liederabend - Meister & Kammerkonzerte
liederabend - Meister & Kammerkonzerte
liederabend - Meister & Kammerkonzerte
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meister&kammerkonzerte<br />
<strong>liederabend</strong><br />
christiane karg sopran<br />
burkhard kehring klavier<br />
7. kammerkonzert, mo 16. april 12, 20 uhr<br />
konzertsaal des tiroler landeskonservatoriums
2<br />
Hugo Wolf (1860–1903)<br />
Aus: Lieder nach Gedichten von Johann Wolfgang<br />
von Goethe (1888/89)<br />
Mignon I. „Heiß mich nicht reden“<br />
Mignon II. „Nur wer die Sehnsucht kennt“<br />
Mignon III. „So lasst mich scheinen“<br />
Mignon: „Kennst Du Das Land“<br />
Claude Debussy (1862–1918)<br />
Aus: Cinq poèmes de Charles Baudelaire (1887–89)<br />
Harmonie du soir . Le jet d’eau . La mort des amants<br />
Maurice Ravel (1875–1937)<br />
Cinq mélodies populaires Grecques (1904–06)<br />
Chanson de la mariée<br />
Là bas, vers l’église<br />
Quel Galant m’est comparable<br />
Chanson des cueilleuses de lentisques<br />
Tout gai!<br />
Pause<br />
meister&kammerkonzerte<br />
Hugo Wolf<br />
Aus: Lieder nach Gedichten von Joseph Eichendorff<br />
(1887/88)<br />
Verschwiegene Liebe . Die Nacht . Unfall . Nachtzauber<br />
Richard Strauss (1864–1949)<br />
Aus: Lieder nach Gedichten von Clemens Brentano<br />
op. 68 (1918)<br />
Ich wollt ein Sträußlein binden . Säusle, liebe Myrthe<br />
Alban Berg (1885–1935)<br />
Sieben frühe Lieder (1905–08)<br />
Nacht (Carl Hauptmann)<br />
Schilflied (Nikolaus Lenau)<br />
Die Nachtigall (Theodor Storm)<br />
Traumgekrönt (Rainer Maria Rilke)<br />
Im Zimmer (Johannes Schlaf)<br />
Liebesode (Otto Erich Hartleben)<br />
Sommertage (Paul Hohenberg)<br />
19 Uhr: Einführungsgespräch im Saal.<br />
Das Klavier wird von Piano Moser betreut.<br />
In der Pause verwöhnt Sie<br />
Hugo Wolf<br />
Mignon I<br />
Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen,<br />
Denn mein Geheimnis ist mir Pflicht,<br />
Ich möchte dir mein ganzes Innre zeigen,<br />
Allein das Schicksal will es nicht.<br />
Zur rechten Zeit vertreibt der Sonne Lauf<br />
Die finstre Nacht, und sie muss sich erhellen,<br />
Der harte Fels schließt seinen Busen auf,<br />
Missgönnt der Erde nicht die tief verborgnen Quellen.<br />
Ein jeder sucht im Arm des Freundes Ruh,<br />
Dort kann die Brust in Klagen sich ergießen,<br />
Allein ein Schwur drückt mir die Lippen zu,<br />
Und nur ein Gott vermag sie aufzuschließen.<br />
Mignon II<br />
Nur wer die Sehnsucht kennt<br />
Weiß, was ich leide!<br />
Allein und abgetrennt<br />
Von aller Freude,<br />
Seh ich ans Firmament<br />
Nach jener Seite.<br />
—vokaltexte—<br />
Mignon III<br />
So lasst mich scheinen, bis ich werde,<br />
Zieht mir das weiße Kleid nicht aus!<br />
Ich eile von der schönen Erde<br />
Hinab in jenes feste Haus.<br />
Dort ruh’ ich eine kleine Stille,<br />
Dann öffnet sich der frische Blick;<br />
Ich lasse dann die reine Hülle,<br />
Den Gürtel und den Kranz zurück.<br />
Und jene himmlischen Gestalten<br />
Sie fragen nicht nach Mann und Weib,<br />
Und keine Kleider, keine Falten<br />
Umgeben den verklärten Leib.<br />
Zwar lebt’ ich ohne Sorg’ und Mühe,<br />
Doch fühlt’ ich tiefen Schmerz genung.<br />
Vor Kummer altert’ ich zu frühe;<br />
Macht mich auf ewig wieder jung!<br />
Mignon: Kennst du das Land<br />
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,<br />
Im dunkeln Laub die Gold-Orangen glühn,<br />
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,<br />
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?<br />
Kennst du es wohl? Dahin! dahin<br />
Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.<br />
Ach! der mich liebt und kennt,<br />
Ist in der Weite.<br />
Es schwindelt mir, es brennt<br />
Mein Eingeweide.<br />
Nur wer die Sehnsucht kennt<br />
Weiß, was ich leide!<br />
3
4 meister&kammerkonzerte<br />
—vokaltexte—<br />
Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach.<br />
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,<br />
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:<br />
Was hat man dir, du armes Kind, getan?<br />
Kennst du es wohl? Dahin! dahin<br />
Möcht ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.<br />
Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?<br />
Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg;<br />
In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut;<br />
Es stürzt der Fels und über ihn die Flut!<br />
Kennst du ihn wohl? Dahin! dahin<br />
Geht unser Weg! O Vater, lass uns ziehn!<br />
Claude Debussy<br />
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)<br />
Harmonie du soir<br />
Voici venir les temps où vibrant sur sa tige,<br />
Chaque fleur s’évapore ainsi qu’un encensoir;<br />
Les sons et les parfums tournent dans l’air du soir,<br />
Valse mélancolique et langoureux vertige.<br />
Chaque fleur s’évapore ainsi qu’un encensoir,<br />
Le violon frémit comme un coeur qu‘on afflige,<br />
Valse mélancolique et langoureux vertige,<br />
Le ciel est triste et beau comme un grand reposoir;<br />
