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Erinnerungen an Lauterbach, Kreis Reichenbach unter der Eule ...

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wie<strong>der</strong> die Gefahren dieses Teiches beschworen. Und <strong>an</strong> warmen Nächten in <strong>der</strong> Sommerzeit<br />

erkl<strong>an</strong>gen von dort – nach get<strong>an</strong>er Feldarbeit als Belohnung durch die Natur – die Stimmen <strong>der</strong><br />

liebestrunkenen Frösche als ein beeindruckendes Naturkonzert. Stolz führten Gänse und Enten ihren<br />

hoffnungsvollen Nachwuchs im possierlichen Gänsemarsch <strong>an</strong> die Ufer des kühlenden Wassers.<br />

Nicht jedes <strong>der</strong> kleinen Küken wollte das Leben auf und im Wasser gleich akzeptieren. Aber mit<br />

großer Geduld, in hartnäckigen Fällen auch mit s<strong>an</strong>fter Gewalt haben die Gänse- und Enteneltern<br />

ihren Nachwuchs d<strong>an</strong>n doch immer wie<strong>der</strong> <strong>an</strong> das nasse Element gewöhnt.<br />

Gespeist wird <strong>der</strong> Teich von einer eigenen, relativ kalten Quelle. Da sich das Wasser auch im<br />

Sommer nicht wesentlich erwärmt, war bisher eine Fischzucht in dem Gewässer noch nicht<br />

erfolgreich. Die Quelle war zu ergiebig und <strong>der</strong>en kalte Temperatur dominierte. Als Badeteich wurde<br />

dieses Gewässer von uns Kin<strong>der</strong>n nie genutzt. Die Wassertiefe konnte durch ein kleines Stauwehr<br />

reguliert werden. Der Abflussgraben führte d<strong>an</strong>n durch unseren Garten, über die sehr feuchten<br />

Zentnerwiesen zwischen den Höfen von Gutbier und Brosig in den krummen Graben. Der kleine<br />

Ablaufgraben des Teiches wurde meistens mit einer einfachen, dicken Bohle überbrückt, eine<br />

Konstruktion also , wie aus dem Wilhelm Busch-Album und den Abenteuern von Max und Moritz<br />

bek<strong>an</strong>nt. Entsprechende Streiche ließen sich auch die Kin<strong>der</strong> aus den Straßenhäusern einfallen. Oft<br />

war die Brücke wie vom Erdboden verschwunden und musste durch eine neue ersetzt werden. Bei<br />

Regen war das Brett gefährlich glitschig. Und bei Schnee und Eis ist so m<strong>an</strong>cher unvorsichtige<br />

Pass<strong>an</strong>t im Graben gel<strong>an</strong>det. Für uns Kin<strong>der</strong> kein Hin<strong>der</strong>nis, Übungsmöglichkeiten sie zu überqueren<br />

gab es täglich beim G<strong>an</strong>g zur und von <strong>der</strong> Schule. Beson<strong>der</strong>s im Winter, wenn <strong>der</strong> doch häufig sehr<br />

kalte schlesische Winter alle Flüsse, Bäche und Seen erstarren ließ, die L<strong>an</strong>dschaft in knirschenden<br />

Schnee eingehüllt war und eine schwach wärmende Sonne am blauen Firmament die Kin<strong>der</strong> aus den<br />

Stuben <strong>an</strong> die klare Winterluft lockte, war die zugefrorene Eisdecke eine <strong>der</strong> vielen Winterfreuden in<br />

<strong>der</strong> schlesischen Heimat. Die Eltern haben diesem Treiben nicht ohne Sorge zugestimmt, war doch<br />

die Eisschicht nicht <strong>an</strong> allen Stellen einbruchsicher. Am Abfluss war das Eis immer dünner und die<br />

