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Hochbegabte Kinder aus graphologischer und ... - Graphologie News

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Mai 2009<br />

1<br />

GRAPHOLOGIENEWS<br />

Dipl. Graphologin SGB/EGS<br />

Höhenstrasse 8<br />

CH - 8304 Wallisellen<br />

www.graphologie-duerr.ch<br />

<strong>Hochbegabte</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>aus</strong> <strong>graphologischer</strong> <strong>und</strong><br />

schriftpsychologischer Sicht<br />

Von Esther Dürr<br />

Einleitung<br />

Verschiedenste Autoren haben sich seit<br />

langem mit den unterschiedlichsten Aspekten<br />

der <strong>Kinder</strong>schriften befasst. Im Zentrum der<br />

<strong>Kinder</strong>graphologie standen mehrheitlich die<br />

pä-dagogische Psychologie sowie die Ent-<br />

wicklungspsychologie. Aus <strong>graphologischer</strong><br />

<strong>und</strong> tiefenpsychologischer Sicht ist dann Frau<br />

Avé-Lallemant vertieft auf das Zusammenspiel<br />

von Anlage, Umwelt sowie Selbstkompetenz<br />

eingegangen. Systematisch <strong>und</strong> in der Litera-<br />

tur festgehalten hat sie auch den Reife- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsstand des Kindes. In Bezug auf<br />

die <strong>Kinder</strong>graphologie interessierte mich vor<br />

allem entwicklungspsychologische sowie tiefenpsychologische<br />

Aspekte, <strong>und</strong> so befasste<br />

ich mich in meiner Diplomarbeit 2001 mit diesem<br />

Thema.<br />

Ich suchte mir eine Zielgruppe von Kin-<br />

dern <strong>aus</strong>, bei denen die persönlichen Anlagen,<br />

d. h. die vitalen Ressourcen sowie die<br />

besonderen Fähigkeiten, <strong>aus</strong>geprägter <strong>und</strong><br />

differenzierter zum Ausdruck kamen. Es interessierte<br />

mich auch, wie die Interaktion in der<br />

Umwelt, d. h. in Familie, Schule <strong>und</strong> im<br />

Fre<strong>und</strong>eskreis, funktioniert <strong>und</strong> wie das jewei-<br />

lige Kind in der entsprechenden Altersstufe<br />

selber reagiert. Wie geht es mit seinen individuellen<br />

Anlagen in seiner ihm vorgegeben<br />

Umwelt um? Fühlt es sich wohl, kann es sich<br />

selber organisieren, kann es sich behaupten<br />

<strong>und</strong> durchsetzen, oder führen seine individuellen<br />

Eigenschaften zu Unlustgefühlen <strong>und</strong><br />

Unwohlsein, d. h. zu Störungen <strong>und</strong> Auffällig-<br />

keiten.<br />

Die Idee meiner Arbeit war es, den Ent-<br />

wicklungsstand eines Kindes systematisch zu<br />

erfassen, auf die vitalen Anlagen <strong>und</strong> individu-<br />

ellen Fähigkeiten einzugehen <strong>und</strong> sie immer<br />

im Zusammenhang mit der Umwelt zu be-<br />

trachten. Da zur Zeit das hochbegabte Kind<br />

mit allen Freuden <strong>und</strong> Leiden im Schussfeld<br />

der Diskussionen steht <strong>und</strong> da ich persönlich<br />

Beispiele kenne, wählte ich diese Zielgruppe<br />

<strong>Kinder</strong> <strong>aus</strong>. Ebenso gut hätte ich auch min-<br />

derbegabte <strong>Kinder</strong> wählen können. Wichtig<br />

für mich war es, dass eine Gruppe <strong>Kinder</strong><br />

vorliegt, welche vom „Durchschnittskind“ - ich<br />

komme auf diesen Ausdruck zurück – abweicht<br />

<strong>und</strong> mir somit die Möglichkeit bot, An-<br />

lagen, Umweltbeziehung <strong>und</strong> Selbstkompetenz<br />

<strong>aus</strong>geprägter <strong>und</strong> differenzierter wahrzunehmen.<br />

