Wir sind kein Rosengarten - Ensuite
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ensuite<br />
Nr. 53 Mai 2007 | 5. Jahrgang<br />
k u l t u r m a g a z i n<br />
<strong>Wir</strong> <strong>sind</strong> <strong>kein</strong><br />
<strong>Rosengarten</strong> Seite 4<br />
Theaterfestival AUAWIRLEBEN!<br />
David Lynchs<br />
Alptraumbilder Seite 23<br />
Wovon «Inland Empire» handle,<br />
wisse er selber auch nicht genau...<br />
Von Spider-Man 3<br />
zu Top Gun Seite 1 - 88<br />
Viel Action in Bern
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Le Parkour II<br />
Für Kinder und Erwachsene<br />
Ein amüsanter abenteuerlicher Rundgang um die<br />
Landschaftsskulptur und das Zentrum Paul Klee.<br />
Samstag 12. Mai, 9. und 23. Juni<br />
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<strong>Wir</strong> machen<br />
aus Gedanken<br />
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Expressionismus<br />
aus den Bergen<br />
Kirchner, Bauknecht, Wiegers und die Gruppe Rot-Blau<br />
27. April – 19. August 2007<br />
Unterstützt durch:
Impressum<br />
Herausgeber: Verein WE ARE, Bern Redaktion: Lukas Vogelsang<br />
(vl); Stephan Fuchs (sf); Anna Vershinova (av) // Claudia Badertscher<br />
(cb), Andrea Baumann (ab), Peter J. Betts (pjb), Jean-Luc<br />
Froidevaux (jlf), Till Hillbrecht (th), Michael Imoberdorf (mi), Sonja<br />
Koller (sk), Andy Limacher (al), Belinda Meier (bm), Monique<br />
Meyer (mm), Eva Mollet (ev), Magdalena Nadolska (man), Marta<br />
Nawrocka (mn), Eva Pfi rter (ep), Nicolas Richard (nr), Caroline<br />
Ritz (cr), Benedikt Sartorius (bs), Monika Schäfer (ms), Anne-<br />
Sophie Scholl (ass), Karl Schüpbach (ks), Sarah Stähli (ss), Tabea<br />
Steiner (ts), Kathrina von Wartburg (kvw), Simone Wahli (sw),<br />
Sonja Wenger (sjw) Cartoon: Bruno Fauser, Bern; Telefon 031 312<br />
64 76 Kulturagenda: kulturagenda.ch; ensuite - kulturmagazin,<br />
Bewegungsmelder AG, allevents, Biel; Abteilung für Kulturelles<br />
Biel, Abteilung für Kulturelles Thun, interwerk gmbh. Korrektorat:<br />
Monique Meyer (mm)<br />
Abonnemente: 58 Franken für ein Jahr / 11 Ausgaben. Abodienst:<br />
031 318 60 50<br />
ensuite – kulturmagazin erscheint monatlich. Aufl age: 10‘000<br />
Anzeigenverkauf: anzeigen@ensuite.ch Layout: interwerk gmbh:<br />
Lukas Vogelsang Produktion & Druckvorstufe: interwerk gmbh,<br />
Bern Druck: Fischer AG für Data und Print Vertrieb: Gratisaufl age<br />
an 350 Orten im Kanton Bern; passive attack, Telefon 031 398<br />
38 66 Web: interwerk gmbh<br />
Hinweise für redaktionelle Themen (nicht Agendaeinträge!)<br />
erwünscht bis zum 11. des Vormonates. Über die Publikation<br />
entscheidet die Redaktion. Bildmaterial digital oder im Original<br />
beilegen.<br />
Agendahinweise bis spätestens am 18. des Vormonates. Redaktionsschluss<br />
der Ausgabe ist jeweils am 18. des Vormonates.<br />
(siehe auch www.ensuite.ch - menü: veranstalter)<br />
Die Redaktion ensuite - kulturmagazin ist politisch, wirtschaftlich<br />
und ethisch unabhängig und selbständig. Die Texte repräsentieren<br />
die Meinungen der Autoren/innen, nicht jene der Redaktion.<br />
Copyrights für alle Informationen und Bilder liegen beim Verein<br />
WE ARE in Bern und der edition ■ ensuite.<br />
Redaktionsadresse:<br />
ensuite – kulturmagazin<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Telefon 031 318 6050<br />
mail: redaktion@ensuite.ch<br />
www.ensuite.ch<br />
Bild Titelseite und links:<br />
Spider-Man 3 - Im Kino... (oder in diesem Heft: Seite 25)<br />
Fotos: zVg.<br />
ensuite im Mai<br />
■ Ich darf zur Berner Kulturszene nichts mehr<br />
sagen. Schliesslich erzählen böse Zungen herum,<br />
dass ich die Kultur «nicht liebe» und gegen die<br />
VeranstalterInnen – oder eben «nicht auf ihrer Seite»<br />
- bin. Überhaupt «hasse» ich die Kultur. Als ob<br />
ich mich fünf Jahre erfolgreich mit ensuite – kulturmagazin<br />
abmühe, sozusagen aus Langeweile.<br />
Was für ein Blödsinn.<br />
Kultur ist immer Politik, hat immer mit Macht<br />
zu tun, weil wir aus unserer kulturellen Ansicht und<br />
Existenz heraus Entscheide fällen. Kultur fi ndet<br />
dort statt, wo Menschen ihre Existenz defi nieren<br />
und Kultur verliert genau da ihren <strong>Wir</strong>kungskreis,<br />
wo die Käufl ichkeit einsetzt, also wo durch Geldversprechen<br />
eine Gemeinschaft eingekauft wird.<br />
Kultur MUSS und KANN nur sozialisierend und<br />
menschenvereinend sein – wenn dies nicht mehr<br />
zutrifft, gibt es an diesem Ort <strong>kein</strong>e gesunde Gesellschaftsstruktur<br />
mehr. Ob diese Gemeinschaften<br />
durch klassische Musik, die Fasnacht oder Parties<br />
erreicht werden, ist soweit unwesentlich. Logisch,<br />
dass jeder Eingriff der öffentlichen Hand – auch<br />
durch die sponsorfi nanzstarken <strong>Wir</strong>tschaftsmächte<br />
- heute dieses Leben mitdefi nieren. Vor zehn<br />
Jahren war «künstlerische Freiheit» noch ein Begriff,<br />
heute ist das kaum noch verständlich. Heute<br />
wollen Kulturschaffende Lohn und die Veranstalter<br />
ein volles Haus. Die Tagesmedien drucken polarisierende<br />
Politiker, welche über Songtexte und<br />
Karikaturen bestimmen, oder sie drucken «Z», ein<br />
Lifestylemagazin der «NZZ», welches uns suggeriert,<br />
dass Kultur nur noch luxuriöser Style ist.<br />
Kommerzkultur und Spasskultur, Geld über alles,<br />
statt Kultur. Oder ist dies wirklich der Spiegel der<br />
Gesellschaft? Die Kulturszene hält schweigend die<br />
hohle Hand hin. Die Zeit wird wieder kommen, in<br />
welcher wir «Freiheit» in die Strassen rufen und<br />
die Menschen ohnmächtig umfallen. Die Zeit wird<br />
kommen, wo wir versuchen werden, unseren Kindern<br />
zu erklären, wer und was wir <strong>sind</strong>.<br />
Meine Emotionalität bezüglich Kultur zeigt,<br />
dass ich mich persönlich betroffen fühle und darin<br />
eben lebendig bin. Es lässt mich nicht kalt. Mein<br />
Unmut über gewisse Veränderungen braucht Bewegungsfreiheit<br />
und Diskussion. Die Gesellschaft<br />
ist mir nicht egal und das hat nichts mit Idealisierung<br />
zu tun, wir mir oft vorgeworfen wird. Das ist<br />
meine Kultur.<br />
Lukas Vogelsang<br />
Chefredaktor<br />
INHALT<br />
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
wir <strong>sind</strong> <strong>kein</strong> rosengarten 4 | im trend <strong>sind</strong> 29<br />
LITERATUR<br />
buchpräsentation karl buchholz 10 | marina lewycka,<br />
ian mc ewan, jacques le goff / nicolas<br />
truong 13 | filosofenecke 14 | der gotthelfhandel<br />
- ein plädoyer für eine literatur, die etwas zu sagen<br />
hat 14<br />
BÜHNE<br />
fragmente einer früheren frauenbeziehung 6 |<br />
...oder war‘s ein traum? 7 | top gun 9<br />
KINO / FILM<br />
formvollendetes fürchten mit david lynch 23 |<br />
sunshine 24 | goodbye bafana 24 | spider-man<br />
3 25 | das andere kino 26<br />
MUSIK<br />
vipern - eine mörderische begierde in vier akten<br />
8 | projektorchester «my_age_night» 10 | musikfestival<br />
bern - veress 07: das dicke ende 11 | im<br />
alltagsgeräusch liegt die würze 16 | die musikalische<br />
kilbiwiese 18 | cd-tipps 19 | ECM listening<br />
post 19 | konzert-tipp 20 | eine band, so charmant<br />
wie der sommer 20<br />
LIFESTYLE<br />
insomnia 21 | fair made - fair trade - fair price 32<br />
| stadt und land: ...und im pass steht «gärtner»<br />
33 | reiseziel hotel: schokoladenhotel «cailler»<br />
im greyerzerland 35<br />
DIVERSES<br />
stadtläufer 17 | klimawandel in bern 21 | tratschundlaber<br />
25 | berner kulturmenschen: die<br />
wahrscheinlichkeit des glücks 30 | von menschen<br />
und medien / fauser cartoon 31 | jetzt aber<br />
mal langsam 34<br />
KULTUR-PUBLIREPORTAGE<br />
surreales und seelenheilende musik von ars vitalis<br />
und kud meya 57 | cîrqu‘enflex & körpertexte<br />
63 | neues vom ensemble paul klee 69<br />
STADT THUN<br />
was tun gegen gewalt an schulen? ist sterbehilfe<br />
legitim? 86<br />
KULTURAGENDA<br />
kulturagenda bern 53 | biel 81 | thun 85<br />
Kunstbeilage:<br />
artensuite ab Seite 37<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 3
fokus<br />
BÜHNE<br />
wir <strong>sind</strong> <strong>kein</strong> rosengarten<br />
Von Michael Imoberdorf - Ein Gespräch mit Beatrix Bühler von AUAWIRLEBEN (Bild: zVg.)<br />
■ Noch bis zum 6. Mai 2007 fi ndet die 25. Ausgabe<br />
des zeitgenössischen Theatertreffens AUAWIR-<br />
LEBEN statt. Seit einem Vierteljahrhundert bringt<br />
das Festival jährlich herausragende und aktuelle<br />
Theaterproduktionen nach Bern. So auch im Jubiläumsjahr<br />
(siehe Kasten am Ende des Interviews).<br />
ensuite - kulturmagazin traf sich mit Beatrix Bühler<br />
von AUAWIRLEBEN.<br />
Dieses Jahr fi ndet die 25. Aufl age des Berner<br />
Theatertreffens AUAWIRLEBEN statt. Kommen<br />
da Sentimentalitäten und nostalgische Gefühle<br />
auf?<br />
Nein, überhaupt nicht. Jubiläum ist für uns...<br />
also ... wir <strong>sind</strong> natürlich schon stolz und sagen uns<br />
«hei, das 25. Mal und das Projekt hat sich immer<br />
noch nicht abgelebt - sondern ist noch ziemlich lebendig.»<br />
Oder sogar sehr lebendig – vielleicht sogar<br />
lebendiger als früher. Aber das hat überhaupt<br />
nichts mit Geburtstagskuchen oder Champagner<br />
zu tun. <strong>Wir</strong> blicken eigentlich nicht zurück, weil wir<br />
leben hier und jetzt. Im Augenblick.<br />
«Nomen est Omen.» «Der Name ist Maxime<br />
unseres Programms.» Dies <strong>sind</strong> zwei Zitate, die<br />
auf der offi ziellen Homepage des Festivals zu lesen<br />
<strong>sind</strong>. Was assoziierst Du persönlich mit dem<br />
Begriff AUAWIRLEBEN?<br />
AUAWIRLEBEN ist für mich ein typisch ambivalenter<br />
Begriff. Er ist zerrissen - balanciert irgendwo<br />
zwischen Schmerz und Lebenslust. Die<br />
4<br />
drei Buchstaben «AUA» stehen für Schmerz und<br />
Provokation. Täglich lese ich Nachrichten, die mich<br />
denken lassen: «Mensch, dass ist ja unglaublich.»<br />
Nimm doch nur mal die Arbeiter aus Haiti in den<br />
Zuckerrohrplantagen der Dominikanischen Republik,<br />
die heute noch wie Sklaven gehalten werden.<br />
So etwas darf doch in unserer Welt nicht wahr sein!<br />
Aber auch hier in Bern - in unserem eigenen Alltag<br />
- erleben wir immer wieder Sachen, die man kaum<br />
glauben kann. Die drei Buchstaben AUA stehen für<br />
solch alltägliche Ängste, Schmerzen und Unsicherheiten;<br />
WIRLEBEN setzt diesen unsere Lebenslust<br />
und unseren Lebenswillen entgegen: Lust gegen<br />
Frust! Der Name passt zum Festival, weil wir mit<br />
unserem Programm versuchen, die Realität nicht<br />
nur aus einem Blickwinkel zu betrachten, sondern<br />
wir richten den Fokus innerhalb einer bestimmten<br />
Thematik auf den lebendigen Widerspruch, auf die<br />
verschiedensten Facetten zwischen AUA und WIR-<br />
LEBEN.<br />
Hat sich die Theaterpraxis in den letzten 25<br />
Jahren stark verändert?<br />
Oh ja, und wie! Das hat sicher einerseits mit der<br />
Entwicklung im künstlerischen Bereich selbst zu<br />
tun. Theater bleibt in der Zeit nicht stehen, sondern<br />
seine Formsprache und Ästhetik entwickeln<br />
und verändern sich mit der Wahrnehmung von Realität.<br />
Heute haben wir beispielsweise ein ganz anderes<br />
Zeitgefühl als noch vor zwanzig Jahren. Die<br />
weltweite Vernetzung bringt einen neuen Lebensrhythmus<br />
mit sich und dieser färbt auch auf die<br />
Theatersprache ab. Und es gibt eine zweite grosse<br />
Veränderung: Früher waren Theater, Tanz, Musik,<br />
Bildende Kunst usw. spartenweise eher scharf<br />
getrennt - heute verschiebt und mischt sich das,<br />
auch personell, immer mehr in Richtung performativ<br />
Experimentelles. Dies ist ein hochspannender<br />
Prozess ohne Berührungsängste.<br />
Aus welchen Altersklassen setzt sich das<br />
Publikum von AUAWIRLEBEN zusammen und<br />
hat sich die Zusammensetzung im Verlauf der<br />
Geschichte des Festivals verändert?<br />
Unser Publikum ist ziemlich bunt, die Zusammensetzung<br />
verändert sich, sogar von Aufführung<br />
zu Aufführung. Andererseits gibt es Zuschauer,<br />
die uns bereits seit den Anfängen von AUAWIR-<br />
LEBEN begleiten. Beispielsweise kenne ich eine<br />
junge Frau, die übrigens jetzt gerade in Zürich die<br />
Theaterschule abschliesst, die mit dem Festival, im<br />
Schlepptau ihrer Eltern, grossgeworden ist. Noch<br />
heute kann sie sich an Stücke und besonders eindrückliche<br />
Theatermomente erinnern. Dann gibt<br />
es auch Zuschauer, die eine bestimmte Aufführung<br />
besuchen, weil sie ein spezifi sches Thema oder<br />
eine bestimmte Produktion besonders interessiert.<br />
Erfreulich ist, dass auch extrem viele junge Leute<br />
kommen. Ich würde sogar behaupten, die Altersgrenze<br />
senkt sich – es gab in der Geschichte von<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
AUAWIRLEBEN noch nie so viele junge Zuschauer<br />
wie in den letzten Jahren.<br />
Dieses Jahr steht das Festival unter dem<br />
Motto «NEUROPA». Was ist eigentlich zuerst:<br />
Spielplan oder Motto?<br />
Spielplan und Thema des Festivals entwickeln<br />
sich in einem bewegten Prozess, dialektisch – wie<br />
man so schön sagt. Einerseits lebt man ja selbst<br />
in dieser Welt und erfährt permanent, was sich<br />
wie und wo bewegt, ob politisch oder sozial, ob<br />
gesellschaftlich oder auf das Individuum bezogen,<br />
ob massiv oder banal. Und man entdeckt, was die<br />
Gesellschaft über die Tagespolitik hinaus beschäftigt.<br />
Andererseits scheint aber «das Theater» zu<br />
spüren, was neuralgische Punkte <strong>sind</strong>: Oft setzen<br />
sich verschiedenste Theatergruppen und Spielpläne<br />
mit ähnlichen thematischen Tendenzen auseinander.<br />
Allmählich macht es dann «klick» und das<br />
Aua-Thema, der «Code» für die Fahrtrichtung ist<br />
geboren.<br />
Auf der Homepage wird das Ziel von AUA-<br />
WIRLEBEN mit dem Satz «<strong>Wir</strong> <strong>sind</strong> auf der Suche<br />
nach einem Theater, das auf der Höhe der<br />
Zeit und ihr voraus ist und das sich ins gesellschaftliche<br />
Leben einmischt» umrissen. Inwieweit<br />
glaubst Du, kann Theater den Alltag beeinfl<br />
ussen?<br />
Ganz einfach, indem Theater den Alltag unterbricht.<br />
Und festgefahrene Wahrnehmungsmuster<br />
ins Schleudern bringt. Man muss sich das mal vorstellen,<br />
da kommen 50 bis 200 Leute zusammen,<br />
die sich vielleicht noch nicht mal kennen, schalten<br />
ihr Handy ab und erleben zusammen ein Stück<br />
künstlerisch aufbereitete Lebenswelt. Lassen sich<br />
irritieren, überraschen, provozieren, anregen, aufregen,<br />
erheitern, berühren. Das ist einzigartig,<br />
zumal Theater <strong>kein</strong>e Grenzen kennt. Es hat, im Gegensatz<br />
zu den realen und oft trockenen Alltagsgeschäften<br />
oder einer unkreativen Realpolitik, alle<br />
Freiheiten im künstlerischen Zugriff auf unsere Lebenswelt.<br />
Theater kann alle Perspektiven in Szene<br />
setzen, die einzige Bedingung: es muss uns betreffen,<br />
lustvoll treffen. Sonst ist Langeweile angesagt<br />
oder so eine nett unverbindliche Abendunterhaltung.<br />
<strong>Wir</strong> treffen uns dieses Jahr bei AUAWIRLE-<br />
BEN mit Europa, dem ‹neuen› Europa oder Neuropa.<br />
Riesenthema, und für die Schweiz mit ihrer<br />
EU-Abstinenz speziell brisant. Aber für was steht<br />
dieser Begriff ‹Europa› denn? Migration, Fremdsein,<br />
Entwicklung der Arbeit usw. <strong>sind</strong> nicht neu,<br />
sie durchziehen die Weltgeschichte und waren bei<br />
AUA immer präsent. Aber sie erhalten eine andere<br />
Brisanz. Grenzen werden neu verlegt, ich meine<br />
jetzt nicht unbedingt die politisch-geografi sche Europagrenze,<br />
sondern Grenzen, die mitten durch die<br />
Gesellschaft gehen. Unser Programm versucht mit<br />
elf Produktionen die unterschiedlichsten Zugriffe.<br />
Sowohl ästhetisch wie thematisch. Das reicht von<br />
der rasanten Politgroteske bis zum fragilen Short-<br />
Cut, vom gerockten europäischen Urmythos Ödipus<br />
bis zur provokativen Präsentation eines neuen<br />
Lebensgefühls.<br />
Nach welchen Kriterien wird eigentlich der<br />
Spielplan von AUAWIRLEBEN zusammengestellt?<br />
Was wir wirklich nicht machen ist, einfach Produktionen<br />
von der Festivalschiene downzuladen.<br />
<strong>Wir</strong> <strong>sind</strong> auf ganz verschiedenen Ebenen zugange,<br />
da gibt es erst mal massenweise Spielpläne und<br />
laufende Ankündigungen zu durchforsten, Kritiken,<br />
Dossiers, Websites. Was machen feste Häuser, was<br />
macht die freie Szene? Und dann, das Wichtigste,<br />
wir schauen uns sehr, sehr, sehr viel Produktionen<br />
an, das heisst wir <strong>sind</strong> immer unterwegs. Und<br />
man muss, um ein Festival wie AUAWIRLEBEN zu<br />
organisieren, ein ungeheuer grosses Kontaktnetz<br />
in der «Theaterwelt» aufbauen, in dem man «surfen»<br />
kann. Das funktioniert wie ein Buschtelefon:<br />
«Das musst du dir unbedingt ansehen, das könnte<br />
etwas für euch sein!» Trotzdem behalten wir unseren<br />
eigenen Kopf, manchmal auch Dickkopf. Und<br />
zu guter Letzt ist auch täglich unser Postfach und<br />
die Mailbox voll mit Anfragen: «<strong>Wir</strong> wollen dieses<br />
und jenes Projekt, habt ihr Interesse?» oder «<strong>Wir</strong><br />
haben dies und das gemacht, kommt doch mal<br />
schauen.»<br />
AUAWIRLEBEN zeigt experimentelles Theater.<br />
Das Naturell des Experiments schliesst die<br />
Möglichkeit des Scheiterns mit ein. Gab es in<br />
der Geschichte von AUAWIRLEBEN Produktionen,<br />
die scheiterten?<br />
Durchaus. Unser Programm ist eine Mixtur aus<br />
bestehenden Produktionen, die wir je nach Visionierung<br />
einladen, und aus Co-Produktionen, an denen<br />
wir uns selbst beteiligen. Das heisst, im ersten<br />
Fall kennen wir also die Inszenierung, und man hat<br />
bereits am eigenen Leib die Faszination einer Aufführung<br />
erlebt. Trotzdem kann es dann bei AUA<br />
plötzlich schiefgehen. Das liegt ganz einfach daran,<br />
dass sich Theater nun mal nicht konservieren<br />
lässt: das kann manchmal nur eine schlechte Tagesform<br />
sein, oder die Produktion wurde früh von<br />
uns gesichtet und mittlerweile kaum gespielt und<br />
der «Spirit» ist wie weggeblasen. Aber auch das<br />
Gegenteil ist möglich, dass eine Gruppe am Festival<br />
noch mal zulegt und richtig aufblüht. Nimm<br />
zum Beispiel, letztes Jahr bei uns im Programm,<br />
«Das Eis» von Alvis Hermanis: Ich habe die Gruppe<br />
in Frankfurt nicht so phänomenal spielen sehen<br />
wie dann bei Aua! Das war eine Sternstunde! Oder<br />
richtiger, dreieinhalb Sternstunden, so lange dauerte<br />
das Stück.<br />
Bei Co-Produktionen liegt die Sache anders.<br />
Künstler stellen uns konkrete Projekte vor, und<br />
wenn uns die Gruppe und ihr Konzept überzeugt,<br />
steigen wir ein. Die Produktion kommt dann entweder<br />
direkt bei uns am Festival heraus oder zu<br />
einem Zeitpunkt, wo das Festivalprogramm schon<br />
steht. Wenn wir uns also an einem Projekt beteiligen,<br />
teilen wir auch das Risiko. Klar, das Projekt<br />
kann vielleicht scheitern. Scheitern gehört zum<br />
Theater, Theater kann am wenigsten das Gelingen<br />
vorprogammieren. Und ausserdem gibt es total<br />
verschiedene Arten des Scheiterns. Eine Produktion<br />
kann grandios scheitern, man schaut gebannt<br />
der Aufführung zu - was da auf der Bühne abgeht,<br />
ist ungeheuer mutig und eigenwillig, aber kriegt<br />
einfach nicht die Kurve. Oder das langweilige<br />
Scheitern, man empfi ndet den Abend als steril,<br />
verstaubt, als Wiederholung des immer Gleichen.<br />
Gibt es eine bestimmte Produktion im diesjährigen<br />
Spielplan, die Dir besonders am Herzen<br />
liegt?<br />
Ich glaube, man hat am meisten vom Festival,<br />
wenn man möglichst viele Produktionen sieht.<br />
Wie bei einem Kaleidoskop öffnet jede Aufführung<br />
einen anderen Blick auf die <strong>Wir</strong>klichkeit. Es ist<br />
hochspannend zu sehen, wie sich die verschiedenen<br />
Perspektiven der elf Produktionen zu einem<br />
jeweils neuen Bild der Realität zusammensetzen.<br />
Wie das eine mit dem anderen zusammenhängt.<br />
Mit dem Festivalpass bieten wir zudem ein extrem<br />
günstiges Angebot, alle Produktionen zu sehen.<br />
AUAWIRLEBEN ist eine tolle Chance, um mit geringem<br />
fi nanziellen Aufwand viel gutes Theater zu<br />
erleben.<br />
Auf der offi ziellen Homepage wird das Festival<br />
allegorisch als «hartnäckiges Unkraut, das<br />
jeweils zehn Tage im Jahr dem bestehenden<br />
Blumenmeer entgegenwirkt» charakterisiert.<br />
Das hat ein Kollege von mir geschrieben. Ich<br />
glaube schon, dass AUAWIRLEBEN etwas Wildwuchs-<br />
und Unkrauthaftes hat. Obwohl AUAWIR-<br />
LEBEN heute ein etabliertes Festival ist, ist es nicht<br />
etwa ein <strong>Rosengarten</strong>; bei uns gibt es <strong>kein</strong>e abgezirkelteten<br />
Blumenbeete und wir brauchen <strong>kein</strong>e<br />
Gartenzäune.<br />
Beatrix Bühler, besten Dank für das Interview.<br />
Spielplan von AUAWIRLEBEN, Mai<br />
Liebes Ferkel, ... Briefe an eine Hure: Di., 1.5.;<br />
Ostmark: Di., 1.5. und Mi., 2.5.; Schweiz küsst<br />
Türkei: Di, 1.5. und Mi., 2.5.; Orpheus, illegal: Mi.<br />
2.5. und Do., 3.5.; Nafta!: Fr., 4.5. und Sa. 5.5.;<br />
Montana: Sa., 5.5. und So., 6.5.; Head over heels<br />
/ cu capu’n nori: Sa., 5.5. und So., 6.5.<br />
Rahmenprogramm (in der Turnhalle im Progr)<br />
Bis zum 4. Mai 07 präsentieren eingeladene<br />
MusikerInnen, Autoren/Autorinnen und PerformerInnen<br />
allabendlich (ausser sonntags)<br />
zwischen 22:00 und 22:15 h ihr favorisiertes<br />
Europa(traum)land (Eintritt frei!). Am Freitag,<br />
den 4. Mai, steigt ab 22:00 h die grosse AUA WIR<br />
FEIERN – Europaparty. Die Turnhalle ist übrigens<br />
auch der Ort, an dem sich SchauspielerInnen,<br />
Regisseure usw. während des Festivals bevorzugt<br />
aufhalten und ist somit der ideale Treffpunkt für<br />
KünstlerInnen und Publikum<br />
Weitere Informationen zu Stücken, Spielorten,<br />
Vorverkauf usw. fi nden sich auf der offi ziellen<br />
Homepage von AUAWIRLEBEN:<br />
www.auawirleben.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 5
veranstaltungen<br />
BÜHNE<br />
fragmente einer früheren<br />
frauenbeziehung<br />
Von Jean-Luc Froidevaux (Bild zVg.)<br />
■ Catriona steht im neonbeleuchteten Keller. Sie<br />
führt eine mit Landschaftsmotiven bemalte Porzellantasse<br />
an ihre Lippe, deutet das Nippen an,<br />
indem sie kaum sichtbar ihr Handgelenk dreht:<br />
«..das kann jedem mal passieren, dass er Geschirr<br />
zerschlägt, aber man sagt es!» Sie setzt die Tasse<br />
so sanft auf den Unterteller ab, als baue sie an einem<br />
fragilen Kartenhaus, während sie sich Brigitta<br />
zuwendet, die etwas abseits auf einem schweren<br />
Holzstuhl sitzt. Im hinteren Teil der improvisierten<br />
Bühne türmen sich Blumenkisten zu einer durchbrochenen<br />
Mauer, in deren Ritzen, die sonderbarsten<br />
Gegenstände stecken. Requisiten. Griffe von<br />
Silbermesser schlagen mit metalligem Geräusch<br />
aneinander, als Brigitta sie trockenreibt: «Das Fräulein<br />
hat immer darum gebeten, Sorge zu tragen....»<br />
Brigitta wägt die Vorteile als Magd zu arbeiten gegen<br />
dessen Nachteile ab. «Die im Büro <strong>sind</strong> halt<br />
besser angesehen und in der Drogerie nennen sie<br />
ein Fräulein..» schwärmerisch: «...Fräulein Schnyder.»<br />
«Ich werde ein Pferd kaufen!» Catriona tut<br />
einen energischen Schritt auf Brigitta zu, stockt,<br />
wendet sich nach vorne «Nein, nein. Ich fi nde das<br />
kommt jetzt zu stark aus dem ‹fuuuiiiiii›», bläst<br />
Luft durch ihre Backen und malt mit den Armen<br />
Kreise in die Höhe. Vorne im Raum sitzen Elsabe,<br />
Jeannette und Chasper und beobachten jede Regung<br />
der beiden Frauen. Elsabe fi xiert ihren Körper<br />
am äussersten Rand des Stuhls, angespannt<br />
wie eine Saite über einem Instrument. Der Tisch ist<br />
mit Papieren übersät; Biographien, Interviewzitate,<br />
fi ktive Dialoge, die Stefanie geschrieben hat. Verstehen<br />
die Zuschauer, dass das Fräulein das Pferd<br />
erwähnt, weil sie befürchtet, Marie, die Magd, wolle<br />
sie verlassen? «Ich gebe eine Version», Catriona<br />
setzt nochmals ein: «Marie...Marie. Ich werde ein<br />
Pferd kaufen!» Sie wechselt die Intonation, die Gewichtung,<br />
den Rhythmus. Wie viele Bedeutungen<br />
6<br />
so ein simpler Satz haben kann! Elsabe notiert in<br />
ihren Text: «Die Frage ist: wann musst Du sie ansprechen?<br />
Du denkst, sie will gehen.» Schwierig<br />
abzustimmen, da Brigitta hinter Catriona sitzt, sie<br />
sie nicht sieht. «Sollte ich für diese Arbeit nicht<br />
noch einen Kübel haben, Chasper?» Gemeinsam<br />
entscheidet man sich gegen weitere Requisiten.<br />
Die beiden Darstellerinnen setzen sich zu den anderen<br />
und schreiben in ihre Textblätter. «Wie hart<br />
ist der Mundart-Ausdruck ‹Schimpfen› eigentlich?»<br />
Und das ‹Fräulein Schnyder› kennt man ja bloss als<br />
‹Marie›. «Kommt die Stelle, wo sie vom Weggehen<br />
spricht nicht sowieso vor dieser?» Catriona setzt<br />
ihre silbern gefasste, fi ligrane Lesebrille auf und<br />
durchsucht den Berg Papiere während im Hintergrund<br />
Chasper zwei Blumenbeete neu auftürmt.<br />
Ein Bleistift rollt über den Holzbelag, rattert durch<br />
die Stille der Gedanken. Gedanken darüber, wie<br />
aus lauter Fragmenten ein, nein zwei Leben, eine<br />
Beziehung erzählt werden kann? Welche Fragmente<br />
im fertigen Stück vorkommen werden? Wie sie<br />
miteinander in Beziehung gebracht werden?<br />
«Licht für das nächste Bild!» Brigitta schüttet<br />
Erde in ein Blumenbeet, lockert und verteilt<br />
sie mit den Händen, Catriona sitzt auf dem Stuhl<br />
und kritzelt auf einen Block. «Ist das jetzt noch<br />
Catriona oder schon das Fräulein?» «Ich dachte,<br />
das Fräulein sollte auch einmal etwas tun....könnte<br />
ja sein, dass ich Aufgaben notiere...oder etwas inventarisiere»,<br />
sie steht auf und läuft herum «Nein,<br />
das sieht aus, als würdest Du Gedichte schreiben.»<br />
Catriona übertreibt das Spiel, indem sie stehenbleibt,<br />
in einem fi ktiven Himmel nach Formulierungen<br />
sucht. Lachen. Sie diskutieren darüber, dass<br />
Marie immer an der Arbeit gezeigt wird. Jeannette<br />
meint, man könne dies durch eine Skulptur mit angehäuften<br />
Ausstössen davon ad absurdum führen,<br />
etwa ein Haufen gerüsteter Rübli. Eine Idee gibt die<br />
andere. Lachen, Husten, das Knistern eines Schokoladepapiers.<br />
Und schliesslich wieder Ruhe. «Auf<br />
Position!» Brigitta muss jetzt im Vordergrund auf<br />
den Knien an ihren Blumenbeeten weiterarbeiten,<br />
während Catriona aus dem imaginierten Liegestuhl<br />
mit ihr den Dialog spricht. «Könnte man die<br />
Blumenbeete nicht als Grab lesen, so missverstehen,<br />
als ob Marie am Tod des Fräuleins arbeitet?»<br />
«Das ist jetzt aber weit her geholt.» «Und wenn<br />
über die Aufführungen hinweg aus der Blumenkiste<br />
etwas wachsen würde?» Brigitta sichtbar unwohl<br />
auf ihren Knien: «Ich lasse jetzt den Anfang<br />
mit der Rosi mal weg, sonst stimmt der Anschluss<br />
nicht, das ist ja eine andere Ebene. Wie markieren<br />
wir den Wechsel von der Erzählung zur Spielszene?»<br />
«Wie wäre es mit einem harten Schnitt?»<br />
Catriona dreht den Stuhl um und sitzt verkehrt herum<br />
drauf. «....sollte diese Passage nicht vom Band<br />
eingespielt werden?» Irgendwo gab es doch noch<br />
den Satz mit dem Soldaten, in den sie sich verliebt<br />
hat, der würde hierhin passen. Erneut werden Seiten<br />
geblättert, gedreht und wieder gemischt, als<br />
gälte es, die Lebensgeschichten der beiden Frauen<br />
ineinanderzufalten. Elsabe wird ihre Karteikarten<br />
mit den Textfragmenten mitbringen zur nächsten<br />
Probe.<br />
Fragmentarische Aufzeichnungen der Proben<br />
zum Theaterstück «Die Magd und ihr Fräulein» mit<br />
Catriona Guggenbühler und Brigitta Weber. Nach<br />
einer wahren Begebenheit Mitte des letzten Jahrhunderts<br />
in der Schweiz. Regie: Elsabe Stange,<br />
Text: Stefanie Grob, Bühne: Chasper Bertschinger,<br />
Kostüme; Jeannette Seiler, Licht: Martin Brun.<br />
15. - 19. Mai, 20:30 h, im Theater Tojo in der Reitschule.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
BÜHNE<br />
...oder war‘s ein traum?<br />
Ein Gespräch zwischen Matthias Kuhn und Michael Fankhauser (Bild: Till Hillbrecht)<br />
■ Das Stück «Der Traum» wurde 1767 von Michael<br />
Haydn (Musik) und Florian Reichsiegel (Szenario)<br />
kreiert. Nun wird es als Projekt des Institutes<br />
für Transdisziplinarität Y der HKB in der Café-Bar<br />
Turnhalle im PROGR zur Aufführung gebracht. Der<br />
musikalische Leiter, Matthias Kuhn, und der Mitinhaber<br />
der Turnhalle, Michael Fankhauser, sprechen<br />
über Träume, wie die Konfrontation dieser mit der<br />
Realität funktioniert und wie sie sich in der Turnhalle<br />
oder in der Musik umsetzen lassen.<br />
Matthias Kuhn: Träumst Du im Schlaf von der<br />
Turnhalle?<br />
Michael Fankhauser: Nicht nur im Schlaf, aber<br />
auch. Anfangs, als ich noch viel hinter dem Tresen<br />
stand, hab ich geträumt, ich sei in der Turnhalle<br />
irgendwo am Liegen und Träumen, doch hörte ich<br />
die Leute schwatzen und wusste, die warten auf<br />
meine Bedienung. Jetzt <strong>sind</strong> es eher Tagträume,<br />
morgens nach dem ersten Aufwachen, was man<br />
alles noch machen könnte in der Turnhalle...<br />
Und in welche Richtung denkst Du da, mehr<br />
Musik und Theater oder mehr Gastronomie oder<br />
am Ende eine echte Verbindung von beidem? Die<br />
Schwierigkeit, dass eigentlich so vieles möglich<br />
wäre, habe ich nicht zuletzt bei unserer Haydn-<br />
Traum-Produktion so hautnah erlebt: Man muss<br />
sich einfach irgendwann entscheiden, was man<br />
weglässt.<br />
Ja, dies ist eines der Haupthemen in einem<br />
Raum wie der Turnhalle, es kommen einem viele<br />
Ideen und dann kommen Leute mit noch viel mehr<br />
Ideen. Diese <strong>sind</strong> so verschieden, wie die Menschen,<br />
die in die Turnhalle kommen. Auch meine<br />
persönlichen Träume lassen sich schwer einer<br />
Gattung zuschreiben. Meistens <strong>sind</strong> es wohl gestalterische<br />
Ideen.<br />
Alles lässt sich nicht unter ein Dach bringen,<br />
zeitlich, räumlich und fi nanziell werden uns immer<br />
wieder Grenzen gesetzt und dann ist da noch die<br />
Schwerkraft!<br />
Aber die Träume, die bis jetzt schon realisiert<br />
wurden, zeigen immer wieder, dass es noch unzählige<br />
