Datenschutz in meiner Arztpraxis - Unabhängiges Landeszentrum ...
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<strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er <strong>Arztpraxis</strong><br />
Herausgegeben vom<br />
Unabhängigen <strong>Landeszentrum</strong> für <strong>Datenschutz</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Holstenstr. 98, 24103 Kiel,<br />
Homepage: www.datenschutzzentrum.de<br />
E-Mail: ld4@datenschutzzentrum.de<br />
Ansprechpersonen: Margitta Welz, Torsten Koop<br />
1. Auflage November 2001
- 2 -<br />
<strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er <strong>Arztpraxis</strong><br />
<strong>Unabhängiges</strong> <strong>Landeszentrum</strong> für den <strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Vorwort<br />
Mit der Aktion „<strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er <strong>Arztpraxis</strong>“ zielen das Unabhängige <strong>Landeszentrum</strong> für <strong>Datenschutz</strong><br />
(ULD), die Ärztekammer und die Zahnärztekammer im Land Schleswig-Holste<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>-<br />
sam darauf ab, die Qualität der (zahn-)ärztlichen Behandlung im Lande zu verbessern. Behandlungs-<br />
qualität bed<strong>in</strong>gt nämlich auch e<strong>in</strong> begründetes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.<br />
Grundlage für dieses Vertrauen ist die Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht. E<strong>in</strong>e Vielzahl von<br />
Erfahrungen zeigt, dass <strong>in</strong>sofern <strong>in</strong> der Praxis E<strong>in</strong>iges verbessert werden kann und muss.<br />
Zu diesem Zweck erhalten die (Zahn-)Ärzte im Land e<strong>in</strong>en Selbstcheck zur Verfügung gestellt, mit<br />
dem Sie kurz und knapp prüfen können, ob die grundlegendsten Voraussetzungen für Patientengeheimnis<br />
und <strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> der eigenen Praxis verwirklicht s<strong>in</strong>d. Viele Fragen hierzu s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fach zu<br />
beantworten. Manchmal genügt aber „kurz und knapp“ nicht. Immer wieder werden Ärzt<strong>in</strong>nen und<br />
Ärzte mit rechtlichen, technischen und organisatorischen Fragen konfrontiert, die e<strong>in</strong>e vertiefte und<br />
ausführlichere Beantwortung erfordern. Hierfür soll der vorliegende Text Hilfen geben.<br />
Der nachstehende Text gliedert sich <strong>in</strong> 2 Teile: Der erste Teil ist streng juristisch und eignet sich für<br />
all Diejenigen, die e<strong>in</strong> echtes Interesse am H<strong>in</strong>tergrundwissen haben. Der zweite Teil soll praktisch <strong>in</strong><br />
kurzen Abschnitten zeigen, wie <strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Arztpraxis</strong> realisiert werden kann. Die Mitarbeiter<br />
des ULD haben im Laufe der Vorbereitung zu dieser Aktion zahlreiche Arztpraxen besucht, mit<br />
Ärzten wie mit Arzthelfer<strong>in</strong>nen gesprochen und Anregungen aufgenommen. Sie haben die Räumlichkeiten<br />
genauso besichtigt wie die Praxissoftware. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> nahezu allen Praxen freundlich aufgenommen<br />
worden und auf größtenteils offene Ohren gestoßen. Zahlreiche Ärzte haben sogar spontan<br />
mit „Umbaumaßnahmen“ begonnen.- Die Mitarbeiter des ULD haben jedoch auch Ablehnung erfahren,<br />
z.B. wenn die Umsetzung der ärztlichen Schweigepflicht <strong>in</strong> den Praxisablauf e<strong>in</strong>griff.<br />
Wer sich also nur <strong>in</strong>formieren möchte, wie unter <strong>Datenschutz</strong>gesichtspunkten e<strong>in</strong>e <strong>Arztpraxis</strong> gestaltet<br />
se<strong>in</strong> sollte, der steige direkt im zweiten Teil e<strong>in</strong>. Vielleicht wird sie oder er jedoch an e<strong>in</strong>igen<br />
Stellen doch dazu bewegt werden können, nachzulesen, warum die <strong>Datenschutz</strong>anforderungen überhaupt<br />
und weshalb gerade so bestehen.<br />
Allen geneigten Leser<strong>in</strong>nen und Lesern wünschen wir viel Spaß bei der Lektüre unserer kle<strong>in</strong>en Broschüre<br />
„<strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er <strong>Arztpraxis</strong>“:
Inhaltsverzeichnis<br />
- 3 -<br />
1. TEIL: DIE ÄRZTLICHE SCHWEIGEPFLICHT AUS JURISTISCHER SICHT<br />
I. Historische Betrachtung 6<br />
II. § 203 StGB 6<br />
1. Der Tatbestand 7<br />
a) Geheimnisse 7<br />
b) Fremdes Geheimnis 8<br />
c) Anvertraut 8<br />
d) Sonst bekannt geworden 8<br />
e) Offenbart 8<br />
f) Unbefugt 9<br />
aa) Offenbarungsbefugnis durch Zustimmung des Verfügungsberechtigten (E<strong>in</strong>verständnis) 9<br />
(1) Wirksamkeit des E<strong>in</strong>verständnisses 10<br />
(a) Mitteilungen unter Ärzten 12<br />
(b) Übersenden der Patientendaten an Privatärztliche Verrechnungsstellen (PVS) 12<br />
(c) Übermittlung an private Versicherungen 13<br />
(d) Übertragung des gesamten Patientenkartei 14<br />
(2) Erlöschen des E<strong>in</strong>verständnisses 14<br />
(3) Schriftform des E<strong>in</strong>verständnisses 15<br />
bb) Offenbarungsbefugnis wegen e<strong>in</strong>er Pflicht zur Mitteilung 16<br />
(1) § 138 Strafgesetzbuch (StGB) 16<br />
(2) Prozessuale Zeugnispflicht geht vor 16<br />
(3) Mitteilungspflichten nach dem InfektionsschutzG 17<br />
(4) Mitteilungspflichten nach landesrechtlichen Bestattungs- und Krebsregistergesetzen 17<br />
(5) Sozialrechtliche Sonderregelungen 17<br />
2. Die Rechtsfolgen 17<br />
3. Rechtfertigungsgründe 18<br />
a) Mutmaßliche E<strong>in</strong>willigung 19<br />
b) Rechtfertigender Notstand gemäß § 34 StGB 19<br />
III. Die Anwendung des <strong>Datenschutz</strong>rechts 21<br />
1. Das Recht auf <strong>in</strong>formationelle Selbstbestimmung 21<br />
2. Datenerhebung <strong>in</strong> der ärztlichen Praxis 21<br />
3. Datenübermittlungen aus der ärztlichen Praxis 23<br />
a) Regelungen der BOÄ Schleswig-Holste<strong>in</strong> 23<br />
b) Regelungen im vertragsärztlichen Bereich 23<br />
aa) Hausarzt erhebt Daten bei anderen Ärzten 24<br />
bb) Facharzt übermittelt Daten an Hausarzt 24<br />
cc) Hausarzt alt übermittelt die Daten an Hausarzt neu 24<br />
dd) Ärzte übermitteln Daten untere<strong>in</strong>ander im Rahmen <strong>in</strong>tegrierter Versorgung 25
- 4 -<br />
c) Das Verhältnis von § 73 Abs. 1b SGB V zu § 9 Abs. 4 BOÄ 26<br />
d) Probleme bei der praktischen Umsetzung 26<br />
e) Datenübermittlung an Krankenkassen 27<br />
aa) Ermächtigungsgrundlage 27<br />
bb) Umfang der Auskunftspflicht 28<br />
f) Übermittlung an die kassen(zahn)ärztlichen Vere<strong>in</strong>igungen 28<br />
aa) Voraussetzungen 28<br />
bb) Rechtsfolgen 29<br />
g) Datenübermittlungen an den mediz<strong>in</strong>ischen Dienst der Krankenkassen (MDK) 29<br />
aa) Voraussetzungen 30<br />
bb) Rechtsfolgen 30<br />
IV. Dokumentation und E<strong>in</strong>sicht 30<br />
1. Allgeme<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sichtsrechte 31<br />
a) E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die Orig<strong>in</strong>alunterlagen 32<br />
b) E<strong>in</strong>sichtnahme <strong>in</strong> der <strong>Arztpraxis</strong> 32<br />
2. Besonderheiten der E<strong>in</strong>sichtnahme <strong>in</strong> psychiatrische Behandlungsunterlagen 33<br />
V. Aufbewahrungsfristen und -Pflichten 34<br />
VI. Die Praxis-EDV 36<br />
VII. Der/Die Betriebliche <strong>Datenschutz</strong>beauftragte 38<br />
1. Voraussetzungen der Bestellung 38<br />
2. Die Bestellung 39<br />
3. Kündigungsschutz 40<br />
4. Meldepflichten 40<br />
VIII. Geme<strong>in</strong>schaftspraxen und Praxisgeme<strong>in</strong>schaften 41
- 5 -<br />
2. TEIL: KONSEQUENZEN FÜR DIE ARZTPRAXIS<br />
I. Hier wird der Patient empfangen 44<br />
1. Der E<strong>in</strong>gangsbereich 44<br />
a) Die „klassische“ Praxis 44<br />
b) Die „moderne“ Variante 45<br />
aa) Re<strong>in</strong>e Bestellpraxis 45<br />
bb) Flexible Bestellpraxis 45<br />
cc) Praxis vergibt überhaupt ke<strong>in</strong>e Term<strong>in</strong>e 46<br />
2. Der Empfangstresen 47<br />
II. Der Wartebereich der Praxis 52<br />
III. Der Behandlungsbereich 53<br />
IV. Praxisverwaltung 54<br />
1. Die Patientenkarteikarten/Patientenakten 54<br />
2. Gewährleistung des E<strong>in</strong>sichtsrechts 57<br />
3. Der E<strong>in</strong>satz von „Hilfskräften“ 58<br />
a) Verpflichtung auf Schweigepflicht und Datengeheimnis 59<br />
b) Technische Hilfskräfte (Systemadm<strong>in</strong>istratoren etc.) 59<br />
c) Sonstige Hilfskräfte 60<br />
V. Die Praxis-EDV 61<br />
VI. Patientenrechte 64<br />
1. Transparenzpr<strong>in</strong>zip 64<br />
2. Gewährleistung der E<strong>in</strong>sichtsrechte 64<br />
3. Die Bestellung e<strong>in</strong>es betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten 65<br />
VII. Datenübermittlungen 67<br />
1. Datenübermittlung auf Grund spezieller Gesetze 67<br />
2. Datenübermittlung auf Grund e<strong>in</strong>er Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dungserklärung 68<br />
VIII. Anhang Gesetzestexte 70
- 6 -<br />
1. Teil: Die ärztliche Schweigepflicht aus juristischer Sicht<br />
Ausgangspunkt aller datenschutzrechtlichen Überlegungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Arztpraxis</strong> ist die ärztliche<br />
Schweigepflicht.<br />
I. Historische Betrachtung<br />
Historischer Ursprung der ärztlichen Schweigepflicht ist der so genannte „hippokratische<br />
Eid“. Hier<strong>in</strong> heißt es: „Was immer ich sehe und höre bei der Behandlung und außerhalb der<br />
Behandlung im Leben der Menschen, so werde ich von dem, was niemals nach draußen aus-<br />
geplaudert werden soll, schweigen, <strong>in</strong>dem ich alles derartige als solches betrachte, das nicht<br />
ausgesprochen werden darf“ 1<br />
. Der Bruch der Verschwiegenheit bei „Mediz<strong>in</strong>alpersonen“ wur-<br />
de erstmals im Preußisch Allgeme<strong>in</strong>en Landrecht von 1794 mit Strafe bedroht 2<br />
. Die als „heili-<br />
ge Pflicht“ von Hippokrates bezeichnete ärztliche Verschwiegenheit f<strong>in</strong>det sich auch heute<br />
noch <strong>in</strong> den ärztlichen Berufsordnungen 3<br />
(BOÄ) sowie als maßgeblicher Inhalt <strong>in</strong> § 203 Straf-<br />
gesetzbuch (StGB).<br />
II. § 203 StGB<br />
Nach § 203 StGB macht sich strafbar, „wer unbefugt e<strong>in</strong> fremdes Geheimnis, namentlich e<strong>in</strong><br />
zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder e<strong>in</strong> Betriebs- oder Geschäftsge-<br />
heimnis, offenbart, das ihm als Arzt (...) anvertraut oder sonst bekannt geworden ist.“ Auch<br />
bei der Kommunikation zwischen Ärzten gilt die ärztliche Schweigepflicht, die grundsätzlich<br />
nicht durchbrochen werden darf.<br />
Zunächst sollen hier die Tatbestandsmerkmale des § 203 StGB erläutert werden. Sodann wer-<br />
den die tatbestandsausschließenden Sachverhalte dargestellt, also Sachverhalte, bei deren<br />
Vorliegen bereits der Tatbestand des § 203 StGB ausgeschlossen ist. Alsdann folgt der Blick<br />
<strong>in</strong> die Rechtfertigungsgründe, also <strong>in</strong> Sachverhalte, bei deren Vorliegen das Offenbaren e<strong>in</strong>es<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Vgl. hierzu Schlund, Internistische Praxis 1989, 333ff, Schott, DÄBl. 1988, 1699 ff;<br />
Laufs/Uhlenbruck-Schlund, Handbuch des Arztrechts, 2. Aufl.1999, § 69, Rn.1.<br />
LK-Jähnke, StGB 10. Aufl. 1988, § 203 Rn. 17.<br />
Vgl. statt aller § 9 Berufsordnung der Ärztekammer Schleswig-Holste<strong>in</strong> vom 3.2.1999, Text im Anhang.
- 7 -<br />
Patientengeheimnisses gerechtfertigt se<strong>in</strong> kann.<br />
1. Der Tatbestand<br />
Der § 203 StGB dient zum E<strong>in</strong>en dem Schutz des Rechts auf <strong>in</strong>formationelle Selbstbestim-<br />
mung 4<br />
. Danach kann jeder grundsätzlich selbst entscheiden, wann und <strong>in</strong> welchen Grenzen<br />
persönliche Lebenssachverhalte von e<strong>in</strong>er Person offenbart werden dürfen. In erster L<strong>in</strong>ie wird<br />
aber das allgeme<strong>in</strong>e Vertrauen <strong>in</strong> die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe<br />
und Berufszweige als Voraussetzung dafür geschützt, dass diese ihre im Interesse der Allge-<br />
me<strong>in</strong>heit liegenden Aufgaben erfüllen können 5<br />
: Ohne e<strong>in</strong> vertrauensvolles Verhältnis zwi-<br />
schen Arzt und Patient ist e<strong>in</strong>e funktionsfähige Gesundheitspflege nicht möglich.<br />
Die Tat besteht im unbefugten Offenbaren e<strong>in</strong>es fremden Geheimnisses, das dem Täter <strong>in</strong> sei-<br />
ner Eigenschaft als Arzt anvertraut oder sonst bekannt geworden ist.<br />
a) Geheimnisse<br />
Geheimnisse s<strong>in</strong>d alle Tatsachen, die nur e<strong>in</strong>em beschränkten Personenkreis bekannt s<strong>in</strong>d und<br />
an deren Geheimhaltung derjenige, den sie betreffen (sog. Geheimnisträger), e<strong>in</strong> Interesse hat<br />
oder bei eigener Kenntnis der Tatsache haben würde 6<br />
. Der Geheimnisträger muss an der Ge-<br />
heimhaltung lediglich e<strong>in</strong> sachlich begründetes („verständliches“) Interesse haben 7<br />
.<br />
Voraussetzung ist e<strong>in</strong>zig, dass das Geheimnis nur e<strong>in</strong>em beschränkten Personenkreis bekannt<br />
ist. Mitwisser müssen nach Personen und Zahl nicht bestimmbar se<strong>in</strong>. Es genügt, dass es sich<br />
bei den möglichen Mitwissern um e<strong>in</strong>e überschaubare Zahl handelt.<br />
Folglich können Geheimnisse se<strong>in</strong>: Namen und Adresse des Patienten, dessen private Ver-<br />
hältnisse bis h<strong>in</strong> zur Adresse des Krankenhauses, <strong>in</strong> das er als Verletzter abtransportiert wird.<br />
Schon alle<strong>in</strong> der Umstand, dass e<strong>in</strong>e Person <strong>in</strong> Behandlung ist, fällt unter den Geheimnis-<br />
schutz des § 203 StGB. Mitumfasst werden natürlich alle Krankheitsdaten und sonstigen Um-<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
„Volkszählungsurteil“ des Bundesverfassungsgerichts <strong>in</strong>: BVerfGE 65, 1, 41 ff.<br />
Schönke-Schröder-Lenckner, § 203 StGB, Rn. 3 mwN.<br />
Schönke-Schröder-Lenckner, § 203 StGB, Rn. 5.<br />
Allgeme<strong>in</strong>e Ansicht, vgl. nur Schönke-Schröder-Lenckner, § 203 StGB, Rn. 7
- 8 -<br />
stände, derentwegen e<strong>in</strong> bestimmter Patient behandelt wird.<br />
b) Fremdes Geheimnis<br />
Bei dem Geheimnis handelt es sich um e<strong>in</strong> fremdes Geheimnis, wenn es e<strong>in</strong>e andere natürli-<br />
che oder juristische Person betrifft. Unerheblich ist für den Geheimnisbegriff, auf welchen<br />
Lebensbereich es sich bezieht, z.B. auf außermediz<strong>in</strong>ische Tatsachen wie familiäre, private<br />
oder f<strong>in</strong>anzielle Angelegenheiten.<br />
c) Anvertraut<br />
Anvertraut ist das Geheimnis dem Arzt, wenn es ihm <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren Zusammenhang mit<br />
der Ausübung se<strong>in</strong>es Berufes mündlich, schriftlich oder auf sonstige Weise unter Umständen<br />
mitgeteilt worden ist, aus denen sich die Anforderung des Geheimhaltens ergibt. Es muss also<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em funktionalen Zusammenhang zur Berufsausübung 8<br />
stehen. Bloße Kenntnisnahme im<br />
privaten Alltag genügt nicht.<br />
d) Sonst bekannt geworden<br />
Sonst bekannt geworden ist das Geheimnis dem durch § 203 StGB Verpflichteten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Eigenschaft als Arzt, wenn er es auf andere Weise, jedoch gleichfalls im <strong>in</strong>neren Zusammen-<br />
hang mit der Ausübung se<strong>in</strong>es Berufes erfahren hat.<br />
e) Offenbart<br />
Offenbart ist das Geheimnis, wenn es <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er (zurechenbaren) Weise zu e<strong>in</strong>em anderen<br />
gelangt ist. E<strong>in</strong>schlägig ist zunächst natürlich die „aktive“ Bekanntgabe des Geheimnisses.<br />
Das Merkmal der unzulässigen Offenbarung kann aber auch auf andere Weise erfüllt werden.<br />
Vielen Ärzten ist nicht klar, dass es <strong>in</strong> ihren Praxen e<strong>in</strong>e Vielzahl von Stellen gibt, wo Pati-<br />
entengeheimnisse zwar ohne Absicht, aber dennoch vorsätzlich im S<strong>in</strong>ne des § 203 StGB of-<br />
fenbart werden. Dies kann der Fall se<strong>in</strong> beim nicht beabsichtigten Mithörenlassen von Ge-<br />
8<br />
Schönke-Schröder-Lenckner, § 203 StGB, Rn. 13.
- 9 -<br />
sprächen, beim nachlässigen Liegenlassen von Unterlagen oder durch die Organisation der<br />
Praxis-EDV, sodass Dritte hierauf zugreifen können. Für e<strong>in</strong>e Strafbarkeit ist nicht erforder-<br />
lich, dass der Arzt das Offenbaren will oder die Kenntnisnahme Dritter als sicher ansieht.<br />
Vielmehr kann es ausreichen, dass er dieses für möglich erachtet und dennoch <strong>in</strong> Kauf nimmt,<br />
ohne etwas dagegen zu unternehmen. Vom Arzt, der se<strong>in</strong>er Schweigepflicht gerecht werden<br />
will, werden daher aktive Schutzmaßnahmen abverlangt, z.B. bzgl. se<strong>in</strong>er Praxisorganisation<br />
oder beim EDV-E<strong>in</strong>satz.<br />
Bei e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schriftstück verkörperten Geheimnis genügt das Verschaffen des Gewahr-<br />
sams mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch e<strong>in</strong>en anderen. Bei mündlichen Mittei-<br />
lungen ist Kenntnisnahme des Geheimnisses erforderlich. Ob das Offenbaren ausdrücklich,<br />
konkludent, spontan oder als Antwort auf e<strong>in</strong>e Frage erfolgt ist gänzlich unerheblich, ebenso<br />
auf welchem Weg das Geheimnis dem Anderen zugänglich gemacht wird. Das bedeutet, dass<br />
e<strong>in</strong> unbefugtes Offenbaren von Patientengeheimnissen bereits dann vorliegt, wenn e<strong>in</strong>em<br />
Dritten der Zugriff nur ermöglicht wird. Es muss also nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> konkreter Missbrauch<br />
der Daten vorliegen. Gleichgültig ist, ob die Mitteilung als „vertraulich“ gekennzeichnet ist<br />
oder vertraulich erfolgt oder ob der Empfänger der Mitteilung se<strong>in</strong>erseits der Schweigepflicht<br />
unterliegt.<br />
f) Unbefugt<br />
E<strong>in</strong>e Offenbarung erfolgt unbefugt, wenn sie ohne Zustimmung des Geheimnisträgers oder<br />
ohne e<strong>in</strong> Recht zur Mitteilung stattf<strong>in</strong>det.<br />
aa) Offenbarungsbefugnis durch Zustimmung des Verfügungsberechtigten (E<strong>in</strong>verständnis)<br />
E<strong>in</strong> erteiltes E<strong>in</strong>verständnis, <strong>in</strong> der Regel die so genannte Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dungserklä-<br />
rung, schließt bereits den objektiven Tatbestand des § 203 StGB aus. Hieraus und aus den<br />
§§ 182, 183 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) folgt, dass es sich um e<strong>in</strong>e „vorherige“ Zu-<br />
stimmung handeln muss. Der Patient soll selbst entscheiden, welche Geheimnisse er weiter-<br />
gibt, oder welche er für sich behält und <strong>in</strong> den Händen se<strong>in</strong>es Arztes gut gesichert wissen will.<br />
Diese für die Strafbarkeit des Verhaltens des Arztes maßgebliche Willenserklärung kann
- 10 -<br />
grundsätzlich <strong>in</strong> verschiedener Art und Weise erfolgen.<br />
Insbesondere ist auch e<strong>in</strong> konkludentes E<strong>in</strong>verständnis möglich. Dies wird regelmäßig an-<br />
zunehmen se<strong>in</strong>, wenn es sich um e<strong>in</strong>e notwendige Offenbarung im Rahmen des üblichen Pra-<br />
xisablaufs handelt. Nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>es konkludenten E<strong>in</strong>verständnisses bedarf hierbei der In-<br />
formationsaustausch zwischen dem Arzt und se<strong>in</strong>en Hilfskräften, etwa beim Diktat e<strong>in</strong>es Be-<br />
fundes für den Krankenbericht. Es ist ke<strong>in</strong> Offenbaren anzunehmen, weil die Daten nicht vom<br />
Arzt an e<strong>in</strong>en Dritten übertragen werden. Die Hilfspersonen des Arztes werden ihm nach<br />
§ 203 StGB zugerechnet; sie gehören zur verantwortlichen Stelle im S<strong>in</strong>ne des <strong>Datenschutz</strong>-<br />
rechts.<br />
An dieser Stelle ist auf die besondere Formvorschrift des § 4a BDSG h<strong>in</strong>zuweisen, die zwar<br />
nicht ohne Weiteres für die Strafbarkeit des Arztes nach § 203 StGB, zum<strong>in</strong>dest aber für die<br />
datenschutzrechtliche Zulässigkeit se<strong>in</strong>er Tätigkeit nach dem Bundesdatenschutzgesetz ent-<br />
scheidend ist. Hiernach muss e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>willigung auf der freien Entscheidung des Patienten<br />
beruhen, „der auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie,<br />
soweit nach den Umständen des E<strong>in</strong>zelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen<br />
der Verweigerung der E<strong>in</strong>willigung h<strong>in</strong>zuweisen ist“. Diese E<strong>in</strong>willigungserklärung bedarf<br />
der Schriftform und muss sich gemäß § 4a Abs. 3 BDSG ausdrücklich auf die Gesundheits-<br />
daten beziehen.<br />
Auf die Schriftform kann dann verzichtet werden, wenn der Patient bei der Geheimnisoffen-<br />
barung anwesend ist, zum Beispiel wenn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gegenwart e<strong>in</strong> anderer Arzt zur Verifizie-<br />
rung e<strong>in</strong>er Diagnose h<strong>in</strong>zugezogen wird und der Patient sich hiermit e<strong>in</strong>verstanden erklärt<br />
oder zum<strong>in</strong>dest nicht widerspricht.<br />
(1) Wirksamkeit des E<strong>in</strong>verständnisses<br />
Das E<strong>in</strong>verständnis muss wirksam erteilt se<strong>in</strong>. Voraussetzung hierfür ist grundsätzlich, also<br />
auch bei M<strong>in</strong>derjährigen, die E<strong>in</strong>sichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten. Maßstab ist,<br />
dass der Handelnde e<strong>in</strong> solches Maß an Verstandsreife erreicht hat, dass er die Tragweite sei-
- 11 -<br />
ner Entscheidung zu übersehen vermag. E<strong>in</strong>e starre Altersgrenze lässt sich nicht ziehen 9<br />
.<br />
Problematisch ist, ob auch bei vorhandener E<strong>in</strong>sichtsfähigkeit M<strong>in</strong>derjähriger zusätzlich die<br />
E<strong>in</strong>willigung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist, da grundsätzlich beide Eltern das<br />
K<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>schaftlich vertreten (§ 1629 Abs. 1 BGB). Maßgebliche Juristen 10<br />
folgern hieraus,<br />
dass auch wenn die notwendige E<strong>in</strong>sichtsfähigkeit des M<strong>in</strong>derjährigen festgestellt ist, grund-<br />
sätzlich die E<strong>in</strong>willigung des gesetzlichen Vertreters h<strong>in</strong>zukommen muss. In diesem S<strong>in</strong>ne<br />
regelt beispielsweise das Schulgesetz Schleswig-Holste<strong>in</strong> <strong>in</strong> § 47 Abs. 4, dass Schüler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
ihrer E<strong>in</strong>sichtsfähigkeit gemäßen Form sowie deren Eltern über S<strong>in</strong>n und Grenzen der (schuli-<br />
schen) Untersuchung und der Datenerhebung zu unterrichten s<strong>in</strong>d.<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf § 1626 Abs. 2 BGB haben jedoch Eltern die wachsende Fähigkeit und das<br />
wachsende Bedürfnis des K<strong>in</strong>des zu selbstständigem, verantwortungsbewusstem Handeln zu<br />
berücksichtigen: Der eigene Entscheidungsspielraum der Eltern wird fortschreitend e<strong>in</strong>ge-<br />
schränkt. Damit wird der Entwicklung der K<strong>in</strong>der und deren Fähigkeit, sich selbstständig zu<br />
betätigen, Rechnung getragen. Ähnlich wie bei der E<strong>in</strong>willigung <strong>in</strong> notwendige ärztliche Be-<br />
handlungen wird mit zunehmender E<strong>in</strong>sichts- und Urteilsfähigkeit dem M<strong>in</strong>derjährigen die<br />
alle<strong>in</strong>ige Entscheidungsbefugnis für die Erteilung derartiger E<strong>in</strong>willigungen übertragen. So<br />
hat beispielsweise das Landgericht München I 11<br />
die E<strong>in</strong>willigung e<strong>in</strong>er 16-jährigen Frau <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en Schwangerschaftsabbruch gegen den ausdrücklichen Willen der Eltern für wirksam er-<br />
klärt. Nichts anderes kann für e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>willigung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Datenübermittlung gelten: Insoweit<br />
s<strong>in</strong>d das Recht auf <strong>in</strong>formationelle Selbstbestimmung und das Recht auf körperliche Unver-<br />
sehrtheit grundsätzlich vergleichbar.<br />
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der M<strong>in</strong>derjährige e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>willigung ohne Zustim-<br />
mung der Eltern (nur) wirksam abgeben kann, wenn er <strong>in</strong> der Lage ist, sich e<strong>in</strong> eigenes Urteil<br />
über den Inhalt und den S<strong>in</strong>n der Datenweitergabe zu bilden und er verstanden hat, worum es<br />
bei der E<strong>in</strong>willigung an sich geht.<br />
9<br />
So im Ergebnis die wohl e<strong>in</strong>hellige Me<strong>in</strong>ung, vgl. Simitis/Dammann/Geiger/ Mallmann/Walz, § 4<br />
BDSG, Rn. 28, Bergmann/Möhrle/Herb, § 4 BDSG Rn. 28a, Palandt/ He<strong>in</strong>richs, vor § 104 BGB,<br />
Rn. 8, jeweils m.w.N.<br />
10<br />
Z.B. Palandt/He<strong>in</strong>richs, vor § 104 BGB Rn. 8.<br />
11<br />
NJW 1980, 646.