Le violon frémit comme un coeur qu’on afflige,<br />
Un coeur tendre, qui hait le néant vaste et noir!<br />
Le ciel est triste et beau comme un grand reposoir;<br />
Le soleil s‘est noyé dans son sang qui se fige ...<br />
Un coeur tendre, qui hait le néant vaste et noir,<br />
Du passé lumineux recueille tout vestige.<br />
Le soleil s‘est noyé dans son sang qui se fige, -<br />
Ton souvenir en moi luit comme un ostensoir.<br />
Harmonie des Abends<br />
Es naht sich der Abend mit düsterem Schweigen,<br />
Den zitternden Blüten ein Weihrauch entquillt;<br />
Die Luft ist mit kreisenden Düften erfüllt.<br />
O schmerzlicher Walzer, o schmachtender Reigen!<br />
Ernst prangt wie ein Altar der Äthers Gefild.<br />
Wie ein Herz, das gekränkt ward, erzittern die Geigen,<br />
O schmerzlicher Walzer, o schmachtender Reigen!<br />
Traurig schön wie ein Baldachin ist des Himmels Gebild.<br />
Wie ein Herz, das gekränkt ward, erzittern die Geigen,<br />
Ein Herz, dem es bangt, wenn der Tag sich verhüllt.<br />
Traurig schön wie ein Baldachin ist des Himmels Gebild.<br />
Die Sonne, sie scheint sich verblutend zu neigen.<br />
Ein Herz, dem es bangt, wenn der Tag sich verhüllt,<br />
Sucht Strahlen, die aus der Vergangenheit steigen.<br />
Die Sonne, sie scheint sich verblutend zu neigen.<br />
Gleich einer Monstranz in mir leuchtet dein Bild.<br />
Übersetzung: nach Anton Englert<br />
Le jet d’eau<br />
Tes beaux yeux sont las,<br />
pauvre amante!<br />
Reste longtemps, sans les rouvrir,<br />
Dans cette pose nonchalante<br />
Où t’a surprise le plaisir.<br />
Dans la cour le jet d’eau qui jase<br />
Et ne se tait ni nuit ni jour,<br />
Entretient doucement l’extase<br />
Où ce soir m‘a plongé l’amour.<br />
La gerbe d’eau qui berce<br />
Ses mille fleurs,<br />
Que la lune traverse<br />
De ses pâleurs,<br />
Tombe comme une averse<br />
De larges pleurs.<br />
Ainsi ton âme qu’incendie<br />
L’éclair brûlant des voluptés<br />
S’élance, rapide et hardie,<br />
Vers les vastes cieux enchantés.<br />
Puis, elle s’épanche, mourante,<br />
En un flot de triste langueur,<br />
Qui par une invisible pente<br />
Descend jusqu‘au fond<br />
de mon coeur.<br />
Ô toi, que la nuit rend si belle,<br />
Qu’il m’est doux,<br />
penché vers tes seins,<br />
D’écouter la plainte éternelle<br />
Qui sanglote dans les bassins!<br />
Lune, eau sonore, nuit bénie,<br />
Arbres qui frissonnez autour,<br />
Votre pure mélancolie<br />
Est le miroir de mon amour.<br />
La mort des amants<br />
Nous aurons des lits pleins d‘odeurs légères,<br />
Des divans profonds comme des tombeaux,<br />
Et d‘étranges fleurs sur des étagères,<br />
Écloses pour nous sous des cieux plus beaux.<br />
Usant à l’envi leurs chaleurs dernières,<br />
Nos deux coeurs seront deux vastes flambeaux,<br />
Qui réfléchiront leurs doubles lumières<br />
Dans nos deux esprits, ces miroirs jumeaux.<br />
Un soir fait de rose et de bleu mystique,<br />
Nous échangerons un éclair unique,<br />
Comme un long sanglot tout chargé d‘adieux;<br />
5<br />
Der Springbrunnen<br />
Dein Aug’ ist müd umschattet,<br />
Mein Liebchen, schließ es zu,<br />
Im Arm mir, sanft ermattet,<br />
Die Lust genieße du.<br />
Lass uns dem Springbrunnen<br />
lauschen,<br />
Der unaufhörlich singt<br />
Und heut mit sanftem Rauschen<br />
Die Liebesnacht durchdringt.<br />
Der Strahl, der sprühend<br />
Zum Himmel steigt,<br />
Drin Phöbus blühend<br />
Vielfarbig sich zeigt,<br />
In Tränen verglühend<br />
Zur Erde sich neigt.<br />
So deine Seele singend<br />
Sich in Verzückung hebt<br />
Und kühn sich aufwärts<br />
schwingend<br />
Zu fernen Himmeln schwebt.<br />
Um dann in müden Wellen,<br />
Hinschmachtend erdenwärts,<br />
In heimlichem Gefallen<br />
Zu strömen in mein Herz.<br />
Du, hold die Nacht<br />
durchscheinend.<br />
An deine Brust gelehnt<br />
Lausch’ ich dem Lied, das weinend<br />
Aus Brunnentiefen tönt;<br />
Und führ im Blätterschauern,<br />
Im Quell, der raunend schwillt,<br />
Der Mondnacht weiches Trauern,<br />
Der Liebe Spiegelbild.<br />
Übersetzung: Therese Robinson
6<br />
Et plus tard un ange, entr’ouvrant les portes,<br />
Viendra ranimer, fidèle et joyeux,<br />
Les miroirs ternis et les flammes mortes.<br />
Charles Baudelaire (1821–1867), aus: Les Fleurs du Mal<br />
Der Tod der Liebenden<br />
So tief und weich, als ob es Gräber wären,<br />
Lass unsre duftumhüllten Lager sein,<br />
Und ringsum Blumen, die in schönren Sphären<br />
Für uns erblühn in einem fremden Hain.<br />
Lass unser letztes Glühen und Begehren<br />
Gleich düsterroten Fackeln lodern drein,<br />
Zwiefache Flammen, die sich spiegelnd mehren<br />
In unsrer Doppelseele Widerschein.<br />
Der Abend brennt in rosig-blauem Flimmer,<br />
Ein letztes Glühen noch, dann schweigt für immer<br />
Der lange Seufzer, schwer von Abschiedsqual.<br />
Und lächelnd tritt ein Engel in das Zimmer<br />
Und weckt zu neuem Leben, neuem Schimmer<br />
Erloschne Spiegel, toter Kerzen Strahl.<br />
Maurice Ravel<br />
meister&kammerkonzerte<br />
Chanson de la mariée<br />
Réveille-toi, réveille-toi, perdrix mignonne,<br />
