Geschichte der Zahn-, Mund - Wiener Gebietskrankenkasse
Geschichte der Zahn-, Mund - Wiener Gebietskrankenkasse
Geschichte der Zahn-, Mund - Wiener Gebietskrankenkasse
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5. Jahrgang, Nr. 2 / Juni 2010<br />
www.wgkk.at<br />
zahn<br />
info<br />
INFORMATION FÜR ZAHNÄRZTINNEN UND ZAHNÄRZTE<br />
„Tipptopp<br />
Kariesstopp“:<br />
<strong>Wiener</strong><br />
Kin<strong>der</strong>theater<br />
för<strong>der</strong>t<br />
gesunde<br />
Zähne
zahn info INFORMATION FÜR ZAHNÄRZTINNEN UND ZAHNÄRZTE<br />
2<br />
Inhalt<br />
„Tipptopp Kariesstopp“: <strong>Wiener</strong><br />
Kin<strong>der</strong>theater för<strong>der</strong>t gesunde Zähne Seite 3<br />
Fit in <strong>der</strong> <strong>Zahn</strong>arztpraxis: Zuckerersatz-<br />
stoffe – Eine gute Alternative zu Zucker?<br />
Teil 2, Süßstoffe Seite 6<br />
Die Frage des Quartals: Platzhalter, Retainer –<br />
gibt es dafür eine Kostenübernahme<br />
durch die Kasse Seite 8<br />
Juristische Infobox:<br />
Für jede Verhin<strong>der</strong>ung eine Vertretung? Seite 9<br />
Der historische <strong>Zahn</strong> <strong>der</strong> Zeit:<br />
Folge 2: <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Zahn</strong>-, <strong>Mund</strong>-<br />
und Kieferheilkunde, Teil 1 Seite 10<br />
Impressum<br />
Kontaktadresse:<br />
Abteilung Controlling, Organisation und Betriebswirtschaft,<br />
Peggy Schmid, Telefon (+43 1) 601 22-2233<br />
E-Mail: peggy.schmid@wgkk.at<br />
Herausgeber & Druck:<br />
<strong>Wiener</strong> <strong>Gebietskrankenkasse</strong><br />
Alle: 1100 Wien, <strong>Wiener</strong>bergstraße 15–19<br />
Satz- und Druckfehler vorbehalten<br />
Bildquelle: Bil<strong>der</strong>box, WGKK, Thomas Steffl<br />
Nachdruck und Vervielfältigung nur mit ausdrücklicher<br />
Genehmigung <strong>der</strong> WGKK gestattet<br />
Vorwort<br />
Sehr geehrte Frau Doktorin!<br />
Sehr geehrter Herr Doktor!<br />
Der Leitartikel dieser Ausgabe berichtet über<br />
das Programm „Tipptopp Kariesstopp“. Die<br />
WGKK unterstützt dieses Projekt, das erfolgreich<br />
in den <strong>Wiener</strong> Kin<strong>der</strong>gärten und Volksschulen<br />
durchgeführt wird. Welche Ergebnisse<br />
bereits erzielt wurden und wie das Theaterstück<br />
„Im <strong>Mund</strong> geht’s rund“ bei den Kin<strong>der</strong>n<br />
ankommt, hat die Autorin für Sie erfasst.<br />
In <strong>der</strong> Märzausgabe wurde erstmalig ein Auszug<br />
aus den gesammelten Werke von Dr. Erich<br />
Jesch veröffentlicht, die uns dankenswerterweise<br />
von Prof. Prim. Dr. Wolfgang Jesch<br />
zur Verfügung gestellt wurden, noch bevor<br />
er sich von <strong>der</strong> WGKK verabschiedet hat. In<br />
<strong>der</strong> Sparte „Der historische <strong>Zahn</strong> <strong>der</strong> Zeit“ <strong>der</strong><br />
vorliegenden Juniausgabe publizieren wir den<br />
ersten Teil <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Zahn</strong>-, <strong>Mund</strong>-<br />
und Kieferheilkunde, humorvoll verfasst von<br />
Dr. Erich Jesch.<br />
In <strong>der</strong> Sparte „Fit in <strong>der</strong> <strong>Zahn</strong>arztpraxis“ finden<br />
Sie den zweiten Teil des Artikels „Zuckerersatzstoffe<br />
– Eine gute Alternative zu Zucker?“<br />
Die Bedeutung von Süßstoffen im Hinblick auf<br />
die Kariogenität wird in diesem Beitrag näher<br />
erläutert.<br />
Kann ein/e Vertragszahnärztin/Vertragszahnarzt<br />
selbst einteilen, wann sie/er „verhin<strong>der</strong>t“<br />
ist? Die Antwort auf diese Frage können Sie<br />
in <strong>der</strong> Sparte „Juristische Infobox“ nachlesen.<br />
Ob es eine Kostenübernahme <strong>der</strong> WGKK für<br />
Platzhalter und Retainer gibt wird in <strong>der</strong> Sparte<br />
„Die Frage des Quartals“ abgeklärt.<br />
Wir hoffen, Ihnen auch mit dieser Ausgabe interessante<br />
Inhalte bieten zu können und dass<br />
die Gestaltung <strong>der</strong> <strong>Zahn</strong>-Info für Sie ansprechend<br />
ist.<br />
Ich wünsche Ihnen einen schönen und erholsamen<br />
Sommer!<br />
Peggy Schmid
„Tipptopp Kariesstopp“: <strong>Wiener</strong><br />
Kin<strong>der</strong>theater för<strong>der</strong>t gesunde Zähne<br />
Für gesunde Zähne wird <strong>der</strong> Grundstein in<br />
<strong>der</strong> Kindheit gelegt. Das Programm „Tipptopp<br />
Kariesstopp“ kümmert sich erfolgreich<br />
in <strong>Wiener</strong> Kin<strong>der</strong>gärten und Volksschulen<br />
darum – unterstützt von <strong>der</strong> <strong>Wiener</strong><br />