(a) Mitteilungen unter Ärzten<br />
- 12 -<br />
Auch Mitteilungen unter Ärzten s<strong>in</strong>d nur mit E<strong>in</strong>willigung des Patienten zulässig 12<br />
: die ärztli-<br />
che Schweigepflicht gilt auch unter Berufskollegen. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung sehen hier teilweise<br />
die ärztlichen Berufsordnungen 13<br />
vor. § 9 Abs. 4 Schleswig-Holste<strong>in</strong>ische Berufsordnung und<br />
ebenso die Musterberufsordnung bestimmt, dass „wenn mehrere Ärzte gleichzeitig oder nach-<br />
e<strong>in</strong>ander denselben Patienten untersuchen oder behandeln, (...) sie untere<strong>in</strong>ander von der<br />
Schweigepflicht <strong>in</strong>soweit befreit (s<strong>in</strong>d), als das E<strong>in</strong>verständnis des Patienten vorliegt oder<br />
anzunehmen ist“. Welche Voraussetzungen jedoch an die „Annahme“ geknüpft werden, be-<br />
darf der Erläuterung. Als Merkpunkt ist festzuhalten, dass das Übersenden e<strong>in</strong>er Patientenakte<br />
ebenso wie die Weitergabe e<strong>in</strong>zelner Daten an e<strong>in</strong>en mit- oder weiterbehandelnden Arzt dann<br />
e<strong>in</strong>e unzulässige Schweigepflichtverletzung im S<strong>in</strong>ne des § 203 StGB ist, wenn der Patient,<br />
obwohl dies möglich gewesen wäre, <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>beziehung des anderen Arztes nicht e<strong>in</strong>geweiht<br />
worden ist, oder wenn er ausdrücklich e<strong>in</strong>er solchen E<strong>in</strong>beziehung widersprochen hat. Wenn<br />
e<strong>in</strong> Patient bei dem mit- oder weiterbehandelnden Arzt ersche<strong>in</strong>t, um sich untersuchen oder<br />
behandeln zu lassen, so ist dieses Verhalten als konkludentes E<strong>in</strong>verständnis <strong>in</strong> die Übermitt-<br />
lung der Patientendaten zu werten.<br />
(b) Übersenden der Patientendaten an Privatärztliche Verrechnungsstellen (PVS)<br />
E<strong>in</strong>e gesetzliche Grundlage, die es erlauben würde, allgeme<strong>in</strong> personenbezogene Daten oder<br />
gar die Behandlungs- und Untersuchungsdaten an die Privatärztlichen Verrechnungsstellen zu<br />
übertragen, gibt es nicht. Hier<strong>in</strong> liegt e<strong>in</strong>e strafbare Geheimnispflichtverletzung, sofern nicht<br />
der Patient <strong>in</strong> die Datenübertragung e<strong>in</strong>gewilligt hat.<br />
E<strong>in</strong>e stillschweigende E<strong>in</strong>willigung genügt hier nicht den Anforderungen, und zwar auch dann<br />
nicht, wenn der Patient schon öfters <strong>in</strong> der Praxis gewesen ist und von der Abrechnung über<br />
die Privatärztlichen Verrechnungsstellen weiß, oder er entsprechende Rechnungen immer<br />
klaglos beglichen hat. Entgegen früher herrschender Ansicht hat der Bundesgerichtshof<br />
(BGH) <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Entscheidung vom 10.7.1991 14<br />
festgestellt, dass auch wenn die Existenz be-<br />
12<br />
13<br />
14<br />
Allgeme<strong>in</strong>e Ansicht, vgl. Schönke-Schröder-Lenckner, § 203 StGB Rn. 27<br />
Vgl. zum Beispiel die ärztliche Berufsordnung Schleswig-Holste<strong>in</strong>, dort § 9 Abs. 4.<br />
NJW 1991, 2955 ff
- 13 -<br />
rufsständischer Vere<strong>in</strong>igungen allgeme<strong>in</strong> bekannt sei, dies nicht bedeute, dass der Patient oh-<br />
ne weiteres damit rechnen müsse, dass se<strong>in</strong> Arzt e<strong>in</strong>e solche Stelle e<strong>in</strong>schaltet. Noch weniger<br />
gelte dies für gewerbliche Verrechnungsstellen 15<br />
. Die externe Abrechnung sei nicht allgeme<strong>in</strong><br />
üblich und entspreche nicht der Verkehrssitte 16<br />
.<br />
In der Folgezeit waren dann viele Praxen dazu übergegangen, im Wartezimmer Schilder auf-<br />
zuhängen, auf denen sich der H<strong>in</strong>weis auf die Abrechnung der ärztlichen Honorarforderungen<br />
durch die privatärztliche Verrechnungsstelle f<strong>in</strong>det. Auch dies reicht jedoch nicht: In Fortfüh-<br />
rung se<strong>in</strong>er bisherigen Rechtsprechung entschied der BGH, dass die Weitergabe von Patien-<br />
tendaten auch <strong>in</strong> diesem Fall von der ausdrücklichen Zustimmung abhänge, und zwar auch<br />
dann, wenn es sich um die Weitergabe der Daten an e<strong>in</strong>e berufsständische Vere<strong>in</strong>igung han-<br />
dele, die für sich genommen selbst der Schweigepflicht unterliegt 17<br />
: Der Patient hat sich nicht<br />
um den Verbleib se<strong>in</strong>er Daten zu kümmern, sondern ist über den Verbleib aufzuklären. Aus<br />
e<strong>in</strong>em fehlenden Widerspruch könne aus den gleichen Gründen auf e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>willigung gerade<br />
nicht geschlossen werden 18<br />
.<br />
Diese Rechtsprechung ist heute als gefestigt anzusehen. Gleichwohl s<strong>in</strong>d immer wieder Ver-<br />
stöße festzustellen und Patienten bekommen immer wieder ungefragt Rechnungen Privatärzt-<br />
licher Verrechnungsstellen 19<br />
.<br />
(c) Übermittlung an private Versicherungen<br />
Auch für die Fälle, <strong>in</strong> denen private Versicherungen Auskünfte bei Ärzten e<strong>in</strong>zuholen versu-<br />
chen, gibt es ke<strong>in</strong>e speziellen Übermittlungsvorschriften. Grundsätzlich ist seitens desjenigen,<br />
der anfragt, e<strong>in</strong>e schriftliche Erklärung über die Entb<strong>in</strong>dung von der Schweigepflicht vor-<br />
zulegen. Erst wenn diese vorliegt, darf die Auskunft erteilt werden. Zu beachten ist, dass auch<br />
hier nicht mehr Auskunft gegeben werden darf, als tatsächlich verlangt wird. Der Inhalt der<br />
Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dungserklärung ist strikt zu beachten. E<strong>in</strong>e Lebensversicherung darf<br />
sich beispielsweise nicht umfassend über den Gesundheitszustand des Versicherten <strong>in</strong>formie-<br />
15<br />
16<br />
17<br />
18<br />
BGH NJW 1991, 2955, 2956.<br />
BGH NJW 1991, 2955 (2957).<br />
BGH NJW 1993, 2371, 2372.<br />
OLG Düsseldorf NJW 1994, 2421, 2421.
en, sofern die Erklärung dies nicht hergibt.<br />
(d) Übertragung des gesamten Patientenkartei<br />
- 14 -<br />
Die Patientenkartei hat e<strong>in</strong>en enormen wirtschaftlichen Wert und spielt bei dem Verkauf von<br />
Arztpraxen e<strong>in</strong>e erhebliche Rolle. Auch im Rahmen des Praxisverkaufs darf die gesamte Pati-<br />
entenkartei nicht ohne das schriftlich erteilte E<strong>in</strong>verständnis aller Patienten übertragen wer-<br />
den. Ohne die entsprechende Aufklärung und E<strong>in</strong>willigung der Patienten verstößt die Übertra-<br />
gung auf den Rechtsnachfolger gegen ihr <strong>in</strong>formationelles Selbstbestimmungsrecht und die<br />
ärztliche Schweigepflicht 20<br />
. Dies gilt übrigens für andere „Geheimnisträger“ ebenso: Auch<br />
Rechtsanwälte haben ihre Mandanten vor der Kanzleiübertragung zu befragen 21<br />
.<br />
Im H<strong>in</strong>blick darauf, dass dies bei großen Praxen zu erheblichen Organisationsschwierigkeiten<br />
führen kann, weil zum Beispiel frühere Patienten den Wohnort gewechselt haben oder ver-<br />
storben s<strong>in</strong>d, sieht § 10 Abs. 4 BOÄ Schleswig-Holste<strong>in</strong> vor, dass die Patientenkartei auch<br />
<strong>in</strong> „gehörige Obhut“ gegeben werden kann. Nach dem zitierten Urteil des BGH ist dafür<br />
erforderlich, dass der die Praxis veräußernde Arzt entweder die Patientenkartei e<strong>in</strong>zeln <strong>in</strong> ver-<br />
schlossenen Umschlägen oder die Gesamtkartei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verschlossenen Aktenschrank über-<br />
gibt und den Schlüssel e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> der Praxis weiterarbeitenden Arzthelfer<strong>in</strong> anvertraut. Diese<br />
darf nur dann Zugriff auf die Daten nehmen, wenn sich der Patient zur erneuten Behandlung<br />
<strong>in</strong> die Praxis des nunmehrigen Nachfolgers begibt.<br />
(2) Erlöschen des E<strong>in</strong>verständnisses<br />
Das Problem beispielsweise der gegenüber Versicherungen erteilten E<strong>in</strong>willigungserklärungen<br />
besteht zumeist dar<strong>in</strong>, dass der Versicherungsnehmer sie zusammen mit dem Versicherungs-<br />
antrag unterzeichnet und sich nach e<strong>in</strong>er bestimmten Zeit hieran entweder überhaupt nicht<br />
mehr er<strong>in</strong>nern kann oder gar ke<strong>in</strong>en Gedanken mehr darauf verwendet, dass auf Grund dieser<br />
Erklärung se<strong>in</strong>e Versicherung Auskünfte auch noch 10 Jahre später e<strong>in</strong>holen kann.<br />
19<br />
20<br />
21<br />
Zum Beispiel 23. Tätigkeitsbericht des ULD Schleswig-Holste<strong>in</strong>, S. 65.<br />
BGH vom 11.12.1991, VIII ZR 4/91, S. 11/12.<br />
BGH NJW 1996, 1305 ff.
- 15 -<br />
Dem Rechtsgedanken der §§ 167 Abs. 1, 168 und § 170 BGB ist zu entnehmen, dass und wie<br />
diese e<strong>in</strong>seitigen Erklärungen widerruflich s<strong>in</strong>d. § 4a BDSG setzt die Widerruflichkeit der<br />
Erklärung voraus. Ähnlich wie der Widerruf der Vollmacht dazu führt, dass die Vertretungs-<br />
befugnis entfällt, kann auch e<strong>in</strong>e Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dungserklärung, die die e<strong>in</strong>e Stelle,<br />
zum Beispiel die Versicherung, ermächtigt, Auskünfte bei dem Arzt e<strong>in</strong>zuholen, widerrufen<br />
werden. Zweckmäßigerweise erfolgt der Widerruf nicht nur gegenüber dieser Stelle, sondern<br />
auch gegenüber dem behandelnden Arzt, da auch e<strong>in</strong>e gegenüber e<strong>in</strong>em Dritten geltende<br />
Rechtssche<strong>in</strong>svollmacht so lange <strong>in</strong> Kraft bleibt, bis dem Dritten gegenüber das Erlöschen<br />
angezeigt wird. Liegt die E<strong>in</strong>willigungserklärung schon lange zurück (z.B. 5 Jahre und län-<br />
ger), so sollte sich der Arzt im Zweifel durch Nachfrage beim Patienten vergewissern.<br />
(3) Schriftform des E<strong>in</strong>verständnisses<br />
Während das E<strong>in</strong>verständnis <strong>in</strong> die Geheimnisoffenbarung gemäß § 203 StGB nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />
schriftlich zu erteilen ist (s.o.), enthält das <strong>Datenschutz</strong>recht für E<strong>in</strong>willigungen e<strong>in</strong> Schrift-<br />
formerfordernis (§ 4a Abs. 1 S. 3 BDSG). Diese Vorschrift konkretisiert <strong>in</strong>sbesondere im Be-<br />
reich der Datenübertragung die strafrechtlichen E<strong>in</strong>willigungsnormen.<br />
Nach dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe 22<br />
s<strong>in</strong>d neben den Voraussetzungen des § 4a<br />
BDSG folgende Anforderungen an e<strong>in</strong>e wirksame Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dungserklärung zu<br />
stellen:<br />
- Der E<strong>in</strong>willigende muss e<strong>in</strong>e im Wesentlichen zutreffende Vorstellung davon haben,<br />
wor<strong>in</strong> er e<strong>in</strong>willigt.<br />
- Er muss die Bedeutung und Tragweite se<strong>in</strong>er Entscheidung überblicken.<br />
- Er muss wissen, aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Personen von<br />
ihrer Schweigepflicht entb<strong>in</strong>det (und so <strong>in</strong> die Preisgabe se<strong>in</strong>er Daten e<strong>in</strong>willigt).<br />
- Er muss darüber h<strong>in</strong>aus über die Art und den Umfang der E<strong>in</strong>schaltung Dritter unterrichtet<br />
werden 23<br />
.<br />
Die Unterzeichnung e<strong>in</strong>er Erklärung mit dem Inhalt, dass der Arzt zum Beispiel die Privat-<br />
ärztliche Verrechnungsstelle mit der Abwicklung der Patientenabrechnungen beauftragt habe,<br />
22<br />
NJW 1998, 831, 832.
- 16 -<br />
sich die Übertragung im aufgezeigten Rahmen bewege und die Rechnungen nur abgewickelt<br />
würden, genügt jedenfalls nicht 24<br />
. H<strong>in</strong>tergrund ist, dass auf Grund e<strong>in</strong>er solchen Formulierung<br />
nicht zweifelsfrei zu erkennen ist, dass die Forderungen zum Zwecke der E<strong>in</strong>ziehung (und<br />
damit auch zur klageweisen Geltendmachung) abgetreten worden werden. Der Begriff der<br />
„Abwicklung“ hat darüber h<strong>in</strong>aus ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>deutigen Inhalt, sondern bedeutet lediglich, dass<br />
der Arzt von der zeitraubenden und lästigen Arbeit der Rechnungstellung entlastet werden<br />
soll.<br />
bb) Offenbarungsbefugnis wegen e<strong>in</strong>er Pflicht zur Mitteilung<br />
Nun kann es auch se<strong>in</strong>, dass der Arzt verpflichtet ist, e<strong>in</strong> Patientengeheimnis zu offenbaren.<br />
Besteht e<strong>in</strong>e Pflicht zur Mitteilung, ist die Offenbarung nicht strafbar. Solche Pflichten f<strong>in</strong>den<br />
sich <strong>in</strong> verschiedenen Gesetzen, z.B. <strong>in</strong>:<br />
(1) § 138 Strafgesetzbuch (StGB)<br />
Die Nichtanzeige geplanter Straftaten, die im (abschließenden) Katalog des § 138 Abs. 1<br />
StGB genannt s<strong>in</strong>d, würde zu e<strong>in</strong>er Bestrafung des Arztes führen, wenn er zu e<strong>in</strong>er Zeit, zu<br />
der die Ausführung oder der Erfolg der Tat noch abgewendet werden kann, den Plan nicht<br />
bei e<strong>in</strong>er Behörde oder bei dem Bedrohten meldet. Aus § 139 Abs. 3 S. 2 StGB folgt, dass<br />
der Arzt nur Mord, Totschlag, Völkermord, erpresserischen Menschenraub, Geiselnahme,<br />
Angriff auf den Luftverkehr durch e<strong>in</strong>e terroristische Vere<strong>in</strong>igung (Straftaten gemäß<br />
§§ 211, 212, 220a Abs. 1 Nr. 1, 239a Abs. 1, 239b Abs. 1, 316c Abs. 1 oder 129a StGB)<br />
anzuzeigen verpflichtet ist.<br />
(2) Prozessuale Zeugnispflicht<br />
23<br />
24<br />
Aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) und aus § 53 Abs. 1 Nr. 3 Strafpro-<br />
zessordnung (StPO) folgt, dass dem Arzt grundsätzlich ke<strong>in</strong>e Pflicht obliegt, vor Gericht<br />
Zeugnis abzulegen. Ihm steht e<strong>in</strong> Zeugnisverweigerungsrecht zu. Etwas anderes gilt, wenn<br />
der Arzt von se<strong>in</strong>em Patienten von der Schweigepflicht entbunden worden ist. Dann näm-<br />
Vgl. dazu BGH NJW 1992, 2348, 2350.<br />
BGH NJW 1992, 2348 , 2350.
- 17 -<br />
lich ist der Arzt verpflichtet, die geforderten Auskünfte zu erteilen. In diesem Fall darf er<br />
das Zeugnis nicht verweigern.<br />
(3) Mitteilungspflichten nach dem InfektionsschutzG<br />
Nach dem Infektionsschutzgesetz gibt es e<strong>in</strong>ige namentlich und e<strong>in</strong>ige anonym zu mel-<br />
dende übertragbare Krankheiten, die dem Schutz der Allgeme<strong>in</strong>heit vor der Krankheit die-<br />
nen. Hier ist bei den e<strong>in</strong>zelnen Mitteilungspflichten genau zu differenzieren und gegebe-<br />
nenfalls e<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong>s Gesetz zu werfen.<br />
(4) Mitteilungspflichten nach landesrechtlichen Bestattungs- und Krebsregistergesetzen<br />
Die landesrechtlichen Bestattungsgesetze enthalten Auskunftspflichten gegenüber dem<br />
Leichenschauarzt. Die Krebsregistergesetze verpflichten zur Meldung von Krebskrank-<br />
heiten gegenüber dem jeweiligen Landeskrebsregister (so z.B. §§ 4 ff Krebsregistergesetz<br />
Schleswig-Holste<strong>in</strong>).<br />
(5) Sozialrechtliche Sonderregelungen<br />
Die Sozialgesetzbücher (SGB) be<strong>in</strong>halten Sonderregelungen für die Leistungsträger und<br />
Leistungserbr<strong>in</strong>ger der gesetzlichen Versicherungen. Da es sich um besondere Daten-<br />
schutzvorschriften handelt, sollen diese unten bei den speziellen <strong>Datenschutz</strong>rechten be-<br />
handelt werden.<br />
2. Die Rechtsfolgen<br />
Von der Strafbarkeit der Schweigepflichtverletzung e<strong>in</strong>mal abgesehen hat e<strong>in</strong> Verstoß gegen<br />
§ 203 StGB auch zivilrechtliche Auswirkungen. § 203 StGB ist e<strong>in</strong> so genanntes Verbotsge-<br />
setz im S<strong>in</strong>ne von § 134 BGB. Das bedeutet, dass bereits der Verstoß gegen den objektiven<br />
Tatbestand des § 203 Abs. 1 StGB die Nichtigkeit, also die anfängliche Unwirksamkeit des<br />
Vertrages gemäß § 134 BGB zur Folge hat. Im H<strong>in</strong>blick auf die Datenübertragung zum Zwek-
- 18 -<br />
ke der Abrechnung folgt hieraus, dass nicht nur der Vertrag über die Abrechnung unwirksam<br />
ist, sondern auch die Übergabe der Patientendaten als Erfüllungsgeschäft 25<br />
. Für die privat-<br />
ärztliche Abrechnung über entsprechende Verrechnungsstellen bedeutet dies zum Beispiel,<br />
dass die unter Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht erworbene Forderung unwirksam<br />
ist und folglich seitens der Verrechnungsstellen gegenüber dem Privatpatienten gerichtlich<br />
nicht mehr durchgesetzt werden kann. Das wiederum hat zur Folge, dass die Rechnung ge-<br />
genüber der Privatärztlichen Verrechnungsstelle unter Umständen nicht bezahlt werden<br />
muss 26<br />
. Etwas anderes gilt, wenn dieselbe Forderung direkt von dem Arzt geltend gemacht<br />
wird. Die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht kann auch Auswirkungen auf die Verjäh-<br />
rung haben, z.B. wenn die Privatärztliche Verrechnungsstelle e<strong>in</strong>e Forderung gegenüber dem<br />
Patienten geltend macht, ohne wegen § 134 BGB Forderungs<strong>in</strong>haber<strong>in</strong> zu se<strong>in</strong>: die Verjährung<br />
wird nur unterbrochen, wenn die Forderung von dem „richtigen“ Forderungs<strong>in</strong>haber geltend<br />
gemacht wird.<br />
Ähnlich sieht die Rechtsfolge bei der Übertragung der gesamten Praxis aus: Unter Umständen<br />
ist nicht nur die Übertragung der Patientenkartei, sondern der gesamte Praxisübergabever-<br />
trag nichtig und damit von Anfang an unwirksam 27<br />
.<br />
<strong>Datenschutz</strong>rechtlich führt die fehlende E<strong>in</strong>willigung <strong>in</strong> die Datenübermittlung zur Unzuläs-<br />
sigkeit der Datenerhebung und der weiteren Nutzung z.B. durch Übermittlung. Die gespei-<br />
cherten Daten s<strong>in</strong>d gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG unverzüglich zu löschen.<br />
3. Rechtfertigungsgründe<br />
E<strong>in</strong> Arzt, der unzulässig e<strong>in</strong> Patientengeheimnis offenbart, macht sich nicht strafbar, wenn so<br />
genannte Rechtfertigungsgründe vorliegen. Rechtfertigungsgründe schließen den Tatbestand<br />
der Offenbarung grundsätzlich nicht aus, können aber e<strong>in</strong>e an sich strafbare Handlung recht-<br />
fertigen.<br />
25<br />
26<br />
27<br />
BGH NJW 1996, 773, 774.<br />
OLG Karlsruhe NJW 1998, 831, 832.<br />
BGH vom 11.12.1991, VIII ZR 4/91, S. 11/12.
a) Mutmaßliche E<strong>in</strong>willigung<br />
- 19 -<br />
Die mutmaßliche E<strong>in</strong>willigung ist e<strong>in</strong> solcher Rechtfertigungsgrund. Sie hat vor allem nach<br />
dem Tod des Patienten erhebliche Bedeutung. So zum Beispiel möchten die Angehörigen<br />
e<strong>in</strong>es Verstorbenen wissen, ob e<strong>in</strong>e ansteckende Erkrankung vorgelegen hat. Oder die Le-<br />
bensversicherung möchte wissen, ob der bei ihr versicherte verstorbene Patient e<strong>in</strong>em Suizid-<br />
versuch zum Opfer gefallen ist, da dies zum Leistungsausschluss führen kann. In diesen Fällen<br />
kann von dem mutmaßlichen E<strong>in</strong>verständnis des Patienten ausgegangen werden, da anzuneh-<br />
men ist, dass der Verstorbene se<strong>in</strong>e Angehörigen vor e<strong>in</strong>er ansteckenden Erkrankung bewah-<br />
ren möchte bzw. die Auszahlung der Lebensversicherung zum Vorteil se<strong>in</strong>er Angehörigen<br />
nicht verh<strong>in</strong>dern möchte. Etwas anderes ist anzunehmen, wenn der gegenteilige Wille entwe-<br />
der dem Arzt bekannt, sonst dokumentiert oder aus anderen Umständen heraus anzunehmen<br />
ist.<br />
Die mutmaßliche E<strong>in</strong>willigung hat auch dort Bedeutung, wo der Patient vorübergehend „nicht<br />
erreicht“ werden kann, sei es, dass er nach e<strong>in</strong>em Unfall so erhebliche Verletzungen davon<br />
getragen hat, dass er nicht ansprechbar ist, oder dass er vorübergehend bewusstlos ist. In<br />
solchen Fällen können die Angehörigen unterrichtet werden. Entscheidend ist jedoch, dass der<br />
Arzt feststellt, dass die Offenbarung im mutmaßlichen Interesse des Patienten liegt und e<strong>in</strong><br />
entgegenstehender Wille nicht bekannt oder anzunehmen ist.<br />
b) Rechtfertigender Notstand gemäß § 34 StGB<br />
Der rechtfertigende Notstand ist ebenfalls e<strong>in</strong> anerkannter Rechtfertigungsgrund zum Schutz<br />
bedrohter, vom Recht anerkannter Interessen. Der Anwendungsbereich ist sehr eng und vom<br />
Gesetzgeber auf die <strong>in</strong> § 34 StGB genannten Rechtsgüter beschränkt. Danach ist durch e<strong>in</strong>en<br />
rechtfertigenden Notstand e<strong>in</strong>e Geheimnisoffenbarung nur zur Abwendung ernstlicher Gefah-<br />
ren für Leib oder Leben oder ähnlich gewichtiger Rechtsgüter gerechtfertigt.<br />
E<strong>in</strong> Beispiel ist der alkoholisierte Berufskraftfahrer, der sich <strong>in</strong> ärztliche Behandlung begibt<br />
und mit den Worten verabschiedet, er werde sich jetzt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Truck setzen und se<strong>in</strong>e Fahrt<br />
fortsetzen. In e<strong>in</strong>em solchen Fall, <strong>in</strong> dem Personen, ohne dass diese genau bestimmt werden<br />
müssten, durch die Trunkenheit des Fahrers akute Gefahr droht, kann der Arzt, ohne e<strong>in</strong>e Be-
- 20 -<br />
strafung fürchten zu müssen, die geeigneten Maßnahmen e<strong>in</strong>leiten. Generell gilt, dass er zu-<br />
nächst von sich aus versuchen muss, den Betrunkenen von der weiteren Fahrt abzuhalten.<br />
Verspricht dies oder br<strong>in</strong>gt dies aber nicht den nötigen Erfolg, kann auch die Meldung bei der<br />
Polizei gerechtfertigt se<strong>in</strong>.<br />
Auf § 34 StGB können bspw. auch Mitteilungen über aus Geisteskrankheiten sich ergeben-<br />
den Gefahren mit dem Ziel der Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> psychiatrischen Krankenhäusern (nach dem<br />
Psychisch-Krankengesetz - PsychKG) gestützt werden. Die e<strong>in</strong>schlägigen speziellen Gesetze<br />
sehen derartige Übermittlungen der behandelnden Ärzte regelmäßig nicht vor.
- 21 -<br />
III. Die Anwendung des <strong>Datenschutz</strong>rechts<br />
1. Das Recht auf <strong>in</strong>formationelle Selbstbestimmung<br />
Seit dem Volkszählungsurteil des BVerfG 28<br />
ist geklärt, dass der E<strong>in</strong>zelne das Recht hat,<br />
grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und <strong>in</strong>nerhalb welcher Grenzen er persönliche Le-<br />
benssachverhalte offenbaren will und welche persönlichen Daten weitergegeben und verwen-<br />
det werden. Auch bei Krankheitsdiagnosen handelt es sich um höchstpersönliche und sensible<br />
Daten des Erkrankten 29<br />
, die dem Recht auf „<strong>in</strong>formationelle Selbstbestimmung“ unterliegen,<br />
das Teil des Allgeme<strong>in</strong>en Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG<br />
ist. Für e<strong>in</strong>e zulässige und damit rechtmäßige Datenerhebung ist e<strong>in</strong>e klare Ermächtigungs-<br />
grundlage erforderlich, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Datenerhebung<br />
für jeden e<strong>in</strong>zelnen Bürger deutlich ergeben. Die geforderten Angaben müssen für den mit der<br />
Speicherung verbundenen Zweck geeignet und erforderlich se<strong>in</strong> 30<br />
. Die Daten dürfen nicht<br />
zweckentfremdet werden und s<strong>in</strong>d nach e<strong>in</strong>er näher zu bestimmenden Zeit zu löschen.<br />
2. Datenerhebung <strong>in</strong> der ärztlichen Praxis<br />
Für die Datenerhebung <strong>in</strong> der ärztlichen Praxis s<strong>in</strong>d die berufsständischen Bestimmungen zur<br />
Aufklärungs-, Schweige- und Informationspflicht sowie der 3. Abschnitt des Bundesdaten-<br />
schutzgesetzes maßgebend. Diese Vorschriften s<strong>in</strong>d mit dem zuvor genannten § 203 StGB eng<br />
verzahnt.<br />
Nicht nur die jeweilige Behandlung 31<br />
bedarf der ausdrücklichen E<strong>in</strong>willigung des Patienten,<br />
sondern grundsätzlich auch die Datenerhebung. Ziel ist es, den E<strong>in</strong>zelnen davor zu schützen,<br />
dass er durch den Umgang mit se<strong>in</strong>en personenbezogenen Daten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Persönlichkeits-<br />
recht bee<strong>in</strong>trächtigt wird (§ 1 Abs. 1 BDSG). Personenbezogene Daten s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>zelangaben<br />
über persönliche oder sachliche Verhältnisse e<strong>in</strong>er bestimmten oder bestimmbaren natürlichen<br />
28<br />
29<br />
30<br />
31<br />
BVerfG NJW 1984, 419 ff.<br />
Vgl. zuletzt BVerfG NJW 2001, 883 (884).<br />
BVerfG NJW 1984, 419 (422).<br />
E<strong>in</strong>e ohne E<strong>in</strong>willigung des Patienten (§ 228 StGB) vorgenommene Behandlung würde e<strong>in</strong>e rechtswidrige<br />
Körperverletzung gemäß § 223 StGB darstellen, gegebenenfalls sogar e<strong>in</strong>e gefährliche Körperverletzung<br />
gemäß § 224 StGB!
