von „Energiewendern“<br />
vor Ort beginnen wir damit die Reihe zur Energiewende, die in den<br />
nächsten Ausgaben des <strong>Kaktus</strong> immer wieder über Aktuelles aus<br />
diesem Bereich berichten wird. Bergisch Energisch selbst bleibt<br />
auch im zweiten Halbjahr aktiv. Geplant sind in den Städten und<br />
Gemeinden der beteiligten Kreisverbände Themenveranstaltungen<br />
unter der Überschrift „bergisch energisch on tour“.<br />
Bergische Bürgerkraft Energiegenossenschaft (Vorgesellschaft)<br />
15<br />
vorgestellt
vorgestellt<br />
16<br />
Die Initiatoren Rolf Kinder, Raimond Klitsch, Klaus Lüdemann,<br />
Beate Petersen und Klaus von der Gathen können nun schon bald<br />
die Gründung der aus ihrer Idee erwachsenden Energiegenossenschaft<br />
feiern. So ist die Gründungsversammlung noch für dieses<br />
Jahr geplant. Die Genossenschaftler selber beschreiben sich in ihrem<br />
Flyer als Bürger, die endlich handeln wollen für eine nachhaltige,<br />
erneuerbare und dezentrale Energieversorgung. Sie werden<br />
die Region Bergisches Land auf dem Weg zu 100 % Erneuerbarer<br />
Energie unterstützen. Die zukünftige Bergische Bürgerkraft Energiegenossenschaft<br />
– kurz bbke – plant, Solaranlagen und später<br />
auch Windkraftanlagen in der Bergischen Region zu errichten und<br />
zu betreiben. Viele Menschen, so ihre Argumentation, können über<br />
die Beteiligung an erneuerbaren Energien einen Beitrag zur Energiewende<br />
leisten. Die bbke gibt ihnen die Gelegenheit, ab 500 Euro<br />
Genossenschaftsanteil direkt auf die Energiepolitik vor Ort Einfluss<br />
zu nehmen, in der Form einer Genossenschaft die direkte Demokratie<br />
zu leben und die dezentrale und erneuerbare Energieversorgung<br />
zu fördern.<br />
Als erstes Projekt denkt die zukünftige Genossenschaft an die<br />
Errichtung einer ca. 30 kWp Solaranlage auf einem Schuldach in<br />
Wuppertal. Danach sind weitere Solaranlagen in der Region geplant.<br />
Die Mitglieder werden auf ihre eingezahlten Anteile eine<br />
Ausschüttung erhalten. Eine Windkraftanlage in der bergischen<br />
Region ist bei einer positiven Geschäftsentwicklung für die bbke<br />
in den nächsten Jahren vorstellbar.<br />
Mit der Gesellschaftsform der Genossenschaft, so hebt die bbke<br />
hervor, wird die direkte Demokratie bewusst gelebt und zugleich<br />
die persönliche Haftung auf die eigene Einlage begrenzt. Zur Organisation<br />
der Genossenschaft gehören die Organe Mitgliederversammlung,<br />
Vorstand und Aufsichtsrat. Das operative Geschäft wird<br />
in dieser Arbeitsteilung vom Vorstand organisiert. Der Aufsichtsrat<br />
wird die Arbeit des Vorstands kontrollieren und sich regelmäßig<br />
(mind. viermal im Jahr) vom Vorstand über den Fortgang der Geschäfte<br />
berichten lassen. Die Mitgliederversammlung beschließt<br />
den Wirtschaftsplan und erteilt den Vorständen Entlastung. Weitere<br />
Informationen und eine unverbindliche Interessenbekundung<br />
zur Beteiligung an der bbke sind auf der website der zukünftigen<br />
Genossenschaft einsehbar: http://bergische-buergerkraft.de.<br />
Thilo Schnor
Altschuldenhilfe – Land in Sicht?<br />
Ohne ausreichende und massive Hilfe durch das Land NRW und<br />
den Bund ist die Haushaltssituation vieler NRW-Städte und Gemeinden<br />
nicht wirklich grundlegend zu verbessern. Dies war und<br />
ist Allgemeingut jeder ernsthaft geführten politischen Diskussion,<br />
zumal seit dem Jahr 2000 die Stadt <strong>Solingen</strong> jährlich über 25 Mio.<br />
Euro (!) mehr zahlen muss infolge zusätzlicher von Land und Bund<br />
übergestülpter neuer Aufgaben, für die kein (ausreichendes) Geld<br />
bereitgestellt wurde. Das ergab unsere Ratsanfrage bereits vor<br />
zwei Jahren.<br />
Umso überraschter musste man vor den Sommerferien sein, als<br />
<strong>Solingen</strong> nicht zu den Städten gehören sollte, die in den Genuss<br />
des 350 Mio. Euro starken Altschuldenhilfefonds kommen, da in<br />
unserer Stadt bis 2013 noch keine Überschuldung angezeigt sei.<br />
Dies gelang aber nur deshalb, weil der Stadtrat im letzten Jahr ein<br />
erneutes drastisches Sanierungspaket mit strukturellen jährlichen<br />
Einsparungen in Höhe von ca. 44 Mio. Euro verabschiedet hatte,<br />
das ihn laut Finanzaufsicht der Bezirksregierung ganz besonders<br />
für den Altschuldenhilfefonds prädestinieren würde.<br />
Mit der Entscheidung der neuen Landesregierung, „nur“ 350<br />
Mio. Euro für die 34 bis 2013 als überschuldet geltenden Städte<br />
und Gemeinden bereit zu stellen und alle anderen (erst einmal)<br />
leer ausgehen zu lassen, brach man mit der Logik des noch von<br />
der alten Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachtens der<br />
Professoren Lenk und Junkernheinrich (und darauf basierenden<br />