<strong>Gebietskrankenkasse</strong>, den <strong>Wiener</strong> Krankenversicherungsträgern<br />
und <strong>der</strong> <strong>Wiener</strong><br />
Gesundheitsför<strong>der</strong>ung.<br />
„Aua, schon wie<strong>der</strong> Zucker!“, beschwert sich<br />
<strong>der</strong> Fünfer-<strong>Zahn</strong> in Rebekkas <strong>Mund</strong>. Das<br />
Volksschulmädchen und ihr <strong>Zahn</strong>, <strong>der</strong> sich<br />
tapfer gegen die böse Kariesbakterie wehrt,<br />
sind die Protagonisten im ersten österreichischen<br />
<strong>Zahn</strong>theater, welches seit März 2010<br />
von Colgate-Palmolive GmbH finanziert wird.<br />
Etwa 10.000 Schülerinnen und Schüler sehen<br />
jedes Schuljahr das Kin<strong>der</strong>-Theaterstück „Im<br />
<strong>Mund</strong> geht’s rund“. Die Kleinen können aktiv<br />
mitmachen und lernen so spielerisch und mit<br />
viel Spaß, wie man seine Zähne richtig pflegt<br />
und gesund erhält.<br />
Dieses Theaterprojekt ist aber nur ein Teil des<br />
umfangreichen <strong>Zahn</strong>prophylaxe-Programms<br />
„Tipptopp Kariesstopp“. Im Jahr 2000 stellten<br />
Stadt Wien und die <strong>Wiener</strong> <strong>Gebietskrankenkasse</strong><br />
(WGKK) erstmals Mittel zur Verfügung,<br />
um die <strong>Zahn</strong>gesundheit an <strong>Wiener</strong> Kin<strong>der</strong>gärten<br />
und Volksschulen in Bezirken mit beson<strong>der</strong>s<br />
hoher Kariesrate zu för<strong>der</strong>n. Diese Initiative<br />
wurde fortgesetzt und war so erfolgreich,<br />
dass sich seit dem Schuljahr 2007/08 auch die<br />
an<strong>der</strong>en <strong>Wiener</strong> Krankenversicherungsträger<br />
an <strong>der</strong> Kooperation beteiligen.<br />
Über 50.000 erreichte Kin<strong>der</strong><br />
im Schuljahr 2008/09<br />
Die Zahlen sprechen für sich, denn allein im<br />
vergangenen Schuljahr haben die <strong>Zahn</strong>gesundheitserzieherInnen<br />
im Rahmen des pädagogischen<br />
Prophylaxeprogramms 24.517<br />
Kin<strong>der</strong> zwischen drei und zehn Jahren 2 Mal<br />
besucht und insgesamt 1.952 Eltern mitbetreut.<br />
Hinzu kommen noch weitere 8.997<br />
Kin<strong>der</strong>, die durch das <strong>Zahn</strong>theater erreicht<br />
werden konnten. Altersgerecht aufbereitete<br />
Informationen über <strong>Zahn</strong>gesundheit tragen<br />
dazu bei, diese sensible Zielgruppe zu „gewin-<br />
Katharina Weber, MA<br />
Mitarbeiterin <strong>der</strong> Abteilung<br />
Gesundheitspolitik und Prävention<br />
nen“. Darüber hinaus werden bei allen <strong>Wiener</strong><br />
VolksschülerInnen an öffentlichen Schulen<br />
zahnmedizinischen Reihenuntersuchungen<br />
von einem speziell geschulten ÄrztInnen-Team<br />
<strong>der</strong> <strong>Wiener</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ung durchgeführt.<br />
Alle vier <strong>Zahn</strong>ärztInnen sind kompetent<br />
im Umgang mit Kin<strong>der</strong>n und helfen ihnen so,<br />
die Angst vor <strong>der</strong> „<strong>Zahn</strong>-Ordi“ zu überwinden.<br />
Die während <strong>der</strong> kindgerechten Untersuchung<br />
gesammelten Daten wie Kariesbefall o<strong>der</strong> kieferorthopädische<br />
Auffälligkeiten (<strong>Zahn</strong>fehlstellung)<br />
erhalten die Eltern in Form einer schriftlichen<br />
Mitteilung.<br />
Umfassendes Programm<br />
für Kin<strong>der</strong> und Eltern<br />
Auch elf <strong>Zahn</strong>gesundheitserzieherInnen des<br />
Vereins für prophylaktische Gesundheitsarbeit<br />
(PGA) engagieren sich im Projekt „Tipptopp<br />
Kariesstopp“ indem sie …<br />
3
zahn info INFORMATION FÜR ZAHNÄRZTINNEN UND ZAHNÄRZTE<br />
4<br />
<strong>Zahn</strong>gesundheitserzieherInnen bringen den<br />
Kin<strong>der</strong>n effektive <strong>Mund</strong>hygiene bei.<br />
� Kin<strong>der</strong>n effektive <strong>Mund</strong>hygiene und <strong>Zahn</strong>vorsorge<br />
beibringen (Gruppenprophylaxe),<br />
� die Kin<strong>der</strong> zur regelmäßigen <strong>Zahn</strong>hygiene<br />
und Individualprophylaxe motivieren und<br />
� die Eltern durch gezielte Information in die<br />
Prävention einbeziehen.<br />
Applaus für Rebekka!<br />
Spielerischer Höhepunkt von „Tipptopp Kariesstopp“<br />
ist stets das <strong>Zahn</strong>theater „Im <strong>Mund</strong><br />
geht’s rund“: Die kleine Rebekka träumt, dass<br />
eine böse schwarze Bakterie einen ihrer Zähne<br />
bedroht. In den Kostümen von <strong>Zahn</strong> und Bakterie<br />
stecken <strong>Zahn</strong>gesundheitserzieherInnen<br />