- 22 -<br />
Person (§ 3 Abs. 1 BDSG). Diese natürliche Person wird vom Gesetz als „Betroffener“ be-<br />
zeichnet und soll im Folgenden mit dem Begriff „Patient“ gleichgesetzt werden.<br />
Arztpraxen s<strong>in</strong>d nichtöffentliche Stellen im S<strong>in</strong>ne des § 2 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz<br />
(BDSG), für die die §§ 27 ff BDSG sowie die Sondernorm des § 39 BDSG gelten. Ferner f<strong>in</strong>-<br />
den die allgeme<strong>in</strong>en Vorschriften der §§ 1 bis 11 BDSG Anwendung. Spezielle Regelungen<br />
f<strong>in</strong>den sich im Sozialgesetzbuch (SGB), <strong>in</strong>sbesondere im SGB V zur gesetzlichen Kranken-<br />
versicherung.<br />
In der <strong>Arztpraxis</strong> werden die Patientendaten regelmäßig <strong>in</strong> papierener Form auf Karteikarten<br />
zusammengestellt. Dieses erfüllt bereits den Tatbestand der Datenspeicherung. Die elektroni-<br />
sche Patientenkartei unterscheidet sich <strong>in</strong>sofern rechtlich nicht.<br />
Das Karteikartensystem <strong>in</strong> der <strong>Arztpraxis</strong> erfüllt e<strong>in</strong>en doppelten Zweck: Zum E<strong>in</strong>en dient die<br />
Karteikarte der ärztlichen Dokumentation und ist somit Teil der von den ärztlichen Berufs-<br />
ordnungen geforderten Dokumentationspflicht (Aufbewahrungs- und Sicherungspflicht: 10<br />
Jahre, § 10 Abs. 3 BOÄ Schleswig-Holste<strong>in</strong>). Zum Anderen dienen die Ausführungen auf den<br />
Karteikarten aber auch der Abrechnung mit den Krankenkassen bzw. mit den Privatpatienten<br />
direkt. Das Anlegen der Karteikarten über e<strong>in</strong>en Patienten bedarf aus diesen Gründen ke<strong>in</strong>er<br />
besonderen E<strong>in</strong>willigung des Patienten. Das Speichern der Daten ist für die Erfüllung der ei-<br />
genen Geschäftszwecke erforderlich und bewegt sich im Rahmen der Zweckbestimmung des<br />
Vertragsverhältnisses mit dem Patienten (§ 28 Abs. 1 BDSG). Schon hieraus folgt, dass die<br />
Daten vor dem Zugriff unbefugter Dritter sicher zu verwahren s<strong>in</strong>d. Hätten Unbefugte Zugriff,<br />
würde sich diese Datenverarbeitung nicht mehr im Rahmen des Vertragsverhältnisses bewe-<br />
gen.<br />
§ 5 BDSG beschreibt die Schweigepflicht bei der Datenverarbeitung durch hiermit beschäf-<br />
tigte Personen als Datengeheimnis: Hiernach ist es den bei der Datenverarbeitung beschäf-<br />
tigten Personen untersagt, personenbezogene Daten unbefugt zu erheben, zu verarbeiten oder<br />
zu nutzen. Diese Personen s<strong>in</strong>d bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit auf das Datengeheimnis zu<br />
verpflichten. Das Datengeheimnis besteht auch nach der Beendigung ihrer Tätigkeit fort.
- 23 -<br />
3. Datenübermittlungen aus der ärztlichen Praxis<br />
Datenübermittlungen aus der ärztlichen Praxis an andere Stellen erfolgen aus unterschiedli-<br />
chen Gründen und auf vielfältige Weise: Da gibt es den Laborarzt, der Laborbefunde an ande-<br />
re Ärzte „durchtelefoniert“; Daten werden an Privatärztliche Verrechnungsstellen zum Zwek-<br />
ke der Abrechnung übertragen; Ärzte <strong>in</strong>formieren sich gegenseitig zum Zweck der Abstim-<br />
mung der Behandlung, so <strong>in</strong>sbesondere Hausärzte und Fachärzte, Krankenhäuser werden <strong>in</strong>-<br />
formiert oder Ärzte rufen Apotheker an, um mit ihnen Medikationen e<strong>in</strong>es Patienten zu be-<br />
sprechen. Jede dieser Datenübermittlungen bedarf e<strong>in</strong>er Legitimation. Dies kann e<strong>in</strong>e gesetz-<br />
liche Ermächtigungsgrundlage se<strong>in</strong> oder die E<strong>in</strong>willigungserklärung des Patienten.<br />
Im Bereich der Sozialgesetzbücher ist jedoch zu beachten, dass § 67d Abs. 1 SGB X e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>willigung ohne e<strong>in</strong>e entsprechende Ermächtigungsgrundlage im Sozialgesetzbuch nicht<br />
ermöglicht: Die „Datenflussregelungen“ der Sozialgesetzbücher haben im vertragsärztlichen<br />
Bereich <strong>in</strong>soweit abschließenden Charakter.<br />
a) Regelungen der BOÄ Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Die BOÄ Schleswig-Holste<strong>in</strong> regelt <strong>in</strong> § 9 die ärztliche Schweigepflicht, das „Patientenge-<br />
heimnis“. Die Regelung sieht <strong>in</strong> Abs. 4 vor, dass wenn mehrere Ärzte gleichzeitig oder nach-<br />
e<strong>in</strong>ander denselben Patienten untersuchen oder behandeln, sie von der Schweigepflicht <strong>in</strong>so-<br />
weit befreit s<strong>in</strong>d, als das E<strong>in</strong>verständnis des Patienten vorliegt oder anzunehmen ist. Im Rah-<br />
men e<strong>in</strong>er solchen Vor- und Nachbehandlung des Patienten wird das Vorliegen dessen<br />
mutmaßlichen E<strong>in</strong>verständnisses <strong>in</strong> die Datenübermittlung regelmäßig anzunehmen se<strong>in</strong>,<br />
wenn sich der Patient tatsächlich <strong>in</strong> die Weiterbehandlung begibt.<br />
b) Regelungen im vertragsärztlichen Bereich<br />
Im Gegensatz dazu sieht das 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für den vertragsärztlichen<br />
Bereich e<strong>in</strong>e etwas strengere Verfahrensweise vor.
- 24 -<br />
aa) Hausarzt erhebt Daten bei anderen Ärzten<br />
E<strong>in</strong> Hausarzt darf mit schriftlicher E<strong>in</strong>willigung des Versicherten bei anderen behandelnden<br />
Ärzten die se<strong>in</strong>en Patienten betreffenden Behandlungsdaten und Befunde zum Zwecke der<br />
Dokumentation und der weiteren Behandlung erheben (§ 73 Abs. 1b S. 1 SGB V). Wichtig ist,<br />
dass die Datenweitergabe nur mit schriftlicher E<strong>in</strong>willigung des Patienten, die freiwillig ist<br />
und jederzeit widerrufen werden kann, zulässig ist.<br />
bb) Facharzt übermittelt Daten an Hausarzt<br />
Bei e<strong>in</strong>er Überweisung von e<strong>in</strong>em Hausarzt zu e<strong>in</strong>em Facharzt wird es nach Abschluss der<br />
fachärztlichen Behandlung regelmäßig zu e<strong>in</strong>er Rücküberweisung zum Hausarzt kommen. In<br />
diesem Fall ist der Facharzt verpflichtet, die Behandlungs- und Befunddaten zum Zwecke der<br />
bei dem Hausarzt weiterzuführenden Dokumentation und der weiteren Behandlung zu über-<br />
mitteln (§ 73 Abs. 1b S. 2 SGB V). Auch hierfür wird das Vorliegen e<strong>in</strong>er schriftlichen E<strong>in</strong>-<br />
willigung des Patienten verlangt. Andersherum ist der Datenfluss für die jeweiligen Lei-<br />
stungszwecke nach der 2. Alt. dieser Vorschrift ebenfalls möglich, sodass der Hausarzt die<br />
Patientendaten an den Facharzt übermitteln darf.<br />
cc) Hausarzt alt übermittelt die Daten an Hausarzt neu<br />
Für den Fall der Übermittlung von Patientendaten an den weiterbehandelnden Hausarzt im<br />
Falle e<strong>in</strong>es Hausarztwechsels bestimmt § 73 Abs. 1b S. 5 SGB V, dass der bisherige Hausarzt<br />
verpflichtet ist, dem neuen Hausarzt die bei ihm über den Versicherten gespeicherten Unterla-<br />
gen mit E<strong>in</strong>verständnis des Patienten vollständig zu übermitteln. Der neue Hausarzt darf die<br />
<strong>in</strong> diesen Unterlagen enthaltenen personenbezogenen Daten erheben (2. Halbsatz). Gemäß<br />
§ 4a Abs. 3 BDSG wäre an sich hier e<strong>in</strong>e schriftliche E<strong>in</strong>willigung nötig. Da jedoch die Re-<br />
gelung explizit das E<strong>in</strong>verständnis, <strong>in</strong> welcher Form auch immer, des Patienten ausreichend<br />
se<strong>in</strong> lässt, wird das BDSG als gegenüber der besonderen Datenübermittlungsbefugnis <strong>in</strong>ner-<br />
halb des SGB V subsidiäre Gesetz zurücktreten müssen. Regelmäßig wird der alte Hausarzt <strong>in</strong><br />
diesen Fällen der Datenübermittlung e<strong>in</strong>e Kopie se<strong>in</strong>er Daten anfertigen, da e<strong>in</strong>e Herausgabe<br />
des Orig<strong>in</strong>aldatenbestandes der eigenen Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht nach den<br />
ärztlichen Berufsordnungen widersprechen würde.
- 25 -<br />
dd) Ärzte übermitteln Daten untere<strong>in</strong>ander im Rahmen <strong>in</strong>tegrierter Versorgung<br />
In den §§ 140 a ff SGB V s<strong>in</strong>d Verträge zu <strong>in</strong>tegrierten Versorgungsformen, also z.B. Praxis-<br />
netzen, vorgesehen. Die Teilnahme der Versicherten an den <strong>in</strong>tegrierten Versorgungsformen<br />
ist freiwillig (§ 140 a Abs. 2 S. 1 SGB V). Nach § 140 b Abs. 3 S. 3 SGB V müssen die Ver-<br />
tragspartner e<strong>in</strong>e ausreichende Dokumentation sicherstellen, die allen an der <strong>in</strong>tegrierten Ver-<br />
sorgung Beteiligten im jeweils erforderlichen Umfang zugänglich ist. E<strong>in</strong> behandelnder Lei-<br />
stungserbr<strong>in</strong>ger darf aus der geme<strong>in</strong>samen Dokumentation nach § 140 b Abs. 3 SGB V die<br />
den Versicherten betreffenden Behandlungsdaten und Befunde nur dann abrufen, wenn der<br />
Versicherte ihm gegenüber se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>willigung erteilt hat, die Information für den konkret<br />
anstehenden Behandlungsfall genutzt werden soll und der Leistungserbr<strong>in</strong>ger zu dem Perso-<br />
nenkreis gehört, der nach § 203 StGB zur Geheimhaltung verpflichtet ist (§ 140 a Abs. 2 S. 2<br />
SGB V).<br />
Die <strong>Datenschutz</strong>beauftragten des Bundes und der Länder haben <strong>in</strong> ersten Diskussionen zu<br />
Praxisnetzvorhaben grundsätzlich Zweifel geäußert, ob die Voraussetzungen überhaupt ku-<br />
mulativ e<strong>in</strong>gehalten werden können. Bedenken bestehen <strong>in</strong>sbesondere gegen e<strong>in</strong>e zentrale<br />
Datenerhebung bei anderen als den Hausärzten. H<strong>in</strong>tergrund ist zum E<strong>in</strong>en, dass im Haus-<br />
arztmodell e<strong>in</strong>e zentrale Datenhaltung <strong>in</strong> § 73 Abs. 1b SGB V eben beim Hausarzt vorgesehen<br />
ist. Die Vorteile der Netzlösung außerhalb dieser Variante s<strong>in</strong>d im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>en unter<br />
Umständen fehlenden Beschlagnahmeschutz nach dem Strafprozessrecht und das fehlende<br />
Zeugnisverweigerungsrecht jedenfalls nicht unmittelbar ersichtlich. Darüber h<strong>in</strong>aus wäre e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>zele<strong>in</strong>willigung e<strong>in</strong>es Patienten <strong>in</strong> die konkrete Datenspeicherung <strong>in</strong> der geme<strong>in</strong>samen<br />
Dokumentation erforderlich. Damit zu verb<strong>in</strong>den wäre auch e<strong>in</strong>e Entscheidung über die Zu-<br />
griffsberechtigung. Es müsste sichergestellt se<strong>in</strong>, dass besonders vertrauliche Informationen<br />
beispielsweise aus der psychiatrischen Behandlung dem Praxisnetz nicht zur Verfügung ste-<br />
hen. Darüber h<strong>in</strong>aus muss festgestellt werden können, wer für welche Daten verantwortlich<br />
ist. Diese müssen unverfälschlich se<strong>in</strong>. Nach Abschluss der Behandlung dürften die Patien-<br />
tendaten nicht e<strong>in</strong>em beliebigen Zugriff zur Verfügung stehen. Die E<strong>in</strong>willigung <strong>in</strong> die Daten-<br />
nutzung dürfte und kann auch nicht pauschal erteilt werden. Sie muss gemäß § 4a Abs. 1<br />
BDSG freiwillig, zweckgebunden und jederzeit widerruflich se<strong>in</strong>. Es muss sichergestellt wer-<br />
den, dass der Patient selbst jederzeit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e gesamten Unterlagen E<strong>in</strong>sicht nehmen kann. Die<br />
Daten müssen verschlüsselt gespeichert werden; die Verschlüsselung hat umso besser zu er-
- 26 -<br />
folgen, je weiter die Daten ärztliche Bereiche verlassen und je mehr Zugriffsmöglichkeiten es<br />
gibt. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.<br />
c) Das Verhältnis von § 73 Abs. 1b SGB V zu § 9 Abs. 4 BOÄ<br />
Über das Verhältnis dieser beiden doch sehr unterschiedlichen Regelungen gibt es e<strong>in</strong>e Dis-<br />
kussion mit teilweise sehr unterschiedlichen Ansätzen. Diese reichen von dem Vorschlag,<br />
den § 73 Abs. 1b SGB V nur im Hausarztmodell und nur bei e<strong>in</strong>er angestrebten zentralen Do-<br />
kumentation anzuwenden, bis dazu, den § 73 Abs. 1b SGB V als abschließende Sonderrege-<br />
lung allen anderen Normen vorzuziehen.<br />
Der Bundesbeauftragte für den <strong>Datenschutz</strong> hat sich zur Klärung dieser Auslegungsprobleme<br />
unmittelbar an das Bundesgesundheitsm<strong>in</strong>isterium gewandt und von dort zur Antwort be-<br />
kommen, dass die Regelungen über die schriftliche E<strong>in</strong>willigung des Patienten <strong>in</strong> die Daten-<br />
übermittlung nach § 73 Abs. 1b SGB V die Dokumentationsbefungnis des vom Patienten ge-<br />
wählten Hausarztes bei Behandlung durch andere Leistungserbr<strong>in</strong>ger stärken soll. Die<br />
Regelung gilt daher nur, wenn der Hausarzt die Behandlung e<strong>in</strong>es Patienten an e<strong>in</strong>en anderen<br />
Arzt abgibt, die Diagnose also selbst nicht mehr stellt oder aber die Diagnose stellt und den<br />
Patienten nicht weiterbehandeln kann. Die Regelung soll aber nicht den Fall der eigenen Be-<br />
handlung des Patienten durch den Hausarzt betreffen, der zum Beispiel zum Zwecke der Be-<br />
handlung und Diagnose durch den Hausarzt e<strong>in</strong>en anderen Leistungserbr<strong>in</strong>ger als Dienstleister<br />
e<strong>in</strong>schaltet, zum Beispiel e<strong>in</strong>en Radiologen oder e<strong>in</strong> Labor. In diesen Fällen gilt die ärztliche<br />
Berufsordnung: Bei der Mit- und Folgebehandlung ist im Rahmen der Erforderlichkeit von<br />
der Mutmaßlichkeit der E<strong>in</strong>willigung auszugehen.<br />
d) Probleme bei der praktischen Umsetzung<br />
Es ist im Praxisalltag oft schwierig, für den e<strong>in</strong>zelnen Fall festzustellen, ob denn nun das<br />
Schriftformerfordernis gegeben ist oder nicht. Anzuregen wäre e<strong>in</strong>e Art „Generalvollmacht“,<br />
also e<strong>in</strong>e schriftliche E<strong>in</strong>willigungserklärung bei dem erstmaligen Erheben, Verarbeiten oder<br />
Nutzen von Daten e<strong>in</strong>zuführen, sodass alle relevanten Fälle der Datenweitergabe an mitbe-<br />
handelnde Ärzte mitumfasst werden. Voraussetzung ist aber, dass dem Patienten zum<strong>in</strong>dest<br />
mündlich vor der Datenweitergabe mitgeteilt wird, welche Ärzte e<strong>in</strong>geschaltet werden sollen
- 27 -<br />
und dass dies <strong>in</strong> der Patientenakte dokumentiert wird.<br />
e) Datenübermittlung an Krankenkassen<br />
Es kommt relativ häufig vor, dass Krankenkassen sich an niedergelassene Ärzte wenden, um<br />
Auskünfte über e<strong>in</strong>zelne Patienten zu erhalten. Die H<strong>in</strong>tergründe s<strong>in</strong>d so vielschichtig wie die<br />
Patienten selbst. In den Sozialgesetzbüchern ist genau geregelt, welche Informationen Kran-<br />
kenkassen und andere Sozialleistungsträger über die bei ihnen Versicherten erhalten dürfen.<br />
Damit e<strong>in</strong>zelne Patientendaten grundsätzlich nicht an die Krankenkassen gelangen, ist zum<br />
Zwecke der Abrechnung zwischen Ärzten und Patienten auf der e<strong>in</strong>en und den Krankenkassen<br />
auf der anderen Seite die Kassen(zahn)ärztliche Vere<strong>in</strong>igung geschaltet.<br />
Es s<strong>in</strong>d aber besondere Fälle denkbar, <strong>in</strong> denen die Krankenkasse ärztliche Informationen über<br />
ihren Versicherten benötigt. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn e<strong>in</strong> Patient bei se<strong>in</strong>er Kran-<br />
kenkasse die Bewilligung e<strong>in</strong>er Haushaltshilfe beantragt.<br />
aa) Ermächtigungsgrundlage<br />
Nach § 100 Abs. 1 SBG X ist der Arzt verpflichtet, der Krankenkasse oder sonstigen Lei-<br />
stungsträgern im E<strong>in</strong>zelfall auf Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit es für die Durchfüh-<br />
rung von deren Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich und entweder gesetzlich<br />
zugelassen ist oder der Betroffene im E<strong>in</strong>zelfall e<strong>in</strong>gewilligt hat.<br />
Der Begriff der Durchführung von Aufgaben ist vielschichtig. So kann zum Beispiel im Rah-<br />
men der Gewährung von Krankengeld nach § 284 Abs. 1 Nr. 4 SGB V die Leistungspflicht<br />
überprüft werden ebenso wie die Notwendigkeit der Gestellung e<strong>in</strong>er Haushaltshilfe. Erfor-<br />
derlich ist die Datenerhebung dem Rechtsgedanken des § 67a SGB X nach immer dann, wenn<br />
anders die konkrete und unmittelbar anstehende Aufgabe der Prüfung der Leistungspflicht<br />
nicht oder nicht sachgerecht erfüllt werden kann 32<br />
.<br />
32<br />
KK-Scholz, § 67a SGB X Rn. 13.
) Umfang der Auskunftspflicht<br />
- 28 -<br />
Die Auskunft ist nicht vom Arzt aus eigenem Antrieb, sondern nur auf Grund des ausdrückli-<br />
chen Auskunftsverlangens e<strong>in</strong>es Sozialleistungsträgers zu erteilen. Sie muss sich also auf ei-<br />
nen konkret benannten E<strong>in</strong>zelfall beziehen und deutlich machen, zu welchem Zweck die Aus-<br />
kunft benötigt wird 33<br />
. Nur auf Grund e<strong>in</strong>es konkretisierten Auskunftsverlangens ist der Arzt<br />
auch <strong>in</strong> der Lage, den notwendigen Inhalt und Umfang der Auskunft festzustellen. E<strong>in</strong><br />
entsprechender Fragebogen der Krankenkasse darf also nur dazu dienen, festzustellen, ob die<br />
konkrete Leistungspflicht der Krankenkasse (noch) besteht. Zu übermitteln s<strong>in</strong>d mith<strong>in</strong> nur<br />
diejenigen Sozialdaten, die die Krankenkasse zu dieser Feststellung benötigt.<br />
f) Übermittlung an die kassen(zahn)ärztlichen Vere<strong>in</strong>igungen<br />
Zu den Aufgaben der kassen(zahn)ärztlichen Vere<strong>in</strong>igungen (K(Z)Ven) gehört es, Abrech-<br />
nungen durch so genannte „Plausibilitätskontrollen“ e<strong>in</strong>zelner Ärzte auf Rechtmäßigkeit zu<br />
überprüfen (§ 83 Abs. 2 SGB V). E<strong>in</strong>e Abrechnung ist rechtmäßig, wenn sie sachlich und<br />
rechnerisch richtig ist. Zweck der Norm ist es, Abrechnungsmanipulationen zu verh<strong>in</strong>dern 34<br />
.<br />
Die K(Z)Ven haben Abrechnungsfehler jeder Art durch Überprüfung der Schlüssigkeit der<br />
vertragsärztlichen Abrechnung aufzuspüren 35<br />
.<br />
aa) Voraussetzungen<br />
Gegenstand der sachlich-rechnerischen Überprüfung ist mith<strong>in</strong> die Anwendung und Ausle-<br />
gung der Gebührenregelungen. Die K(Z)Ven dürfen die Abrechnung des (Zahn-)Arztes über-<br />
prüfen, wenn zu e<strong>in</strong>em auffälligen, „unplausiblen“ Abrechnungsverhalten besondere Um-<br />
stände h<strong>in</strong>zukommen, die e<strong>in</strong>e nicht ordnungsgemäße Abrechnung nahe legen 36<br />
. Diese Vor-<br />
aussetzungen s<strong>in</strong>d regelmäßig dann gegeben, wenn e<strong>in</strong>e Änderung der Gebührennummer auf<br />
Grund grundlegender Änderung der Gebührenordnung erfolgte oder Leistungen neu aufge-<br />
nommen wurden. Sie können sich aber auch aus der Erstellung von Tagesprofilen ergeben.<br />
Ergibt die Prüfung e<strong>in</strong>e Unrichtigkeit, so können als Ergebnis der Prüfung Honorarkürzungen<br />
33<br />
34<br />
35<br />
KK-Scholz, § 67a SGB X Rn. 4.<br />
SG Hamburg, MedR 1998, 187 (189) unter H<strong>in</strong>weis auf das Gesetzgebungsverfahren m.w.N.<br />
SG Hamburg a.a.O.
vorgenommen werden.<br />
bb) Rechtsfolgen<br />
- 29 -<br />
Gemäß § 295 Abs. 1a SGB V haben die Vertragsärzte den K(Z)Ven zur Erfüllung ihrer Auf-<br />
gaben und auf deren Verlangen die für die Prüfung erforderlichen Befunde vorzulegen.<br />
Zum früheren § 368 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung, der e<strong>in</strong>e ähnliche Verpflichtung<br />
vorsah, hatte das Bundessozialgericht bereits 1982 entschieden, dass das Fehlen e<strong>in</strong>er<br />
Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dungserklärung des Patienten <strong>in</strong> diese Datenübermittlung nicht zu e<strong>in</strong>er<br />
Kollision mit der sozialversicherungsrechtlichen Informationspflicht führt 37<br />
: Der Gesetzgeber<br />
habe vielmehr das Problem erkannt und e<strong>in</strong>e Interessenabwägung zu Gunsten der Erfordernis-<br />
se der K(Z)Ven vorgenommen, die letztlich dem Interesse der Versichertengeme<strong>in</strong>schaft<br />
diene. Die gesetzliche Offenbarungsbefugnis erstrecke sich <strong>in</strong>sbesondere auch auf die Heraus-<br />
gabe von Befunden.<br />
Das Recht auf <strong>in</strong>formationelle Selbstbestimmung des E<strong>in</strong>zelnen erfordert jedoch die strikte<br />
Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der den Umfang der Offenbarungsbefugnis<br />
beschränkt: Die Offenbarung ist nur <strong>in</strong> dem Umfange zulässig, soweit sie zur Überprüfung der<br />
Abrechnung auch erforderlich ist. Vorzulegen und zu offenbaren s<strong>in</strong>d mith<strong>in</strong> nur die prü-<br />
fungsrelevanten Befunde, die die K(Z)Ven ausdrücklich verlangt haben 38<br />
. Angaben aus nicht<br />
geprüften Quartalen oder gelegentlich der Behandlung gemachte Feststellungen s<strong>in</strong>d für die<br />
Abrechnung nicht prüfungsrelevant, sodass die Unterlagen hierüber auch nicht vorgelegt wer-<br />
den dürfen.<br />
g) Datenübermittlungen an den mediz<strong>in</strong>ischen Dienst der Krankenkassen (MDK)<br />
Der MDK als „Nachfolger“ des Vertrauensärztlichen Dienstes hat gemäß § 275 SGB V die<br />
Aufgabe, <strong>in</strong> den <strong>in</strong> Abs. 1 bis 4 genannten Fällen gutachterlich und beratend tätig zu werden.<br />
36<br />
37<br />
38<br />
SG Hamburg a.a.O.<br />
BSG 6 Rka 10/82, S.15.<br />
SG München vom 22.9.1988, S 33 Ka 381/88 Z, BSG vom 20.3.1996, 6 Bka 1/96 jeweils m.w.N.
aa) Voraussetzungen<br />
- 30 -<br />
Der MDK wird nicht selbstständig tätig, sondern ausschließlich auf Veranlassung der<br />
Krankenkassen. In den <strong>in</strong> den Abs. 1-2 genannten Fällen ist die E<strong>in</strong>schaltung des MDK obli-<br />
gatorisch, <strong>in</strong> den <strong>in</strong> Abs. 3-4 genannten Fällen können bzw. sollen die Krankenkassen oder<br />
ihre Verbände ihn h<strong>in</strong>zuziehen. Der MDK erstellt regelmäßig e<strong>in</strong>e gutachterliche Stellung-<br />
nahme zu der von der Krankenkasse im E<strong>in</strong>zelfall vorgegebenen Frage.<br />
bb) Rechtsfolgen<br />
Ist der Gesundheitszustand e<strong>in</strong>es Versicherten, Art und Umfang der Behandlungsbedürftigkeit<br />
oder die Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit bestimmter Leistungen zu beurteilen, so erhebt<br />
der MDK die erforderlichen Befunde, soweit dies für die Prüfungen, Beratungen und gut-<br />
achterlichen Stellungnahmen nach § 275 SGB V erforderlich ist. Die Ärzte haben hier gemäß<br />
§ 276 Abs. 2 SGB V auf Anforderung des MDK die Sozialdaten unmittelbar an den MDK zu<br />
übermitteln. Maßgebend ist auch hier, dass nur solche Befunde übermittelt werden, die für die<br />
gutachterliche Stellungnahme erforderlich s<strong>in</strong>d. H<strong>in</strong>sichtlich des Umfanges gilt das oben im<br />
Bereich der Datenübermittlung an die K(Z)Ven Gesagte entsprechend.<br />
IV. Dokumentation und E<strong>in</strong>sicht<br />
Die ärztlichen Berufsordnungen sehen e<strong>in</strong>e Dokumentationspflicht der Ärzte vor, <strong>in</strong> Schles-<br />
wig-Holste<strong>in</strong> ist § 10 BOÄ maßgebend. Die Dokumentation geschieht herkömmlicherweise<br />
auf Karteikarten und dient dem Arzt nicht nur als Gedächtnisstütze, sondern auch als Nach-<br />
weis darüber, welche Tätigkeiten er ausgeführt hat. Dem Patienten dient sie darüber h<strong>in</strong>aus<br />
zur Information.<br />
Die Karteikarten s<strong>in</strong>d Urkunden und dienen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eventuellen Kunstfehlerprozess als Be-<br />
weismittel. Die Dokumentation hat alle objektiven Sachverhalte zu be<strong>in</strong>halten, wie zum Bei-<br />
spiel therapeutische Maßnahmen, Rezeptverschreibungen, Laborwerte, Feststellungen zur<br />
Krankengeschichte, Diagnosen wie Verdachtsdiagnosen. Nicht dokumentationspflichtig und<br />
regelmäßig auch nicht dokumentationswürdig s<strong>in</strong>d subjektive Bewertungen, also persönliche
- 31 -<br />
Beurteilungen, die den Arzt an Eigenschaften oder Bemerkungen des Patienten er<strong>in</strong>nern sol-<br />
len. Doch auch solche Angaben können sich <strong>in</strong> der Patientenakte bef<strong>in</strong>den.<br />
1. Allgeme<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sichtsrechte<br />
Das E<strong>in</strong>sichtsrecht des Patienten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Krankenunterlagen ist – auch wenn es zunächst e<strong>in</strong>e<br />
andere Rechtsprechung gab 39<br />
- <strong>in</strong>zwischen schon lange anerkannt. Die Pflicht zur E<strong>in</strong>sichtsge-<br />
währung auf Antrag des Patienten wird als dessen Nebenrecht zum Behandlungsvertrag<br />
angesehen. Dieser Anspruch ist aber auch begründet aus dem Recht auf Selbstbestimmung<br />
und auf personale Würde 40<br />
gemäß Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG. Ärztliche Kran-<br />
kenunterlagen mit ihren Angaben über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen<br />
betreffen den Patienten unmittelbar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Privatsphäre. Außerdem sieht das Standesrecht<br />
<strong>in</strong> den ärztlichen Berufsordnungen vor, dass dem Patienten auf Verlangen E<strong>in</strong>sicht zu gewäh-<br />
ren ist. In Schleswig-Holste<strong>in</strong> ist § 10 Abs. 2 BOÄ maßgebend.<br />
Zudem hat e<strong>in</strong> Betroffener gemäß § 34 BDSG Anspruch auf Auskunft über die zu se<strong>in</strong>er<br />
Person gespeicherten Daten, die Empfänger, an die die Daten weitergegeben worden s<strong>in</strong>d so-<br />
wie den Zweck der Speicherung. Der Anspruch ist generell unentgeltlich (§ 34 Abs. 5 S. 1<br />
BDSG).<br />
Die Patientenkarteikarte muss also nicht nur für den Arzt, sondern auch für den jeweiligen<br />
Patienten zugänglich se<strong>in</strong>. Der Patient hat grundsätzlich auch außerhalb e<strong>in</strong>es Rechtsstreites<br />
e<strong>in</strong> une<strong>in</strong>geschränktes E<strong>in</strong>sichtsrecht gegenüber Arzt und Krankenhaus <strong>in</strong> die ihn betreffenden<br />
Krankenunterlagen, soweit sie Aufzeichnungen über objektive physische Befunde und Be-<br />
richte über Behandlungsunterlagen wie Medikation und Operationen betreffen 41<br />
. Das E<strong>in</strong>-<br />
sichtsrecht kann sich <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen aber auch auf den sensiblen Bereich nicht objektivierter<br />
Befunde erstrecken 42<br />
: Dieses E<strong>in</strong>sichtsrecht <strong>in</strong> subjektive Daten wie Aufzeichnungen und<br />
Anmerkungen des Arztes bedarf auf Grund schützenswerter Interessen des Arztes, des Pati-<br />
enten oder Dritter e<strong>in</strong>er Abwägung. Liegt die E<strong>in</strong>willigung desjenigen, dessen Interessen be-<br />
39<br />
40<br />
41<br />
42<br />
BGHZ 106, 146 (151).<br />
BVerfG NJW 1999, 1777, 1777.<br />
Seit BGH NJW1983, 328 f. ständige Rechtsprechung.<br />
BGHZ 106, 146, 151.