Möglichkeiten gibt, es immer wieder geben<br />
wird. Das kennst Du ja auch.<br />
Ja, das kenn ich gut. Doch zum Glück gibt’s<br />
eben auch Dinge wie die Schwerkraft, sie ist<br />
einfach, ohne Wenn und Aber. Nur in den kühnsten<br />
Träumen kann man sie weglassen. Aber sie<br />
macht zum Beispiel den Unterschied zwischen<br />
einem Auftakt und einem Abtakt. Ein wenig<br />
Klarheit in all den Übergängen. Noch nicht klar,<br />
ob man noch im Traum ist, oder schon erwacht:<br />
das <strong>sind</strong> Momente des Übergangs. Kennst Du<br />
das auch in Deiner Arbeit in der Turnhalle?<br />
Das ist genau, was ich oben schon beschrieben<br />
habe. Da geht es dann auch manchmal ganz schön<br />
ins Detail, wie man zum Beispiel die Abwasch<br />
maschine anheben könnte, damit der Abfl uss hoch<br />
genug liegt. Auch hat mir unsere neue Installation,<br />
der Pegasus, etwas Kopfzerbrechen gemacht, wie<br />
wir ihn so aufhängen könnten, dass man ihn nach<br />
Bedarf auch schnell wieder runternehmen kann.<br />
Solche Tüfteleien drehen sich in meinem Kopf,<br />
wenn ich morgens noch etwas länger im Bett liegen<br />
kann und zwischendurch auch wieder einnicke<br />
- und plötzlich taucht eine Möglichkeit aus den<br />
Untiefen meines Schlafes auf. Woher ist die jetzt<br />
gekommen...?<br />
Wie in Proben mit einem Orchester: Man arbeitet<br />
an einer gewissen Stelle, wird genauer und<br />
genauer, hat «es» aber noch nicht gepackt. Dann<br />
dreht die Musik in meinem Kopf, macht lustige<br />
Spiralen und erfi ndet sich so selber neu. Und am<br />
nächsten Tag in der Probe ist doch mehr verändert,<br />
als man tags zuvor den Eindruck hatte.<br />
Dieser Zustand des Tagträumens hat eine unverwechselbare<br />
Qualität!<br />
Das Schöne bei Dir und bei mir ist ja auch,<br />
dass wir immer mit anderen zusammenarbeiten.<br />
Da bringt jeder wieder seine eigenen Träume mit<br />
hinein. Das hab ich meistens als sehr fruchtbar<br />
empfunden. Und auch wenn man sich am Anfang<br />
noch nicht sehr einig ist, oder sich etwas ganz anderes<br />
vorgestellt hat, am Schluss ist es gut, was<br />
man gemeinsam auf die Beine gestellt hat. Wie in<br />
einem Traum, in dem uns manchmal die Kapriolen<br />
des Unterbewusstseins überraschen, verblüffen<br />
uns die Mitdenker und -helfer auch wieder. Sich auf<br />
das einzulassen ist, dem Unterbewusstsein Raum<br />
und Zeit zu geben.<br />
Oh ja, neugieriges Annehmen von allem, was<br />
auf einen zukommt, ist wohl Grundsatz eines<br />
jeden Träumers. In meinem Traum vom «Traum»<br />
veranstaltungen<br />
gab es den entscheidenden Moment, als ich das<br />
erste Mal die Turnhalle im PROGR betreten habe.<br />
Ich wusste «schlafwandlerisch»: Hier muss dieses<br />
Stück stattfi nden. Kannst Du mir beschreiben,<br />
weshalb wohl dieser Raum so viele Leute<br />
zum Träumen anzieht und wovon Du geträumt<br />
hast, als Du die Café-Bar eingerichtet hast?<br />
Es liegt ein grosses Potenzial in diesem nicht<br />
klar defi nierten Raum. Vieles ist in Ansätzen<br />
vorhanden, anderes wurde wieder entfernt. Etwas<br />
fängt an, ist noch unvollkommen oder geht wieder<br />
zu Ende. Diese Offenheit ermöglicht es, zu träumen.<br />
Offenheit ist das eine, das andere ist aber die<br />
Person, die Schlummerndes weckt, dort auch Potenzial<br />
sieht und nicht nur ein eingeschlafenes<br />
Wesen.<br />
Mit Musik ist das ja genau gleich; Du bist ja auch<br />
immer am Erwecken von schlummernden Noten.<br />
Und einige mögen eher ein sanftes Streicheln<br />
über den Notenkopf und andere muss man mit<br />
Trommeln und Hörnern aus den Armen Morpheus<br />
reissen.<br />
«Der Traum» wird Anfang Mai Realität. Gibt<br />
es einen speziellen «Dream-Drink», um sanft<br />
aufzuwachen oder den Traum zu verlängern<br />
nach den Vorstellungen?<br />
Darüber hab ich noch nicht nachgedacht. Kann<br />
mir aber vorstellen, dass es ganz verschiedene<br />
Wege gibt, um in die Gegenwart zurückzufi nden.<br />
Ich muss zugeben: Da bin ich relativ simpel<br />
gestrickt: Ein Bier nach einem Konzert oder einer<br />
Vorstellung ist einfach was Herrliches. Und<br />
das gibt’s ja dann sozusagen auf der Bühne.<br />
Oper: «Der Traum - Ein phantastisches Treiben»<br />
Musik: Michael Haydn (1737-1806)<br />
Szenario: Floriab Reichsiegel (1735-1793)<br />
Musikalische Leitung: Matthias Kuhn<br />
Inszenierung: Kurt Dreyer<br />
Video: Samuel Stoll, Simon Baumann<br />
Technik: Christof Arnold, Nathalie Oesch<br />
Ensemble Y der HKB<br />
10.-12. Mai, jeweils 19:30 h / Turnhalle, PROGR<br />
Vorverkauf: 031 634 93 61 oder rita.weber@hkb.<br />
bfh.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 7
veranstaltungen<br />
OPER<br />
vipern – eine mörderische<br />
begierde in vier akten<br />
Von Belinda Meier (Bild: zVg.)<br />
■ «Vipern», das Libretto von Tim Coleman und<br />
Christian Jost, welches im Januar 2005 in Düsseldorf<br />
uraufgeführt wurde und vergangenen Monat<br />
seine Schweizer Erstaufführung hier im Berner<br />
Stadttheater verbuchen durfte, basiert auf dem<br />
englischen Theaterstück «The Changeling» (Der<br />
Wechselbalg, 1622) von Thomas Middleton und<br />
William Rowley.<br />
«The Changeling», das zur Tradition des elisabethanischen<br />
Theaters gehört, besteht hauptsächlich<br />
aus zwei Handlungssträngen – einer tragischen<br />
und einer komischen. Diese gehen weniger eine<br />
Symbiose ein, als dass sie vielmehr kontrastierend<br />
in einer Wechselbeziehung zueinanderstehen.<br />
Der Hauptplot spielt im Schloss des reichen<br />
Edelmannes Vermandero, dessen Tochter Beatrice<br />
die Ergebenheit ihres Dieners De Flores nutzt, um<br />
ihre Pläne durchzusetzen. Sie, die entsprechend<br />
dem Wunsch ihres Vaters mit Alonzo de Piracquo<br />
verheiratet werden soll, liebt einen anderen: Alsemero,<br />
der ebenfalls in Liebe zu ihr entbrannt ist.<br />
Um diesem Liebesglück den Weg zu öffnen, setzt<br />
Beatrice alle Hebel in Bewegung, wirft die Moral<br />
über Bord und wird zur Verbrecherin. Indem sie einen<br />
Pakt mit De Flores eingeht, gerät sie aber in einen<br />
Teufelskreis. De Flores, Beatrices Komplize und<br />
«Mordwerkzeug», lässt sich nach Ausführung des<br />
mörderischen Plans nicht so schnell abschütteln,<br />
wie sich das Beatrice womöglich vorgestellt hat.<br />
Er, selbst von Beatrice hingerissen, will sie nach<br />
der Beseitigung Alonzos nicht einfach Alsemero<br />
überlassen. Durch den Pakt und den vollbrachten<br />
8<br />
Mord ist es ihm gelungen, das Verhältnis zu wenden:<br />
Nicht mehr er ist ihr untergeben, sondern sie<br />
seine «Untergebene», womit das teufl ische Spiel<br />
seinen Lauf genommen hat.<br />
Die Nebenhandlung spielt im Tollhaus, welches<br />
sich in den Gemäuern unterhalb des Schlosses befi<br />
ndet. Hier wird mittels der irren Insassen eine Art<br />
Gegenwelt zur oberen «normalen» Welt präsentiert.<br />
Die Komik, die hier unten durch bestimmte<br />
Handlungen generiert wird oder bereits durch spezifi<br />
sche Charakteren gegeben ist, kontrastiert die<br />
Figuren und deren Handlungen der Schlossbewohner,<br />
wodurch der Eindruck einer verkehrten Welt<br />
entsteht. Das Tollhaus zeigt durch Sittenlosigkeit,<br />
Triebhaftigkeit und wertefreies Denken eine Gegenwelt<br />
zur gesitteten, scheinbar geordneten Welt<br />
in Vermanderos Schloss auf. Auffallend ist aber,<br />
dass sich die scheusslichen Verbrechen nicht im<br />
Tollhaus, sondern in der «normalen» Welt ereignen.<br />
Die Welt ist verkehrt: Das Unberechenbare,<br />
Angstauslösende und Beklemmende, das unterbewusst<br />
dem Tollhaus angelastet wird, ist nun Teil<br />
der «normalen» Welt, wohingegen die Welt der Irren<br />
zum Ort der Unschuld wird.<br />
Die verkehrte Welt ebenso wie das Zusammenspiel<br />
dieser beiden Handlungsstränge, das durch<br />
den Kontrast von Komik und Tragik zur Entfaltung<br />
seiner <strong>Wir</strong>kung gelangt, gehört zum Bestandteil<br />
elisabethanischen Theaters. Merkmale dieses<br />
Theaters <strong>sind</strong> zudem eine sparsam dekorierte<br />
Bühne, grosse Symbolhaftigkeit des Dargestellten<br />
sowie eine atmosphärische Gestaltung durch Ge-<br />
räusche – alles Elemente, die in die Oper «Vipern»<br />
aufgenommen wurden. Das Bühnenbild, bestehend<br />
aus drei verschiebbaren, verzerrten Spiegelwänden<br />
und einer grossen Drehscheibe am Boden,<br />
reicht aus, um das Dargestellte auf bestmögliche<br />
Art wirksam zu machen. Die Spiegelwand ermöglicht<br />
es, durch die Farbauswahl des einstrahlenden<br />
Lichts je nach Stimmung die richtige Atmosphäre<br />
zu schaffen, während die Verzerrung des Spiegelbildes<br />
das Böse und Unberechenbare der Figuren<br />
untermauert. Die Drehscheibe ist in vielerlei Hinsicht<br />
von grosser Symbolhaftigkeit. Sie bewegt<br />
sich im Uhrzeigersinn, «reisst» dabei die Figuren<br />
mit sich, wodurch die Veränderung beziehungsweise<br />
der Wechsel verdeutlicht wird, der eine<br />
bestimmte Tat auszulösen vermag – gleich einem<br />
Stein, der einmal ins Rollen gebracht, nicht mehr<br />
gestoppt werden kann. Dieselbe Scheibe symbolisiert<br />
auch den Teufelskreis, in den Beatrice (Eilana<br />
Lappalainen) durch den Pakt mit De Flores (Claudio<br />
Otelli) unweigerlich hineingerät. Sie, die sich zu<br />
ihm hingezogen fühlt, sich gleichzeitig aber auch<br />
vor ihm ekelt, erliegt schliesslich dem Bösen und<br />
gerät in den Sog des Teufelkreises. Die Ambivalenz<br />
ihres Wesens wird durch Stimme, Wort und Geste<br />
raffi niert erkenntlich gemacht und lange Zeit im<br />
Gleichgewicht gehalten, was die Spannung steigert<br />
und den endgültigen Fall ins Böse umso dramatischer<br />
erscheinen lässt.<br />
Symbolkraft weisen auch die Kostümfarben auf,<br />
die in Vermanderos Schloss vorwiegend schwarz<br />
und im Tollhaus gänzlich weiss ausfallen.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
De Flores, den Beatrice mit «Viper» und «Schlange»<br />
betitelt, präsentiert ein weiteres gutes Beispiel<br />
für den symbolischen Charakter seines Namens.<br />
So kann die «Viper» einerseits mit der Schlange<br />
des Sündenfalls verglichen werden und andererseits<br />
symbolisch für das Triebhafte und Körperliche<br />
stehen – beides Charaktereigenschaften, die<br />
in die Figur De Flores’ eingefl ossen <strong>sind</strong> und die<br />
derselbe gesanglich wie schauspielerisch treffend<br />
umsetzt.<br />
Die Oper «Vipern» hält sich im Hauptplot sehr<br />
genau an die Vorlage, wohingegen der Subplot<br />
freier interpretiert und schliesslich zugunsten des<br />
Genres Oper dramatisch enger mit dem Hauptplot<br />
verknüpft wurde. Des Weiteren werden neue Figuren<br />
eingeführt, wie beispielsweise die drei verrückten<br />
Dichterinnen, welche das Tollhaus als Gegenwelt<br />
deutlicher machen.<br />
Die passende Musik realisiert Christian Jost<br />
mittels spezieller Klänge, die gänzlich ohne<br />
Schlagwerk, Harfe, Klavier oder sonstige Tasteninstrumente<br />
auskommen. Zu dieser Auswahl und der<br />
daraus erzielten <strong>Wir</strong>kung sagt Jost: «Ich verwende<br />
ausschliesslich Bläser und Streicher. Die Sänger<br />
erwachsen aus dem Orchesterklang, welcher sich<br />
wiederum aus den Gesangsstimmen heraus entwickelt.»<br />
Diese harmonische Verbindung von Stimme<br />
und Klang wird auch dort deutlich, wo Figurengeräusche<br />
klanglich umgesetzt werden, wie etwa<br />
das Zischen und Schnauben der Schlange. Josts<br />
musikalische Komposition, die unzählige Stimmungen<br />
in ihren Feinheiten zu erzeugen vermag, bietet<br />
ein wahres Hörerlebnis und setzt darüber hinaus<br />
den Zuschauer in Faszination über das grossartige<br />
Können des Dirigenten Hans Drewanz .<br />
«Vipern» ist die erste grosse Oper von Christian<br />
Jost, der zurzeit zu den meistbeschäftigten zeitgenössischen<br />
Komponisten Deutschlands gehört.<br />
Die Oper ist noch bis Ende Mai im Stadttheater zu<br />
sehen.<br />
«Vipern – Eine mörderische<br />
Begierde in vier Akten»<br />
Musik: Christian Jost<br />
Libretto: Tim Coleman und Christian Jost<br />
Musikalische Leitung: Hans Drewanz<br />
Inszenierung: Eike Gramss<br />
Bühnenbild und Kostüme: Gottfried Pilz<br />
Informationen:<br />
Stadttheater Bern, www.stadttheaterbern.ch<br />
Aufführungen: 28./30.April, 2./8./19. & 25.Mai<br />
Reservationen:<br />
www.bernbillett.ch oder 031 329 52 52<br />
BÜHNE<br />
top gun<br />
Von Magdalena Nadolska – Eine Jagdfl ugschule, dann Tom Cruise, jetzt ein<br />
Theaterstück im Tojo. (Bild: zVg.)<br />
■ Wer kennt den Film nicht? Der junge Tom<br />
Cruise in Kampffl iegeruniform wird von Kelly Mc-<br />
Gillis umarmt. Dazu die Schnulze «Take my breath<br />
away». Schade, dass man hier <strong>kein</strong>e Toneffekte<br />
einbauen kann, denn an dieser Stelle kämen die<br />
langsamen tadada, tadada, tadada des Synthesizers,<br />
bevor erneut ein «Take my breath away»<br />
folgt. Ach! Doch zurück zum Film. 1986 erschienen,<br />
spielte «Top Gun» als weltweiter Erfolg 350<br />
Millionen Dollar ein. Der Klassiker ist das Resultat<br />
einer Kooperation zwischen Hollywood und dem<br />
Pentagon: Nachdem die Produzenten ihr Projekt<br />
den Navy-Admiralen vorgestellt haben, zeigte sich<br />
das Militär begeistert über einen imagefördernden<br />
und actiongeladenen Kinofi lm. Bereitwillig wurden<br />
Piloten, Techniker, Berater, Flugzeugträger und<br />
Fliegerstaffeln zur Verfügung gestellt. Dementsprechend<br />
wurde dem Pentagon ein Mitspracherecht<br />
beim Drehbuch eingeräumt.<br />
Wie erwartet stiegen die Rekrutierungszahlen<br />
bei der Navy nach der Ausstrahlung des Films erheblich<br />
an. Kein Wunder, im Film wird der Krieg als<br />
sauber, cool und funky dargestellt und bringt Verluste<br />
vor allem auf der Seite des Feindes. Schauplatz<br />
des Films ist die United States Navy Fighter<br />
Weapons School, besser bekannt als Top Gun. Es<br />
ist die Elite-Jagdfl ugschule der United States Navy<br />
und wurde gegründet, um Piloten bessere Lufttaktik<br />
beizubringen. Damit sollten die relativ schlechten<br />
Leistungen der Jagdfl ieger im Vietnamkrieg<br />
vergessen werden. Die Top-Gun-Helden im Film<br />
<strong>sind</strong> sexy und Werten wie Individualismus, Ehre<br />
und Teamplay verpfl ichtet. Die Kampffl iegerei wird<br />
als Extremsport dargestellt. Nicht zuletzt hat der<br />
Krieg in der Darstellung Hollywoods auch eine integrative<br />
Kraft. Seite an Seite kämpfen Weisse und<br />
Schwarze aus sämtlichen Bevölkerungsschichten<br />
veranstaltungen<br />
– eine soziale Leistung des Militärs.<br />
Die Theatergruppe «Konsortium & Konsorten»<br />
mit Regisseur Wolfgang Klüppel, will den «Top<br />
Gun»-Film nachspielen und untersucht damit die<br />
Hintergründe, die Attraktivität und das Funktionieren<br />
des «War-Entertainments» aus Hollywood.<br />
Der Theaterabend mit der Textfassung von Leis<br />
Bagdach soll viel Show, videoclipartige Szenen<br />
und Sound-Berieselung bieten. Es geht nicht um<br />
Naturalismus, sondern um formale Überhöhungen<br />
hinsichtlich der Figuren und Szenen. «MTV-Ästhetik<br />
goes Theater.» Räume und Situationen werden<br />
durch Sound (Musik: Pascal Nater) und gelesene<br />
Regiebuch-Anweisungen entstehen. Man will jedoch<br />
nicht mit den Bilderwelten des Films konkurrieren<br />
- das Publikum kennt die Bildmaschinerie<br />
Hollywoods sowieso aus dem Eigengebrauch.<br />
Die drei Schauspieler André Benndorff, Thomas<br />
Müller und Tom Ott und die Schauspielerin Ariadna<br />
Montfort spielen im Fokus einer Videokamera die<br />
Rollen und Situationen des Films. Sie versuchen<br />
authentisch in diesen Rollen zu sein und zerbrechen<br />
dabei immer wieder am Klischee und Pathos<br />
der Filmsprache. Gleichzeitig haben sie auch die<br />
Möglichkeit sich gegenseitig für die Kamera zu inszenieren.<br />
Es wird hin- und heroszilliert zwischen<br />
den Spiegelwelten unserer heutigen Medienkultur<br />
und der realen Nacktheit eines leeren Theaterraumes.<br />
«Konsortium & Konsorten» wurde im Mai 2006<br />
gegründet und bezeichnet sich als «eine Gelegenheitsgesellschaft<br />
von Schicksalsgenossen zur<br />
Erfüllung eines zeitlich und sachlich begrenzten<br />
Zwecks!» Ein spontan-dynamisches Reagieren auf<br />
Zeitgeist und modernste Trendforschung stehen<br />
im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Die Projekte folgen<br />
«weder einem ideologischen Manifest noch einem<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 9
veranstaltungen<br />
ästhetischen Dogma bzw. weder einem ideologischen<br />
Dogma noch einem ästhetischem Manifest!»<br />
Die bisherigen Produktionen von «Konsortium &<br />
Konsorten» waren 2005 «Lost in Romance» und<br />
«Lost in Future» in der Mansarde des Stadttheaters<br />
Bern, 2006 «Dolce far niente?» im Schlachthaus<br />
Theater Bern. Bei jedem Projekt standen das<br />
Experimentieren mit fi lmischen Erzählweisen und<br />
Montagetechniken, eine generelle Beschleunigung<br />
der Theaterdramaturgie und fi lmschnittartige Collagen<br />
mit schnell wechselnden Orten und Atmosphären<br />
im Vordergrund. Dabei spielte eine explizit<br />
fi lmische Musik eine entscheidende Rolle. Sie wurde<br />
eigens für die Stücke komponiert und teilweise<br />
live eingespielt. Mal sehen, ob am Top-Gun-Abend<br />
«Take my breath away» in den Ohren des Tojo-<br />
Publikums klingen wird.<br />
Vorstellungen:<br />
«Sie fürchten weder Tod noch Teufel und manchmal<br />
schiessen sie ein Reh!» (Frei nach dem Kultfi<br />
lm «Top Gun»)<br />
23. bis 26. Mai, 20:30 h im Tojo Theater<br />
Infos:<br />
www.tojo.ch<br />
www.konsortium-konsorten.org<br />
Sie wissen<br />
nicht wohin?<br />
abo@ensuite.ch<br />
BUCHPRÄSENTATION<br />
KARL BUCHHOLZ<br />
■ Die Buchhandlung Libromania, el círculo de amigos<br />
de Espagña, Portugal e lberoamérica, die Gemeinde<br />
Ittigen und die Kolumbianische Botschaft<br />
laden am Mittwoch 9. Mai 2007, 19:30 h, in der<br />
Buchhandlung Libromania, Länggasse 12, Bern, zur<br />
Buchpräsentation ein.<br />
Im Berlin der zwanziger Jahre gründete der junge<br />
Karl Buchholz seine erste Buchhandlung. 1934<br />
verwirklichte er seinen Traum: In der Leipziger<br />
Strasse, im Herzen Berlins, eröffnete er seine grosse<br />
internationale Buch- und Kunsthandlung. Sie<br />
wurde ein berühmtes Zentrum geistigen Lebens.<br />
In der Galerie zeigte er Werke von Max Beckmann,<br />
Karl Hofer, Karl Schmidt-Rottluff, Käthe Kollwitz,<br />
Georg Kolbe, Gerhard Marcks, Renée Sintenis, Kubin,<br />
Hermann Hesse und andere, die bald zu den<br />
im «Dritten Reich» verfemten Künstlern gehörten.<br />
Seine kulturellen Zentren erweiterten sich nach<br />
Bukarest, Lissabon, Madrid und Bogotá, New York.<br />
Die Buchpräsentation wird von Godula Buchholz in<br />
Deutsch und Spanisch vorgetragen. (lv)<br />
10<br />
KLASSISCHE MUSIK<br />
projektorchester<br />
«my_age_night»<br />
Von Sonja Koller<br />
■ Das Orchester spielt, der DJ legt auf, es wird getanzt<br />
– und das alles auf ein und derselben Bühne!<br />
Variaton Projektorchester wagt eine Vereinigung<br />
von sinfonischer Musik mit den elektronischen<br />
Klängen eines Elektro Duos. Es ist der Tanz, der<br />
die beiden musikalischen Welten verbindet, auch<br />
nach dem Konzert: Die Afterparty bietet Orchester<br />
und Publikum Gelegenheit, gemeinsam durch<br />
die Nacht zu feiern.<br />
Das Zusammenspiel von Sinfonieorchester,<br />
zwei Tänzern und einem Elektro Duo soll zu einer<br />
echten Begegnung werden: Ziel des Anlasses ist<br />
es, Gemeinsamkeiten zwischen musikalischen Welten<br />
aufzuzeigen, die auf den ersten Blick gegensätzlich<br />
erscheinen. Variaton ist es ein Anliegen,<br />
einem möglichst breiten Publikum und namentlich<br />
auch jüngeren Personen den Zugang zur sinfonischen<br />
Musik zu ebnen. Nicht nur auf der Bühne<br />
wird deshalb Ungleiches aufeinandertreffen. Auch<br />
im Publikum sollen verschiedene Alters- und Interessensgruppen<br />
zusammenfi nden.<br />
Der Abend ist als Annäherung konzipiert: Zu<br />
Beginn des Konzertes dominieren die Gegensätze,<br />
die einzelnen Gruppen stellen sich dem Publikum<br />
individuell und eigenständig vor. So beginnt das<br />
Orchester ruhig und introvertiert mit dem verträumten<br />
Adagio von Samuel Barber, Tänzerin und<br />
Tänzer bewegen sich in der Stille, dann präsentieren<br />
sich DJ und Audio Design. Dieses Bild ändert<br />
sich jedoch bald. In einer speziell für den Anlass<br />
entworfenen Choreographie beginnen Tänzerin<br />
und Tänzer, auf die Musik beider Pole zu reagieren.<br />
Nach und nach entwickelt sich die Kommunikation<br />
zwischen Orchester auf der einen, DJ und<br />
Audio Designer auf der anderen Seite. Höhepunkt<br />
und Finale des Konzerts bildet die Uraufführung<br />
von «My_Age_Symphony (love to shake)» – einem<br />
Projektorchester<br />
«MY_AGE_NIGHT»<br />
Programm<br />
Samuel Barber – Adagio for Strings<br />
Maurice Ravel – 3 Sätze aus «Ma mère l’oye»<br />
Igor Stravinsky – Suite Nr. 2 pour petit orchestre<br />
Darius Milhaud – Le boeuf sur le toit<br />
Droujelub Yanakiew – My_Age_Symphony (love to<br />
shake) – Uraufführung!<br />
Konzerte<br />
Freitag, 11. Mai & Samstag, 12. Mai 2007<br />
Kornhausforum Bern<br />
19:30 h Türöffnung und Bar<br />
20:30 h Konzertbeginn; ab 23:00 h Afterparty<br />
Werk für sinfonisches Orchester, Elektro Duo und<br />
Tanz, komponiert von unserem Dirigenten Droujelub<br />
Yanakiew. Diese Uraufführung verspricht ein<br />
einmaliges Erlebnis zu werden und leitet über zum<br />
zweiten Teil des Anlasses, der Afterparty, welche<br />
das Berner Party-Label «cuco» organisiert. Hier<br />
haben Publikum und Mitwirkende Gelegenheit,<br />
das Konzert bei einem gemeinsamen Trunk nachklingen<br />
lassen, oder aber sich zusammen auf die<br />
Tanzfl äche zu begeben.<br />
Variaton bietet rund 50 Musikbegeisterten zwischen<br />
22 und 35 Jahren eine anspruchsvolle Mitspielgelegenheit<br />
in einem Orchester mit sinfonischer<br />
Besetzung. Pro Jahr wird jeweils ein Projekt<br />
erarbeitet, welches in einer jugendlich-frischen<br />
Art abenteuerliche Ideen inszeniert und freche<br />
oder frische Brücken zu anderen Musikstilen und<br />
Künsten schlägt.<br />
Im ersten Projekt (2005) bewegte sich Variaton<br />
im Spannungsfeld von klassischer Musik und<br />
Jazz und lotete dabei verschiedene Schattierungen<br />
des sinfonischen Jazz aus. Im Vordergrund<br />
dieses Programms stand das Zusammenwirken<br />
zwischen improvisierenden Jazz-Solisten und Sinfonieorchester.<br />
Für die zweite Konzertreihe (2006) kehrte Variaton<br />
zur Musik der jungen Romantik zurück. Unter<br />
dem Titel «Schumann & Schumann» sollte das<br />
Publikum nicht nur die Musik jener Zeit erleben,<br />
sondern auch Einblick erhalten in das <strong>Wir</strong>ken des<br />
wohl bekanntesten Künstlerehepaars der Epoche<br />
– Clara und Robert Schumann. Zwischen den Orchester-<br />
und Kammermusikwerken, die hierzu auf<br />
dem Programm standen, trug ein Sprecher Auszüge<br />
aus Tagebüchern und Briefen des Ehepaars<br />
Schumann vor.<br />
Mitwirkende<br />
Variaton Projektorchester<br />
Leitung: Droujelub Yanakiew<br />
Elektro-Duo: Stefan Baumann (Audio Design) &<br />
DJ Ramax<br />
Tanz und Choreographie: Nina Stadler & Moritz<br />
Stäubli<br />
Partyveranstalter: cuco<br />
Vorverkauf im Musikhaus Krompholz<br />
Spitalgasse 28 – 3001 Bern<br />
Tel. 031 328 52 00<br />
www.variaton.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
musik<br />
KLASSISCHE MUSIK<br />
musikfestival bern – veress 07: das dicke ende<br />
Von Hanspeter Renggli - Veress im Zentrum Paul Klee (Bild: zVg.)<br />
■ Das Musikfestival Bern – Veress 07, das neue<br />
grosse Musikereignis der Berner Ensembles und<br />
Veranstalter, geht in seine dritte und letzte «Runde».<br />
Im Mittelpunkt stehen das Zentrum Paul<br />
Klee, in dem vom 3. bis 6. Mai nicht weniger als<br />
vier Konzerte und eine Matinee mit der ungarischschweizerischen<br />
Schriftstellerin und Übersetzerin<br />
Christina Viragh stattfi nden werden, sowie das Orchester<br />
der Hochschule der Künste Bern (HKB).<br />
Dass das Musikfestival Bern – Veress 07 in<br />
den Räumen des Zentrums Paul Klee seinen Abschluss<br />
bildet, liegt eigentlich auf der Hand: Die<br />
neue konstruktivistische Malerei von Paul Klee,<br />
dessen gestalterischen Fundamente so elementar<br />
auf musikalischen Strukturen basieren, stellte für<br />
den Komponisten Veress nach seiner Emigration<br />
in den Westen um 1950 die vielleicht wichtigste<br />
Neuorientierung und Anregung dar. Veress hat<br />
dies in unmissverständlicher Art zum Ausdruck<br />
gebracht:<br />
«<strong>Wir</strong> haben in diesen Phantasien von Klee eine<br />
vollkommen neue Welt entdeckt, die in der Sprache<br />
der reinsten Kunst auf uns gekommen ist. Und<br />
wie das immer mit wahrer und grosser Kunst ist,<br />
die Begegnung mit diesem Meister brachte uns<br />
Harmonie, Ruhe und Glück ...» Die Begegnung von<br />
Sándor Veress mit der Malerei von Paul Klee im<br />
Hause der Familie Müller-Widmann und in deren<br />
Freundeskreis auf dem Bruderholz in Basel wurde<br />
für den Komponisten 1950 zu einem Schlüsselerlebnis.<br />
Veress lernte hier erstmals eine der<br />
wichtigsten Privatsammlungen konkreter und<br />
konstruktivistischer Kunst kennen, deren Schwerpunkt<br />
Werke von Hans Arp, Mondrian und Vantongerloo<br />
bildeten. Insbesondere die Konfrontation<br />
mit der kleinen Kollektion von Stücken Paul Klees<br />
und darin vor allem mit dem Aquarell «Steinsammlung»,<br />
schliesslich aber eine Gedenkausstellung<br />
im Kunstmuseum Basel im Sommer 1950, lösten<br />
bei Veress die entscheidende Anregung zur Komposition<br />
«Hommage à Paul Klee» aus, sieben Fantasien<br />
für zwei Klaviere und Streichorchester. Die<br />
Erfahrung Klee veranlasste den eben Emigrierten<br />
zu einem eigentlichen Perspektivenwechsel, nämlich<br />
vom volksmusikalischen «Heimatboden» Ungarns<br />
zu neuen und freieren konstruktiven Ideen<br />
im Westen. Er sei zwar nur langsam in die neue<br />
künstlerische Umgebung der Nachkriegszeit hineingewachsen.<br />
«Und sicher hätte ich die entsprechende<br />
innere Entwicklung (auch in meiner Musik)<br />
nicht durchgemacht, wenn ich in Budapest geblieben<br />
wäre. Auch Klee sah ich das erste Mal hier [sc.<br />
in der Schweiz], im Sommer 1950 und das Erlebnis<br />
war wuchtig. Mondrian und Vantongerloo kamen<br />
erst später. (Mondrian parallel durch die tiefere<br />
Auseinandersetzung mit Webern!) Mein Prisma<br />
hat sich also mit einem Grad gedreht, eine andere<br />
Denk-, Betrachtungs- und Hörweise als noch bei<br />
Bartók.» Inwiefern wohl hatte gerade Klees Malerei<br />
in Veress’ Komponieren eine Drehung des Prismas<br />
initialisiert? Es war zunächst die Strenge der<br />
Komposition, der Kontrapunkt der Farbelemente<br />
und der Bildmotive. Es war vielmehr aber noch die<br />
Kombination dieser Strenge mit der bildnerischen<br />
Fantasie, mit dem Spiel der Elemente, mit der<br />
Fantasie des Kreativen. Strenge in der Struktur,<br />
verbunden mit kreativer Spiellust können sowohl<br />
für Klee wie für Veress als die eigentlichen künstlerischen<br />
Prinzipien bezeichnet werden. Es ist<br />
darum nicht verwunderlich, dass Veress in Bezug<br />
auf Klee einerseits von einer Kunst sprach, die wie<br />
<strong>kein</strong>e andere «das Leben selbst» sei, andererseits<br />
in Klees Bildern ein «wunderbares Märchenland»<br />
entdeckte. Noch 35 Jahre nach der Komposition<br />
der «Hommage à Paul Klee» meinte Veress: «The<br />
Klee cycle was a turning point for me as composer.<br />
It was there that I was fi rst able to actually do<br />
something with an inner freedom that I myself had<br />
achieved.» (Der ungarische Musikforscher Ferenc<br />
Bónis in «Three Days with Sándor Veress the Composer»)<br />
Der ungehörige Schüler: Das Ensemble Paul<br />
Klee mit György Kurtág Es ist sinnigerweise das<br />
Ensemble Paul Klee, das am Donnerstag, 3. Mai,<br />
das dritte Festivalwochende eröffnet. In einem<br />
feinsinnig gedachten Programm konfrontieren die<br />
Musikerinnen und Musiker des Ensembles Kammermusik<br />
und Lieder von Veress mit ausgewählten<br />
Signs, Games and Messages (Zeichen, Spiele<br />
und Botschaften) von György Kurtág.<br />
Auch Kurtág begann seine kompositorische<br />
Karriere – wie viele seiner ungarischen Zeitgenossen<br />
– im Banne von Bartók und dessen Schüler<br />
Veress. Bei Veress studierte Kurtág von 1946<br />
bis zu dessen Emigration 1949 Komposition. Das<br />
Bratschenkonzert von 1953/54 dokumentiert Kurtágs<br />
Orientierung an seinem Lehrer. Eletút (Lebenslauf)<br />
entstand 1992 als Hommage zum 85.<br />
Geburtstag von Sándor Veress. Die Komposition<br />
klingt für Kurtág erstaunlich satt, gleichsam irdisch,<br />
indem sich zwei Welten, die sich so ähnlich<br />
<strong>sind</strong>, auf engstem Raume reiben. Kurtág hat das<br />
Werk mit einer Reihe von Assoziationen belegt,<br />
deren Deutung wohl nur der Komponist geben<br />
kann, vermutlich hatte sie auch der Widmungsträger<br />
verstanden. Das Motto «Alles prüfe der<br />
Mensch ...» ist der Beginn der letzten Strophe aus<br />
Hölderlins Gedicht «Lebenslauf», dessen Schluss<br />
deutlich genug die unterschiedlichen Wege von<br />
Lehrer und Schüler zur Sprache bringt: «Und verstehe<br />
die Freiheit, aufzubrechen, wohin er will.»<br />
Die Signs, Games and Messages von György Kurtág<br />
bezeugen dagegen den Gipfel einer Kunst, mit<br />
minimalen Mitteln das Äusserste an Ausdruck zu<br />
erzielen, aus «fast nichts Musik zu machen». Nach<br />
Kurtágs Pariser Aufenthalt von 1957/58 kristallisierte<br />
sich jenes musikalische Denken heraus, in<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 11
musik<br />
dem einzelne Intervallbeziehungen und die Knappheit<br />
und Intensität des Ausdrucks vorherrschen.<br />
Der weite Brückenschlag: Das ARIA Quartett<br />
Das Programm des ARIA Quartetts am Freitag,<br />
4. Mai, gruppiert um das zweite Streichquartett<br />
von Sándor Veress je eines seiner «Lehrer»:<br />
zunächst das zweite Quartett seines realen Kompositionslehrers,<br />
Zoltán Kodály, ein Stück Musik<br />
voller Emotionen und folkloristischer Anklänge;<br />
am Ende eines der Razumowsky-Quartette von<br />
Beethoven, der gewissermassen als ideeller Lehrer<br />
zu betrachten ist. Denn in Veress’ zweitem Quartett<br />
steckt ebenso viel ungarische Volksmusik,<br />