des PGA. Mit energischen Vorsätzen wie „Zähneputzen!“,<br />
„Gesunde Ernährung!“ o<strong>der</strong> „Regelmäßiger<br />
<strong>Zahn</strong>arztbesuch!“ gelingt es dem<br />
<strong>Zahn</strong>, sich gegen die fiese Bakterie zur Wehr<br />
zu setzen. Auf <strong>der</strong> „Bühne“ geht es also turbulent<br />
zu und die spannende <strong>Geschichte</strong> zieht<br />
die Kin<strong>der</strong> direkt ins Thema Kariesprophylaxe<br />
hinein. Rebekkas Zähne wissen nämlich, dass<br />
im echten Leben mit bloßen Worten nicht viel<br />
zu erreichen ist. Also beginnen sie, selbst im<br />
<strong>Mund</strong> für ihre Gesundheit aktiv zu werden. Das<br />
gute Ende <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong>: Das Mädchen besucht<br />
einen <strong>Zahn</strong>arzt, pflegt ihre Zähne fortan<br />
sehr sorgfältig und achtet auf zahngesunde<br />
Ernährung. Die kostbaren Beißerchen danken<br />
es ihr, indem sie froh und munter in Rebekkas<br />
<strong>Mund</strong> kauen und beißen.<br />
Die Kin<strong>der</strong> erleben mit dem <strong>Zahn</strong>theater nicht<br />
nur eine lustige Aufführung, son<strong>der</strong>n gehen<br />
nach dem Stück auch gleich ans Werk: Mit<br />
Unterstützung <strong>der</strong> kompetenten PGA-BeraterInnen<br />
machen sie sich in kleinen Gruppen ans<br />
Zähneputzen. Dabei achten die BeraterInnen<br />
auf die richtige <strong>Zahn</strong>putztechnik jedes einzelnen<br />
Kindes. Außerdem dürfen alle Kleinen eine<br />
Kin<strong>der</strong>-<strong>Zahn</strong>bürste als Geschenk von Colgate-<br />
Palmolive GmbH und Informationsbroschüren<br />
für die Eltern mit nach Hause nehmen.<br />
Übrigens – für die Qualität dieser speziellen<br />
Lernform erhielt das <strong>Zahn</strong>theater 2006 den<br />
Gesundheitspreis <strong>der</strong> Stadt Wien in <strong>der</strong> Kategorie<br />
„Schule/Jugend“.
Gesund beginnt im <strong>Mund</strong>: September<br />
ist <strong>der</strong> Monat <strong>der</strong> <strong>Mund</strong>gesundheit<br />
Der Monat <strong>der</strong> <strong>Mund</strong>gesundheit findet jedes<br />
Jahr im September statt. Diese von Colgate<br />
initiierte Vorsorgeaktion ist österreichweit die<br />
größte Aktion in Sachen <strong>Mund</strong>hygiene. 3000<br />
<strong>Zahn</strong>ärzte, das Bundesministerium für Gesundheit,<br />
die österreichische <strong>Zahn</strong>ärztekammer<br />
und die österreichische Gesellschaft für<br />
Parodontologie (ÖGP) sind Partner im Monat<br />
<strong>der</strong> <strong>Mund</strong>gesundheit. Mehr Informationen unter<br />
www.mundgesundheit.at<br />
Weitere Informationen erhalten Sie auch<br />
unter www.tipptoppkariesstopp.at<br />
Fotos: Fonds soziales Wien, Öffentlichkeitsarbeit<br />
Geprüft und bestätigt:<br />
„Tipptopp Kariesstopp“ wirkt!<br />
Das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen<br />
(ÖBIG) hat „Tipptopp Kariesstopp“ evaluiert.<br />
Die erfreulichen Ergebnisse im Überblick:<br />
� Vorzüglich: Der weitaus überwiegende Teil <strong>der</strong><br />
vom Kariesprophylaxe-Programm betreuten <strong>Wiener</strong><br />
Sechsjährigen konnte zu einer „vorzüglichen“<br />
<strong>Mund</strong>hygiene motiviert werden.<br />
� Aufgeholt: Schulen und Kin<strong>der</strong>gärten mit den<br />
schlechtesten Werten zu Projektbeginn bekamen<br />
eine beson<strong>der</strong>s intensive zahnpädagogische Betreuung.<br />
Der Einsatz hat sich gelohnt: Gerade sie<br />
schnitten trotz schwieriger Ausgangslage am besten<br />
ab. Bei 74 Prozent <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> wurde vorzügliche<br />
<strong>Mund</strong>hygiene festgestellt, <strong>der</strong> Wien-Durchschnitt<br />
lag bei 72 Prozent.<br />
� Mustergültig: In den Bezirken 2, 10, 16 und 20<br />
zeigten knapp drei Viertel <strong>der</strong> untersuchten Sechsjährigen<br />
keinen einzigen <strong>Zahn</strong> mit schädlichen<br />
<strong>Zahn</strong>belägen. Rund drei Viertel (71 Prozent) <strong>der</strong><br />
Projektgruppenkin<strong>der</strong> putzen sich, wie empfohlen,<br />
die Zähne zwei Mal o<strong>der</strong> öfter innerhalb von<br />
24 Stunden. Der Durchschnitt liegt in Wien bei 67<br />
Prozent.<br />
� Guter Ansatz: Verbesserungen auch bei den Zehn-<br />
Mit Unterstützung <strong>der</strong> kompetenten PGA-<br />
BeraterInnen machen sich die Kin<strong>der</strong> in kleinen<br />
Gruppen ans Zähneputzen.<br />
jährigen: Sie konnten an eine „akzeptable“ <strong>Mund</strong>hygiene<br />