- 32 -<br />
troffen s<strong>in</strong>d, vor, so ist die E<strong>in</strong>sicht zu erteilen. Da subjektive Bewertungen grundsätzlich<br />
nicht dokumentationspflichtig s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong>sofern auch nicht <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>sichtsan-<br />
spruch besteht, sollte jeweils im E<strong>in</strong>zelfall geprüft werden, ob auf solche Anmerkungen <strong>in</strong> der<br />
Akte verzichtet werden kann.<br />
a) E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die Orig<strong>in</strong>alunterlagen<br />
Der Patient kann vom Arzt verlangen, E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die Orig<strong>in</strong>alunterlagen zu nehmen. Der Arzt<br />
hat die E<strong>in</strong>sichtnahme durch den Patienten zu dulden. Aus diesem E<strong>in</strong>sichtsrecht des Patien-<br />
ten wird dessen Befugnis hergeleitet, Abschriften und entsprechend dem heutigen Stand der<br />
Technik Fotokopien der Unterlagen zu fertigen 43<br />
. Der Arzt h<strong>in</strong>gegen ist nicht berechtigt, die<br />
E<strong>in</strong>sichtnahme <strong>in</strong> die Orig<strong>in</strong>alakte durch die Vorlage von Kopien abzuwenden, da anderen-<br />
falls das Kontrollelement des § 810 BGB (Urkundene<strong>in</strong>sicht im Fall e<strong>in</strong>es rechtlichen Interes-<br />
ses) unterlaufen würde. Es kann aber vere<strong>in</strong>bart werden, dass der Arzt nur Fotokopien aus-<br />
händigt. § 10 Abs. 2 S. 2 BOÄ Schleswig-Holste<strong>in</strong> sieht vor, dass dem Patienten auf dessen<br />
Verlangen Kopien gegen Erstattung der Kosten herauszugeben s<strong>in</strong>d.<br />
b) E<strong>in</strong>sichtnahme <strong>in</strong> der <strong>Arztpraxis</strong><br />
Die Vorlage der Akte hat an dem Ort zu erfolgen, wo sie sich bef<strong>in</strong>det, mith<strong>in</strong> regelmäßig<br />
beim Arzt (entsprechend § 811 BGB). E<strong>in</strong> Anspruch auf Zusendung von Kopien oder gar auf<br />
Zusendung der Orig<strong>in</strong>alunterlagen besteht grundsätzlich nicht 44<br />
. Im E<strong>in</strong>zelfall kann jedoch<br />
etwas anderes gelten 45<br />
. In e<strong>in</strong>em entschiedenen Fall befand das OLG München, dass das be-<br />
handelnde Krankenhaus die Orig<strong>in</strong>al-Röntgenakten herauszugeben habe und begründete dies<br />
zum E<strong>in</strong>en damit, dass die Behandlung abgeschlossen sei und die Aufnahmen zum<strong>in</strong>dest zur-<br />
zeit nicht benötigt würden, zum Anderen damit, dass es sich um 82 Röntgenaufnahmen han-<br />
delte, die e<strong>in</strong>e nicht unerhebliche Zeit zur E<strong>in</strong>sichtnahme <strong>in</strong> Anspruch nehmen würden. Dem<br />
Kläger wurde daher das Recht e<strong>in</strong>geräumt, die Vorlage der Röntgenaufnahmen zur E<strong>in</strong>sicht-<br />
nahme bei se<strong>in</strong>em Rechtsanwalt zu verlangen.<br />
43<br />
44<br />
45<br />
Gehrle<strong>in</strong>, NJW 2001, 2773, 2773.<br />
Vgl. zuletzt LG Dortmund NJW 2001, 2806, 2806; auch OLG München NJW 2001, 2806, 2806.<br />
OLG München NJW 2001, 2806, 2807.
- 33 -<br />
Wenn sich <strong>in</strong> den begehrten Unterlagen noch H<strong>in</strong>weise auf Berichte und Auskünfte über<br />
Dritte bef<strong>in</strong>den, gilt diesen Dritten gegenüber allerd<strong>in</strong>gs ebenfalls die ärztliche Schweige-<br />
pflicht. Diese Drittbetroffenen s<strong>in</strong>d um e<strong>in</strong>e schriftliche E<strong>in</strong>willigung <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>sichtnahme<br />
und damit um ihre Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dungserklärung zu ersuchen, soweit die Angaben für<br />
den E<strong>in</strong>sichtsbegehrenden e<strong>in</strong> „Geheimnis“ s<strong>in</strong>d. Wird die Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dung nicht<br />
erklärt, so müssen diese Unterlagen aus der Krankenakte bei der E<strong>in</strong>sichtnahme entfernt wer-<br />
den oder aber bei der Fertigung der Kopien ausgelassen werden. Entsprechendes gilt h<strong>in</strong>sicht-<br />
lich persönlicher Anmerkungen oder Bewertungen des behandelnden Arztes.<br />
2. Besonderheiten der E<strong>in</strong>sichtnahme <strong>in</strong> psychiatrische Behandlungsunterlagen<br />
Besonderheiten gelten <strong>in</strong> Bezug auf psychiatrische Behandlungsunterlagen. Dort kommt der<br />
Entscheidung des Arztes, ob e<strong>in</strong>e Aushändigung der Krankenunterlagen an den Patienten me-<br />
diz<strong>in</strong>isch verantwortbar ist, besonderes Gewicht zu 46<br />
. Allerd<strong>in</strong>gs darf der Arzt auch nach e<strong>in</strong>er<br />
psychiatrischen Behandlung die Herausgabe der Krankenunterlagen nicht pauschal unter<br />
H<strong>in</strong>weis auf ärztliche Bedenken verweigern. Er hat die entgegenstehenden therapeutischen<br />
Gründe vielmehr nach Art und Richtung näher zu kennzeichnen, allerd<strong>in</strong>gs ohne die Ver-<br />
pflichtung, dabei <strong>in</strong>s Detail zu gehen 47<br />
.<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf die schon dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes wur-<br />
den Kriterien herausgearbeitet, wie auch im psychiatrischen Bereich, <strong>in</strong> dem den subjektiven<br />
Berichten erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen ist, das E<strong>in</strong>sichtsrecht gestaltet werden kann,<br />
ohne leer zu laufen: Danach ist stets e<strong>in</strong>e Abwägung im E<strong>in</strong>zelfall unter Berücksichtigung der<br />
konkreten Umstände zu treffen, und zwar auch h<strong>in</strong>sichtlich der nicht objektivierten Befunde<br />
e<strong>in</strong>er psychiatrischen Behandlung: Der Arzt hat sich bei se<strong>in</strong>er Entscheidung, ob er die E<strong>in</strong>-<br />
sichtnahme auch <strong>in</strong> die subjektiven Aufzeichnungen gewährt, e<strong>in</strong>erseits an den aus dem Per-<br />
sönlichkeitsrecht abgeleiteten Anspruch des Patienten auf Wissen um die Diagnose und die<br />
Behandlung, andererseits aber auch an mediz<strong>in</strong>isch begründeten Patientenschutz<strong>in</strong>teressen zu<br />
orientieren. Solche Schutz<strong>in</strong>teressen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere gegeben, wenn <strong>in</strong>folge der E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong><br />
46<br />
47<br />
BVerfG NJW 1999, 1777, 1777 m.w.N.<br />
BVerfG NJW 1999, 1777, 1777 m.w.N.
- 34 -<br />
die gesamte Behandlungsakte e<strong>in</strong>e Selbstgefährdung des Patienten droht. Darüber h<strong>in</strong>aus hat<br />
der Arzt bei se<strong>in</strong>er Entscheidung Interessen Dritter zu berücksichtigen, die <strong>in</strong> die Behandlung<br />
e<strong>in</strong>bezogen worden s<strong>in</strong>d. Er kann aber auch eigene Interessen an der Erhaltung der therapeuti-<br />
schen Handlungsfähigkeit mit berücksichtigen. Bei noch nicht abgeschlossener Behandlung<br />
kann e<strong>in</strong>e Verweigerung eher begründet werden als <strong>in</strong> den Fällen, <strong>in</strong> denen die Behandlung<br />
bereits seit Jahren beendet oder abgebrochen ist. Ist e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sichtnahme aus mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Gründen nur <strong>in</strong> Anwesenheit des behandelnden oder e<strong>in</strong>es anderen Arztes vertretbar, so muss<br />
vor e<strong>in</strong>er Verweigerung von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden.<br />
Sollte der Arzt aus Gründen des Patientenschutzes oder des eigenen Schutzes die E<strong>in</strong>sicht<br />
verweigern wollen, sollte er prüfen, ob er sich mit dem Patienten auf e<strong>in</strong>e Gewährung der E<strong>in</strong>-<br />
sicht an e<strong>in</strong>e neutrale Person, die das Vertrauen des Patienten genießt, e<strong>in</strong>igen kann. Not-<br />
falls können e<strong>in</strong>zelne Teile der Behandlungsdokumentation vor der E<strong>in</strong>sichtnahme des Pati-<br />
enten <strong>in</strong> den verbleibenden Teil entfernt werden.<br />
V. Aufbewahrungsfristen und -pflichten<br />
Die Aufbewahrungsfristen folgen ebenfalls aus den ärztlichen Berufsordnungen. So sieht § 10<br />
Abs. 3 BOÄ Schleswig-Holste<strong>in</strong> vor, dass ärztliche Aufzeichnungen für die Dauer von 10<br />
Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren s<strong>in</strong>d, sofern nicht nach anderen Vor-<br />
schriften e<strong>in</strong>e längere Aufbewahrungsfrist vorgesehen ist. Für Patientenakten im Krankenhaus<br />
lautet die Empfehlung der Ärztekammer zum Beispiel, die Krankenunterlagen 30 Jahre auf-<br />
zubewahren, Letzteres wohl auch im H<strong>in</strong>blick auf den Ablauf der längsten Verjährungsfrist<br />
im Schadensersatzrecht nach 30 Jahren (§ 852 Abs. 1, 2. Alt. BGB).<br />
Nicht ganz e<strong>in</strong>deutig ist, was unter dem Begriff des „Behandlungsabschlusses“ zu verstehen<br />
ist. Geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong> kann damit der Abschluss e<strong>in</strong>er konkreten Behandlung. Dies hätte zur Folge,<br />
dass aus e<strong>in</strong>er Patientenkartei e<strong>in</strong>zelne Behandlungsabschnitte nach dem Ablauf der Doku-<br />
mentationspflicht gelöscht werden können. Ist e<strong>in</strong> Patient seit 30 Jahren bei demselben Zahn-<br />
arzt <strong>in</strong> Behandlung, so könnten die Angaben, die länger als 10 Jahre zurückliegen, aus der<br />
Patientenkartei herausgelöscht werden. Bei e<strong>in</strong>er weiten Auslegung des Begriffs des Behand-<br />
lungsabschlusses könnte die Dokumentation vernichtet werden, wenn e<strong>in</strong> Patient sich über 10<br />
Jahre h<strong>in</strong>aus von dem e<strong>in</strong>en Arzt nicht (mehr) hat behandeln lassen. Erst nach Ablauf dieser
- 35 -<br />
Frist würden dann alle Daten vernichtet werden. Diese zweitgenannte Auslegung hat den Vor-<br />
zug, dass im H<strong>in</strong>blick auf künftige Behandlungen u.U. länger als 10 Jahre zurück liegende<br />
Informationen benötigt werden und diese dann auch verfügbar s<strong>in</strong>d. Es s<strong>in</strong>d Fälle denkbar, <strong>in</strong><br />
denen Aufzeichnungen aus dem K<strong>in</strong>desalter gebraucht werden, um e<strong>in</strong> Problem im Erwachse-<br />
nenalter erfolgreich zu lösen. Und solange sich der Patient immer wieder <strong>in</strong> die Behandlung<br />
desselben Arztes begibt, rechnet er auch damit, dass se<strong>in</strong>e Daten kont<strong>in</strong>uierlich vorhanden<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Ist e<strong>in</strong>e akute Erkrankung erkennbar geheilt, sodass e<strong>in</strong>e Aufbewahrung der Unterlagen über<br />
die 10 Jahre h<strong>in</strong>aus aus mediz<strong>in</strong>ischen Gründen ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n macht, so ist aber auch nichts<br />
dagegen e<strong>in</strong>zuwenden, dass dieser Teil der Patientenakte schon nach 10 Jahren vernichtet<br />
wird, obwohl der Patient sich bei dem Arzt weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> Behandlung bef<strong>in</strong>det.<br />
Dass die Dokumentationspflicht endet, bedeutet nicht, dass die Möglichkeit bzw. das Recht<br />
des Arztes zur Aufbewahrung der Akten endet. § 35 Abs. 2 Nr. 3 BDSG sieht vor, dass<br />
Daten, die für eigene Zwecke verarbeitet wurden, zu löschen s<strong>in</strong>d, sobald ihre Kenntnis für<br />
die Erfüllung des Zweckes der Speicherung nicht mehr erforderlich s<strong>in</strong>d. Das Ende der Do-<br />
kumentationspflicht <strong>in</strong> § 10 Abs. 3 BOÄ <strong>in</strong>diziert üblicherweise die Erfüllung des Zweckes,<br />
sodass der Patient die Löschung verlangen kann. Es s<strong>in</strong>d jedoch auch Fälle denkbar, <strong>in</strong> denen<br />
es aus mediz<strong>in</strong>ischen Gründen s<strong>in</strong>nvoll ist, die Akten länger aufzubewahren, z.B. im Falle<br />
von Erbkrankheiten. Dann können die Patientenakten länger aufbewahrt werden, weil die<br />
Zweckerfüllung entgegen § 35 Abs. 2 Nr. 3 BDSG und entgegen der ärztlichen Berufsordnung<br />
gerade nicht e<strong>in</strong>getreten ist.<br />
Die Akten s<strong>in</strong>d sicher und <strong>in</strong> „gehöriger Obhut“ aufzubewahren. Der E<strong>in</strong>zelne ist davor zu<br />
schützen, dass er durch den Umgang mit se<strong>in</strong>en personenbezogenen Daten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Persön-<br />
lichkeitsrecht bee<strong>in</strong>trächtigt wird; die ärztliche Schweigepflicht (s.o.) verpflichtet zur Ge-<br />
heimhaltung der Patientendaten.<br />
Stehen Akten zur Vernichtung an, so s<strong>in</strong>d sie unlesbar zu machen. Elektronische Daten s<strong>in</strong>d<br />
zu löschen.
VI. Die Praxis-EDV<br />
- 36 -<br />
Mehr und mehr werden die papierenen Karteikarten durch Bits und Bytes ersetzt. Mit der E<strong>in</strong>-<br />
führung der Krankenversichertenkarte und dem dadurch erleichterten elektronischen Daten-<br />
austausch zwischen Ärzten und kassenärztlichen Versorgungssystemen erhielt die Informati-<br />
onstechnik den entscheidenden Rückenw<strong>in</strong>d für den E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die Arztpraxen. Die ärztliche<br />
Schweigepflicht stellt hohe Anforderungen an die Ausgestaltung der e<strong>in</strong>gesetzten Technik.<br />
Das Recht auf <strong>in</strong>formationelle Selbstbestimmung erfordert im H<strong>in</strong>blick auf die Sensibilität der<br />
Daten e<strong>in</strong>e ganz besonders konsequente Umsetzung.<br />
Im Laufe der Zeit haben sich Kriterien 48<br />
herausgebildet, denen beim EDV-E<strong>in</strong>satz im medizi-<br />
nischen System höchste Bedeutung zukommt. Gleichwohl gibt es <strong>in</strong> den Rechtsvorschriften<br />
nur sehr allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen: § 10 Abs. 5 BOÄ Schleswig-Holste<strong>in</strong> z.B. ver-<br />
langt, dass „Aufzeichnungen auf elektronischen Datenträgern oder anderen Speichermedien<br />
besonderer Sicherungs- und Schutzmaßnahmen bedürfen, um deren Veränderung, Vernich-<br />
tung oder unrechtmäßige Verwendung zu verh<strong>in</strong>dern.“ Folgende Kriterien müssen vorliegen:<br />
- Die Daten, die der Schweigepflicht unterliegen, s<strong>in</strong>d vor unbefugter Preisgabe zu schützen<br />
(Gebot der Diskretion).<br />
- Die Daten s<strong>in</strong>d unversehrt zu halten, da ihre Verletzung zu schädlichen Folgen beim Pati-<br />
enten führen kann (Gebot der Integrität).<br />
- Es ist sicherzustellen, dass die Daten tatsächlich von der Stelle stammen, der das Vertrau-<br />
en entgegengebracht wird (Gebot der Authentizität).<br />
Die Daten müssen zeitgerecht für e<strong>in</strong>e Nutzung zur Verfügung stehen und revisionsfähig<br />
se<strong>in</strong>. Es muss jederzeit feststellbar se<strong>in</strong>, wer wann welche Daten verarbeitet hat. Ganz allge-<br />
me<strong>in</strong> gilt das Transparenzpr<strong>in</strong>zip. Die Verfahrensweise bei der Verarbeitung personenbezo-<br />
gener Daten muss vollständig, aktuell und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise dokumentiert se<strong>in</strong>, sodass sie <strong>in</strong> zu-<br />
mutbarer Zeit nachvollzogen werden kann.<br />
48<br />
Nachzulesen bei Garstka, ZaeFQ 1999, 781 (782).
- 37 -<br />
Wird die ärztliche Dokumentation auf papierenen Karteikarten geführt, so bestehen bzgl. der<br />
Nachprüfbarkeit der ärztlichen Aufzeichnung ke<strong>in</strong>e gravierenden Probleme: Schriftliche Ori-<br />
g<strong>in</strong>al-Urkunden haben e<strong>in</strong>en hohen Beweiswert, weil spätere Änderungen und Ergänzungen<br />
relativ leicht erkennbar s<strong>in</strong>d. Bei elektronischen Datenträgern ist das anders: H<strong>in</strong>zufügen,<br />
korrigieren, löschen – ohne besondere Vorkehrung ist nahezu jede Veränderung an e<strong>in</strong>er Datei<br />
möglich, ohne dass dies nachvollzogen werden kann.<br />
Beim E<strong>in</strong>satz von Praxis-EDV muss unterschieden werden, ob diese nur als Hilfsmittel ge-<br />
nutzt wird, oder ob über diese der ärztlichen Dokumentationspflicht nachgekommen werden<br />
soll. Werden sämtliche dokumentationspflichtigen Daten ausgedruckt und zur konventionel-<br />
len Patientenakte gegeben, so besteht e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerer elektronischer Sicherungsaufwand, als<br />
wenn die Behandlungsdaten ausschließlich elektronisch verfügbar gehalten werden.<br />
Die sich auf e<strong>in</strong>em Praxisrechner bef<strong>in</strong>dlichen Daten müssen regelmäßig gesichert werden,<br />
zum Beispiel durch e<strong>in</strong>e tägliche Sicherungskopie auf Diskette oder Band. Diese Disketten<br />
oder Bänder s<strong>in</strong>d sicher, am besten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tresor zu verwahren. Außer dieser Datensiche-<br />
rung, für die e<strong>in</strong>e technische Schnittstelle nötig ist, muss allerd<strong>in</strong>gs verh<strong>in</strong>dert werden, dass<br />
Patientendaten unbefugt auf e<strong>in</strong>en Datenträger wie zum Beispiel e<strong>in</strong>e Diskette gezogen wer-<br />
den. Daher sollten <strong>in</strong> den Programmen Schnittstellen generell gesperrt werden.<br />
Wird die Praxis-EDV zu Dokumentationszwecken genutzt, so muss die elektronische Praxis-<br />
software e<strong>in</strong>en Schutz vor nachträglicher Veränderung enthalten. Daten dürfen nicht uner-<br />
kannt h<strong>in</strong>zufügt, korrigiert oder gelöscht werden können. Die Hersteller von Praxissoftware<br />
haben mittlerweile Archivierungsprogramme entwickelt, die dafür sorgen, dass die archivier-<br />
ten Daten nur noch gelesen, aber nicht mehr verändert werden können. Solche Programme<br />
genügen jedoch nur dann der ärztlichen Dokumentationspflicht, wenn die Daten auch noch 10<br />
Jahre nach Abschluss der Behandlung lesbar s<strong>in</strong>d und auch das Überschreiben e<strong>in</strong>mal erfass-<br />
ter Daten ausgeschlossen ist. Außerdem müssen die Daten reaktiviert werden können, wenn<br />
der Fristlauf durch e<strong>in</strong>e erneute Behandlung unterbrochen wird.<br />
Patientendaten sollten nur verschlüsselt auf der Festplatte abgelegt werden und erst bei e<strong>in</strong>em<br />
berechtigten Zugriff (automatisch) entschlüsselt werden können, damit z.B. e<strong>in</strong> Diebstahl des<br />
ganzen Computers (also der Hardware) oder e<strong>in</strong> unbefugtes E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> das Computersy-
- 38 -<br />
stem nicht auch noch zu e<strong>in</strong>er Offenbarung der Patientendaten führt.<br />
In vielen Arztpraxen s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e ausreichenden EDV-Kenntnisse vorhanden, die es ermög-<br />
lichten, dass sämtliche Wartungsarbeiten selbst erledigt werden. Auch bei kle<strong>in</strong>eren Unre-<br />
gelmäßigkeiten oder Fehlern muss oft auf externe Techniker zurückgegriffen werden. Wenn<br />
bei den Wartungsarbeiten e<strong>in</strong> Zugriff auf das System erforderlich wird, ist es oft nicht auszu-<br />
schließen, dass die Techniker auch Zugriff auf die Patientendaten nehmen oder dass sie sich<br />
diesen Zugriff problemlos verschaffen können. Dies würde e<strong>in</strong>en Verstoß gegen die ärztliche<br />
Schweigepflicht darstellen, weil damit berufliche Geheimnisse „offenbart“ würden. Dies lässt<br />
sich durch technisch-organisatorische Maßnahmen vermeiden, z.B. durch e<strong>in</strong> Mitverfolgen<br />
der Wartungstätigkeit durch e<strong>in</strong>en Mitarbeiter der <strong>Arztpraxis</strong> oder dadurch, dass die Patien-<br />
tendaten <strong>in</strong> verschlüsselter Form gespeichert s<strong>in</strong>d und dem Wartungspersonal ke<strong>in</strong>e Ent-<br />
schlüsselungsmöglichkeit zur Verfügung steht.<br />
VII. Der/die betriebliche <strong>Datenschutz</strong>beauftragte<br />
Gemäß § 4f Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) haben nichtöffentliche Stellen, die personen-<br />
bezogene Daten automatisiert erheben, verarbeiten oder nutzen, unter bestimmten Vorausset-<br />
zungen die Pflicht, e<strong>in</strong>en betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten zu bestellen. Dieser muss<br />
gemäß § 4g BDSG auf die E<strong>in</strong>haltung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Vorschrif-<br />
ten über den <strong>Datenschutz</strong> h<strong>in</strong>wirken. Ärztliche Praxen s<strong>in</strong>d nichtöffentliche Stellen im S<strong>in</strong>ne<br />
des BDSG. Das bedeutet, dass jede ärztliche Praxis, die Patientendaten automatisiert, sprich<br />
per Computer verarbeitet, e<strong>in</strong>en <strong>Datenschutz</strong>beauftragten bestellen muss, sofern die Voraus-<br />
setzungen des § 4f BDSG vorliegen.<br />
1. Voraussetzungen der Bestellung<br />
§ 4f Abs. 1 BDSG regelt die Voraussetzungen zur Bestellung e<strong>in</strong>es betrieblichen Daten-<br />
schutzbeauftragten. Folgende Alternativen des § 4f Abs. 1 BDSG, die zu e<strong>in</strong>er Bestellung<br />
verpflichten, kommen <strong>in</strong> der ärztlichen Praxis <strong>in</strong> Betracht:<br />
- M<strong>in</strong>destens 5 Arbeitnehmer s<strong>in</strong>d ständig mit der automatisierten Verarbeitung perso-<br />
nenbezogener Daten beschäftigt (§ 4f Abs. 1 S. 4 BDSG), oder
- 39 -<br />
- m<strong>in</strong>destens 20 Arbeitnehmer verarbeiten auf andere Art und Weise personenbezogene<br />
Daten (§ 4f Abs. 1 S. 3 BDSG).<br />
Der betriebliche <strong>Datenschutz</strong>beauftragte ist spätestens <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Monats nach Aufnahme<br />
der personenbezogenen Datenverarbeitung schriftlich zu bestellen (§ 4 f Abs. 1 S. 1, 2<br />
BDSG). Gemäß § 4f Abs. 2 BDSG darf zum Beauftragten für den <strong>Datenschutz</strong> nur bestellt<br />
werden, wer die zur Erfüllung se<strong>in</strong>er Aufgaben erforderliche Fachkunde und Zuverlässig-<br />
keit besitzt.<br />
2. Die Bestellung<br />
Zur Aufgabenerfüllung s<strong>in</strong>d dem betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten gemäß § 4f Abs. 5<br />
BDSG von der <strong>Arztpraxis</strong> u.a. Geräte und Mittel und auch ausreichend Zeit zur Verfügung zu<br />
stellen. Er untersteht direkt der Praxisleitung gemäß § 4f Abs. 3 S. 1, 2 BDSG und ist bei An-<br />
wendung se<strong>in</strong>er Fachkunde auf dem Gebiet des <strong>Datenschutz</strong>es nicht an Weisungen gebun-<br />
den. Er hat zugleich e<strong>in</strong>e funktionsbezogene Beratungspflicht. Er darf wegen der Erfüllung<br />
se<strong>in</strong>er Aufgaben nicht benachteiligt werden, § 4f Abs. 3 S. 3 BDSG.<br />
Die ärztliche Praxis hat auch die Möglichkeit, statt des betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten<br />
e<strong>in</strong>en externen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten zum betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten zu<br />
bestellen: So können sich z.B. mehrere Arztpraxen auch e<strong>in</strong>en betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>be-<br />
auftragten teilen. Dabei ist aber darauf zu achten, dass diesem nicht unbefugt Patientenge-<br />
heimnisse offenbart werden.<br />
Die Aufgaben des betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten s<strong>in</strong>d explizit <strong>in</strong> § 4g BDSG aufge-<br />
führt. Diese Vorschrift beschreibt das Aufgabenfeld des betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftrag-<br />
ten jedoch nicht abschließend. Die Durchführung der Vorabkontrolle <strong>in</strong> § 4d Abs. 6 S. 1<br />
BDSG ist e<strong>in</strong> weiteres Element, darüber h<strong>in</strong>aus hat er e<strong>in</strong>e weit reichende Beratungsfunktion:<br />
Patienten können sich <strong>in</strong> Fragen des <strong>Datenschutz</strong>es jederzeit an ihn wenden (§ 4f Abs. 5 S. 2<br />
BDSG).