Ouvre au matin tes ailes.<br />
Trois grains de beauté, mon coeur en est brûlé!<br />
Vois le ruban d‘or que je t‘apporte,<br />
Pour le nouer autour de tes cheveux.<br />
Si tu veux, ma belle, viens nous marier!<br />
Dans nos deux familles, tous sont alliés!<br />
Das Lied der Braut<br />
Erwache, erwache, niedliches Rebhuhn,<br />
Öffne am Morgen deine Flügel.<br />
Drei Muttermale, mein Herz ist dafür entbrannt!<br />
Sieh das Goldband, das ich dir bringe,<br />
Um es um deine Haare zu binden.<br />
Wenn du, meine Schöne, willst, so lass uns heiraten!<br />
In unseren zwei Familien sind alle verschwägert!<br />
Là bas, vers l‘église<br />
Là-bas, vers l‘église,<br />
Vers l‘église Ayio Sidéro,<br />
L‘église, ô Vierge sainte,<br />
L‘église Ayio Costanndino,<br />
Se sont réunis,<br />
Rassemblés en nombre infini,<br />
Du monde, ô Vierge sainte,<br />
Du monde tous les plus braves!<br />
Übersetzung: Therese Robinson<br />
Dort unten bei der Kirche<br />
Dort unten bei der Kirche<br />
Bei der Kirche Ayio Sidéro<br />
Der Kirche, oh heilige Jungfrau,<br />
Der Kirche Ayio Costanndino<br />
Dort haben sich versammelt,<br />
Zahllos versammelt,<br />
Von der Welt, o heilige Jungfrau<br />
Die Besten der ganzen Welt.<br />
Quel Galant m’est comparable<br />
Quel galant m’est comparable,<br />
D’entre ceux qu‘on voit passer?<br />
Dis, dame Vassiliki?<br />
Vois, pendus à ma ceinture,<br />
Pistolets et sabre aigu ...<br />
Et c‘est toi que j‘aime!<br />
—vokaltexte—<br />
Welcher Anbeter ist mit mir vergleichbar<br />
Welcher Anbeter ist mit mir vergleichbar,<br />
Unter denjenigen, die vorüber gehen?<br />
Sage, Frau Vassiliki?<br />
Sieh, an meinem Gürtel gehängt,<br />
Pistolen und spitzer Säbel ...<br />
Und du bist es, die ich liebe!<br />
Chanson des cueilleuses de lentisques<br />
O joie de mon âme,<br />
Joie de mon coeur,<br />
Trésor qui m‘est si cher;<br />
Joie de l‘âme et du coeur,<br />
Toi que j‘aime ardemment,<br />
Tu es plus beau qu‘un ange.<br />
O lorsque tu parais,<br />
Ange si doux Devant nos yeux,<br />
Comme un bel ange blond,<br />
Sous le clair soleil,<br />
Hélas! tous nos pauvres coeurs soupirent!<br />
Das Lied der Mastix-Sammlerinnen<br />
O Freude meiner Seele,<br />
Freude meines Herzens,<br />
Ein Schatz, der mir so lieb und teuer ist;<br />
Freude der Seele und des Herzens,<br />
Du, die ich sehnlichst liebe,<br />
Du bist schöner als ein Engel.<br />
O, wenn du erscheinst,<br />
Engel so süß,<br />
Vor unseren Augen,<br />
Wie ein schöner blonder Engel,<br />
Unter der klaren Sonne,<br />
Ach! dann seufzen alle unsere armen Herzen!<br />
Tout gai!<br />
Tout gai! gai, Ha, tout gai!<br />
Belle jambe, tireli, qui danse;<br />
Belle jambe, la vaisselle danse,<br />
Tra la la la la ...<br />
Michel Dimitri Calvocoressi (1877–1944)<br />
7<br />
Ganz heiter!<br />
Ganz heiter! Heiter, Ha, ganz heiter!<br />
Schönes Bein, tireli, das tanzt;<br />
Schönes Bein, das Geschirr tanzt,<br />
Tra la la la la ...<br />
Übersetzung: Maria Th. Langsch
8<br />
Hugo Wolf<br />
meister&kammerkonzerte<br />
Verschwiegene Liebe<br />
Über Wipfel und Saaten<br />
In den Glanz hinein –<br />
Wer mag sie erraten,<br />
Wer holte sie ein?<br />
Gedanken sich wiegen,<br />
Die Nacht ist verschwiegen,<br />
Gedanken sind frei.<br />
Errät es nur eine,<br />
Wer an sie gedacht<br />
Beim Rauschen der Haine,<br />
Wenn niemand mehr wacht<br />
Als die Wolken, die fliegen –<br />
Mein Lieb ist verschwiegen<br />
Und schön wie die Nacht.<br />
Unfall<br />
Ich ging bei Nacht einst über Land,<br />
Ein Bürschlein traf ich draußen,<br />
Das hat ’nen Stutzen in der Hand<br />
Und zielt auf mich voll Grausen.<br />
Ich renne, da ich mich erbos’,<br />
Auf ihn in vollem Rasen,<br />
Da drückt das kecke Bürschlein los<br />
Und ich stürzt’ auf die Nasen.<br />
Er aber lacht mir ins Gesicht,<br />
Dass er mich angeschossen,<br />
Cupido war der kleine Wicht<br />
Das hat mich sehr verdrossen.<br />
Nachtzauber<br />
Hörst du nicht die Quellen gehen<br />
Zwischen Stein und Blumen weit<br />
Nach den stillen Waldesseen,<br />
Wo die Marmorbilder stehen<br />
In der schönen Einsamkeit?<br />
Von den Bergen sacht hernieder,<br />
Weckend die uralten Lieder,<br />
Steigt die wunderbare Nacht,<br />
Und die Gründe glänzen wieder,<br />
Wie du’s oft im Traum gedacht.<br />
Kennst die Blume du, entsprossen<br />
In dem mondbeglänzten Grund<br />
Aus der Knospe, halb erschlossen,<br />
Junge Glieder blühend sprossen,<br />
Weiße Arme, roter Mund,<br />
Und die Nachtigallen schlagen<br />
Und rings hebt es an zu klagen,<br />
Die Nacht<br />
Nacht ist wie ein stilles Meer,<br />
Lust und Leid und Liebesklagen<br />
Kommen so verworren her<br />
In dem linden Wellenschlagen.<br />
Wünsche wie die Wolken sind,<br />
Schiffen durch die stillen Räume,<br />
Wer erkennt im lauen Wind,<br />
Ob’s Gedanken oder Träume? --<br />
Schließ’ ich nun auch Herz und Mund,<br />
Die so gern den Sternen klagen,<br />
Leise doch im Herzensgrund<br />
Bleibt das linde Wellenschlagen.<br />
—vokaltexte—<br />