herangeführt werden, zwei Drittel hatten<br />
maximal zehn Prozent mit Plaque behaftete<br />
Zähne.<br />
� Erfolgsprojekt: Ein Vergleich <strong>der</strong> Reihenuntersuchungen<br />
2004/05 und 2005/06 hat ergeben, dass<br />
Kin<strong>der</strong> in Projektschulen größere Verbesserungen<br />
als Kin<strong>der</strong> in Nicht-Projektschulen aufweisen:<br />
Milchzahnkaries stieg in Nicht-Projektschulen geringfügig<br />
(+ 0,3 Prozent). In den Projektschulen<br />
ging sie um drei Prozent zurück. Karies an bleibenden<br />
Zähnen ging in Nicht-Projektschulen um<br />
0,3 Prozent zurück, in den Projektschulen um 4,6<br />
Prozent.<br />
� Nachhaltig: Das ÖBIG hat „Tipptopp Kariesstopp“<br />
auch hinsichtlich seiner Nachhaltigkeit evaluiert:<br />
87 Prozent <strong>der</strong> <strong>Wiener</strong> 12-Jährigen waren im<br />
vergangenen Jahr bei <strong>Zahn</strong>ärztin bzw. <strong>Zahn</strong>arzt.<br />
Davon überwältigende 87 Prozent aus prophylaktischen<br />
Gründen und nur 13 Prozent aufgrund von<br />
akuten <strong>Zahn</strong>schmerzen. Zum Vergleich: Im Österreichweiten<br />
Durchschnitt waren es nur 15 Prozent.<br />
� No fear: Ganz beson<strong>der</strong>s erfreulich ist, dass die<br />
<strong>Wiener</strong> Kin<strong>der</strong> am wenigsten Angst vor <strong>der</strong> <strong>Zahn</strong>ärztin<br />
bzw. dem <strong>Zahn</strong>arzt haben. – Ein Erfolg, zu<br />
dem das Programm „Tipptopp Kariesstopp“ wesentlich<br />
beigetragen hat.<br />
5
zahn info INFORMATION FÜR ZAHNÄRZTINNEN UND ZAHNÄRZTE<br />
6<br />
Fit in <strong>der</strong> <strong>Zahn</strong>arztpraxis<br />
Zuckerersatzstoffe – Eine gute<br />
Alternative zu Zucker? Teil 2<br />
In <strong>der</strong> Märzausgabe <strong>der</strong> "<strong>Zahn</strong>-Info" wurde<br />
über die Zuckerersatzstoffe informiert. Lesen<br />
Sie nun im zweiten Teil dieses Berichtes,<br />
welche Bedeutung Süßstoffe im Hinblick<br />
auf die Kariogenität haben.<br />
� Süßstoffe:<br />
Süßstoffe sind in <strong>der</strong> Natur vorkommende o<strong>der</strong><br />
synthetisch hergestellte Verbindungen. Sie haben<br />
eine um ein Vielfaches höhere Süßkraft als<br />
normaler Haushaltszucker (Saccharose), sodass<br />
zum Süßen nur Mengen im Milligrammbereich<br />
benötigt werden. Ihr Energiegehalt ist<br />
vernachlässigbar, da durch die Verwendung<br />
kleinster Mengen praktisch keine Kilokalorien<br />
anfallen.<br />
In <strong>der</strong> Europäischen Union sind <strong>der</strong>zeit acht<br />
Süßstoffe zugelassen, die vor allem in brennwertreduzierten<br />
Lebensmitteln und Getränken,<br />
diätetischen Produkten o<strong>der</strong> als Tafelsüße<br />
(Flüssigsüßstoff, Streusüße o<strong>der</strong> Süßstofftabletten)<br />
im Handel erhältlich sind. Da Süßstoffe<br />
zu den Lebensmittelzusatzstoffen gehören findet<br />
man sie auch häufig in Süß-Sauren Konserven,<br />
Senf, Saucen, Brausetabletten, um nur<br />
einige Beispiele zu nennen.<br />
Name E-Nr.<br />
relative Süßkraft<br />
(Saccharose = 1)<br />
Tanja Ostermann<br />
Diätologin im<br />
Hanusch-Krankenhaus<br />
Bevor Süßstoffe zugelassen werden, müssen<br />
sie auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit<br />
hin überprüft werden. Dies geschieht durch<br />
internationale Expertengremien, die auch die<br />
Kilokalorien<br />
pro g<br />
ADI-Wert<br />
mg/kg/KG*)<br />
Acesulfam-K E950 ca. 200 0 0-9<br />
Aspartam E951 ca. 200 4 0-40<br />
Cyclamat E952 ca. 40 0 0-7<br />
Saccharin E954 ca. 400 0 0-5<br />
Sucralose E955 ca. 500–600 0 0-15<br />
Thaumatin E957 2500 4<br />
ohne<br />
Beschränkung<br />
Neohesperidin DC E959 ca. 600 0 0-5<br />
Aspartam-Acesulfamsalz E962 ca. 350 0<br />
*) ADI-Wert nach Scientific Committee on Food (SFC)<br />
ohne<br />
Beschränkung
akzeptable tägliche Aufnahmemenge <strong>der</strong> einzelnen<br />
Süßstoffe (ADI-Wert = Accepted Daily<br />
Intake) in ihre Bewertung miteinbeziehen.<br />
Der ADI-Wert ist die Menge an Süßstoff, die<br />
täglich lebenslang aufgenommen werden<br />
kann, ohne dass unerwünschte Wirkungen<br />
zu erwarten sind.<br />
Von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung im Hinblick<br />
auf Kariogenität ist, dass Süßstoffe von den<br />
Plaque-Bakterien im <strong>Mund</strong> nicht verwertet<br />
werden können. Daher ist das üblicherweise<br />
durch Zucker verursachte Kariesrisiko bei Ersatz<br />
durch Süßstoffe auf Null reduziert.<br />
Süßstoffe wirken nicht kariogen! Da mehrere<br />
Faktoren, wie das Vorhandensein an<strong>der</strong>er<br />
