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Magazin #16 - Der Club zu Bremen

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Claus Spitzer-Ewersmann<br />

Warum der Schlachtezauber immer beliebter wird<br />

Von Elfentau und Hexengalle<br />

<strong>Der</strong> Bremer Weihnachtsmarkt zählt <strong>zu</strong> den schönsten im Lande.<br />

Jahr für Jahr lockt er mehr Besucher auf den historischen Marktplatz<br />

der Hansestadt. Trotzdem gibt es an der Schlachte seit<br />

einigen Jahren eine Alternative – ein mittelalterliches Spektakel<br />

mit Gauklern, Minnesängern und Handwerkern alten Schlags.<br />

Er singt von den Freuden des Lebens, vom Saufen, von der Liebe.<br />

Seine Sprache ist die Sprache des Volkes, klar und schnörkellos,<br />

geradeaus und häufig durchaus deftig. Giacomo nimmt kein<br />

Blatt vor den Mund, wenn er <strong>zu</strong> den Klängen der Laute die Texte<br />

von Carl-Michael Bellman, Schwedens berühmtestem Liederdichter<br />

und Komponisten, vorträgt. Und gleich, wenn er seine Stimme<br />

erhebt, merken die Menschen um ihn herum auf. Sie verharren,<br />

sie lauschen, sie begeben sich auf eine kleine Zeitreise<br />

<strong>zu</strong>rück in die Tage des Mittelalters. Giacomo – bürgerlich Hans-<br />

Fabian Schimmelpfennig – nennt sich selbst „Spielmann der<br />

Könige und König der Spielmänner“. Und er ist einer der – wenn<br />

man das überhaupt so sagen kann – Stars des „Schlachtezaubers“,<br />

des mittelalterlichen Weihnachtsmarktes an der Weser.<br />

„Gaukler und Spielleute sind eben <strong>zu</strong> jeder Zeit beliebt“, sagt er<br />

und lächelt in seinen wild wuchernden Bart.<br />

Mehr als 2500 Weihnachtsmärkte gibt es Jahr für Jahr in<br />

Deutschland. Auf einigen stehen nur wenige festlich geschmückte<br />

Büdchen, andernorts gleichen sie einem gigantischen Rummel.<br />

Die Sehnsucht der Deutschen nach Romantik wird vor allem<br />

in kleinen Orten gestillt, haben Wissenschaftler aus Westfalen<br />

herausgefunden. Professor Gunther Bamler vom Hagener Institut<br />

für vergleichende Städtemarktforschung hatte Studenten ausschwärmen<br />

lassen, den romantischsten Markt <strong>zu</strong> finden. Kriterien<br />

waren Gemütlichkeit, der Grad der Kommerzialisierung, das<br />

Preisniveau, die Freundlichkeit der Mitarbeiter und Ansprache<br />

verschiedener Altersgruppen. Unter den kleinen Städten gewann<br />

5<br />

das südhessische Michelstadt um Längen. „Gemütlich, aber<br />

nicht langweilig und nicht so kommerziell wie andere Märkte“,<br />

urteilten die Hagener Studenten. Ein Extralob gab es für die<br />

spezielle Atmosphäre in dem mittelalterlich geprägten Städtchen.<br />

„Weihnachtlicher geht’s nicht“, bestätigte Professor Bamler.<br />

<strong>Der</strong> Bremer Weihnachtsmarkt lockt Jahr für Jahr mehr Besucher<br />

auf den historischen Marktplatz. Hinter all dem Idyll steckt viel<br />

Arbeit – die für das Marktmeisterbüro bereits im Frühjahr<br />

beginnt. Zuerst müssen Absagen formuliert werden, denn die<br />

Zahl der Bewerber übersteigt die der <strong>zu</strong>r Verfügung stehenden<br />

Plätze um ein Vielfaches. Für rund 180 Buden reicht das Areal<br />

rund um Roland und Dom in der Regel aus. Für sie alle den richtigen<br />

Standort <strong>zu</strong> bekommen, gleicht einem höchst komplizierten<br />

Puzzle-Spiel. <strong>Der</strong> Aufbau der Bretterhäuschen erfolgt deshalb<br />

nach einem präzise ausgeklügelten Plan. Zwischen Pizzabäcker<br />

und Champignon-Büdchen etwa gehört ein Kunsthandwerker<br />

mit seiner Holzhütte. Oder ein kleiner Laden mit Blechspielzeug<br />

für die Jüngsten. <strong>Der</strong> Bummel über den vierwöchigen<br />

Markt soll schließlich der ganzen Familie Spaß machen. Er<br />

schafft eine Oase der Besinnlichkeit, befriedigt romantische<br />

Gefühle und lässt seinen Besuchern in garstigen Wintertagen<br />

ein bisschen Wärme um die angefrorene Nase wehen.<br />

Und dennoch gibt es Kritik an den Weihnachtsmärkten der alten<br />

Schule. Die Globalisierung macht auch vor dem Christkind nicht<br />

halt. 80 Euro soll eine Weihnachtspyramide aus dem Erzgebirge<br />

kosten, ein Viertel davon das Pendant mit dem kleinen Aufkleber<br />

„Made in China“. Die macht zwar nicht ganz so viel her, aber<br />

bei einem derartigen Preisunterschied kommen die Interessenten<br />

schnell ins Grübeln. Was nützt die beste Qualität, wenn im<br />

Geldbeutel Ebbe ist? Auf den Weihnachtsmärkten regiert längst<br />

knallhartes Kalkül. Zwischen fünf und sechs Milliarden Euro werden<br />

hier alljährlich nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher<br />

Schausteller und Marktkaufleute e.V. umgesetzt. Viele

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