Landtagsresolutionen), die empfahlen, allen überschuldeten Kommunen<br />
zu helfen (was die alte CDU/FDP-Landesregierung im Übrigen<br />
noch bis zu den Landtagswahlen konsequent hinausgezögert<br />
und abgelehnt hatte).<br />
Die Hilfekriterien sollten vor allem sein: Höhe der jeweiligen<br />
Liquiditätskredite und die Höhe des strukturellen Defizits. Teilnahme<br />
und Regeln sollten für alle Kommunen verpflichtend sein. Zur<br />
Finanzierung sollten Bund, Land, die besser gestellten Kommunen<br />
und die notleidenden Städte selbst (etwa in Form von Grundsteuererhöhungen)<br />
herangezogen werden. Der Bund kam dieser Aufforderung<br />
nur sehr unzureichend nach, die besser gestellten Kommunen<br />
wollen gar keinen Solidarbeitrag leisten und der Spielraum der<br />
notleidenden Kommunen ist auch für Steuererhöhungen sehr begrenzt.<br />
So entschied das Innenministerium vor den Sommerferien,<br />
in einem ersten Schritt nur den praktisch schon überschuldeten<br />
Städten und Gemeinden mit 350 Mio. Euro jährlich über einen Zeitraum<br />
von 10 Jahren zu helfen. Auf die Ausarbeitung eines zweiten<br />
Schrittes wurde verzichtet, so dass alle anderen Städte erstmal<br />
leer ausgehen sollten, was bei den fast überschuldeten Kommunen<br />
wie <strong>Solingen</strong>, Essen, Leverkusen oder Herne auf keinerlei Verständnis<br />
stieß. Die Proteste wurden lauter, die Landes-CDU witterte<br />
Morgenluft und die Entscheidung wurde verschoben.<br />
Jetzt soll der Stadt <strong>Solingen</strong> und vergleichbaren anderen Städten<br />
in einer zweiten Runde geholfen werden, die sukzessive ab<br />
2012 greift – sicherlich ein Fortschritt. Aber das Aufkommen der<br />
Sparleuchten<br />
Gelder ist nicht gesichert. Es soll von den bessergestellten (sprich<br />
abundanten) Kommunen aufgebracht werden – eine Rechnung mit<br />
vielen Unbekannten. Wir hätten uns gewünscht, dass in einem<br />
Nachtrag o.ä. die Summe der Altschuldenhilfe signifikant aufgestockt<br />
und für die Zukunft ein klares und belastbares Finanzierungskonzept<br />
für die zweite Stufe der Entlastung vorgelegt worden<br />
wäre.<br />
Fazit: Die Diskussion ist erneut eröffnet, Land ist in Sicht, aber<br />
das Ufer noch längst nicht erreicht.<br />
Wenn eine große Anzahl der NRW-Kommunen sich nicht weiter<br />
auf den Weg in den Konkurs begeben soll und die kommunalen Liquiditätskredite<br />
in NRW von zur Zeit rund 20 Mrd. Euro nicht perspektivisch<br />
auf über 50 Mrd. Euro (!) im Jahre 2020 steigen sollen,<br />
dann „ist es notwendig, dass alle Kommunen des Landes in<br />
die Lage versetzt werden, den Haushaltsausgleich erreichen zu<br />
können“, so eine Kernaussage in der Zusammenfassung des<br />
Lenk/Junkernheinrich-Gutachtens. Und das geht nur mit massiver<br />
Unterstützung aus Düsseldorf und Berlin.<br />
Manfred Krause, Martina Zsack-Möllmann<br />
17<br />
Fraktion in Aktion
Fraktion in Aktion<br />
18<br />
Lapawa gegen Tönnies<br />
In der letzten Ausgabe des kaktus hat unsere Bezirksvertreterin<br />
Monika Tönnies im Rahmen des Schwerpunktes „Stadtplanung“ einen<br />
Artikel veröffentlicht, der sich mit der Entwicklung in Gräfrath<br />
beschäftigt. Es ist bekannt, dass der Solinger Unternehmer Siegfried<br />
Lapawa, der mittlerweile nach Langenfeld „ausgewandert“<br />
ist, vor allem im als Puppenstube von <strong>Solingen</strong> bezeichneten Gräfrath<br />
diverse Immobilien gekauft hat. U.a. den Gräfrather Bahnhof,<br />
dessen Verfallsgeschichte über Jahre hinweg auch Inhalt diverser<br />
Zeitungsartikel von Tageblatt und Morgenpost sowie Gegenstand<br />
von Prozessen zwischen dem neuen Eigentümer und der<br />
Stadt gewesen ist.<br />
Gegen einige kritische Äußerungen der Autorin hatte Herr Lapawa<br />
Antrag auf einstweilige Verfügung gegen sie und den Kreisverband<br />
von Bündnis 90/Die <strong>Grüne</strong>n gestellt, mit dem Ziel Monika<br />
Tönnies möge eine „Unterlassungserklärung“ unterzeichnen, und<br />
der Artikel möge aus dem Internet entfernt werden. Auf unser Angebot,<br />
in der nächsten (d.h. dieser) Ausgabe des kaktus eine<br />
Gegendarstellung zu veröffentlichen, hatte man nicht reagiert.<br />
Die Verhandlung war – man möchte sagen interessant. Das Gericht<br />
hatte sich aufgrund der ausführlichen Antragsschrift der<br />
Gegenseite bereits ein festes Bild gemacht und äußerte schon eingangs<br />
des Verfahrens, dass man der Argumentation des Klägers eigentlich<br />
folgen wolle. Unsererseits wurde geltend gemacht, dass es<br />
sich beim fraglichen Satz – Gräfrath drohe Leerstand und Dahingammeln<br />
– um eine Meinungsäußerung handele, zumal Monika<br />
Tönnies in den Jahren ihres kommunalpolitischen Engagements in<br />
verschiedenen Gremien immer wieder über die unterschiedlichsten<br />