Kohlenhydrate o<strong>der</strong> Klebrigkeit an den<br />
Zähnen bei <strong>der</strong> Kariesentstehung mitwirken,<br />
sollte die Kariesvorbeugung dennoch<br />
nicht sorglos über Bord geworfen werden.<br />
Machen Süßstoffe dick?<br />
Eine gewichtssteigernde Wirkung von Süßstoffen<br />
ist laut <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft<br />
für Ernährung (DGE) wissenschaftlich bislang<br />
nicht belegt.<br />
Süßstoffe<br />
haben eine<br />
um ein<br />
Vielfaches<br />
höhere<br />
Süßkraft als<br />
normaler<br />
Haushaltszucker.<br />
Die Theorie, dass „Süßstoffe dick machen“ beruht<br />
auf <strong>der</strong> Annahme, dass Süßstoffe über die<br />
Geschmacksqualität „Süß“ die Insulinsekretion<br />
anregen und dadurch einen Blutglucoseabfall<br />
provozieren, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um einen gesteigerten<br />
Appetit zur Folge hat. Diese Hypothese<br />
konnte in entsprechenden Experimenten nicht<br />
bestätigt werden. Die Studienergebnisse zeigen<br />
vielmehr, dass die Insulinproduktion und<br />
die Blutglucosekonzentration durch Süßstoffe<br />
unbeeinflußt bleiben.<br />
Der „dick machende Effekt“ beruht sehr oft<br />
darauf, dass die durch Süßstoffe eingesparte<br />
Energie durch eine gesteigerte Zufuhr an an<strong>der</strong>en<br />
Nahrungsmitteln wie<strong>der</strong> kompensiert<br />
wird.<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden,<br />
dass Zuckerersatzstoffe im Hinblick auf die<br />
Kariesentstehung eine gute Alternative zu<br />
vergleichbaren mit Zucker gesüßten Produkten<br />
sind. Oft enthalten sie auch weniger<br />
Energie, weshalb sie auch im Rahmen von<br />
Gewichtsreduktions-programmen sinnvolle<br />
Hilfsmittel zur Reduktion <strong>der</strong> Energieaufnahme<br />
darstellen können.<br />
Hinweis: Als beson<strong>der</strong>s zahnfreundlich bzw.<br />
zahnschonend gelten Produkte,<br />
die mit dem <strong>Zahn</strong>männchen-Gütesiegel<br />
ausgezeichnet wurden.<br />
7
zahn info INFORMATION FÜR ZAHNÄRZTINNEN UND ZAHNÄRZTE<br />
8<br />
Die Frage des Quartals<br />
Platzhalter, Retainer – gibt es<br />
dafür eine Kostenübernahme<br />
durch die Kasse?<br />
Können durch kleine kieferorthopädische<br />
Behelfe<br />
� kieferorthopädische Fehlstellungen kurzfristig<br />
behoben o<strong>der</strong><br />
� <strong>der</strong> Erfolg einer vorangegangenen kieferorthopädischen<br />
Behandlung sichergestellt<br />
werden<br />
leistet die Kasse für diese kleinen kieferorthopädischen<br />
Behelfe einen Kostenzuschuss.<br />
Die Höhe des Kostenzuschusses ist in <strong>der</strong><br />
Kassensatzung festgelegt:<br />
� Schiefe Ebene, Platzhalter, individuell<br />
gefertigte <strong>Mund</strong>vorhofplatte, inkl. Anpassung<br />
und Nachkontrolle, sofern nicht<br />
innerhalb eines Jahres nach Ende des Einsatzes<br />
dieses Behelfes mit <strong>der</strong> kieferorthopädischen<br />
Behandlung begonnen wird:<br />
EUR 49,05<br />
� Positioner inkl. Anpassung und Nachkontrolle<br />
für ein Jahr: EUR 72,67<br />
Eva Schwinghammer,<br />
Leiterin <strong>der</strong> Gruppe <strong>Zahn</strong>behandlung-<strong>Zahn</strong>ersatz<br />
in <strong>der</strong> WGKK<br />
� Individuell gefertigter Retainer (insbeson<strong>der</strong>e<br />
Kleberetainer) pro Kiefer inkl. Anpassung<br />
und Nachkontrolle als einmalige<br />
Zuschussleistung nach Abschluss einer kieferorthopädischen<br />
Behandlung: EUR 49,05<br />
Die Einstufung <strong>der</strong> Leistung – insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Abgrenzung zu den kieferchirurgischen<br />
Heilbehelfen – erfolgt vom Medizinischen<br />
Dienst <strong>der</strong> Kasse an Hand <strong>der</strong> eingereichten<br />
Unterlagen. Eine genaue Leistungs- und Diagnosenangabe<br />
ist daher für die medizinische<br />
Beurteilung erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Diese kleinen kieferorthopädischen Behelfe<br />
können jedoch nicht direkt mit <strong>der</strong> Kasse verrechnet<br />
werden.<br />
In diesem Fall muss die Patientin/<strong>der</strong> Patient<br />
das Honorar für diesen Behelf selbst bezahlen.<br />
Bei Vorlage <strong>der</strong> detaillierten und saldierten<br />
Originalhonorarnote leistet die Kasse den vom<br />
medizinischen Dienst bewilligten Kostenzuschuss.<br />
Selbstverständlich gibt die Kasse im Vorhinein<br />
– bei Vorlage eines genauen Kostenvoranschlages<br />
– Auskunft über den zu erwartenden<br />
Kostenzuschuss.