Ach, vor Liebe todeswund,<br />
Von versunk’nen schönen Tagen –<br />
Komm, o komm zum stillen Grund!<br />
Komm! Komm!<br />
Richard Strauss<br />
Ich wollt ein Sträußlein binden<br />
Ich wollt ein Sträußlein binden,<br />
Da kam die dunkle Nacht,<br />
Kein Blümlein war zu finden,<br />
Sonst hätt ich dir’s gebracht.<br />
Da flossen von den Wangen<br />
Mir Tränen in den Klee,<br />
Ein Blümlein aufgegangen<br />
Ich nun im Garten seh.<br />
Das wollte ich dir brechen<br />
Wohl in dem dunklen Klee,<br />
Doch fing es an zu sprechen:<br />
„Ach, tue mir nicht weh!<br />
Sei freundlich im Herzen,<br />
Betracht dein eigen Leid,<br />
Und lasse mich in Schmerzen<br />
Nicht sterben vor der Zeit!“<br />
Und hätt’s nicht so gesprochen,<br />
Im Garten ganz allein,<br />
So hätt ich dir’s gebrochen,<br />
Nun aber darf’s nicht sein.<br />
Mein Schatz ist ausgeblieben,<br />
Ich bin so ganz allein.<br />
Im Lieben wohnt Betrüben,<br />
Und kann nicht anders sein.<br />
Alban Berg<br />
Nacht<br />
Dämmern Wolken über Nacht und Tal,<br />
Nebel schweben, Wasser rauschen sacht.<br />
Nun entschleiert sich’s mit einemmal:<br />
O gib Acht! Gib Acht!<br />
Weites Wunderland ist aufgetan.<br />
Silbern ragen Berge, traumhaft groß,<br />
9<br />
Joseph von Eichendorff (1788–1857)<br />
Säusle, liebe Myrte!<br />
Säusle, liebe Myrte!<br />
Wie still ist’s in der Welt,<br />
Der Mond, der Sternenhirte<br />
Auf klarem Himmelsfeld,<br />
Treibt schon die Wolkenschafe<br />
Zum Born des Lichtes hin,<br />
Schlaf, mein Freund, o schlafe,<br />
Bis ich wieder bei Dir bin!<br />
Säusle, liebe Myrte<br />
Und träum’ im Sternenschein,<br />
Die Turteltaube girrte<br />
Ihre Brut schon ein.<br />
Still ziehn die Wolkenschafe<br />
Zum Born des Lichtes hin,<br />
Schlaf, mein Freund, o schlafe,<br />
Bis ich wieder bei dir bin!<br />
Hörst du, wie die Brunnen<br />
rauschen?<br />
Hörst du, wie die Grille zirpt?<br />
Stille, stille, lasst uns lauschen,<br />
Selig, wer in Träumen stirbt;<br />
Selig, wen die Wolken wiegen,<br />
Wenn der Mond ein Schlaflied<br />
singt;<br />
Oh! wie selig kann der fliegen,<br />
Dem der Traum den Flügel<br />
schwingt,<br />
Dass an blauer Himmelsdecke<br />
Sterne er wie Blumen pflückt;<br />
Schlafe, träume, flieg, ich wecke<br />
Bald Dich auf und bin beglückt!<br />
Clemens Brentano (1778–1842)
10<br />
meister&kammerkonzerte<br />
Stille Pfade silberlicht talan<br />
Aus verborg’nem Schoß;<br />
Und die hehre Welt so traumhaft rein.<br />
Stummer Buchenbaum am Wege steht<br />
Schattenschwarz, ein Hauch vom fernen Hain<br />
Einsam leise weht.<br />
Und aus tiefen Grundes Düsterheit<br />
Blinken Lichter auf in stummer Nacht.<br />
Trinke Seele! Trinke Einsamkeit!<br />
O gib Acht! Gib Acht!<br />
Auf geheimem Waldespfade<br />
Auf geheimem Waldespfade<br />
Schleich’ ich gern im Abendschein<br />
An das öde Schilfgestade,<br />
Mädchen, und gedenke dein!<br />
Wenn sich dann der Busch verdüstert,<br />
Rauscht das Rohr geheimnisvoll,<br />
Und es klaget und es flüstert,<br />
Dass ich weinen, weinen soll.<br />
Und ich mein’, ich höre wehen<br />
Leise deiner Stimme Klang,<br />
Und im Weiher untergehen<br />
Deinen lieblichen Gesang.<br />
Die Nachtigall<br />
Das macht, es hat die Nachtigall<br />
Die ganze Nacht gesungen;<br />
Da sind von ihrem süßen Schall,<br />
Da sind in Hall und Widerhall<br />
Die Rosen aufgesprungen.<br />
Sie war doch sonst ein wildes Blut,<br />
Nun geht sie tief in Sinnen,<br />
Trägt in der Hand den Sommerhut<br />
Und duldet still der Sonne Glut<br />
Und weiß nicht, was beginnen.<br />
Das macht, es hat die Nachtigall<br />
Die ganze Nacht gesungen;<br />
Da sind von ihrem süßen Schall,<br />
Da sind in Hall und Widerhall<br />
Die Rosen aufgesprungen.<br />
Carl Ferdinand Max Hauptmann (1858–1921)<br />
Nikolaus Lenau (1802–1850)<br />
Theodor Storm (1817–1888)<br />
—vokaltexte—<br />
Traumgekrönt<br />
Das war der Tag der weißen Chrysanthemen,<br />
Mir bangte fast vor seiner Pracht ...<br />
Und dann, dann kamst du mir die Seele nehmen<br />
Tief in der Nacht.<br />
Mir war so bang, und du kamst lieb und leise,<br />
Ich hatte grad im Traum an dich gedacht.<br />
Du kamst, und leis’ wie eine Märchenweise<br />
Erklang die Nacht.<br />
Im Zimmer<br />
Herbstsonnenschein.<br />
Der liebe Abend blickt so still herein.<br />
Ein Feuerlein rot<br />
Knistert im Ofenloch und loht.<br />
So, mein Kopf auf deinen Knie’n,<br />
So ist mir gut.<br />
Wenn mein Auge so in deinem ruht,<br />
Wie leise die Minuten zieh’n.<br />
Liebesode<br />
Im Arm der Liebe schliefen wir selig ein,<br />
Am offnen Fenster lauschte der Sommerwind,<br />
Und unsrer Atemzüge Frieden<br />
Trug er hinaus in die helle Mondnacht. –<br />
Und aus dem Garten tastete zagend sich<br />
Ein Rosenduft an unserer Liebe Bett<br />
Und gab uns wundervolle Träume,<br />
Träume des Rausches -- so reich an Sehnsucht!<br />
Sommertage<br />
Nun ziehen Tage über die Welt,<br />
Gesandt aus blauer Ewigkeit,<br />
Im Sommerwind verweht die Zeit.<br />
Nun windet nächtens der Herr<br />
Sternenkränze mit seliger Hand<br />
