Solide Finanzpolitik ist vorausschauend - Wirtschaftsjournal
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Titel – Gesundheitswirtschaft<br />
IKK classic setzt auf Nachhaltigkeit<br />
Neue Akzente im betrieblichen Gesundheitsmanagement und Ausbau der Gesundheitsförderung<br />
Milliardenüberschüsse in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
bestimmen seit Monaten die politische<br />
Diskussion. Geht es den Kassen tatsächlich<br />
finanziell so gut? Ist der Wegfall der Praxisgebühr<br />
(k)ein Grund zum Jubeln? Wo gesundheitliche Inves -<br />
titionen Sinn machen und was „Healthy Saxony“ in<br />
diesem Zusammenhang bedeutet, darüber sprach<br />
<strong>Wirtschaftsjournal</strong> mit dem Vorstandsvorsitzenden<br />
der IKK classic, Gerd Ludwig.<br />
<strong>Wirtschaftsjournal</strong>: War 2012 ein erfolgreiches<br />
Geschäftsjahr für die IKK classic?<br />
Gerd Ludwig: In den vergangenen Jahren <strong>ist</strong> die IKK classic<br />
durch zwei Fusionen zur größten deutschen IKK und zur<br />
sechstgrößten Krankenkasse in unserem Land gewachsen.<br />
Das Jahr 2012 stand im Zeichen der Integration und der<br />
Konsolidierung. Gegenwärtig arbeiten wir daran, unser<br />
Unternehmen in seinen regionalen Untergliederungen neu<br />
aufzustellen und die gesamte Organisation auf zukünftige<br />
Herausforderungen hin zu orientieren. Hier wollen wir Maßstäbe<br />
bei Nähe und Qualität setzen. Aus unserer Sicht macht<br />
Größe dann Sinn, wenn aus ihr spürbare Vorteile für die<br />
Kunden entstehen. Hier sind wir auf einem erfolgreichen<br />
Weg, der vom Markt honoriert wird. In den ersten drei Quartalen<br />
2012 haben wir über 15.000 Versicherte hinzugewonnen.<br />
Mit einem Einnahmenüberschuss von rund 175<br />
Mio. Euro blicken wir zudem auf ein gutes Halbjahresergebnis<br />
zurück. Wir haben also durchaus Grund, sehr optim<strong>ist</strong>isch<br />
in die Zukunft zu blicken.<br />
WJ: Geht es den Kassen tatsächlich so gut wie es<br />
die Überschüsse erscheinen lassen?<br />
Ludwig: Durch die erfreulich gute konjunkturelle Entwicklung<br />
und die vom Gesetzgeber veranlasste Beitragssatzanhebung<br />
verzeichnet die Gesetzliche Krankenversicherung<br />
(GKV) höhere Einnahmen als erwartet. Auch wenn<br />
diese Mehreinnahmen bei den einzelnen Kassen unterschiedlich<br />
stark ankommen, kann man insgesamt von einer<br />
guten Finanzlage ausgehen. Hierbei gilt es allerdings Augenmaß<br />
zu bewahren. Ein Wachstumshoch währt nicht ewig.<br />
Deshalb <strong>ist</strong> es im Interesse der Stabilität, Vorsorge für den<br />
von Experten bereits prognostizierten Wirtschaftsabschwung<br />
zu treffen. Das Ausgabenvolumen der GKV wird 2012 voraussichtlich<br />
182 Mrd. Euro betragen. Das entspricht rund<br />
500 Mio. Euro, die die Krankenkassen täglich für gesund-<br />
6 <strong>Wirtschaftsjournal</strong> | Dezember 2012<br />
heitliche Versorgung aufwenden. Vor diesem Hintergrund<br />
relativiert sich manch Milliardenüberschuss zu einer eher<br />
kurzfr<strong>ist</strong>igen Liquiditätsreserve, mit der man darum sehr<br />
sorgfältig haushalten sollte.<br />
WJ: Erst wurden Zusatzbeiträge diskutiert und jetzt<br />