bloss hintergründiger, versteckter als bei Kodály,<br />
wie stupendes und brillantes Kunsthandwerk der<br />
«alten Schule» Beethovens: Die Wucht des ersten,<br />
die Melancholie des zweiten und die rasende Fuge<br />
des dritten Satzes <strong>sind</strong> genug der Beweise!<br />
Luftserenaden: Berner und Budapester<br />
Schüler 1968, im selben Jahr, in welchem Veress<br />
sein Bläserquintett Diptych komponierte, beschäftigten<br />
sich auch seine beiden einstigen Schüler<br />
Heinz Holliger und György Ligeti mit der traditionsreichen<br />
Serenaden-Besetzung des Bläserquintetts.<br />
Anfang der sechziger Jahre fand bei Holliger<br />
aufgrund des Studiums bei Pierre Boulez ein Umorientierungsprozess<br />
statt. Aber bereits im Trio für<br />
Oboe, Bratsche und Harfe zeichnen sich zahlensymbolisch<br />
motivierte Strukturen ab, die wiederum<br />
auf die Studienzeit bei Veress zurückführen.<br />
Ursprünglich als fünfsätziges Werk geplant, in<br />
dem sich je ein Instrument solistisch exponieren<br />
sollte, änderte Ligeti während der Arbeit an den<br />
Stücken für Bläserquintett die ursprüngliche Idee<br />
von fünf Miniaturkonzerten in einen Zyklus von<br />
Ensemblesätzen: «Was hier gespielt wird, ist Komödie<br />
mit schillernden Ingredienzien: lyrisches<br />
Theater, schwarze Farce und skurrile Burleske,<br />
Sketch, Melodram und Konversationsstück.»<br />
Ganz konkret auf Veress beziehen sich Roland<br />
Mosers 11 Variationen für Bläserquintett: Kleine<br />
Differenzen über einen Grund. Das Stück wurde<br />
2005 im Auftrag des Zürcher Bläserquintetts<br />
geschrieben und im Mai letzten Jahres in Zürich<br />
uraufgeführt. Grundlage und Mitte der elf Variationen<br />
bildet ein Duo für Altfl öte und Bassklarinette,<br />
das Moser zum 80. Geburtstag von Veress komponiert<br />
hatte.<br />
Während die Werke von Holliger und Ligeti radikal<br />
vom traditionellen Serenadenton der Bläserensembles<br />
abrücken, ist diese Idee in Jürg Wyttenbachs<br />
Serenade in Luftschlössern im vieldeutigen<br />
12<br />
Titel eingeschrieben. Ebenfalls im Auftrag des Zürcher<br />
Bläserquintetts entstanden, wurden die Luftschlösser<br />
2003 im Rahmen des Lucerne Festivals<br />
uraufgeführt. In der «Serenade» bezirzen vier Bläser<br />
eine Flötistin – ein veritables Drama. Die Hoffnungen<br />
der Männer erweisen sich am Ende aber<br />
als Luftschlösser ...<br />
Heimkehr: Die Hochschule von Cluj zu Gast<br />
in Bern Als Veress 1907 im heute rumänischen<br />
Cluj-Napoca geboren wurde, gehörte die von den<br />
siebenbürgischen Karpaten umschlossene Stadt<br />
noch zu Ungarn und hiess Kolozvar (Klausenburg).<br />
Nach Cluj, ein vielschichtiges kulturelles Konglomerat<br />
von über 300‘000 Einwohnern, wo man<br />
nicht zuletzt aufgrund der jüngeren politischen Geschichte<br />
Veress und seine Bedeutung für die Musikgeschichte<br />
des 20. Jahrhunderts kaum kennt,<br />
kehrt diese Musik zurück: Im Rahmen des dritten<br />
Festival-Wochenendes, konkret am Samstag, 5.<br />
Mai, werden die Studierenden der Musikhochschule<br />
Cluj und der Hochschule der Künste Bern je hälftig<br />
ein grosses Sinfonieorchester bilden. Gemeinsam<br />
werden sie in Bern und – eine Woche später<br />
– in Rumänien Konzerte geben. Die Werke werden<br />
neue Verbindungen zwischen den Musikern und<br />
Musikerinnen schaffen. Veress verabscheute simple<br />
Verhältnisse. Deshalb wagte er sich auch an die<br />
seltene Gattung des Streichquartettkonzerts, bei<br />
dem ein Kammermusikensemble als Solist auftritt.<br />
Dass neben diesem brillanten und kompositorisch<br />
raffi nierten Werk auch Veress’ abgeklärte letzte<br />
vollendete Komposition, die Tromboniade für zwei<br />
Posaunen und Orchester gespielt wird, verleiht<br />
dem Programm eine besondere Abrundung. Das<br />
Orchester der beiden Hochschulen steht unter der<br />
Leitung des ungarischen Dirigenten Zsolt Nagy,<br />
der nota bene im September auch die Uraufführung<br />
des gemeinsamen szenischen Projekts von<br />
Stadttheater und HKB – «Zeugen» von Georges<br />
Aperghis – in den Vidmarhallen dirigieren wird!<br />
Christina Viragh: Ungarns Literaturstimme<br />
in der Schweiz Christina Viragh, geboren 1953 in<br />
Budapest, emigrierte 1960 in die Schweiz, nach Luzern,<br />
wo sie ihre Jugend verbrachte. Sie ist Autorin,<br />
Publizistin und Übersetzerin u. a. von Péter Nádas,<br />
Sándor Márai, Antal Szerb und Imre Kertész. Seit<br />
1992 wurde sie bereits mit mehreren Preisen und<br />
Werkjahren ausgezeichnet. In den Verlagen Klett-<br />
Cotta und Ammann <strong>sind</strong> die Romane «Unstete<br />
Leute», «Rufe von jenseits des Hügels», «Mutters<br />
Buch» und «Pilatus» erschienen. 2006 erschien,<br />
ebenfalls beim Ammann Verlag, der Roman «Im<br />
April», zu dem Kurt Drawert schrieb: «Christina Viraghs<br />
Prosa gehört zu den bedeutendsten Leistungen<br />
deutschsprachiger Literatur der Gegenwart.»<br />
Mit Christina Viragh wird sich in der Sonntagsmatinee<br />
der Literaturrezensent, Präsident der<br />
literarischen Kommission der Stadt Bern, der Programmkommission<br />
der Solothurner Literaturtage,<br />
Mitbegründer und Redaktor der Jahreszeitschrift<br />
«Feuxcroisés», Koordinator des Projekts «ch Reihe<br />
an den Schulen» und Dozent am Literaturinstitut<br />
der HKB, Daniel Rothenbühler, unterhalten.<br />
Krönender Abschluss: Camerata Bern und<br />
Heinz Holliger Den Abschluss des dritten Zyklus<br />
und zugleich des gesamten Musikfestivals Bern<br />
– Veress 07 bildet das Konzert der Camerata Bern<br />
am späten Nachmittag vom Sonntag, 6. Mai. Die<br />
Camerata Bern pfl egt das Werk von Veress seit<br />
Jahrzehnten und hat insbesondere die drei Werke<br />
des Konzerts, die Musica concertante, die Passacaglia<br />
concertante sowie die Transsylvanischen<br />
Tänze mehrfach eingespielt sowie weltweit einem<br />
breiten Publikum zugänglich gemacht. Die Passacaglia<br />
concertante für Oboe und Streicher, die<br />
Veress 1961 für und im Auftrag seines Kompositionsschülers<br />
Heinz Holliger komponierte (der Komponist<br />
sprach gegenüber Dritten über Holliger vom<br />
«Paganini des Oboenspiels»), spielten die Camerata<br />
und Holliger u. a. 1974 und 1975 anlässlich einer<br />
Japan-Tournee sowie – für Veress von besonderer<br />
Tragweite und Symbolkraft – in Budapest «wo es<br />
eine grosse Aufregung pro und contra gab, jedenfalls<br />
musste man aber einen Satz wiederholen»<br />
(Veress).<br />
Dass das Festival für Jung- und Altgierige, das<br />
so viele Sinne geöffnet hat und eröffnen wird,<br />
noch manche Anregungen bereit haben wird und<br />
künftig nicht allein einzelne Sätze zu wiederholen<br />
sein dürften, bahnt sich bereits heute an: Philippe<br />
Bach, der Dirigent des BKO im Eröffnungskonzert<br />
des Festivals vom 1. Februar, wird im Mai das Orquesta<br />
Sinfónica de Madrid dirigieren und plant,<br />
neu das Klarinettenkonzert von Veress ins Programm<br />
aufzunehmen...<br />
www.veress07.ch<br />
www.musikfestivalbern.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
Ukrainer in England, dieses Mal auf dem Erbeerfeld<br />
Marina Lewycka: Two Caravans. Roman.<br />
■ Im ländlichen Kent kommt es auf einem<br />
Erdbeerfeld zu einem ersten Zusammentreffen<br />
zwischen dem Ukrainer Andriy und dessen<br />
Landsmännin Irina. Er hat seinen Vater im Kohlebergwerk<br />
verloren, sie ist eine Professorentochter<br />
aus Kiev, deren bourgeoiser Dünkel ihren Blick auf<br />
die Umgebung zuweilen etwas trübt. Beide wurden<br />
sie als Erdbeerpfl ücker angeheuert, wobei ihnen<br />
als Wohnraum lediglich ein beengender Wohnwagen<br />
zur Verfügung steht. Zwei Wohnwagen, um<br />
genau zu sein, säuberlich nach Geschlechtern getrennt.<br />
Im Frauenwagen schlafen neben Irina auch<br />
die Polin Yola und deren Nichte Martha und zwei<br />
junge Chinesinnen. Im Männerwagen sorgt Tomasz<br />
mit seinem Fussgeruch bei Emanuel und Vitaly für<br />
schlechte Laune. Um das Idyll perfekt zu machen,<br />
gesellt sich auch noch ein liebenswerter Hund zu<br />
ihnen.<br />
Die Pittoreske wird durch den Umstand, dass<br />
ihr Arbeitgeber, der Bauer Leapish, von seiner<br />
Frau in fl agranti mit Yola ertappt wird, erheblich<br />
gestört. Andriy gelingt mit den Übrigen in einem<br />
der Wohnwagen die Flucht, wobei Irina verloren<br />
geht.<br />
Alsbald eröffnen sich für die einzelnen Mitglieder<br />
der Pfl ücktruppe neue Erwerbsmöglichkeiten,<br />
die sie dem «englischen» Traum näherbringen sollen<br />
und trotz der widrigen Umstände bleiben sie<br />
von einem ansteckenden Optimismus.<br />
Nach ihrem vielbejubelten Debüt letzten Jahres,<br />
«Die Geschichte des Traktors auf Ukrainisch», beweist<br />
Marina Lewycka, dass sie <strong>kein</strong>eswegs eine<br />
Eintagesfl iege ist, wenn sie sich auch in ihrem<br />
neuen Roman nicht wirklich zu steigern vermag.<br />
Fehlt es dem Buch teilweise an Tiefe, vermag<br />
ihre komödiantische Schreibe jedoch umso stärker<br />
zu überzeugen. Insbesondere die verschiedenen<br />
Erzählstimmen, die sich vor allem durch die unterschiedliche<br />
Sprachkompetenz im Englischen<br />
voneinander differenzieren lassen, sorgen immer<br />
wieder für Lacher. Seien wir auf die deutsche<br />
Übersetzung gespannt. (sw)<br />
Lewycka, Marina: Two Caravans. Roman. Englisch.<br />
Penguin Books. London 2007. ISBN: 978-0-670-<br />
91637-5.<br />
Wo die Liebe hinfällt<br />
Ian McEwan: On Chesil Beach. Roman.<br />
■ Die Neuvermählten Florence und Edward, sie,<br />
eine aufstrebende Violinistin, er, ein junger Historiker,<br />
stehen kurz vor ihrer Hochzeitsnacht in<br />
Chesil Beach. <strong>Wir</strong> schreiben das Jahr 1962, noch<br />
scheint <strong>kein</strong>e Sprache gefunden worden zu sein,<br />
um über Sexualität zu sprechen. Sie sitzen in der<br />
Hochzeitssuite beim Abendessen, seine Gedanken<br />
kreisen darum, wie er so schnell als möglich<br />
ins Schlafzimmer kommen könnte, die ihren, wie<br />
lange sie diesen Augenblick herauszögern kann.<br />
Und doch ist sie es, welche den ersten Impuls gibt,<br />
hinüber zum schmalen, hochpolstrigen Bett zu<br />
wechseln.<br />
Florence stammt aus sogenannt guter Familie,<br />
ihr Vater ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, ihre<br />
Mutter hat eine Professur für Philosophie inne. Edwards<br />
Familie hingegen bewohnt ein kleines Cottage<br />
und der Vater, Direktor einer Primarschule,<br />
muss nebst seinen berufl ichen auch die Haushaltspfl<br />
ichten übernehmen, da die Mutter, welche<br />
unter einem Gehirnschaden leidet, dazu nicht imstande<br />
ist.<br />
Die Heirat bedeutet für Edward jedoch<br />
wesentlich mehr als ein sozialer Aufstieg, auch<br />
wenn er nach der Hochzeit einen Posten in<br />
Schwiegervaters Firma antreten soll. Für beide ist<br />
es Liebe, die erste grosse. Dass sich Florence seit<br />
bald einem Jahr seinen physischen Annäherungsversuchen<br />
entzieht, beunruhigt Edward zwar, wie<br />
sie ihm aber das Heiratsversprechen gibt, glaubt<br />
er, dass sich das geben werde, mit der Zeit. Als es<br />
in der Hochzeitsnacht zum Eklat kommt, trennen<br />
sich ihre Wege für immer.<br />
McEwan, dessen Erfolgsroman «Atonement»<br />
dieses Jahr mit Keira Knightley und Vanessa Redgrave<br />
in den Hauprollen ins Kino kommt, ist mit<br />
«On Chesil Beach» zu seinen Anfängen zurückgekehrt.<br />
Er beleuchtet eine Zeit, die kaum mehr als<br />
vierzig Jahre zurückliegt, und doch um so vieles<br />
ferner scheint. Sein phantastisches Sprachgefühl<br />
machen dieses Kammerstück der Literatur zu einem<br />
einzigen Hochgenuss. (sw)<br />
McEwan, Ian: On Chesil Beach. Roman. Englisch.<br />
Jonathan Cape. London 2007. ISBN<br />
9780224081184. Das Erscheinungsdatum in<br />
Deutsch steht noch aus.<br />
literatur<br />
Karnevaleskes Fasten Jacques Le Goff, Nicolas<br />
Truong: Die Geschichte des Körpers im Mittelalter.<br />
■ Bereits in den den späten 30er Jahren des<br />
letzten Jahrhunderts beklagte der Historiker Marcel<br />
Bloch das Fehlen einer Körpergeschichte des<br />
Abendlandes. Sein geistiger Urenkel in der Tradition<br />
der «Annales», Jacques Le Goff, liefert diese<br />
nun in einem, wenn auch dünnen, so doch in seinem<br />
Vorhaben umfangreichen Band.<br />
In vier Grosskapiteln – Fastenzeit und Karneval,<br />
Leben und Sterben im Mittelalter, Körper und<br />
Manieren sowie der Körper als Metapher – nähert<br />
er sich der Thematik unter verschiedenen Gesichtspunkten.<br />
Haupthese des Werks ist der deutliche Wechsel<br />
in Bezug auf die Körperwahrnehmung von der<br />
Antike hin zum Mittelalter. Galt in der Antike der<br />
gestählte männliche Körper als Schönheitsideal<br />
schlechthin, ist es im Mittelalter der malträtierte<br />
ausgezehrte Leib Jesu, der als Vorbild dient. Diese<br />
Vorlage ist nur durch beständige Selbstkasteiung<br />
mittels Fasten erreichbar, wobei die körperliche<br />
Leibesertüchtigung eine Nebenrolle spielt. Dafür<br />
spricht auch der Umstand, dass beispielsweise<br />
für die Turnierwettkämpfe im Mittelalter <strong>kein</strong>e eigenen<br />
Stadien geschaffen worden <strong>sind</strong>. Dennoch<br />
ist eine ständige Selbstkasteiung offenbar nicht<br />
aufrechtzuerhalten, weshalb die Phasen des Fastens<br />
auch immer wieder durch Zeiten der Völlerei<br />
abgelöst werden.<br />
Das tägliche Leben wird von unzähligen Regeln<br />
bestimmt, die durch ihr strenges Korsett Übertritte<br />
unvermeidbar werden lassen. Vor diesem<br />
Hintergrund werden körperliche Gebrechen und<br />
Krankheiten weitgehend als Strafe für eine den<br />
christlichen Geboten zuwiderlaufende Lebensführung<br />
gelesen.<br />
Auch wenn das Werk in seinem essayistischen<br />
Grundton gut zu lesen ist, vermittelt es oft weniger<br />
Antworten, als dass es zu neuerlichen Fragen anregt.<br />
Ganz im Sinne von je mehr man weiss, desto<br />
weniger weiss man. (sw)<br />
Le Goff, Jacques; Truong, Nicolas: Die Geschichte<br />
des Körpers im Mittelalter. Aus dem Französischen<br />
von Renate Wartmann. Klett-Cotta. Stuttgart 2007.<br />
ISBN 978-3-608-94080-0.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 13
literatur<br />
FILOSOFENECKE<br />
Von Alther&Zingg<br />
«SO BLÖDSINNIG SIND<br />
INDES NUR WENIGE,<br />
DASS MAN IHNEN NICHT<br />
IDEEN BEIBRINGEN<br />
KÖNNTE.» Max Stirner 1845<br />
■ Ein richtiger Filosof scheitert. An den Dingen.<br />
An sich selbst. An seinen Ideen. Ein richtiger Filosof<br />
scheitert an der Unverständlichkeit seiner<br />
Schriften. Erst Jahre später vielleicht... Postum<br />
die Anerkennung, versteht sich. Ein richtiger<br />
Filosof scheitert am Alkohol. An der bedingten<br />
Erklärbarkeit von allem und jedem. An der Wahrheit<br />
ohnehin. Andere werden publiziert, gelesen,<br />
diskutiert, medial verteufelt glorifi ziert – und<br />
also zu Lebzeiten berühmt. Eine besonders zynische<br />
Art des Scheiterns. Das <strong>sind</strong> die wenigen.<br />
Die Allermeisten bleiben unerkannt. Filosofi nnen<br />
sowieso (der Thesaurus macht auf nie gehört).<br />
Ist ihnen das Schicksal günstig gesinnt, erkennen<br />
sie ihr Glück: Wie gut, dass niemand weiss...<br />
Filosof sein ist eine Idee. Mehr nicht. Das gilt<br />
auch für die konsequenten Materialisten unter<br />
ihnen. Sie alle <strong>sind</strong> auf die Idee von der besseren<br />
Welt gekommen. Diesseits – Jenseits? Eine<br />
Nuance bloss. ‹Mir geht nichts über Mich› – so<br />
heisst die bessere Welt bei Stirner. Das radikale<br />
Individuum kommt nicht auf Ideen. Die Ideen<br />
kommen auch nicht zu ihm. Das radikale Individuum<br />
ist die Idee selbst. Die Realität also. Ich bin<br />
mir die Realität. Von der Gesellschaft schlimmstenfalls<br />
auf Ideen gebracht: ‹Pfaffen, Wissenschafter,<br />
Musiker, Filosofen, Kommunisten› – sie<br />
alle stehen auf Stirners Liste der Ideenbringer.<br />
Auch ‹Schulmeister und Bärenführer›. Nichts<br />
haben sie verstanden. Nichts vom Individuum.<br />
‹Die Dressur wird allgemeiner und umfassender›<br />
– dies Stirners Prognose. So weit so ‹blödsinnig›,<br />
so weit so sinnvoll. Nur: Aufklärer, Nachdenker,<br />
Individualisten, Anarchisten – sie verfallen samt<br />
und sonders dem gleichen Irrtum: Sie gehen vom<br />
mündigen Menschen aus. Dem selbst verantwortlichen<br />
Individuum. Eingebettet im – immerhin kritisier-<br />
und wandelbaren – Axiom der Vernunft als<br />
letzter Religion, was bei Stirner notwendig zur<br />
gesamt-gesellschaftliche Vernünftigkeit führt.<br />
Der Gesetzlose ist ihm höchste Ausprägung des<br />
verantwortungsvollen Menschen. Weit davon<br />
entfernt, andere auf Ideen bringen zu wollen.<br />
Bringen Sie am 30. Mai um 19 Uhr doch ein<br />
paar Ideen, Ihre Stimme oder sonst ein Instrument<br />
ins Tonus Musiklabor an der Kramgasse 10<br />
mit.<br />
14<br />
LITERATUR<br />
der gotthelfhandel - ein plädo<br />
literatur, die etwas zu sagen h<br />
Interview von Anne-Sophie Scholl<br />
■ Eine der unbestechlichsten und mutigsten<br />
Stimmen in der Schweiz der ersten Hälfte des 20.<br />
Jahrhunderts war der Berner C. A. Loosli. Lange<br />
zu Unrecht verkannt, lässt ihn die im Rotpunktverlag<br />
entstehende 7-bändige Werkausgabe in der<br />
ganzen Breite seines publizistischen Engagements<br />
zu Wort kommen. Zwei Bände liegen vor. An den<br />
Solothurner Literaturtagen wird die Vernissage<br />
des neusten Bandes gefeiert: Das Buch «Gotthelfhandel»<br />
zeigt C. A. Loosli als Schriftsteller, der sich<br />
kompromisslos für seinen Beruf stark macht. Ein<br />
Gespräch mit Fredi Lerch, dem Mitherausgeber der<br />
entstehenden C. A. Loosli-Werkausgabe.<br />
Der letzte Band der Werkausgabe wird 2009<br />
zum fünfzigsten Todestag von C. A. Loosli erscheinen.<br />
Wieso soll man C. A. Loosli heute noch<br />
lesen?<br />
Das Werk von C. A. Loosli gibt einen unglaublich<br />
breiten und kompetenten Einblick, wie die Schweiz<br />
zwischen 1900 und 1950 funktioniert hat. Es ist ein<br />
Einblick, der viel umfassender ist als die meisten<br />
anderen schriftstellerischen Einblicke, weil Looslis<br />
Texte viel mehr von den effektiven politischen,<br />
juristischen und gesellschaftlichen Strukturen in<br />
dem Land vermitteln. Dieses Land hatte Aspekte,<br />
wie etwa das Verdingkinderwesen oder die Administrativjustiz,<br />
die äusserst schlimm gewesen<br />
<strong>sind</strong>. Seine Kritik führt Loosli scharf und teilweise<br />
kann man sie heute ebenso scharf immer noch<br />
führen – etwa, wenn Loosli über den «lächerlich<br />
gekrümmten internationalen Trinkgeldbuckel» seiner<br />
Miteidgenossen von Leder zieht. Das Land hat<br />
aber auch Qualitäten, die auch Loosli verteidigt,<br />
etwa die demokratische Struktur und die kulturellkreative<br />
Kleinräumigkeit. Um zu wissen, warum die<br />
Schweiz heute funktioniert, wie sie funktioniert,<br />
muss man vielleicht wirklich einmal Loosli lesen.<br />
Zwei erste Bände der entstehenden Werkausgabe<br />
<strong>sind</strong> letzten Herbst erschienen, jetzt wird<br />
ein weiterer Band greifbar. Wie ist dieser dritte<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
yer für eine<br />
at (Bild: zVg.)<br />
Band in die Werkausgabe einzuordnen?<br />
<strong>Wir</strong> machen sieben Bände und jeder Band soll<br />
einen Aspekt von C. A. Loosli zeigen, weil wir der<br />
Meinung <strong>sind</strong>, Loosli wird heute, wenn überhaupt,<br />
viel zu eng wahrgenommen. Man kennt ihn nur noch<br />
als Dialektautor und allenfalls als Verfasser des<br />
Kriminalromans «Die Schattmattbauern». Loosli<br />
hat sehr viele Facetten. Unter dem Titel «Gotthelfhandel»<br />
zeigen wir den Schriftsteller Loosli. Loosli<br />
hat versucht, als professioneller Schriftsteller zu<br />
leben, also sich mit dem Einkommen seiner Arbeit<br />
zu fi nanzieren und eine Familie mit fünf Kindern<br />
durchzubringen.<br />
Das Buch zeigt diesbezüglich verschiedene<br />
Aspekte. Titelgebend ist einer der Schwerpunkte<br />
des Bandes, der sogenannte Gotthelfhandel.<br />
Was ist darunter zu verstehen?<br />
Bei der Titelgebung der einzelnen Bände war<br />
uns ein Anliegen, möglichst mit Begriffen zu arbeiten,<br />
die Loosli selbst gebraucht hat. Der Gotthelf-<br />
handel ist so ein Loosli-Wort. Dabei geht es darum,<br />
dass Loosli 1913 in einem satirischen Text öffentlich<br />
behauptet hat, Jeremias Gotthelf, der ja unter bürgerlichem<br />
Namen Albert Bitzius hiess und Pfarrer<br />
in Lützelfl üh war, habe seine Bücher nicht selber<br />
verfasst, sondern sei der Redaktor von Texten, die<br />
ein Bauer in Lützelfl üh, Johann Ulrich Geissbühler,<br />
geschrieben habe. Loosli hat mit dieser Behauptung<br />
einen riesigen Medienwirbel ausgelöst, der in<br />
unserem Buch ausführlich dokumentiert wird.<br />
Welches Ziel verfolgte Loosli mit diesem Literaturstreit?<br />
Loosli wollte provozieren. Er hat seit Jahren<br />
die Position vertreten, dass die Philologie, also die<br />
Literaturwissenschaft, auf dem Holzweg sei. Auf<br />
der ganzen Breite der Literaturbetrachtung hatte<br />
damals aus Looslis Sicht das Bestreben, die Texte<br />
von den Biografi en der Verfasser her zu erklären,<br />
stark überhandgenommen. Loosli hingegen<br />
meinte, man solle die Texte selbst anschauen. Aus<br />
diesem Grund hat er versucht zu zeigen, dass man<br />
die herrschende Philologie mit einer absolut hirnrissigen<br />
Behauptung auf das Glatteis führen kann.<br />
Dieser Gotthelfhandel mit Repliken und Dupliken<br />
ist witzig zu lesen, weil es Loosli gelungen ist, öffentlich<br />
genau die Reaktion auszulösen, die er vorausgesagt<br />
hatte.<br />
Der Gotthelfhandel hat ein Echo in der ganzen<br />
Schweiz ausgelöst, ist aber nicht überall<br />
gleich eingeordnet worden?<br />
In der Deutschschweiz ist der Gotthelfstreit<br />
schnell eine bierernste Sache geworden: Als die<br />
Philologen gemerkt haben, dass sie lächerlich<br />
gemacht werden, gerade auch in der Art, wie sie<br />
reagieren, haben sie angefangen, Loosli publizistisch<br />
zu bekämpfen. Nach dem Gotthelfstreit<br />
wurde Loosli dann tatsächlich von den grossen<br />
Zeitungsfeuilletons in der Deutschschweiz, aber<br />
auch weitgehend von den Buchverlagen und vom<br />
Buchhandel geächtet. In der Romandie hingegen<br />
hat man Looslis Vorgehen sofort als spezielle satirisch-aufklärerische<br />
Aktion erkannt, auch weil es in<br />
der französischsprachigen Literatur eine Tradition<br />
von «Mystifi kationen», also satirischen Irreführungen<br />
des Publikums, gibt. Insofern war die Rezeption<br />
im Welschland und bis nach Paris ganz anders<br />
als im deutschsprachigen Raum.<br />
War dieser Literaturstreit mit einem so weitreichenden<br />
Nachhall eine Ausnahmeerscheinung?<br />
Feuilletondebatten waren damals sicher noch<br />
viel üblicher als heutzutage. Das Ausmass dieses<br />
Sturms im Blätterwald ist, was die Deutschschweizer<br />
Presse betrifft, wohl schon singulär.<br />
Loosli hat sich die Medien zunutze gemacht,<br />
um seine Anliegen in der Öffentlichkeit zu diskutieren.<br />
Er hat sich aber auch mit ästhetischen<br />
Fragen auseinandergesetzt.<br />
Loosli war von seiner Biografi e her Autodidakt.<br />
Er war Verdingbub gewesen, ist in Anstalten aufgewachsen<br />
und hatte nicht die Chance gehabt, eine<br />
akademische Bildung zu absolvieren. Er hat sich<br />
– nicht nur im Bereich der Literatur – das meiste<br />
literatur<br />
selber angeeignet, und später zum Beispiel im Bereich<br />
der Lyrik die klassischen Formen gepfl egt. In<br />
unserem Kapitel «Aus Looslis Werkstatt» gibt es<br />
verschiedene Texte, die Einblick geben, wie Loosli<br />
seine Arbeit als Schriftsteller refl ektiert hat.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt in dem Buch zeigt<br />
Loosli Engagement für die Mundart.<br />
Mit dem Dialekt hat Loosli zwischen 1905 und<br />
1913 im Umfeld der damals aufkommenden Heimatschutzbewegung<br />
Sprachpolitik mit anderen Mitteln<br />
betrieben. Unter dem Druck von einem imperialistischen<br />
Deutschtum und wegen der Modernisierung<br />
und der damit verbundenen erhöhten Mobilität<br />
der Bevölkerung befürchteten damals viele, dass<br />
die Dialekte sehr schnell verwässern und kaputt<br />
gehen würden. Loosli sagt an einer Stelle explizit,<br />
er sei sich bewusst, dass er Dialekt schreibe unter<br />
dem Aspekt, ein Sprachmuseum anzulegen.<br />
Looslis sprachpolitische und ästhetische Überlegungen<br />
<strong>sind</strong> lesenswert gerade für jene, die den<br />
Dialektautor Loosli schätzen. Nur mit diesen Aufsätzen<br />
versteht man überhaupt, warum er Mundart<br />
geschrieben hat. Dass er später damit aufgehört<br />
hat, hängt in erster Linie mit der Heimatschutzbewegung<br />
zusammen, die sich sehr schnell in eine<br />
konservative Richtung entwickelt hat.<br />
In der Folge gab es zwei weitere Berndeutschbewegungen.<br />
Greifen diese Looslis Engagement<br />
auf?<br />
Unter dem Aspekt einer emanzipativen Auseinandersetzung<br />
mit der eigenen Sprache gibt es<br />
sicher eine Verbindungslinie von Looslis Engagement<br />
über die Nonkonformisten-Bewegung nach<br />
1960 mit Kurt Marti, Ernst Eggimann, mit Modern<br />
Mundart und den Liedermachern bis zur Gruppe<br />
Bern ist überall – aber auch Texte von Polo Hofer,<br />
Büne Huber, Kuno Lauener und natürlich jene von<br />
Endo Anaconda gehören hierher. Es ist wichtig,<br />
dass es immer wieder sprachpolitisch fortschrittlich<br />
denkende Leute gibt, die sich mit der eigenen<br />
Sprache auseinandersetzten und das einem Publikum<br />
vermitteln.<br />
Loosli hat sich auch intensiv mit den Bedingungen<br />
für ein Leben als Schriftsteller befasst,<br />
diese Aspekte werden in einem weiteren Kapitel<br />
aufgegriffen.<br />
C. A. Loosli ist Initiant, Mitbegründer und der<br />
erste Präsident des Schweizerischen Schriftstellervereins.<br />
Heute heisst die Organisation AdS, Autoren<br />
und Autorinnen der Schweiz, aber am Anfang der<br />
Bewegung, die knapp hundert Jahre alt ist, steht<br />
C. A. Loosli mit der Initiative: <strong>Wir</strong> brauchen einen<br />
Berufsverband. Als erster Präsident hat er sich sofort<br />
im Bereich der Urheberrechte engagiert, die<br />
fi nanzielle Besserstellung der Arbeit der Autorinnen<br />
und Autoren war ihm ein zentrales Anliegen.<br />
Gegründet wurde der SSV im Herbst 1912, wenige<br />
Monate vor dem Gotthelfhandel, und dieser hat<br />
unter anderem auch dazu geführt, dass Loosli als<br />
Präsident des SSV sofort untragbar geworden ist.<br />
Wobei man sehen muss, dass der Gotthelfhandel<br />
zum Vorwand wurde, um diesen Präsidenten abzuschiessen:<br />
Den dezidiert gewerkschaftlichen Kurs<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 15
literatur<br />
des Präsidenten Loosli hat die bürgerliche Presse<br />
nicht goutiert, und auch die grosse Mehrheit der<br />
Autorinnen und Autoren dieser Zeit war antigewerkschaftlich<br />
eingestellt.<br />
Rechtliche Fragen waren Loosli auch ein Anliegen,<br />
wenn es um das Werk des Schriftstellers<br />
ging. Der letzte Teil des Buches greift den Streit<br />
um den Nachlass von Carl Spitteler auf.<br />
Dieser Streit ist für die deutschschweizerische<br />
Literaturgeschichte wichtig: Nach dem klar deklarierten<br />
Willen von Carl Spittler sollte sein Freund,<br />
der Literaturwissenschaftler Jonas Fränkel, nach<br />
seinem Tod seine Biografi e schreiben und das Gesamtwerk<br />
herausgeben. Nur, Spitteler hat nie ein<br />
formal korrektes Testament verfasst. Unter dem<br />
Einfl uss der herrschenden Philologie haben die<br />
Nachkommen Spittelers den Nachlass der Eidgenossenschaft<br />
geschenkt mit der Aufl age, dass<br />
Fränkel <strong>kein</strong>en Zugriff habe. Fränkel hat vergeblich<br />
bis vor Bundesgericht gegen dieses Unrecht<br />
gekämpft. In der Folge hat Bundesrat Philipp Etter<br />
einige Zürcher Philologen – erbitterte Feinde von<br />
Fränkel – damit beauftragt, eine Werkausgabe zu<br />
machen.<br />
Man muss dazu wissen: Jonas Fränkel war als in<br />
Polen geborener Jude, als Schwerhöriger und als<br />
bester Kopf seiner Zunft ein mehrfacher Aussenseiter.<br />
Fränkel war Looslis bester Freund, und Loosli<br />
war einer der wenigen, die ihm in dem jahrzehntelangen<br />
Streit die Stange gehalten haben. Als Loosli<br />
schon alt war, hat er für alle Fälle bei einem Notar<br />
eine juristisch saubere Zeugenaussage hinterlegt,<br />
ist aber als Kronzeuge bis heute nicht gehört worden.<br />
Darum dokumentieren wir die Affäre in dem<br />
Buch relativ prominent: Jonas Fränkel wurde entschieden<br />
Unrecht getan. Der Handel gegen Fränkel<br />
wird erst dann als abgeschlossen betrachtet werden<br />
können, wenn sich die Eidgenossenschaft bei<br />
den beiden hochbetagten Nachkommen, Tochter<br />
und Sohn von Jonas Fränkel, offi ziell entschuldigt.<br />
Denn was da passiert ist, muss als akademisch verbrämter<br />
und staatlich gedeckter Antisemitismus<br />
angesprochen werden.<br />
Die verschiedenen Kapitel in dem Band zeigen<br />
wichtige literatur- und kulturpolitische<br />
Engagements. Dieses Engagement stimmt ja<br />
nicht überein mit dem Bild, das viele von einem<br />
Schriftsteller haben.<br />
Ein grosser Teil der Literatur in der Deutschschweiz<br />
des 20. Jahrhunderts krankt daran, dass<br />
sich ihre Verfasser und Verfasserinnen strikt<br />
als Belletristen verstanden haben, als Leute, die<br />
schöngeistige Sprache in schöne Formen giessen.<br />
Loosli gehörte zu den wenigen, die ganz dezidiert<br />
ein anderes Selbstverständnis gepfl egt haben:<br />
Viel eher als ein Schriftsteller im deutschschweizerischen<br />
Sinn war er ein Intellektueller, der politisch-publizistisch<br />
wirken wollte. Wenn man im<br />
angelsächsischen Sprachraum schaut, wird die<br />
Grenze dort viel weniger eng gezogen: Es ist dort<br />
16<br />
viel selbstverständlicher, dass jemand, der schriftstellerisch<br />
arbeitet, auf verschiedenen Ebenen etwas<br />
zu sagen hat. Es ist eine heillose Verkleinerung<br />
und Verdummung von den Leuten, die in diesem<br />
Land schreiben, dass sie sich in das kleine Gatter<br />
zwingen lassen.<br />
Der neue Band wird an den Solothurner Literaturtagen<br />
mit einer szenischen Lesung des<br />
«Gotthelfhandels» vorgestellt. Im Anschluss<br />
führst Du ein Gespräch mit Charles Linsmayer,<br />
der sich ja auch für C. A. Loosli eingesetzt und<br />
Texte von ihm publiziert hat.<br />
Charles Linsmayer ist Literaturwissenschaftler<br />