Über Wander- und Wunderland.<br />
O Herz, was kann in diesen Tagen<br />
Dein hellstes Wanderlied denn sagen<br />
Von deiner tiefen, tiefen Lust:<br />
Im Wiesensang verstummt die Brust,<br />
Nun schweigt das Wort, wo Bild um Bild<br />
Zu dir zieht und dich ganz erfüllt.<br />
11<br />
Rainer Maria Rilke (1875–1926)<br />
Johannes Schlaf (1862–1941)<br />
Otto Erich Hartleben (1864–1905)<br />
Paul Hohenberg
12<br />
meister&kammerkonzerte<br />
Hugo Wolf, geboren im heute slowenischen, damals<br />
steiermärkischen Windischgraz (Slovenj Gradec), wurde<br />
zur musikalischen Ausbildung in die Hauptstadt der<br />
Monarchie nach Wien geschickt. Dort erwachte in dem<br />
Studenten des Konservatoriums die Begeisterung für die<br />
Musik Richard Wagners. Auf dem Stehplatz der Hofoper<br />
bejubelten die Studenten die Werke des Verehrten.<br />
Als Komponist vornehmlich von Liedern schloss<br />
Hugo Wolf durchaus an den Stil Wagners an. Er nannte<br />
viele seiner Lieder auch „kleine Opernszenen“, die keinen<br />
wirklich strophenhaften Verlauf mehr nehmen, sondern<br />
durchkomponiert sind – mit einer starken Betonung<br />
der Deklamation, mit Sprechgesang und mit einer aufregenden,<br />
modulationsreichen und auch an die Grenzen<br />
der regelkonformen Tonalität gelangenden Harmonik. Er<br />
suchte meist anspruchsvolle Literatur für seine Kompositionen<br />
aus. Gedichte vom „lieben Eichendorff“ in Musik zu<br />
setzen, begann Wolf im Jahre 1880. Einige seiner <strong>Meister</strong>werke<br />
– und seiner bis heute meistgesungenen Lieder<br />
– gelangen Wolf in Verbindung mit den Eichendorffschen<br />
Sprachkompositionen. Dazu zählen „Verschwiegene<br />
Liebe“, zauberhafter Nachtgesang mit warmherziger<br />
Melodik und berückenden Harmoniefolgen, weiters der<br />
ebenfalls von magischen Modulationen geschwungene<br />
und klangfarblich impressionistische Sphären ansteuernde<br />
„Nachtzauber“, schließlich auch „Die Nacht“, in<br />
der die Gesangsstimme in zartem Ernst über das in der<br />
Klavierbegleitung ausgebreitete „stille Meer“ gleitet. In<br />
diesem Lied scheint es, als entwickelte Wolf die Liedkunst<br />
des bewunderten Vorgängers Robert Schumann weiter,<br />
der auch schon Eichendorff-Lieder hinterlassen hat.<br />
Dafür wandte sich Wolf unter anderem mit der Vertonung<br />
des Gedichts „Unfall“ der „ziemlich unbekannten, der<br />
keck-humoristischen, derb-sinnlichen Seite des Dichters“<br />
Eichendorff zu (der Komponist in einem Brief an den<br />
Kollegen Engelbert Humperdinck). Wie hier Amors Aktion<br />
ironisch als dramatische Szene geschildert und von Wolf<br />
musikalisch treffsicher umgesetzt wird, ist köstlich.<br />
„Sie fing jeden Vers feierlich und prächtig an, als ob<br />
sie etwas Wichtiges vortragen wollte“, beschrieb Johann<br />
Wolfgang von Goethe in seinem Roman „Wilhelm <strong>Meister</strong>s<br />
Lehrjahre“ den Gesang von Mignon, der geheimnis-<br />
—notizen—<br />
vollen, aus Italien vermeintlich ihren Eltern geraubten<br />
Kindsfrau. „Kennst du das Land, wo die Zitronen<br />
blüh’n“: Ausdruck der romantischen Italien-Sehnsucht<br />
schlechthin. Hugo Wolf hat das Gedicht, das vor ihm<br />
schon oft vertont worden war, in einer besonders warm<br />
leuchtenden Tonart, Ges-Dur, gesetzt, und dem Mädchen<br />
Mignon in seinem Gesang durchaus jene reifen weiblichen<br />
Züge gegeben, wie sie auch Goethe beschrieb:<br />
„Die kindliche Unschuld des Ausdrucks verschwand,<br />
indem die gebrochene Sprache übereinstimmend und<br />
das Unzusammenhängende verbunden ward.“ Wolf<br />
ist ein eindrucksvoller musikalischer Nachvollzug der<br />
Roman-Sequenz gelungen, mit beunruhigenden Synkopen<br />
in der Melodie des Mädchens und spannender<br />
Klavierbegleitung bis hin zu Tremolos im Mittelteil.<br />
Auch die Mignon-Gesänge I bis III hat Wolf in seinen<br />
Zyklus von insgesamt 51 Goethe-Liedern aufgenommen.<br />
In „Mignon I. Heiß mich nicht reden“ übernahm Wolf<br />
das rhythmische Metrum von einer langen und zwei<br />
kurzen Silben aus Schuberts populärer Vertonung, löste<br />
es in der Singstimme mit unregelmäßiger Bewegung aber<br />
bald auf, während das Klavier mit bedrohlichen kadenzierenden<br />
Passagen dem Lied einen starken Rahmen<br />
gibt. Sein wohl kühnstes und aufregendstes Lied gelang<br />
Wolf mit der Vertonung von „Mignon II. Nur wer die<br />
Sehnsucht kennt“ – in dem Liebeslied irrt das Mädchen<br />
mit verzweifelten und unsicheren Halb- und Ganztonschritten<br />
durch verschiedenste Seelenregionen und<br />
Tonarten und verliert jeglichen tonalen und harmonischen<br />
Halt. In „Mignon III. So lasst mich scheinen“ werden<br />
wieder konturierte Themengestalten und Akkordgebilde<br />
erkennbar, wenn das Mädchen als Engel verkleidet zu<br />
einem Geburtstagsspiel über tänzerischen Rhythmen<br />
und eingängigen Terzfolgen des Begleitinstruments singt,<br />
dabei aber ihre wahren Gefühle in dem sensiblen Vortrag<br />
nicht versteckt – bis hin zu einer Vokalise auf dem<br />