Ziel <strong>und</strong> Zweck meiner Diplomarbeit<br />

Mein Zielpublikum waren hochbegabte<br />

<strong>Kinder</strong>, welche durch Fachleute abgeklärt <strong>und</strong><br />

mit einem IQ über 125 bewertet wurden. Ich<br />

wollte nun wissen, ob sich bei diesen <strong>Kinder</strong>n<br />

graphologisch Intelligenzkriterien feststellen<br />

lassen. Ebenso stellte ich mir die Frage, ob<br />

eventuelle Störungen, d. h. Alarm- <strong>und</strong> Notsignale<br />

in Form von Unlustgefühlen sowie<br />

Unwohlsein, graphologisch vermehrt in Erscheinung<br />

treten. Was drückt sich in der<br />

Handschrift dieser <strong>Kinder</strong> <strong>aus</strong>? Gibt es Aus-<br />

sagen, welche für alle <strong>Kinder</strong> gelten, <strong>und</strong><br />

wenn ja, wie sieht ein Vergleich <strong>und</strong> eine Sys-<br />

tematisierung <strong>aus</strong>?<br />

Das Schriftmaterial, welches mir zur Verfügung<br />

gestellt wurde, bestand <strong>aus</strong> 26 Schrif-<br />

ten von <strong>Kinder</strong>n zwischen 7 <strong>und</strong> 17 Jahren.<br />

Ich versuchte, den Entwicklungsstand des<br />

jeweiligen Kindes im Verhältnis zum „Durchschnittskind“,<br />

die vitalen Anlagen, die besonderen<br />

Fähigkeiten sowie Auffälligkeiten im


GRAPHONEWS Mai 2009<br />

2<br />

sozialen <strong>und</strong> emotionalen Geschehen graphologisch anzuschauen,<br />

systematisch zu erfassen, zu überprüfen <strong>und</strong><br />

<strong>aus</strong>zuwerten. Dies war der Ausgangspunkt meiner Diplomarbeit.<br />

Was ist Hochbegabung?<br />

Wenn man von hochbegabten <strong>Kinder</strong>n spricht, was<br />

ist denn eigentlich damit gemeint? <strong>Hochbegabte</strong> <strong>Kinder</strong><br />

sind wie alle andern <strong>Kinder</strong> auch, nur haben sie die Fähigkeit,<br />

in Teilbereichen besondere Leistungen zu erbrin-<br />

gen. In anderen Bereichen hingegen ist es absolut möglich,<br />

dass ihre Entwicklung altersgemäss ist oder sogar<br />

ein Mangel bestehen kann. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e möchte<br />

ich den Ausdruck Hochbegabung oder hochbegabtes<br />

Kind meiden <strong>und</strong> ihn durch <strong>Kinder</strong> mit besonderen Fä-<br />

higkeiten (<strong>Kinder</strong> m.b.F.) oder mit Teilbegabung ersetzen.<br />

Was sind nun <strong>Kinder</strong> mit besonderen Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> wie äussert sich das? Wie bereits erwähnt sind es<br />

<strong>Kinder</strong>, welche in Teilbereichen in der Lage sind, rascher<br />

zu denken <strong>und</strong> Zusammenhänge differenzierter wahrzu-<br />

nehmen <strong>und</strong> diese besser in einen Gesamtzusammenhang<br />

zu stellen. Ihre Gedankengänge sind flexibel, krea-<br />

tiv, phantasievoll <strong>und</strong> insbesondere für ein gleichaltriges<br />