und der wichtigste Vermittler von Literatur der<br />
Schweiz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.<br />
Linsmayer hat grosse Verdienste, hat unterdessen<br />
mehr als hundert Bücher herausgegeben und in<br />
seiner grossen Reihe «Frühling der Gegenwart»<br />
1981 auch Looslis Kriminalroman «Die Schattmattbauern»<br />
publiziert. Er hat sicher das grössere Flair<br />
für die belletristische Seite der Literatur als ich. Ich<br />
gehe deshalb davon aus, dass wir, wenn wir über<br />
den gesellschaftlichen Ort des Schriftstellers miteinander<br />
diskutieren und allenfalls darüber reden,<br />
was noch Literatur ist und was nicht mehr Literatur<br />
ist, nicht in jedem Punkt gleicher Meinung sein<br />
werden. Aber es gibt bestimmt ein interessantes<br />
Gespräch. Ich freue mich darauf!<br />
Solothurner Literaturtage:<br />
Hommage an Carl Albert Loosli<br />
Werkausgabe in 7 Bänden<br />
Vernissage Band 4<br />
Gotthelfhandel<br />
Literatur und Literaturpolitik<br />
Szenische Lesung des «Gotthelfhandels» mit<br />
Frank Demenga und Heiner Hitz. Podium mit<br />
Charles Linsmayer und Fredi Lerch. Moderation<br />
Konrad Tobler: «Wo ist der Ort des Schriftstellers?<br />
Literatur zwischen reiner Kunst und gesellschaftlichem<br />
Engagement.»<br />
Samstag, 19. Mai 2007, 18:15 h<br />
Landhaus, Solothurn<br />
Eintritt Fr. 12.–/Karten Solothurner Literaturtage.<br />
Kassenöffnung 30 Min. vor Veranstaltungsbeginn.<br />
Über C. A. Loosli wurde bereits im ensuite - kulturmagazin<br />
11/2006 ausführlich berichtet. Die 7-bändige<br />
Werkausgabe erscheint im Rotpunktverlag.<br />
Herausgeber Fredi Lerch und Erwin Marti. Bisher<br />
erschienen: Band 1: Anstaltsleben. Verdingkinder<br />
und Jugendrecht. Band 3: Die Schattmattbauern.<br />
Kriminalliteratur. Weitere Informationen:<br />
www.rotpunktverlag.ch<br />
POP-/ROCKMUSIK<br />
im alltagsgeräu<br />
Von Caroline Ritz (Bild: zVg.)<br />
■ Ausgangspunkt <strong>sind</strong> gewöhnliche Alltagssituationen,<br />
unspektakulär und kaum erwähnenswert.<br />
Die Mutter, die geduldig den Kuchenteig mit der<br />
Gabel einsticht, um ihn anschliessend sorgfältig<br />
mit Äpfeln zu bedecken. Die Tochter, die am Küchentisch<br />
nachlässig die Dur-Tonleiter auf der<br />
Blockfl öte übt. Vater und Sohn machen sich unterdessen<br />
vor dem Haus am Fahrrad zu schaffen.<br />
Beim Vorübergehen grüsst die Nachbarin den beiden<br />
zu und schleppt einen übervollen Abfallsack<br />
mit Altglas hinter sich her. Sie ist genervt: Muss<br />
der emigrierte Pole immer auf dieser grässlich<br />
tönenden manuellen Schreibmaschine rumhämmern?<br />
Das Geräusch entfl ieht aus dem Fenster im<br />
1. Stock und erfüllt den ganzen Innenhof. Den verkannten<br />
Schriftsteller kümmert dies wenig, unentwegt<br />
hämmert er rhythmisch auf die Tasten seiner<br />
Remington ein. Das Beben der vorbeibrauschenden<br />
Strassenbahn schlägt eine Antikvase brüsk<br />
vom Fenstersims. Nun stehen auch verführerisch<br />
duftender Kaffee und goldbrauner Kuchen auf<br />
dem Tisch. Für diesen einen Moment scheint sich<br />
die Welt wieder im Gleichgewicht zu befi nden. Die<br />
Mystik eines unbedeutenden Moments. Kaum mehr<br />
bewusst wahrgenommene Handlungen durchziehen<br />
diese Augenblicke. Alttagsgeräusche und<br />
Alltagsituationen <strong>sind</strong> Inspirationsquelle der 27-<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
sch liegt die würze<br />
jährigen Sängerin Hanne Hukkelberg. Gebrauchsgegenstände<br />
werden eins zu eins in ihre Musik<br />
eingewoben. Ob Gabel, Gläser, Schreibmaschine,<br />
Fahrradspeichen oder Spieldosen – der Bezug der<br />
Geräuschkulisse bleibt nachvollziehbar. Hinter diesen<br />
wohlbekannten Klängen versteckt sich jedoch<br />
ein weitaus komplexerer Aufbau. Die Struktur der<br />
Songs ist abgestimmt und haarklein ausgeklügelt.<br />
Teils süsser Pop, teils abstrakte Kunstmusik<br />
– und das Gelingen, Instrumentales ins Elektronische<br />
einfl iessen zu lassen. Geboren ist Hukkelberg<br />
1979 in Kongsberg/Norwegen. Erste musikalische<br />
Erfahrungen machte sie gemäss Biografi e bereits<br />
im Alter von drei Jahren. Unterdessen hat sie eine<br />
Ausbildung an der Norwegian Academy of Music,<br />
Oslo, absolviert und ihren musikalischen Horizont<br />
in den Genres Metal, Pop und Jazz erweitert. Anfänglich<br />
wurde ihr Debutalbum «Little Things»<br />
2004 nur in Norwegen veröffentlicht. Das Interesse<br />
für die junge Multiinstrumentalistin – Stimme,<br />
Schlagzeug, Piano und Gitarre – nahm aber stetig<br />
zu. 2005 wurde dann die internationale Version<br />
von «Little Things» produziert. Mit ihrem aktuellen<br />
Album «Rykerstrasse 68» gewann sie 2006<br />
den norwegischen Grammy «Spellemannsprisen».<br />
Mit ihrer Band ist sie nun von April bis Juni 2007<br />
auf grosser Europatournee.<br />
Ein Album gespenstisch und gläsern – Rykerstrasse<br />
68 Ein halbes Jahr wohnte Hanne an der<br />
Rykerstrasse 68 in Berlin, wo auch die Ideen und<br />
Kontakte zum neuen Album entstanden <strong>sind</strong>. Eingespielt<br />
und produziert wurde es dennoch wieder<br />
daheim in Oslo. Auf Stücken wie «Obelix» wird man<br />
Zeuge von Entsorgungstonnen-Geräuschen – Gläsern<br />
und Büchsen, die aufeinander fallen, zerbersten<br />
und zerstampft in der Abfallmenge verschwinden.<br />
Zwischen klassischer Endspurt-Etüde im Song<br />
«Ticking Bomb» und Schreibmaschinen-Geratter<br />
in «The Pirate» fi ndet man sozusagen alle Variationen<br />
experimentellen Musikschaffens. Leichter und<br />
fl ockiger kommt wiederum «A Cheater’s Armoury»<br />
daher. Der Song wurde als Single ausgekoppelt<br />
und von <strong>kein</strong>em Geringeren als dem bekannten<br />
MTV-Animator und Regisseur Andreas Paleologos<br />
verfi lmt. Heiteres Fingerschnipsen, poppig-jazzig<br />
gesungene Strophen und Glockenspiel lassen<br />
diesen Song zum Mitsummer werden. Begeisterte<br />
Konzertbesucher berichten von entfesselter Energie<br />
und stimmlich überragender Leistung, was<br />
die junge Frau auf der Bühne zu bieten hat. Das<br />
Berner Publikum fällt das Glück mal wieder in den<br />
Schoss: Hanne Hukkelberg wird ihr erstes und einziges<br />
Schweizer Konzert in der Turnhalle im PRO-<br />
GR geben, und zwar am 6. Mai um 21:00 h.<br />
STADTLÄUFER<br />
Von Andy Limacher<br />
musik<br />
■ nr. 31 // brennpunkt. Unter der Monbijoubrücke,<br />
auf dem Parkplatz neben der Dampfzentrale,<br />
stehen fünf Jungs lässig an der Leitplanke. Aus<br />
dem etwas in die Jahre gekommenen Ford Escort<br />
dröhnt aus nagelneuen Boxen der aktuelle Sound<br />
von Justin Timberlake.<br />
Ein paar hundert Meter weiter, am Sulgenrain,<br />
lässt sich an der Anzahl Satellitenschüsseln ablesen,<br />
wie hoch der Ausländeranteil an dieser Ecke<br />
von Bern ist. Die Sonnerie an der Eingangstüre<br />
des Hauses 22 macht deutlich, dass hier kaum<br />
Schweizer Familien wohnen.<br />
Gleich nebenan wurden jetzt 64 neue Mietwohnungen<br />
erstellt. Früher duckte man sich hier<br />
unter den wuchernden Tannen, als man am besetzten<br />
Haus vorbei zur Eigerstrasse hinaufging.<br />
Heute ist der Scheuerrain ein von Beton geprägter<br />
Durchgang, und während die Bauequipen die<br />
letzten Plätze teeren, laden die ersten Möbelwagen<br />
ihre Fracht aus.<br />
<strong>Wir</strong> hören ja ständig davon, dass sich in gewissen<br />
Quartieren immer mehr Ausländer ansiedeln,<br />
und die Schweizer dann jeweils das Weite<br />
suchen. Im schlimmsten Fall spricht man dann<br />
von sogenannten sozialen Brennpunkten. Nicht<br />
so im Dreieck zwischen Sulgeneck-, Monbijou-<br />
und Eigerstrasse: Dort lebt die Stadt, vielleicht<br />
weil Dampfzentrale, Gaskessel und Marzili so<br />
nahe <strong>sind</strong>, vielleicht aber auch, weil dort nicht<br />
nur die ruhigen Schweizer wohnen.<br />
Eine 4.5-Zimmer-Wohnung in einem der neuen,<br />
gelben Blocks (Scheuerrain 1-6) kostet ab<br />
2300 Franken monatlich. Deshalb gehe ich davon<br />
aus, dass dort vor allem ruhige und vermögende<br />
Schweizer einziehen werden. Und ich wundere<br />
mich jetzt schon, ob der Sulgenbach dadurch<br />
zum sozialen Brennpunkt werden könnte.<br />
www.ensuite.ch<br />
Wissen was im nächsten Monat läuft.<br />
Ein Abo macht Sinn.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 17
musik<br />
POP-/ ROCKMUSIK<br />
die musikalische kilbiwiese<br />
Von Benedikt Sartorius (Bild: zVg.)<br />
■ Minustemperaturen, dazu ein exzentrisches<br />
Programm mit absurder Musik vom grossartigen<br />
Animal Collective oder dem kranken Elektro von<br />
Venetian Snares: Die fast schon legendäre, letztjährige<br />
Bad-Bonn-Kilbi-Ausgabe schaffte, wovon<br />
die Hinz-und-Kunz-Festivals dieser Welt träumen,<br />
nämlich ein künstlerisch aufregendes, so erlebnis-<br />
wie kontrastreiches Programm auf die Beine<br />
zu stellen und damit gar fi nanziell erfolgreich zu<br />
sein.<br />
Die Neugier nach neuer Musik, sie steht auch<br />
dieses Jahr wieder im Zentrum, wenn der Weg<br />
zur Eröffnung der immer länger werdenden Festivalsaison<br />
in die freiburgische Pampa führen wird.<br />
Das unaufgeräumte Kinderzimmer als unendliche<br />
Pop-Spielwiese, wo Genrebeschränkungen nichts<br />
zählen, kann als durchgehaltene Metapher für die<br />
dreitägige Kilbi bestimmt werden.<br />
Psycho-Blumenkinder Die Rückkehr der Romantik<br />
wurde heraufbeschworen, Labels wie «New<br />
Weird America» oder «Neo-Folk» erfunden, es nützt<br />
alles nichts: Die beiden Psycho-Blumenschwestern<br />
Casady von CocoRosie werken weiter an einer Musik,<br />
die ohne jeden Authentizitätsanspruch auskommt,<br />
mit Sätzen wie «Jesus loves me / But not<br />
my wife / Not my nigger friends / Or their nigger<br />
lives» verwirrt und auf ihrem dritten Album «The<br />
Adventures Of Ghosthorse & Stillborn» (Touch&Go<br />
18<br />
/ Irascible) künstlicher denn je erscheint. Die Beats<br />
<strong>sind</strong> erheblich stabiler und markanter als auf den<br />
windschiefen und rudimentären Vorgängern ausgefallen,<br />
die ausgebildete Opernsängerin Sierra<br />
singt betörende Arien und Refrains, während Bianca<br />
den Wohlklang mit quengelnden Raps sabotiert.<br />
Auf den Hippie-Wunsch «Everybody just hold<br />
hands» folgt «Everybody wants to go to Iraq» und<br />
das scheinbar so schwerelose, wunderbare «Werewolf»<br />
entpuppt sich als Albtraum. Die bei CocoRosie<br />
traditionell eingesetzten Spielzeug-Kühe und<br />
Veloklingeln sowie Gameboy-Klänge verstärken<br />
den zunächst kindlich-naiven Charakter ihrer Musik,<br />
weisen bei näherem Anhören aber direkt in<br />
den Abgrund des Unterbewussten.<br />
Subversiv Bunt und schnell fällt die hyperaktive<br />
und rockende Stumm- und Trickfi lm-Elektronik<br />
von Candie Hank aus, hinter dem sich der Kölner<br />
Produzent Patrick Catani verbirgt. Sein raffi niertsubversives<br />
Album «Groucho Running» (Sonig)<br />
geizt nicht mit Amiga-Reminiszenzen an die Anfänge<br />
der Technokultur, zitiert billige Inspector-<br />
Gadget-Melodien und Plastikpop, der ungemein<br />
nervt und noch viel besser unterhält.<br />
Ungemein nerven auch die unentwegten Kanadier<br />
NoMeansNo, die seit 28 Jahren für punktgenaue<br />
Pogo-Verrenkungsfeste sorgen und wahnwitzigen<br />
Humor mit politischen Statements aufl aden.<br />
Punk im Sinne der Brüder Wright: <strong>kein</strong>e leere Hülse,<br />
rhythmisch vertrackt, frisch, stur und starrsinnig.<br />
Global-Jodel Weiter im Programm: Die Young<br />
Gods führen den Reigen an Schweizer Bands an,<br />
Kilbi-Stammgast Mike Patton tritt mit dem österreichischen<br />
Elektromelancholiker Fennesz auf,<br />
Blonde Redhead beschliessen das Festival mit sinistrem<br />
Traumpop, der auf ihrem neuen, schwerelosen<br />
Album «23» (4AD/ MV) in weltfremde<br />
Sphären weist und die verzettelte Folk-Fraktion<br />
präsentiert strassenmusikalische Absurditäten<br />
(Lapin Machin), Besinnlich-hippieskes (Samara Lubelski)<br />
oder Elektronisch-verzwicktes (Flying).<br />
Wie kryptisch diese Bands nun auch anmuten: Der<br />
Genreclash fi ndet wohl an <strong>kein</strong>em Festival lustvoller<br />
und friedlicher statt als an der Bad-Bonn-Kilbi.<br />
Und was die Organisatoren von selbstgerechtem<br />
Name-Dropping und kruden Stilbezeichnungen<br />
halten, kommt ironisierend in den diesjährigen<br />
Mottos zum Vorschein. Die Neugier auf neue Musik,<br />
nur sie zählt an der Kilbi.<br />
Die 17. Bad Bonn Kilbi, Düdingen, fi ndet vom 7.–9.<br />
Juni statt. Das komplette Programm und weitere<br />
Infos gibt’s unter www.badbonn.ch.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
FILEWILE<br />
nassau massage<br />
■ Man kommt als nicht Partygänger nicht einfach<br />
so auf die Idee, in das neue und erste «ausgewachsene»<br />
Album des DJ-Duos Filewile (Mouthwatering)<br />
reinzuhören. Gerade was den Klang anbelangt, hört<br />
man in den ersten Minuten digitale Samples, die<br />
einem Puristen die Zähne verdrehen: alles digital.<br />
Doch der Blick in den Pressetext macht verständlich,<br />
dass dies <strong>kein</strong> normales Album ist, sondern<br />
schon fast ein intergalaktisches Kunstwerk – oder<br />
in den Worten von Filewile: Es ist zeitlose Kaminfeuerklubmusik.<br />
Und mit «Dance» hat diese Musik<br />
dann wirklich nicht so viel zu tun – zumindest macht<br />
das Tanzen dazu nicht wirklich «hip». Wozu auch.<br />
Filewile arbeiten über das Internet, im WWW-Space.<br />
Soundfi les werden über virtuelle Welten vernetzt, in<br />
der realen Welt eingespielt oder besungen, irgendwo<br />
verändert und in der Berner Matte bekommt das<br />
Ganze den letzten Schliff. Und damit verstehen wir<br />
auch den explixit digitalen Klang. Diese Idee ist seit<br />
den 70er Jahren immer wieder versucht worden.<br />
Wegen der hohen Datenmengen und der damals<br />
schlechten Übertragungstechnik, litt die Qualität<br />
aber erbärmlich darunter. Mit myspace.com und<br />
anderen WEB 2.0 Ideen vernetzt sich aber die Welt<br />
schneller, als für viele nachvollziehbar ist. Trotzdem<br />
die Idee also nicht ganz neu ist, so ist Filewile mit<br />
«nassau massage» ein breites und spannendes<br />
musikalisches Album gelungen, welches nicht nur<br />
Freaks interessieren wird. Vor allem aber faszinieren<br />
der Global-Faktor und die Idee, welche sich an<br />
der Aare zusammenfügen. Musikalisch ist nicht alles<br />
Gold, doch spannend und durchaus bewegend.<br />
(vl)<br />
Release: 26.5.2007<br />
www.fi lewile.com<br />
Verlosung 1<br />
■ Diesen Talon raustrennen, leserlich ausfüllen<br />
und bis zum 15. Mai 2007 einsenden an:<br />
ensuite - kulturmagazin<br />
CD-Verlosung FILEWILE<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Vorname / Name<br />
Adresse<br />
PLZ / Ort<br />
Die GewinnerInnen werden schriftlich benachrichtigt.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
MANUFACTUR!<br />
manufactur - fl ambitres<br />
■ In letzter Minute vor Redaktionsschluss brachte<br />
der Werner Hasler die vierte und neuste Albumproduktion<br />
von manufactur in unserer Redaktion<br />
vorbei. Seither bemühe ich mich vergebens, meine<br />
Nackenhaare wieder zu legen. Gleich vorweg:<br />
«fl ambitres» ist das reifste und beste Album seit<br />
langem, was die Berner Jazzszene hervorgebracht<br />
hat! Kompromisslosen Electronic-Jazz, frech, mit<br />
einer gewaltigen Kraft und zum Teil unsanften Provokationen,<br />
haben die vier Musiker fabelhaft konserviert.<br />
Mit erstaunlicher Leichtigkeit erreichen<br />
Werner Hasler (trumpets), Oli Kuster (wurlitzer,<br />
synth), Urban Lienert (bass) und Dominik Burkhalter<br />
(drums) ein hypnotisches Zusammenspiel und<br />
heben schon nach den ersten Takten von jedem<br />
der zwölf Tracks voll ab. Die Mischung von analoger<br />
Elektronik und digitalem Sound <strong>sind</strong> dicht<br />
ineinander verwoben und perfekt verarbeitet. Das<br />
Album hat viel Druck, bleibt manufactur-verspielt<br />
und ist mehr als gekonntes Handwerk. Speziell das<br />
alte Wurlitzer-Elektropiano hat auf diesem Album<br />
eine Vergoldung zu erfahren. Vielleicht ist es abgehoben,<br />
doch nach Miles Davis und Nils Petter Molvaer<br />
geben manufactur den Ton an. Dieses Album<br />
hat bereits Geschichte geschrieben. (vl)<br />
Konzert:<br />
Sonntag, 13.5. / 21:00 h<br />
bee-fl at, im PROGR / Turnhalle<br />
www.manufactur.ch<br />
Verlosung 2<br />
■ Diesen Talon raustrennen, leserlich ausfüllen<br />
und bis zum 15. Mai 2007 einsenden an:<br />
ensuite - kulturmagazin<br />
CD-Verlosung MANUFACTUR<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Vorname / Name<br />
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Die GewinnerInnen werden schriftlich benachrichtigt.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
musik<br />
ECM listening post<br />
Von Lukas Vogelsang<br />
Tord Gustavsen Trio – Being There<br />
■ Tord Gustavsen hat bereits mit seinem Debut-<br />
Album «Changin Places» aufhorchen lassen. Das<br />
war 2002. Zwei Jahre später folgte «The Ground»<br />
und bereits jetzt bringt er uns den dritten Teil:<br />
«Being there». Die drei Alben haben eine spürbar<br />
fortschreitende Kontinuität. Doch sein Pragmatismus,<br />
«äusserst gegenwärtig und aufmerksam<br />
auf die Fülle des Moments fokussiert» zu sein,<br />
wirkt eher konstruiert. Ganz glaubhaft ist das in<br />
den Aufnahmen nicht eingefangen, dazu scheint<br />
die Komposition zu viel Platz einzunehmen. Der<br />
Titel des Albums aber gibt trotzdem etwas davon<br />
wieder.<br />
Zwischen dem intellektuellen Konzept und<br />
dem, was nun in der Musik geschieht, wirken unterschiedliche<br />
Kräfte. Das Intellektuelle führt die<br />
Dynamik an, führt in der Rhythmik und will eine<br />
Geschichte erzählen. Tord Gustavsens Musik wird<br />
aber genau durch die Ungenauigkeit erst lebendig.<br />
Genau dort, wo sich die Musiker gemeinsam<br />
zu suchen beginnen, einen gemeinsamen emotionalen<br />
Nenner fi nden oder sich aus dem Konzept<br />
lösen müssen, entsteht das kraftvolle musikalische<br />
Element.<br />
Wahrscheinlich ist es sogar genau das, was<br />
Gustavsen mit seiner Aussage eigentlich ausdrücken<br />
möchte. «Being there» hat musikalisch<br />
sehr viel Ähnlichkeit mit der Arbeitsweise von<br />
Keith Jarrett, zum Teil erinnern Fragmente sogar<br />
an einzelne Aufnahmen. Doch Jarrett hat noch<br />
weniger Konzept. Das ist jetzt für das Trio aber<br />
nicht etwa schlecht zu werten – im Gegenteil.<br />
Wer sich auf diesen musikalischen Weg einlässt,<br />
profi tiert sehr davon. So auch das Tord Gustavsen<br />
Trio. «Being there» ist ein schönes, romantisches,<br />
aber auch kräftiges Album geworden,<br />
mit sehr gelungenen Highlights. Es bleibt nur die<br />
Frage offen: «Being there» – wo genau?<br />
Tord Gustavsen Trio<br />
Being There<br />
ECM 2017<br />
www.ecmrecords.com<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 19
musik<br />
KONZERT-TIPP<br />
DJ Vadim‘s Soundcatcher feat. DJ Vadim, Yarah<br />
Bravo (Vocals), Deuce Eclipse (West Coast<br />
MC), Emo (Soul Vocalist) & Keyboards<br />
25. Mai, 22:00 h / Dachstock<br />
■ Nachdem sein Vertrag mit Ninja Tune ausgelaufen<br />
ist, hat DJ Vadim zu BBE Records gewechselt,<br />
letztes Jahr zog er mit seiner Frau Yarah<br />
Bravo nach Brooklyn, N.Y., und mit «Soundcatcher»<br />
legt er ein Werk vor, welches sich sachte<br />
vom Hip Hop entfernt, dessen Zustand ihn mehr<br />
und mehr desillusioniert, wie er in einem Interview<br />
mit Jazzthetik bekennt.<br />
Auf seinem neuen Album «Soundcatcher»<br />
hört man Klänge aus Indien, Japan, Kuba und<br />
Einfl üsse aus Jazz, Funk und Blues. Er bewegt<br />
sich jedoch vermehrt in Richtung Reggae und<br />
Soul, ohne aber seine Handschrift, das Unvereinbare<br />
zusammenzubringen, aufzugeben. (cr)<br />
Plan_JA!: St. Helvetia - Schwiizerörgeli-Stubete<br />
mit Cyrill Schläpfer.<br />
31. Mai, 21:00 h / Dampfzentrale<br />
■ Ein Herz für die Schweizer Volksmusik: Dass<br />
der Rapper Kutti MC mit dem Musikproduzenten<br />
Cyrill Schläpfer zur archaischen Stubete ruft,<br />
macht Sinn. Beide strehlen, pardon striegeln,<br />
die Volksmusik gegen die Bürste ihrer Verwalter.<br />
Schläpfer veröffentlicht Schwyzerörgeli- und<br />
Punk-Legenden, macht Filme über Schiff-Sirenen<br />
auf dem Vierwaldstättersee und hat den legendären<br />
Taxi-Song «Campari Soda» aus dem Keller<br />
in die Hitparade 2007 bugsiert. Zum Abschluss<br />
des Plan_JA! (Kutti MC präsentiert) spielen am<br />
Schwyzerörgeli Koni Inderbitzin, Beni Amrhein<br />
und Cyrill Schläpfer und am Bass René Widmer.<br />
Kutti MC wird ein Ständchen singen. Hopp der<br />
Bäse! (cr)<br />
Boys on Pills (Baze & Elwont)<br />
19. Mai, 22:00 h / Sous-Soul<br />
■ Da müssen Baze und Elwont wohl synthetische<br />
Tabletten zu sich genommen haben: Unter<br />
dem Namen «Boys on Pills» lassen die beiden<br />
Berner ihre Alter Egos «Dr. Broccoli» und «Jonny<br />
Bunko» ungewohnte Wege gehen. Flowtechnisch<br />
provokant, beatmässig frech und unkonventionell<br />
bringen Baze und der aus Ungarn stammende<br />
Produzent Elwont schweizerischen Acid-Rap<br />
vom Feinsten. Ein Muss für jeden, der die aktuelle<br />
Musikentwicklung kritisch und differenziert beobachtet<br />
- und für alle Freaks! (cr)<br />
Sie wissen<br />
nicht wohin?<br />
abo@ensuite.ch<br />
20<br />
POP-/ROCKMUSIK<br />
«eine band, so charmant wie d<br />
Von Andy Limacher - The Feet Peals spielen am 1. Juni in der Mühle Hunziken (Bild: zV<br />
■ Das erste, was man auf dem Album von den<br />
Feet Peals hört, ist der Sprung in den Pool. «Bonnieux<br />
passt voll und ganz zu dem, was wir wollen<br />
und was wir <strong>sind</strong>», erzählt mir Patrik Zeller alias<br />
Pad_ee, Sänger und Akkordeonist des Sextetts.<br />
«Für das letzte Album haben wir unsere Gagen zusammengelegt<br />
und uns in der Provence ein Häuschen<br />
gemietet. Im Wohnzimmer haben wir dann<br />
die Lieder aufgenommen.» Und mit der Musik den<br />
Sommer eingefangen, könnte man anfügen.<br />
Die gemeinsamen Nenner der Band <strong>sind</strong> Folk<br />
und Chanson. Wenn Saxophon, Kontrabass, Gitarre,<br />
Schlagzeug, Violine und Akkordeon bei den Feet<br />
Peals aufeinandertreffen, enstehen ihre typisch lebensfrohen<br />
Lieder, die das Tanzbein anregen – so<br />
viel zum Folk. Der Chanson fi ndet vor allem durch<br />
das Akkordeon und Pad_ees Gesang seinen Weg in<br />
die Musik. «Die französischen Texte waren meine<br />
Idee, denn ich war damals als Billingue nicht zufrieden<br />
mit meinem Französisch. Ich wollte das als<br />
Chance nutzen und liess mich für die Songtexte<br />
von meinem Vater beraten.»<br />
1993 hat alles angefangen, in der Villa Kunterbunt<br />
in einem modrigen Keller mit einer Stereoanlage<br />
als Verstärker. Heute, fast 15 Jahre danach,<br />
verbingt Pad_ees Vater immer weniger Zeit mit<br />
der Korrektur von Texten, auch die Musik hat sich<br />
stark entwickelt, aber ansonsten fühlt sich die<br />
Band immer noch wie damals – wie eine grosse<br />
Familie. «Nur etwas jünger und schöner waren wir<br />
damals noch», sagt Pad_ee und lacht in die Frühlingssonne.<br />
Ich bitte ihn um eine kurze Einschätzung der<br />
einzelnen Bandmitglieder. «Ludi spielt hinreissende<br />
Soli auf dem Sax», antwortet er nach einer<br />
Weile, «und unser Bassist Mani ist ein herzlicher<br />
und begabter Songwriter. Pit ist im positiven Sinne<br />
ein Kind geblieben, und ich kenne niemanden, der<br />
mehr Schlagzeuge auf eBay ersteigert hat – bei jedem<br />
Gig hat er irgendwas neues dabei. Und Senni,<br />
unser Gitarrist, hat einen sehr guten Draht zum<br />
gemütlichen Zusammensein.»<br />
Gemütlichkeit ist überhaupt ein wichtiger Bestandteil<br />
der Feet Peals. Kein Ziel, von der Musik zu<br />
leben, <strong>kein</strong>e geplanten Tourneen, <strong>kein</strong>e verzweifelte<br />
Suche nach einem Label. Viel lieber spielen sie<br />
Konzerte ihn Lokalen, wo auch die Atmosphäre<br />
stimmt, zum Beispiel im Bären Buchsi oder in der<br />
Mühle Hunziken, wo die sechs am 1. Juni auftreten<br />
werden. Selbst das ist aber nicht ganz so einfach<br />
– gerade Konzertlokale mir regionaler und nationaler<br />
Ausstrahlung, so Pad_ee, setzen heute eher<br />
auf Bands, die zumindest in der ganzen Schweiz<br />
bekannt <strong>sind</strong>. «Aber man fi ndet Nischen. Es ist<br />
schön, dass man als Band Auftritte bekommt, auch<br />
wenn man <strong>kein</strong>en Businessplan und dicke Freund-<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
g.)<br />
er sommer»<br />
schaften zu den Wichtigen der Musikszene hat.»<br />
Grundsätzlich müsse einfach das Ambiente stimmen,<br />
und der Kontakt zum Publikum. Es kam schon<br />
vor, dass die Feet Peals auf die Bühne verzichtet<br />
haben, um mit den Gästen auf Augenhöhe zu sein.<br />
Vermutlich liegt es an zwei Faktoren, dass sich<br />
die Lieder der Feet Peals immer auch ein wenig wie<br />
Zigeunermusik anhören: Die Band ist gerne unterwegs<br />
– im Oktober zieht es die sechs wieder in die<br />
Provence, um ein neues Album aufzunehmen – und<br />
darüber hinaus bringt die Violinistin Rhea immer<br />
ein wenig Melancholie und Sehnsucht in die Musik.<br />
Pädu dazu: «Rhea? Sie ist einfach unser Sonnenschein.»<br />
Das kann jeder bestätigen, der die Feet<br />
Peals schon einmal live erlebt hat.<br />
Michu Pauli, der in Murten die kleine Beiz Bar<br />
& Blumen betreibt, bezeichnete die Feet Peals einmal<br />
passenderweise als «eine Band, so charmant<br />
wie der Sommer». Wer den Sommer also nicht verpassen<br />
will , besucht am 1. Juni die Mühle Hunziken<br />
in Rubigen.<br />
Feet Peals & Puts Marie<br />
Freitag, 1.Juni, Mühle Hunziken, Rubigen<br />
Reservationen unter 031 721 0 721 oder<br />
www.muehlehunziken.ch<br />
www.thefeetpeals.ch<br />
www.myspace.com/thefeetpeals.ch<br />
KLIMAWANDEL IN BERN<br />
■ Nicht nur reden, sondern auch erkennen – etwa<br />
unter diesem Motto könnte am 11. und 12. Mai in<br />
drei Stadtteilen von Bern der Berner Umwelttag<br />
über die Bühne gehen. Und das nicht kleinlich<br />
und im gewohnten alternativen Ökopartystil. Drei<br />
Stadtteile haben sich in das Projekt (Projektleitung<br />
Verkehrsteiner, Bern) eingehängt: Länggasse-Felsenau,<br />
Mattenhof-Weissenbühl, Bümpliz-Bethlehem-Bottigen-Riedbach.<br />
Dass Klimawandel nicht<br />
ein Thema für morgen ist, spürten wir im April<br />
schon ein wenig. Zeit also, sich zu informieren<br />
und sich einigen Fragen zu stellen. An den beiden<br />
Tagen gibt’s Aktivitäten und Projekte rund um die<br />
Abfalltrennung, Energiesparen, CO 2 -Reduktion,<br />
Naherholung, Konsum und Mobilität. Fachpersonen<br />
werden Impulse mit ihren Referaten liefern – für<br />
Diskussionsstoff ist sicher gesorgt, denn Lösungen<br />
und Ideen <strong>sind</strong> noch immer wage. Und das ist auch<br />
den Veranstaltern bewusst. Sie haben mit dem<br />
kulturellen und unterhaltenden Rahmenprogramm<br />
für die ganze Familie vorgesorgt: Kino, Konzerte,<br />
Kinderspiel und Fingerfood. Was braucht’s mehr?<br />
ensuite - kulturmagazin empfi ehlt, frühzeitig mit<br />
dem Studium des Programmes zu beginnen, denn<br />
es bedingt einen Hochschulabschluss... Ein besonderer<br />
Tipp ist sicher der Stand vom Drahtesel und<br />
TOJ: «Pimp dis Velo!». (vl)<br />
Konzerthinweise Freitag, 11. Mai:<br />
18:00 Duo Infernale mit Winzerpunk<br />
21:30 Tinu Heiniger (Bild) – Musik und Lieder aus<br />
dem Zwergenland<br />
Beide Konzerte spielen im Haus der Religionen<br />
(provisorisch Schwarztorstrasse 102,<br />
Bern)<br />
INSOMNIA<br />
VACANZE ROMANE<br />
Von Eva Pfi rter<br />
musik<br />
■ Es war Sonntagnachmittag in Rom. Der<br />
schönste Sonntagnachmittag, an den ich mich<br />
jemals erinnern werde. Punkt halb zwei hielt er<br />
auf seinem roten Ferrari-motorino vor meiner<br />
Tür, liess kurz mein Handy klingeln und ich, sobald<br />
ich es sah, hüpfte voll freudiger Erwartung<br />
hinaus ins Römer Leben, um mich auf gepolsterten<br />
Sattel zu schwingen. Wie wunderbar!<br />
Wann eigentlich hat man in der Schweiz damit<br />
aufgehört, uns Mädchen abzuholen? Mein weiss<br />
gepunktetes rotes Band fl atterte im Aprilwind<br />
und nach jedem überfl ogenen römischen Strassenloch<br />
fühlte ich mich beschwingter; links überholten<br />
wir auf doppelt ausgezogenen Mittellinien<br />
vollgestopfte, schwer dahinschwankende Busse,<br />
liessen schlecht angezogene Touristinnen, die<br />
schon mit halbem Bein auf dem Zebrastreifen<br />
standen, verblüfft zurück. Elegant kurvte mein<br />
galanter römischer Begleiter am Monument für<br />
Emmanuel II vorbei – es schien mir grösser und<br />
protziger denn je zuvor. Am Lungotevere streiften<br />
die herunterhängenden Äste der altehrwürdigen<br />
Platanen beinahe unsere Helme und als<br />
wir nach Trastevere einbogen, stand die Sonne<br />
hoch am blauen Nachmittagshimmel. Ich konnte<br />
nicht aufhören, zu lächeln.<br />
Im ‹Fabrizio› bestellte Sebastian für uns als<br />
Antipasto carciofi auf jüdische Art und liess es<br />
sich nicht nehmen, die Rechnung allein zu begleichen.<br />
Nach dem kleinen schwarzen Kaffee<br />
fuhren wir dem Grün ausserhalb Roms entgegen,<br />
fl ogen an blühenden Wiesen vorüber, bis Sebastian<br />
vor einer Kurve fragte: Sei pronta? Bevor ich<br />
nicken konnte, tauchte vor mir die wohl schönste<br />
Kuppel auf, die die Welt je gesehen hat: San<br />
Pietro. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin: Rom<br />
lag mir zu Füssen und ich lag Rom zu Füssen.<br />
Und als mir in der Gelateria ‹La Palma› Audrey<br />
Hepburn von den Wänden entgegenlächelte, war<br />
mein Sonntagnachmittag komplett, perfekt, einmalig.<br />
Ein letztes Mal trug uns an diesem Tage<br />
das schöne motorino über Pfl astersteine durch<br />
Roms enge Gässchen, schnitt bei orange über<br />
eine Kreuzung und sauste steil der hellen halbrunden<br />
Treppe Santa Maria Maggiores entgegen,<br />
bis es im Schatten der Bäume meiner Strasse<br />
hielt und mein wunderbarster Sonntagnachmittag<br />
zu Ende ging. Ich schlenderte lächelnd<br />
meinem kleinen Reich entgegen und blickte<br />
noch lange vom Balkon hinauf auf die Strasse,<br />
wo alle halbe Minute ein motorino daherbrauste,<br />
und träumte von Rom, dem einzigen und wahren<br />
Rom.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 21
Donnerstag, 3. Mai<br />
Hommage à Veress<br />
19.30 h | Zentrum Paul Klee, Auditorium<br />
Ensemble Paul Klee<br />