Planungen des Herrn Lapawa diskutiert hatte, von denen viele Vieles<br />
versprachen, dann aber doch nicht realisiert wurden. In persönlichen<br />
Gesprächen mit den BV-VertreterInnen und dem Unternehmer<br />
wurde mehrfach versucht, seine Planungen auf den Weg zu<br />
bringen. Trotzdem behauptete er im Gerichtssaal, Monika noch nie<br />
kennen gelernt zu haben.<br />
Zwischendurch sorgte Herr Lapawa für Aufruhr, indem er anhub<br />
zu sagen: „Frau Tönnies, wären Sie eine normale Hausfrau, dann<br />
... “. Die folgenden Proteste des Gerichts verhinderten ein Fortfahren.<br />
Eigentlich bedauerlich. Vielleicht wäre es interessant gewesen<br />
zu erfahren, was eine normale Hausfrau in ihm bewegt hätte. Möglicherweise<br />
hätte er der „normalen Hausfrau“ den Artikel nachgesehen,<br />
weshalb zu vermuten ist, dass er hier doch eher aus persönlichen<br />
Gründen die Verhandlung provoziert hat. Und natürlich<br />
hätten wir gerne die Beweisführung von Monika gehört, warum sie<br />
als „normale Hausfrau“ gelten könnte was auch immer das bedeuten<br />
mag! So bleibt festzustellen, dass das Frauenbild des Herrn<br />
Lapawa nicht Gegenstand der Verhandlung war und von daher undiskutiert<br />
bleiben musste.<br />
Gegen Ende der Verhandlung versuchte der Richter, die Parteien<br />
zu einem Vergleich zu bewegen, der von unserer Seite auch angeboten<br />
(Gegendarstellung im kaktus, fraglichen Artikel aus dem<br />
Internet entfernen, jedoch keine Unterzeichnung der Unterlassungserklärung),<br />
von der Gegenseite aber abgelehnt wurde. Damit<br />
war eine gütliche Einigung gescheitert.<br />
Das Gericht hat am Nachmittag nach erneuter Beratung entschieden,<br />
dem Antrag von Lapawa stattzugeben*; es hat die entsprechenden<br />
Aussagen des Artikels nicht als Meinungsäußerung<br />
sondern als Tatsachenbehauptung gewertet. Das ist aus unserer<br />
Sicht erstaunlich. Unseres Erachtens wird hierdurch die Presseund<br />
Meinungsfreiheit massiv angegriffen. Monika Tönnies und der<br />
Kreisverband werden das weitere Vorgehen nach Eingang der<br />
schriftlichen Begründung der Entscheidung prüfen und weitere<br />
rechtliche Schritte diskutieren. Fortsetzung folgt also, sowohl in<br />
der nächsten kaktus-Ausgabe als auch hier, denn unser Fraktionssprecher<br />
Manfred Krause hat sich noch einmal mit der Unternehmerpersönlichkeit<br />
Siegfried Lapawa beschäftigt.<br />
Susanne Fingscheidt<br />
* Hier die Entscheidung des Gerichts:<br />
Den Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden<br />
Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von bis zu<br />
250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft<br />
von bis zu sechs Monaten, untersagt, wörtlich oder sinngemäß<br />
zu behaupten,<br />
a. Das Café Florian mit dem Gräfrather Hof sei das einzige Gebäudeareal<br />
des Verfügungsklägers in Gräfrath, das ordnungsgemäß<br />
betrieben werde,<br />
und/oder<br />
b. Gräfrath drohe Leerstand und ein Dahingammeln, insbesondere<br />
in Bezug auf folgende Liegenschaften in <strong>Solingen</strong>-Gräfrath<br />
- Hotel zur Post<br />
- Gasthaus Paparazzi<br />
- Martkplatz 3<br />
- Klosterbräu<br />
- Sternensaal<br />
- Meiers<br />
- Ehemalige Bäckerei<br />
- Gräfrather Bahnhof<br />
- Gewerbefläche Wuppertaler Straße<br />
insbesondere unter Hervorrufung des Eindrucks, Grund hierfür<br />
seien Entscheidungen des Verfügungsklägers.<br />
Susanne Fingscheidt
„Der schillerndste Unternehmer der<br />
Stadt“ (Solinger Tageblatt (ST), 13.8.2004)<br />
„Und wohl auch der umstrittenste: Silag Chef Siegfried Lapawa“<br />
schrieb der nach Bonn weitergezogene ehemalige Tageblatt-Chefredakteur<br />
Andreas Baumann in einer Überschrift zu einem Portrait<br />
des wohl auch umtriebigsten und streitbarsten Solinger Unternehmers.<br />
Diesmal hat es auch den <strong>Kaktus</strong>, die Solinger <strong>Grüne</strong>n und die<br />
grün-offene Bezirksvertreterin Monika Tönnies „erwischt“: Statt<br />
sich mit einer Gegendarstellung oder einem Wortbeitrag zu dem<br />
Artikel von Monika Tönnies aus der letzten Ausgabe unserer Zeitung<br />
unter dem von Lapawa nicht beanstandeten Titel „Großgrundbesitz<br />
in kleinen Gässchen“ Gehör zu verschaffen, wird die<br />
Keule der Unterlassungserklärung bemüht, eine Variante der juristisch-politischen<br />
Auseinandersetzung, die uns bislang erspart<br />
blieb. Sie dient wohl vor allem der Einschüchterung, denn aus unserer<br />
Sicht trifft die Klage nicht den Inhalt des Artikels von Monika<br />
Tönnies, sondern überinterpretiert diesen bewusst oder unbewusst.<br />
Und natürlich kein Eingehen auf die „lange Liste“ der Erfahrungen<br />
mit dem Unternehmer, der sich zum Teil im Streit aus <strong>Solingen</strong><br />