Kind nicht immer nachvollziehbar. In Teilbereichen weichen<br />

sie vom Durchschnittskind ab; sie haben besondere<br />

<strong>und</strong> speziell <strong>aus</strong>geprägte Fähigkeiten, sei es z. B. in musischen,<br />

sprachlichen, mathematischen oder sozialen<br />

Bereichen. Sie befassen sich mit Themen, welche das<br />

Durchschnittskind nicht interessiert <strong>und</strong> wofür es kein<br />

Verständnis hat. Das Kind m.b.F. stellt intensiver Fragen,<br />

ist interessiert <strong>und</strong> möchte so vieles wissen. Es möchte<br />

der Sache auf den Gr<strong>und</strong> gehen, selber denken, weiter-<br />

denken. Dies ist für die Eltern <strong>und</strong> Lehrer nicht immer<br />

ganz einfach, denn solche <strong>Kinder</strong> stellen hohe Anforderungen<br />

an die Erzieher; sie suchen Aufmerksamkeit,<br />

möchten gefordert <strong>und</strong> unterstützt werden. Dies sprengt<br />

oftmals den Rahmen <strong>und</strong> die Möglichkeiten von Eltern<br />

<strong>und</strong> Erziehern <strong>und</strong> führt zu Spannungsfeldern auf beiden<br />

Seiten. Das Kind m.b.F. fühlt sich nicht wohl, fühlt sich als<br />

Aussenseiter, nicht verstanden, alleine in seiner Gedan-<br />

ken- <strong>und</strong> Phantasiewelt. Die eigenen Anlagen <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

im sozialen Umfeld einbringen zu dürfen, ohne<br />

eingeschränkt <strong>und</strong> missverstanden zu werden, ist für dieses<br />

Kind noch immer nicht selbstverständlich <strong>und</strong> führt<br />

oftmals zu Frustrationen, Aggressionen <strong>und</strong> Unlustgefüh-<br />

len. Es kann sich unterfordert <strong>und</strong> gelangweilt fühlen. Es<br />

bedingt ein hohes Einfühlungsvermögen <strong>und</strong> Verständnis<br />

von Eltern, Lehrern <strong>und</strong> Umwelt, um auf die Bedürfnisse<br />

von <strong>Kinder</strong>n m.b.F. eingehen <strong>und</strong> sie in ihrer Einzigartigkeit<br />

erkennen, ihre Sorgen <strong>und</strong> Nöte verstehen <strong>und</strong> de-<br />

mentsprechend diesen <strong>Kinder</strong>n Unterstützung <strong>und</strong> Hilfe<br />

bieten zu können.<br />

In metrischen Tests ist Teilbegabung wohl zu erkennen,<br />

<strong>und</strong> sie wird auch messbar gemacht. Hingegen<br />

kommen die seelischen <strong>und</strong> zwischenmenschlichen Belange<br />

nicht zum Ausdruck. Wird Teilbegabung in Form<br />

eines messbaren Wertes festgestellt, fehlen meiner Mei-<br />

nung nach die seelischen <strong>und</strong> geistigen Komponenten.<br />

Es ist nicht nur die besondere Fähigkeit, die zählt, es ist<br />

das ganze Kind, als Menschenkind, das Aufmerksamkeit<br />

<strong>und</strong> Betreuung braucht. Die intellektuellen Fähigkeiten<br />

sind die eine Seite seines Wesens. Aber ebenso hat es<br />

eine emotionale Seite, durch die es sich <strong>aus</strong>zeichnet.<br />

Durch die hohe Reizempfänglichkeit <strong>und</strong> Sensibilität,<br />

welche diesen <strong>Kinder</strong>n zugesprochen <strong>und</strong> <strong>aus</strong> meiner<br />