werden Prämienausschüttungen gefordert.<br />
Ludwig: Hier zeigt sich ein kurzfr<strong>ist</strong>iges Denken. Noch vor<br />
einem Jahr war die Besorgnis groß, dass eine ganze Reihe<br />
von Kassen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten könnten<br />
und Zusatzbeiträge von ihren Versicherten erheben müssten.<br />
Nun verzeichnet die GKV einmal temporäre Überschüsse<br />
und schon wird der Ruf nach Prämienausschüttungen<br />
laut. Solche kurzatmigen Reflexe sind das Gegenteil<br />
von solider Finanzplanung. Unsere Aufgabe <strong>ist</strong> es, dafür<br />
Sorge zu tragen, dass die Prämien von heute nicht die Zusatzbeiträge<br />
von morgen vorbereiten. Deswegen gehen wir sehr<br />
sorgsam mit der gegenwärtigen Finanzlage um, und inves -<br />
tieren lieber in langfr<strong>ist</strong>ige Le<strong>ist</strong>ungsverbesserungen für<br />
unsere Versicherten. Dazu gehört unter anderem auch die<br />
finanzielle Stärkung der betrieblichen Prävention.<br />
Die gegenwärtige Debatte um eher marginale Prämienzahlungen<br />
zeigt auch, dass es ein Fehler war, den Krankenkassen<br />
die Finanzautonomie zu nehmen und diese auf<br />
die Politik zu übertragen. Könnten die Kassen ihre Beitragssätze<br />
heute noch selbst bestimmen, wäre das System<br />
flexibler. Die Kassen könnten auf Finanzentwicklungen unternehmerisch<br />
reagieren.<br />
WJ: Wie sieht für Sie unter den derzeitigen Bedingungen<br />
solide <strong>Finanzpolitik</strong> aus?<br />
Ludwig: <strong>Solide</strong> <strong>Finanzpolitik</strong> <strong>ist</strong> nachhaltig und <strong>vorausschauend</strong>.<br />
Die Abhängigkeit der GKV von der Politik macht<br />
diese Aufgabe für die einzelne Krankenkasse schwerer als<br />
in der Vergangenheit. Sie setzt unsere Branche mehr als<br />
nötig den Unwägbarkeiten politischer Entscheidungen aus.<br />
Politischer Lobbyismus <strong>ist</strong> bisweilen erfolgreicher als finanzieller<br />
Sachverstand. Der Gesundheitsfonds mit seiner komplizierten<br />
Mechanik und seinen vielen Stellschrauben <strong>ist</strong><br />
dafür das beste Beispiel. Das Ziel wirtschaftlicher Solidität<br />
müssen wir heute in einem stark durch tagespolitische Forderungen<br />
geprägten Umfeld verfolgen. Dazu gehört die<br />
Standfestigkeit, nicht jeder popul<strong>ist</strong>ischen Losung nachzugeben,<br />
sondern das langfr<strong>ist</strong>ige Wohl der Beitragszahler im<br />
Auge zu behalten.<br />
Zur Person:<br />
Gerd Ludwig (53) <strong>ist</strong> Vorstandsvorsitzender<br />
der IKK classic.<br />
Der gebürtige Baden-Württemberger<br />
nimmt seit vielen Jahren<br />
führende Positionen in der<br />
handwerklichen Krankenversicherung<br />
ein. Nach Tätigkeiten<br />
bei der IKK Freiburg übernahm<br />
er 1992 die Aufgabe des stellvertretenden<br />
Geschäftsführers<br />
beim IKK-Landesverband Sachsen.<br />
Vom Jahr 2000 an führte er<br />
als Alleinvorstand die IKK Sachsen.<br />
Seit 2010 <strong>ist</strong> Gerd Ludwig<br />
Vorstandsvorsitzender der IKK<br />
classic, die aus einem Zusam -<br />
menschluss mehrerer Innungskrankenkassen<br />
entstand. Ludwig<br />
<strong>ist</strong> Krankenkassenbetriebswirt<br />
und Betriebswirt des Handwerks.