Juristische Infobox<br />
Für jede<br />
Verhin<strong>der</strong>ung eine<br />
Vertretung?<br />
Die Modalitäten <strong>der</strong> (zahn)ärztlichen<br />
Stellvertretung bei vorübergehen<strong>der</strong><br />
Verhin<strong>der</strong>ung einer<br />
Vertrags(zahn)ärztin/eines<br />
Vertrags(zahn)arztes wurden<br />
vor einigen Jahren weitgehend<br />
gelockert. Im Zuge <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Än<strong>der</strong>ungen des <strong>Wiener</strong><br />
Gesamtvertrages wurden<br />
zugleich die drei häufigsten<br />
Verhin<strong>der</strong>ungsfälle (Krankheit,<br />
Urlaub und Fortbildung) detailliert<br />
geregelt. Nach wie vor ist<br />
im aktuellen Vertragswerk jedoch<br />
nicht fest umrissen, wie<br />
eine persönliche Verhin<strong>der</strong>ung<br />
des Vertragsinhabers abseits<br />
dieser drei Fälle beschaffen sein muss, um die<br />
Bestellung eines (zahn)ärztlichen Vertreters zu<br />
rechtfertigen. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Kann eine<br />
Vertrags(zahn)ärztin/ein Vertrags(zahn)arzt es<br />
sich quasi selbst einteilen, wann er „verhin<strong>der</strong>t“<br />
ist?<br />
Die Beantwortung dieser Frage steht und fällt<br />
nicht zuletzt mit dem Wesensgehalt des Begriffs<br />
<strong>der</strong> persönlichen Verhin<strong>der</strong>ung. Mangels<br />
einer hinreichenden vertraglichen Definition<br />
sind hierfür die allgemeinen zivilrechtlichen<br />
Auslegungsgrundsätze heranzuziehen. Davon<br />
ausgehend ist ausschließlich nach objektiven<br />
Kriterien zu beurteilen, ob eine persönliche<br />
Verhin<strong>der</strong>ung vorliegt o<strong>der</strong> nicht; d.h. wie<br />
schon <strong>der</strong> gewöhnliche Sprachgebrauch des<br />
Wortes „Verhin<strong>der</strong>ung“ impliziert, kann die/<br />
<strong>der</strong> jeweilige Vertragsinhaberin/Vertragsinhaber<br />
– abgesehen freilich von seinen Urlaubsplänen<br />
– nicht frei darüber entscheiden, wann<br />
ein Verhin<strong>der</strong>ungsfall vorliegt. Entscheidend<br />
ist vielmehr, dass es ihr/ihm aus dringenden<br />
faktischen o<strong>der</strong> rechtlichen Gründen an einem<br />
bestimmten Tag bzw. Zeitraum nicht möglich<br />
ist, ihrer/seiner (Kassen)Ordinationstätigkeit<br />
nachzugehen. Neben Urlaub, Krankheit o<strong>der</strong><br />
Fortbildung kommen als weitere Verhin<strong>der</strong>ungsfälle<br />
somit nur ähnlich wichtige Gründe<br />
Mag. Gerdt Frosch<br />
Jurist in <strong>der</strong> Abteilung<br />
Allgemeine Rechtsangelegenheiten<br />
in <strong>der</strong><br />
WGKK<br />
in Betracht, wie beispielsweise<br />
die notwendige Pflege<br />
naher Angehöriger, Behördentermine<br />
o<strong>der</strong> Übersiedlungen.<br />
Die Ausübung einer<br />
(privaten) Nebentätigkeit o<strong>der</strong><br />
einer Freizeitbeschäftigung<br />
kann hingegen keinen Verhin<strong>der</strong>ungsgrund<br />
darstellen, <strong>der</strong><br />
eine Vertreterin/einen Vertreter<br />
rechtfertigt. Eine an<strong>der</strong>slautendeBetrachtungsweise<br />
würde nicht nur das Wort<br />
„Verhin<strong>der</strong>ung“ seiner sprachlichern<br />
Bedeutung entrücken,<br />
son<strong>der</strong>n wäre insbeson<strong>der</strong>e<br />
auch mit <strong>der</strong> grundsätzlichen<br />
Verpflichtung zur persönlichen<br />
Aus-übung <strong>der</strong> vertrags(zahn)<br />
ärztlichen Tätigkeit unvereinbar.<br />
Vertretung<br />
9
zahn info INFORMATION FÜR ZAHNÄRZTINNEN UND ZAHNÄRZTE<br />
10<br />
Der historische <strong>Zahn</strong> <strong>der</strong> Zeit<br />
Von 1948 bis 1983 war Dr. Erich Jesch, <strong>der</strong> Vater von Prof. Prim. Dr. Wolfgang Jesch im Dienste <strong>der</strong> WGKK tätig.<br />
Er war als humorvoller und korrekter Kollege bekannt und hat so manche seiner spitzbübischen Gedanken zu<br />
Papier gebracht. Lesen Sie in den kommenden Ausgaben <strong>der</strong> <strong>Zahn</strong>-Info einige Auszüge aus diesen von Prof.<br />
Prim. Dr. Wolfgang Jesch gesammelten und zur Verfügung gestellten Werke und bestaunen Sie die Karikaturen,<br />
die von Dr. Erich Jesch gezeichnet wurden. Viel Spaß beim Lesen!<br />
Folge 2: <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Zahn</strong>-,<br />
<strong>Mund</strong>- und Kieferheilkunde, Teil 1<br />
Wer den sozialmedizinischen Stellenwert <strong>der</strong><br />