Sicht bestätigt wird, nehmen sie auch das Umfeld in differenzierter<br />

<strong>und</strong> feinfühliger Weise wahr. Sie reagieren<br />

sehr schnell auf Unstimmigkeiten, Ungerechtigkeiten <strong>und</strong><br />

Disharmonien. Sie verlangen viel Aufmerksamkeit, Tole-<br />

ranz <strong>und</strong> Unterstützung. Nicht immer steht ihr Innenleben<br />

mit dem Aussenleben in einem harmonischen Einklang.<br />

Durch den hohen Intellekt <strong>und</strong> die hohe Sensibilität<br />

kommen diese <strong>Kinder</strong> oftmals in ein Spannungsfeld, welches<br />

zu Fehlanpassungen <strong>und</strong> Frustrationen führt. Des-<br />

halb scheint mir die Gesamtheit des Kindes wichtig <strong>und</strong><br />

nicht nur die besondere Fähigkeit.<br />

Systematisches Erfassen von Reifegrad<br />

<strong>und</strong> Intelligenzmerkmalen<br />

Den Schwerpunkt meiner Arbeit legte ich auf das<br />

systematische Erfassen des Entwicklungsstandes, d. h.<br />

den Reifegrad eines Kindes, sowie auf das systematische<br />

Erfassen von Intelligenzmerkmalen. Gleichzeitig bin ich<br />

auf die vitalen Ressourcen eines Kindes eingegangen<br />

<strong>und</strong> habe ebenso auf das Zusammenspiel von Emotionen<br />

<strong>und</strong> Umwelt geachtet.<br />

Als Schriftmaterial standen mir von 26 <strong>Kinder</strong>n mit<br />

den Jahrgängen 1983 bis 1993 je eine Abschrift, eine<br />

Spontanschrift <strong>und</strong> eine Baumzeichnung zur Verfügung.<br />

Alle 26 <strong>Kinder</strong> erhielten die gleichen drei Aufgaben, d. h<br />

die Abschrift eines gleichen Textes, das spontane Auf-<br />

schreiben ihrer Hobbys <strong>und</strong> das Zeichnen eines Baumes.<br />

Um eine Vergleichsbasis zu erhalten, habe ich ein<br />

Vorarbeitenblatt mit den übergreifenden Bef<strong>und</strong>en sowie<br />

mit den Einzelmerkmalen nach Müller-Enskat erstellt. Als<br />

Ausgangsbasis <strong>und</strong> Normwert einer Schweizer Durch-<br />

schnittsschrift (Anlage 1) diente mir die Schülerschrift<br />

einer durchschnittlich begabten 5. Klass-Schülerin einer<br />

Zürcher Regelklasse. Insbesondere die übergreifenden<br />

Bef<strong>und</strong>e schienen mir im Verhältnis durchschnittlich begabtes<br />

Kind <strong>und</strong> Kind mit b. F. wichtig <strong>und</strong> <strong>aus</strong>drucks-<br />

stark zu sein:


GRAPHONEWS Mai 2009<br />

3<br />

Die übergreifenden Bef<strong>und</strong>e sehen für mich wie<br />

folgt <strong>aus</strong>:<br />

• der Versteifungsgrad als Massstab zum Reifegrad<br />

• der Eigenartsgrad als Zeichen von Selbständigkeit <strong>und</strong><br />

kognitiven Fähigkeiten sowie<br />

• der Rhythmus als Zeichen von Ausgewogenheit <strong>und</strong><br />

Harmonie.<br />

Als Ganzheitsmerkmale habe ich die folgenden Intelligenzkriterien<br />

festgelegt:<br />

• Differenziertheit in der Ausführung der Gestaltung<br />

• Dreidimensionales Vorstellungsvermögen (Baumzeichnung)<br />

• Gute Gliederung<br />

• Klarheit <strong>und</strong> Sicherheit in der Ausführung der Arbeit<br />

• Konzentrationsfähigkeit<br />

• Individualität <strong>und</strong> Kreativität in Buchstaben <strong>und</strong> Baumgestaltung<br />

• Selbständigkeit in Ausführung <strong>und</strong> Formgestaltung<br />

• Sichere Strichführung<br />

• Willensbetonung<br />

Bei den Einzelmerkmalen habe ich die nachfolgenden<br />

Merkmale berücksichtigt:<br />

• Eile als Zeichen rascher Auffassungsgabe <strong>und</strong> Denkfähigkeit<br />

