Auf dem Laufenden Auf neuen Wegen Auf den - TIC - Trendletter ...
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10 | <strong>TIC</strong> – Thema | Dänemark <strong>TIC</strong> – Thema | Dänemark | 11<br />
Es ist was neu im Staate<br />
Dänemark<br />
Von 271 auf 98 Kommunen – das Ganze innerhalb von anderthalb Jahren und ohne<br />
nennenswerten Widerstand: Dänemark ist eine Gebietsreform geglückt, die aufhorchen lässt.<br />
Der rechtsliberale Innenminister Lars Løkke Rasmussen<br />
macht keinen Hehl daraus, dass man sich erhofft, durch<br />
die Synergieeffekte der Fusionen Verwaltungskosten zu<br />
reduzieren. Er bezeichnet dies jedoch ausdrücklich als<br />
Mitnahmeeffekt und nicht als Anlass für <strong>den</strong> <strong>neuen</strong><br />
Zuschnitt des Königreichs. „Die Kommunalreform ist<br />
keine Sparmaßnahme“, unterstreicht Rasmussen.<br />
Er führt in erster Linie qualitative Gründe für das<br />
Jahrhundertprojekt im Eiltempo an: Kleine Gebietseinheiten<br />
erschwerten es der öffentlichen Hand, diejenigen<br />
Kompetenzen aufzubauen, die Verwaltung in einer immer<br />
komplizierteren Welt benötige – sowohl personell als auch<br />
technisch. Zugleich seien die Anforderungen der Bürger<br />
an die Verwaltung im Takt mit immer höheren Steuern<br />
gewachsen. In ihrem Positionspapier zur Gebietsreform,<br />
<strong>dem</strong> Dossier „Das neue Dänemark“, stellt die Regierung<br />
heraus, dass die Menschen heute eine andere Mobilität an<br />
<strong>den</strong> Tag legen als vor 35 Jahren. Seinerzeit fand die letzte<br />
Gebietsreform in Dänemark statt. Im beginnen<strong>den</strong> 21.<br />
Jahrhundert legen die Dänen ebenso wie die Deutschen<br />
viel weitere Strecken zur Arbeit, zum Einkaufen oder zu<br />
Freizeitvergnügungen zurück. Die Lebenswirklichkeit ist<br />
eine andere als jene, die beim 1970 als richtig erachteten<br />
Zuschnitt zu Grunde lag. Und dann sind da ja auch noch<br />
die <strong>neuen</strong> Verwaltungsdienstleistungen über das Internet.<br />
Sie überwin<strong>den</strong> geografische Abstände.<br />
Territoriale Eheschließungen<br />
30.000 Einwohner hat der Gesetzentwurf zur Kommunalreform<br />
als neue Mindestgröße für eine Kommune festgelegt.<br />
Die Regierung setzte dabei unter Städten und<br />
Gemein<strong>den</strong> auf „freiwillige Brautschau“ – allerdings mit<br />
der Drohkulisse im Hintergrund, bei Nicht-Einigung<br />
„Zwangsehen“ von Kopenhagen aus vorzunehmen. Nur<br />
Christiansfeld<br />
Beispiel südliches Dänemark: Die früheren Verwaltungsbezirke sind durch die<br />
gestrichelten Linien gekennzeichnet. Ab 2007 wird kommunal fusioniert. Die<br />
farblich gleich markierten Flächen bil<strong>den</strong> die jeweilige Großkommune.<br />
in einem einzigen Fall musste man in der Hauptstadt<br />
davon Gebrauch machen. Ausnahmen gab es für wenige<br />
kleine Inseln und für Kommunen, die sich auf zahlreichen<br />
Gebieten mit ihren Nachbarn zu einer Verwaltungszusammenarbeit<br />
verpflichten. Diese Klausel nutzte<br />
jedoch nur eine Handvoll von Gemein<strong>den</strong>. Das Interesse,<br />
als Kommune unbedingt selbstständig zu bleiben,<br />
hatte sich nach Verabschiedung der Kommunalreform<br />
im dänischen Parlament fast überall in Luft aufgelöst.<br />
Als Grobmuster der territorialen Eheschließungen<br />
lässt sich festhalten: Die Mittelstädte legten sich einen<br />
stattlichen, mehr oder weniger kreisförmigen Ring bisher<br />
selbstständiger Nachbarn zu, und alles, was dazwischen<br />
in der Fläche übrig blieb, sah zu, wie ohne allzu große<br />
Künstlichkeit Zusammenschlüsse mit mindestens<br />
30.000 Einwohnern zustande kamen. Am Ende hat sich<br />
sogar eine Verschiebung in der Hitparade der größten<br />
Kurswechsel in Kopenhagen: Im vergangenen Jahr beschloss das Parlament eine<br />
umfassende Gebietsreform, vor allem um <strong>den</strong> wachsen<strong>den</strong> Ansprüchen der Bürger<br />
an <strong>den</strong> kommunalen Verwaltungsapparat gerecht zu wer<strong>den</strong>.<br />
Städte des Landes ergeben: Kopenhagen und Aarhus liegen<br />
zwar weiter auf Rang eins und zwei, doch statt wie<br />
bisher O<strong>den</strong>se auf der Insel Fünen ist nun Aalborg ganz<br />