zurückgezogen und seine Handels- bzw. Geschäftsaktivitäten vor<br />
einigen Jahren nach Langenfeld verlagert hat. Der Grundstein der<br />
späteren Silag-Metallwaren/(Handel) AG war die Gründung der Nivella<br />
Besteckteilfertigung in <strong>Solingen</strong> im Jahre 1985. Nur zwei<br />
Jahre später, 1987, wurde die Besteckfabrik Chromolit inklusive<br />
der Produktionsstätten in Kanada und nach Gründung des Mutterhauses<br />
1994 im Zuge „kostenoptimaler Fertigungsprozesse“ in<br />
Indonesien das Produktionsunternehmen „PT Fox International<br />
Indonesia“ gegründet, wobei um die Jahrtausendwende hier rund<br />
3.500 (!) Menschen für die Silag AG tätig gewesen sein sollen<br />
(laut ST vom 8.7.2000).<br />
Mit neuen geschäftlichen Aktivitäten ist Siegfried Lapawa seitdem<br />
sozusagen jährlich in den Lokalteilen der Solinger Tagespresse<br />
vertreten: der letzte (fehlgeschlagene) Coup, der im Juni <strong>2011</strong><br />
versuchte Ankauf der historischen Karmann-Fahrzeugsammlung.<br />
Hier blieb jedoch VW der Sieger. „An Siegfried Lapawas unternehmerischem<br />
Engagement scheiden sich die Geister. Da fragen sich<br />
andere Unternehmer gleichermaßen beeindruckt wie irritiert, woher<br />
er nur all das Geld nimmt“, so der ehemalige Chefredakteur der<br />
Solinger Morgenpost (SM), Jörn Tüffers, im Februar 2002, kurz<br />
nachdem Lapawa – bestückt mit einem Geldkoffer – die traditionsreiche<br />
Papierfabrik Jagenberg an der Wupper bar erwarb und Investitionen<br />
in Höhe von knapp drei Millionen Euro ankündigte. Investitionen,<br />
aus denen dann allerdings nichts mehr wurde.<br />
Aber Siegfried Lapawa muss auch drauf zahlen. Nicht zu knapp<br />
war das Bußgeld, das er für die unerlaubte und trotz vorheriger<br />
Unterrichtung durch die Stadt durchgeführte Fällung von „49 Bäu-<br />
men der Gattungen Pappel, Weide und Esche“ (so die Beantwortung<br />
der Ratsanfrage des damaligen Ratsmitglieds Gudrun Wüsthoff,<br />
einst mittelstandspolitische Sprecherin der Solinger CDU) auf<br />
seinem im Landschaftsschutzgebiet liegenden weitläufigen Grundstück<br />
an der Bonner Straße (eines der ehemaligen Berg-Villen) zu<br />
zahlen hatte. Zu 11.500 Euro verurteilte das Wuppertaler Landgericht<br />
ihn im August 2003, weil er die gefällten Bäume auf einem<br />
geschützten Feuchtgebiet „an vier Tagen zu Scheiterhaufen aufgetürmt“<br />
(SM, 14.8.2003) verbrannt hatte – ein Urteil, das das Oberlandesgericht<br />
Düsseldorf Ende 2003 bestätigte, zu einer Zeit, wo<br />
die Stadt über ein erneutes Bußgeld nachdachte, da Lapawa ein<br />
Osterfeuer durchgeführt haben soll, dass die Tiere im Holzhaufen<br />
gleich mit verbrannten. CDU-Fraktionschef Krebs damals: „Es sei<br />
beruhigend, dass manche Leute nicht alles ungestraft machen können.“<br />
(SM 16.12.03).<br />
Lediglich mit behördlichen Auflagen versehen, durfte Siegfried<br />
Lapawa einen der wenigen Hubschrauberlandeplätze in <strong>Solingen</strong><br />
auf seinem Grundstück am Rande der Ohligser Heide anlegen. Und<br />
ohne gerichtlich belangt zu werden, konnte er auch dem Verfall<br />
des Gräfrather Bahnhofs zusehen, den er vor rund elf Jahren als<br />
eine seiner ersten Gräfrather Immobilien erwarb „Alter Bahnhof<br />
wird wie damals“ titelte die Morgenpost am 15.2.2000 hoffnungsfroh.<br />
Es kam anders. Die Denkmaleigenschaft des Gebäudes musste<br />
erst vor kurzem nach einem Rechtsstreit zwischen der Stadt und<br />
Lapawa aufgegeben werden, der Bahnhof ist abbruchreif. Lapawa –<br />
einst einer der Hauptsponsoren des Fußballvereins Union <strong>Solingen</strong>,<br />
dann des Handballbundesligisten SG <strong>Solingen</strong> – schied oft im Unfrieden<br />
von seinen Sponsor- und Geschäftsaktivitäten bzw. partnern,<br />
so etwa vom Chef der Rema-Hotelgruppe, Rene Pierre Marquigny,<br />
der Lapawa den „Gräfrather Hof“ schließlich alleine überließ.<br />
„Schnelle Autos, Flugzeuge, ein aufwendiges Anwesen in Ohligs,<br />
teure Geschenke“ schrieb Ex-Morgenpost-Chefredakteur Tüffers<br />
über Lapawa. Und: „Um Anerkennung geht es dem Mann, dessen<br />
Anfangsbuchstaben den Firmennamen gebildet haben, in allem,<br />
was er tut.“ Dem Aufsichtsrat seines Handelsunternehmens,<br />
an dem Siegfried Lapawa laut eigener Aussage die Aktienmehrheit<br />
hält, stand lange mit dem ehemaligen CDU-Verteidigungsstaatssekretär<br />
Bernd Wilz eine politische Größe vor.<br />
Nach dem Umzug der Handelszentrale von Gräfrath nach Langenfeld<br />
scheint sich Siegfried Lapawa in <strong>Solingen</strong> vornehmlich auf<br />
Immobiliengeschäfte zu konzentrieren und nach Jahren des Umbaus<br />
(und natürlich auch von Prozessen) kann er mit dem renovierten<br />
Tückmantel-Haus in der Stadtmitte auch einen weithin<br />