• Vereinfachung als Sinn für das Wesentliche<br />

• hohe i-Punkte als Zeichen von Wünschen <strong>und</strong> Visionen<br />

• tiefe i-Punkte als Zeichen der Genauigkeit, der Konzen-<br />

tration <strong>und</strong> des Realitätsbezuges<br />

• Versteifungsgrad, Bewegungsrhythmus <strong>und</strong> Druckstärke<br />

als Durchschnittswerte<br />

Des Weiteren habe ich eine Skala (siehe Tabelle 1)<br />

des Versteifungsgrades, des Bewegungsrhythmus<br />

sowie der Druckstärke von der 1. Klasse bis zur<br />

7. Klasse erstellt, welche einem Durchschnittswert<br />

entspricht <strong>und</strong> wie folgt <strong>aus</strong>sieht (Abb. 1: Schrift einer<br />

durchschnittlich begabten 5. Klass-Schülerin). Als genormte<br />

Werte übernahm ich ebenso die Schriftgrösse<br />

<strong>aus</strong> den Schweizer Schulheften, welche der jeweiligen<br />

Klassenstufe entsprachen. Die Schweizer Schulschrift-<br />

Vorlage (Abb. 2) weist zudem eine Rechtsschrägheit von<br />

70 Grad auf.<br />

Drei Beispiele <strong>aus</strong> der Diplomarbeit von<br />

<strong>Kinder</strong>n mit besonderen Fähigkeiten<br />

Als praktische Beispiele möchte ich je eine Abschrift<br />

<strong>und</strong> eine Spontanschrift einer Unterstufenschülerin, eines<br />

Mittelstufen- <strong>und</strong> eines Oberstufenschülers zeigen (die<br />

Baumzeichnung lasse ich <strong>aus</strong> Platzgründen weg):<br />

1. Unterstufe<br />

Felicia, 7 Jahre, 3. Klasse (Abb. 3 <strong>und</strong> 4)<br />

Sie hat zwei Klassen übersprungen <strong>und</strong> wurde direkt<br />

in die 3. Klasse eingeschult. Abschrift (Abb. 3): Die Verb<strong>und</strong>enheit<br />

der Schrift, die eigengeprägte Buchstabengestaltung<br />

sowie das Tempo sind für dieses Alter <strong>aus</strong>ser-<br />

gewöhnlich. Man sieht die Konzentration um Formgebung,<br />

Zeilenführung, Einhalten von Grösse <strong>und</strong> Druck-<br />

stärke; es stecken grosse Anstrengungsbereitschaft <strong>und</strong><br />

Einsatzwillen dahinter.<br />

Spontanschrift (Abb. 4): Die Spontanschrift ist unver-<br />

b<strong>und</strong>en <strong>und</strong> weist ansatzweise bereits eine gute Gliederung<br />