3. Kündigungsschutz<br />
- 40 -<br />
Der <strong>in</strong>terne betriebliche <strong>Datenschutz</strong>beauftragte genießt e<strong>in</strong>en besonderen Kündigungsschutz:<br />
Gemäß § 4f Abs. 3 S. 4 BDSG kann die Bestellung <strong>in</strong> entsprechender Anwendung des § 626<br />
BGB, d.h. <strong>in</strong> entsprechender Anwendung der Vorschriften über die fristlose Kündigung, wi-<br />
derrufen werden. Für den Widerruf ist mith<strong>in</strong> Voraussetzung, dass e<strong>in</strong> wichtiger Grund vor-<br />
liegt, der es der Praxisleitung unzumutbar macht, die Bestellung zum betrieblichen Daten-<br />
schutzbeauftragten aufrecht zu erhalten, also etwa e<strong>in</strong> Verstoß gegen die Verpflichtung zur<br />
Verschwiegenheit, Untätigkeit etc. Wie auch bei allen fristlosen Kündigungen ist im Falle des<br />
Widerrufes e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelfallprüfung erforderlich. Darüber h<strong>in</strong>aus muss der Widerruf b<strong>in</strong>nen 2<br />
Wochen nach Kenntnis des Widerrufsberechtigten von den maßgeblichen Tatsachen schrift-<br />
lich erfolgen. Darüber h<strong>in</strong>aus ist e<strong>in</strong> Widerruf auch auf Verlangen der Aufsichtsbehörde denk-<br />
bar (vgl. § 38 Abs. 5 S. 3 BDSG). § 4f Abs. 3 S. 4 BDSG ist e<strong>in</strong>e Schutzvorschrift und hat<br />
auch Auswirkungen auf das zu Grunde liegende Arbeitsverhältnis: E<strong>in</strong>e ordentliche Kündi-<br />
gung ist ausgeschlossen, wenn die Gründe <strong>in</strong> sachlichem Zusammenhang mit der Amtsfüh-<br />
rung des betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten stehen (Schikaneverbot, § 4f Abs. 3 S. 3<br />
BDSG).<br />
4. Meldepflichten<br />
Mit der Pflicht zur Bestellung des betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten korrespondiert e<strong>in</strong>e<br />
Meldepflicht automatisierter Datenverarbeitungsanlagen: Grundsätzlich s<strong>in</strong>d Verfahren auto-<br />
matisierter Verarbeitungen vor ihrer Inbetriebnahme von den nichtöffentlichen Stellen der<br />
zuständigen Aufsichtsbehörde nach Maßgabe des § 4e BDSG zu melden. Die Meldepflicht<br />
entfällt gemäß § 4d Abs. 2, 3 BDSG nur, wenn entweder die Praxis e<strong>in</strong>en betrieblichen Da-<br />
tenschutzbeauftragten bestellt hat oder die Praxis personenbezogene Daten für eigene Zwecke<br />
erhebt, verarbeitet oder nutzt und hiermit maximal 4 Arbeitnehmer beschäftigt und entweder<br />
die E<strong>in</strong>willigung des Patienten <strong>in</strong> die Datenverarbeitung oder die Erhebung der Zweckbe-<br />
stimmung e<strong>in</strong>es Vertragsverhältnisses oder e<strong>in</strong>es vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses<br />
mit dem Patienten dient (§ 4d Abs. 3 BDSG). Das bedeutet: S<strong>in</strong>d mehr als 4 Arbeitnehmer mit<br />
der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten ständig beschäftigt, so muss e<strong>in</strong><br />
betrieblicher <strong>Datenschutz</strong>beauftragter bestellt werden. Ist dies geschehen, so entfällt die Mel-
- 41 -<br />
depflicht, da <strong>in</strong> der <strong>Arztpraxis</strong> die Datenverarbeitung stets zum Zwecke der Durchführung<br />
e<strong>in</strong>es Behandlungsvertrages erfolgt.<br />
Zuständige Aufsichtsbehörde ist <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong> übrigens das Unabhängige Landes-<br />
zentrum für <strong>Datenschutz</strong> (ULD, Holstenstraße 98, 24103 Kiel).<br />
VIII. Geme<strong>in</strong>schaftspraxen und Praxisgeme<strong>in</strong>schaften<br />
Geme<strong>in</strong>schaftspraxen s<strong>in</strong>d Berufsausübungsgeme<strong>in</strong>schaften im S<strong>in</strong>ne des Abschnittes D der<br />
Berufsordnung für Ärzte <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong>. Zumeist werden sie als Gesellschaften bür-<br />
gerlichen Rechts gemäß §§ 705 ff BGB betrieben, jedoch s<strong>in</strong>d auch andere Gesellschaftsfor-<br />
men zulässig und denkbar. E<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaftspraxis ist e<strong>in</strong>e „Sozietät“. Dies bedeutet, dass<br />
der Patient grundsätzlich mit allen Ärzten geme<strong>in</strong>schaftlich e<strong>in</strong>en Behandlungsvertrag<br />
schließt, diese sich untere<strong>in</strong>ander vertreten und <strong>in</strong>soweit von der Schweigepflicht befreit s<strong>in</strong>d.<br />
Diese Geme<strong>in</strong>schaftspraxen haben e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Patientenstamm, e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />
Dokumentation und damit verbunden auch e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Datenbestand, auf den jeder<br />
Arzt im Bedarfsfall zugreifen darf. E<strong>in</strong>e Ausnahme liegt vor, wenn e<strong>in</strong> Patient ausdrücklich<br />
ausschließlich nur mit e<strong>in</strong>em der Ärzte e<strong>in</strong>en Behandlungsvertrag geschlossen hat.<br />
Hiervon zu unterscheiden s<strong>in</strong>d bloße Praxisgeme<strong>in</strong>schaften. Bei diesen handelt es sich um<br />
klassische E<strong>in</strong>zelärzte, die sich nur zu dem Zweck der geme<strong>in</strong>samen Nutzung von Praxisräu-<br />
men, Arbeitsmaterialien und geme<strong>in</strong>samen Angestellten zusammengefunden haben. Bei Pra-<br />
xisgeme<strong>in</strong>schaften handelt es sich regelmäßig um schlichte Bruchteilsgeme<strong>in</strong>schaften i.S.d.<br />
§§ 741 ff BGB. Im Verhältnis zum Patienten treten die Ärzte e<strong>in</strong>zeln auf, jeder Arzt muss<br />
se<strong>in</strong>e eigene Dokumentation führen und hat e<strong>in</strong>en eigenen Datenbestand. Im Verhältnis zu<br />
se<strong>in</strong>em Praxis“mitnutzer“ besteht die ärztliche Schweigepflicht. E<strong>in</strong>e gegenseitige Vertretung<br />
ist nur möglich, wenn der Patient <strong>in</strong> die Behandlung durch den Vertreter ausdrücklich oder<br />
konkludent e<strong>in</strong>willigt.
- 42 -<br />
2. Teil: Konsequenzen für die <strong>Arztpraxis</strong><br />
Um für den <strong>Datenschutz</strong> zu sensibilisieren und die rechtlichen Grundlagen mit Leben zu fül-<br />
len, sei an dieser Stelle e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Geschichte aus e<strong>in</strong>er <strong>Arztpraxis</strong> erzählt, wie sie immer<br />
wieder vorkommen kann. Die handelnden Personen s<strong>in</strong>d frei erfunden. Erkennt hier jemand<br />
die eigene Praxis wieder, so ist dies beabsichtigt und gleichwohl re<strong>in</strong> zufällig:<br />
Nachdem Frau Müller sich beim Sport verletzt hat sucht sie e<strong>in</strong>en Arzt, möglichst e<strong>in</strong>en Spezialisten.<br />
In den Gelben Seiten f<strong>in</strong>det sie e<strong>in</strong>e orthopädische Geme<strong>in</strong>schaftspraxis. Gleich um<br />
8.00 Uhr, der angegebenen Öffnungszeit, wählt sie die Telefonnummer.<br />
E<strong>in</strong>ige Informationen werden von der Helfer<strong>in</strong> bereits am Telefon verlangt. Die freundliche<br />
Stimme will wissen, wann der Unfall passiert ist, ob die Patient<strong>in</strong> Schmerzen habe und bei<br />
welcher Krankenkasse die Dame versichert sei. Nachdem Frau Müller mitteilt, dass sie Privatpatient<strong>in</strong><br />
ist, erhält sie für denselben Morgen noch e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong>.<br />
Die Praxis ist hell und ansprechend e<strong>in</strong>gerichtet. Technisch sche<strong>in</strong>t sie auf dem neuesten<br />
Stand zu se<strong>in</strong>: Es gibt Zimmertüren mit der Aufschrift „Vorsicht Röntgen“ oder „Ultraschall“.<br />
Direkt h<strong>in</strong>ter der E<strong>in</strong>gangstür bef<strong>in</strong>det sich der Empfang mit e<strong>in</strong>em großen Empfangstresen.<br />
An diesem Tresen muss vorbei, wer <strong>in</strong>s Wartezimmer oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>es der Behandlungszimmer<br />
will. Da es im Wartezimmer oft voll ist, ist die Tür dorth<strong>in</strong> meistens geöffnet. Die Luft<br />
würde <strong>in</strong> dem engen Raum sonst auch zu schnell schlecht werden. Da die Patientenstühle im<br />
Wartezimmer oft nicht ausreichen, alle wartenden Patienten aufzunehmen, stehen <strong>in</strong> unmittelbarer<br />
Nähe vor dem Empfangstresen noch e<strong>in</strong> paar Stühle. Von denen aus hat man die Behandlungszimmer<br />
gut im Blick.<br />
Auf dem Empfangstresen liegen e<strong>in</strong>ige Informationsblätter zu gesünderem Essen und über die<br />
Gefahren des Rauchens. Gängige Krankheiten und deren Behandlungsmethoden werden <strong>in</strong><br />
kle<strong>in</strong>en Heftchen beschrieben. H<strong>in</strong>ter diesem Tresen aus Massivholz sitzen 2 Arzthelfer<strong>in</strong>nen,<br />
zumeist Frau Eilig und Frau Sorglos. Frau Eilig ist zuständig für die Koord<strong>in</strong>ation der Belegung<br />
der e<strong>in</strong>zelnen Behandlungszimmer mit den Patienten und den jeweiligen Ärzten. Auf dem<br />
Tresen stehen gut sichtbar zwei Bildschirme und die dazugehörigen Computer, zwei Telefone<br />
und e<strong>in</strong> großer Kalender. Frau Sorglos telefoniert gerade mit e<strong>in</strong>em Patienten wegen e<strong>in</strong>es<br />
Term<strong>in</strong>s. Das Gespräch hat <strong>in</strong> etwa denselben Inhalt wie das, was unsere Frau Müller vorh<strong>in</strong><br />
geführt hat: „Wie war Ihr Name? Frau Müller? Achja...Knie verletzt....wann denn.....waren<br />
Sie den schon mal bei uns? Eigentlich haben wir ke<strong>in</strong>e Term<strong>in</strong>e mehr frei... Aber <strong>in</strong> Ihrem<br />
Fall. Um 8.30 Uhr...ja, Frau Müller, das wird notiert.“<br />
Als Frau Eilig nach dem Gespräch aufsieht, steht Herr Meyer vor ihr und wirft e<strong>in</strong>en neugierigen<br />
Blick auf die Bildschirme: „Wann b<strong>in</strong> ich dran?“. Er muss auf den Stühlen vor dem<br />
Tresen Platz nehmen, weil das Wartezimmer voll ist.<br />
Wieder kl<strong>in</strong>gelt das Telefon. Herr Schulze möchte se<strong>in</strong>en Blutbefund telefonisch abfragen.<br />
„Moment“, sagt Frau Eilig, „da bräuchte ich noch Ihren Vornamen.“ „Peter Schulze“, wiederholt<br />
sie laut und deutlich (Herr Schulze sche<strong>in</strong>t etwas schwerhörig zu se<strong>in</strong>). „Herr Schulze,<br />
hören Sie bitte, ich habe hier zwei Peter Schulzes ... ja, was für e<strong>in</strong> Zufall. Wann s<strong>in</strong>d Sie<br />
denn geboren? Am 7.1.31? (Herr Schulze sche<strong>in</strong>t auch undeutlich zu sprechen). Was denn?
- 43 -<br />
Nicht 31 sondern 32? Moment Herr Schulze, Sie s<strong>in</strong>d also am 7.1.32 geboren? Ich suche Ihre<br />
Karte raus!“... macht sie sofort ... nimmt den Hörer wieder auf und ruft <strong>in</strong> den Hörer: „So,<br />
Herr Schulze, alles da. Aber das Ergebnis darf ich Ihnen nicht sagen, das muss Dr. Fußweh<br />
machen. Ich leg‘ den Hörer mal e<strong>in</strong>en Moment beiseite, bis der Doktor kommt!“ Der Hörer<br />
liegt auf der Karteikarte des Herrn Schulze mitten auf dem Tresen. Die Karte ist so weit aufgeschlagen,<br />
dass der Doktor nicht lang blättern muss. Und Herr Schulze muss mithören, was<br />
sonst h<strong>in</strong>ter dem Tresen besprochen wird. Alle anderen können ungeniert e<strong>in</strong>en Blick auf die<br />
aufgeschlagene Karteikarte werfen. Insbesondere all diejenigen Patienten, die Interesse an<br />
den Informationsblättern haben.<br />
Frau Eilig sortiert die Karteikarten ordentlich auf den Tresen: Frau Müller zu Dr. Knieweh,<br />
Frau Schmidt zu Dr. Wirbelsäule und Herrn Schulze zu Dr. Fußweh. Die sorgfältig gefächerten<br />
Karteikartenreihen verteilen sich übersichtlich auf dem Tresen neben den Informationsblättern.<br />
Zwei weitere Patienten treten e<strong>in</strong>. Während sie sich vor den Tresen stellen und e<strong>in</strong>en<br />
Rundblick tun, fällt Frau Sorglos‘ Blick auf die Karteikarte von Frau Schmidt. „Frau<br />
Schmidt“, ruft sie <strong>in</strong>s Wartezimmer h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, „Frau Schmidt, ich brauch‘ mal eben Ihre Chipkarte<br />
von der Kasse. Wann haben Sie eigentlich Geburtstag?“... „Schlamperei“ murmelt sie<br />
vor sich h<strong>in</strong>, „wieso hat das ke<strong>in</strong>er <strong>in</strong> die Karteikarte geschrieben?“ Frau Schmidt antwortet<br />
durchs überfüllte Wartezimmer. E<strong>in</strong>ige staunen: So jung ist die noch?<br />
Zwischenzeitlich hat Frau Sorglos entdeckt, dass auch die neue Adresse des Herrn Fürchtenicht<br />
noch fehlt. Herr Fürchtenicht hatte mitgeteilt, dass er umgezogen war; doch fehlt der<br />
Zettel, auf dem die Adresse notiert ist. „Herr Fürchtenicht“, ruft sie wieder <strong>in</strong> das volle Wartezimmer<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, „ich kann Ihre neue Adresse nicht f<strong>in</strong>den ... s<strong>in</strong>d Sie eigentlich immer noch<br />
Privatpatient?“ Herr Fürchtenicht erhebt sich und geht zum Tresen. Er ist nicht zum ersten<br />
Mal <strong>in</strong> dieser Praxis. Er beobachtet seit langem die Praxisorganisation hier mit Sorge. Er hat<br />
mal etwas von <strong>Datenschutz</strong> gehört. Er geht also Richtung Tresen, wo gerade die frisch angekommenen<br />
Patienten „abgefragt“ werden. Auch Frau Müller ist zwischenzeitlich e<strong>in</strong>getroffen.<br />
Während von den Neuankömml<strong>in</strong>gen die angegebenen Daten (Name, Adresse, Geburtsdatum,<br />
Versicherung, Hausarzt usw.) direkt <strong>in</strong> den PC e<strong>in</strong>gegeben werden, bittet Herr Fürchtenicht<br />
um e<strong>in</strong> Blatt Papier, um se<strong>in</strong>e Angaben notieren zu können, da er sie nicht jedem der hier<br />
Anwesenden offenbaren möchte. Frau Sorglos ist verblüfft: „So was haben wir hier ja noch<br />
nie gehabt“. Herr Fürchtenicht schmunzelt: „Irgendwann ist immer das erste Mal.“ Er blickt<br />
<strong>in</strong> das lächelnde Gesicht des sich nähernden Dr. Fußweh und kritzelt se<strong>in</strong>e neue Adresse auf<br />
das Blatt Papier, während Dr. Fußweh zu dem auf dem Tresen liegenden Hörer greift und mit<br />
Herrn Schulze se<strong>in</strong>e Blutwerte bespricht.<br />
E<strong>in</strong>ige Wochen später: Die Behandlung unserer Privatpatienten Herrn Fürchtenicht und Frau<br />
Müller ist abgeschlossen. Beide s<strong>in</strong>d vollständig wiederhergestellt und freuen sich über ihre<br />
Genesung. Es ist Quartalsende. Beide öffnen ihre Briefkästen und f<strong>in</strong>den Post von e<strong>in</strong>er Privatärztlichen<br />
Verrechnungsstelle (PVS). Die Rechnung enthält die relevanten Patientendaten,<br />
den Verlauf der Behandlung sowie die e<strong>in</strong>zelnen Untersuchungsschritte.<br />
Herr Fürchtenicht kennt das schon. Er ist früher schon e<strong>in</strong>mal Patient <strong>in</strong> dieser Praxis gewesen<br />
und hat immer Post von der PVS erhalten. Gleichwohl ist ihm das diesmal nicht recht.<br />
Se<strong>in</strong> Nachbar, mit dem er verstritten ist, soll vor zwei Monaten bei der PVS zu arbeiten angefangen<br />
haben. Die Vorstellung, dass dieser jetzt über se<strong>in</strong>e Patientendaten, die Diagnose<br />
und den Verlauf der Behandlung, <strong>in</strong>formiert se<strong>in</strong> könnte, beunruhigt ihn sehr. Frau Müller
- 44 -<br />
h<strong>in</strong>gegen wusste von e<strong>in</strong>er solchen Abrechnungsweise nichts. Empört fragt sie sich, ob sie die<br />
Rechnung bezahlen muss.<br />
Soweit die e<strong>in</strong>leitende Geschichte. Dar<strong>in</strong> werden e<strong>in</strong>ige Umstände <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Praxis beschrieben,<br />
die – freundlich ausgedrückt – aus Sicht des <strong>Datenschutz</strong>es bzw. des Schutzes des Patienten-<br />
geheimnisses nicht ideal s<strong>in</strong>d. Dass es auch anders geht, soll mit den folgenden Erläuterungen<br />
dargestellt werden:<br />
I. Hier wird der Patient empfangen<br />
Bei den Gesprächen mit Ärzten <strong>in</strong> ihren Praxen haben die Mitarbeiter des ULD ganz unter-<br />
schiedlich strukturierte Räumlichkeiten und Empfangsbereiche vorgefunden, die mit e<strong>in</strong> we-<br />
nig Organisationstalent so gestaltet werden können, dass der Schutz des Patientengeheimnis-<br />
ses verbessert werden können.<br />
1. Der E<strong>in</strong>gangsbereich<br />
Der E<strong>in</strong>gangsbereich der Praxis ist zumeist durch die baulichen Gegebenheiten vorgegeben.<br />
a) Die „klassische“ Praxis<br />
Als klassische Praxis soll hier diejenige Praxis bezeichnet werden, die sich dadurch auszeich-<br />
net, dass man durch die E<strong>in</strong>gangstür e<strong>in</strong>en Flur betritt, <strong>in</strong> dem sich der Empfang(stresen) be-<br />
f<strong>in</strong>det. Von diesem Flur gehen zumeist m<strong>in</strong>destens 3 Türen ab, und zwar zum Wartezimmer,<br />
zum Behandlungszimmer und zu Waschräumen. Grundsätzlich sollen die Türen geschlossen<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Wenn die Türen zwischen diesen e<strong>in</strong>zelnen Bereichen nicht geschlossen gehalten werden<br />
(können), z.B. weil sie räumlich zu eng s<strong>in</strong>d, Fenster fehlen o. Ä., so sollte optisch und orga-<br />
nisatorisch e<strong>in</strong>e Diskretionszone e<strong>in</strong>gerichtet werden. In e<strong>in</strong>er der besuchten Arztpraxen hatte<br />
e<strong>in</strong> Arzt e<strong>in</strong> Seil vor den Tresen gespannt, der es unmöglich machte, dass zwei Personen ne-<br />
bene<strong>in</strong>ander vor dem Tresen stehen. Diese optische Diskretionszone ersetzt den z.B. bei Ban-<br />
ken üblichen „gelben Strich“ auf dem Fußboden <strong>in</strong> wirksamer Weise und sichert zum<strong>in</strong>dest<br />
e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum an Vertraulichkeit.
- 45 -<br />
Organisatorisch könnte e<strong>in</strong>e Diskretionszone z.B. dadurch entstehen, dass neu ankommende<br />
Patienten, die ihre persönlichen Angaben noch nicht gemacht haben, aufgefordert werden,<br />
diese schriftlich auf e<strong>in</strong>em Formular auszufüllen. Zu diesem Zweck können „Anamnese- und<br />
Persönliche-Daten-Bögen“ genutzt werden, die von den Patienten <strong>in</strong> Ruhe und vor fremden<br />
Augen und Ohren geschützt ausgefüllt werden können.<br />
Grundsätzlich sollen sich wartende Patienten ausschließlich im Wartezimmer aufhalten. Tü-<br />
ren zu den e<strong>in</strong>zelnen Räumen s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>ter den Patienten zu schließen.<br />
b) Die „moderne“ Variante<br />
In vielen Praxen haben die Mitarbeiter des ULD die „moderne“ Variante kennen gelernt, <strong>in</strong><br />
der sowohl der Empfang als auch der Wartebereich offen gestaltet s<strong>in</strong>d und teilweise <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an-<br />
der übergehen. Der Empfangstresen bef<strong>in</strong>det sich bei dieser Variante <strong>in</strong> der Nähe der u.U.<br />
zahlreichen wartenden Patienten, die von hier aus durch manchmal mehrere Behandlungsräu-<br />
me geschleust werden. Diese Variante mag übersichtlich se<strong>in</strong>. Es handelt sich jedoch um die<br />
datenschutzunfreundlichere Variante, wenn nicht e<strong>in</strong>ige Grundregeln der Organisation beach-<br />
tet werden:<br />
aa) Re<strong>in</strong>e Bestellpraxis<br />
Bef<strong>in</strong>det sich der offene E<strong>in</strong>gangsbereich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Bestellpraxis, kann das Patientenge-<br />
heimnis leicht organisatorisch gewährleistet werden. Wenn sich durch e<strong>in</strong>e geschickte Ter-<br />
m<strong>in</strong>vergabe nur e<strong>in</strong> oder zwei Patienten den Wartebereich teilen, können persönliche Anga-<br />
ben diskret erfragt werden. Bef<strong>in</strong>den sich mehrere Personen im Empfangsbereich, so können<br />
kle<strong>in</strong>e Zettelchen oder vorformulierte Formblättchen Diskretion sicherstellen.<br />
bb) Flexible Bestellpraxis<br />
Flexible Bestellpraxis wird hier e<strong>in</strong> Verfahren bezeichnet, bei dem sowohl Term<strong>in</strong>e vergeben<br />
werden, Patienten jedoch auch ohne Term<strong>in</strong>e „mit etwas Wartezeit“ behandelt werden. Diese<br />
Praxen müssen <strong>in</strong> „Stoßzeiten“ viele Patienten im Wartebereich aufnehmen. In e<strong>in</strong>er solchen<br />
Praxis ist e<strong>in</strong> wenig mehr Organisationstalent nötig. Patienten halten sich im Wartebereich
- 46 -<br />
auf, die zu e<strong>in</strong>em bestimmten Term<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>bestellt s<strong>in</strong>d, und solche, die die Praxis „spontan“<br />
aufsuchen, z.B. weil sie nicht auf e<strong>in</strong>e Term<strong>in</strong>vergabe warten können. Auch hier s<strong>in</strong>d alle<br />
Mitarbeiter gehalten, die Patientendaten so diskret wie möglich zu behandeln. Den Patienten<br />
die Möglichkeit zu geben, ihre persönlichen Angaben auf e<strong>in</strong>em Blatt Papier machen, ist<br />
nahezu zw<strong>in</strong>gend.<br />
Bei Praxisbesuchen konnten ULD-Mitarbeiter teilweise wenig vertrauensbegründende Zu-<br />
stände feststellen. Als Beispiel mag e<strong>in</strong>e größere Geme<strong>in</strong>schaftspraxis dienen, <strong>in</strong> der es 2<br />
Empfangsbereiche und 2 Wartebereiche gibt, die so mite<strong>in</strong>ander verflochten s<strong>in</strong>d, dass jeder<br />
wartende Patient notwendig mitbekommt, was am Empfang besprochen wird und welche Be-<br />
handlungen den e<strong>in</strong>zelnen Patienten zuteil wird („Frau Schmidt wollte sich nur e<strong>in</strong>e Spritze<br />
abholen...“). E<strong>in</strong>e solche Vorgehensweise ist ke<strong>in</strong>e Empfehlung für die jeweilige Praxis. Die<br />
empfohlenen Zettelchen mögen zunächst unpraktisch und umständlich ersche<strong>in</strong>en; <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
solchen Praxis s<strong>in</strong>d sie aber unter <strong>Datenschutz</strong>gesichtspunkten zw<strong>in</strong>gend und werden von den<br />
Patienten als Wertschätzung ihres Patientengeheimnisses wahrgenommen.<br />
cc) Praxis vergibt überhaupt ke<strong>in</strong>e Term<strong>in</strong>e<br />
In dieser Art von Praxis bedarf es vermutlich des größten Organisationstalentes und gehöriger<br />
Diszipl<strong>in</strong> sowohl seitens der Ärzte wie auch der Mitarbeiter. Neu <strong>in</strong> die Praxis kommende<br />
Patienten, die nicht namentlich bekannt s<strong>in</strong>d, müssen nach ihren Personalien befragt werden;<br />
zudem müssen Patienten <strong>in</strong> der Reihenfolge ihres Ersche<strong>in</strong>ens oder nach der Dr<strong>in</strong>glichkeit der<br />
Behandlung zu Behandlungszimmern geschickt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass<br />
nicht nur die persönlichen Angaben der Patienten dem <strong>Datenschutz</strong> unterliegen, sondern auch<br />
die weitere Untersuchung und Behandlung. Dass e<strong>in</strong>e Bestrahlung im Bereich des Halses we-<br />
gen e<strong>in</strong>er Erkältung oder e<strong>in</strong>er Mandelentzündung weniger sensibel ist als beispielsweise das<br />
Ergebnis e<strong>in</strong>er Mammographie ist unstreitig. In beiden Fällen jedoch gilt: Diskretion ist das<br />
oberste Gebot und muss durch organisatorische Maßnahmen erreicht werden.<br />
TIPP<br />
In e<strong>in</strong>igen Praxen wurden nach Beratung durch das ULD Glastüren zu den Warte-<br />
zimmern e<strong>in</strong>gebaut. Dies ist aber nur effektiv und s<strong>in</strong>nvoll, wenn diese dann auch ge-
- 47 -<br />
schlossen werden, sobald sich Patienten <strong>in</strong> der Praxis bef<strong>in</strong>den.<br />
Wo bauliche Änderungen nicht möglich s<strong>in</strong>d, ist das Bestellsystem die datenschutz-<br />
freundlichste Lösung, da sich (bei 2 Ärzten) regelmäßig nicht mehr als 2 Patienten<br />
gleichzeitig im Wartezimmer aufhalten. Ist e<strong>in</strong>er dieser Patienten neu und s<strong>in</strong>d dessen<br />
notwendige Daten noch nicht erfasst, so können die Angaben relativ problemlos dis-<br />
kret e<strong>in</strong>geholt werden, da nicht viele Ohren gleichzeitig den Angaben lauschen.<br />
In allen anderen Praxen ist das „Zettelsystem“ zu favorisieren: Jeder Patient muss die<br />
Möglichkeit haben, se<strong>in</strong>e Angaben diskret und ohne Zuhörer zu machen, se<strong>in</strong>e Perso-<br />
nalien, Krankenversicherung oder sonst erforderlichen Angaben aufzuschreiben und<br />
gegebenenfalls Angaben zu se<strong>in</strong>er Krankengeschichte zu machen. Hierzu können klei-<br />
ne Formblättchen zur Verfügung gestellt werden. Es mag zwar praktisch se<strong>in</strong>, wenn<br />
Patienten ihre persönlichen Angaben der Arzthelfer<strong>in</strong> „zurufen“ und diese direkt <strong>in</strong><br />
den Computer e<strong>in</strong>gegeben werden; datenschutzfreundlich ist diese Variante aber<br />
nicht.<br />
S<strong>in</strong>nvoll ist zudem das Aufstellen e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>eren Schredders am E<strong>in</strong>gangsbereich. So-<br />
bald die notwendigen Angaben erfasst s<strong>in</strong>d, können die nicht mehr benötigten Zettel<br />
oder auch falsch ausgefüllte Formulare vernichtet wreden.<br />
2. Der Empfangstresen<br />
PAPIER<br />
Der Empfangtresen ist so zu gestalten, dass ke<strong>in</strong>e Patientenakte, ke<strong>in</strong> Kalender oder ähnliche<br />
Unterlagen mit Patientendaten für die Anwesenden e<strong>in</strong>sehbar s<strong>in</strong>d.<br />
Bei ihren Besichtigungen haben die ULD-Mitarbeiter sehr verschiedene Arten von Empfangs-<br />
tresen kennen gelernt. Arbeitsmediz<strong>in</strong>isch vielleicht nicht ideal aber doch datenschutzgerecht<br />
war e<strong>in</strong> Tresen so hoch, dass es nahezu unmöglich war, e<strong>in</strong>en Blick auf die Arbeitsfläche der<br />
sich dah<strong>in</strong>ter bef<strong>in</strong>dliche Arzthelfer<strong>in</strong> zu werfen, um Term<strong>in</strong>e abzusprechen. E<strong>in</strong> anderer war<br />
so tief gehalten, dass er - unter <strong>Datenschutz</strong>gesichtspunkten erfreulich - die Sicht verdeckte,<br />
den Helfer<strong>in</strong>nen aber das Arbeiten nicht unbed<strong>in</strong>gt erleichterte, da diese sich bei jeder Gele-
genheit tief bücken mussten.<br />
- 48 -<br />
Der Empfang ist so zu organisieren, dass es praxisfremden Personen nicht möglich ist, e<strong>in</strong>en<br />
Blick auf die sich h<strong>in</strong>ter dem Tresen bef<strong>in</strong>dlichen Papiere zu werfen. Auf dem Tresen s<strong>in</strong>d<br />
ke<strong>in</strong>erlei patientenbezogene Daten zu lagern; auch nicht vorübergehend. Weder Karteikar-<br />
ten noch sonstige Unterlagen, aus denen sich Namen oder weitere Daten von Patienten erge-<br />
ben, gehören auf den Tisch. Entscheidend ist nicht, ob e<strong>in</strong> Unbefugter tatsächlich Kenntnis<br />
von den Daten nimmt, entscheidend kommt es darauf an, ob dieser Kenntnis nehmen kann.<br />
Es ist auch nicht damit getan, die Karteikarten e<strong>in</strong>fach umzudrehen, sodass die Namen nicht<br />
sofort gelesen werden können, wenn der geneigte „Leser“ die Karteikarte umdrehen und so<br />
zur Kenntnis nehmen könnte. E<strong>in</strong>e Bekanntmachung der Bundesärztekammer 49<br />
aus dem Jahre<br />
1993 weist darauf h<strong>in</strong>, dass „Patientenakten (...) <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Fall so bereitgelegt werden (sol-<br />
len), dass etwa Patienten Daten anderer Patienten zur Kenntnis nehmen können“.<br />
TIPP<br />
Patientendaten gehören unter und nicht auf den Tresen!<br />
FAX<br />
Der E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Fax-Gerätes im Empfangsbereich ist unter <strong>Datenschutz</strong>gesichtspunkten be-<br />
denklich, wenn es an e<strong>in</strong>er für Praxisfremde frei zugänglichen Stelle steht oder der Tresen<br />
nicht ständig (wirklich ständig) besetzt ist. Bei ihren Praxisbesuchen haben die ULD-<br />
Mitarbeiter verschiedene Modelle kennen gelernt. In e<strong>in</strong>er Praxis befand sich das Faxgerät <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em verschließbaren Behälter, der den Zugang dem berechtigten Personal relativ leicht er-<br />
möglichte, unberechtigten Personen aber verwehrte. Praxisfremde („Unbefugte“) dürfen kei-<br />
nen Zugriff auf ankommende und ausgedruckte Faxe nehmen oder sie lesen können.<br />
TIPP<br />
E<strong>in</strong>gehende Faxe können Patientendaten enthalten und gehören nicht <strong>in</strong> Reichweite<br />
Unbefugter!<br />
Achtung im umgekehrten Fall! Sie müssen natürlich auch sicherstellen, dass aus Ihrer Praxis
- 49 -<br />
versandte Faxe den richtigen Adressaten erreichen. Stellen Sie sich vor, die Faxnummer<br />
Ihrer Laborpraxis hat sich geändert und es ist versäumt worden, den Nummernspeicher Ihres<br />
Faxgerätes entsprechend anzupassen. Gehen nun Patientendaten per Fax an e<strong>in</strong>e Faxnummer,<br />
die <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>em anderen Nutzer zugewiesen ist, so haben Sie e<strong>in</strong> Problem.<br />
TIPP<br />
Überprüfen Sie regelmäßig die von Ihnen gespeicherten Kurzwahlnummern.<br />
Kündigen Sie den Versand e<strong>in</strong>es Faxes an e<strong>in</strong>e länger nicht gebrauchte Faxnummer<br />
vorher telefonisch an und überprüfen Sie die von Ihnen verwendeten Rufnummern.<br />
TELEFON<br />
Der E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Telefons am Empfang ist üblich und aus dem Praxisgeschehen nicht weg-<br />
zudenken. Das Telefon darf aber nicht zur Quelle des Vertrauensbruchs werden. Dies kann<br />
auf unterschiedliche Weise gewährleistet werden:<br />
Das Telefon darf nicht dazu dienen, Anrufende, die sich um e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong> bemühen, bereits<br />
am Telefon h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Krankengeschichte zu befragen, sofern umstehende Personen<br />
aus der Nennung des Namens oder sonstiger Identifikationsmerkmale e<strong>in</strong>e bestimmte Person<br />
assoziieren können (wobei die Assoziation auch völlig falsch se<strong>in</strong> kann). In Gegenwart weite-<br />
rer Patienten oder sonst anwesender Personen sollte auf die Namensnennung des Anrufenden<br />
möglichst verzichtet werden. So können die Mitarbeiter dem Anrufenden mitteilen, dass es<br />
am Empfang voll sei und viele Leute das Gespräch verfolgen können. Damit kann dem Anru-<br />
fenden auch gleichzeitig deutlich gemacht werden, wie ernst der Schutz se<strong>in</strong>er Daten genom-<br />
men wird. Auf vertrauliche Gespräche sollte an dieser Stelle ganz verzichtet werden.<br />
Auch die Ärzte selbst dürfen nicht Befunde an Patienten durchtelefonieren oder sie mit diesen<br />
am Telefon beraten, wenn die Möglichkeit besteht, dass weitere Patienten oder Praxisfremde<br />
dem Gespräch folgen können.<br />
Als geeignet erweist sich e<strong>in</strong>e Telefonanlage, die neben e<strong>in</strong>er Feststation zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> Mo-<br />
49<br />
Nachzulesen im DeutschenÄrzteblatt 1993, 91, 92.