sichtbaren Erfolg vorweisen. Sein Hauptschwerpunkt liegt jedoch<br />
19<br />
Fraktion in Aktion
Fraktion in Aktion<br />
20<br />
in Gräfrath, wo er in den letzten 10 bis 12 Jahren ein Grundstück<br />
bzw. Gebäude nach dem anderen kaufte, meist verbunden mit<br />
hochfliegenden Plänen, die oftmals nicht eingehalten wurden.<br />
Liegt es da nicht auf der Hand, das Geschäftsgebaren des Herrn<br />
Integration gestalten<br />
Bereits vor einigen Jahren hat die Stadt <strong>Solingen</strong> in einem<br />
recht aufwändigen Beteiligungsverfahren und mit Hilfe von externen<br />
Fachleuten ein Integrationskonzept erarbeitet, das als „Vision<br />
Zusammenleben 2010“ natürlich über das genannte Jahr hinaus<br />
fortgeschrieben werden sollte. Es war anerkannter politischer Wille,<br />
„das friedliche Zusammenleben Aller in <strong>Solingen</strong> zu garantieren<br />
durch eine stärkere Partizipation und Einbindung der ausländischen<br />
Bevölkerung“, so die offizielle Lesart. Als <strong>Grüne</strong> haben wir<br />
das Projekt natürlich unterstützt, die politische und gesellschaftliche<br />
Teilhabe aller EinwohnerInnen unserer Stadt war schon immer<br />
Ziel unseres politischen Engagements.<br />
Verwaltungsentwurf überarbeiten<br />
In der Juni-Sitzung des Zuwanderungs- und Integrationsrates<br />
wurde nun der Verwaltungsvorschlag für das „Interkulturelle Gesamtkonzept<br />
2020. Vision 2020.“ vorgelegt. Die politischen VertreterInnen<br />
baten um Verschiebung der Entscheidung, da binnen<br />
weniger Tage eine kritische Durchsicht kaum zu leisten war. Das<br />
hat Oberbürgermeister Norbert Feith in der Presse kritisiert und<br />
den Parteien vorgeworfen, sie wollten das Integrationskonzept behindern<br />
und verzögern. Das ist ziemlicher Unsinn! Im Gegenteil –<br />
gerade der ZuWi hat doch ein großes Interesse daran, ein konkretes<br />
Maßnahmenpaket mit klaren politischen und gesellschaftlichen<br />
Zielen zu verabschieden, als Leitfaden für Verwaltungshandeln und<br />
zukünftige politische Entscheidungen!<br />
Allerdings sollten die Maßnahmen auf Grundlage aktueller Daten<br />
erarbeitet werden. Und die liegen erst in der <strong>September</strong>-Sitzung<br />
vor. Zeit genug also, um sich mit dem Verwaltungsentwurf<br />
intensiv zu beschäftigen.<br />
Bereits jetzt haben wir feststellen können, dass die Anregungen<br />
aus der letzten Ratsperiode, die aufgrund der Evaluation des<br />
2010er Konzeptes im Integrationsrat erarbeitet wurden, keinen<br />
Eingang in den Verwaltungsentwurf gefunden haben. Das muss<br />
nachgearbeitet werden! Und auch die Klage der Vereine und Verbände,<br />
nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden zu<br />
sein, muss erst genommen werden. Gleiches gilt für die Akteure in<br />
den einzelnen Stadtquartieren, die aus unserer Sicht sehr viel stärker<br />
einbezogen werden müssen. Es gibt neben Vereinen und Verbänden<br />
eine Vielzahl von Einrichtungen, dezentral organisiert, deren<br />
MitarbeiterInnen mit hohem Engagement und meist kleinem<br />
Budget sehr gute Arbeit leisten.<br />
Lapawa besonders kritisch zu sehen – vor allen Dingen nach dem<br />
völligen Verfall des Gräfrather Bahnhofs?<br />
Manfred Krause<br />
Und schließlich muss der Integrationsbegriff einmal grundsätzlich<br />
diskutiert werden. Im Verwaltungsentwurf wird er als Frage<br />
des Wollens, des Verhaltens und der inneren Einstellung der ausländischen<br />
Bevölkerung gesehen. Also als deren Bringschuld. Fakt<br />
ist jedoch, dass nachweislich massive Zugangsbarrieren für MigrantInnen<br />
zu den Institutionen und Regeldiensten sowie bezüglich<br />
einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe insgesamt<br />
bestehen. Der Abbau institutioneller Barrieren muss also explizit<br />
als Ziel eines solchen Konzeptes formuliert werden.<br />
Eigentlich müsste man sogar noch weiter gehen: Ähnlich, wie<br />
im Schulbereich sollte der Begriff Inklusion den der Integration<br />
ersetzen. Denn hier wie dort geht es vor allem um eine Aufhebung<br />
des Gegensatzes von Mehrheits- und Minderheitsangehörigen mit<br />
dem Anspruch der Mehrheit, die Minderheit aufnehmen zu wollen<br />
nach dem Motto: Wir definieren die gesellschaftlichen Strukturen,<br />
ihr dürft mitmachen, wenn ihr euch gut benehmt. Inklusion hingegen<br />
geht davon aus, dass wir alle gleichberechtigt unser Gemeinwesen<br />
gestalten und von daher alle gemeinsam die Verantwortung<br />
dafür tragen, dass Diskriminierung nicht passiert, weder<br />
strukturell noch im persönlichen Umgang. Demzufolge hat jeder<br />
einzelne eine Bringschuld. Auch da muss nachgearbeitet werden.<br />
Wir haben an dieser Stelle nur einige wenige Kritikpunkte genannt,<br />