auf. Auch hier sieht man, dass das Gestalten der<br />

Buchstaben Leistung bedeutet; es geschieht noch nicht<br />

automatisch. Der Strich wirkt sicher. Für das Alter ist es<br />

eine eher kleine Schrift <strong>und</strong> nicht dem Durchschnitt ent-<br />

sprechend.<br />

Für den durchschnittlich begabten Unterstufen-<br />

Schüler gelten:<br />

• es ist ein höherer Versteifungsgrad sichtbar<br />

• die Schulvorlage steht im Vordergr<strong>und</strong><br />

• eine individuelle Schrift ist noch kaum gegeben<br />

• das Überspringen von Klassen kann sich auf die<br />

Schreibfertigkeit bzw. auf die Schreibroutine <strong>und</strong> somit<br />

auf den Versteifungsgrad <strong>aus</strong>wirken<br />

• eine geringere Schreibfertigkeit kann einen höheren<br />

Versteifungsgrad bewirken


GRAPHONEWS Mai 2009<br />

4<br />

Klasse / Alter Versteifungsgrad Bewegungsrhythmus Druckstärke<br />

1. Klasse / 7 Jahre Hohe Versteifung<br />

IVa <strong>und</strong> mehr<br />

2. Klasse / 8 Jahre Hohe Versteifung<br />

IVa <strong>und</strong> mehr<br />

3. Klasse / 9 Jahre Versteifung III-IVa<br />

Beginn der Automatisation<br />

Eher unharmonisch Eher druckstark,<br />

schreibungeübt<br />

Eher unharmonisch Eher druckstark,<br />

schreibungeübt<br />

Harmonisch / unharmonisch Persönliche<br />

Druckstärke<br />

4. Klasse / 10 Jahre Versteifung III<br />

Harmonisches, schulmäs- Persönliche<br />

Automatisation<br />

siges Schriftbild<br />

Druckstärke<br />

Versteifung III<br />

Harmonisches, schulmäs- Persönliche<br />

5. Klasse / 11 Jahre Automatisation<br />

siges Schriftbild<br />

Druckstärke<br />

6. Klasse / 12 Jahre Versteifung individuell,<br />

Individuelles, harmonisches/ Persönliche<br />

pubertäre Erscheinungsmerkmale,<br />

Erlahmung der Schrift (biophysische<br />

Schwäche)<br />

unharmonisches Schriftbild Druckstärke<br />

Ab 7. Klasse /<br />

Entfaltung der persönlichen<br />

13 Jahre<br />

Schrift<br />

Tabelle 1: Skala der Durchschnittswerte<br />

Abb. 1


GRAPHONEWS GRAPHONEWS Mai 2009 2009<br />

5<br />

Abb. 2


GRAPHONEWS GRAPHONEWS Mai 2009 2009<br />

6<br />

Abb. 3<br />

Abb. 4


GRAPHONEWS Mai 2009<br />

7<br />

2. Mittelstufe<br />

Raphael, 10 Jahre, 5. Klasse (Abb. 5, 6)<br />

Er hat zwei Klassen übersprungen. Abschrift (Abb.<br />

5): Eine bereits sehr eigengeprägte Schrift, bei welcher<br />

Eile <strong>und</strong> Druckunterschiedlichkeit im Vordergr<strong>und</strong> stehen.<br />

Als Wechselmerkmal gelten Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> Unver-<br />

b<strong>und</strong>enheit. Die Buchstaben sind z. T. etwas abgeschliffen;<br />

der schlaffe Bewegungsablauf korrespondiert mit der<br />

Unelastizität des Striches. Retouchen, Einrollungen sowie<br />

abgebrochene Wortenden deuten auf pubertäre Erscheinungsmerkmale<br />

hin.<br />

Spontanschrift (Abb. 6): Die unfertige Spontanschrift<br />

drückt das eigenbestimmende Verhalten <strong>aus</strong>. Die Steillage<br />

mit tendenzieller Betonung nach links verdeutlicht die-<br />

se Haltung zusätzlich. Die Schrift ist klein, eigengeprägt,<br />

unverb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> stabiler als die Abschrift. Ein grösseres<br />

Regelmass <strong>und</strong> Einheitlichkeit im Druck sind gegeben.<br />

Für den durchschnittlich begabten Mittelstufen-Schüler<br />

gelten (vgl. Abb. 1):<br />

• die Schrift hat sich automatisiert; eine individuelle<br />

Schrift entwickelt sich<br />

• der Versteifungsgrad III entspricht dem Durchschnitt<br />

• das Überspringen von Klassen wirkt sich auf die<br />

Schreibfertigkeit kaum mehr <strong>aus</strong><br />

3. Oberstufe<br />

Thomas, 14 Jahre, 3. Klasse Gymnasium (Abb. 7, 8)<br />

Abschrift (Abb. 7): Ein rasches Schreibtempo in der<br />

unverb<strong>und</strong>enen <strong>und</strong> selbständig geprägten Schrift ist<br />

gegeben. Durckschwäche, Vereinfachung sowie verschiedene<br />

Bindungsformen sind sichtbar. Im Vordergr<strong>und</strong><br />

stehen geistige Beweglichkeit, Flexibilität <strong>und</strong> Agilität,<br />

welche auf eine gute Intelligenz hinweisen.<br />

Spontanschrift (Abb. 8): Im Gegensatz zur Abschrift<br />

ist die Spontanschrift verb<strong>und</strong>en. Sie weist ein sehr hohes<br />