- 50 -<br />
bilteil hat, an das e<strong>in</strong> ankommendes Gespräch weitervermittelt werden kann. Der Arzt ist dann<br />
<strong>in</strong> der Lage, das vertrauliche Gespräch von e<strong>in</strong>em der Behandlungsräume aus zu führen, wo<br />
die Türen geschlossen werden können und auch verschlossen werden müssen! Überaus hilf-<br />
reich ist e<strong>in</strong> ISDN-Anschluss, der über mehrere Endgeräte mehrere Telefongespräche zu-<br />
gleich ermöglicht. So kann sicherstellt werden, dass die Helfer<strong>in</strong>nen am Tresen immer e<strong>in</strong><br />
Endgerät zur Verfügung haben.<br />
TIPP<br />
Gönnen Sie sich e<strong>in</strong>e Telefonanlage mit mehreren, evtl. mobilen Endgeräten, die <strong>in</strong><br />
den verschiedenen Räumen so benutzt werden können, dass vertrauliche Telefonge-<br />
spräche nicht im E<strong>in</strong>gangsbereich geführt werden müssen.<br />
Führen Sie vertrauliche Telefonate nur, wenn Sie sicher s<strong>in</strong>d, dass ke<strong>in</strong>e fremden Oh-<br />
ren mithören.<br />
Verzichten Sie bei notwendigen Telefonaten im Empfangsbereich (Term<strong>in</strong>vergabe etc.)<br />
am besten ganz auf die Nennung des Namens des Patienten.<br />
Die Koord<strong>in</strong>ierung der Weiterbehandlung mit Spezialpraxen per Telefon darf nicht<br />
dazu führen, dass Umstehende oder Wartende hiervon Kenntnis nehmen: Solche Ge-<br />
spräche gehören h<strong>in</strong>ter verschlossene Türen!<br />
WEITERBEHANDLUNG<br />
Gut gefallen hat den Mitarbeitern des ULD e<strong>in</strong>e Praxis, <strong>in</strong> der die Informationen über die<br />
weitere Behandlung nicht mündlich an die Helfer<strong>in</strong>nen am Tresen weitergegeben werden.<br />
Vielmehr hat der Arzt e<strong>in</strong> Formblatt entwickelt, auf dem der Name des Patienten sowie die<br />
vorgesehenen Maßnahmen vermerkt werden. Dieses wird den Helfern <strong>in</strong> die Hand gedrückt,<br />
die sich um den betreffenden Patienten weiter kümmern. Diese Vorgehensweise hat zum Ei-<br />
nen den Vorteil, dass die Anweisung dokumentiert ist und dass die Durchführung falscher<br />
Maßnahmen nahezu ausgeschlossen wird. In der betrieblichen Hektik, wenn für mehrere Pati-<br />
enten verschiedene Anweisungen gegeben werden, das Telefon zwischendurch kl<strong>in</strong>gelt und<br />
viele Patienten am Empfang stehen, ist es schon aus organisatorischen Gründen s<strong>in</strong>nvoll, der<br />
Helfer<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gedächtnisstütze an die Hand zu geben. Zum Anderen wird das Risiko e<strong>in</strong>er
- 51 -<br />
unbefugten Kenntnisnahme reduziert. Die Anweisungszettel gehören als Teil der ärztlichen<br />
Dokumentation anschließend entweder <strong>in</strong> die Patientenakte oder, falls nicht dokumentati-<br />
onspflichtig, <strong>in</strong> den Reißwolf; unter ke<strong>in</strong>en Umständen aber e<strong>in</strong>fach so <strong>in</strong>s Altpapier.<br />
TIPP<br />
Ke<strong>in</strong>e mündlichen Therapie-, Behandlungs- oder sonstige Anweisungen an das Perso-<br />
nal, wenn Umstehende von diesen Anweisungen Kenntnis nehmen können!<br />
COMPUTER<br />
Heute ist <strong>in</strong> den meisten Praxen e<strong>in</strong> Computer am Tresen unverzichtbar, über den Zugriff auf<br />
e<strong>in</strong>e elektronische Patientenkartei möglich ist und über den die Term<strong>in</strong>koord<strong>in</strong>ation usw. er-<br />
folgt. Verzichtbar ist dagegen der freie Blick auf den Bildschirm für alle Umstehenden: Der<br />
Bildschirm ist so e<strong>in</strong>zurichten, dass er nur vom befugten Personal e<strong>in</strong>gesehen werden kann.<br />
Unerheblich ist dabei, ob nur die Stammdaten ersche<strong>in</strong>en oder die gesamte Krankengeschich-<br />
te. Lässt sich dies durch e<strong>in</strong>fache Maßnahmen nicht erreichen, muss notfalls extra e<strong>in</strong> Sicht-<br />
schutz e<strong>in</strong>gerichtet werden. Ist der Tresen nicht ständig besetzt und besteht die Möglichkeit,<br />
dass sich Unbefugte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em unbeaufsichtigten Moment an den Arbeitsplatz der Helfer<strong>in</strong><br />
begeben, so ist e<strong>in</strong> Bildschirmschoner zu <strong>in</strong>stallieren, der durch e<strong>in</strong> Passwort gesichert ist.<br />
Dieses sollte die im mediz<strong>in</strong>ischen Bereich üblichen m<strong>in</strong>destens 8 Stellen aufweisen, <strong>in</strong> die<br />
Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen e<strong>in</strong>getragen werden können.<br />
TIPP<br />
Richten Sie immer e<strong>in</strong>en passwortgeschützten Bildschirmschoner auf allen sich <strong>in</strong><br />
der Praxis bef<strong>in</strong>dlichen Computer-Bildschirmen e<strong>in</strong>. Dieser ist durch e<strong>in</strong> zum<strong>in</strong>dest<br />
achtstelliges Passwort zu sichern. Richten Sie e<strong>in</strong> Praxispasswort e<strong>in</strong>, das allen be-<br />
rechtigten Mitarbeitern den Zugang zu den Computern sichert. Ändern Sie dieses<br />
Passwort <strong>in</strong> regelmäßigen möglichst kurzen Abständen. Selbstverständlich ist, dass<br />
das Passwort nicht am Bildschirm oder am Arbeitsplatz für andere erkennbar notiert<br />
se<strong>in</strong> darf. Im Falle e<strong>in</strong>es Mitarbeiterwechsels ist das Passwort <strong>in</strong> jedem Falle zu än-<br />
dern!
- 52 -<br />
Wenn Sie das „Praxispasswort“ nicht <strong>in</strong> kurzen Abständen ändern wollen, kann je-<br />
dem Mitarbeiter die Möglichkeit der E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es eigenen Passwortes ermög-<br />
licht werden, das er selbsttätig <strong>in</strong> regelmäßigen Zeitabständen ändern muss. Hierzu<br />
kann z.B. nach Zeitablauf die Er<strong>in</strong>nerung über den Computer erfolgen („Achtung!<br />
Passwort läuft <strong>in</strong> ... Tagen ab! Bitte jetzt ändern!“).<br />
Richten Sie den Bildschirmschoner so e<strong>in</strong>, dass er, wird der Arbeitsplatz verlassen<br />
und ke<strong>in</strong>e Taste betätigt, b<strong>in</strong>nen kurzer Zeit (z.B. 1 M<strong>in</strong>ute) aktiviert wird und nur<br />
unter E<strong>in</strong>gabe des Passwortes wieder entsichert werden kann.<br />
II. Der Wartebereich der Praxis<br />
Wie e<strong>in</strong> Wartebereich datenschutzfreundlich gestaltet werden kann, ergibt sich eigentlich<br />
schon aus dem oben Gesagten: Die ärztliche Schweigepflicht verbietet es, die Identität e<strong>in</strong>es<br />
Patienten im Zusammenhang mit mediz<strong>in</strong>ischen Angaben anderen Anwesenden zu offenba-<br />
ren, es sei denn, der betroffene Patient gibt hierfür se<strong>in</strong> ausdrückliches E<strong>in</strong>verständnis. Die<br />
Wartenden sollen von dem Behandlungsgeschehen fern gehalten werden, sodass sie mög-<br />
lichst nicht mitbekommen, welche Behandlungsmethoden bei anderen Patienten angewendet<br />
werden, welche Medikamente ihnen empfohlen oder verordnet werden oder welche An-<br />
schlussbehandlungen folgen. Selbst <strong>in</strong> ländlichen Arztpraxen, wo die Wartenden sich oft ge-<br />
genseitig kennen, muss ausgeschlossen werden, dass e<strong>in</strong> Patient durch Indiskretion zum Ge-<br />
sprächsstoff der Wartenden wird.<br />
Es geht nicht darum, die Patient<strong>in</strong>nen und Patienten im Wartezimmer h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er verschlos-<br />
senen Tür zusammen zu pferchen. Es mag se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> abgeschotteter Bereich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />
Praxen nicht s<strong>in</strong>nvoll ist. Maßgebend ist vielmehr, e<strong>in</strong>e Praxis so zu organisieren, dass die<br />
Wartenden während ihrer Wartezeit nicht vom Praxisgeschehen unterhalten werden. Und der<br />
Unterhaltungswert ist schon sehr groß, wenn Frau Schmidt „zur Spritze“ gerufen wird!<br />
TIPP<br />
Schirmen Sie wartende Patienten optisch und akustisch vom übrigen Praxisgeschehen<br />
ab.<br />
Gehen Sie diskret mit dem e<strong>in</strong>zelnen Patienten und se<strong>in</strong>em Leiden um!!
III. Der Behandlungsbereich<br />
- 53 -<br />
Die Strukturierung e<strong>in</strong>zelner Behandlungsräume, v.a. <strong>in</strong> manchen älteren besichtigten Praxen,<br />
war für die ULD-Mitarbeiter Besorgnis erregend. Insbesondere bei Hautärzten und Orthopä-<br />
den war vielfach zu beobachten, dass es immer noch e<strong>in</strong>fache Behandlungskab<strong>in</strong>en gibt, die<br />
lediglich durch e<strong>in</strong>en Vorhang vone<strong>in</strong>ander abgetrennt s<strong>in</strong>d. Diese werden entgegen unseren<br />
ersten Vermutungen nicht ausschließlich dazu genutzt, „ohne viele Worte“ e<strong>in</strong>en Patienten<br />
mit e<strong>in</strong>em neuen Verband zu versorgen oder e<strong>in</strong>e Bestrahlungstherapie anzuwenden. Nicht<br />
selten erfolgt hier auch die „Begutachtung“ durch den Arzt selbst oder durch das ärztliche<br />
Personal und das Gespräch mit dem Patienten hierüber. Hierfür ist e<strong>in</strong>e Trennung durch Tü-<br />
ren geboten: Es ist mit den Grundsätzen über die ärztliche Schweigepflicht nicht zu vere<strong>in</strong>ba-<br />
ren, dass mit e<strong>in</strong>em Patienten mediz<strong>in</strong>ische Fragen besprochen werden, die aus der Nachbar-<br />
kab<strong>in</strong>e mitgehört werden können. Ke<strong>in</strong>e solche Abschottung ist dann erforderlich, wenn zum<br />
Beispiel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er HNO-Praxis sich mehrere Inhalationsgeräte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum bef<strong>in</strong>den und<br />
von verschiedenen Patienten benutzt werden: Hier nutzen die Patienten die Geräte selbst zur<br />
Heilung von Atemwegserkrankungen, was auch nicht geheim gehalten werden kann. Medizi-<br />
nische Gespräche mit dem Personal sollten hierbei grundsätzlich nicht geführt werden.<br />
Müssen Patienten <strong>in</strong> Behandlungsräumen warten, ist sicherzustellen, dass sich dort ke<strong>in</strong>e<br />
H<strong>in</strong>weise auf zuvor oder später behandelte Patienten f<strong>in</strong>den. In e<strong>in</strong>er der besuchten Praxen<br />
befanden sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Behandlungszimmer Aktenordner mit Röntgenbildern von Patienten<br />
und weiteren Unterlagen nebst den dazugehörenden Angaben zu Namen und Geburtstag und<br />
-ort. Diese waren frei zugänglich. Da <strong>in</strong> diesem Raum Patienten zum Teil noch 25 M<strong>in</strong>uten<br />
warten mussten, ergab sich reichlich Gelegenheit, und sei es nur aus Langeweile, sich über<br />
den Gesundheitszustand der Mitpatienten zu <strong>in</strong>formieren.<br />
TIPP<br />
Werden papierene Karteikarten oder sonstige Patientenunterlagen geführt, ist si-<br />
cherzustellen, dass sich diese nicht <strong>in</strong> den Behandlungsräumen sammeln. Nur die<br />
Karteikarte des sich jeweils im Raum bef<strong>in</strong>dlichen Patienten sollte dort offen zu-<br />
gänglich se<strong>in</strong>.
- 54 -<br />
E<strong>in</strong> Computer im Behandlungsraum ist so e<strong>in</strong>zurichten, dass weder e<strong>in</strong> Patient noch<br />
e<strong>in</strong> zufällig anwesender Unbefugter ihn benutzen kann.<br />
E<strong>in</strong> vertrauliches Gespräch von Arzt zu Patient gehört h<strong>in</strong>ter verschlossene Türen!<br />
Die Türen der Behandlungsräume sollten geschlossen werden, sobald sich dort e<strong>in</strong> Patient<br />
bef<strong>in</strong>det. Der E<strong>in</strong>wand, man könne die Patienten doch nicht ohne Beobachtung lassen, weil<br />
die Schränke geöffnet oder Sachen entwendet würden, sollte nicht gelten. Wären Patienten<br />
tatsächlich solche Raben und so neugierig, so sollten erst recht die Patientenkarteikarten weg-<br />
geschlossen werden, weil auch sie Zielpunkt der Neugierde se<strong>in</strong> können. Die Schränke kön-<br />
nen so verschlossen werden, dass sie für die Patienten nicht zu öffnen s<strong>in</strong>d. Vorzuziehen ist<br />
aber e<strong>in</strong>e Organisation des Praxisablaufes, bei der ke<strong>in</strong>e (langen) Wartezeiten <strong>in</strong> den Be-<br />
handlungsräumen entstehen.<br />
TIPP<br />
Organisieren Sie den Praxisablauf so, dass die Behandlungsräume nicht als „Aus-<br />
weichwartezimmer“ genutzt werden müssen.<br />
IV. Praxisverwaltung<br />
Auch bei der Organisation der Praxis <strong>in</strong> ihrem täglichen Ablauf s<strong>in</strong>d die Patientenrechte zu<br />
beachten.<br />
1. Die Patientenkarteikarten/Patientenakten<br />
Patientenkarteikarten haben auf dem Tresen und an sonst frei zugänglichen Orten nichts zu<br />
suchen. Unbefugte E<strong>in</strong>blicke können dadurch verh<strong>in</strong>dert werden, dass jeweils nur e<strong>in</strong>e Kar-<br />
teikarte herausgesucht und diese dem Arzt auf dem Weg <strong>in</strong>s Behandlungszimmer <strong>in</strong> die Hand<br />
gedrückt wird. Es ist e<strong>in</strong>e weit verbreitete Unsitte, die Karteikarten so <strong>in</strong> den Behandlungs-<br />
zimmern abzulegen, dass jeder Patient <strong>in</strong> die Lage versetzt wird, die Karteikarten der vor und<br />
nach ihm behandelten Patienten zu <strong>in</strong>spizieren. Selbst wenn nur die Karteikarte des nächsten<br />
Patienten <strong>in</strong> dem Behandlungszimmer liegt, ist das nicht datenschutzgerecht, wenn der vorbe-<br />
handelte Patient diese zur Kenntnis nehmen kann. Se<strong>in</strong>e eigene Karteikarte kann jeder Patient<br />
unbeschränkt e<strong>in</strong>sehen. Möglich ist auch, die Karteikarte erst dann <strong>in</strong> den Behandlungsraum
- 55 -<br />
zu legen, wenn der Patient den Raum bereits betreten hat. Der Arzt müsste dann nach der Be-<br />
handlung die Karteikarte mitnehmen und dem berechtigten Personal <strong>in</strong> die Hand geben. Es<br />
muss sichergestellt werden, dass die jeweiligen Unterlagen mit personenbezogenen Daten nur<br />
von den berechtigten Personen gelesen werden können.<br />
Bei den Praxisrundgängen des ULD wurde festgestellt, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Praxen eigene Pra-<br />
xispässe ausgestellt werden. Auf diesen s<strong>in</strong>d z.B. neben Strahlenbehandlungen auch der Name<br />
des Patienten sowie se<strong>in</strong> Geburtsdatum vermerkt. Darüber h<strong>in</strong>aus enthalten sie zumeist kurze<br />
H<strong>in</strong>weise auf Erkrankungen, wegen denen die Praxis schon e<strong>in</strong>mal aufgesucht worden war,<br />
und die laufende Registriernummer der betreffenden Praxis. Der Patient gibt diesen Patien-<br />
tenpass bei se<strong>in</strong>er Ankunft am Empfang ab. Die Helfer „schichten“ diese abgespeckten Kar-<br />
teikarten <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Behandlungsräumen so übere<strong>in</strong>ander, dass jeweils die Karte des<br />
sich im Raum bef<strong>in</strong>dlichen Patienten oben liegt, ähnlich wie <strong>in</strong> anderen Praxen mit den pa-<br />
pierenen Karteikarten verfahren wird. Auch dieses Verfahren mag im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e Ver-<br />
e<strong>in</strong>fachung mancher „Aktenläufe“ praktisch se<strong>in</strong>; es ist jedoch nur dann datenschutzgemäß,<br />
wenn sichergestellt wird, dass sich Patienten oder sonstige Unbefugte nie alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> dem je-<br />
weiligen Behandlungszimmer aufhalten, wo gerade diese Karten liegen.<br />
TIPP<br />
Organisieren sie den Praxisablauf so um, dass e<strong>in</strong>e Helfer<strong>in</strong> die Karteikarte des Pati-<br />
enten, der gerade den Behandlungsraum betreten hat, nach diesem <strong>in</strong>s Zimmer legt.<br />
Das ULD hat das „Patientendaten-im-Behandlungszimmer-Verfahren“ mehrfach moniert. Die<br />
Reaktion hierauf war oft, dass die Ärzte dies ausdrücklich wünschten oder vorbrachten, dass<br />
e<strong>in</strong> Missbrauch mit Patientendaten bisher nicht bekannt geworden sei. Dies mag zutreffen.<br />
Man berücksichtige jedoch, dass nicht alle Verstöße bekannt werden. Viele Patienten s<strong>in</strong>d<br />
über Indiskretionen zwar verärgert, wollen darüber aber nicht sprechen, um die Behandlung<br />
nicht negativ zu bee<strong>in</strong>flussen. Aus Gesprächen mit Patienten ist dem ULD bekannt, dass auch<br />
schon der Arzt gewechsel wurde, wenn man mit der Diskretion <strong>in</strong> der Praxis nicht zufrieden<br />
war. Dass die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nur selten wirklich strafrechtlich ge-<br />
ahndet wird, sollte ke<strong>in</strong> Grund se<strong>in</strong>, mit Patientendaten unbedacht umzugehen. Dass es immer<br />
wieder richtiggehend „Missbräuche“ gibt, zeigen die E<strong>in</strong>gaben bei den <strong>Datenschutz</strong>beauf-<br />
tragten <strong>in</strong> den Ländern, auch beim ULD Schleswig-Holste<strong>in</strong>.
TIPP<br />
- 56 -<br />
Nur die Karteikarte des aktuell zu behandelnden Patienten <strong>in</strong> den Behandlungsraum<br />
legen, wenn dieser den Raum bereits betreten hat und so selbst „aufpasst“, dass die<br />
Daten niemand anders liest.<br />
Die Akten müssen nach Beendigung der Behandlung sicher verwahrt werden. Als Archiv<br />
sollte e<strong>in</strong> abschließbarer (und auch abgeschlossener!) Raum gewählt werden, zu dem nur Be-<br />
rechtigte Zutritt haben. Zum<strong>in</strong>dest Sicherheitsschlösser sollten als H<strong>in</strong>dernis vor unrechtmä-<br />
ßigem Zutritt bestehen. Bef<strong>in</strong>den sich die Akten nicht <strong>in</strong> den Behandlungsräumen, sondern<br />
z.B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Keller oder auf e<strong>in</strong>em Dachboden, so muss durch geeignete Maßnahmen sicher-<br />
gestellt se<strong>in</strong>, dass Neugierige sich der Akten nicht bemächtigen können. Auch bei gut gesi-<br />
cherten Verschlägen <strong>in</strong> Kellern muss gewährleistet bleiben, dass die Namen auf Aktendeckeln<br />
von Unbefugten nicht gelesen werden können.<br />
Die Datenablage kann auch über elektronische Archivierungsprogramme erfolgen. Dabei<br />
muss dafür Sorge getragen werden, dass ke<strong>in</strong>e Manipulation möglich ist, d.h. dass die Daten<br />
nicht verändert, gelöscht oder sonst unbrauchbar gemacht werden können. Das unbefugte Ko-<br />
pieren der Daten muss ausgeschlossen se<strong>in</strong>.<br />
Sie müssen außerdem darauf achten, dass jederzeit auf die Daten Zugriff genommen und diese<br />
sozusagen reaktiviert werden können, falls die Archivierung durch e<strong>in</strong>e erneute Behandlung<br />
des Patienten unterbrochen wird. Nach der Unterbrechung durch die erneute Behandlung<br />
beg<strong>in</strong>nt die Aufbewahrungsfrist grundsätzlich neu zu laufen.<br />
Stehen Akten zur Vernichtung an, so müssen sie unbrauchbar gemacht werden. Heutzutage<br />
erfolgt die Aktenvernichtung oft gewerbsmäßig. Die Unternehmen können zumeist e<strong>in</strong> ent-<br />
sprechendes Zertifikat nach DIN32757 vorweisen, wenn sie als Entsorger korrekt gemeldet<br />
s<strong>in</strong>d und ihre datenschutzgerechte Aktenvernichtung zum Beispiel vom DEKRA oder TÜV<br />
geprüft worden ist. Unter dem Stichwort „Aktenvernichtung“ f<strong>in</strong>den die gängigen Suchma-<br />
sch<strong>in</strong>en im Internet sicher auch e<strong>in</strong> geprüftes Aktenvernichtungsunternehmen <strong>in</strong> Ihrer Nähe.
- 57 -<br />
Vernichten Sie Ihre Akten lieber selbst, was im Regelfall vorzuziehen ist, so achten Sie bei<br />
dem Kauf e<strong>in</strong>es Aktenvernichters darauf, dass dieser e<strong>in</strong>e hohe Sicherheitsstufe (z.B. Sicher-<br />
heitsstufe 5) aufweist und das Papier zerrissen bzw. verwirbelt wird. Es nützt nur wenig, wenn<br />
die Akten nur <strong>in</strong> (gut lesbare)<br />
(Quer-)streifen geschnitten werden.<br />
TIPP<br />
Patientendaten gehören weder <strong>in</strong> den Hausmüll noch <strong>in</strong> den Altpapierconta<strong>in</strong>er!<br />
2. Gewährleistung des E<strong>in</strong>sichtsrechts<br />
Wenn e<strong>in</strong> Patient E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Patientenakte verlangt, so ist ihm die Möglichkeit zu ge-<br />
ben, diese <strong>in</strong> aller Ruhe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum, <strong>in</strong> dem er nicht gestört wird, zu gewähren. Die<br />
manchmal anzutreffende Praxis, den Patienten mit se<strong>in</strong>en Befunden <strong>in</strong>s (evtl. volle) Warte-<br />
zimmer zum Lesen zu schicken, ist weder datenschutzgerecht noch patientenfreundlich.<br />
Besteht die Möglichkeit ungestörter Aktene<strong>in</strong>sicht auf Grund des knappen Raumangebots <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Praxis nicht, besteht aber der Patient auf die E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> das Orig<strong>in</strong>al und gibt er sich mit<br />
Fotokopien nicht zufrieden, so kann die Akte an e<strong>in</strong>en anderen Ort zu e<strong>in</strong>er Person beidersei-<br />
tigen Vertrauens verbracht werden, an den die Aktene<strong>in</strong>sicht gewährt wird.<br />
In e<strong>in</strong>em gerichtlich entschiedenen Fall musste e<strong>in</strong>e umfangreiche Datensammlung nach Ab-<br />
schluss der Behandlung an den Rechtsanwalt des Patienten übersendet werden, um dem<br />
Patienten und se<strong>in</strong>em Rechtsanwalt E<strong>in</strong>sicht zu gewähren.<br />
TIPP<br />
Stellen Sie dem E<strong>in</strong>sicht begehrenden Patienten e<strong>in</strong>en Behandlungsraum zur Verfü-<br />
gung. Betrachten Sie die E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Patientenakte als Teil der Behandlung, die<br />
h<strong>in</strong>ter verschlossene Türen gehört!