<strong>Zahn</strong>-, <strong>Mund</strong> – und Kieferheilkunde in <strong>der</strong> Gegenwart<br />
richtig werten und sich auf das zukünftige<br />
Geschehen vorbereiten will, sollte von<br />
<strong>der</strong> Entwicklung dieses Faches in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
ausgehen. Auch wenn vielen die Quellen<br />
gleichgültig sind, so ist ihre Einwirkung auf<br />
die Weiterentwicklung von großer Bedeutung.<br />
Es ist ein sehr gemeines Unglück,<br />
weil es die Menschen allerlei Alters, Geschlecht,<br />
Lebensart und Temperament betrifft und wird<br />
wohl sehr wenige antreffen, die nicht diesen<br />
unerträglichen Schmerz in ihrem Leben<br />
empfunden haben. Phillip Praff 1756<br />
Nicht nur dem Kauen, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Physiognomik<br />
wird seit alters her große Wichtigkeit<br />
beigemessen. Heute kennen wir verschiedenste<br />
Allgemeine Erkrankungen, die durch<br />
gangränöse Zähne verursacht werden. Weiters<br />
wissen wir noch zusätzlich, dass die <strong>Mund</strong>region<br />
zu den Intimzonen des menschlichen<br />
Körpers gehöre und als solche in unserem<br />
Denken und Fühlen eine beson<strong>der</strong>e Rolle<br />
spielt. Die Zähne gehören gleichermaßen zum<br />
freundlichen Lächeln als auch zum Ausdruck<br />
von Aggressionsmittel. Ihr Bestand ermöglicht<br />
die verständliche Sprachkommunikation, sie<br />
symbolisieren Jugendlichkeit, dagegen beim<br />
Fehlen Vergreisung.<br />
Auf den Schultern <strong>der</strong> Vergangenheit wurden<br />
von Priestern, Ärzten, Magiern und Scharlatanen<br />
die Bedingungen geschaffen, welche<br />
uns die heutige <strong>Zahn</strong> -, <strong>Mund</strong>- und Kieferheilkunde<br />
ermöglichen. Wenn die Krankheit ebenso<br />
alt wie das Leben ist, so lässt sich gleiches<br />
auch von den pathologischen Zuständen <strong>der</strong><br />
<strong>Zahn</strong>-, Kiefer- und <strong>Mund</strong>region sagen. Bei<br />
8.000 Jahre alten Skelettfunden hat man Karies<br />
und <strong>Zahn</strong>betterkankungen vorgefunden.<br />
Mittelalterliche Plastiken stellen häufig zahnschmerzgeplagte<br />
Menschen dar.<br />
Man suchte Hilfe durch Beschwörung und<br />
Zauber. Nach dieser magisch-dämonischen<br />
Phase <strong>der</strong> Heilkunst tritt bereits vor ca. 6.000<br />
Jahren ein Kausalprinzip ins medizinische<br />
Denken. Äußere Einwirkungen werden als Ursache<br />
für jegliche Erkrankung gehalten. Reste<br />
<strong>der</strong> damaligen Vorstellung, dass z.B. <strong>Zahn</strong>würmer<br />
schuld an einer Zerstörung <strong>der</strong> Zähne<br />
sind, prägten teilweise das Denken in <strong>der</strong><br />
<strong>Zahn</strong>heilkunde bis zur Mitte des 19. Jhdts.<br />
1714 untermauert diese Ansicht <strong>der</strong> venezianische<br />
Arzt Musitanus. Er behauptete, dass<br />
nach dem Genuss von mit Insekteneiern verschmutzten<br />
Speisen, Würmer in <strong>der</strong> <strong>Mund</strong>wärme<br />
ausgebrütet werden und dann Karies<br />
erzeugen. Die chinesische Terminologie bezeichnet<br />
einen kariösen <strong>Zahn</strong> als „Wurmzahn“.<br />
Daneben hält Hypokrates 1450 v. Chr. schlechte<br />
Körpersäfte vor und vor 2000 Jahren <strong>der</strong><br />
römische Arzt Cornelius Celsus die verweichlichte<br />
Ernährung, beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Städter, als<br />
Ursache für dieses Übel.<br />
Die Griechen benützten bereits Zangen bei Extraktionen<br />
und Aristoteles 384 bis 322 v. Chr.<br />
empfiehlt vor dieser Prozedur ein auch heute<br />
noch übliches allmähliches Lockern des<br />
<strong>Zahn</strong>es. Auch restaurative Versuche sind bekannt.<br />
Um das Jahr 800 stopfte <strong>der</strong> persische<br />
Arzt Rhazes ein Allaun-Mastiks-Gemisch in<br />
den <strong>Zahn</strong>defekt. 600 Jahre später empfiehlt<br />
<strong>der</strong> italienische Univ.-Prof. Arculanus erstmalig<br />
Blattgold als Füllung. Bei uns wurde diese<br />
mühsame Methode erst ab 1895 angewendet.<br />
Noch bis ins 18. Jhdt. war das mit einem glühenden<br />
Eisen vorgenommene Ausbrennen einer<br />
<strong>Zahn</strong>höhle als anerkannte Methode üblich.<br />
Der <strong>Zahn</strong>verfall mit allen seinen Folgen konnte<br />
nicht eingebremst werden und daher bemühten<br />
sich die Betroffenen immer schon, einen<br />
Ersatz für die verlorenen Zähne zu erhalten.<br />