Schreibtempo auf. Locker <strong>und</strong> lebendig präsentiert<br />

sich das Schriftbild mit eigengeprägten, sehr kreativen<br />

Buchstabenformen. Vereinfachung <strong>und</strong> die Tendenz zur<br />

Fadenbildung unterstreichen den Gesamteindruck einer<br />

sehr persönlichen, sensiblen, mit einer gewissen Labilität<br />

verb<strong>und</strong>en, weit entwickelten Schrift.<br />

Für den durchschnittlich begabten Oberstufen-Schüler<br />

gelten:<br />

• die Schrift ist individuell geprägt, eigenständige Schrift-<br />

züge sind gegeben<br />

• der Versteifungsgrad III entspricht dem Durchschnitt<br />

Sorgen <strong>und</strong> Nöte von <strong>Kinder</strong>n mit besonderen<br />

Fähigkeiten<br />

Anhand der gemachten Schrift<strong>aus</strong>wertungen bin ich<br />

zum Schluss gekommen, dass sich bei <strong>Kinder</strong>n m.b.F.<br />

oftmals die nachfolgenden Merkmale <strong>und</strong> Unlustgefühle<br />

manifestieren. Ich gebe einen alphabethischen Überblick<br />

über die meisten Schwierigkeiten, Sorgen <strong>und</strong> Nöte, welche<br />

ich in den Schriften angetroffen habe:<br />

• Emotionale Unsicherheit<br />

• Gefühle der Resignation<br />

• Gefühle des Ungenügens<br />

• Harmoniebedürfnis<br />

• Isolation<br />

• Leistungsdruck<br />

• Perfektionismus<br />

• Pflichterfüllung<br />

• Ratlosigkeit<br />

• Rückzug<br />

• Selbstdisziplin<br />

• Selbstkontrolle<br />

• Sensibilität<br />

• Tendenz der Überbelastung<br />

Zusammenfassend: Persönliche Anlagen<br />

– Umweltbeziehung - Selbstkompetenz<br />

Die persönliche Entwicklung eines Kindes vollzieht<br />

sich in einem immerwährenden, komplexen <strong>und</strong> fort-<br />

schreitenden Prozess der Wechselwirkung zwischen der<br />

strukturellen Reifung (Altersreife), den individuell-genetischen<br />

Anlagen (körperliche Gestaltung, Intelligenz, be-<br />

sondere Fähigkeiten wie z. B. Musikalität), den Umwelteinflüssen<br />

<strong>und</strong> schliesslich der Art <strong>und</strong> Intensität der indi-<br />

viduellen Selbststeuerung. Individuelle Anlagen, Umwelteinflüsse<br />

<strong>und</strong> Selbstkompetenz führen zur individuellen<br />

Persönlichkeit.<br />

Genetische Faktoren, d. h. die Vererbung, spielen<br />

ebenso eine Rolle wie die soziokulturellen Strukturen. Das<br />

Kind wird mit seinen Erbanlagen in seinen Kulturkreis<br />

hineingeboren. Es bewegt sich in einer sozialen Schicht,<br />

welcher die Eltern angehören, <strong>und</strong> <strong>aus</strong> deren engeren<br />

Umwelt her<strong>aus</strong> es sich entwickeln <strong>und</strong> entfalten kann.<br />

Familie, Schule <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>eskreis spielen je nach Alter<br />

eine unterschiedliche <strong>und</strong> auf die Bedürfnisse eines jeden<br />

Kindes - nicht nur des Kindes m.b.F. - abgestimmte Rolle.