- 58 -<br />
Grundsätzlich richtet sich das E<strong>in</strong>sichtsrecht auf alle objektiven Befunde; gelegentlich der<br />
Behandlung gefertigte Anmerkungen unterliegen dem E<strong>in</strong>sichtsrecht nicht. Um zu vermeiden,<br />
dass vor der E<strong>in</strong>sichtnahme umfangreiche Schwärzungen vorgenommen werden müssen,<br />
empfiehlt sich e<strong>in</strong>e besondere Aktenführung, die auch im H<strong>in</strong>blick auf das E<strong>in</strong>sichtsrecht der<br />
K(Z)Ven im Rahmen der Plausibilitätsprüfung bei der Abrechnungskontrolle geboten ist:<br />
TIPP<br />
Auf e<strong>in</strong>em Behandlungsbogen werden grundsätzlich nur die abrechnungsrelevanten<br />
(objektiven) Befunde aufgenommen. Im E<strong>in</strong>zelfall getätigte Feststellungen sonstiger<br />
Art sollten auf e<strong>in</strong>em gesonderten Blatt gefertigt werden. Dann ist weder im Falle der<br />
Abrechnungskontrolle noch im Falle der E<strong>in</strong>sichtnahme durch den Patienten zu über-<br />
prüfen, ob über das E<strong>in</strong>sichtsrecht h<strong>in</strong>ausgehende Angaben vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e mögliche Abrechnungskontrolle empfiehlt es sich, die Behand-<br />
lungsbögen quartalsweise zu führen 50<br />
.<br />
3. Der E<strong>in</strong>satz von „Hilfskräften“<br />
Der E<strong>in</strong>satz des Personals ist datenschutzgerecht zu organisieren. Dies gilt nicht nur für die<br />
unverzichtbaren ärztlichen Helfer<strong>in</strong>nen und Helfer, sondern auch für die technischen Hilfs-<br />
kräfte aller Art: E<strong>in</strong> wichtiges Gebot <strong>in</strong> jeder ärztlichen Praxis ist die Gewährleistung der<br />
ärztlichen Schweigepflicht, auch und <strong>in</strong>sbesondere durch die ärztlichen Mitarbeiter und ärztli-<br />
chen Helfer<strong>in</strong>nen. Diese s<strong>in</strong>d auf Ihre Schweigepflicht und damit auch auf das Datengeheim-<br />
nis zu verpflichten. Grundsätzlich gilt, dass nur die Personen im Rahmen der Erforderlichkeit<br />
<strong>in</strong> die ärztlichen Geheimnisse e<strong>in</strong>geweiht werden dürfen, die zur Praxis gehören, d.h. die<br />
durch e<strong>in</strong> besonderes rechtliches Verhältnis (zumeist durch Arbeitsvertrag) unter Weisung des<br />
Arztes <strong>in</strong> irgend e<strong>in</strong>er Form <strong>in</strong> das Behandlungsgeschehen e<strong>in</strong>bezogen s<strong>in</strong>d.<br />
50<br />
So lautet übrigens auch e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Empfehlung der Zahnärztekammer Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
und dem Landesbeauftragten für den <strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong> zur Aktenführung anlässlich<br />
erfolgter E<strong>in</strong>gaben zur praktizierten Abrechnungskontrolle durch die KZVen.
- 59 -<br />
a) Verpflichtung auf Schweigepflicht und Datengeheimnis<br />
Der Arzt muss alle se<strong>in</strong>e Praxismitarbeiter und Auszubildenden über ihre Verpflichtung zur<br />
Verschwiegenheit belehren. Diese Belehrung ist schriftlich zu fixieren. Am e<strong>in</strong>fachsten ge-<br />
schieht dies im Arbeitsvertrag.<br />
Folgender Text kann z.B. verwendet werden:<br />
Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmer<strong>in</strong> verpflichtet sich, über alle ihm/ihr<br />
anlässlich der Ausübung des Arbeitsverhältnisses bekannt gewordenen<br />
Umstände, die diese Praxis, deren weitere Mitarbeiter und Vorgesetzte<br />
oder <strong>in</strong>sbesondere Patienten betreffen, Stillschweigen zu bewahren.<br />
Arbeitsrechtlich möglich ist es, e<strong>in</strong>e Vertragsstrafen-Klausel für den Fall des Verstoßes zu<br />
vere<strong>in</strong>baren.<br />
Für den Fall des Verstoßes gegen diese Schweigepflicht verpflichtet sich<br />
der Arbeitnehmer, an den Arbeitgeber e<strong>in</strong>e Vertragsstrafe <strong>in</strong> Höhe von 3<br />
Nettomonatsgehältern zu zahlen.<br />
Bei e<strong>in</strong>er schwerwiegenden Verletzung der Schweigepflicht kann der Arbeitnehmer fristlos<br />
gekündigt werden. Es bietet sich an, e<strong>in</strong>en entsprechenden H<strong>in</strong>weis im Arbeitsvertrag mit auf-<br />
zunehmen, ohne dass dies aber zw<strong>in</strong>gend erforderlich wäre.<br />
Bei e<strong>in</strong>em Verstoss gegen die Schweigepflicht ist der Arbeitgeber zur<br />
fristlosen Kündigung berechtigt.<br />
b) Technische Hilfskräfte (Systemadm<strong>in</strong>istratoren etc.)<br />
EDV-Wartungsarbeiten sollten, soweit überhaupt auf gespeicherte Daten zurückgegriffen<br />
werden muss, nur mit Testdaten durchgeführt werden. Da der Praxis<strong>in</strong>haber als speichernde<br />
Stelle im S<strong>in</strong>ne des BDSG verantwortlich dafür ist, dass se<strong>in</strong>e Patientendaten sicher s<strong>in</strong>d,<br />
sollten technische Hilfskräfte wirklich nur im Notfall mit diesen Daten arbeiten. Durch e<strong>in</strong>e<br />
Verschlüsselung der Patientendaten kann regelmäßig verh<strong>in</strong>dert werden, dass bei den im-<br />
mer wieder notwendigen Systembetreuungsarbeiten auf lesbare Informationen zugegriffen<br />
wird.
- 60 -<br />
Bei e<strong>in</strong>er Fernwartung muss darauf geachtet werden, dass nicht auf echte Patientendaten zu-<br />
gegriffen wird. E<strong>in</strong>e Übermittlung über offene Netze (ISDN, Internet) ist wegen der Abhör-<br />
möglichkeit an den Netzknoten zu verschlüsseln. Fernwartungs-Aktivitäten s<strong>in</strong>d lückenlos zu<br />
protokollieren.<br />
Externes technisches Personal hat ke<strong>in</strong>e rechtliche Befugnis auf Kenntnis von Patientenge-<br />
heimnissen. Sollte doch e<strong>in</strong>mal Zugriff auf die Klardaten von nicht an der Behandlung betei-<br />
ligten Personen genommen werden müssen, z.B. weil e<strong>in</strong> Anwendungsfehler direkt mit Pati-<br />
entendaten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung steht und nicht behoben werden kann, so ist dies revisionsfest zu<br />
protokollieren. Es empfiehlt sich darüber h<strong>in</strong>aus, dass e<strong>in</strong> Praxis-Mitarbeiter den Techniker<br />
bei se<strong>in</strong>er Arbeit überwacht.<br />
TIPP<br />
Es ist erstrebenswert, wenn zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> Mitarbeiter der <strong>Arztpraxis</strong> genügend Fach-<br />
kompetenz besitzt, um die Aufgaben e<strong>in</strong>en Systemverwalters oder Netzadm<strong>in</strong>istrators<br />
selbst wahrzunehmen. Dies kann auch der Arzt selbst se<strong>in</strong>.<br />
c) Sonstige Hilfskräfte<br />
Für Hilfskräfte (Putzgehilfen, Hausmeister etc.) gilt: Ke<strong>in</strong>e Möglichkeit des Zugriffs auf<br />
Patientendaten! Nach Dienstschluss sollte das Pr<strong>in</strong>zip des „clear desk“ gelten: Patientenun-<br />
terlagen gehören nach Arbeitsende nicht mehr auf den Schreibtisch, sondern s<strong>in</strong>d wegzu-<br />
schließen.<br />
TIPP<br />
Richten Sie abschließbare Aktenschränke e<strong>in</strong> und stellen Sie sicher, dass die Akten<br />
nach Praxisschluss dort abgelegt werden.<br />
Stellen Sie sicher, dass die Aktenschränke abgeschlossen s<strong>in</strong>d, wenn Sie die Praxis<br />
abends verlassen.<br />
Stellen Sie sicher, dass ke<strong>in</strong>e Patientendaten nach Praxisschluss unverschlossen <strong>in</strong><br />
der Praxis stehen oder liegen, zum Beispiel auch ke<strong>in</strong>e namentlich gekennzeichneten
Materialproben.<br />
- 61 -<br />
Beaufsichtigen Sie nichtmediz<strong>in</strong>isches Hilfspersonal bei se<strong>in</strong>er Tätigkeit, sofern die-<br />
ses se<strong>in</strong>e Tätigkeit während der Sprechstundenzeit ausübt.<br />
Denken Sie bei der E<strong>in</strong>richtung von abschließbaren Schränken und Räumen auch an potenzi-<br />
elle E<strong>in</strong>brecher. Diesen sollte es nicht zu leicht gemacht werden, en passant Akten mitgehen<br />
zu lassen!<br />
V. Die Praxis-EDV<br />
Zum E<strong>in</strong>satz der EDV <strong>in</strong> von Patienten frequentierten Bereichen wurden oben bereits H<strong>in</strong>wei-<br />
se gegeben.<br />
TIPP<br />
Erkundigen Sie sich bei Ihrem Softwarehersteller nach passwortgesicherten<br />
Bildschirmschonern und lassen Sie diese umgehend <strong>in</strong>stallieren! Zu den Pass-<br />
wörtern s.o.<br />
Es gibt bisher wenig gute technische Angebote, die e<strong>in</strong>e ausreichende Abschottung der <strong>in</strong>ter-<br />
nen Daten gewährleisten, wenn e<strong>in</strong> Internetanschluss besteht. Daher sollten PC, auf denen<br />
sich personenbezogene Patientendaten bef<strong>in</strong>den, ke<strong>in</strong>en Internetzugang haben. Auch die In-<br />
stallierung e<strong>in</strong>er „firewall“ gibt nur selten die notwendige Sicherheit, dass Ihre Patientendaten<br />
dort bleiben, wo sie s<strong>in</strong>d und wo sie h<strong>in</strong>gehören: nämlich ausschließlich <strong>in</strong> Ihren Verfügungs-<br />
bereich.<br />
TIPP<br />
Ist <strong>in</strong> Ihrer Praxis e<strong>in</strong> Internetzugang für das Tagesgeschehen unerlässlich, wählen Sie<br />
hierfür e<strong>in</strong>en sogenannten „stand-alone“-Rechner, auf dem sich ke<strong>in</strong>e patientenbezogenen<br />
Daten bef<strong>in</strong>den!<br />
Die sich auf Ihrem Praxisrechner bef<strong>in</strong>dlichen Daten sollten regelmäßig gesichert werden,<br />
zum Beispiel durch e<strong>in</strong>e tägliche Sicherungskopie auf Diskette oder Band. Diese Diskette<br />
oder das Band sollten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tresor sicher verwahrt werden.
- 62 -<br />
Abgesehen von dieser Datensicherung muss allerd<strong>in</strong>gs verh<strong>in</strong>dert werden, dass Patientenda-<br />
ten, die übrigens auch e<strong>in</strong>en erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen können, auf e<strong>in</strong>en<br />
Datenträger wie zum Beispiel e<strong>in</strong>e Diskette gezogen werden können. Hierzu können und<br />
sollten <strong>in</strong> den Programmen die Schnittstellen (z.B. Diskettenlaufwerke) besonders gesperrt<br />
werden.<br />
Im Interesse zusätzlicher Sicherheit, z.B. auch für den Fall des Diebstahls des gesamten Rech-<br />
ners, sollte Ihre Praxissoftware vorsehen, dass die gespeicherten Daten verschlüsselt auf der<br />
Festplatte abgelegt s<strong>in</strong>d. Erst bei e<strong>in</strong>em besonders (z.B. über Passwort) autorisierten und da-<br />
mit berechtigten Zugriff sollte e<strong>in</strong>e automatische Entschlüsselung erfolgen. Die Ablage sollte<br />
sofort e<strong>in</strong>e automatische Verschlüsselung vorsehen. E<strong>in</strong>e andere Form der Datensicherung<br />
kann auch dar<strong>in</strong> bestehen, dass der Datenträger (die Festplatte) nachts <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tresor ver-<br />
schw<strong>in</strong>det.<br />
Zum praxis- und datenschutzgerechten E<strong>in</strong>satz der Datenverarbeitungstechnik wird des Wei-<br />
teren auf die Anlage zu § 9 S. 1 BDSG verwiesen. Dies ist zugleich unser ...<br />
TIPP<br />
1. Zutrittskontrolle<br />
Unbefugten ist der Zutritt zu Datenverarbeitungsanlagen, mit denen personenbezoge-<br />
ne Daten verarbeitet oder genutzt werden, zu verwehren.<br />
2. Zugangskontrolle<br />
Es ist zu verh<strong>in</strong>dern, dass Datenverarbeitungssysteme von Unbefugten genutzt werden<br />
können.<br />
3. Zugriffskontrolle<br />
Es ist zu gewährleisten, dass die zur Benutzung e<strong>in</strong>es Datenverarbeitungssystems Be-<br />
rechtigten ausschließlich auf die ihrer Zugriffsberechtigung unterliegenden Daten zu-<br />
greifen können, und dass personenbezogene Daten bei der Verarbeitung, Nutzung und<br />
nach der Speicherung nicht unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder entfernt werden<br />
können.
TIPP<br />
4. Weitergabekontrolle<br />
- 63 -<br />
Es ist zu gewährleisten, dass personenbezogene Daten bei der elektronischen Über-<br />
tragung oder während ihres Transports oder ihrer Speicherung auf Datenträger nicht<br />
unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder entfernt werden können, und dass überprüft<br />
und festgestellt werden kann, an welche Stellen e<strong>in</strong>e Übermittlung personenbezogener<br />
Daten durch E<strong>in</strong>richtungen zur Datenübertragung vorgesehen ist.<br />
5. E<strong>in</strong>gabekontrolle<br />
Es ist zu gewährleisten, dass nachträglich überprüft und festgestellt werden kann, ob<br />
und von wem personenbezogene Daten <strong>in</strong> Datenverarbeitungssysteme eigegeben, ver-<br />
ändert oder entfernt worden s<strong>in</strong>d.<br />
6. Auftragskontrolle<br />
Es ist zu gewährleisten, dass personenbezogene Daten, die im Auftrag verarbeitet<br />
werden, nur entsprechend den Weisungen des Auftraggebers verarbeitet werden kön-<br />
nen.<br />
7. Verfügbarkeitskontrolle<br />
Es ist zu gewährleisten, dass personenbezogene Daten gegen zufällige Zerstörung<br />
oder Verlust geschützt s<strong>in</strong>d.<br />
8. Zweckb<strong>in</strong>dungsgebot<br />
Es ist zu gewährleisten, dass zu unterschiedlichen Zwecken erhobene Daten getrennt<br />
verarbeitet werden können.<br />
Fragen Sie Ihren Softwarehersteller, wie Sie die Beweiskraft der elektronischen Do-<br />
kumentation erhöhen können.<br />
Bedenken Sie, dass die erhöhte Sicherheit sowohl Ihnen als auch Ihrem Patienten dient.
VI. Patientenrechte<br />
- 64 -<br />
Es muss immer wieder festgestellt werden, dass <strong>in</strong> vielen Arztpraxen die orig<strong>in</strong>ären Patienten-<br />
rechte, oft aus purer Fahrlässigkeit, nicht ausreichend beachtet werden.<br />
1. Transparenzpr<strong>in</strong>zip<br />
Viele Probleme im Patienten-Arzt-Verhältnis beruhen auf ungenügender Transparenz: Pati-<br />
enten werden nicht oder nicht rechtzeitig <strong>in</strong>formiert und reagieren entsprechend. Oder aber sie<br />
schlucken ihren Ärger h<strong>in</strong>unter, denn sie möchten e<strong>in</strong>e möglichst schonende und aufseiten des<br />
Arztes unbelastete Behandlung sicherstellen. Wer mokiert sich vor e<strong>in</strong>er unangenehmen<br />
Spritze schon über herumliegende Karteikarten?<br />
Daher unser<br />
TIPP<br />
Informieren Sie Ihre Patienten, egal ob Sie Daten an Labors, Verrechnungsstellen,<br />
Krankenkassen oder Versicherungen übermitteln und holen sie, soweit notwendig, de-<br />
ren E<strong>in</strong>willigung e<strong>in</strong>.<br />
Informieren Sie Ihre Patienten, bevor Sie sich anschicken, Fragebögen von Versiche-<br />
rungen auszufüllen!<br />
Informieren Sie Ihre Patienten zum<strong>in</strong>dest auf Anfrage über die e<strong>in</strong>gesetzten Datenver-<br />
arbeitungsprogramme und deren Sicherheit!<br />
Informieren Sie sie auch darüber, dass sie ihre Akten e<strong>in</strong>sehen können.<br />
2. Gewährleistung der E<strong>in</strong>sichtsrechte<br />
In vielen Praxen weiß man nicht so recht mit dem E<strong>in</strong>sichtsrecht der Patienten <strong>in</strong> die Patien-<br />
tenakte umzugehen. Während der Praxisbesuche des ULD war oft zu hören, dass überhaupt<br />
nicht daran gedacht werde, die Orig<strong>in</strong>ale von Patientenunterlagen zur E<strong>in</strong>sicht zur Verfü-
- 65 -<br />
gung zu stellen. Und schon gar nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum, <strong>in</strong> dem der Patient mit se<strong>in</strong>en Daten<br />
alle<strong>in</strong>e wäre. Wenn es Ihnen wirklich so schwer fällt, die Orig<strong>in</strong>ale zur E<strong>in</strong>sichtnahme bereit<br />
zu legen, hier unser<br />
TIPP<br />
Vere<strong>in</strong>baren Sie mit Ihrem Patienten das Fertigen von Fotokopien. Im Zweifel wird<br />
dieser dafür Verständnis haben, wenn Sie Ihre konkreten Bedenken begründen!<br />
Oder behandeln Sie den E<strong>in</strong>sichtsterm<strong>in</strong> wie e<strong>in</strong>en Untersuchungsterm<strong>in</strong> und sehen Sie<br />
die Patientenakte mit Ihrem Patienten geme<strong>in</strong>sam durch.<br />
Haben Sie e<strong>in</strong>en betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten bestellt, so sollte dieser zu-<br />
gleich als Ansprechpartner für die Patienten <strong>in</strong> Fragen des <strong>Datenschutz</strong>es zur Verfü-<br />
gung stehen. Sie sollten ihm ausdrücklich diese Aufgabe mit übertragen!<br />
3. Die Bestellung e<strong>in</strong>es betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten<br />
Beschäftigen Sie 5 Arbeitnehmer, die alle mit der automatisierten Verarbeitung personenbe-<br />
zogener Daten betraut s<strong>in</strong>d, so bestellen Sie e<strong>in</strong>en Ihrer Arbeitnehmer als betrieblichen Daten-<br />
schutzbeauftragten.
Folgender Mustertext hat sich hier bewährt:<br />
TIPP<br />
Herrn/Frau ......<br />
Im Hause<br />
- 66 -<br />
Betreff: Beauftragter für den <strong>Datenschutz</strong> gemäß §§ 4f, g BDSG<br />
Unter Bezugnahme auf die geführten Vorgespräche bestelle ich Sie hiermit zum Beauftragten<br />
für <strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> unserer <strong>Arztpraxis</strong>.<br />
In Erfüllung Ihrer Aufgabe als <strong>Datenschutz</strong>beauftragter s<strong>in</strong>d Sie der Praxisleitung direkt unterstellt.<br />
Im Rahmen der Praxisleitung ist für den Bereich <strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />
Herr/Frau....zuständig.<br />
Sie s<strong>in</strong>d bei der Anwendung Ihrer Fachkunde auf dem Gebiet des <strong>Datenschutz</strong>es weisungsfrei<br />
und werden bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben von der Praxisleitung unterstützt.<br />
Ihre Aufgabe ist es, auf die E<strong>in</strong>haltung des Bundesdatenschutzgesetzes sowie anderer Vorschriften<br />
über den <strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> unserem Unternehmen h<strong>in</strong>zuwirken. Zu diesem Zweck können<br />
Sie sich <strong>in</strong> Zweifelfällen an die für unsere Praxis zuständige <strong>Datenschutz</strong>aufsichtsbehörde<br />
wenden. Ihre gesetzlichen Pflichten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere:<br />
- Die ordnungsgemäße Anwendung der Datenverarbeitungsprogramme, mit deren Hilfe<br />
personenbezogene Angaben verarbeitet werden sollen, zu überwachen. Zu diesem Zweck<br />
werden Sie über Vorhaben der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten<br />
rechtzeitig unterrichtet.<br />
- Die bei der Verarbeitung personenbezogener Daten tätigen Personen durch geeignete<br />
Maßnahmen mit den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes sowie anderer Vorschriften<br />
über den <strong>Datenschutz</strong>, bezogen auf die besonderen Verhältnisse <strong>in</strong> diesem Geschäftsbereich<br />
und die sich daraus ergebenden Erfordernisse für den <strong>Datenschutz</strong>, vertraut<br />
zu machen.<br />
Auf Ihre Verschwiegenheitspflicht weise ich an dieser Stelle nochmals besonders h<strong>in</strong>.<br />
Die Übersicht nach § 4g Abs. 2 BDSG wird durch........geführt.<br />
Unterschriften<br />
TIPP<br />
<strong>Datenschutz</strong> ist Führungsaufgabe. Der betriebliche <strong>Datenschutz</strong>beauftragte hat wich-<br />
tige überwachende und unterstützende Funktionen. Die Verantwortung für Zulässig-<br />
keit und Sicherheit der <strong>in</strong>ternen Datenverarbeitung bleibt aber beim Management.
- 67 -<br />
Stellen Sie dem betrieblichen <strong>Datenschutz</strong>beauftragten zur Erfüllung se<strong>in</strong>er besonde-<br />
ren Aufgaben nicht nur Arbeitsmittel zur Verfügung, sondern auch e<strong>in</strong> faires Zeitkon-<br />
t<strong>in</strong>gent. Auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>eren Praxis sollten dies m<strong>in</strong>destens 10% der durchschnitt-<br />
lichen regelmäßigen Arbeitszeit se<strong>in</strong>.<br />
Der betriebliche <strong>Datenschutz</strong>beauftragte fungiert auch den Patienten gegenüber als Ansprech-<br />
partner im H<strong>in</strong>blick auf die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten.<br />
VII. Datenübermittlungen<br />
Auch bei den Datenübermittlungen aus der Praxis heraus ist die Gewährleistung von Tran-<br />
sparenz gegenüber dem Patienten von zentraler Wichtigkeit: Der Patient sollte über Daten-<br />
übermittlungen auch dann <strong>in</strong>formiert werden, wenn wegen des Bestehens e<strong>in</strong>er gesetzlichen<br />
Übermittlungsgrundlage e<strong>in</strong>e ausdrückliche E<strong>in</strong>verständniserklärung nicht gefordert ist.<br />
1. Datenübermittlung auf Grund spezieller Gesetze<br />
Dass Dritte von den persönlichen Angaben des Patienten, die dieser se<strong>in</strong>em Arzt gegenüber<br />
macht, nichts erfahren sollen, ist Inhalt und Kern der ärztlichen Schweigepflicht. Ist trotzdem<br />
e<strong>in</strong>mal die Übermittlung notwendig und <strong>in</strong>sbesondere auf Grund e<strong>in</strong>es speziellen Gesetzes<br />
zulässig, so s<strong>in</strong>d folgende Prüfpunkte hilfreich:<br />
TIPP<br />
Stellen Sie sicher, dass e<strong>in</strong>e Ermächtigungsgrundlage für die Datenübermittlung vor-<br />
liegt. Besteht Unsicherheit über die Zulässigkeit der Datenübermittlung, wenden Sie<br />
sich an e<strong>in</strong>en der Partner der Aktion „<strong>Datenschutz</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er <strong>Arztpraxis</strong>“.<br />
Lesen Sie das Anforderungsprofil beispielsweise der Krankenkasse sehr genau: Über-<br />
mitteln Sie nur die Informationen, die unbed<strong>in</strong>gt erforderlich s<strong>in</strong>d, um die Frage zu<br />
beantworten.<br />
Handelt es sich nicht um rout<strong>in</strong>emäßige Übermittlungen, wie sie z.B. gegenüber der
- 68 -<br />
Kassen(zahn)ärztlichen Vere<strong>in</strong>igung im Rahmen der Abrechnung erfolgt, so <strong>in</strong>formie-<br />
ren Sie zunächst Ihre Patienten, und zwar bevor Sie die Daten übermitteln. S<strong>in</strong>d die<br />
Daten erst e<strong>in</strong>mal weg, kann es unter Umständen zu spät se<strong>in</strong>, um vom Patienten<br />
Schaden abzuwenden!<br />
2. Datenübermittlung auf Grund e<strong>in</strong>er Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dungserklärung<br />
Häufig kommt es vor, dass z.B. Versicherungen sich über den aktuellen Gesundheitszustand<br />
ihrer Versicherten auch ohne besonderen Anlass <strong>in</strong>formieren möchten und sich zu diesem<br />
Zwecke an Sie wenden. Bei privaten Versicherungen ist hierfür e<strong>in</strong>e wirksame Erklärung des<br />
Patienten erforderlich, <strong>in</strong> der dieser den Arzt von se<strong>in</strong>er Schweigepflicht entb<strong>in</strong>det. Dabei ist<br />
jedoch zu beachten, dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>mal erteilte Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dungserklärung widerru-<br />
fen se<strong>in</strong> kann. Oder sie liegt so lange zurück, dass der Patient sich unmöglich an die Erteilung<br />
er<strong>in</strong>nern kann. Um <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die Transparenz zu gewährleisten, sollten Sie<br />
Ihren Patienten immer fragen, ob Ihm die Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dungserklärung geläufig ist.<br />
TIPP<br />
Fragen Sie Ihren Patienten, ob die Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dungserklärung noch gilt,<br />
oder ob er sie widerrufen hat.<br />
Lassen Sie den Patienten gegebenenfalls selbst entscheiden, welche Daten er se<strong>in</strong>er<br />
Versicherung übermitteln möchte; und geben Sie ihm die Datensätze mit.<br />
Informieren Sie Ihre Patienten, wenn Sie e<strong>in</strong>e Privatärztliche Verrechnungsstelle e<strong>in</strong>-<br />
schalten wollen, und holen Sie sich hierfür e<strong>in</strong>e schriftliche E<strong>in</strong>willigungserklärung<br />
e<strong>in</strong>.