Wort „ewig“. Da dringt die Sehnsucht wieder durch.<br />
Claude Debussy komponierte im Alter von 16 Jahren sein<br />
erstes Lied, „Nuit d’Etoile“, als widerspenstiger Student<br />
des Pariser Conservatoires, der die Lehrer mit seinen Hinterfragungen<br />
des Regelkanons zur Weißglut brachte. Viel<br />
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meister&kammerkonzerte<br />
mehr als der Unterricht am Klavier und in Musik theorie<br />
interessierte den jungen Musiker, vor staunenden Mitstudenten<br />
gewagte Harmoniefolgen aus den Klavier tasten<br />
zu zaubern und Akkorde zwischen ihren eigentlichen<br />
Funktionen schweben zu lassen. Er wollte die vorhandene<br />
Harmonielehre keineswegs zerstören, sondern viele<br />
zum Regelwerk gewordene Fortschreitungen weglassen,<br />
und eine davon unabhängige, freie Entwicklung verwirklichen.<br />
Unvorhersehbare und ständige Übergänge<br />
von einem Klang in den nächsten, von einer Harmonieregion<br />
in eine andere führten in seinen Kompositionen<br />
zu einem ständigen Fließen und Verfließen, zu einer<br />
durchgängigen Melodie nicht nur von Tönen, sondern<br />
von Akkorden. Es kam zu einer organischen Vermischung<br />
verschiedener harmonischer und formaler Faktoren<br />
und zur Gleichzeitigkeit von horizontalen und vertikalen<br />
Verläufen. Die Strukturen, vor allem genau abgestufte<br />
Farbwerte, werden durch die Mixturen verschleiert.<br />
Speziell im Genre des Liedes konnte sich eine<br />
solche Kompositionsweise ideal entfalten: in Andeutungen<br />
von Gefühlen, Gedanken und Stimmungen der<br />
Poesie, in Nuancen von Emotionen, in Schattierungen<br />
des Ausdrucks. Debussy, der in eine literarische Epoche<br />
des Symbolismus, der traumhaften Entrückung,<br />
eines neuen Mystizismus und einer Verklärung der<br />
Natur hineinwuchs und rege an ihr Anteil nahm, verwob<br />
die Sprache und die Musik, das Wort und den<br />
Ton, zu sublimen Klängen und in melodischen Linien,<br />
die rezitativischem Deklamieren nahekommen.<br />
Charles Baudelaire wandte in seinem Gedicht<br />
„Harmonie du soir“ eine unter französischen Dichtern<br />
beliebte Form der malayischen Dichtkunst, „Pantun“, an:<br />
Die zweite und vierte Zeile eines jeden Verses werden<br />
zur jeweils ersten und dritten Zeile jeder nachfolgenden<br />
Strophe. Debussy nützt die Wiederholungen zu subtilen<br />
harmonischen und tonalen Veränderungen der an sich<br />
gleich bleibenden musikalischen Konturen. Am Ende<br />
löst sich das Lied gleichsam in Dreiklangszerlegungen<br />
auf, die Sonne geht unter und die schmerzliche Liebeserinnerung<br />
steigt auf. „Le jet d’eau“ ist in der Tat eine<br />
Wassermusik, vielfarbig schimmern die Harmonien<br />
im Brunnenstrahl und geben einer lyrischen Gesangs-<br />
—notizen—<br />
melodie über die Ambivalenz der Liebeslust einen immer<br />
wieder neu sich erschaffenden Klangraum. „La mort<br />
des amants“ ist ein Abgesang von einer für Debussy<br />
seltenen Eindeutigkeit der musikalischen Aussage.<br />
Die Phrasen des Dichters über das letzte Glühen vor<br />
dem ewigen Schimmer werden vom Komponisten<br />
in genauen Takteinheiten musikalisch bestätigt.<br />
Maurice Ravel tauchte mit seiner Ballettmusik zu<br />
„Daphnis und Chloe“, seiner im Auftrag der Ballets Russes<br />
geschaffenen, aufwändigsten Komposition, in das<br />
mythologische Griechenland „meiner Träume“ (Ravel)<br />
ein. Mehrere Jahre davor komponierte der Franzose<br />
einen kleinen Zyklus griechischer Volkslieder, „Mélodies<br />
populaires Grecques“, mit denen er sich merkbar<br />
wohl fühlte. Die Lieder entstanden in einer Reihe von<br />
Bearbeitungen Ravels von folkloristischen Melodien<br />
und Rhythmen. Neben Griechenland galt seine besondere<br />
Liebe der Musik der Heimatregion seiner Mutter,<br />
dem Baskenland; aber auch Volkslieder italienischer,<br />
französischer und hebräischer Herkunft griff er auf.<br />
Im ersten griechischen Lied, „Chanson de la mariée“,<br />
umgibt Ravel die liebliche, schlichte Gesangsmelodie<br />
mit stimmungsvollen Harmonien und glitzernden<br />
Klangfolgen im Klavier. Im zweiten Lied „Là bas, vers<br />
l’église“ verbreitet die langsame Melodie eine seltsam<br />
traurige Feierlichkeit. Im aphoristisch kurzen Lied „Quel<br />
Galant m’est comparable“ unterhalten in einer feinen<br />
Weise aufmunternde vokale und schwungvolle instrumentale<br />
Floskeln. Auch hier fällt die sorgfältige rhythmische<br />
Behandlung, wohl ganz im griechischen Stil, auf.<br />
Das „Chanson des cueilleuses de lentisques“ ist von<br />
einer schwermütigen Melodie getragen, während ein<br />
munteres Tanzlied, „Tout gai!“, den Zyklus beschließt.<br />
Richard Strauss, der mit einer Sängerin – Pauline de<br />
Ahna – verheiratet war, komponierte – zunächst meist für<br />
sie – fast 200 Lieder, ist damit nach Schubert und Wolf<br />
einer der produktivsten in diesem Genre gewesen. Er kommentierte<br />
und begleitete mit seinen Liedern einfühlsam<br />
und wirkungsvoll den Übergang aus der Romantik in die<br />