GRAPHONEWS GRAPHONEWS Mai 2009 2009<br />

8<br />

Abb. 5<br />

Abb. 6


GRAPHONEWS GRAPHONEWS Mai 2009 2009<br />

9<br />

Abb. 7<br />

Abb. 8


GRAPHONEWS Mai 2009<br />

10<br />

Das Kind mit besonderen Fähigkeiten<br />

Das Kind mit besonderen Fähigkeiten, als Aussenseiter<br />

von der Gesellschaft z. T. bew<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> beneidet,<br />

hat es nicht immer leicht, sich zu behaupten <strong>und</strong> sich<br />

seinen Raum <strong>und</strong> Platz zu nehmen. Aus <strong>graphologischer</strong><br />

Sicht kann gesagt werden, dass sich bei <strong>Kinder</strong>n m.b.F.<br />

schon recht früh eine eigenständige <strong>und</strong> persönliche<br />

Schrift entwickelt. Es zeigen sich mehrheitlich <strong>aus</strong>geprägt<br />

eine gute Gliederung, Willensmerkmale sowie Individuali-<br />

tät <strong>und</strong> Selbständigkeit. Diese Schriftmerkmale können<br />

hilfreich <strong>und</strong> ergänzend bei Abklärungen herbeigezogen<br />

werden.<br />

Graphologische Merkmale<br />

• Sehr früh eigenständige <strong>und</strong> persönliche Schrift<br />

• Mehrheitlich <strong>aus</strong>geprägt gute Gliederung<br />

• Willensmerkmale<br />

• Individualität <strong>und</strong> Selbständigkeit<br />

Möglichkeiten der <strong>Graphologie</strong><br />

Die <strong>Graphologie</strong> kann meiner Meinung nach einen<br />

nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Wohle des Kin-<br />

des m.b.F. im Besonderen <strong>und</strong> zum Wohle des Kindes im<br />

Allgemeinen leisten. Die Graphologin hilft mit, auf das<br />

Kind einzugehen, indem sie über den Schrift<strong>aus</strong>druck die<br />

individuellen Anlagen <strong>und</strong> Fähigkeiten sowie allfällige Notsignale<br />

<strong>und</strong> Stresssymptome erkennt <strong>und</strong> diese auch im<br />

Kontext zur Umwelt sieht. Wenn auffälligen Schriftbildern<br />

rechtzeitig die nötige Aufmerksamkeit geschenkt werden<br />

kann, geschieht dies im Interesse des Kindes.<br />

Literatur<br />

• Avé-Lallemant Ursula: <strong>Graphologie</strong> des Jugendlichen, I. Längs-<br />

schnitt-Anlayse, München 1970<br />

• Avé-Lallemant Ursula: <strong>Graphologie</strong> des Jugendlichen, Band II: Eine<br />

Dynamische <strong>Graphologie</strong>, München 1988<br />

• Avé-Lallemant Ursula: Notsignale in Schülerschriften, München 1982<br />

• Avé-Lallemant Ursula: Pubertätskrise <strong>und</strong> Handschrift, München<br />

1983<br />

• Beschel Gertrud: ERST KRITZELN – DANN SCHREIBEN, Schwerte<br />

2001<br />

• Brütsch Rainer: Pädagogik <strong>und</strong> <strong>Graphologie</strong>, Dissertation, Zürich<br />

1989<br />

• Bollschweiler Robert: Die Handschrift von <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen,<br />

Hitzkirch 1993<br />

• Elhardt Siegfried: Tiefenpsychologie, 13.Auflage, Stuttgart 1994<br />

• Gardner Howard: Kreative Intelligenz, Frankfurt/Main 1999<br />

• Huser Joëlle: Lichtblick für helle Köpfe, Lehrmittelverlag des Kantons<br />

Zürich 1999<br />

• Mietzel Gerd: Wege in die Entwicklungspsychologie, Band 1, Kindheit<br />

<strong>und</strong> Jugend, 3. Auflage, Weinheim 1997<br />

• Müller W.H. <strong>und</strong> A. Enskat: Graphologische Diagnostik, 4. Auflage,<br />

Bern 1993<br />

• Peugeot Jacqueline: Entwicklungsstadien des Schulalters im Spiegel<br />

der Schrift, Leer/Ostfriesland 1992<br />

• Webb James T., Elisabeth A. Meckstroth, Stephanie S. Tolan: Hoch-<br />

begabte <strong>Kinder</strong> – ihre Eltern, ihre Lehrer, 2. Auflage, Bern 1998

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