SONDERTIPP<br />
- 69 -<br />
Die E<strong>in</strong>willigungserklärung könnte zum Beispiel den folgenden Inhalt haben:<br />
Lieber Patient,<br />
unsere Praxis hat sich entschlossen, zum Zwecke der Zeitersparnis die Privatabrechnungen<br />
nicht mehr selbst durchzuführen, sondern damit die Privatärztliche Verrechnungsstelle<br />
<strong>in</strong> Musterstadt zu beauftragen. Das bedeutet, dass Sie zukünftig Ihre Rechnungen<br />
direkt von der Privatärztlichen Verrechnungsstelle (Adresse) erhalten. Zahlungen<br />
s<strong>in</strong>d ausschließlich an diese zu leisten. Wenn Sie diese Form der Abrechnung<br />
nicht wünschen, erhalten Sie die Abrechnung selbstverständlich weiterh<strong>in</strong> direkt von<br />
uns. Die E<strong>in</strong>willigung ist jederzeit widerruflich.<br />
Hiermit erkläre ich ausdrücklich me<strong>in</strong> E<strong>in</strong>verständnis zur Weitergabe me<strong>in</strong>er erforderlichen<br />
personenbezogenen Daten an die Privatärztliche Verrechnungsstelle<br />
zum Zwecke der E<strong>in</strong>ziehung der ärztlichen Honorarforderung.<br />
Unterschrift
VIII. Anhang Gesetzestexte<br />
GG 2<br />
Art. 1 (Schutz der Menschenwürde) 2<br />
Art. 2 (Persönliche Freiheitsrechte) 2<br />
BGB 2<br />
§ 125 (Nichtigkeit wegen Formmangels) 2<br />
§ 126 (Gesetzliche Schriftform) 2<br />
§ 126a (Elektronische Form) 2<br />
§ 134 (Gesetzliches Verbot) 2<br />
§ 167 (Erteilung der Vollmacht) 2<br />
§ 168 (Erlöschen der Vollmacht) 3<br />
§ 170 (Wirkungsdauer der Vollmacht) 3<br />
§ 182 (Zustimmung) 3<br />
§ 183 (Widerruflichkeit der E<strong>in</strong>willigung) 3<br />
§ 217 (Wirkung der Unterbrechung) 3<br />
§ 1626 (Form der Sorgeerklärung) 3<br />
§ 1629 (Gesetzliche Vertretung) 3<br />
StGB 4<br />
§ 34 (Rechtfertigender Notstand) 4<br />
§ 138 (Nichtanzeige geplanter Straftaten) 4<br />
§ 139 (Straflosigkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten) 5<br />
§ 203 (Verletzung von Privatgeheimnissen) 5<br />
StPO 6<br />
§ 53 StPO (Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen) 6<br />
ZPO 7<br />
§ 383 (Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen) 7<br />
SGB V 7<br />
§ 73 (Kassenärztliche Vere<strong>in</strong>igung) 7<br />
§ 140a (Integrierte Versorgung) 9<br />
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) 10<br />
Landesdatenschutzgesetz Schleswig-Holste<strong>in</strong> (LDSG) 29<br />
<strong>Datenschutz</strong>verordnung des Landes Schleswig-Holste<strong>in</strong> (DSVO) 41<br />
Leitsätze zum Volkszählungsurteil 43
GG<br />
- 2 -<br />
Art. 1 (Schutz der Menschenwürde)<br />
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller<br />
staatlichen Gewalt.<br />
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten<br />
als Grundlage jeder menschlichen Geme<strong>in</strong>schaft, des Friedens und der Gerechtigkeit der Welt.<br />
(3) Die nachfolgenden Grundrechte b<strong>in</strong>den Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung<br />
als unmittelbar geltendes Recht.<br />
Art. 2 (Persönliche Freiheitsrechte)<br />
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung se<strong>in</strong>er Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer<br />
verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.<br />
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.<br />
In diese Rechte darf nur auf Grund e<strong>in</strong>es Gesetzes e<strong>in</strong>gegriffen werden.<br />
BGB<br />
§ 125 (Nichtigkeit wegen Formmangels)<br />
E<strong>in</strong> Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der<br />
Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.<br />
§ 126 (Gesetzliche Schriftform)<br />
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muß die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig<br />
durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet<br />
werden.<br />
(2) Bei e<strong>in</strong>em Vertrage muß die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden<br />
über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede<br />
Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.<br />
(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem<br />
Gesetz e<strong>in</strong> anderes ergibt.<br />
(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.<br />
§ 126a (Elektronische Form)<br />
Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so<br />
muss der Aussteller der Erklärung dieser se<strong>in</strong>en Namen h<strong>in</strong>zufügen und das elektronische Dokument<br />
mit e<strong>in</strong>er qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen.<br />
§ 134 (Gesetzliches Verbot)<br />
E<strong>in</strong> Rechtsgeschäft, das gegen e<strong>in</strong> gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem<br />
Gesetz e<strong>in</strong> anderes ergibt.<br />
§ 167 (Erteilung der Vollmacht)<br />
(1) Die Erteilung der Vollmacht erfolgt durch Erklärung gegen dem zu Bevollmächtigenden oder dem<br />
Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattf<strong>in</strong>den soll.<br />
(2) Die Erklärung bedarf nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die
Vollmacht bezieht.<br />
§ 168 (Erlöschen der Vollmacht)<br />
- 3 -<br />
Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse.<br />
Die Vollmacht ist auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern<br />
sich nicht aus diesem e<strong>in</strong> anderes ergibt. Auf die Erklärung des Widerrufs f<strong>in</strong>det die Vorschrift des §<br />
167 Abs. 1 entsprechende Anwendung.<br />
§ 170 (Wirkungsdauer der Vollmacht)<br />
Wird die Vollmacht durch Erklärung gegenüber e<strong>in</strong>em Dritten erteilt, so bleibt sie diesem gegenüber<br />
<strong>in</strong> Kraft, bis ihm das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird.<br />
§ 182 (Zustimmung)<br />
(1) Hängt die Wirksamkeit e<strong>in</strong>es Vertrages oder e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>seitigen Rechtsgeschäfts, das e<strong>in</strong>em anderen<br />
gegenüber vorzunehmen ist, von der Zustimmung e<strong>in</strong>es Dritten ab, so kann die Erteilung sowie<br />
die Verweigerung der Zustimmung sowohl dem e<strong>in</strong>en als dem anderen Teile gegenüber erklärt<br />
werden.<br />
(2) Die Zustimmung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form.<br />
(3) Wird e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>seitiges Rechtsgeschäft, dessen Wirksamkeit von der Zustimmung e<strong>in</strong>es Dritten abhängt,<br />
mit E<strong>in</strong>willigung des Dritten vorgenommen, so f<strong>in</strong>den die Vorschriften des § 111 Satz 2, 3<br />
entsprechende Anwendung.<br />
§ 183 (Widerruflichkeit der E<strong>in</strong>willigung)<br />
Die vorherige Zustimmung (E<strong>in</strong>willigung) ist bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich,<br />
soweit nicht aus dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse sich e<strong>in</strong> anderes ergibt.<br />
Der Widerruf kann sowohl dem e<strong>in</strong>en als dem anderen Teile gegenüber erklärt werden.<br />
§ 217 (Wirkung der Unterbrechung)<br />
Wird die Verjährung unterbrochen, so kommt die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht <strong>in</strong><br />
Betracht; e<strong>in</strong>e neue Verjährung kann erst nach der Beendigung der Unterbrechung beg<strong>in</strong>nen.<br />
§ 1626 (Form der Sorgeerklärung)<br />
(1) Sorgeerklärungen und Zustimmungen müssen öffentlich beurkundet werden.<br />
(2) Die beurkundende Stelle teilt die Abgabe von Sorgeerklärungen und Zustimmungen unter Angabe<br />
des Geburtsorts des K<strong>in</strong>des sowie des Namens, den das K<strong>in</strong>d zur Zeit der Beurkundung se<strong>in</strong>er<br />
Geburt geführt hat, dem nach § 87c Abs. 6 Satz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuständigen<br />
Jugendamt zum Zwecke der Auskunftserteilung nach § 58a des Achten Buches Sozialgesetzbuch<br />
unverzüglich mit.<br />
§ 1629 (Gesetzliche Vertretung)<br />
(1) Die elterliche Sorge umfaßt die Vertretung des K<strong>in</strong>des. Die Eltern vertreten das K<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>schaftlich;<br />
ist e<strong>in</strong>e Willenserklärung gegenüber dem K<strong>in</strong>d abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber<br />
e<strong>in</strong>em Elternteil. E<strong>in</strong> Elternteil vertritt das K<strong>in</strong>d alle<strong>in</strong>, soweit er die elterliche Sorge alle<strong>in</strong><br />
ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr m Verzug ist jeder<br />
Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des K<strong>in</strong>des not-
- 4 -<br />
wendig s<strong>in</strong>d; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.<br />
(2) Der Vater und die Mutter können das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong>soweit nicht vertreten, als nach § 1795 e<strong>in</strong> Vormund<br />
von der Vertretung des K<strong>in</strong>des ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d den Eltern<br />
geme<strong>in</strong>sam zu, so kann der Elternteil, <strong>in</strong> dessen Obhut sich das K<strong>in</strong>d bef<strong>in</strong>det, Unterhaltsansprüche<br />
des K<strong>in</strong>des gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem<br />
Vater und der Mutter nach § 1796 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der<br />
Vaterschaft.<br />
(3) S<strong>in</strong>d die Eltern des K<strong>in</strong>des mite<strong>in</strong>ander verheiratet, so kann e<strong>in</strong> Elternteil, solange die Eltern getrennt<br />
leben oder e<strong>in</strong>e Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, Unterhaltsansprüche des K<strong>in</strong>des gegen<br />
den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen. E<strong>in</strong>e von e<strong>in</strong>em Elternteil erwirkte<br />
gerichtliche Entscheidung und e<strong>in</strong> zwischen den Eltern geschlossener gerichtlicher Vergleich<br />
wirken auch für und gegen das K<strong>in</strong>d.<br />
StGB<br />
§ 34 (Rechtfertigender Notstand)<br />
Wer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum<br />
oder e<strong>in</strong> anderes Rechtsgut e<strong>in</strong>e Tat begeht, um die Gefahr von sich oder e<strong>in</strong>em anderen abzuwenden,<br />
handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich<br />
der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse<br />
das bee<strong>in</strong>trächtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat e<strong>in</strong> angemessenes<br />
Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.<br />
§ 138 (Nichtanzeige geplanter Straftaten)<br />
(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung<br />
1. e<strong>in</strong>er Vorbereitung e<strong>in</strong>es Angriffskrieges (§ 80),<br />
2. e<strong>in</strong>es Hochverrats <strong>in</strong> den Fällen der §§ 81 bis 83 Abs. 1,<br />
3. e<strong>in</strong>es Landesverrats der e<strong>in</strong>er Gefährdung der äußeren Sicherheit <strong>in</strong> den Fällen der §§ 94 bis<br />
96, 97a oder 100,<br />
4. e<strong>in</strong>er Geld- oder Wertpapierfälschung <strong>in</strong> den Fällen der §§ 146, 151, 152 oder e<strong>in</strong>er Fälschung<br />
von Zahlungskarten und Vordrucken für Euroschecks <strong>in</strong> den Fällen des § 152a Abs. 1<br />
bis 3,<br />
5. e<strong>in</strong>es schweren Menschenhandels <strong>in</strong> den Fällen des 3 181 Abs. 1 Nr. 2 oder 3,<br />
6. e<strong>in</strong>es Mordes, Totschlags oder Völkermordes (§§ 211, 212 oder 220a),<br />
7. e<strong>in</strong>er Straftat gegen die persönliche Freiheit <strong>in</strong> den Fällen der §§ 234, 234a, 239a oder 239b,<br />
8. e<strong>in</strong>es Raubes oder e<strong>in</strong>er räuberischen Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255),<br />
9. e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>gefährlichen Straftat <strong>in</strong> den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3,<br />
des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 310, 313, 314 oder 315 Abs. 3, des §<br />
315 Abs. 3 oder der §§ 316a oder 316c<br />
zu e<strong>in</strong>er Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt<br />
und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit Freiheitsstrafe<br />
bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
(2) Ebenso wird bestraft, wer von dem Vorhaben oder de Ausführung e<strong>in</strong>er Straftat nach § 129a zu<br />
e<strong>in</strong>er Zeit, zu der die Ausführung noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterläßt,<br />
der Behörde unverzüglich Anzeige zu erstatten.<br />
(3) Wer die Anzeige leichtfertig unterläßt, obwohl er von dem Vorhaben oder der Ausführung der<br />
rechtswidrigen Tag glaubhaft erfahren hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu e<strong>in</strong>em Jahr oder mit
Geldstrafe bestraft.<br />
- 5 -<br />
§ 139 (Straflosigkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten)<br />
(1) Ist <strong>in</strong> den Fällen des § 138 die Tat nicht versucht worden, so kann von Strafe abgesehen werden.<br />
(2) E<strong>in</strong> Geistlicher ist nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Eigenschaft als Seelsorger<br />
anvertraut worden ist.<br />
(3) Wer e<strong>in</strong>e Anzeige unterläßt, die er gegen e<strong>in</strong>en Angehörigen erstatten müßte, ist straffrei, wenn er<br />
sich ernsthaft bemüht hat, ihn von der tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden, es sei denn,<br />
daß es sich um<br />
1. e<strong>in</strong>en Mord oder Totschlag (§§ 211 oder 212),<br />
2. e<strong>in</strong>en Völkermord <strong>in</strong> den Fällen des § 220a Abs. 1 Nr. 1 oder<br />
3. e<strong>in</strong>en erpresserischen Menschenraub (§ 239a Abs. 1),<br />
e<strong>in</strong>e Geiselnahme (§ 239b Abs. 1) oder<br />
e<strong>in</strong>en Angriff auf den Luft- und Seeverkehr (§ 316c Abs. 1)<br />
durch e<strong>in</strong>e terroristische Vere<strong>in</strong>igung (§ 129a)<br />
handelt. Unter denselben Voraussetzungen ist e<strong>in</strong> Rechtsanwalt, Verteidiger oder Arzt nicht verpflichtet<br />
anzuzeigen, was ihm <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Eigenschaft anvertraut worden ist.<br />
(4) Straffrei ist, wer die Ausführung oder den Erfolg der Tat anders als durch Anzeige abwendet.<br />
Unterbleibt die Ausführung oder der Erfolg der Tat ohne Zutun des zur Anzeige Verpflichteten,<br />
so genügt zu se<strong>in</strong>er Straflosigkeit se<strong>in</strong> ernsthaftes Bemühen, den Erfolg abzuwenden.<br />
§ 203 (Verletzung von Privatgeheimnissen)<br />
(1) Wer unbefugt e<strong>in</strong> fremdes Geheimnis, namentlich e<strong>in</strong> zum persönlichen Lebensbereich gehörendes<br />
Geheimnis oder e<strong>in</strong> Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, deas ihm als<br />
1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen e<strong>in</strong>es anderen Heilberufs, der für die<br />
Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung e<strong>in</strong>e staatlich geregelte Ausbildung<br />
erfordert,<br />
2. Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlußprüfung,<br />
3. Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Verteidiger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gesetzlich geordneten Verfahren,<br />
Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten oder Organ<br />
oder Mitglied e<strong>in</strong>es Organs e<strong>in</strong>er Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-,<br />
Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft,<br />
4. Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beratungsstelle,<br />
die von e<strong>in</strong>er Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen<br />
Rechts anerkannt ist,<br />
4a. Mitglied oder Beauftragten e<strong>in</strong>er anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 bis 8 des<br />
Schwangerschaftskonfliktsgesetzes,<br />
5. staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem Sozialpädagogen oder<br />
6. Angehörigen e<strong>in</strong>es Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung<br />
oder e<strong>in</strong>er privatärztlichen Verrechnungsstelle<br />
Anvertraut worden ist sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu e<strong>in</strong>em Jahr oder<br />
mit Geldstrafe bestraft.<br />
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt e<strong>in</strong> fremdes Geheimnis, namentlich e<strong>in</strong> zum persönlichen<br />
Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder e<strong>in</strong> Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das<br />
ihm als
- 6 -<br />
1. Amtsträger,<br />
2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,<br />
3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt,<br />
4. Mitglied e<strong>in</strong>es für e<strong>in</strong> Gesetzgebungsorgan des Bundes oder e<strong>in</strong>es Landes tätigen Untersuchungsausschusses,<br />
sonstigen Ausschusses oder Rates, das nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans<br />
ist, oder als Hilfskraft e<strong>in</strong>es solchen Ausschusses oder Rates,<br />
5. öffentlich bestellten Sachverständigen, der auf die gewissenhafte Erfüllung se<strong>in</strong>er Obliegenheiten<br />
auf Grund e<strong>in</strong>es Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, oder<br />
6. Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung<br />
wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund e<strong>in</strong>es Gesetzes förmlich verpflichtet<br />
worden ist<br />
Anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. E<strong>in</strong>em Geheimnis im S<strong>in</strong>ne des Satzes 1 stehen<br />
E<strong>in</strong>zelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse e<strong>in</strong>es anderen gleich, die für<br />
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfaßt worden s<strong>in</strong>d; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden,<br />
soweit solche E<strong>in</strong>zelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen<br />
Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt.<br />
(3) E<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Absatz 1 Nr. 3 genannten Rechtsanwalt stehen andere Mitglieder e<strong>in</strong>er Rechtanwaltskammer<br />
gleich. Den <strong>in</strong> Absatz und Satz 1 Genannten stehen ihre berufsmäßig tätigen Gehilfen<br />
und die Personen gleich, die bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig s<strong>in</strong>d. Den <strong>in</strong> Absatz 1<br />
und den <strong>in</strong> Satz 1 und 2 Genannten steht nach dem Tod des zur Wahrung des Geheimnisses Verpflichteten<br />
ferner gleich, wer das Geheimnis von dem Verstorbenen oder aus dessen Nachlaß erlangt<br />
hat.<br />
(4) Die Absätze 1 bis 3 s<strong>in</strong>d auch anzuwenden, wenn der Täter das fremde Geheimnis nach dem Tod<br />
des Betroffenen unbefugt offenbart.<br />
(5) Handelt der Täter gegen Entgelt oder <strong>in</strong> der Absicht, sich oder e<strong>in</strong>en anderen zu bereichern oder<br />
e<strong>in</strong>en anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.<br />
StPO<br />
§ 53 StPO (Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen)<br />
(1) zur Verweigerung des Zeugnisses s<strong>in</strong>d ferner berechtigt<br />
1. Geistliche über das, was ihnen <strong>in</strong> ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden<br />
ist;<br />
2. Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen <strong>in</strong> dieser Eigenschaft anvertraut worden<br />
oder bekanntgeworden ist;<br />
3. Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater<br />
und Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychologische Psychotherapeuten, K<strong>in</strong>der-<br />
und Jugendpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen <strong>in</strong> dieser<br />
Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist, Rechtsanwälten stehen dabei sonstige<br />
Mitglieder e<strong>in</strong>er Rechtsanwaltskammer gleich;<br />
3a. Mitglieder oder Beauftragte e<strong>in</strong>er anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des<br />
Schwangerschaftskonfliktgesetzes über das, was ihnen <strong>in</strong> dieser Eigenschaft anvertraut worden<br />
oder bekanntgeworden ist;<br />
3b. Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beratungsstelle, die e<strong>in</strong>e Behörde<br />
oder e<strong>in</strong>e Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder<br />
bei sich e<strong>in</strong>gerichtet hat, über das, was ihnen <strong>in</strong> dieser Eigenschaft anvertraut worden oder<br />
bekanntgegeben worden ist.<br />
4. Mitglieder des Bundestages, e<strong>in</strong>es Landtages oder e<strong>in</strong>er zweiten Kammer über Personen, die
- 7 -<br />
ihnen <strong>in</strong> ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie <strong>in</strong> dieser Eigenschaft<br />
Tatsachen anvertraut haben sowie über diese Tatsachen selbst;<br />
5. Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken<br />
oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben, über die<br />
Person des Verfassers, E<strong>in</strong>senders oder Gewährsmanns von Beiträgen und Unterlagen sowie<br />
über die ihnen im H<strong>in</strong>blick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, soweit es sich um<br />
Beiträge, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil handelt.<br />
(2) Die <strong>in</strong> Absatz 1 Nr. 2 bis 3b Genannten dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der<br />
Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden s<strong>in</strong>d.<br />
ZPO<br />
§ 383 (Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen)<br />
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses s<strong>in</strong>d berechtigt:<br />
1. der Verlobte e<strong>in</strong>er Partei;<br />
2. der Ehegatte e<strong>in</strong>er Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;<br />
2a. der Lebenspartner e<strong>in</strong>er Partei, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;<br />
3. diejenigen, die mit e<strong>in</strong>er Partei <strong>in</strong> gerader L<strong>in</strong>ie verwandt oder verschwägert, <strong>in</strong> der Seitenl<strong>in</strong>ie<br />
bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert s<strong>in</strong>d oder waren;<br />
4. Geistliche <strong>in</strong> Ansehung desjenigen, was ihnen bei der Ausübung der Seelsorge anvertraut ist;<br />
5. Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken<br />
oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben, über die<br />
Person des Verfassers, E<strong>in</strong>senders oder Gewährsmanns von Beiträgen und Unterlagen sowie<br />
über die ihnen im H<strong>in</strong>blick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, soweit es sich um<br />
Beiträge, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil handelt;<br />
6. Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut s<strong>in</strong>d, deren<br />
Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, <strong>in</strong> betreff der<br />
Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht.<br />
(2) Die unter Nummern 1 bis 3 bezeichneten Personen s<strong>in</strong>d vor der Vernehmung auf ihr Recht zur<br />
Verweigerung des Zeugnisses zu belehren.<br />
(3) Die Vernehmung der unter Nummern 4 bis 6 bezeichneten Personen ist, auch wenn das Zeugnis<br />
nicht verweigert wird, auf Tatsachen nicht zu richten, <strong>in</strong> Ansehung welcher erhellt, daß ohne<br />
Verletzung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit e<strong>in</strong> Zeugnis nicht abgelegt werden kann.<br />
SGB V<br />
§ 73 (Kassenärztliche Vere<strong>in</strong>igung)<br />
(1) Die vertragsärztliche Versorgung gliedert sich <strong>in</strong> die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung.<br />
Die hausärztliche Versorgung be<strong>in</strong>haltet <strong>in</strong>sbesondere<br />
1. die allgeme<strong>in</strong>e und fortgesetzte ärztliche Betreuung e<strong>in</strong>es Patienten <strong>in</strong> Diagnostik und Therapie<br />
bei Kenntnis se<strong>in</strong>es häuslichen und familiären Umfeldes,<br />
2. die Koord<strong>in</strong>ation diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen,<br />
3. die Dokumentation, <strong>in</strong>sbesondere Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung der<br />
wesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären<br />
Versorgung,<br />
4. die E<strong>in</strong>leitung oder Durchführung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie die Integration<br />
nichtärztlicher Hilfen und flankierender Dienste <strong>in</strong> die Behandlungsmaßnahmen.
(1a) An der hausärztlichen Versorgung nehmen<br />
- 8 -<br />
1. Allgeme<strong>in</strong>ärzte,<br />
2. K<strong>in</strong>derärzte,<br />
3. Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung<br />
gewählt haben,<br />
4. Ärzte, die nach § 95a Abs. 4 und 5 Satz 1 <strong>in</strong> das Arztregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d und<br />
5. Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben,<br />
teil (Hausärzte).<br />
Die übrigen Fachärzte nehmen an der fachärztlichen Versorgung teil. Der Zulassungsausschuß kann<br />
für K<strong>in</strong>derärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung e<strong>in</strong>e von Satz 1 abweichende befristete<br />
Regelung treffen, wenn e<strong>in</strong>e bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. K<strong>in</strong>derärzte mit<br />
Schwerpunktbezeichnung können auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Der Zulassungsausschuß<br />
kann Allgeme<strong>in</strong>ärzten und Ärzten ohne Gebietsbezeichnung, die im Wesentlichen<br />
spezielle Leistungen erbr<strong>in</strong>gen, auf deren Antrag die Genehmigung zur ausschließlichen Teilnahme an<br />
der fachärztlichen Versorgung erteilen.<br />
(1b) E<strong>in</strong> Hausarzt darf mit schriftlicher E<strong>in</strong>willigung des Versicherten, die widerrufen werden kann,<br />
bei Leistungserbr<strong>in</strong>gern, die e<strong>in</strong>en se<strong>in</strong>er Patienten behandeln, die den Versicherten betreffenden Behandlungsdaten<br />
und Befunde zum Zwecke der Dokumentation und der weiteren Behandlung erheben.<br />
Die e<strong>in</strong>en Versicherten behandelnden Leistungserbr<strong>in</strong>ger s<strong>in</strong>d verpflichtet, den Versicherten nach<br />
dem von ihm gewählten Hausarzt zu ragen und diesem mit schriftlicher E<strong>in</strong>willigung des Versicherten,<br />
die widerrufen werden kann, die <strong>in</strong> Satz 1 genannten Daten zum Zwecke der bei diesem durchzuführenden<br />
Dokumentation und der weiteren Behandlung zu übermitteln; die behandelnden Leistungserbr<strong>in</strong>ger<br />
s<strong>in</strong>d berechtigt, mit schriftlicher E<strong>in</strong>willigung des Versicherten, die widerrufen werden<br />
kann, die für die Behandlung erforderlichen Behandlungsdaten und Befunde bei dem Hausarzt und<br />
anderen Leistungserbr<strong>in</strong>gern zu erheben und für die Zwecke der von ihnen zu erbr<strong>in</strong>genden Leistungen<br />
zu verarbeiten und zu nutzen. Der Hausarzt darf die ihm nach den Sätzen 1 und 2 übermittelten<br />
Daten nur zu dem Zweck verarbeiten und nutzen, zu dem sie ihm übermittelt worden s<strong>in</strong>d; er ist berechtigt<br />
und verpflichtet, die für die Behandlung erforderlichen Daten und Befunde an die den Versicherten<br />
auch behandelnden Leistungserbr<strong>in</strong>ger mit dessen schriftlicher E<strong>in</strong>willigung, die widerrufen<br />
werden kann, zu übermitteln. § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 bleibt unberührt. Bei e<strong>in</strong>em Hausarztwechsel<br />
ist der bisherige Hausarzt des Versicherten verpflichtet, dem neuen Hausarzt die bei ihm<br />
über den Versicherten gespeicherten Unterlagen mit dessen E<strong>in</strong>verständnis vollständig zu übermitteln;<br />
der neue Hausarzt darf die <strong>in</strong> diesen Unterlagen enthaltenen personenbezogenen Daten erheben.<br />
(1c) Die Spitzenverbände der Krankenkassen vere<strong>in</strong>baren mit der Kassenärztlichen Bundesvere<strong>in</strong>igung<br />
geme<strong>in</strong>sam und e<strong>in</strong>heitlich das Nähere, <strong>in</strong>sbesondere über Inhalt und Umfang der hausärztlichen<br />
Versorgung. Die Vertragsparteien regeln die Bed<strong>in</strong>gungen, zu denen K<strong>in</strong>derärzte und Internisten ohne<br />
Teilgebietsbezeichnung bis zum 31. Dezember 1995 sowohl an der hausärztlichen als auch an der<br />
fachärztlichen Versorgung teilnehmen können.<br />
(2) Die vertragsärztliche Versorgung umfaßt die<br />
1. ärztliche Behandlung,<br />
2. zahnärztliche Behandlung e<strong>in</strong>schließlich der Versorgung mit Zahnersatz; kieferorthopädische<br />
Behandlung nach Maßgabe des § 28 Abs. 2,<br />
3. Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,<br />
4. ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,<br />
5. Verordnung von mediz<strong>in</strong>ischen Leistungen der Rehabilitation, Belastungserprobung und Arbeitstherapie,<br />
6. Anordnung der Hilfeleistung anderer Personen,<br />
7. Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten sowie Kran-
- 9 -<br />
kenhausbehandlung oder Behandlung <strong>in</strong> Vorsorge- und Rehabilitationse<strong>in</strong>richtungen,<br />
8. Verordnung häuslicher Krankenpflege,<br />
9. Ausstellung von Besche<strong>in</strong>igungen und Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen oder<br />
der Mediz<strong>in</strong>ische Dienst (§ 275) zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder die die<br />
Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts benötigen,<br />
10. mediz<strong>in</strong>ische Maßnahmen zur Herbeiführung e<strong>in</strong>er Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1,<br />
11. ärztlichen Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,<br />
12. Verordnung von Soziotherapie.<br />
Die Nummern 2 bis 8, 10 bis 12 sowie 9, soweit sich diese Regelung auf die Feststellung und die Besche<strong>in</strong>igung<br />
von Arbeitsunfähigkeit bezieht, gelten nicht für Psychotherapeuten.<br />
(3) In den Gesamtverträgen ist zu vere<strong>in</strong>baren, <strong>in</strong>wieweit Maßnahmen zur Vorsorge und Rehabilitation,<br />
soweit sie nicht zur kassenärztlichen Versorgung nach Absatz 2 gehören, Gegenstand der kassenärztlichen<br />
Versorgung s<strong>in</strong>d.<br />
(4) Krankenhausbehandlung darf nur verordnet werden, wenn e<strong>in</strong>e ambulante Versorgung der Versicherten<br />
zur Erzielung des Heil- oder L<strong>in</strong>derungserfolgs nicht ausreicht. Die Notwendigkeit ist bei<br />
der Verordnung zu begründen. In der Verordnung von Krankenhausbehandlung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den geeigneten<br />
Fällen auch die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung<br />
geeigneten Krankenhäuser anzugeben. Das Verzeichnis nach § 39 Abs. 3 ist zu berücksichtigen.<br />
(5) Der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt und die ermächtigte ärztlich geleitete<br />
E<strong>in</strong>richtung sollen bei der Verordnung von Arzneimitteln die Preisvergleichsliste nach § 92 Abs.<br />
2 beachten und auf dem Verordnungsblatt ihre Entscheidung kenntlich machen, ob die Apotheke<br />
e<strong>in</strong> preisgünstigeres wirkstoffgleiches Arzneimittel anstelle des verordneten Mittels abgeben darf.<br />
Verordnet der Arzt e<strong>in</strong> Arzneimittel, dessen Preis den Festbetrag nach § 35 überschreitet, hat der<br />
Arzt den Versicherten über die sich aus se<strong>in</strong>er Verordnung ergebende Pflicht zur Übernahme der<br />
Mehrkosten h<strong>in</strong>zuweisen.<br />
(6) Zur kassenärztlichen Versorgung gehören Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten nicht,<br />
wenn sie im Rahmen der Krankenhausbehandlung oder der stationären Entb<strong>in</strong>dung durchgeführt<br />
werden, es sei denn, die ärztlichen Leistungen werden von e<strong>in</strong>em Belegarzt erbracht.<br />
(7) Über die Erbr<strong>in</strong>gung der ärztlichen Leistungen nach § 135 Abs. 1 Satz 4, die von e<strong>in</strong>er Krankenkasse<br />
nach § 56 Abs. 1 oder 2 als Satzungsleistung vorgesehen s<strong>in</strong>d, schließen die Partner der Gesamtverträge<br />
Vere<strong>in</strong>barungen.<br />
§ 140a (Integrierte Versorgung)<br />
(1) Integrierte Versorgungsformen auf Grund der Verträge nach §§ 140b und 140d ermöglichen e<strong>in</strong>e<br />
verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung der Versicherten. Das Versorgungsangebot<br />
und die Voraussetzungen se<strong>in</strong>er Inanspruchnahme ergeben sich aus dem Vertrag nach §<br />
140b und, soweit es die vertragsärztliche Versorgung e<strong>in</strong>schließt, aus den Rahmenvere<strong>in</strong>barungen<br />
nach § 140d.<br />
(2) Die Teilnahme der Versicherten an den <strong>in</strong>tegrierten Versorgungsformen ist freiwillig. E<strong>in</strong> behandelnder<br />
Leistungserbr<strong>in</strong>ger darf aus der geme<strong>in</strong>samen Dokumentation nach § 140b Abs. 3 die den<br />
Versicherten betreffenden Behandlungsdaten und Befunde nur dann abrufen, wenn der Versicherte<br />
ihm gegenüber se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>willigung erteilt hat, die Information für den konkret anstehenden<br />
Behandlungsfall genutzt werden soll und der Leistungserbr<strong>in</strong>ger zu dem Personenkreis gehört, der<br />
nach § 203 des Strafgesetzbuches zur Geheimhaltung verpflichtet ist.<br />
(3) Die Versicherten haben das Recht, von ihrer Krankenkasse umfassend über die Verträge zur <strong>in</strong>tegrierten<br />
Versorgung, die teilnehmenden Leistungserbr<strong>in</strong>ger, besondere Leistungen und vere<strong>in</strong>barte<br />
Qualitätsstandards <strong>in</strong>formiert zu werden. Dieses Recht besteht auch gegenüber den teilnehmenden<br />
Leistungserbr<strong>in</strong>gern und ihren Zusammenschlüssen.