es gibt weit mehr, die wir in einem entsprechenden Änderungsantrag<br />
in die nächste Sitzung des Integrationsrates einbringen<br />
werden. Es wäre schön, wenn der bisher gute Ruf <strong>Solingen</strong>s im<br />
Bereich Integration durch ein konkretes, umsetzbares Integrationskonzept<br />
untermauert würde!<br />
Susanne Fingscheidt
Sozialticket auch für <strong>Solingen</strong><br />
Endlich ist es soweit: Die Kommunen im VRR können die Einführung<br />
eines Sozialtickets für eine erste Pilotphase (Nov. <strong>2011</strong> –<br />
Ende 2012) beantragen. Mit diesem Ticket können alle Menschen,<br />
die entweder Hartz-IV oder ergänzende Sozialhilfe beziehen oder<br />
in Altersarmut leben, zu einem deutlich verbilligten Tarif den Öffentlichen<br />
Personennahverkehr nutzen. Damit wird sichergestellt,<br />
dass alle Menschen, unabhängig von ihrem Einkommen, ausreichend<br />
mobil sind.<br />
Denn in einer sich immer rascher wandelnden Welt, mit unsteten<br />
Berufsbiographien und höchsten Anforderungen an die Arbeitnehmerschaft<br />
ist Mobilität auch eine Grundvoraussetzung für eine<br />
erfolgreiche Teilhabe an Gesellschaft und Arbeitswelt. Aber: Der<br />
Öffentliche Personennahverkehr sichert nicht nur die tägliche Mobilität<br />
vieler tausender Pendlerinnen und Pendler, er ist auch ein<br />
extrem wichtiger Beitrag zum Klimaschutz in unseren Kommunen.<br />
Deswegen darf Mobilität nicht zu einem unbezahlbaren Luxus werden,<br />
und deswegen halten wir <strong>Grüne</strong> die Einführung eines Sozialtickets<br />
für zwingend erforderlich.<br />
Die rot-grüne Landesregierung hatte zur Unterstützung der<br />
Kommunen bei der Einführung des Sozialtickets 30 Mio. Euro für<br />
<strong>2011</strong> zur Verfügung gestellt, die natürlich noch nicht abgerufen<br />
wurden. Per Erlass des Verkehrs- und des Innenministeriums ist<br />
nun sichergestellt, dass die Mittel ins nächste Jahr übertragen<br />
werden können. Damit ist klar: In der Probephase bis etwa Ende<br />
2012 wäre die Finanzierung des Tickets für die beteiligten Kommunen<br />
gesichert. Das zeigen auch Probeberechnungen des VRR. Nach<br />
der Probephase gehen wir davon aus, dass das Sozialticket auch<br />
ohne Landesfinanzierung aufgrund steigender Nutzerzahlen kostenneutral<br />
ausgegeben werden kann, da auch die Verwaltungskosten<br />
bei Nutzung eines effizienten Verfahrens überschaubar bleiben.<br />
Gemäß Verfügung der Bezirksregierung muss die Einführung des<br />
Tickets bis Ende <strong>September</strong> von den örtlichen Parlamenten beschlossen<br />
werden. Die nächste reguläre Ratssitzung der Stadt <strong>Solingen</strong><br />
findet jedoch erst Mitte Oktober statt – zu spät, um ein<br />
sinnvolles Instrument zur Sicherung von klimagerechter Mobilität<br />
in unserer Stadt unter Nutzung der Landesförderung umsetzen zu<br />
können.<br />
Da der Oberbürgermeister auf unsere Frage hin nicht verbindlich<br />
erklären konnte, wie er die Einhaltung der Beantragungsfrist<br />
sichern wollte, haben wir gemeinsam mit SPD, BfS und der Linken<br />
eine Sondersitzung des Rates beantragt, die am 22.9. stattfinden<br />
soll, damit wir fristgerecht die Einführung des Sozialtickets in <strong>Solingen</strong><br />
beschließen können. Manchmal muss man den Oberbürgermeister<br />
eben zum Jagen tragen!<br />
Susanne Fingscheidt<br />
21<br />
Fraktion in Aktion
Landtagsreport<br />
22<br />
Neues aus Düsseldorf<br />
Ein Jahr Rot-Grün<br />
Als wir uns im Juli 2010 dazu entschieden haben, mit der SPD<br />
in einer Minderheitsregierung zusammenzuarbeiten, haben wir mit<br />
aufregenden Zeiten gerechnet. Wir hatten Recht – aber es hat sich<br />
für Nordrhein-Westfalen gelohnt!<br />
Nachtragshaushalt 2010<br />
Die Rüttgers-Regierung hatte uns mit Lehrerlücke, nicht ausfinanzierten<br />
Kitas, WestLB u.v.m. auch haushaltspolitisch etliche<br />
Aufräumarbeiten hinterlassen, so dass ein Nachtragshaushalt für<br />
das Jahr 2010 zwingend erforderlich wurde. Trotzdem klagte die<br />
frisch gebackene Opposition, sogar mit einstweiliger Anordnung,<br />
und bekam leider Recht, so dass vieles von dem, was mit dem<br />
Nachtragshaushalt geheilt werden sollte, nicht geregelt werden<br />
konnte.<br />
Haushalt <strong>2011</strong><br />
Der Haushalt <strong>2011</strong> ist nun der erste wirklich rot-grüne Haushalt<br />
der neuen Minderheitsregierung mit den Schwerpunkten Kinder,<br />
Klima und Kommunen. Auch hier hat die CDU wieder geklagt, allerdings<br />
ohne das sofort wirksame Mittel der einstweiligen Verfügung.<br />
Das bedeutet, dass das Haushaltsjahr zum Zeitpunkt der<br />
Entscheidung schon längst verstrichen sein wird. Offenbar ist die<br />
CDU sich ihrer Sache selbst nicht mehr so sicher, zumal wir auch<br />