Cvartetul transilvan<br />
Vorverkauf: www.kulturticket.ch<br />
Freitag, 4. Mai<br />
Quartettkonzert<br />
19.30 h | Zentrum Paul Klee, Auditorium<br />
Aria Quartett<br />
Vorverkauf: www.kulturticket.ch<br />
Samstag, 5. Mai<br />
Luftserenaden<br />
16.00 h | Zentrum Paul Klee, Auditorium<br />
Zürcher Bläserquintett<br />
Vorverkauf: www.kulturticket.ch<br />
Symphoniekonzert IV<br />
19.30 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />
Papiermühlestrasse 13c<br />
Grosse Halle<br />
Zsolt Nagy<br />
Basler Streichquartett<br />
Stefanov Krasimir<br />
Pishtyalov Dimo<br />
Orchester der Hochschule Cluj<br />
Orchester der HKB<br />
Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />
Sonntag, 6. Mai<br />
Matinee<br />
11.00 h | Zentrum Paul Klee, Forum<br />
Christina Viragh<br />
Vorverkauf: www.kulturticket.ch<br />
Camerata Bern<br />
Sándor Veress zum 100. Geburtstag<br />
17.00 h | Zentrum Paul Klee, Auditorium<br />
Erich Höbarth<br />
Heinz Holliger<br />
Camerata Bern<br />
(5. Abo-Konzert)<br />
Vorverkauf: www.kulturticket.ch<br />
22<br />
Musikfestival<br />
zum 100. Geburtstag von<br />
Sándor Veress<br />
1.– 4. Februar 2007<br />
1.– 4. März 2007<br />
3.– 6. Mai 2007<br />
25 Konzerte, Einführungen, Gespräche, Film und Lesung<br />
musikfestivalbern.ch<br />
veress07.ch<br />
Erstmals in einem gemeinsamen Festival:<br />
� Aria Quartett<br />
� Berner Kammerorchester<br />
� Berner Symphonie-Orchester<br />
� Bieler Symphonieorchester<br />
� Camerata Bern<br />
� Hochschule der Künste Bern<br />
� Internationale Gesellschaft<br />
für Neue Musik Bern<br />
� Musikschule Konservatorium Bern<br />
� Institut für Musikwissenschaft<br />
der Universität Bern<br />
� Zentrum Paul Klee<br />
Hauptsponsor:<br />
Amt für Kultur<br />
des Kantons Bern<br />
3<br />
Medienpartner:<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07<br />
Gestaltung: Neidhart Grafik, Bern
cinéma<br />
FILM<br />
formvollendetes fürchten mit david lynch<br />
Von Sarah Stähli (Bild: zVg.)<br />
■ Es ist ein grandios kunstvolles Spiel mit der<br />
Angst, zu dem uns das Enfant terrible des amerikanischen<br />
Kinos mit «Inland Empire» einlädt.<br />
Das Aufregende an David Lynchs Filmen ist, dass<br />
sie sich in <strong>kein</strong> Genre pressen lassen, er macht<br />
weder reine Horrorfi lme noch Kriminalfi lme. Er<br />
zielt auf unser Unterbewusstes. Es <strong>sind</strong> Kindheitsängste,<br />
Alptraumbilder, von denen er erzählt:<br />
Dunkle Räume und Treppenhäuser, verschlossene<br />
Türen, vertraute Gesichter, die sich in grässliche<br />
Fratzen verwandeln und aufdringliche Doppelgänger.<br />
Fünf Jahre liegen zwischen seinem letzten<br />
Werk «Mulholland Drive» und «Inland Empire».<br />
Obwohl vieles in seinem neuen Film so etwas wie<br />
Lynch-Klischees oder Selbstzitate <strong>sind</strong>, wird die<br />
eigene Marke nicht zur Masche. Eine derart experimentelle<br />
Filmsprache und so wenig Handlung:<br />
das überrascht sogar bei David Lynch. Nichtlineare<br />
Narration, diverse Handlungsstränge und Erzählperspektiven<br />
vermengt er zu einem elektrifi zierenden<br />
assoziativen Gesamtkunstwerk.<br />
Durch ein Brandloch in die Vergangenheit<br />
«Inland Empire» ist auch das gewaltige Comeback<br />
der Lynch-Muse Laura Dern. Wer sich in «Blue Velvet»<br />
ab ihrer biederen Naivität genervt hat, wird<br />
sie in «Inland Empire» vielleicht lieben lernen. Sie<br />
spielt in einer Tour de force mindestens drei Rollen,<br />
in denen sie zwischen White Trash und High Society<br />
changiert. Einer Alice im Angstland gleich öffnet<br />
sie ein Türchen nach dem anderen und betritt<br />
immer unheimlichere Welten; durch ein Brandloch<br />
in einem Seidentuch blickt sie zurück in eine rätselhafte<br />
polnische Vergangenheit.<br />
Nikki Grace ist Schauspielerin und wird für<br />
einen vielversprechenden Film engagiert. Bald<br />
stellt sich heraus, dass es sich dabei um ein Remake<br />
handelt – der Ursprungsfi lm wurde aus mysteriösen<br />
Gründen nie zu Ende gedreht. Anfangs<br />
wähnt man sich beinahe in einer Komödie. Lynch<br />
stellt die Dreharbeiten so dar, als sei das Ganze ein<br />
ziemlich lächerlicher Zirkus. Zum Beispiel wenn der<br />
Produzent – Harry Dean Stanton in einem grandiosen<br />
Kurzauftritt – von den Regieassistenten Geld<br />
borgt. Lynch, der am Filmemachen nichts mehr<br />
hasst als das Warten, verarbeitet diesen Frust in<br />
ein paar sehr amüsante Sequenzen. Man wünschte<br />
sich von Lynch einmal einen Film, der ganz Farce<br />
aufs Filmemachen ist. Bald schon verliert sich<br />
aber auch diese Episode in einem Labyrinth der<br />
Verwirrungen. Film im Film im Film ist die Grundlage<br />
dazu. Wann befi nden wir uns auf dem Filmset,<br />
wann in einem realen Gebäude? Kaum denkt<br />
man, das muss jetzt «Realität» sein und <strong>kein</strong> Filmdreh,<br />
erscheint ein sich langsam entfernender Kamerakran<br />
im Bild und aus dem Off ertönt ein<br />
«cut!».<br />
Verschwommene Scheiben Wer nach dem<br />
Drei-Stunden-Marathon im Saal sitzen bleibt in der<br />
Hoffnung, wenigstens in der abwegigen Endtitel-<br />
Sequenz eine Aufl ösung zu erhalten, wird nicht<br />
erlöst, sondern nur noch mehr verwirrt.<br />
Lynch ist Anhänger der transzendentalen Meditation<br />
und hat in letzter Zeit an seinen öffentlichen<br />
Auftritten zur Enttäuschung aller anwesenden<br />
Filmstudenten vor allem über seinen Guru gesprochen.<br />
Wovon «Inland Empire» handle, wisse er selber<br />
auch nicht genau, dass müsse jeder Zuschauer<br />
für sich selbst herausfi nden, meinte er in einem<br />
Interview und beschreibt seinen Film als «einen<br />
Blick durch verschwommene Scheiben des menschlichen<br />
Ichs auf dunkle Abgründe».<br />
Der Regisseur hat «Inland Empire» zum grössten<br />
Teil selber mit einer Digital-Videokamera gedreht.<br />
Er arbeitet mit Unschärfen, Überblendungen,<br />
verwirrenden Schnitten und unpassender Musik.<br />
Seine Freude an der ballastfreien Technik ist mit<br />
jeder Einstellung sichtbar, trotzdem verkommt der<br />
Film nie zu einer egomanischen Spielerei, die den<br />
Zuschauer links liegen lässt. Wie die junge Frau, die<br />
sich mit vor Angst geweiteten Augen eine seltsame<br />
Fernsehserie mit Hasen-Menschen anschaut – einer<br />
der wenigen roten Fäden in «Inland Empire» – können<br />
auch wir uns der surrealen Welt Lynchs nicht<br />
entziehen, möge sie noch so verstörend sein.<br />
Für Dern ist der Film eine Hommage Lynchs ans<br />
alte Hollywood und handle «vom Tod dessen, wofür<br />
Hollywood für ihn steht». Bestens veranschaulicht<br />
in der Sequenz, in der Nikki Blut auf die Sterne des<br />
Walk of Fame kotzt, um schliesslich neben einer<br />
Gruppe Obdachloser zusammenzubrechen. Der<br />
Film wurde in den USA im Eigenverleih lanciert. Als<br />
eigenwilliger Regisseur, der sich nicht reinreden<br />
lässt, hat es auch eine internationale Kultfi gur wie<br />
Lynch nicht leicht.<br />
«Geschichten <strong>sind</strong> Geschichten. Hollywood ist<br />
voll davon», heisst es einmal in «Inland Empire».<br />
Nach den ersten Minuten wird klar, dass dieser Film<br />
sehr viel mehr ist als nur eine weitere Geschichte<br />
aus Hollywood.<br />
«Inland Empire» läuft seit dem 26. April im Kino.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 23
cinéma<br />
SUNSHINE<br />
■ Die Geschichte von Regisseur Danny Boyles<br />
Science-Fiction-Film «Sunshine» ist etwas absurd:<br />
In fünfzig Jahren scheint die Sonne nicht<br />
mehr wie sie soll und die Welt erleidet einen fatalen<br />
arktischen Winter. Um die Quelle alles lebensspendenden<br />
Lichtes wieder in Gang zu bringen,<br />
ist die Mission Icarus II mit einer Riesenbombe<br />
Richtung Sonne unterwegs. Kurz vor dem Erreichen<br />
ihres Ziels empfängt sie ein Notrufsignal<br />
von Icarus I, der Jahre zuvor gescheiterten gleichen<br />
Mission. Und da nomen est omen, gibt es<br />
auch in «Sunshine» das unvermeidliche Element<br />
der menschlichen Schwäche. Wie in der griechischen<br />
Sage, in der sich Ikarus die Flügel an der<br />
Sonne verbrennt, muss die Crew von Icarus II<br />
schwerwiegende Entscheide treffen und dann<br />
mit deren Konsequenzen leben – oder sterben.<br />
Regisseur Boyle benutzt so ziemlich die gleichen<br />
Erzähltricks und Bildersprache wie in seinem<br />
Horrormeisterwerk «28 Days later» und<br />
dem Junkieklassiker «Trainspotting». Allerdings<br />
will in «Sunshine» kaum die gleiche Spannung<br />
oder das Sehvergnügen aufkommen. Vielleicht,<br />
weil die Ausgangslage der Geschichte unendlich<br />
weit von der aktuellen Wahrnehmung der Menschen<br />
entfernt ist, oder einfach weil den Hintergründen<br />
zu wenig Raum gegeben wird. Trotzdem<br />
wird «Sunshine» - ähnlich wie der unterschätzte<br />
Film «Event Horizon» von 1997, dessen Geschichte<br />
einem bei Boyles Film verteufelt vertraut vorkommt<br />
- aber über die Zeit hinweg sehenswert<br />
bleiben.<br />
Grund dafür ist eine feine Liga Schauspieler,<br />
die den Film tragen und die Spezialeffekte oder<br />
den Inhalt der Geschichte nebensächlich werden<br />
lassen. Allen voran Cillian Murphy, der sich bereits<br />
in «28 Days later» erstaunlich zäh gegen<br />
von Wut zerfressene Gegner zur Wehr gesetzt<br />
hat. Murphy («Breakfast on Pluto», «Red Eye»),<br />
der das Durchgeknallte genauso gut hinkriegt<br />
wie das Verletzliche oder Verzweifelte, spielt den<br />
Astrophysiker, der die Bombe zünden soll und<br />
der deswegen wohl als Einziger ein tiefgründigeres<br />
Charakterprofi l erhält. Doch auch Cliff Curtis<br />
(«Whale Rider») und Michelle Yeoh («Crouching<br />
Tiger, Hidden Dragon») tun das ihre, um den<br />
Film trotz einer hahnebüchenen erzählerischen<br />
Wende im letzten Drittel noch sehenswert zu machen.<br />
Der Film dauert 107 Minuten und ist seit dem<br />
19. April in den Kinos. (sjw)<br />
24<br />
FILM<br />
goodbye bafana<br />
Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />
■ Des einen Freiheitskämpfer ist des anderen Terrorist.<br />
Dieser Spruch gilt heute genauso wie 1964,<br />
als das südafrikanische Apartheidregime Nelson<br />
Mandela als einen der Anführer des African National<br />
Congress zu lebenslanger Haft verurteilte und<br />
im Gefängnis von Robben Island wegsperrte. Nur<br />
die Angst der Regierung, Mandela durch ein Todesurteil<br />
zum Märtyrer zu machen, bewahrte ihn<br />
damals vor dem Strick und am liebsten hätte das<br />
Regime den Schlüssel weggeworfen. Erst 1990 wurde<br />
Mandela medienwirksam freigelassen und wurde<br />
1994 zum ersten schwarzen, demokratisch gewählten<br />
Präsidenten Südafrikas.<br />
Während über zwanzig Jahre seiner Haft wurde<br />
Mandela von dem Gefängniswärter James Gregory<br />
bewacht. Als dieser 1968 nach Robben Island versetzt<br />
wird, überträgt man ihm den Gefangenen und<br />
die Zensur dessen Korrespondenz, da Gregory fl iessend<br />
Xhosa, Mandelas Muttersprache, spricht und<br />
ihn so ausspionieren soll. Doch der Kontakt mit dem<br />
charismatischen Mandela verändert das Weltbild<br />
des bis anhin regimetreuen Gregory, der aus einfachen<br />
Verhältnissen stammt und nur seine Familie<br />
vor den Schwarzen schützen will, die er allesamt für<br />
gefährliche Terroristen hält.<br />
Basierend auf den Memoiren von Gregory hat<br />
Regisseur Bille August mit «Goodbye Bafana» ein<br />
eindringliches Zeitbild der Apartheid geschaffen.<br />
Während der Rassentrennung in Südafrika von<br />
1948 bis 1990 hatte die schwarze Mehrheit des<br />
Landes <strong>kein</strong> Recht zu wählen, sich zu bilden, weder<br />
Haus- oder Landbesitz zu haben noch sich frei zu<br />
bewegen. Obwohl die Geschichte vornehmlich aus<br />
der Perspektive der Weissen erzählt wird, ist der Respekt<br />
für die Errungenschaften und den Einfl uss von<br />
Mandela in jeder Szene spürbar. Mit beklemmender<br />
Realität wird gezeigt, wie die weisse Minderheit des<br />
Landes die Schwarzen unterdrückte und mit wie<br />
viel Rassismus die Gefangenen konfrontiert waren.<br />
Durch die beeindruckende Leistung der drei<br />
Hauptdarsteller Joseph Fiennes als Gregory, Dennis<br />
Haysbert als Mandela und Diane Kruger als Gregorys<br />
Frau Gloria ist «Goodbye Bafana» aber auch ein<br />
intimes Porträt der Beziehung zwischen den beiden<br />
Männern und jener des Ehepaares Gregory. «Bafana»<br />
bedeutet Freund auf Xhosa und mit Ausnahme<br />
einer Rückblende in Gregorys Kindheit erzählt<br />
Regisseur August die Geschichte chronologisch<br />
und dicht gepackt mit historischen Begebenheiten.<br />
Elegant werden sie in das Heute des Films eingefl<br />
ochten und bewahren dadurch jene Beiläufi gkeit,<br />
die sich erst im Rückblick in etwas Spezielles verwandelt.<br />
Durch seine wachsende Sympathie mit Mandela<br />
und dessen Kampf für Gleichberechtigung wird Gregory<br />
zunehmend von seiner Umgebung angefeindet.<br />
Hin- und hergerissen zwischen seinen erschütterten<br />
Wertvorstellungen und dem Bedürfnis, für<br />
seine Familie zu sorgen, willigt er trotz wachsender<br />
Zweifel an der moralischen Überlegenheit seiner<br />
Arbeit immer wieder ein, seine Rolle weiterzuspielen.<br />
Dass er dadurch Teil der politischen Geschichte<br />
seines Landes wird, ist ihm schon früh bewusst und<br />
wesentlich für seine Motivation. Immer mehr wandelt<br />
sich Gregory von einem hasserfüllten Rassisten<br />
in einen Anhänger Mandelas.<br />
So fasst ein Zitat aus Nelson Mandelas Buch «Der<br />
lange Weg zur Freiheit» eindrücklich die Botschaft<br />
von «Goodbye Bafana» zusammen: «Niemand wird<br />
geboren und hasst andere Menschen wegen ihrer<br />
Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihrer Religion. Hass<br />
muss man lernen, und wenn man Menschen das<br />
Hassen beibringen kann, dann kann man sie auch<br />
lehren zu lieben, denn Liebe kommt einfacher in die<br />
Herzen der Menschen als sein Gegenteil».<br />
Der Film dauert 117 Minuten und kommt am 3.<br />
Mai in die Kinos.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
FILM<br />
spider-man 3<br />
Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />
■ Endlich, endlich, endlich ist Spider-Man wieder<br />
da! Im dritten Teil der Saga hat sich Spider-Man<br />
wie auch sein Alter Ego Peter Parker mit den düsteren<br />
Seiten seines Charakters und seiner Vergangenheit<br />
herumzuschlagen und sieht sich von einer<br />
Reihe neuer, mächtiger Feinde herausgefordert,<br />
die seine eigenen Kräfte überfordern.<br />
Dabei beginnt eigentlich alles ganz glücklich.<br />
Peter ist endlich mit Mary Jane zusammen, er geniesst<br />
die Bewunderung der Stadt für ihren Helden<br />
und auch das Studium läuft bestens. Doch gerade<br />
weil ihm all das zu Kopf steigt, bemerkt er nicht,<br />
dass Mary Janes Karriere als Schauspielerin gefährdet<br />
ist und sie sich immer mehr von ihm entfremdet.<br />
Zu all dem krallt sich ein schwarzes Wesen<br />
an Spider-Man und verwandelt den blau-roten Helfer<br />
der Menschen in ein düsteres, von Rachsucht,<br />
Stolz und Grössenwahn getragenes Wesen, dessen<br />
Charakter auch auf Parker buchstäblich abfärbt.<br />
Bis auf die ergänzenden Charaktere der neuen<br />
Bösewichter Sandman (Thomas Hayden Church)<br />
und Venom (Topher Grace) sowie James Cromwell<br />
als Polizeichef und Bryce Dallas Howard als<br />
seine Tochter Gwen sieht man vor allem vertraute<br />
Gesichter. Wie bereits in den Teilen eins und zwei<br />
besticht auch hier die Besetzung durch ihre Qualität<br />
und ergänzt die technischen Raffi nessen glänzend.<br />
Ein besonderer Genuss ist Toby Maguire, der<br />
genauso als rücksichtsloser, arroganter Schönling<br />
überzeugt und seine zusätzlichen Kräfte sichtlich<br />
geniesst, wie auch als der schüchterne und<br />
liebenswerte Peter Parker. Öfter als zuvor sehen<br />
wir Spider-Man auch ohne Gesichtsmaske, was Maguire<br />
noch mehr Spielraum für sein Schauspiel und<br />
beide Figuren stärker zusammenwachsen lässt.<br />
Gekonnt spielt der Film mit der Faszination und<br />
Anziehungskraft, die das Böse und Mächtige auszuüben<br />
vermögen, aber auch mit der Fragen nach<br />
moralischer Verantwortung und dem Kern des<br />
Guten im Menschen, der am Ende meistens siegt.<br />
«Man hat immer eine Wahl», wird zu Peters Leitspruch<br />
und Rettung, denn erst als er sich selbst<br />
von dem schwarzen Gift befreit, kann er auch andere<br />
davon überzeugen, es ihm gleich zu tun. Doch<br />
trotz der fi nsteren Momente, in denen die Grenze<br />
zwischen Freund und Feind verwischt, kommt in<br />
«Spider-Man 3» auch der Humor nicht zu kurz.<br />
Vor allem in der Gestalt von J. K. Simmons als Peters<br />
köstlich cholerischer Chefredaktor beim Daily<br />
Bugle, der diesmal an seinem Aggressionsverhalten<br />
arbeiten muss.<br />
Mit immer neuen Wendungen widmet sich der<br />
dritte Teil dem Erwachsenwerden von Peter und<br />
seiner Liebe zu Mary Jane Watson. Man erfährt<br />
noch mehr über die Umstände des Todes seines<br />
Onkels, der Peter so stark geprägt hat, erlebt den<br />
Wandel und die Läuterung seines von Trauer und<br />
Hass zerfressenen Freundes Harry Osborn und leidet<br />
mit, wenn Peters eigene Schuldgefühle oder<br />
Überheblichkeit ihn zu unverständlichen Handlungen<br />
treibt.<br />
Ganz in der Tradition von Fortsetzungen ist<br />
auch «Spider-Man 3» grösser, schneller, länger und<br />
– dank der erfahrenen Regiehand von Sam Raimi<br />
– so gut wie seine Vorgänger, wenn nicht gar besser.<br />
Ohne die ersten beiden Teile zu kennen, dürften<br />
allerdings einige Aspekte der Geschichte eher<br />
kryptisch bleiben. Als möglicher Abschluss eines<br />
Gesamtwerkes aber ist «Spider-Man 3» in erster<br />
Linie eine stimmige Weiterführung der Vorfi lme,<br />
grandiose Unterhaltung mit nicht zu viel und nicht<br />
zu wenig Tiefgang, sowie weit davon entfernt, mit<br />
einem banalen Happy End zu langweilen.<br />
Der Film dauert 139 Minuten und kommt bereits<br />
am Dienstag, 1. Mai, in die Kinos.<br />
cinéma<br />
TRATSCHUNDLABER<br />
Von Sonja Wenger<br />
■ Jesses, da fragte die deutsche «Gala» vor<br />
kurzem allen Ernstes, ob die «verlorenen Kinder<br />
von Hollywood» noch zu retten <strong>sind</strong>, deren Leben<br />
von Drogen, Alkohol und Magersucht bestimmt<br />
wird. Ja aber was soll man denn sonst tun ausser<br />
saufen in einer Welt, in welcher der Papst wie der<br />
Chancellor aus «Star Wars» aussieht? In einer<br />
Welt, in der auf web.de Jude Law wegen seiner<br />
«hinterhältigen Affäre mit dem Kindermädchen»<br />
als die «grösste Liebesratte» bezeichnet wird,<br />
und der britische Sender BBC die Geschichte eines<br />
Kameramannes im Irak nicht ausstrahlt, weil<br />
es für den Titel «Weddings and beheadings» jetzt<br />
gerade ein etwas unpassender Zeitpunkt sei.<br />
<strong>Wir</strong> leben auch in einer Welt, in der man<br />
Christina Ricci nicht mehr wiedererkennt, weil<br />
sie ihr süsses Mondgesicht genauso der Dürrezeit<br />
geopfert hat wie Courtney Love, die, nein,<br />
nein, «<strong>kein</strong>e Magenoperation hatte», jetzt wie<br />
der Klon von Dolly Parton aussieht und ihre 23<br />
Kilo weniger einer «gesunden, kalorienarmen Ernährung<br />
und Diätshakes» verdanke. Klar. Immerhin<br />
gibt es einen Hoffnungsschimmer am Ende<br />
des Bunten-Blätter-Dschungels: Kate Middleton<br />
ist wieder Single. Offenbar <strong>sind</strong> noch nicht alle<br />
klugen Frauen verhungert, denn niemand mit<br />
auch nur einem Funken Verstand bleibt in dieser<br />
Familie – und sei es nur um dem Horrorszenario<br />
zu entfl iehen, jedes Jahr einen doofen Hut nach<br />
Ascot tragen zu müssen.<br />
Noch mehr Hoffnung macht, dass nun endlich<br />
auch in der «Schweizer Illustrierten» Platz für<br />
ernsthafte politische Analysen geschaffen wurde.<br />
Nur so ist zu erklären, dass Andreas Thiel über<br />
SVP-Präsident Ueli Maurer schreiben durfte: Er<br />
«glaubt an Gott, stammt aber intellektuell vom<br />
Urknall ab». Auch die deutsche «taz» schrieb<br />
kürzlich Kuddiknuddelknut und «duzziduzziduzzi»,<br />
und hat damit eigentlich alles auf den Bär<br />
gebracht - sogar die Norweger wollen ihn jetzt<br />
offenbar adoptieren, denn bei ihnen sei es viel<br />
kälter. Der wahre Grund aber ist wie immer Geld.<br />
Wenn das nächste Mal irgendwo ein Tierbaby<br />
ansteht, dann kaufen Sie Aktien - diejenigen des<br />
Berliner Zoos zumindest haben seit der Ära Knut<br />
ihren Wert verdoppelt.<br />
Und noch jemand wird seinen Wert vervielfachen:<br />
Das neue Exemplar des Mister Schweiz<br />
ist da und heisst Tim Wielandt. Aber lassen wir<br />
ihn erst mal in Ruhe – denn die Schlagzeilen der<br />
letzten Tage sprechen für sich: «Mr. Schweiz - Die<br />
Beichte: Ich habe gekifft. Ich war untreu. Ich habe<br />
randaliert». Er sei nicht glatt rasiert – aber bestimmt<br />
eine ehrliche Haut, oder im «Blick»-Jargon:<br />
«Mister Arglos».<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 25
das andere kino<br />
26<br />
www.cinematte.ch / Telefon 031 312 4546 www.kellerkino.ch / Telefon 031 311 38 05 www.kinokunstmuseum.ch / Telefon 031 328 09 99<br />
■ TOUR D’AMOUR - MÉNAGE À TROIS Dreiecksbeziehung<br />
- das Wort lässt sich ableiten vom<br />
Italienischen «Triangolo equilaterato», dem, wie<br />
Lichtenberg 1799 schreibt, «häuslichen Glückseligkeitssystem<br />
aus Mann, Frau und Amant.» Nun,<br />
das «Glückseligkeitssystem» ist manchmal nicht<br />
so harmonisch, wie es klingt. Jules et Jim wird<br />
eine Hymne auf das Leben und auf den Tod, die<br />
in heiteren und traurigen Episoden zeigen will,<br />
dass eine Liebesbeziehung ausserhalb des Paares<br />
auf die Dauer <strong>kein</strong>e Chance hat», schrieb Francois<br />
Truffaut über seinen Film, der das Thema der Ménage<br />
à trois federleicht und melancholisch zugleich<br />
verhandelt. Im Zyklus Ménage à trois zeigen<br />
wir Dreiecksverhältnisse unterschiedlichster Art<br />
– meist erzählen die Filmemacher vom Scheitern<br />
der Liebe, von Verlassenen und Enttäuschten, von<br />
Eifersucht und Betrug. Und manchmal ist das Dreieck<br />
auch ein Viereck, wie jenes zwischen Chow, Su<br />
Li-zhen und ihren Ehepartnern in Wong Kar Wai’s<br />
poetischem Film In the mood for Love. Liebesverwirrungen<br />
gibt’s aber auch in Komödienform: Die<br />
französische Regisseurin Agnes Jaoui führt in Le<br />
goût des autres vor, wie sich ein verliebter Unternehmer<br />
im Künstlermilieu zum Idioten macht.<br />
Zudem im Zyklus: Despabílate Amor, Como<br />
Agua para Chocolate, Bin Jip, Y tu Mamá También.<br />
Spieldaten und Filmbeschriebe wie immer<br />
unter www.cinemattte.ch<br />
Das Erbe der Bergler Vom 3. bis 7. Mai und<br />
vom 17. bis 21. Mai zeigen wir Erich Langjahrs Film<br />
über die letzten Wildheuer im Muotatal.<br />
Kurzfi lmnacht: Freitag, 18. Mai, ab 18:00 h<br />
Mit «Kurz in Berlin» zeigen wir legendäre Kurzfi<br />
lme mit und ohne Mauer, nominierte und preisgekrönte<br />
Filme <strong>sind</strong> in «Schweizer Filmpreis» zu<br />
sehen und nach den «Shocking Shorts» wird der<br />
Heimweg alleine eher gefürchig... VVK: Münstergass-Buchhandlung,<br />
Münstergass 33.<br />
Song & Dance Men: Hardcore Chambermusic<br />
Mittwoch, 30. Mai, 20:00 h Peter Liechtis Film<br />
ist die Verdichtung von dreissig Tagen Musik, in<br />
denen das Trio Koch-Schütz-Studer jeden Abend<br />
2 Sets à 40 Minuten improvisierten. Musikalische<br />
Einführung von Hans Koch und Martin Schütz.<br />
■ WWW – WHAT A WONDERFUL WORLD (Von<br />
Faouzi Bensaidi, Marokko 2005, 99‘, Arabisch/d/f,<br />
Spielfi lm) Casablanca ist nicht nur ein legendärer<br />
Film aus Hollywood, es ist auch eine real existierende<br />
Stadt voller Kontraste, modern und archaisch in<br />
einem. Hier lebt Kamel als Auftragskiller in einer<br />
Art Einzimmer-Penthouse. Die Aufträge erhält er<br />
übers Internet. Cool führt er sie aus. Nach jedem<br />
ausgeführten Auftrag ruft er Souad an, eine Gelegenheitsprostituierte,<br />
mit der er anschliessend ins<br />
Bett steigt. <strong>Wir</strong>klich den Kopf verdreht ihm aber<br />
Kenza, die an einer der am stärksten frequentierten<br />
Kreuzungen in Casablanca den Verkehr regelt<br />
oder besser: dirigiert, so, als würde sie ein Symphonieorchester<br />
leiten. Zunächst kennt Kamel nur<br />
Kenzas Stimme, aber er wird nicht locker lassen,<br />
bis er den Körper dazu gefunden hat. Der professionelle<br />
Hacker Hicham mischt sich übers Internet<br />
in die Kontakte von Kamel ein - und das schafft<br />
diesem Probleme. WWW - WHAT A WONDERFUL<br />
WORLD ist ein durch und durch moderner Film,<br />
burlesk im Spiel, schräg in der Bildkomposition,<br />
witzig und kühn. Mit Nezha Rahil und Faouzi Bensaidi,<br />
einem grossartigen Liebespaar.<br />
UMOREGI - LA FÔRET OUBLIÉE (Von Kohei<br />
Oguri, Japan 2005, 93’, Japanisch/d/f, Spielfi lm)<br />
In einer kleinen Stadt nahe den Bergen besucht<br />
Machi die Mittelschule. Sie steckt in einem Alter, in<br />
dem das Leben noch eine klarere Richtung erfahren<br />
wird. Zusammen mit ihren Freundinnen sitzt<br />
sie zusammen, um spielerisch in Geschichten einzutauchen,<br />
die sie sich erzählen. <strong>Wir</strong>klichkeit und<br />
Geschichten beginnen sich zu durchdringen, die<br />
Grenzen lösen sich auf, und Kohei Oguri lädt uns<br />
ein, in seine eigenwillige Bilderwelt einzusteigen.<br />
CRASH TEST DUMMIES (Von Jörg Kalt, Ö<br />
2005, 97‘, E/d/f, Spielfi lm) Ein rumänisches Pärchen<br />
strandet ohne Geld in Wien. Ihre Wege trennen<br />
sich, kreuzen sich mit Einheimischen und führen<br />
sie schliesslich wieder unter neuen Vorzeichen<br />
zusammen. Ein Film über Zufälle, kontrollierte Unfälle<br />
und das Herz der Tragik...<br />
Die Spieldaten entnehmen Sie bitte unserer Homepage<br />
www.kellerkino.ch.<br />
■ TOUR D’AMOUR: FILMREIFE HOCHZEITEN<br />
Die Cinématte, das Kellerkino, das Kino in der Reitschule,<br />
das Lichtspiel und das Kino Kunstmuseum<br />
präsentieren unter dem Label Das andere Kino<br />
(www.dasanderekino.ch) den gemeinsamen Zyklus<br />
Tour d’amour.<br />
Im Kino Kunstmuseum wird während des Wonnemonats<br />
Mai siebenmal geheiratet oder beinahe<br />
geheiratet. Siebenmal eskaliert dabei der schönste<br />
Tag im Leben, und es kommt zu unschönen Überraschungen.<br />
Die sieben Filme: The Graduate, Russische<br />
Hochzeit, Chat noir, chat blanc, Mon frère<br />
se marie, Gegen die Wand, The Syrian Bride und<br />
The Wedding Banquet. 5. bis 29. Mai.<br />
FILMEMACHERINNEN HEUTE: JEANNE<br />
BERTHOUD Die Reihe fi ndet ihren Saisonabschluss<br />
mit der Präsentation der Berner Filmemacherin<br />
Jeanne Berthoud. Sie ist am Montag, 21.<br />
Mai, zu Gast im Kino Kunstmuseum. Mit Darf ich<br />
mal schreien ist ihr ein äusserst ironisches Werk<br />
gelungen: Die Marketingverantwortlichen des Einkaufszentrums<br />
Shoppyland suchten 1998 im Rahmen<br />
einer grossen Werbekampage ein Traumpaar,<br />
um es mit einer Hochzeit im Einkaufszentrum und<br />
einer Aussteuer im Wert von 70‘000 Franken zu<br />
beglücken. Ein grosses Medienecho und eine Intervention<br />
der Evangelisch- Reformierten Kirchen<br />
Bern-Jura waren den originellen Managern gewiss.<br />
KUNST UND FILM: ERNST LUDWIG KIRCH-<br />
NER In Ergänzung zur Ausstellung «Expressionismus<br />
aus den Bergen – Kirchner, Bauknecht, Wiegers<br />
und die Gruppe Rot-Blau», die vom 27. April<br />
bis zum 19. August 2007 im Kunstmuseum Bern<br />
zu sehen ist, zeigt das Kino Kunstmuseum Michael<br />
Trabitzschs vielgerühmten Film Ernst Ludwig<br />
Kirchner - Zeichnen bis zur Raserei über den<br />
deutschen Expressionisten. 6. bis 27. Mai.<br />
VORSCHAU Takeshi Kitano: Schauspieler,<br />
Regisseur, TV-Star – Die gewaltsame Zärtlichkeit<br />
des Moments. 2. bis 25. Juni.<br />
Kino Openair im PROGR-Innenhof. Ab 5.<br />
Juli.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
KI O<br />
i n d e r R e i t s c h u l e<br />
N<br />
Für das Tagesprogramm die Tageszeitung oder das Internet www.bernerkino.ch<br />
LICHTSPIEL<br />
www.reitschule.ch / Telefon 031 306 69 69 www.lichtspiel.ch / Telefon 031 381 15 05 www.pasquart.ch / Telefon 032 322 71 01<br />
■ TOUR D‘AMOUR – LOVE IMPOSSIBLE Unter<br />
dem Motto: «Sie konnten zueinander nicht kommen,<br />
das Wasser war viel zu tief» stehen die Liebesfi<br />
lme im Kino in der Reitschule, die im Rahmen<br />
der TOUR D’AMOUR zu sehen <strong>sind</strong>. Nicht glückliche<br />
Heiratsfeste werden da gefeiert, <strong>kein</strong>e leidenschaftlichen<br />
amours fous durchlebt, die erste Liebe<br />
längst verfolgen - nein im Kino in der Reitschule<br />
ist die Liebe eine unmögliche: Da liebt der Affe<br />
King Kong ein weibliches Wesen voller Inbrunst, da<br />
lieben Menschen ihre Hunde, Katzen Hasen mehr<br />
als diesen Tieren lieb ist, da gibt es nekrophile und<br />
inzestuöse Neigungen und ein moderner Orpheus<br />
wagt es, seine Liebe in der Unterwelt zurück zu<br />
fordern - erfolglos.<br />
Orfeu Negro Der Filmklassiker von Marcel Camus<br />
verlegt den Mythos von Orpheus und Eurydike<br />
nach Brasilien. Kissed, ist ein einfühlsames wie<br />
eigensinniges Drama, das sich dem Tabuthema<br />
Nekrophilie ohne jegliche Exploitation-Spekulation<br />
nähert. Höhenfeuer: In Fredi M. Murers radikalem<br />
Film Höhenfeuer lieben sich eine Schwester und<br />
ein Bruder: In ihrer Vereinigung sprengen sie alle<br />
Fesseln und begeben sich in eine Welt jenseits akzeptierter<br />
Normen. Ulrich Seidls Tierische Liebe<br />
erzählt von Menschen in der Großstadt. Tiere dienen<br />
ihnen als Ansprechpartner, Lebensgefährten,<br />
Streichelobjekte und Bettgenossen. Ulrich Seidl<br />
hat sich mit seinem bislang radikalsten Film tief in<br />
die Grauzonen von Liebe und Einsamkeit gewagt.<br />
King Kong die tragische Romanze des Affen Kong<br />
mit dem schönen Menschenskind Ann ist ein Leckerbissen<br />
für Cineasten und Freunde des alten<br />
Hollywoodfi lms.<br />
Auch Uncut dreht sich mit im Reigen der Tour<br />
d’Amour: Love and Death on Long Island, von<br />
Richard Kwietniowski handelt von einem bekannten<br />
Schriftstellers,der sich beim Besuch eines amerikanischen<br />
Teenie-Films leidenschaftlich in einen<br />
Kinostar verliebt. Der Film erinnert an Viscontis<br />
Tod in Venedig und Loving Annablle, von Katherine<br />
Brooks ist inspiriert vom Klassiker Mädchen<br />
in Uniform. Die Regisseurin erzählt eine moderne<br />
Liebesgeschichte, voll bespickt mit lesbischer Erotik.<br />