Epochen des Jugendstils, des Fin-de-siècle und schließlich<br />
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meister&kammerkonzerte<br />
der Moderne, die er als wehmütig Zurück blickender nur<br />
mehr sanft streifte. Sein musikdramatisches Temperament<br />
verschmolz der <strong>Meister</strong> der Opern und symphonischen<br />
Dichtungen in seinen Liedern mit einer ganz eigenen,<br />
von dramatischer Innenspannung erfüllten Melodik.<br />
Er goss die intime Form des Liedes in eine geweitete Form<br />
für eine größere Konzertöffentlichkeit als dem hausmusikalischen<br />
Rahmen, schuf von vielen Klavier liedern<br />
auch Versionen mit Orchesterbegleitung. Er schenkte<br />
den Sängerinnen und Sängern herrliche Liedschöpfungen<br />
zur Demonstration virtuoser Gesangskunst, aber auch<br />
zur Verinnerlichung dramatischer Gesten. Zur Vertonung<br />
fand er geeignete Verse sowohl in der zeitgenössischen<br />
Literatur als auch bei Klassikern und Romantikern.<br />
Die Brentano-Lieder stammen aus einer bereits<br />
reifen Kompositionsphase. Die großen Opern „Salome“,<br />
„Elektra“ und „Der Rosenkavalier“ und die meisten<br />
der symphonischen Dichtungen waren schon komponiert,<br />
als sich Richard Strauss auf die teils hymnische,<br />
von großen Gefühlen erfüllte, dann wieder idyllische<br />
Lyrik von Clemens von Brentano einließ. Strauss blickt<br />
mit des Dichters Versen „Ich woll’ ein Sträußlein<br />
binden“ noch einmal in die Zeit der Jugend zurück,<br />
die liebenswert und sanftmütig reflektiert wird. Dafür<br />
bietet „Säusle, liebe Myrthe“ der Sängerin stilvolle<br />
Verzierungen: „Zerbi-nette“ Operngrüße aus Naxos.<br />
Alban Berg war so wie Richard Strauss in erster Linie<br />
ein Musikdramatiker, dem aber auch die lyrischen Eingebungen<br />
und wunderbaren Melodien zuflogen. 88 Lieder<br />
hat der Schöpfer der Opern „Wozzeck“ und „Lulu“ geschaffen,<br />
die meisten davon in seinen jungen Jahren, Vorstufen<br />
zu seinen Hauptwerken, in denen er dann seine ganz eigene<br />
Art der Auflösung der jahrhundertelang vorherrschenden<br />
Tonalität, unter Beibehaltung starker melodischer<br />
Formung, verwirklichte. Die „Sieben frühen Lieder“, in den<br />
Jahren 1905 bis 1908, also während der Lehrzeit bei Arnold<br />
Schönberg, für Stimme und Klavier komponiert, wurden<br />
von Berg erst zwei Jahrzehnte später und nunmehr auch<br />
in Fassungen mit Orchesterbegleitung veröffentlicht.<br />
Bergs individuelle Tongebung und Gestaltung ist in<br />
ihnen schon verankert: Ganztonskalen, Harmonien mit<br />
—notizen—<br />
übermäßigen Dreiklängen und ungewöhnliche Intervallfolgen<br />
zeugen von seinem Aufbruch in eine neue<br />
musikalische Epoche, der aber in großen Melodiebögen<br />
und mit zum Teil spätromantischen Ausdrucksmitteln<br />
vonstatten geht. Berg befand sich in diesen Liedern<br />
zwischen dem leuchtenden Vorbild seiner Jugend, Richard<br />
Strauss, und seiner ganz speziellen Verinnerlichung der<br />
zukunftsträchtigen Zwölftonschule. Manchmal klingt<br />
noch Richard Wagners „Tristan“-Welt nach, manchmal<br />
auch ist Berg ganz nahe bei den Franzosen Debussy und<br />
Ravel. Aber alles ist von seiner ureigenen Ausdrucksweise<br />
mit emphatischen und ekstatischen Momenten erfüllt.<br />
Berg setzte bereits in diesen frühen Liedern, für die<br />
er passionierte Texte von Zeitgenossen mit großer Lyrik<br />
aus dem 19. Jahrhundert mischte, prägnante tonale<br />
Symbole und schuf starke formale Bezüge. Mit Ganztonschritten<br />
am Anfang des Liedes „Nacht“ bricht er<br />
in das weite Wunderland auf, in dem sich die Stimme<br />
mit grenzenloser Freiheit in großen Intervallsprüngen<br />
bewegen kann. In wiegenden Rhythmen wird die sehnsuchtsvolle<br />
Liebesstimmung im „Schilflied“ begleitet.<br />
Mit unbändiger musikalischer Energie wird Theodor<br />
Storms bild- und symbolkräftige Sprache in dem Lied<br />
„Nachtigall“ umgesetzt: steigende und sinkende Bewegungen<br />
hin zum strahlenden Aufblühen der Rose. Richard<br />
Strauss hätte es nicht schöner komponieren können.<br />
In „Traumgekrönt“ entspricht Berg Rainer Maria Rilkes<br />
dichterischer Modulation von ängstlicher Einsamkeit in<br />
zuversichtlichen Liebestraum mit einer schönen Symmetrie<br />
der Komposition. Zur Hälfte des Liedes übernehmen<br />
Stimme und Klavier jeweils die musikalische Motivik des<br />
Anderen im ersten Teil. So geht die aufsteigende Gesangslinie<br />
in die Tastenmusik und deren ungewöhnliche<br />
Intervallfolge in das Vokale über. Der Geborgenheit, die<br />
mit vertrauten musikalischen Wendungen das Lied „Im<br />
Zimmer“ vermittelt, folgt eine verklärte „Liebesode“,<br />
in der die ins Offene führenden Quartenakkorde den<br />
Austausch der Stimmungen zwischen dem Innen des<br />
Hauses und dem Außen der Natur eindringlich veranschaulichen.<br />
Die abschließenden „Sommertage“ bringen<br />
eine Rückkehr in das Wunderland des ersten Liedes.<br />
Rainer Lepuschitz<br />
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18 meister&kammerkonzerte<br />