die Nettoneuverschuldung deutlich abgesenkt haben.<br />
Mit diesem Haushalt beginnt also der Politikwechsel: die Abschaffung<br />
der Studiengebühren wird finanziert, das letzte Kitajahr<br />
wird beitragsfrei, klar definierte Qualitätsverbesserungen für die<br />
Kitas werden eingeführt. Zur Finanzierung wird auch die Grunderwerbssteuer<br />
erhöht. Im Schulbereich investieren wir zusätzlich in<br />
den Offenen Ganztag, in den Ausbau des gemeinsamen Lernens<br />
von Kindern mit und ohne Behinderungen und räumen den Grundschulleitungen<br />
mehr Leitungszeit ein. Und schließlich setzen wir<br />
die Stärkung der Kommunen fort: mit rund 300 Mio. Euro jährlicher<br />
Soforthilfe, veränderten Bedingungen im GFG und dem<br />
„Stärkungspakt Stadtfinanzen“.<br />
Insgesamt werden wir neben den zusätzlichen Mitteln für die<br />
Kommunen mehr als 400 Mio. Euro in den Bereich Bildung investiert<br />
haben.<br />
Zwischen <strong>Grüne</strong>n, SPD und Innenministerium wurde jetzt<br />
verabredet, dass wir die Mittel aus dem Stärkungspakt in einem<br />
zweistufigen Verfahren ausschütten wollen. Dabei soll<br />
der Fonds bis 2014 auf 650 Mio. Euro anwachsen. Bis Ende<br />
diesen Jahres werden die benannten 34 Kommunen Unterstützung<br />
erhalten, danach – und diese zweite Stufe wird in<br />
Kombination mit beschlossen werden (!) – können ab 2012<br />
(also nur wenige Monate später) auch die anderen Kommunen<br />
einbezogen werden. Alle Kommunen erhalten die Gelder<br />
über einen Zeitraum von fünf Jahren und nur unter enger<br />
Begleitung durch die Kommunalaufsicht. Diesen Vorschlag<br />
werden wir nun mit den kommunalen Spitzenverbänden diskutieren<br />
und dann in ein eigenständiges Gesetzgebungsverfahren<br />
bringen. Ob es eine dritte Stufe des Stärkungspaktes<br />
geben wird, wird sich nach einer Evaluation der ersten zwei<br />
Stufen ergeben.<br />
Stadtwerke-Rettungsgesetz<br />
Auch das Stadtwerke-Rettungsgesetz erhöht die Handlungsfähigkeit<br />
der Kommunen durch eine Lockerung der wirtschaftlichen<br />
Betätigung kommunaler Betriebe. Der neue § 107a der GO NRW regelt<br />
die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen erstmals<br />
eigenständig. Das ist wichtig, weil die Vorherrschaft der vier großen<br />
Energiekonzerne E.ON, EnBW, Vattenfall, RWE trotz der angeblich<br />
seit 1998 existierenden Liberalisierung des Energiemarktes<br />
noch nicht wirklich aufgebrochen werden konnte. Das sieht auch<br />
das Bundeskartellamt so. Der Marktanteil der vier „Großen“ lag<br />
Anfang <strong>2011</strong> noch bei rund 80 % (sowohl Kraftwerkskapazität als<br />
auch Stromproduktion). Wir brauchen aber – vor allem als Antwort<br />
auf den Atomausstieg – eine deutliche Ausweitung der dezentralen<br />
regenerativen Energieproduktion. Mit dem Gesetz haben wir eine<br />
der notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen können. Nun gilt<br />
es, diese Möglichkeiten vor Ort mit Leben zu füllen.<br />
Stichwahl ist zurück<br />
Unter der Regierung Rüttgers war die Stichwahl bei der<br />
(Ober)Bürgermeisterwahl abgeschafft worden, angeblich, weil sie<br />
zu teuer und nicht notwendig wäre; in Wahrheit sollten es CDU-<br />
Kandidaten leichter haben. Wenn nun - bei einer durchschnittlichen<br />
Wahlbeteiligung von 52,3 % (Kommunalwahl in NRW) – ein<br />
Bürgermeister mit 25 % mit einfacher Mehrheit gewählt wird, würde<br />
er die Zustimmung von gerade einmal etwa 15 % der Wahlberechtigten<br />
insgesamt haben. Sehr viel demokratischer ist es doch,
wenn sich bei einfachen Mehrheiten die beiden Bestplatzierten<br />
noch einmal zur (Stich)Wahl stellen. Damit ist eine größere Unterstützung<br />
des zukünftigen Stadtoberhauptes gewährleistet- und<br />
auch kleinere Parteien haben mit eigenen KandidatInnen eine echte<br />
Chance. Kein Wunder, dass die FDP unserem Antrag zustimmte.<br />
Abwahl jetzt möglich<br />
Die Love-Parade-Katastrophe wird uns wohl für immer begleiten.<br />
Der so unglückliche Tod so vieler junger Menschen in einer<br />
Massenpanik hat uns alle tief bewegt. Umso unergründlicher die<br />
Entscheidung des Duisburger Oberbürgermeisters, sich der politischen<br />
Verantwortung nicht zu stellen. Auch wenn er vielleicht juristisch<br />
nicht zu belangen ist, so ist Herr Sauerland doch in der<br />
Stadtgesellschaft nicht mehr akzeptiert. Ein Abwahlantrag wäre<br />
nach altem Recht nur über eine mehrheitliche Entscheidung des<br />
Duisburger Stadtrates möglich gewesen. Dies ist bekanntlich nicht<br />
geschehen. Das wollten wir ändern – vor allem auch aufgrund demokratischer<br />
Erwägungen. Die (Ober)Bürgermeister in NRW werden<br />
in direkter Persönlichkeitswahl von den Bürgerinnen und Bürgern<br />
gewählt. Von daher sollte eben diese Bürgerschaft die Stadtoberhäupter<br />