■ TOUR D‘AMOUR – ERSTE LIEBE Die noch unbekannte,<br />
spannende und zugleich verwirrende Gefühlswelt<br />
der ersten Liebe auf der Leinwand sichtbar<br />
zu machen, ist eine Herausforderung für jeden<br />
Filmemacher. Das Lichtspiel zeigt Blickwinkel aus<br />
verschiedenen Zeiten, Kulturen und Gesellschaftsformen.<br />
Lubitsch nähert sich dem Thema mit viel Humor:<br />
In Die Puppe (D, 1919) wird ein Junggeselle<br />
von Mönchen überredet, eine Puppe zu heiraten,<br />
um eine saftige Mitgift zu kassieren. Livebegleitung<br />
Ch. Henking (Mi 2.5., 20:00 h)<br />
In Indien entstand Renoirs Film The River (USA,<br />
1951), der von drei Mädchen in einer britischen Gemeinde<br />
am Ganges erzählt, die jede auf ihre Art und<br />
Weise die erste Liebe zu einem kriegsverletzten Offi<br />
zier erleben. (Mi 9.5., 20.00 h) In Julien Duviviers<br />
Marianne (F/BRD 1954) verliebt sich ein Student in<br />
ein engelhaftes Wesen, das in einem einsamen Herrensitz<br />
gefangen gehalten wird. (Mi, 16.5., 20:00 h)<br />
Susumu Hani geht in Hatsukoi Jigokuhen (Jap.,<br />
1968) der schwierigen Liebesgeschichte zwischen<br />
Nanami, einer unbeschwerten Prostituierten, und<br />
dem stillen Shun, der als Junge von seinem Pfl egevater<br />
missbraucht wurde, nach. (Mi, 30.5., 20:00 h)<br />
MACH DOCH, WAS DU WILLST ist ein buntes<br />
Kurzfi lmprogramm mit originellen Visionen von<br />
der Zukunft der Arbeitswelt. Darunter Bus, die Geschichte<br />
einer Arbeits-Guerilla, die sich die Arbeit<br />
einfach nimmt. Outsourcing untersucht, was wäre,<br />
wenn man die Familie nur unter wirtschaftlichen<br />
Aspekten betrachtete und plötzlich Mitglieder entliesse.<br />
(Do 3.5., 20:00 h)<br />
CinemAnalyse Fellinis Prova d‘orchestra (I,<br />
1979), Metapher für eine in Eigeninteressen zerrissene<br />
Gesellschaft, erzählt von einer chaotischen<br />
Orchesterprobe von Musikern, allesamt Individualisten<br />
voller Überheblichkeit, Neid, Spott und Hass.<br />
SORTIE DU LABO Hans Richter weilte in den<br />
30er-Jahren in der Schweiz. In seinen Auftragsfi lmen<br />
aus dieser Zeit prangert er die sozialen Missstände<br />
und die miserablen Lebensbedingungen in<br />
den Grossstädten an und vergleicht das Wohnverhalten<br />
verschiedener Schichten. Livebegleitung: W.<br />
Pipczynski (Mo, 21.5., 20:00 h)<br />
■ L’autobus au cinéma Eine spezielle Zusammenarbeit<br />
pfl egt das Filmpodium für sein neues<br />
Programm: Im Mai/Juni <strong>sind</strong> die Verkehrsbetriebe<br />
Biel unser Partner. Und der Autobus ist meistens<br />
die Hauptperson in unserem Filmprogramm. Das<br />
öffentliche Verkehrsmittel geniesst einen hohen<br />
Stellenwert in der Welt des Films. Im Bus fi nden<br />
die unterschiedlichsten Menschen zusammen,<br />
dort spiegelt sich die Welt im Kleinen. Die kubanischen<br />
ProtagonistInnen in Lista de espera warten<br />
vergeblich auf einen Bus. Die widrigen Umstände<br />
zwingen sie, gemeinsam einen alten Bus zu reparieren,<br />
in der Hoffnung, dadurch endlich an ihr<br />
Reiseziel gelangen zu können (11.-14.5.). In Speed,<br />
dem amerikanischen Busbeitrag vereinigen sich<br />
die Fahrgäste gegen das Böse schlechthin! Jan de<br />
Bont erzählt diesen Höllentrip mit einer gehörigen<br />
Portion Spannung und Action und mit einer tollen<br />
Starbesetzung: Keanu Reeves, Sandra Bullock<br />
und Dennis Hopper (1.-4.6) Im Bus des Films von<br />
Aparna Sen Mr. And Mrs. Iyer vermischen sich<br />
die verschiedensten Kasten Indiens miteinander:<br />
Reich und Arm, betrunkene Spieler, ein frisch vermähltes<br />
Paar. Die Reibereien und kleinen Machtkämpfe<br />
innerhalb dieser Schicksalsgemeinschaft<br />
verweisen auf die grossen Konfl ikte, die das Land<br />
auszutragen hat. (8./9.6.). Und natürlich <strong>sind</strong> auch<br />
die beiden Bus-Filme par excellence wieder einmal<br />
zu sehen: Die Reise durch den afrikanischen Kontinent<br />
mit dem TGV (18.-20.5.) und Atom Egoyans<br />
The Sweet Hereafter (25./26.5.).<br />
Das Jahr 2007 ist den Täufern gewidmet. Gegenwärtig<br />
fi nden im Emmental und anderswo viele<br />
Veranstaltungen statt, welche die Geschichte und<br />
die Verfolgung dieser im 16. Jahrhundert kurz<br />
nach der Reformation entstandenen Bewegung<br />
aufarbeiten. Zu diesem Anlass zeigt das Filmpodium<br />
am 21. Mai den Film Im Leben und über das<br />
Leben hinaus von Peter von Gunten.<br />
Eine weitere Horrorfi lmpodiumsnacht ist am<br />
2. Juni angesagt. Das Kabinett des Dr. Caligari<br />
(1919) von Robert Wiene und The Fly (1958) von<br />
Kurt Neumann werden wiederum für die nötigen<br />
Angstschauer sorgen.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 27
28<br />
Alther&Zingg<br />
Ein filosofisches Gespräch:<br />
«So blödsinnig <strong>sind</strong><br />
indes nur Wenige,<br />
dass man ihnen nicht<br />
Ideen beibringen<br />
könnte.»<br />
Max Stirner 1845<br />
Mittwoch, 30. Mai 2007 // 19:00 Uhr<br />
tonus-labor, Kramgasse 10<br />
Mitbringen: Ideen, Stimme, Instrumente oder so...<br />
Verlängert<br />
Das Nostalgie-Karussell ist bis am<br />
3. Juni 2007 auf dem Gurten.<br />
Infos: www.interwerk.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
im trend <strong>sind</strong><br />
Von Peter J. Betts<br />
■ Im Trend <strong>sind</strong> grosse Worte: «Mark’ting,<br />
Mark’ting über alles...» Ob Haydn (Hoffmann von<br />
Fallersleben würde sich eh darin nicht wiedererkennen)<br />
Freude gehabt hätte, diese beiden Wörter<br />
seinen Klängen, die, zusammen mit eindrücklichen<br />
Begleitaktivitäten, die Welt erobert hatten, einverleibt<br />
zu hören? Eine Art Blasphemie? Wahrscheinlich<br />
nicht. Nicht in einer Zeit, in der die Hülle nur<br />
allzu oft alles zu sein scheint: alles IST. Eher «bag<br />
of hot air» als Goethes «Nichts ist innen, nichts<br />
ist aussen, / Denn, was innen ist, ist aussen». Wen<br />
wundert es, dass beispielsweise auch Ärzte (pars<br />
pro toto) betriebsam Marketing betreiben? Da<br />
steht etwa in einem halbseitigen Inserat (Solothurner<br />
Zeitung Gesamtausgabe, Seite 24, vom 10.<br />
März 2007): «Dass Kosmetik reine Frauensache ist,<br />
davon geht heute niemand mehr aus. Die Werbung<br />
macht’s vor - haarfrei muss Mann sein.» oder «Ein<br />
haarloser Oberkörper gehört im Fitnesszentrum<br />
seit einigen Jahren einfach zum guten Ton.» oder<br />
«Auch sportliche Männer, die ihr Training für einige<br />
Zeit ausfallen lassen, bilden schnell Fettpolster<br />
auf den Hüften. Wenn Training und Diät nicht mehr<br />
helfen, heisst das Zauberwort «Liposuction». oder<br />
«Für mildere Gesichtszüge empfehlen die beiden<br />
Ärzte von ... Botox- Injektionen». All das, um «das<br />
innere Bild mit dem äusseren in Einklang zu bringen».<br />
Und die Kosmetikerin, eine «langjährige<br />
Mitarbeiterin» eines der beiden glättenden Ärzte<br />
«kommt ins Schwärmen», weil sie in Zusammenarbeit<br />
mit den Ärzten so hoch konzentrierte Stoffe<br />
verwenden kann, wie sie sonst in Kosmetikstudios<br />
Tabu wären. Ein Blick in den Spiegel: Falten trotz<br />
Frühlingserwachen. Der ultimative Schrecken unseres<br />
Hier und Jetzt: Zeichen des Alterns, Spuren<br />
des Lebens, Zeichen der <strong>Wir</strong>klichkeit. Ja nicht<br />
hinschauen! Hier: ja <strong>kein</strong> Profi l! Auf «Anti-Ageing»<br />
programmieren, auch wenn «Decaying» oder<br />
wenigstens «Declining» angesagt wäre! Glätten =<br />
mildern - mit Botox! Mag sein, dass dieses Nervengift<br />
entspannt. Ich denke auch, die beiden Ärzte<br />
<strong>sind</strong> durchaus in der Lage, so zu injizieren, dass<br />
beispielsweise nicht der Patient plötzlich ein paar<br />
Wochen lang die Augenlider nicht mehr heben<br />
kann, weil die entsprechenden Muskeln lahmgelegt<br />
worden <strong>sind</strong>. Und auch das wäre ja <strong>kein</strong> dauernder<br />
(eingedenk des vorhin skizzierten erschütternden<br />
Spiegelerlebnisses: gar ein erwünschter?) Effekt,<br />
ebenso wenig wie die beabsichtigte «Glättung»,<br />
die zu «milderen (nichtssagenderen?) Gesichtszügen»<br />
führen soll. Fragt sich jemand, was der Sinn<br />
der Sprache eines Gesichtes sein könnte? Man<br />
kann Freude im Gesicht des Gegenübers lesen.<br />
Sorge. Fröhlichkeit. Angst. Zorn. Entschlossenheit.<br />
Trotz. Heiterkeit. Trauer. Lust. Und so weiter. All<br />
das - auch ohne Worte. Man kann sich dabei etwa<br />
fragen: «Warum mache ich sie/ihn wütend, traurig,<br />
lustig, heiter, ängstlich, trotzig?» Und bei Menschen,<br />
die in ihrem kürzeren oder längeren Leben<br />
viele Sorgen erlebt haben, oft und immer wieder<br />
zornig waren, ist das auch, wie Lachfalten, in ihren<br />
Gesichtern im Ruhezustand lesbar. Und bei dieser<br />
Lektüre könnte man sich zum Beispiel nach Gründen<br />
fragen; man könnte sich sogar fragen, beispielsweise,<br />
ob man etwas dazu beitragen könnte,<br />
DIE SORGEN zu lindern, oder das Gegenüber zum<br />
Lächeln oder Schmunzeln zu bringen. So oder so:<br />
Bei diesem optischen Dialog – in der Annahme, man<br />
werde selber ebenfalls wahrgenommen - käme man<br />
(gegenseitig) dem Inneren des Gegenübers näher.<br />
Anhand der sicht- und lesbar gewordenen Lebensgeschichte.<br />
Weil das innere Bild mit dem äusseren<br />
im Einklang IST. Das allerdings macht die Werbung<br />
in der Tat nicht vor. Gesucht ist Glätte. Ausdruckslosigkeit.<br />
Inhaltsleere. Kontaktlosigkeit. Autismus,<br />
auch optisch. Ich bin übrigens durchaus ebenfalls<br />
der Meinung, ein Blick in den Spiegel – Frühlingserwachen<br />
hin oder her - könne grosse Unzufriedenheit<br />
auslösen. Es soll Menschen geben, die imstande<br />
<strong>sind</strong>, ihr Gesicht oder sich selber zu lesen.<br />
Aber ich hielte es, milde ausgedrückt, für blanken<br />
Irrsinn oder härter: wenig sinnvoll, den Spiegel zu<br />
zertrümmern, sich die Augen auszustechen u.s.w.<br />
Ein möglicher Weg – den die Werbung schon gar<br />
nicht vormacht, wäre die Frage nach den Ursachen<br />
und nach Möglichkeiten, DIESE zu verändern.<br />
Nein, nein, ich meine nicht, die beiden marketingorientierten<br />
Schönheitsdoktoren entsprächen nicht<br />
den «Zeichen unserer Zeit». Im Gegenteil. Sie<br />
SIND Exponenten der Kultur unserer Zeit und haben<br />
sich als solche «positioniert». Ich habe sie zu<br />
Exponaten gemacht: weil sie auf verschiedensten<br />
Ebenen wunderschön gängige Mechanismen unserer<br />
Kultur veranschaulichen. Natürlich gibt es auch<br />
andere Beispiele. Vorhin habe ich in einer Berner<br />
Zeitung gelesen, wie auf der Frontseite im kursiven<br />
Kommentar ein Herr Kunz, der der «selbst ernannten<br />
Sportstadt Bern» bezüglich Eishockey-WM,<br />
2009 aufl istet, was die Voraussetzungen dafür<br />
denn wirklich wären: «Will sich Bern längerfristig<br />
als Event- und Sportstadt positionieren, braucht es<br />
weitere Grossanlässe.» Positionieren. Eine «Sportstadt»<br />
braucht also nicht Sportlichkeit im Sinne<br />
von Fairness, dem Schwächeren eine Chance geben,<br />
den Unterlegenen aufrichten, nach hartem<br />
Einsatz freudig sowie mit Achtung vor der Gegnerin<br />
siegen – UND auf gleiche Weise verlieren. Nicht<br />
einmal körperliche Ertüchtigung, Kameradschaft<br />
magazin<br />
oder Teamgeist <strong>sind</strong> gefragt. Wo denken Sie hin!<br />
Sie braucht Grossevents. Und im gleichen Geist(?)<br />
spricht man von Leuchttürmen der Kultur: Nein,<br />
<strong>kein</strong>e Warnung vor Näherung zu gefährlichen Küstenstellen<br />
hin, etwa weil die Schiffe ungenügend<br />
überversichert oder die Rettungsdienste unzuverlässig<br />
wären, im Gegenteil. Die Werbung macht’s<br />
vor: Von einer Kulturstadt spricht man also. Ich bitte<br />
Sie: Kann mir jemand eine Naturstadt nennen?<br />
Irgendwo auf der Erde? Genf nennt sich «Stadt<br />
der Kultur». Von der Begriffl ichkeit her macht das<br />
Sinn – UND als Zielsetzung. Von einem Kulturkonzept<br />
redet man – um Zeit zu gewinnen, also um<br />
zu optimieren? Nein, nicht von einem Konzept =<br />
gleich Korsett, für die Kulturpolitik, sondern von<br />
einem Korsett für die Kultur und denkt dabei nicht<br />
in erster Linie an Halt geben. Unter Profi l einer<br />
«Kulturinstitution» versteht man eine gehäufte<br />
Menge von Veranstaltungen, die einander jagen,<br />
und von vielen eingefl ogenen grossen Namen<br />
– mit oder ohne Gesicht, und wenn mit, bitte mit<br />
geglättetem (denken Sie an Botox). Es geht um<br />
Betriebsamkeit. Besuchszahlen. Messbarkeit. Urs<br />
Frauchiger schrieb einmal dem Sinne nach: «Mich<br />
interessiert nicht so sehr, wie viele Hinterteile in<br />
einem Konzert sitzen, sondern, wie viele Herzen<br />
bewegt werden.» Lange Probezeiten? Eingehen<br />
auf Risiken? Zum Misserfolg stehen wollen? Langfristig<br />
etwas aufbauen? Wo denken Sie hin! Ein<br />
Stararchitekt verpackt Schokolade in monströse,<br />
Zynismus ausstrahlende Kunststoffbauvolumen:<br />
Offenbar geht es nicht um Frigor, sondern um<br />
Nouvel. Gesucht <strong>sind</strong> Glätte, schöne Oberfl ächen,<br />
Verpackungen und beileibe nicht Inhalte. Die glättende<br />
Schönheitspraxis in ärztlicher Hand als Heil<br />
für alle, als Endlösung oder nur als Anstatt? Ich<br />
will nicht verschweigen, aber das macht das Ganze<br />
<strong>kein</strong>eswegs besser, dass fast am Anfang des Inserates<br />
das marketingbewusste Ärzteteam scheinbare<br />
Weltoffenheit zum Klingen bringt, indem<br />
dermatologische Kosmetik wirkungsbezogen mit<br />
einer «jahrtausendealten Entspannungstechnik<br />
wie Yoga» gleichgesetzt wird. Leider demaskiert<br />
auch das - das Exponat ist tauglich: Yoga, ‹im Westen›<br />
auf eine nützliche, gebrauchsfertige Entspannungstechnik<br />
als Regenerationsquelle unserer auf<br />
Aktivismus und Konsum fi xierten hedonistischen<br />
Lebensweise reduziert, steht zunehmend für uns<br />
Werbegeleitete, für unser aller hoffnungsloses<br />
Nichtverstehenwollen und schamloses Ausbeuten<br />
aller Werte, ob natürlich gewachsener oder über<br />
lange Zeit erdachter: in der Tat ein eigenartiges<br />
Kulturverständnis.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 29
magazin<br />
BERNER KULTURMENSCHEN<br />
die wahrscheinlichkeit des glücks<br />
Von Eva Mollet (Bild: Eva Mollet)<br />
■ Die freischaffende Schauspielerin Dorothée<br />
Müggler lacht und sagt den folgenden Satz etwas<br />
zögerlich: «Ich glaube, glaube ich, ans Glück. Man<br />
darf das Glück hinterfragen - oder sich dem Glück<br />
auch hingeben.» Doro hat sich von einer Suchenden<br />
zu einer Fragenden entwickelt, sie will kritisch<br />
bleiben.<br />
Asiatische Silberkettchen schmücken das rechte<br />
Handgelenk. Die Augenbrauen bewegen sich<br />
lebhaft im Mienenspiel ihres Gesichts. Eine schmale<br />
Narbe zieht sich durch die rechte Braue.<br />
Doro hat einen vierjährigen Sohn und lebt zusammen<br />
mit ihrem Freund und dessen Tochter.<br />
Momentan probt Doro an einem Stück von<br />
Gaël Roth «Die Besetzung des Hinterlandes» im<br />
Vorstadttheater Basel. Der Film «Bersten» kommt<br />
noch dieses Jahr in die Kinos. Doro spielt darin<br />
eine der drei Hauptfi guren.<br />
Die Zeit der Suche Die Arbeit des Vaters an<br />
verschiedenen Schweizer Konsulaten bedingt für<br />
die Familie mehrere Auslandaufenthalte. Doro<br />
fühlt sich nirgends richtig zu Hause. Sie ist die<br />
Aussenseiterin. Dafür spricht sie fl iessend Englisch,<br />
Französisch, «Deutschland-Deutsch» und<br />
Italienisch. Mit fünfzehn beschliesst sie, in der<br />
Schweiz zu bleiben, während die Eltern weiterziehen.<br />
Sie lebt in einer Pfl egefamilie. Nach der Matura<br />
studiert sie zwei Jahre Jura, «aber es war nicht<br />
das Richtige.» Danach absolviert sie die Lehre zur<br />
Buchhändlerin. Der geheime Wunsch, Schauspielern<br />
zu werden, drängt an die Oberfl äche. Mit der<br />
Hilfe von Stefan Suske bereitet sie sich auf die<br />
30<br />
Prüfung an der Schauspielschule vor. Das Studium<br />
absolviert Doro an der Hochschule für Musik und<br />
Theater in Zürich. «Mein Beruf ist eine permanente<br />
Auseinandersetzung mit anderen Figuren. Darin<br />
lassen sich eigene Charakterzüge fi nden. Ich mag<br />
es, wenn ich mich wiedererkenne.»<br />
Theater und Filme/TV Die Qualität ihrer Arbeit<br />
ist Doro sehr wichtig. «Vor der Kamera stehen,<br />
hat viel mit Intuition zu tun. Spielen bedeutet, im<br />
Moment zu sein, zu leben. In der Vorbereitung ist<br />
die Kognition wichtig.<br />
Nach der Schauspielschule spielt Doro ihre<br />
erste Hauptrolle im Film «Lücken im Gesetz» von<br />
Christoph Schertenleib.<br />
Im Kinofi lm «Bersten» von Michael Finger spielt<br />
sie eine Frau, die nach einem Schicksalsschlag<br />
nicht zurechtkommt. Ihre Wut und ihren Schmerz<br />
richtet sie gegen das Kind. Sie muss es weggeben,<br />
um wieder zu sich selbst zu fi nden. Möglicherweise<br />
wird der Film in Locarno uraufgeführt. Der Dreh<br />
des Films liegt bereits ein Jahr zurück.<br />
Doro möchte gerne in Deutschen Filmen mitspielen.<br />
Es braucht Geduld, als Schweizerin eine<br />
gute Rolle zu bekommen, obwohl sie perfektes<br />
Deutsch spricht.<br />
Für die Lenzburger Theatertage bereiten sich<br />
fünfundzwanzig Schauspieler und Schauspielerinnen<br />
vor, je eine kurze Szene zum Thema «Glück»<br />
vorzuspielen. Doro schreibt momentan an ihrem<br />
Text. Die Szenen dienen als Grundlage für die Autoren,<br />
die dann über Nacht ein Stück schreiben.<br />
Der nächste Tag wird mit Proben genutzt und am<br />
gleichen Abend fi nden die Uraufführungen der<br />
Stücke statt. Die Gruppen der Beteiligten (Regie,<br />
Schreibende, Schauspielende) werden per Los zusammengestellt.<br />
Die freischaffende Schauspielerin Glücksmomente<br />
während der Arbeit entschädigen Doro<br />
immer wieder für die fi nanziellen Ungewissheiten,<br />
die sie manchmal als freischaffende Schauspielerin<br />
hat. «Akute Ängste akzeptiere ich und lasse sie<br />
zu, danach versuche ich zu vertrauen, dass alles<br />
gut kommt.» Die Freiheit selbst zu bestimmen, in<br />
welchen Projekten sie mitarbeiten will, verlangt<br />
auch Kompromisse. Heute <strong>sind</strong> ihr inhaltliche Tiefe<br />
und gute Zusammenarbeit wichtiger. Sie will<br />
auch eigene Stücke schreiben. Nach dem Erfolg<br />
von «Mary Poppins» schreibt Doro zusammen<br />
mit anderen an einem Stück über die Mumins. Die<br />
Uraufführung fi ndet 2008 im Schlachthaus Bern.<br />
«Ich versuche aus etwas Kleinem etwas Grosses zu<br />
machen oder umgekehrt. Fast alle wichtigen Themen<br />
<strong>sind</strong> im Alltag beobachtbar. Ich interessiere<br />
mich für unterschiedliche Lebensentwürfe. Auch<br />
Paradoxe fi nde ich spannend, sie werfen Fragen<br />
auf. Jeder Mensch ist einzigartig und doch ein Teil<br />
der Gesellschaft. Das lässt sich übertragen: Filme<br />
und Theater <strong>sind</strong> interessant, wenn sie irgendwie<br />
einzigartig und gleichzeitig allgemeingültig <strong>sind</strong>.»<br />
Nach diesen Aussagen überlegt Doro laut: «Stimmt<br />
das so? Ja, ich denke schon.»<br />
www.agenturlux.de<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
CARTOON<br />
www.fauser.ch<br />
VON MENSCHEN UND MEDIEN<br />
das jüngste gericht<br />
Von Lukas Vogelsang<br />
■ Die Schweiz ist ein lustiges Land, das haben wir<br />
hier schon ein paar Mal erwähnt. Im Frühsommer<br />
des Aprils, mit unseren Sennenkäppli und Alphörnern,<br />
spielen wir unsere Sandkastenspielchen.<br />
Feinstaub und Katzenkot sehen wir natürlich nicht.<br />
Zwischendurch zerstören wir des Nachbars Sandburg<br />
und dann lachen wieder alle. Nur jener vor<br />
dem getrümmerten Sandhaufen rumpelt fünf Minuten<br />
vor sich hin, spielt dann aber wieder munter<br />
weiter. Der Sandkasten hat einen Namen: «Demokratie».<br />
Und jeder und jede, die darin spielen wollen,<br />
erhalten genügend Becherchen, Schäufelchen<br />
und Kesseli – eben ganz sozialistisch, kommunistisch,<br />
kapitalistisch, nationalistisch, violett, dunkelblau<br />
und pink... Es ist alles demokratisch und hat<br />
bestens Platz im Sandkasten.<br />
Die Schweizer spielen also in der «Demokratie»,<br />
das Spiel heisst «Neutralität». Und wir müssen uns<br />
um nichts sorgen, denn alle wissen: Wenn in der<br />
Demokratie mal etwas nicht klar ist, dann gibt’s ein<br />
Gericht. Also, nicht ein demokratisches Gericht,<br />
sondern eines, das alles weiss, eines, welches über<br />
allem steht: das Militärgericht. Und da ein Militärgericht<br />
nicht demokratisch ist, muss es sich nicht<br />
um Sozialisten, Kommunisten, Kapitalisten und<br />
Nationalisten kümmern. Nur um die Journalisten.<br />
Dieses Lumpenpack hat nämlich die Eigenschaft,<br />
den Schweizern in der «Demokratie» die Spielre-<br />
geln zu erklären, aber allem Anschein nach die falsche<br />
Version. Doch das ist ein alter Sandkastenhut<br />
(www.schlapphut.ch).<br />
Nun, im ganzen Drama ging’s ja eigentlich um<br />
die Frage der Existenz von CIA-Gefängnissen in<br />
Europa. Das ominöse Fax, mit den veralteten Infos,<br />
das ein paar dreiste Journalisten veröffentlichten,<br />
war nur deswegen brisant, weil es zeigte, dass<br />
die Schweiz befreundete Regierungsbotschaften<br />
überwacht oder abhöhrt. Es ging nicht um unerlaubte<br />
CIA-Gefängnisse. Die Journalisten mussten<br />
deswegen vor ein Sondergericht, eben dem Militärgericht,<br />
weil sie Informationen veröffentlicht<br />
hatten. Das macht alles total Sinn. Man fragt sich<br />
allmählich, wer hier in der Schweiz das Sagen hat:<br />
das Militär oder das Militär?<br />
In diesem Zusammenhang ist etwas Lustiges<br />
mit dem explodierten Tornado in Lauterbrunnen<br />
passiert. Eigentlich ist da ein Flugzeug verunglückt,<br />
nur war es ein deutsches Kriegsfl ugzeug<br />
auf einem angeblichen Trainingsfl ug. Nun stellt<br />
sich heraus, dass auch andere Kriegsfl ugzeuge in<br />
der Schweiz trainieren – für vielleicht Afghanistan<br />
oder so. Also, nicht nur die Flieger, sondern auch<br />
am Boden spielen ein paar Soldaten aus anderen<br />
Ländern. Das Militär hat damit wieder über den<br />
Sandkasten hinweg entschieden. Natürlich <strong>sind</strong><br />
damit für den Schweizer und die Schweizerin nur<br />
magazin<br />
ein paar Sandburgen kaputtgegangen – wenn<br />
überhaupt. Die Tornadoaffäre klingt wie eine misslungene<br />
Geheimoperation, die dummerweise in<br />
der Öffentlichkeit explodierte. Dumm gelaufen, ein<br />
fremder Tornado sollte nicht alleine in der Schweiz<br />
rumkurven können – schon gar nicht, wenn er seine<br />
Flugerlaubnis erst in Emmen in Empfang nimmt.<br />
Es war immer nur von einem Flieger die Rede. Gespannt<br />
warteten wir also auf die Auswertung des<br />
Flugschreibers – mit der Gewissheit, dass uns das<br />
Militär sicher nicht erklären wird, was wirklich geschehen<br />
ist. Und es ist schwer anzunehmen, dass<br />
die Journalisten <strong>kein</strong>e Fragen stellen werden – wenigstens<br />
<strong>kein</strong>e elementaren und unangenehmen.<br />
Zum Beispiel wäre da die Erkenntnis, dass der<br />
Flugschreiber überhaupt nichts mit der Flugerlaubnis<br />
zu tun hatte. Und so warteten alle auf die<br />
«Public-Related-Messages», eine durchgeknetete<br />
Schönwetternachricht, aufbereitet für die Medien<br />
mit dem Inhalt: Alles unter Kontrolle.<br />
Zum Glück haben die SchweizerInnen in den<br />
Aprilferien eh nichts mitbekommen und nachträglich<br />
Fragen zu stellen, schickt sich nicht, der Alltag<br />
stellt uns vor ganz andere Probleme. Und da «20<br />
Minuten» die meistgelesene Zeitung ist, müssen<br />
wir uns nicht um unsere demokratische Sandburg<br />
bangen. Unser jüngstes Gericht, das Militärgericht,<br />
wird’s richten.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 31
magazin<br />
LIFESTYLE<br />
fair made – fair trade – fair price<br />
Von Andrea Baumann - Mit gutem Gewissen Seide tragen (Bild: zVg.)<br />
■ Und wieder ist ein Winter um. Im vergangenen<br />
November, Dezember war Franziska Lack abermals<br />
in Vietnam und Laos unterwegs, wo sie die neue<br />
Kleiderkollektion ihres Labels Ideale – Kleider aus<br />
fairem Handel - in Auftrag gegeben hat. Wenige<br />
Monate später packt sie die gelieferten Kartons in<br />
ihrem Kellergeschäft an der Kramgasse 9 aus. Für<br />
die Ouvertüre am 26. April 2007 müssen die Kleidungsstücke<br />
überprüft, gebügelt sowie ausgelegt<br />
werden.<br />
Ratsch – und ein weiterer Karton ist offen; Franziska<br />
greift nach den Hemden aus Rohseide, lässt<br />
das Material durch ihre Hände gleiten und ist mehr<br />
als zufrieden mit der Farb- und Stoffqualität. «Genauso<br />
habe ich mir dies gewünscht – es ist nämlich<br />
nicht ganz einfach, lichtbeständige Farben möglichst<br />
ökologisch herzustellen», weiss Franziska<br />
Lack aus langjähriger Erfahrung zu berichten. Mit<br />
Fred Strasser zusammen unterstützte sie den Bau<br />
einer Färberei in Vietnam, die ausschliesslich mit<br />
ökologischen Farben arbeitet. Jacken, Hosen, Anzüge,<br />
Jupes, ja sogar Taschen in leuchtendem Rot,<br />
Grün, Königsblau, Gelb oder Orange verwandeln<br />
das Kellergeschäft zunehmend in ein farbenreiches<br />
Seidenparadies. Die ganze Stoffverarbeitungspalette<br />
von Roh-, Knitter-, Taft-, Jacquard- bis hin zur<br />
Satinseide ist vertreten.<br />
«Ich musste fürs Modebusiness überredet werden»,<br />
erinnert sich Franziska. Als Austauschstudentin<br />
lernte sie Asien kennen und lieben. Zahlreiche<br />
Reisen durch Laos, Vietnam sowie Thailand folgten<br />
und intensivierten den Wunsch, ein eigenes Fair-<br />
Trade-Projekt zu lancieren. Durch die gesammelten<br />
Reiseerfahrungen und Kontakte stiegen Franziska<br />
Lack und Fred Strasser zuerst im Tourismus ein. Ein<br />
Projekt, das heute unabhängig sowie fest in vietnamesischen<br />
Händen fl oriert. «So muss eine faire<br />
Zusammenarbeit für mich funktionieren», unterstreicht<br />
Franziska, «die Starthilfe kommt von ausländischen<br />
Investoren mit dem Ziel, den Einheimischen<br />
32<br />
das Unternehmen, sobald es läuft, zu übergeben».<br />
Auf einer ihrer Reisen durch Laos lernte die Jungunternehmerin<br />
Efi , ein amerikanischer Modedesigner,<br />
kennen, der die Nase gestrichen voll hatte vom<br />
westlichen Modebusiness und in der Abgeschiedenheit<br />
Laos die Ursprünglichkeit von Farben, Form und<br />
Material suchte. Am selben Tag lernte sie eine wohlhabende<br />
Thailänderin kennen, die ausgepowert von<br />
der Grossstadthektik Bangkoks, sich im asiatischen<br />
Bergland der buddhistischen Harmonie zuwandte<br />
und die Webkunst für sich entdeckte. Das Weben<br />
packte sie, so dass die Thailänderin entschloss, ein<br />
Frauenprojekt auf die Beine zu stellen. Ein bisschen<br />
viel Zufall, dachte Franziska, und interpretierte diese<br />
Begegnungen als Zeichen. Mit einem Schneider<br />
arbeitete die junge Schweizerin in Vietnam bereits<br />
zusammen. Franziska und Efi reisten deshalb zwei<br />
Jahre nach ihrer ersten Begegnung mit zwanzig<br />
Kilo Stoffmuster, was zwanzig Jahren Designarbeit<br />
entspricht, nach Hanoi, wo sie die ganze Kollektion<br />
Schneider Dung in Auftrag gaben. Die langjährige<br />
Zusammenarbeit mit Dung stärkte das Vertrauen<br />
von Efi und Franziska und garantierte den Kopienschutz.<br />
Das Risiko wäre für Efi zu gross gewesen,<br />
sein zwanzigjähriges Lebenswerk an Stoffmustern<br />
irgendeiner Produktionsstätte zu überlassen.<br />
«Vietnam hat eine lange Seidentradition», erwähnt<br />
Franziska und ergänzt: «Im 19. Jahrhundert fertigten<br />
vietnamesische Familienbetriebe auch Broderiearbeiten<br />
für die französische Landeskirche an.»<br />
Durch den Vietnamkrieg verloren die Schneiderfamilien<br />
ihre Existenz. «Das Wissen um die traditionelle<br />
Verarbeitung konnte über lange Zeit bewahrt<br />
werden, nun droht es durch die Globalisierung und<br />
das aggresive Marktverhalten der Chinesen zu verschwinden»,<br />
beklagt Franziska, deshalb ist es ihr<br />
so wichtig, dieses Kunsthandwerk zu unterstützen.<br />
Der Markt in Vietnam wurde liberalisiert, so dass<br />
Schneideraufträge direkt an Privatbetriebe vergeben<br />
werden können. Die Coconfarmen und die<br />
Seidenraupenzucht werden hingegen nach wie vor<br />
staatlich kontrolliert.<br />
Denkt Franziska an ihr Projekt, beruht ihr Credo<br />
auf drei Punkten: In erster Linie will sie mit ihrem<br />
Engagement gerechte Arbeitsplätze für Einheimische<br />
schaffen, damit Familien ein Auskommen<br />
haben. In Vietnam ist der Familienbetrieb sehr<br />
verbreitet und intakt. Überdies sollte die Manufaktur<br />
möglichst nach ökologischen Gesichtspunkten<br />
geführt werden. Und drittens möchte Franziska mit<br />
ihrer Geschäftsidee, Kultur bewahren und fördern.<br />
Heute ist Franziska Lack lucky, dass sie sich<br />
vom Modefi eber anstecken liess. Gehindert haben<br />
sie anfänglich, das aufgesetzte Modediktat und die<br />
unfairen Arbeitsbedingungen ausserhalb Europas.<br />
Sie hat bewiesen, dass Kleider unter Fair-Trade-<br />
Bedinungen nichts mit Jute oder Hanf zu tun haben<br />
müssen. Im Gegenteil hip als auch zeitlos <strong>sind</strong><br />
ihre Seidenkleider. «Mode ist kopieren», sagt Franziska,<br />
«die ganze Fashionwelt funktioniert nach<br />
diesem Prinzip». «Kreativ werde ich, wenn ich die<br />
Ideen interpretiere.» So passt die Seidenexpertin<br />
asiatische Grundmuster dem schweizerischen Geschmack<br />
an und präsentiert jede Saison Neuheiten.<br />
Einmal <strong>sind</strong> es kontrastreiche Farbkombinationen,<br />
dann wieder neuentdeckte Materialmixe, die<br />
ihre Kollektion bereichern. Dieses Jahr exklusiv:<br />
ein klassischer Sarong (langer Wickeljupe), der<br />
reversibel gefertigt ist. Frau kann entweder den<br />
feierlich, purpurnen Samt nach aussen tragen oder<br />
die dezente, jadegrüne Seide.<br />
Wichtig ist Franziska Lack, dass Qualität und<br />
Preisleistung stimmen. Deshalb auch «fair made<br />
– fair trade – fair price». Franziskas Konzept «Ideale»<br />
– Kleider aus fairem Handel - funktioniert. Bestätigt<br />
wird dies nicht nur durch die Unterstützung und<br />
Anerkennung einer nationalen Kundschaft – sogar<br />
aus benachbarten Ländern reisen die Seidenliebhaberinnen<br />
an, wenn jeweils im Frühling die Kellertore<br />
geöffnet werden.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
STADT UND LAND<br />
...und im pass steht «gärtner»<br />
Von Lukas Vogelsang - Glauser auf dem Oeschberg. Ein szenischer Rundgang. (Bild: zVg.)<br />