Schon die Etrusker, Griechen und Phönizier<br />
bewiesen ein außerordentliches Geschick,<br />
lose Zähne mit Golddraht am noch vorhandenen<br />
natürlichen Gebiss zu befestigen. Der<br />
römische Dichter Martial preist 104 n. Chr. in
seinen Epigrammen die Kurtisane Laecanice<br />
wegen ihrer schneeweißen Zähne, die sie zur<br />
Nacht neben ihr seidenes Kleid legte. Solche<br />
bemerkenswerten <strong>Zahn</strong>ersatzkonstruktionen<br />
kann man in vielen italienischen Museen bewun<strong>der</strong>n.<br />
Derartige Leistungen treten erst wie<strong>der</strong><br />
im 19. Jhdt. auf.<br />
Nach dem Untergang des römischen Reiches<br />
geraten die meisten zahnärztlichen Erkenntnisse<br />
und Fertigkeiten für Hun<strong>der</strong>te von Jahren<br />
in Vergessenheit. Dazu kommt noch, dass<br />
Papst Honorius <strong>der</strong> Dritte im Jahr 1220 mit <strong>der</strong><br />
Bulle von Tour (Ecclesia ab sanguine abhorret)<br />
einen auch für die <strong>Zahn</strong>medizin folgeschweren<br />
Einschnitt bewirkte. Dem Klerus wurden jegliche<br />
blutigen Eingriffe am Menschen untersagt.<br />
Damit ist eine Trennung von innerer Medizin<br />
und Chirurgie vollzogen. Letztere kam in die<br />
Hand von Laien, den Ba<strong>der</strong>n, die daher auch<br />
<strong>Zahn</strong>behandlung durchführten. Seit dem 13.<br />
Jhdt. nahm daher kein Arzt ein chirurgisches<br />
Instrument in die Hand.<br />
Der Glaube an Wun<strong>der</strong>heilung brachte die abson<strong>der</strong>lichsten<br />
Rezepte in Umlauf. Aufgelegter<br />
Frosch gegen lockere Zähne, Bestreichen<br />
des kranken <strong>Zahn</strong>fleisches mit einem <strong>Zahn</strong><br />
eines gewaltsam Verstorbenen, Regenwürmer<br />
in Öl gekocht gegen <strong>Zahn</strong>würmer, Hunde-<br />
Kommt im Frühling sie zufrieden<br />
eine Plombe hereinzukriegen<br />
denn <strong>der</strong> <strong>Zahn</strong>arzt wird zum Spaß ihr<br />
weiss man, das zahlt die Kasse doch ihr.<br />
Sie schaut an ihn sehr bigotisch<br />
glaubt er, halt, sie ist erotisch!<br />
Doch da ers sichtlich missverstand,<br />
verlor erregt er seinen Stand.<br />
Mit <strong>der</strong> Hand möcht er sich stützen;<br />
Wird das ihrer Plombe nützen?<br />
In seiner Hast greift er zu nie<strong>der</strong><br />
und fühlt ihr straff gespanntes Mie<strong>der</strong>.<br />
Doch hat er Pech! Es war die Lesbos,<br />
die zu Männern immer herzlos!<br />
Entrüstet geht zum Vorstand sie geschwind<br />
Darauf er „fliegt“, das arme Kind!<br />
Nun muss privat er Plomben legen<br />
Doch dafür hier noch keine Rubrik gegeben.<br />
zähne in Wein gekocht zum <strong>Mund</strong>spülen,<br />
das Blut von einem frisch abgeschnittenen<br />
Hahnenkamm mit Entenfett, Eigelb und Zucker<br />
bei erschwertem <strong>Zahn</strong>durchbruch o<strong>der</strong><br />
das Mittelglied vom Vor<strong>der</strong>fuß einer Kröte bei<br />
Schwellungen. Außer Extraktionen gab es in<br />
diesen Jahrhun<strong>der</strong>ten keine nennenswerten<br />
Behandlungen, die wir aus heutiger Sicht als<br />
nützlich ansehen. Die <strong>Zahn</strong>erhaltung durch<br />
Füllung ist im Wesentlichen eine Idee des 19.<br />
Jhdts. Ba<strong>der</strong>, Barbiere, Apotheker, Drogisten<br />
und Schmiede auf dem Land, führten diese<br />
Tätigkeit meist mit einem schlüsselähnlichen<br />
Instrument aus. Es gab auch eine große Zahl<br />
fliegen<strong>der</strong> <strong>Zahn</strong>brecher. Kombiniert mit Musik<br />
und an<strong>der</strong>en Attraktionen stellten sie ihr<br />
Können auf Jahrmärkten zur Schau. Der bekannteste<br />
Mann dieser Gruppe ist Josef Anton<br />
Stranitzky seit 1707 dentifragulus (<strong>Zahn</strong>brecher),<br />
<strong>Wiener</strong> Hanswurst, Dichter, Komödiant<br />
und Direktor <strong>der</strong> 1. deutschen stehenden<br />
Bühne. Der Pariser Arzt Ambroise Pare (1517<br />
bis 1592), <strong>der</strong> als Vater unserer mo<strong>der</strong>nen<br />
Chirurgie gilt, zählt die Risiken des damaligen<br />
<strong>Zahn</strong>ziehens auf: z.B Ausrenken des Kiefergelenks,<br />
Verletzungen <strong>der</strong> Weichteile, Kieferfrakturen,<br />
Gehirnerschütterungen, Augenschäden,<br />
eitrige Geschwülste, Fieber, starke Blutungen<br />
und oft gar Tod, werden angeführt ...<br />
Fortsetzung folgt Dr.E.J.<br />
Die Stützplombe<br />
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