Gefahr einzubrechen dort sehr groß. Doch <strong>der</strong> Winter in Schlesien war nichts für Stubenhocker. Er<br />

bot viele Abwechslungen. Das „Koscheln“ auf dem Eis o<strong>der</strong> dafür <strong>an</strong>gelegten Bahnen, Rodelfahrten,<br />

Schneeballschlachten, Schlittschuhfahren, Schneehöhlen- und Schneem<strong>an</strong>nbauen waren<br />

willkommene Abwechslung vom Schulprogramm. Großes Gaudi bereitete die Schlittenfahrten,<br />

gezogen von geschmückten Pferdchen mit klingenden Glocken am Geschirr. Wer wollte, konnte sich<br />

<strong>an</strong> den Schlittenb<strong>an</strong>dwurm <strong>an</strong>binden und so zog ein l<strong>an</strong>ger Zug von fröhlichen Kin<strong>der</strong>n auf vielen<br />

Schlitten durch Dorf und Straßen. So wuchsen die Menschen schon als Kin<strong>der</strong> zu einer großen<br />

Dorfgemeinschaft zusammen, die sich auch in Notzeiten bewähren sollte.<br />

Die Höhepunkte winterlicher Lust konnten die Kin<strong>der</strong> erleben, die im Besitz von Schneeschuhen<br />

waren. Beim Stellmacher Herzog-Josef wurden solche Träume Wahrheit. Meine Schwester, die allem<br />

Neuen schon immer sehr aufgeschlossen ist, hatte sich ohne Wissen unserer Eltern solche Skier<br />

<strong>an</strong>fertigen lassen. Als nun <strong>der</strong> Tag <strong>der</strong> Anlieferung gekommen war und <strong>an</strong> einem herrlichen<br />

Wintertag - mit dem Skiern auf den Schultern – schon von Weitem zu sehen war, mussten natürlich<br />

auch die Eltern informiert werden. Sie sollten ja schließlich die Rechnung begleichen. Aber das<br />

erwartete Donnerwetter – in Schlesien bei solchen Anlässen häufig üblich – blieb überraschend aus.<br />

Der Vater schnallte sich als Erster die für ihn auch fremden, krummen Dinger <strong>an</strong> seine Schuhe und<br />

war sehr schnell über die Zentnerwiese in <strong>der</strong> weißen Winterl<strong>an</strong>dschaft verschwunden. Nach<br />

längerer Zeit traf er dampfend, mit knallrotem Gesicht und Ohren aber zufrieden und begeistert<br />

wie<strong>der</strong> auf dem Hof ein und verschw<strong>an</strong>d voller Lobesworte für diesen herrlichen Wintersport in <strong>der</strong><br />

wärmenden Stube. Diese mutige Tat <strong>der</strong> älteren Schwester hat sicher dazu beigetragen, dass auch<br />

die jüngere Schwester und ich kurz d<strong>an</strong>ach ebenfalls solche Skier vom Herzog-Josef, dem<br />

Stellmacher, bekamen. Allerdings waren sie zu den Weihnachtsfeiertagen nicht rechtzeitig fertig<br />

geworden. Umso größer war d<strong>an</strong>n unsere Freude, als wir sie nach dem Fest eines abends in<br />

unseren Betten entdeckten. L<strong>an</strong>ge Freude dar<strong>an</strong> haben wir lei<strong>der</strong> nicht gehabt, denn es war <strong>der</strong><br />

letzte Winter , den wir in unserer Heimat erlebten. Die Skier wurden – wie alles bei <strong>der</strong> Vertreibung<br />

<strong>an</strong> einem sicher geglaubten Ort bis zur Rückkehr verstaut. Wie oft habe ich in den strengen Wintern<br />

nach <strong>der</strong> Vertreibung in den Harz <strong>an</strong> diese – <strong>unter</strong> den Dachsparren unseres Wohnhauses –<br />

versteckten Sportgeräte gedacht. Als Vertriebene war für meine Eltern eine Anschaffung von Skiern<br />

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