■ Pressetext: «Er ist der älteste in der Klasse, ein<br />
Sonderling, der immerzu schreibt, mit niemandem<br />
spricht und sich ab und zu auch mal vor der Arbeit<br />
drückt. Er ist fi nanziell ausgebrannt, das sieht man<br />
an seiner Kleidung. Auch ist er Morphinist (nahm<br />
die Ersatzdroge Morphium unter ärztlicher Aufsicht<br />
regelmässig ein) und steht unter Vormundschaft,<br />
doch das weiss niemand.<br />
Nach und nach beginnt Glauser zu erzählen,<br />
von der Fremdenlegion, von Paris, von den Dadaisten<br />
in Zürich. Auch sonst verändert sich der<br />
Alltag auf dem Oeschberg. Der Direktor erhält<br />
öfter Besuch von einem Arzt aus Münsingen, einem<br />
Mann von Welt. Und die Frau Direktor beginnt<br />
wieder Klavier zu spielen. Von Glausers Freundin<br />
Trix <strong>sind</strong> alle hingerissen, aber sie ist unnahbar wie<br />
ein ‹Wolkenreh›. Glauser träumt davon, in Paris als<br />
freier Schriftsteller zu leben. Aber dazu muss er<br />
erst Gärtner werden.»<br />
Es klingt wie ein gutes Drehbuch für einen Kinofi<br />
lm – vielleicht sollte daraus auch etwas werden.<br />
Die einleitende Geschichte des Diplomprojekts<br />
Theaterpädagogik unter der Leitung von Murielle<br />
Katharina Jenni und der Hochschule Musik und<br />
Theater Zürich (HMTZ) in Zusammenarbeit mit<br />
der Gartenbauschule Oeschberg bietet viel Stoff<br />
dafür. Und tatsächlich, der am 4. Februar 1896<br />
in Wien geborene (mit Heimatort Muri bei Bern),<br />
schrieb 1928 seinem Psychiater Max Müller: «Ich<br />
möchte am liebsten, wenn ich von irgendwoher<br />
das Geld zusammenkriegen kann, auf ein Jahr in<br />
eine Gartenbaumschule, um dann auf diese Art<br />
mein tägliches Brot verdienen zu können. Und Blumen<br />
interessieren mich.» So traf er 1930 auf dem<br />
Oeschberg ein.<br />
Unter verschiedenen Zielsetzungen wurde die<br />
Theater-Inszenierung aufgebaut. Man wollte Friedrich<br />
Glausers Leben sichtbar, spürbar und hörbar<br />
machen, Glausers Unruhe auf dem Oeschberg in<br />
einen Kontext bringen, den Oeschberg dem Publikum<br />
wieder in Erinnerung bringen, eine Geschichte<br />
wieder an ihren Ursprungsort zurückbringen<br />
und die Gruppe des generationenübergreifenden<br />
Ensembles zu einem Ganzen zusammenfügen. Das<br />
klingt spannend und nach viel Detailbewusstsein.<br />
Glauser auf dem Oeschberg<br />
Ein szenischer Rundgang<br />
magazin<br />
Text und Regie: Murielle Katharina Jenni<br />
Spiel: Ruth Graf, Miriam Hallauer, Heinz Knecht,<br />
Adrian Möri, Luc Müller, Eva Rolli, Fritz Ryf, Adrienne<br />
Schnyder, Heinz von Wartburg, Lehrlinge<br />
und Lehrer der Gartenbauschule Oeschberg, Bewohner<br />
des Dienstbotenheimes Oeschberg<br />
Aufführungsdaten:<br />
Do, 3.5. / Fr, 4.5. / Do, 10.5. / Fr, 11.5. / Sa, 12.5.<br />
jeweils um 20:15 h<br />
Do, 24.5. / Do, 31.5. / Fr, 1.6. / Sa, 2.6. jeweils um<br />
20:45 h<br />
Infos und Reservation: 034 413 77 77<br />
www.glauser-auf-dem-oeschberg.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 33
magazin<br />
TANZ<br />
jetzt aber mal langsam<br />
Von Till Hillbrecht - Keine Eile im Freiraumschaffen. Ein Workshop als entschleunigendes Tempolimit (Bild: Till Hillbrecht)<br />
■ Zeitlupe: Eine angewandte Methode, um Bewegungsabläufe<br />
verlangsamt darzustellen. Die Zeitlupe<br />
wird benutzt, um schnelle oder komplizierte<br />
Vorgänge verständlich zu visualisieren.<br />
Soviel zu Zeit. Nun zur Lupe: Sie dringt in die<br />
Struktur ein und zeigt uns die Dinge zwischen den<br />
Dingen. Die Lupe kann Sonnenlicht bündeln und<br />
ein Feuer entfachen.<br />
Eine solche Kraft sucht und fi ndet Susanne Daeppen<br />
in der Kunst der Langsamkeit. Die Tänzerin<br />
und Tanzpädagogin ist die Schöpferin der Workshops<br />
«Wahrnehmung in Zeitlupenbewegung vor<br />
der Kunst von Paul Klee». Wer sich langsam bewegt,<br />
nimmt anders wahr und wer langsam geht,<br />
eröffnet dem Denken neue Räume.<br />
Ein entschleunigter Moment, ein Spaziergang<br />
auf der entgegengesetzten Seite des Zeitraffers.<br />
Was fi ndet man im Langsamen?<br />
Auf Langsamkeit setzt die Choreografi n, um zur<br />
Ekstase zu gelangen. Eine kontroverse Aussage in<br />
einer Zeit der 2-in-1-Duschgels, der All-in-One-Vitaminpräparaten<br />
und 5-Minuten-Gratins, weil das<br />
Date schon vor der Türe steht. Gerade die Kontroverse<br />
aber ist nötig, um den Kontrast vor Augen<br />
zu führen. Es dreht sich im Workshop darum, über<br />
Tanz und Langsamkeit die eigene Erdung wieder<br />
anzuschliessen, Leere zu schaffen und sich selbst<br />
zu spüren. Und dabei einen ungewohnten Zugang<br />
zur Kunst von Paul Klee zu entdecken.<br />
Ein wenig weiter entfernt von der Kunst Klees<br />
und näher bei ihrem wöchentlichen Kursangebot<br />
liegt der Ursprung von Susanne Daeppens Workshop-Idee.<br />
Während ihres Aufenthaltes in New<br />
York, der Tanz-Hauptstadt der 80er/90er Jahre,<br />
stösst die Bernerin auf den Butoh-Tanz - eine japanische,<br />
revolutionäre Tanzart, die vom schamanistischen<br />
Tänzer Tatsumi Hijikata Mitte der 60er<br />
Jahre ins Leben gerufen wurde. Butoh ist der ewig<br />
ungeborene Tanz. Bewegung ohne Formzwang, ein<br />
34<br />
Tanz mit sich selbst, der Tänzer ist sein eigenes<br />
Thema. Butoh lässt Susanne Daeppen nicht mehr<br />
los.<br />
Ein Unterschied zu zeitgenössischem Ballet<br />
liegt im ersten Moment nicht offensichtlich auf der<br />
Hand. Er wiegt aber schwer im Wesentlichen: Wer<br />
Butoh tanzt, ist sein eigener Ursprung. Die Form<br />
des Balletts hingegen liegt ausserhalb von ihm,<br />
sie liegt im Vorgegebenen der Ballettschule. Butoh<br />
also ist <strong>kein</strong> Tanz mit langer Tradition, wie der<br />
Name oder der Ursprung vermuten liessen. Den<br />
Butohtänzerinnen und -tänzern ging es nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg darum, sich nach der Verwestlichung<br />
und der Amerikanisierung den eigenen<br />
Werten und Wurzeln bewusst zu werden. Sich gegen<br />
Form und Inhalt zu verweigern, um Neues und<br />
Authentisches entstehen zu lassen. Der Workshop<br />
indes ist – genauso wie Daeppens wöchentliche<br />
Kurse in Bern – durch eine weniger radikale Brille<br />
geprägt als jene Sicht der früheren Butoh-Tänzer.<br />
Daeppen bezeichnet ihr Angebot auch nicht als eigentlichen<br />
Butohtanz. Es ist daran angelehnt und<br />
übernimmt beispielsweise seine wertefreie Ansicht.<br />
Als «philosophischen Tanz mit sich selbst»<br />
beschreibt Daeppen ihren Workshop.<br />
Inspiration fi ndet Daeppen auch im Yoga und<br />
dem Zen-Buddhismus. Lernen, analytisches und<br />
intellektuelles Denken abzuschalten. Die vor allem<br />
im Westen aufgebaute Körperfeindlichkeit<br />
abzutragen und seinem eigenem Wesen Wichtigkeit<br />
schenken, dem Körper die richtige Nahrung<br />
zu geben. Diese Herangehensweise öffnet neue<br />
Blickwinkel, sie stellt die normierte Sicht der Gesellschaft<br />
beiseite und lässt dem individuellen<br />
Blickwinkel den Vorrang. In Bezug auf Paul Klee<br />
heisst das zum Beispiel: Während zwanzig Minuten<br />
auf ein Bild hinzuzulaufen und Details entdecken,<br />
die man nie zuvor gesehen hat. Langweilig? Nun,<br />
wer weiss, ob dies nicht spannender ist als eine<br />
Zeitungslektüre derselben Anzahl Minuten...<br />
As slowly as possible. So lautet die Tempovorschrift<br />
des Künstlers John Cage für seine Orgelkomposition<br />
«Organ2» in Halberstadt, deren erster<br />
Klang im Februar 2003 ertönte und ihr Schluss<br />
voraussichtlich im Jahr 2639 erklingen wird.<br />
Nächster Klangwechsel in der Partitur: Juli 2008.<br />
As slow as possible eben. Um ein «Bewusstsein zu<br />
schaffen», darum geht es Cage. Ein Bewusstsein<br />
für Musik, für Verhaltensweisen und für unser Vermögen<br />
zu denken. Um Bewusstsein geht es auch<br />
im Butoh.<br />
Butho ist <strong>kein</strong> Tanz der Ästhetik. Oder ist er<br />
es, weil er eben auch Hässlichkeit zulässt? Der<br />
Workshop hat Reduktion zum Ziel, der gemeinsame<br />
Nenner weicht dem individuellen Thema. Dem<br />
Fluss, dem Licht. Der Erde, dem Atem. Freiräume<br />
schaffen.<br />
Soviel Freiraum und so wenig Tradition lässt<br />
auch eine Transposition ins Zeitgenössische zu.<br />
Susanne Daeppen beweist dies durch ihre künstlerische<br />
Zusammenarbeit mit Musikern wie Don<br />
Li oder Philipp Läng. Wichtig ist Musik, die <strong>kein</strong>en<br />
Halt bietet, <strong>kein</strong>en Griff an gängigem Raster zulässt.<br />
Damit und mit dem Funken der Tänzer, mit<br />
deren Intensität wird die Art von Leere erzeugt,<br />
welche bei unserem täglichen Auslöffeln der Gesellschaftssuppe<br />
<strong>kein</strong>en Platz mehr fi ndet.<br />
Eine junge Teilnehmerin des letzten Workshops<br />
bedankte sich bei Susanne, weil sie noch nie so geträumt<br />
habe wie in der Nacht nach dem Tanzen.<br />
Schön.<br />
Die Kunst der Langsamkeit – Tanz-Workshop<br />
zur Wahrnehmung in Zeitlupenbewegung vor<br />
der Kunst von Paul Klee<br />
Zentrum Paul Klee, Sonntag, 20.5., 14:00-17:00 h<br />
www.dakini-dance.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
magazin<br />
REISEZIEL HOTEL<br />
schokoladenhotel «cailler» im greyerzerland<br />
Von Andrea Baumann (Bild: Andrea Baumann)<br />
■ Im Vordergrund soll für einmal nicht das Hotel<br />
stehen, sondern die Umgebung – nämlich das<br />
Fribourger Voralpengebiet. <strong>Wir</strong>ft man einen Blick<br />
auf die vorbeifahrenden Autokennschilder, <strong>sind</strong> die<br />
Berner im Fribourgischen stark in der Minderzahl,<br />
obwohl die Gegend nur einen Katzsprung von der<br />
Bundeshauptstadt entfernt ist.<br />
Zwischen Schwarzsee und Charmey, zwei Orte<br />
mit touristischem Flair, verläuft der viel zitierte<br />
«Röstigraben». Die Sprachgrenze ist hier <strong>kein</strong>e<br />
scharfe Linie, sondern eine mehr oder weniger<br />
breite Zone, wo Flurnamen aus beiden Einzugsgebieten<br />
buntgemischt vorkommen. So <strong>sind</strong> Bezeichnungen<br />
wie «Unter Recardets» oder «L’Auta Chia»<br />
im Sprachgebrauch anzutreffen. Dazwischen gibt<br />
es nichts als Wälder, Weiden und Felsen. In dieser<br />
Stille, unweit von Charmey, steht das Kloster La<br />
Valsainte mit den strengsten Schweigeregeln der<br />
ganzen Schweiz.<br />
In der Abgeschiedenheit hinter der Bergkette<br />
der La Berra haben im Jahr 1295 Mönche des<br />
strengen, katholischen und kontemplativen Kartäuserordens<br />
eine Heimat gefunden. Heute leben<br />
gegen zwölf Patres (Priestermönche) und fünfzehn<br />
Laienbrüder in diesem einzigen noch betriebenen<br />
Kartäuserkloster der Schweiz. Schweigsamkeit und<br />
ein Leben in Gebet und Arbeit prägen den Alltag.<br />
Jeder Mönch in La Valsainte besitzt seine eigene<br />
kleine Klause mit Garten. Die Kirche ist dem Publikum<br />
zugänglich, nicht aber das Kloster. In einem<br />
speziell eingerichteten Raum für Auskünfte geben<br />
Modelle einen Einblick wie die Räumlichkeiten und<br />
die Klausen der Mönche ausgestattet <strong>sind</strong>. Im Umland<br />
der Kartause herrscht ansonsten Stille. Umso<br />
befremdender wirken die zahlreichen Touristen,<br />
die mit Autos anreisen, parkieren, kurz ums Kloster<br />
gehen und einen Blick ins Infobüro werfen.<br />
Das Greyerzerland birgt aber noch andere<br />
Schätze. Weltberühmt ist etwa der Greyerzerkäse.<br />
Diente die Milchwirtschaft und Käseproduktion<br />
anfänglich der Selbstversorgung, konnten die<br />
Greyerzer ab 1850 dank der besseren Verkehrsverbindung<br />
mit der Eisenbahn die Käselaibe in die<br />
ganze Welt exportieren. Unverkennbar fribourgerisch<br />
<strong>sind</strong> die weiss-schwarz gefl eckten Kühe, die<br />
auf den saftigen Alpweiden grasen. Die Milch dient<br />
nicht nur der Käseherstellung, auch die Milchschokoladeproduktion<br />
profi tiert davon. François Cailler<br />
ist der Urvater der Schweizer «Milchschoggi». 1819<br />
eröffnete er in Corsier-sur-Vevey die erste Schoko-<br />
ladenfabrik der Schweiz und produzierte als erster<br />
Schokolade in der noch heute gängigen Tafelform.<br />
Das Hotel «Cailler» in Charmey bietet, seinem Namen<br />
getreu, Besichtungen in die Schokoladenfabrik<br />
Nestlé-Cailler an. Als übergrosses, dreiteiliges<br />
Chalet konzipiert, ist sich das Hotel des Blickfangs<br />
sicher. Für die einen mag dieses Vier-Sterne-Hotel<br />
zu protzig sein, für andere wiederum wird von der<br />
modernen Wellnessanlage über Seminarräume<br />
und einer exquisiten Küche alles geboten, was ein<br />
urbaner Gast wünscht. Freuen darf man sich über<br />
die kulinarischen, regionalen Spezialitäten, die im<br />
Speiserestaurant des Hotels serviert werden. Die<br />
Fribourger haben in dieser Hinsicht einiges zu bieten.<br />
Der Wintersport wurde nicht nur in Schwarzsee<br />
forciert, auch in Charmey gehören leider grosse<br />
Parkplätze und eine Ansammlung von neuen Chalets<br />
um den alten Dorfkern zum Ortsbild. Was den<br />
beiden Touristenorten einen spröden Charme verleiht<br />
und die effektive Schönheit des Gebiets erst<br />
auf den zweiten Blick erkennen lässt, dieser ist jedoch<br />
umso eindrucksvoller.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 35
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36<br />
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05/07<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07
ar artensuite nsuite<br />
nr. 05 / 2007<br />
Titelseite: Klaus Liebig<br />
Tatou, 1977, Öl auf Leinwand, 150 x 150 cm /<br />
weiter Seite 46<br />
Gekommen, um zu bleiben - in Bern eröffnet eine neue Galerie 38 | Von Spiegeln und Menschen 39 | «An unpleasant<br />
talk» 40 | Kunst im Buch 41 | Galerienseiten 42/43 | Zauberhafte Seelenmalerei 45 | Vexierbilder in der Peripherie<br />
46 | Berner Galerien 47 | Augenspiel 50 | Impressum 50 | Berner Museen Bern / Biel / Thun 51
38<br />
artensuite<br />
Chiara Dynys,<br />
Whole Hole /<br />
Brigitte Lustenberger,<br />
Caught<br />
Galerie<br />
Madonna#Fust,<br />
Rathausgasse 14.<br />
Geöffnet Mittwoch<br />
bis Freitag<br />
12:30-18:00 h,<br />
Donnerstag<br />
12:30-20:00 h,<br />
Samstag 10:00-<br />
16:00.<br />
Bis 9. Juni.<br />
Gekommen, um zu bleiben – in Bern<br />
eröffnet eine neue Galerie<br />
■ Gerade wurde in der Diskussionsrunde<br />
«Tacheles» im PROGR über die<br />
leicht übertrieben «Kunstmeile» genannte<br />
Ansammlung von Kunstorten<br />
an der Speichergasse resümiert und<br />
ihre Vorzüge gepriesen, unter die<br />
auch, so zwei der auf dem Podium<br />
sitzenden Teilnehmer, ihre urbane<br />
Sylvia Rüttimann<br />
Lage in der Nähe des Bahnhofs falle,<br />
schon eröffnet eine neue Galerie<br />
in der ach so gar nicht urbanen Unterstadt<br />
von Bern. Rathausgasse 14<br />
lautet die Adresse dieses neuen Ortes<br />
für Kunst, der Name «Madonna/Fust»,<br />
entsprechend den Namen der beiden<br />
Betreiber Massimiliano Madonna<br />
und Gabriela Fust. Eröffnet wird am<br />
5. Mai. So beschaulich der Standort<br />
anmuten mag, scheint die Galerie<br />
jedoch nicht zu werden, nennt man<br />
doch auf der Homepage u. a. «aufrütteln»<br />
und «provozieren» als Ziel. Berns<br />
Kunstszene darf also hoffen, belebende<br />
und befruchtende Konkurrenz zu<br />
erhalten, nachdem mit Francesca Pia<br />
schon wieder eine Galerie Bern in<br />
Richtung Zürich verlassen hat.<br />
Für die erste Ausstellung auf jeden<br />
Fall hat man eine Künstlerin gewählt,<br />
die durchaus eine ernstzunehmende<br />
Konkurrenz darstellt: Chiara Dynys,<br />
1958 in Mantua geboren, heute in<br />
Mailand lebend, ist <strong>kein</strong>e unbekannte<br />
Newcomerin, sondern bewegt sich<br />
seit einigen Jahren auf dem internationalen<br />
Kunstparkett – 2004 konnte<br />
man sie zum Beispiel im Kunstmuseum<br />
Bonn und 2005 im ZKM in Karlsruhe<br />
sehen. Zusammen mit Gastkurator<br />
Alessio Fransoni wird sie mit der<br />
Ausstellung «Whole hole» die verschiedenen,<br />
sich auf mehreren Stockwerken<br />
befindenden Räume der Galerie<br />
bespielen. Der lautspielerische, doppeldeutige<br />
Titel gibt einen Hinweis<br />
darauf, was einen erwartet: Dynys<br />
arbeitet mit den Begriffen des Gegensatzes<br />
und der Ergänzung, aber insbesondere<br />
auch der Verwirrung. Und<br />
das macht sie auf lustvolle und spielerische<br />
Art und Weise. «Whole hole»<br />
ist der Titel eines Objektes, das dies<br />
aufs schönste visualisiert. Es besteht<br />
aus einem langen Marmortisch, die<br />
Oberfläche ein Schachbrett schwarzweisser<br />
Quadrate, in der Mitte wird<br />
er durch einen Spiegel in zwei Teile<br />
getrennt. Steht man nun vor dem<br />
einen Ende des Tisches, denkt man,<br />
den ganzen Tisch zu sehen, obwohl<br />
die eine Hälfte eigentlich nur virtuell,<br />
d. h. gespiegelt vorhanden ist.<br />
Von der Seite hingegen erschliesst<br />
sich uns der «Trick», die Illusion wird<br />
durchschaut. Je nach Standort des<br />
Betrachters ist die Wahrnehmung des<br />
Sichtbaren also eine ganz andere.<br />
Die Frage der Wahrnehmung spielt<br />
auch in Brigitte Lustenbergers Arbeiten<br />
eine Rolle, die im hinteren und<br />
untersten Teil der Galerie zu sehen<br />
<strong>sind</strong>. Man befindet sich im sogenannten<br />
«Projektraum». Tatsächlich ist es<br />
ausdrückliche Absicht der Galerie,<br />
nicht nur arrivierte Kunstschaffende<br />
zu zeigen, sondern auch ganz junge,<br />
vielleicht noch unbekannte, aber<br />
sicher aufstrebende, experimentelle,<br />
frische Positionen vorzustellen.<br />
Brigitte Lustenberger, 37, Fotografin,<br />
Ausbildung in Zürich, Bern und den<br />
USA, Ausstellungen in der Galerie<br />
Scalo Zürich und der Berner Kunsthalle,<br />
inszeniert in ihren Fotografien<br />
Rätsel um Wahrnehmung und<br />
Standpunkt. Tatsächlich erscheinen<br />
ihre Bilder erst einmal ganz harmlos<br />
und leicht entschlüsselbar. <strong>Wir</strong> sehen<br />
Frauen, die einfach an einem Tisch<br />
sitzen, die herumstehen, den Betrachter<br />
anschauen – und doch <strong>sind</strong><br />
es Verwirrspiele. Es geht Lustenberger<br />
jedoch nicht um die Frage der Illusion<br />
wie bei Chiara Dynys, sondern<br />
um die des Blickes. Um die Fragen:<br />
Wer schaut wen an und vor allem<br />
wie? Was bedeutet es, wenn die Kamera<br />
nicht auf Augenhöhe des Motivs<br />
angebracht wird, sondern die Frauen<br />
von einem höheren oder niedrigeren<br />
Standpunkt aufgenommen werden?<br />
Madonna und Fust entstammen<br />
beide weder der Künstler-, Kunsthistoriker-<br />
noch Juristenszene, wie das<br />
häufig bei Galeristen der Fall ist, sondern<br />
der Kommunikations- und Werbebranche.<br />
Während Gabriela Fust<br />
als Geschäftsführerin eines Werbebüros<br />
dieser Welt treu bleiben und sich<br />
nur im Hintergrund an den Aktivitäten<br />
der Galerie beteiligen wird, tritt<br />
Gatte Massimiliano Madonna als Galerist<br />
auf und macht dies jetzt schon<br />
mit grosser Überzeugung. Für ihn<br />
entspricht die Eröffnung seiner Galerie<br />
tatsächlich der Erfüllung eines<br />
langgehegten Traumes, und dementsprechend<br />
motiviert und enthusiastisch<br />
wirkt er, wenn er von der Galerie<br />
und zukünftigen sowie schon sich<br />
in Umsetzung befindenden Projekten<br />
in Zusammenarbeit mit anderen<br />
Kunstorten spricht. Man hofft, dass<br />
er sich seinen Enthusiasmus lange erhalten<br />
kann und er nicht von Berner<br />
Umständen gebrochen wird. Denn<br />
ob urbane Umgebung oder typisch<br />
Bernischer Altstadt-Altbau, ob regionales,<br />
nationales oder internationales<br />
Kunstschaffen, das da gezeigt wird<br />
– die Kunst lebt halt doch auch vom<br />
Enthusiasmus ihrer Betreiber. Oder<br />
etwa nicht?<br />
artensuite Mai 05 | 07
Von Spiegeln und Menschen…<br />
■ Im Berner Hauptsitz der Mobiliar<br />
<strong>sind</strong> zurzeit überall im Haus Spiegel<br />
aufgestellt, in die die zentralen Werte<br />
des neuen Leitbilds der Versicherungsgesellschaft<br />
eingraviert <strong>sind</strong>: «Verlässlich,<br />
kompetent, erfolgreich, vorausschauend,<br />
kommunikativ» überlagern<br />
das Bild des sich spiegelnden Betrachters<br />
und führen ihm auf findige,<br />
aber nicht gerade subtile Weise vor<br />
Augen, welche Charaktereigenschaften<br />
der ideale Mobiliar-Mitarbeiter mit<br />
sich bringen sollte. Ganz frei von arbeitsmoralischen<br />
Fingerzeigen ist die<br />
aktuelle Ausstellung «Spiegel, Räume,<br />
Projektionen», bei deren Konzeption<br />
sich Liselotte <strong>Wir</strong>th Schnöller und Sylvia<br />
Mutti von der Idee des Spiegels<br />
als Träger des Leitbildes haben inspirieren<br />
lassen. Zu sehen <strong>sind</strong> Werke<br />
von vierzehn Künstlerinnen und<br />
Künstlern, die dem Besucher auf unterschiedliche<br />
Weise eine aktive Auseinandersetzung<br />
mit dem Exponat einerseits<br />
und sich selbst als Betrachter<br />
andererseits abverlangen. So bezieht<br />
Christian Megert durch den Gebrauch<br />
von Spiegeln den Ausstellungsraum<br />
und die Betrachter in seine Werke<br />
mit ein. Jedem, der in die «Spiegelquadrate»<br />
hineinblickt, offenbart sich<br />
ein ganz anderes, individuelles Bild<br />
– indem wir durch unser Spiegelbild<br />
selbst Bestandteil des Kunstwerks<br />
werden, verschwimmt die Grenze<br />
zwischen Bild und Betrachter. Ursula<br />
Mumenthaler gelingt es in ihren zwei<br />
Fotografien «Garage», unser Auge auf<br />
artensuite Mai 05 | 07<br />
ungewohnte Weise zu täuschen, indem<br />
sie das Prinzip des traditionellen<br />
Trompe-l’œils in sein Gegenteil verkehrt:<br />
Mit Malerei wird nicht Räumlichkeit,<br />
sondern zweidimensionale<br />
Fläche vorgegaukelt. Mumenthaler<br />
bemalt einen leeren Raum partiell,<br />
so dass sich im Blick durch die präzis<br />
platzierte Kamera geometrische<br />
Formen ergeben. <strong>Wir</strong> stehen vor den<br />
Fotografien und machen sofort den<br />
Raum der Garage aus, unsere Augen<br />
aber übersetzen die Raumbemalung<br />
in eine zweidimensionale Fläche, die<br />
sich über die eben noch konstatierte<br />
Räumlichkeit schiebt. <strong>Wir</strong> müssen unser<br />
Sehorgan geradezu zwingen, das<br />
zu sehen, was wirklich ist, nämlich<br />
einen mit Dispersion bemalten Raum.<br />
Mumenthalers Augentäuschungen<br />
<strong>sind</strong> in den Fotos angelegt, aber sie<br />
passieren in unseren Köpfen. Ein anderes<br />
Spiel mit dem Betrachter treibt<br />
Markus Rätz, indem er die Worte<br />
Todo und Nada in einer Skulptur so<br />
vereint, dass sie nie gleichzeitig gelesen<br />
werden können. Je nach Standpunkt<br />
können wir in dem Messingguss<br />
Alles (Todo) oder Nichts (Nada)<br />
sehen – der allmähliche Perspektivenwechsel<br />
verkehrt eine scheinbar<br />
fixe Position in ihr komplettes Gegenteil.<br />
Auch Philippe Hinderling bringt<br />
den Ausstellungsbesucher dazu, sich<br />
zu bewegen: «Benutzen Sie die Teller,<br />
um die MMS zu fangen», wird man<br />
beim Eintreten in einen mit Projektoren<br />
ausgestatteten Flur aufgefordert.<br />
Und tatsächlich: Folgen wir mit den<br />
weissen Papptellern den Lichtstrahlen<br />
der Projektoren, werden plötzlich<br />
Zeichnungen sichtbar – wir werden<br />
selbst zum Bildträger und damit wesentlicher<br />
Teil des Kunstwerks. Die<br />
kunstphilosophische Frage danach,<br />
ob ein Bild ohne Betrachter überhaupt<br />
existieren kann, wird in Hinderlings<br />
«Ballade MMS» in spielerischer Weise<br />
auf die Spitze getrieben. Ohne unsere<br />
aktive Bemühung, die Bilder einzufangen,<br />
bleiben diese in den Projektoren<br />
verborgen. Nicht lange suchen<br />
muss man nach Véronique Zussaus<br />
Werk «Les yeux aux ciel». Stolz und<br />
flügelschlagend scheint der Schwan<br />
die Betrachter verscheuchen zu wollen.<br />
Doch bei näherem Hinschauen<br />
erkennen wir in dem so lebendig wirkenden<br />
Geschöpf die blosse Projektion<br />
der Fotografie des ausgestopften<br />
Tieres. In diesem mehrstufigen Prozess<br />
der Übertragung von einem Medium<br />
ins nächste rückt der Schwan<br />
immer weiter vom lebendigen Tier<br />
weg, so weit, dass ausgelöst durch einen<br />
Bewegungsmelder die Projektion<br />
plötzlich verschwindet und nur noch<br />
der auf die Wand gemalte Schattenriss<br />
des Vogels übrig bleibt. Die Ausstellungsmacherinnen<br />
haben in «Spiegel,<br />
Räume, Projektionen» eine gute<br />
Auswahl von Werken getroffen und<br />
gewähren uns einen abwechslungsreichen<br />
Einblick in die umfangreiche<br />
Kunstsammlung der Mobiliar. (ms)<br />
Balthasar Burkhard, Rio<br />
Negro, 2002, Fotografi e auf<br />
Barytpapier auf Alu,<br />
125 x 250 cm.<br />
«Spiegel, Räume,Projektionen»<br />
Eingangshalle der<br />
Mobiliar, Bundesgasse<br />
35, Bern.<br />
Geöffnet Montag<br />
bis Freitag 08:00-<br />
18:00 h.<br />
Bis 11. Mai.<br />
39<br />
artensuite
40<br />
artensuite<br />
Christina Hemauer &<br />
Roman Keller, From the<br />
project A Moral Equivalent<br />
of War, 2006, Farbdia.<br />
Exposition 2.<br />
Stella Capes.<br />
Christina<br />
Hemauer & Roman<br />
Keller<br />
Fri-Art Fribourg,<br />
22 Petites Rames.<br />
Geöffnet Dienstag<br />
bis Freitag<br />
14:00-18:00 h,<br />
Samstag und<br />
Sonntag 14:00-<br />
17:00 h.<br />
«An unpleasant talk»<br />
■ Ein unangenehmes Thema brachte<br />
Jimmy Carter im April 1977 auf die<br />
Tagesordnung als er in einer TV-Ansprache<br />
an die amerikanische Bevölkerung<br />
vor der drohenden Erschöpfung<br />
fossiler Brennstoffe warnte und<br />
damit eine ausserordentliche Weitsicht<br />
bewies. Im Angesicht zweier<br />
gravierender Ölkrisen lancierte der<br />
amerikanische Präsident unter dem<br />
Nicola Schröder<br />
Bis 3. Juni. Motto «Solar America» ein Forschungsprogramm<br />
für erneuerbare Energien<br />
und liess ein Konzept erarbeiten, das<br />
eine entsprechende Umstellung der<br />
gesamten Energieversorgung der USA<br />
bis 2050 empfahl. Als symbolischen<br />
Akt veranlasste er im Sommer 1979<br />
die Installation einer Solaranlage auf<br />
dem Dach des Weissen Hauses. Im<br />
Jahr darauf wurde Carter abgewählt.<br />
Unter Reagan wurden die Kollektoren<br />
wenig später wieder demontiert und<br />
das Förderprogramm für erneuerbare<br />
Energien im Laufe seiner Amtszeit nahezu<br />
eingestampft.<br />
Wer sich an dieser Stelle fragt,<br />
was ein Diskurs in die Historie amerikanischer<br />
Energiepolitik im Kunstteil<br />
eines Kulturmagazins verloren<br />
hat, bekommt eine Ahnung von der<br />
Ratlosigkeit, die den unvorbereiteten<br />
Besucher des Fri-Art in Fribourg<br />
derzeit beschleicht, wenn er die dortigen<br />
Räumlichkeiten anlässlich der<br />
Ausstellung von Christina Hemauer<br />
und Roman Keller betritt. Sieht er<br />
sich zunächst mit einem Raum konfrontiert,<br />
der wie der unaufgeräumte<br />
Ort einer kurz zuvor stattgefundenen<br />
Pressekonferenz erscheint, bemerkt<br />
er im nächsten Augenblick zwei an<br />
die Wand geworfene blasse Dias, in<br />
denen Personen in Anzügen und eine<br />
Ansammlung von Presseleuten zu sehen<br />
<strong>sind</strong>. Untermalt wird die gesamte<br />
Installation von einer englischsprachigen<br />
Rednerstimme, die aus einem<br />
nahe stehenden Fernseher dringt.<br />
Spätestens jetzt beginnt man das Informationsblatt<br />
zu lesen, das den Besuchern<br />
am Empfang ausgehändigt<br />
wird. Mit dem Wissen ausgestattet,<br />
dass sich in dieser Installation alles<br />
um die zuvor erwähnte Solaranlage<br />
Jimmy Carters dreht, erkennt man<br />
nun auch Details wie das Wappen des<br />
amerikanischen Präsidenten auf dem<br />
zur Installation gehörigen Rednerpult<br />
und dessen Person im erwähnten<br />
Fernseher. Der Raum – mit seiner rot<br />
gepflasterten Plattform und dem Vortragsambiente<br />
– stellt eine Rekonstruktion<br />
der historischen Situation auf<br />
dem Dach des Weissen Hauses zum<br />
Zeitpunkt der Einweihung besagter<br />
Solaranlage im Sommer 1979 mit der<br />
eingespielten Rede des Präsidenten<br />
dar. Ergänzt wird die Installation im<br />
zweiten Raum der Ausstellung, wo<br />
sich mittels zweier parallel laufender<br />
Filme die Dokumentation einer Reise<br />
abspielt, die Hemauer und Keller an<br />
die Originalschauplätze der Ereignisse<br />
in die USA führte. Die Kollektoren<br />
Carters waren von Studenten der University<br />
of Maine an ihrem Lagerplatz<br />
ausfindig gemacht und auf der Cafeteria<br />
ihrer Hochschule wieder angebracht<br />
worden. Hemauer und Keller<br />
haben diesen Weg rekonstruiert und<br />
mit Augen- und Zeitzeugen darüber<br />
gesprochen. Diese Aktion wie auch<br />
die aktuelle Ausstellung gehören in<br />
den Rahmen einer im vergangenen<br />
Jahr in Zürich als «Postpetrolismus»<br />
ausgerufenen Intention, Umweltagitation<br />
und Kultur unter einen Hut zu<br />
bringen. Es handelt sich demzufolge<br />
um eine Ausstellung, die aufgrund<br />
ihrer starken Inhaltsseite nur schwer<br />
ohne Vorwissen gemeistert werden<br />
kann, zumal auch das Erläuterungsschreiben<br />
notwendige Details für<br />
ein Gesamtverständnis vorenthält.<br />
Lässt man sich auf eine eigene Recherche<br />
ein, was sicherlich im Sinne<br />
der Künstler ist, stösst man auf die<br />
oben genannten Zusammenhänge,<br />
die diesen Ausstellungsbesuch und<br />
den überschriebenen Satz «Sie scheinen<br />
Werke gegen die Demenz einer<br />
Welt zu inszenieren, in der sich die<br />
Menschheit verliert, sich vergisst und<br />
hohnvoll zugrunde geht» im Nachhinein<br />
dann doch verständlich machen.<br />
Im ersten Stock der Kunsthalle<br />
<strong>sind</strong> Arbeiten der englischen Künstlerin<br />
Stella Capes zu sehen, zu deren<br />
Werk neben plastischen Arbeiten und<br />
Fotos auch Videoproduktionen und<br />
Performances gehören. Die hier anzutreffenden<br />
Ausstellungsstücke <strong>sind</strong><br />
fassbar unter dem Oberbegriff der<br />
Absurdität des menschlichen Daseins.<br />
Mit Humor und teils beklemmenden<br />
Szenerien aus Bildern und Geräuschen<br />
wird der Betrachter auf ein<br />
Feld zwischen eigenen Erfahrungen<br />
und unangenehmen Empfindungen<br />
geführt. Es ist eine Frage der subjektiven<br />
Wahrnehmung, inwieweit man<br />
sich von den Werken gefangen nehmen<br />
oder abstossen lässt. Humorvoll<br />
vermittelt ein Ballon, der jedoch nur<br />
die äussere Form eines Ballons hat<br />
und in Wahrheit als massives Gewicht<br />
dem Boden verhaftet bleibt,<br />
angebunden an eine dünne, zu einem<br />
grossen Haufen aufgeworfene Schnur<br />