Christiane Karg aus Feuchtwangen in Bayern studierte<br />
am Salzburger Mozarteum Gesang, Lied und Musiktheater.<br />
Der Absolventin wurde die Lilli-Lehmann-Medaille<br />
verliehen. Nach ihrem Debüt bei den Salzburger<br />
Festspielen in frühen Mozart-Opern schlug die Sopranistin<br />
eine internationale<br />
Opernlaufbahn ein. Das<br />
Ensemblemitglied der<br />
Oper Frankfurt, wo<br />
sie Hauptpartien<br />
ihres Fachs wie<br />
Susanna, Pamina<br />
und Musetta<br />
singt, gastiert<br />
mit einem breiten<br />
Rollen-Repertoire<br />
von Monteverdis<br />
Poppea über die Norina<br />
in Donizettis „Don Pasquale“<br />
bis zum Ighino in Pfitzners „Palestrina“ an bedeutenden<br />
Häusern wie der Bayerischen Staatsoper München, dem<br />
Theater an der Wien und der Glyndebourne Opera. Die<br />
deutsche Tageszeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
bezeichnete die Opernsängerin als „Höchstbegabung“.<br />
Aber auch als Konzert- und Liedsängerin feiert Christiane<br />
Karg Erfolge auf internationalen Podien vom Wiener<br />
Musikverein bis nach New York und bei renommierten<br />
Festivals vom Beethoven-Fest Bonn bis zur Schubertiade<br />
Schwarzenberg. Die Sängerin sang unter der Leitung von<br />
Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt, Riccardo Muti,<br />
Daniel Harding, Yannick Nézet-Séguin und Christophe<br />
Rousset und trat mit Klangkörpern wie dem Concentus<br />
Musicus Wien, den Wiener Philharmonikern und der<br />
Staatskapelle Dresden auf. Zu ihren Partnern am Klavier<br />
bei Liederabenden zählen Wolfram Rieger, Malcolm<br />
Martineau und Burkhard Kehring.<br />
—biografien—<br />
Burkhard Kehring widmete in seiner Laufbahn als<br />
Pianist schon früh der Liedbegleitung große Aufmerksamkeit.<br />
Begleiterpreise internationaler Liedwettbewerbe<br />
in London (Walther-Gruner-Competition) und München<br />
(Hans-Pfitzner-Wettbewerb) markierten den Beginn<br />
seiner Konzerttätigkeit als Liedbegleiter, die ihn in viele<br />
europäische Länder, in die USA, nach Asien und Südamerika<br />
sowie zu Festivals wie der Schubertiade Hohenems,<br />
den Musikfestspielen Bergen, den Schubert Serenades<br />
New York und dem Ravinia Festival Chicago führte. Eine<br />
künstlerische Zusammenarbeit verbindet ihn mit Sänger-<br />
Innen wie Christiane Oelze, Robert Holl, Roman Trekel,<br />
Florian Bösch, Dietrich Henschel, Hanno Müller-Brachmann<br />
und Andreas Schmidt. Gemeinsam mit Dietrich<br />
Fischer-Dieskau gestaltete er musikalische Lesungen und<br />
Melodramenabende. Zudem konzipiert Burkhard Kehring<br />
eigene Liederabendreihen<br />
wie einen Hugo-Wolf-<br />
Schwerpunkt in<br />
der Musikhalle<br />
Hamburg und<br />
beim Schleswig-<br />
Holstein Musik<br />
Festival und<br />
„Schubert plus“<br />
in Frankfurt/<br />
Main. Kehrings<br />
CD-Einspielungen<br />
umfassen Lieder von<br />
Schubert, Mendelssohn,<br />
Schumann, Rossini, Grieg, Mahler, Wolf, Alfvén, Debussy,<br />
Ravel, Martin, Fortner und Ullmann. Burkhard Kehring<br />
ist Professor für Liedgestaltung an der Hochschule für<br />
Musik und Theater in Hamburg. Er war Klavierbegleiter<br />
bei <strong>Meister</strong>kursen von Elisabeth Schwarzkopf, Ernst<br />
Haefliger und Hermann Prey.<br />
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Vorschau<br />
6. symphoniekonzert<br />
tiroler symphonieorchester innsbruck<br />
francesco angelico dirigent<br />
gabriela montero klavier<br />
werke von mozart, strawinski<br />
do 19. und fr 20. april 12, 20 uhr<br />
congress innsbruck, saal tirol<br />
6. meisterkonzert<br />
bbc philharmonic<br />
juanjo mena dirigent sol gabetta violoncello<br />
werke von schubert, schumann, elgar<br />
mo 30. april 12, 20 uhr<br />
congress innsbruck, saal tirol<br />
einführungsgespräch 19 uhr<br />
8. kammerkonzert<br />
bläserkammermusik<br />
werke von francaix, mozart, beethoven<br />
mo 14. mai 12, 20 uhr<br />
tiroler landes konservatorium<br />
einführungsgespräch 19 uhr<br />
Bestehende Abonnements werden automatisch verlängert.<br />
Stornos und kostenlose Übertragungen von bestehenden<br />
Abonnements können bis 18. Mai 2012 per Mail<br />
(tickets@altemusik.at), per Post oder per Fax an das Büro<br />
der meister&kammerkonzerte geschickt werden.<br />
tickets meister&kammerkonzerte:<br />
einzelkarten: innsbruck information t +43 (0)512 53 56-0<br />
e-mail: ibk.ticket@utanet.at, infos: www.meisterkammerkonzerte.at<br />
tickets tiroler landestheater und symphoniekonzerte:<br />
tiroler landestheater, t +43 (0)512 52 074-4<br />
e-mail: kassa@landestheater.at, infos: www.landestheater.at<br />
Impressum: <strong>Meister</strong>&<strong>Kammerkonzerte</strong>, Innsbrucker Festwochen der Alten Musik GmbH,<br />
Herzog-Friedrich-Straße 21/1, 6020 Innsbruck; E-mail: meisterkammer@altemusik.at;<br />
Tel.: +43 (0)512 571032-19; Für den Inhalt verantwortlich: Christa Redik, Redak tion & Texte:<br />
Rainer Lepuschitz; © Fotos: istockfoto (S. 1); Steven Haberland (S. 18); Kon zep tion & Design:<br />
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