oben in Jütland drittgrößte Stadt. Aalborg hat einfach<br />
mehr Nachbarn unter seine Fittiche geholt, als es O<strong>den</strong>se<br />
geglückt ist.<br />
Der Fläche nach ergibt sich eine andere Sortierung, bei<br />
der Viborg – Heimatstadt von Ministerpräsi<strong>den</strong>t Anders<br />
Fogh Rasmussen – die Liste anführt. Nach<strong>dem</strong> die<br />
eigentliche Stadt Viborg mit fünf Nachbargemein<strong>den</strong><br />
fusioniert hat, misst es jetzt stolze 1.403 Quadratkilometer.<br />
Einfacher Zugang zur öffentlichen Hand<br />
Die Taufe der <strong>neuen</strong> Gebilde verlief in aller Regel pragmatisch:<br />
Wo eine Stadt mit ihrem Umland verschmolz,<br />
wurde der Name der Stadt fast immer Name der Großkommune.<br />
Im ländlichen Bereich orientierte man sich<br />
häufiger an naturräumlichen Gegebenheiten – zum Beispiel,<br />
in<strong>dem</strong> man die neue Großkommune nach einem<br />
Fjord nannte, an <strong>dem</strong> die Territorien der Partner liegen.<br />
Bindestrich-Ungetüme blieben die Ausnahme.<br />
Nicht nur die dänische Landkarte ist dank der Reform<br />
übersichtlicher gewor<strong>den</strong>. Übersichtlicher ist auch der<br />
Zugang des Bürgers zu Leistungen der öffentlichen Hand:<br />
In der Vergangenheit waren diese verteilt: auf die kleinen<br />
Kommunen einerseits und eine zweite administrative<br />
Ebene, die so genannten Ämter – halbwegs vergleichbar<br />
mit Kreisen in Deutschland – andererseits. Die Dänen<br />
mussten bei einem Anliegen erst selbst herausfin<strong>den</strong>,<br />
Peter Gorm Hansen<br />
leitender Direktor im Dachverband der dänischen<br />
Kommunen (Kommunernes Landsforening) und<br />
Mitglied der Strukturkommission der dänischen<br />
Regierung zur Kommunalreform<br />
ES MUSSTE ETWAS GETAN WERDEN<br />
Sind so viel weniger Kommunen ein Gewinn oder ein Verlust für Dänemark?<br />
Für die Bürger ist die Reform ein Gewinn. Dänemark erhält einen einfacheren und<br />
effektiveren öffentlichen Sektor, bei <strong>dem</strong> die Kommunen das Hauptportal der Bürger<br />
wer<strong>den</strong>. Analysen haben gezeigt, dass die Kommunen die Ebene sind, mit der<br />
die Menschen die größte Verbun<strong>den</strong>heit empfin<strong>den</strong>. Und wenn die Kommunen<br />
mehr <strong>Auf</strong>gaben bekommen, ist es natürlich, dass sie größer wer<strong>den</strong>.<br />
Was waren die größten Vorbehalte der Kommunen gegenüber der Reform?<br />
Dass die Dezentralisierung einer Reihe von <strong>Auf</strong>gaben auf die kommunale Ebene<br />
zunächst von einer strengeren staatlichen <strong>Auf</strong>sicht begleitet wer<strong>den</strong> wird. Vielleicht<br />
ist die Staatsverwaltung nervös, dass die Kommunen mit <strong>den</strong> stärker spezialisierten<br />
<strong>Auf</strong>gaben nicht klarkommen.<br />
Wie kommen die vielen Kommunalpolitiker, die ihre Mandate verlieren, damit zurecht?<br />
Alle Erfahrungen zeigen, dass Strukturänderungen ohne gleichzeitige Justierungen<br />
der <strong>Auf</strong>gabenverteilung eine Totgeburt sind. Wenn die Volksvertreter in <strong>den</strong> Kommunen<br />
sich für Zusammenlegungen aussprechen konnten, dann, weil sich dadurch<br />
Möglichkeiten für neue und größere Kompetenzen auftaten, die aus Sicht der Bürger<br />
Sinn machen. Es war bereits über Jahre hinter vorgehaltener Hand darüber diskutiert<br />
wor<strong>den</strong>, dass die kleinteilige Gebietsstruktur, zu geringe Erfahrung und<br />
immer speziellere Verwaltungsaufgaben die kommunale Selbstverwaltung immer<br />
weiter aushöhlen wür<strong>den</strong>. Die Erkenntnis, dass etwas getan wer<strong>den</strong> musste, war in<br />
kommunalpolitischen Kreisen weiter gediehen als in Regierungskreisen. Deshalb<br />
verlief der Fusionsprozess auch vergleichsweise glatt ohne viele Interventionen von<br />
oben.<br />
Sind weniger Kommunen billiger?<br />
Das war nicht Ausgangspunkt der Reform. Aber mittelfristig wird erwartet, dass die<br />
Reform Effektivitätsgewinne mit sich bringt. Die Kommunen sind darauf eingestellt,<br />
die Kostenvorteile einzufahren, die größere Einheiten mit sich bringen. Es ist jedoch<br />
schwierig, <strong>den</strong> Umfang vorherzusagen.