auch wieder abwählen können. Per Abwahlbegehren (das<br />
– je nach Größe der Kommune – von 15 bis 20 % der Wahlberechtigten<br />
unterstützt werden muss) kann zukünftig jeder Bürgermeister<br />
aufgefordert werden zurück zu treten. Sollte er (oder sie) sich<br />
weigern, kann es zum Bürgerentscheid kommen, dessen Ergebnis<br />
bindend ist.<br />
1. Klimaschutzgesetz der Republik<br />
Klimaschutz ist eine der ganz großen politischen Herausforderungen<br />
der Zukunft. Daher ist die Erarbeitung eines Klimaschutzgesetzes<br />
eines der wichtigsten grünen Ziele im Koalitionsvertrag.<br />
Schön, dass es nach einem Jahr Minderheitsregierung schon auf<br />
den Weg gebracht und im Kabinett beschlossen wurde. Darin geregelt:<br />
verbindliche Ziele, etwa die Reduktion der Treibhausemissionen<br />
in NRW um mindestens 25 % bis 2020 im Vergleich zu 1990<br />
und um 80 % bis 2050. Das ist ambitioniert, weswegen wir bis<br />
zum kommenden Jahr einen Klimaschutzplan erstellen wollen, der<br />
alle fünf Jahre fortgeschrieben wird. Klimaschutz soll im Einklang<br />
mit der ökonomischen Entwicklung unseres Landes umgesetzt werden.<br />
In der ökologischen Erneuerung liegen große wirtschaftliche<br />
Chancen und Potentiale für die Schaffung krisensicherer Arbeitsplätze<br />
in NRW. Im Übrigen ist jeder für den Klimaschutz eingesetzte<br />
Cent eine gute Investition in die Zukunft! Wenn wir jetzt nicht<br />
konsequent handeln, werden die Klimaschäden uns in den kommenden<br />
Jahren Milliarden kosten!<br />
Ausbau der Windenergie jetzt!<br />
Gerade die Solinger Öffentlichkeit konnte in den letzten Jahren<br />
einen geradezu abenteuerlichen Kampf um „Windmühlen“ erleben:<br />
Bauer Bachmann wollte auf der von der Solinger Politik einst einstimmig<br />
als Fläche für Windräder ausgewiesenen Fläche in Gräfrath<br />
ein solches errichten. AnwohnerInnen wehrten sich umfassend<br />
auch gerichtlich, u.a. mit dem Hinweis auf die Gefährdung von Rote-Liste-Vogelarten<br />
oder der Warnung vor den Auswirkungen von<br />
Schlagschatten auf die Menschen, der Geräuschkulisse etc. Durch<br />
Klageverfahren konnte die Anlage – und damit auch die Investitionen<br />
– immer wieder verhindert werden. Exminister Wittke (CDU)<br />
verschärfte die Bedingungen, unter denen Windräder errichtet werden<br />
durften. Damit waren die Pläne von Bauer Bachmann zunächst<br />
vereitelt. Die totale atomare Katastrophe Fukushima hat nun zu<br />
einer tiefgreifenden Veränderung der energiepolitischen Ziele der<br />
Bundes-CDU geführt, die sich dem allgemeinen Trend der Ablehnung<br />
von Atomkraft nicht mehr entziehen konnte. Der Atomausstieg<br />
war die Folge. Umso dringlicher ist es, nun endlich den Ausbau<br />
der dezentralen energetischen Energieproduktion voranzutreiben.<br />
Deswegen wurden mit dem neuen Windkrafterlass bisherige<br />
Hürden abgebaut, pauschale Höhen- und Abstandsbeschränkungen<br />
für Windräder sind nicht mehr zulässig. Ziel ist der Ausbau der<br />
Windkraft von derzeit 3 % auf 15 % bis 2020. Insofern kann hoffentlich<br />
auch die endlose Geschichte „Windenergie in <strong>Solingen</strong>“ zu<br />
einem guten Ende geführt werden.<br />
Fazit<br />
Ein wahrhaft aufregendes Jahr liegt hinter uns. Ich selber hatte<br />
zu Beginn der Regierungszeit von einem „Wagnis“ gesprochen. Es<br />
gab kein historisches Beispiel für eine Minderheitsregierung, auf<br />
Erfahrungen konnten wir nicht zurückgreifen, wir mussten uns sozusagen<br />
selbst erfinden. Ich bin überzeugt, dass das Konzept der<br />
„Koalition der Einladung“ richtig war und ist. Es ist die richtige<br />
Antwort auf das Wahlergebnis, bei dem Rot-Grün die Nase klar<br />
vorn hat, Schwarz-Gelb abgewählt wurde und es für eine andere<br />
politische Konstellation keine verlässliche Grundlage gab. Außerdem<br />
wurden so die Mehrheiten im Bundesrat verändert, was ein<br />
„Durchregieren“ der Merkel-Koalition endlich verhindert hat! Nun,<br />
nach einem Jahr Rot-Grün, können wir trotz einiger Rückschläge<br />
von einem erfolgreichen Jahr sprechen. Wir haben viel von dem,<br />
was wir uns vorgenommen hatten, eingestielt oder sogar schon<br />
umgesetzt.<br />
Als wir mit Rot-Grün in NRW angefangen haben, gab es noch<br />
das Bremer Rot-Grün. Inzwischen regieren wir in auch in Rheinland-Pfalz<br />
und stellen sogar erstmals einen grünen Ministerpräsidenten!<br />
Es war ein gutes Jahr!<br />
Sylvia Löhrmann<br />
23<br />
Landtagsreport
aufgestachelt<br />
„ Bildung beflügelt “<br />
Bündnis 90/Die <strong>Grüne</strong>n<br />
Eiland 17<br />
42651 <strong>Solingen</strong><br />
T· 0212/201060<br />
F· 0212/12404<br />
www.gruene-solingen.de<br />
Peter Holtfreter, <strong>Solingen</strong>/Köln <strong>2011</strong>