ein Gleichnis menschlicher Freiheitsbestrebungen.<br />
artensuite Mai 05 | 07
Kunst im Buch<br />
Enzyklopädie<br />
■ Mit Wurstbildern machten Peter<br />
Fischli (1952) und David Weiss (1946)<br />
erstmals 1979 auf sich aufmerksam.<br />
Dann zogen sie als Ratte und Bär<br />
durch die Kunst- und Bergwelt, sie<br />
zeigten uns die sichtbare Welt und<br />
den Lauf der Dinge, sie formten die<br />
wichtigsten und unwichtigsten Ereignisse<br />
und Dinge der Welt- und sonstiger<br />
Geschichte und stellten schliesslich<br />
alle Fragen, die uns schon lange<br />
auf der Zunge brannten oder uns nie<br />
einfallen würden. Mit Fotografien,<br />
Dias, Videos, Skulpturen und Installation<br />
beobachten sie seit fast dreissig<br />
Jahren das Alltägliche, Unscheinbare<br />
und Banale: Flughäfen, Pilze, Blumen,<br />
Agglomerationen, Abwasserkanäle,<br />
die Schweizer Arbeitswelt. Sie waren<br />
und <strong>sind</strong> stets auf der Suche nach der<br />
vollständigen Enzyklopädie – werden<br />
sie aber hoffentlich nie zuwege<br />
bringen. Nun erhalten wir endlich die<br />
Gelegenheit, eine Übersicht über das<br />
Schaffen des Schweizer Künstlerduos<br />
zu erhalten: Am 6. Juni eröffnet die<br />
Retrospektive «Blumen & Fragen» im<br />
Kunsthaus Zürich (bis 9. September).<br />
Anlass genug, drei jüngere Publikationen<br />
zum Gesamtschaffen von Peter<br />
Fischli/David Weiss vorzustellen.<br />
Zur Ausstellung erschien eine Publikation<br />
beim JRP|Ringier Kunstverlag.<br />
Nach einem Konzept der Künstler<br />
werden deren Werkgruppen in 31<br />
Kapiteln von Kunstkritikern, Philosophen,<br />
Künstlern, Regisseuren und<br />
Schriftstellern vorgestellt: darunter<br />
Boris Groys und Patrick Frey, aber<br />
auch der Regisseur und Fotograf John<br />
Waters. Die Texte reichen von kunstwissenschaftlicher<br />
Vertiefung bis zu<br />
persönlichem Zugang, witzig-prosaisch<br />
oder trocken-theoretisch. Und<br />
sie <strong>sind</strong> spielerisch-humorvoll und<br />
genauso unterhaltsam wie das vielfältige<br />
Schaffen des Künstlerduos. (di)<br />
Fragen & Blumen. Eine Retrospektive,<br />
Katalog zur Ausstellung im Kunsthaus<br />
Zürich, 2007 und in den Deichtorhallen<br />
Hamburg, 2007/2008, hrsg. v. Peter<br />
Fischli, David Weiss und Bice Curiger,<br />
JRP|Ringier Kunstverlag, 2006,<br />
325 Seiten, Fr. 42.00.<br />
artensuite Mai 05 | 07<br />
Rhizom<br />
■ Nicht nur enzyklopädisch, sondern<br />
auch rhizomatisch ist das Schaffen<br />
von Peter Fischli/David Weiss angelegt.<br />
Nicht nur soll alles aufgenommen<br />
sein, Wichtiges und Exotisches ebenso<br />
wie Unwichtiges und Alltägliches,<br />
sondern das ganze Schaffen durchzieht<br />
ein System von Verbindungen,<br />
die nicht hierarchisch geordnet <strong>sind</strong>,<br />
sondern einer Struktur der wiederkehrenden<br />
Themen, Techniken und<br />
Vorgehensweisen. Renate Goldmann<br />
versucht mit ihrem «offenen Index»<br />
diese postmoderne rhizomatische<br />
Struktur (nach Gilles Deleuze/Félix<br />
Guattari) offenzulegen. Kunstgeschichtliche<br />
Themenkomplexe treten<br />
bei Peter Fischli/David Weiss in verschiedensten<br />
Formen und Bearbeitungen<br />
immer wieder auf, sie werden<br />
neu verhandelt und weiterverarbeitet.<br />
Anhand von fünf Themen (Paradoxie,<br />
Trivialisierung, Suggestion,<br />
Beobachtung und Metafiktion) stellt<br />
Goldmann die Werkgruppen vor und<br />
verweist dabei vor und zurück, um<br />
das Rhizomatische deutlich zu machen.<br />
Goldmann rückt die Erzählweisen<br />
des Duos in den Mittelpunkt und<br />
versucht, die verschiedenen Aspekte<br />
des Schaffens von Peter Fischli/David<br />
Weiss in den Kontext der Kunstgeschichte<br />
der letzten dreissig Jahre zu<br />
setzen und Vorläufer und Zeitgenossen<br />
zu nennen.<br />
Spannend ist die umfangreiche<br />
Einbettung der Arbeiten des Duos<br />
in die Kunstpraxis der achtziger und<br />
neunziger Jahre. Leider ist das Bildmaterial<br />
in Schwarzweiss und die Texte<br />
unvorsichtig lektoriert. Ansonsten<br />
bietet die Publikation einen vertieften<br />
wissenschaftlichen Einblick (mit umfassendem<br />
Anhang) ins Schaffen von<br />
Peter Fischli/David Weiss, bei dem<br />
den für die Künstler typischen Strukturen<br />
Rechnung getragen wird. (di)<br />
Renate Goldmann, Peter Fischli. David<br />
Weiss. Ausflüge, Arbeiten, Ausstellungen.<br />
Ein offener Index, Kunstwissenschaftliche<br />
Bibliothek, Band<br />
25, Verlag der Buchhandlung König,<br />
2006, 643 Seiten, Fr. 85.00.<br />
Spaziergang<br />
■ «Höchst liebevoll und aufmerksam<br />
muss der, der spaziert, jedes kleinste<br />
lebendige Ding, sei es ein Kind, ein<br />
Hund, eine Mücke, ein Schmetterling,<br />
ein Spatz, ein Wurm, eine Blume, ein<br />
Mann, ein Haus, ein Baum, eine Hecke,<br />
eine Schnecke, eine Maus, eine<br />
Wolke, ein Berg, ein Blatt oder auch<br />
nur ein armes weggeworfenes Fetzchen<br />
Schreibpapier, auf das vielleicht<br />
ein liebes gutes Schulkind seine ersten<br />
ungefügen Buchstaben geschrieben<br />
hat, studieren und betrachten.» Eine<br />
einzige Lobrede oder besser Apologie<br />
des Spazierens ist Robert Walsers<br />
«Der Spaziergang» (1917). Der Spaziergang<br />
war für Walser weit mehr als der<br />
Gang in die Natur, er war Reflexion<br />
und Selbstreflexion, er war gleichzeitig<br />
poetologische Metapher und Zeichen<br />
einer provisorischen Existenz<br />
– man sehe sich nur Simon Tanners<br />
(aus den «Geschwister Tanner») wanderndes<br />
Dasein an. Peter Fischli/David<br />
Weiss wählten zwei Passagen aus<br />
Walsers «Spaziergang» als Teil der bei<br />
Phaidon 2005 erschienen Monografie<br />
aus. Natürlich <strong>kein</strong> Zufall, denn wo<br />
Walser der wandernde Literat war,<br />
da <strong>sind</strong> Peter Fischli/David Weissdie<br />
wandernden Künstler, die alles<br />
sammeln und festhalten – gerade das<br />
Unbedeutende. 1983 nannten sie ihren<br />
nach «Der geringste Widerstand»<br />
zweiten Film «Der Spaziergang», später<br />
wurde daraus «Der rechte Weg».<br />
Mit 160 Seiten ist es die schmalste<br />
Publikation, der drei hier vorgestellten.<br />
Sie umfasst neben erwähntem<br />
Walser-Text eine Einführung ins<br />
Schaffen des Duos von Robert Fleck,<br />
einen Text zum «Lauf der Dinge» von<br />
Arthur C. Danto und einem Interview<br />
von Beate Söntgen mit den beiden<br />
Künstlern sowie Texten der Künstler<br />
selbst. Die Publikation besticht durch<br />
die zahlreichen farbigen Abbildungen,<br />
teils in Grossformat. (di)<br />
Peter Fischli David Weiss, mit Texten<br />
von Robert Fleck, Beate Söntgen<br />
und Arthur C. Danto. Phaidon, 2005,<br />
160 Seiten, in englischer Sprache, Fr.<br />
70.00.<br />
41<br />
artensuite
42<br />
artensuite<br />
artensuite Mai 05 | 07
Hoola Hoop im Loop<br />
■ Kunstvoll lässt das Showgirl in Rot<br />
den Reifen mit erhobenen Armen auf<br />
Brusthöhe kreisen, während sie sich<br />
mit kleinen Seitwärtsschritten um ihre<br />
eigene Achse dreht. Aus runden Löchern<br />
werden sie und ihre geklonten<br />
Zwillingsschwestern aus dem hellen<br />
Grund emporgehievt und wieder heruntergesogen.<br />
Als ob der surrealen<br />
Szenerie noch ein bisschen Natur beigegeben<br />
werden sollte, tauchen hin<br />
und wieder Tännchen und getrimmte<br />
Bäumchen aus eben diesen Löchern<br />
auf. Sie stecken in Blumentöpfen und<br />
wirken genauso kulissenhaft wie die<br />
ganze Umgebung.<br />
Peter Aerschmann präsentiert in der<br />
Galerie Annex14 vier aktuelle Videoar-<br />
«Art is, where you find it…»<br />
■ ...sagt Norbert Classen und erläutert<br />
in diesem Statement eines der zentralen<br />
Charakteristika seiner Arbeitsweise:<br />
Kunst will gefunden werden, ist<br />
demnach praktisch überall greifbar,<br />
doch vor allen Dingen persönliche Ansichtssache.<br />
Das Performative in den<br />
Arbeiten des deutschen Performers,<br />
Schauspielers und Regisseurs äussert<br />
sich immer wieder in der Interaktion<br />
mit dem Betrachter, in der Nähe zu<br />
anderen Kunstsparten wie dem Theater<br />
oder der Musik und auch darin,<br />
dass Classen den Zufall und dessen<br />
Auswirkungen nicht nur als Teil seiner<br />
Kunst akzeptiert, sondern geradezu<br />
als Bereicherung herbeiwünscht.<br />
Direkt neben seinem Atelier im<br />
Alles neu macht der Mai<br />
■ Die Ausstellungsreihe «Au Joli Mois<br />
de Mai» in der Alten Krone Biel hat<br />
sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt.<br />
Robert Schüll, Präsident der<br />
visarte.biel, berichtet:<br />
Die «Alte Krone» in der Altstadt von<br />
Biel ist im Besitz der Stadt und stellt<br />
ihre Räumlichkeiten Kunstschaffenden<br />
der Region zur Verfügung. 2001<br />
entstand im damaligen Vorstand der<br />
visarte.biel die Idee des «Joli Mois de<br />
Mai», wie sie heute noch mit Erfolg<br />
praktiziert wird: jeden Tag eine Ausstellung,<br />
noch wichtiger, jeden Tag<br />
eine Vernissage. Mit dabei das Restaurant,<br />
wo sich die KünstlerInnen und<br />
Kunstliebhaber treffen, diskutieren,<br />
essen, trinken. Eine tägliche Vernissa-<br />
artensuite Mai 05 | 07<br />
beiten, die während und nach seinem<br />
New York-Aufenthalt 2005/06 entstanden<br />
<strong>sind</strong>. In allen vier Werken bedient<br />
er sich seines charakteristischen Stilmittels,<br />
die einzelnen Protagonisten<br />
sowie alle sichtbaren Elemente der Arbeiten<br />
in einem eigenen Loop laufen<br />
zu lassen. Fotografien, aus dem Internet<br />
heruntergeladene Bilder und kurze<br />
Filmsequenzen werden als Standbilder<br />
oder sich immer wiederholende Ausschnitte<br />
sichtbar gemacht und minutiös<br />
zu einem gemeinsam fortlaufenden<br />
Strang ineinanderkomponiert, der als<br />
Ganzes wiederum im eigenen Loop<br />
vorwärts läuft. Mittels seiner Arbeitsweise<br />
demonstriert Aerschmann, wie<br />
es sich mit der <strong>Wir</strong>klichkeit tatsäch-<br />
ersten Stock des PROGR hat Beate<br />
Engel eine lohnende Ausstellung mit<br />
humorvollen Fallstricken und hintergründigen<br />
Anspielungen kuratiert. Zu<br />
sehen ist viel Kunst über Kunst sowie<br />
Werke zu <strong>Wir</strong>kung und Wahrnehmung,<br />
die Ansichten des Betrachters<br />
aufnehmen und auf diesen zurückwerfen.<br />
So bezieht eine weisse, unbemalte<br />
Leinwand den Betrachter über<br />
spiegelndes Glas in das Werk mit ein<br />
oder «13 nie gemalte Bilder», die als gestapelte<br />
Leinwände auf einem Hocker<br />
minimal-skulptural im Raum stehen,<br />
lassen darüber nachsinnen, was wohl<br />
aus ihnen hätte werden können. Nicht<br />
wenige der Exponate <strong>sind</strong> autobiographisch<br />
mit Classen verbunden, visua-<br />
ge während fünf Wochen (Mittwoch<br />
bis Sonntag) bedeutet auch, dass Die<br />
KünstlerInnen ihr eigenes Publikum<br />
mitbringen. Hinzu kommen die Liebhaber<br />
dieser Idee, die sich möglichst<br />
viele oder alle Ausstellungen ansehen<br />
wollen. Das bürgt eigentlich jeden<br />
Tag für ein volles Haus.<br />
Die 85 Mitglieder der visarte.biel<br />
können sich für die 25 Ausstellungen,<br />
die der «Joli Mois de Mai» anbietet,<br />
anmelden. Der Eingang der Anmeldungen<br />
bestimmt die Teilnahme. Der<br />
Vorstand hält sich einen bis zwei Ausstellungstage<br />
offen, dieses Jahr für einen<br />
Literaturabend mit Erica Pedretti.<br />
Das «Lokal.int», eine Alternativ-Galerie,<br />
wird sich auch vorstellen kön-<br />
lich verhält: Sie setzt sich aus einzelnen<br />
Fragmenten zusammen, generiert<br />
sich aus Bildern, die einem tagtäglich<br />
begegnen, die stark und detailreich<br />
ins Blickfeld rücken, während andere<br />
Gegebenheiten ausgeblendet werden<br />
oder in Vergessenheit geraten. Tonlos,<br />
mit herabgesetzter Geschwindigkeit<br />
fliessen Welten voller leuchtender Farben<br />
und charakteristischen Merkmalen<br />
an einem vorbei. Sie erlauben es,<br />
das Gesehene einzuordnen und bleiben<br />
doch merkwürdig abstrakt und<br />
scheinbar an <strong>kein</strong>en spezifischen Ort<br />
festgebunden: Konglomerate aus wiederverwerteten<br />
Erinnerungen, eigene<br />
Universen an der Schnittstelle zwischen<br />
Fiktion und Realität. (sm)<br />
lisieren ein Stück Geschichte und ziehen<br />
eine feine Lebensspur nach sich.<br />
Die Dinge dazwischen, das scheinbare<br />
Nichts und die Leere <strong>sind</strong> für<br />
Classen von Interesse und werden in<br />
der Präsentation immer wieder mit<br />
Bedeutung aufgefüllt, so auch in drei<br />
Bildern, die je nach Standpunkt am<br />
Beginn oder am Ende der Ausstellung<br />
zu hängen kommen: «Ende, Fin, The<br />
End», schimmert es zartsilbern aus<br />
dem Weiss heraus. Während die Fiktion<br />
zu Ende geht, fängt der Film des<br />
Lebens, die Realität spätestens vor den<br />
Toren des PROGR wieder an. Doch<br />
Vorsicht: Kunst ist allgegenwärtig, vor<br />
allem dort, wo nichts zu sein scheint.<br />
(sm)<br />
nen. Die Konkurrenz unter so vielen<br />
KünstlerInnen ist gross. Jede und jeder<br />
bringt seine besten, seine neusten<br />
Arbeiten. Es gibt auch immer wieder<br />
Experimente, die beeindrucken.<br />
Philippe Hinderling ist dieses Jahr<br />
bereits zum dritten mal dabei. Am<br />
12. Mai präsentiert er eine besondere<br />
Arbeit: Cette année, je suis confronté<br />
à une situation particulière, en effet<br />
j’expose le jour de l’assemblée des<br />
délégués de visarte suisse chez nous<br />
à Bienne, et un apéritif sera servi au<br />
«Joli mois de mai». Et donc j’en tiens<br />
compte dans mon travail, en gros<br />
une installation autour d’un engin<br />
d’entrainement spécialement modifié<br />
pour les artistes ambitieux… (sm)<br />
Peter Aerschmann,<br />
New York<br />
Souvenirs<br />
Galerie Annex14,<br />
Junkerngasse 14.<br />
Geöffnet Mittwoch<br />
bis Freitag<br />
14:00-18:00 h,<br />
Samstag 11:00-<br />
16:00 h.<br />
Bis 26. Juni.<br />
Norbert Classen,<br />
Come and<br />
Go<br />
Aussstellungszone<br />
PROGR, 1. Stock<br />
Waisenhausplatz<br />
30. Geöffnet<br />
Dienstag 14:00-<br />
20:00 h, Mittwoch<br />
bis Samstag<br />
14:00-17:00 h.<br />
Bis 19. Juni.<br />
Ausstellungsprogramm<br />
unter<br />
www.jolimai.ch.<br />
Restaurant Zur<br />
Alten Krone,<br />
Obergasse 1,<br />
Biel. Geöffnet<br />
jeweils Mittwoch<br />
bis Sonntag, Vernissagen<br />
18:00-<br />
20:00 h.<br />
Bis 27. Mai.<br />
43<br />
artensuite
Zauberhafte Seelenmalerei<br />
■ Eine sternenklare Nacht, eine<br />
schneebedeckte Wiese, dunkle, weit<br />
in die Höhe ragende Bäume, amorphe<br />
Steingestalten – Motive, die uns klirrende<br />
Kälte, gespenstische Einsamkeit<br />
sowie eine schwermütige Stimmung<br />
vermitteln. Das in kühlen Blau- und<br />
artensuite Mai 05 | 07<br />
Monique Meyer<br />
Grautönen gehaltene Gemälde mit<br />
dem Titel «Sternennacht» (1901) von<br />
Edvard Munch (1863-1944) stilisiert<br />
mit grossen Linien und homogenen<br />
Farbflächen eine stille, stimmungsgeladene<br />
Landschaft.<br />
Dieses Gemälde gehört in eine<br />
der wichtigen Schaffensphasen des<br />
Künstlers, dessen Werk nun anhand<br />
von 130 Gemälden sowie 80 Zeichnungen<br />
und Druckgrafiken in der<br />
Fondation Beyeler in Riehen präsentiert<br />
wird. Die Schau, seit Munchs Tod<br />
die umfassendste in der Schweiz und<br />
vielleicht überhaupt ausserhalb Norwegens,<br />
versammelt Leihgaben aus<br />
amerikanischen und europäischen<br />
Museen sowie wenig bekannte Werke<br />
aus bisher nicht zugänglichem Privatbesitz.<br />
Die Retrospektive mit dem Titel<br />
«Zeichen der Moderne» ist in sieben<br />
Kapitel gegliedert, um die verschiedenen<br />
Schaffensperioden seines Œuvre<br />
zu kennzeichnen. Wie der Titel suggeriert,<br />
geht es hauptsächlich darum,<br />
das Wegweisende dieses Künstlers auf<br />
die Kunst und Künstler der Moderne<br />
aufzuzeigen. Denn er gilt als einer der<br />
bedeutendsten Künstler der Moderne,<br />
vor allem weil er mit Paul Gauguin und<br />
Vincent van Gogh zu den Begründern<br />
und Vorläufern des Expressionismus<br />
zählt. Sein Umgang mit der Kunst, das<br />
innovative Experimentieren mit Mate-<br />
rial, Farbe und Motiv <strong>sind</strong> Zeugnis für<br />
seine Modernität.<br />
Aber <strong>kein</strong>eswegs wurde Munch<br />
schon immer begeistert aufgenommen,<br />
seine künstlerischen Anfänge<br />
waren von heftiger Kritik begleitet.<br />
Vorab mit dem entscheidenden Werk<br />
«Das kranke Kind» (1886) entfernte<br />
er sich – auch unter dem Einfluss der<br />
Boheme in Kristiania (dem heutigen<br />
Oslo) – durch die unkonventionelle<br />
Farb- und Oberflächenbehandlung<br />
radikal vom Naturalismus. Während<br />
seines Aufenthaltes in Nizza beeinflussten<br />
ihn die Landschaft und das<br />
südliche Licht so, dass er sich der<br />
impressionistischen und postimpressionistischen<br />
Malweise zu- und der<br />
naturalistischen endgültig abwandte.<br />
Ende der achtziger Jahre begann<br />
Munch, Stimmungen wie Einsamkeit<br />
und Melancholie in zahlreichen<br />
Gemälden zu verarbeiten. Die Auseinandersetzung<br />
mit diesen Motiven<br />
beschäftigte ihn immer wieder, besonders<br />
nach dem Tod seines Vaters.<br />
In dieser Zeit entstand das eindrückliche<br />
Gemälde «Nacht in Saint-Cloud»<br />
(1890).<br />
Die unter dem Titel «Abend» im<br />
Herbstsalon von 1891 ausgestellte<br />
erste Fassung von «Melancholie» wird<br />
dann als das erste symbolistische<br />
Werk der norwegischen Malerei apostrophiert.<br />
Es folgen weitere symbolistische<br />
Landschaften, deren Monumentalität<br />
sich im dekorativen Umgang mit<br />
Farbe, Linie und Fläche manifestiert.<br />
Die vereinfacht und schemenhaft<br />
dargestellten Motive der Natur sowie<br />
die intensive Farb- und Lichtgebung<br />
widerspiegeln die starken Eindrücke<br />
der Seele, die Natur wird, wie Munch<br />
einmal konstatierte, von der Gemüts-<br />
stimmung geformt. Die Intensität des<br />
im Bild enthaltenen Ausdrucks des<br />
Seelischen wird begleitet von einer<br />
zauberhaften und mystischen Atmosphäre.<br />
Diese um die Jahrhundertwende<br />
entstandenen Landschaften des<br />
Künstlers werden als Höhepunkt des<br />
nordischen Symbolismus betrachtet.<br />
Themen wie Liebe, Schmerz und<br />
Tod werden auch in seinen Berliner<br />
Jahren aufgenommen, Hauptwerke<br />
wie «Melancholie», «Der Sturm», «Vampir»,<br />
«Pubertät» und «Der Schrei» entstehen<br />
und sollen im «Lebensfries», den<br />
er bereits in literarischen Notizen und<br />
Skizzen entwickelte, zusammengefasst<br />
werden. Motive und Bildthemen<br />
werden immer von Neuem variiert<br />
und erweitert, ebenso experimentiert<br />
er dabei mit Material und Form. Entstandene<br />
Bildmotive nimmt er auch<br />
in seinen druckgrafischen Arbeiten<br />
immer wieder (seriell) auf. Hier wird<br />
deutlich, dass das Motiv bei Munch<br />
nicht an ein Werk gebunden ist, sondern<br />
auf sehr moderne Weise immer<br />
erneut ausgeführt und somit mehrfach<br />
transportierbar wird. Die mehrfachen<br />
Ausführungen ermöglichen die Vervielfachung<br />
seiner Meisterwerke und<br />
lassen sie auf diese Weise bis heute<br />
populär bleiben.<br />
Die grosse Ausstellung führt in ein<br />
faszinierendes Reich von Farben, Symbolen,<br />
eindringlichen Motiven und<br />
fesselnden Stimmungen. Lohnenswert<br />
auch schon deshalb, weil die wunderbare<br />
Energie der fantastisch gelegenen<br />
Fondation Beyeler den Gang durch<br />
die Ausstellung begleitet und einen in<br />
eine bedeutungsvolle Kunstwelt der<br />
Moderne mit Haut und Haaren eintauchen<br />
lässt.<br />
Sternennacht, 1901, Öl auf<br />
Leinwand, 59 x 73 cm,<br />
Museum Folkwang, Essen<br />
© The Munch Museum/The<br />
Munch-Ellingsen<br />
Group/2007, ProLitteris,<br />
Zürich.<br />
Melancholie, 1894/95, Öl<br />
auf Leinwand, 81 x 100,5<br />
cm, Bergen Kunstmuseum,<br />
Rasmus Meyers Samlinger<br />
© The Munch Museum/The<br />
Munch-Ellingsen<br />
Group/2007, ProLitteris,<br />
Zürich.<br />
Edvard Munch<br />
- Zeichen der<br />
Moderne.<br />
Fondation Beyeler,Baselstrasse<br />
77, Riehen.<br />
Geöffnet täglich<br />
10:00-18:00 h,<br />
Mittwoch 10:00-<br />
20:00 h.<br />
Bis 15. Juli.<br />
45<br />
artensuite
46<br />
artensuite<br />
Klaus Liebig<br />
peripherie-arts,<br />
im Stufenbau,<br />
Pulverstrasse 8,<br />
Ittigen. Geöffnet<br />
Dienstag und<br />
Mittwoch<br />
18:00-20:00 h.<br />
Vernissage<br />
8. Mai, 18:00-<br />
22:00 h.<br />
Bis 30. September<br />
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Vexierbilder in der Peripherie<br />
■ Die dämmrige Landschaft im Hintergrund<br />
ist verdoppelt, beirrend spiegelt<br />
sich der Wolkenhimmel im Wasser;<br />
japanisch gekleidete Frauen tanzen lasziv<br />
mit lebendig werdenden Tätowierungen<br />
dekoriert über das Bildfeld.<br />
Begleitet werden sie von Schmetterlingen<br />
und Drachen, von Botero-Figuren<br />
und Unterwäschemodels. «Tatou» heisst<br />
diese vom deutschen Künstler Klaus<br />
Liebig 1977 gemalte Traumwelt: eigenständig,<br />
erotisch, teils beängstigend<br />
und vor allem irritierend.<br />
Klaus Liebig (1936-1997) beschäftigte<br />
sich anfänglich ausschliesslich mit<br />
der Landschaft. Aber nie waren es romantisch-idyllische<br />
oder impressionistische<br />
Landschaften, sondern eigenwillige,<br />
an synthetischen Kubismus oder<br />
Futurismus erinnernde dynamische<br />
Farbfeldpuzzles. Die enzyklopädische<br />
Kleinteiligkeit und die ornamentalen<br />
Formen mahnen an Paul Klee oder<br />
Roger Bissière. Liebig geht von diesen<br />
Kompositionen nicht in die nahe liegende<br />
Abstraktion, sondern reichert<br />
seine – oftmals überladenen – Puzzles<br />
mit Figürlichem an. Vexierbilder ent-<br />
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stehen, traumartig, märchenhaft und<br />
surreal.<br />
Ende der sechziger Jahre verschwinden<br />
die Landschaften aus Liebigs<br />
Schaffen. Es ist eine Zeit, in der<br />
Kunstbewegungen wie abstrakter Expressionismus<br />
oder Pop Art sich auch<br />
in Europa verbreiten. Letztere findet<br />
Eingang in Liebigs Schaffen. Erst einmal<br />
<strong>sind</strong> es comicartige Elemente wie<br />
das Anordnen von mehreren Bildfeldern<br />
auf der Mal- und Zeichenfläche,<br />
einem Comicstrip gleich. Pop Art zeigt<br />
sich auch in Liebigs Collagen, in seinem<br />
flächig-reduzierten Mal- und Zeichenstil,<br />
auf jegliche Binnenzeichnung<br />
verzichtend, nüchtern, trocken und die<br />
Silhouette betonend. Einen Verzicht auf<br />
Symbolik und Transzendentes, wie ihn<br />
die Pop Art pflegte, gibt es bei Liebig<br />
nicht, er bezieht sich nur oberflächlich<br />
auf die Pop Art, Konsum- und Medienkritik<br />
bleiben aussen vor, auch wenn<br />
in späteren Jahren Werke «McDonald‘s»<br />
und ähnlich heissen. In den nächsten<br />
Jahren reduziert Liebig die Kleinteiligkeit<br />
seiner Arbeiten, sie werden klarer<br />
lesbar, schematischer, bleiben aber<br />
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flächig. Sie verbinden collageartig Topografisches<br />
mit Erinnerungen, mit<br />
Bezügen zur Literatur (Borges, Carroll,<br />
Joyce) oder Mythologie. Einzelne Bilder<br />
und Gedanken <strong>sind</strong> einzig durch<br />
eine zusammenhängende Farbpalette<br />
(meist in Grau- und Blautönen) gebunden.<br />
Gleichzeitig enthalten sie in ihrer<br />
Bildsprache kindlich-naive Elemente<br />
– Bildergeschichten ähnlich und an<br />
Botero oder den isländischen Künstler<br />
Erró erinnernd. Mitte der siebziger<br />
Jahre treten die Figuren nicht mehr in<br />
einer reduzierten Malweise auf: als wären<br />
Liebigs Werke Filmstills von Monty<br />
Pythons Trickfilmsequenzen. Groteske<br />
Fantasiewelten entstehen, immer<br />
noch in der Verbindung unterschiedlichster<br />
Figuren und Objekte collageartig<br />
gestaltet, oftmals erotisch aufgeladen.<br />
In den achtziger Jahren folgen<br />
möglichst realistisch gemalte Porträts,<br />
die aber wiederum mit der Symbolik<br />
einer Traumwelt angereichert <strong>sind</strong>. In<br />
seinem Spätwerk beginnt Liebig noch<br />
einmal zu reduzieren und begibt sich<br />
wieder in eine bunte comic- und collageartige<br />
Welt. (di)<br />
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artensuite Mai 05 | 07
BERNER<br />
GALERIEN<br />
Galerieneintrag:<br />
Auf den Seiten «Galerien in Bern» werden nur<br />
noch Galerien publiziert, welche unsere jährliche<br />
Publikationsgebühr bezahlt haben. Wer<br />
sich hier eintragen lassen möchte, melde sich<br />
bei der Redaktion: Telefon 031 318 6050 oder<br />
redaktion@ensuite.ch.<br />
Altes Schlachthaus<br />
Metzgergasse 15, Burgdorf<br />
T 034 422 97 86<br />
Sa & So jeweils 11:00-17:00 h<br />
artensuite Mai 05 | 07<br />
René Kanzler bis 19.5.<br />
Galerie Beatrice Brunner, Bern<br />
annex14 - Galerie für<br />
zeitgenössische Kunst<br />
Junkerngasse 14, 3011 Bern<br />
T 031 311 97 04 / www.annex14.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder<br />
nach Vereinbarung<br />
Peter Aerschmann<br />
21.4. - 26.5.<br />
Art-House<br />
Mittlere Strasse 3A, 3600 Thun<br />
T 033 222 93 74 7 www.art-house.ch<br />
Mi&Fr 14:00-17:30 h / Do 16:00-19:30 h / Sa<br />
11:00-16:00 h und nach Vereinbarung<br />
Claudia Dettmar - Fotografie<br />
14.4. - 12.5.<br />
Max Hari - Malerei, Zeichnungen, Objekte<br />
19.5 - 23.6.<br />
Magma Bro & Paffy Zehnder - Musik trifft<br />
Malerei<br />
29./30.6. & 1.7.<br />
Art + Vision<br />
Junkerngasse 34, 3011 Bern<br />
T 031 311 31 91<br />
Di-Fr 14:00-19:00 h / Do 14:00-21:00 h /<br />
Sa & So 11:00-16:00 h<br />
Heinz Keller<br />
Holzschnitte, die der <strong>Wir</strong>klichkeit Gesichter<br />
schneiden<br />
bis 26.5.<br />
Bärtschihus Gümligen<br />
Dorfstrasse 14, 3073 Gümligen<br />
Mary Poppins!<br />
superkalifragilistigexpialigetisch<br />
Fri-Art<br />
22 Petites Rames, 1700 Fribourg<br />
T 026 323 23 51 / www.fri-art.ch<br />
Di-Fr 14-18:00 h / Sa&So 14:00-17:00 h<br />
Stella Capes, Christina Hemauer & Roman<br />
Keller<br />
A Curiosity, A Museum Piece And An Example<br />
Of A Road Not Taken<br />
bis 3.6.<br />
bk Galerie Bernhard Bischoff & Partner<br />
Speichergasse 8, 3011 Bern<br />
T 031 312 06 66<br />
www.bernhardbischoff.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder<br />
nach Absprache<br />
Arno Nollen, Natasha Jaliuc<br />
‹Schwarzweiss in Farbe›<br />
bis 2.6.<br />
Galerie 25 Regina Larsson<br />
2577 Siselen / T 032 396 20 71<br />
www.galerie25.ch<br />
Fr-So 14:00-19:00 h oder nach tel. Vereinbarung<br />
Verena Lafargue Rimann<br />
Neuere Arbeiten<br />
Finissage: So, 13.5., ab 14:00 h<br />
bis 13.5.<br />
Ruedy Schwyn<br />
bis 17.6.<br />
Galerie 67<br />
Belpstrasse 67, 3007 Bern / T 031 371 95 71<br />
www.galerie67.ch<br />
Mo 14:00-18:30 h / Di-Fr 9:00-12:00 h &<br />
14:00-18:00 h / Sa 10:00-12:00 h<br />
Erica Fankhauser<br />
Acryl / Mischtechnik<br />
bis Juni 2007<br />
Galerie Artdirekt<br />
Herrengasse 4, 3011 Bern / T 031 312 05 67<br />
www.artdirekt.ch<br />
Dieter Zeindler<br />
Malerei<br />
Vernissage: 5.5., 16:00 h<br />
5.5. - 2.6.<br />
Galerie Artraktion<br />
Hodlerstrasse 16, 3011 Bern<br />
T 031 311 63 30 / www.artraktion.ch<br />
Do&Fr 15:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
oder nach Vereinbarung<br />
INTEAMITÄT<br />
Kathrin Mayor - Stills, Bilder und mehr<br />
Vernissage: Do, 3.5., 17:30-22:00 h<br />
Konzert: Gilbert Paeffgen Trio ab 19:30 h<br />
Finissage: Sa, 12.5., 16:00-20:00 h<br />
Galerie bis Heute<br />
Amtshausgasse 22, 3011 Bern<br />
T 031-311 78 77 / www.galerie-bisheute.ch<br />
Do-Fr 14:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h &<br />
nach Vereinbarung<br />
Virgini Morillo<br />
Supercalifragilisticexpialidocious!<br />
bis 12.5.<br />
Galerie Beatrice Brunner<br />
Nydeggstalden 26, 3011 Bern<br />
T 031 312 40 12 / www.beatricebrunner.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
René Kanzler<br />
Image mapping<br />
bis 19.5.<br />
Galerie Bärtschi<br />
Nydeggstalden 32, 3011 Bern<br />
T 031 311 61 15<br />
www.art-baertschi.ch<br />
Do-Fr 14:00-18:30 h & Sa 10:00-16:00 h<br />
Patricia Wuillemin-Nafe<br />
47<br />
artensuite
48<br />
artensuite<br />
Galerie Artraktion - Kathrin Mayor, Inteamität vom 03.05-12.05<br />
«leaves»<br />
Photorealistische Ölmalerei auf Leinwand<br />
Vernissage: 12.4., 18:00-20:30 h<br />
bis am 5.5.<br />
Finissage : Samstag, 5.5., 10:00-16:00 h<br />
Galerie Christine Brügger<br />
Kramgasse 31, 3011 Bern<br />
T 031 311 90 21<br />
Mi-Fr 14:00 - 18:30 h; Sa 11:00-16:00<br />
Urban Saxer<br />
bis 18.5.<br />
Edualrd Dill, Malerei<br />
Rudolf Tschudin, Skulpturen<br />
24.5. - 16.6.<br />
Galerie Duflon & Racz<br />
Gerechtigkeitsgasse 40, 3011 Bern<br />
T 031 311 42 62<br />
Do 14:00-19:00 h, fr 16:00-19:00 Sa 12:00-<br />
17:00 h oder nach tel. Vereinbarung.<br />
Pierre Bonard<br />
Gouachen<br />
Vernissage: 12.5., ab 16:00 h open end<br />
12.5 - 4.8.<br />
Galerie Henze & Ketterer<br />
Kirchstrasse 26, 3114 Wichtrach<br />
T 031 781 06 01 / www.henze-ketterer.ch<br />
Di-Fr 10:00-13:00 h & 14:00-18:00 h / Sa<br />
10:00-16:00 h<br />
Erich Heckel - Aquarelle von 1917 - 1962<br />
Ruhe nach dem Sturm<br />
verhaltene Form - zarte Farbe - inneres<br />
Leuchten<br />
bis 21.7.<br />
Kunstdepot: art_clips.ch.at.de<br />
Verlängert bis 30.6.<br />
jeweils Samstags 10:00-15:30 h<br />
Führung von Gerhard Johann Lischka:<br />
Sa, 26.5., 14:00-15:30 h<br />
ONO - Cornelia Koch, Beziehungskisten & Bettlakengeschichten<br />
vom 01.05-30.06 raum - Remo Lorenzini, C annaregio vom 04.05-01.06<br />
Galerie im Graben<br />
Waldeckstrasse 12, 3052 Zollikofen<br />
T 031 911 96 06<br />
Fr 17:00-19:00 h / Sa 16:00-19:00 h & So<br />
11:00-17:00 h<br />
Galerie Madonna#Fust<br />
Rathausgasse 14, 3011 Bern<br />
T/F 031 311 28 18 / www.madonnafust.ch<br />
Mi/Fr 12:30-18:00 h / Do 12:30-20:00 / Sa<br />
10:00-16:00 h und auf Anfrage<br />
Eröffnungsausstellungen<br />
Chiara Dynys (Galerie)<br />
Whole - hole<br />
5.5. - 9.6.<br />
Brigitte Lustenberger (Projektraum)<br />
Caught<br />
5.5. - 9.6.<br />
Galerie Margit Haldemann<br />
Brunngasse 14, Brunngasshalde 31<br />
T 031 311 56 56 / margithaldemann@bluewin.<br />
ch, www.artgalleries.ch/haldemann<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
Saison 2006/07: 25 Jahr Jubiläum<br />
Ausstellung 5/5 - Peter Stein (Bilder, Zeichnungen)<br />
/ Jean Mauboulès (Skulpturen,<br />
Wandobjekte)<br />
Vernissage: Do, 3.5., 18:00-20:00 h<br />
Finissage mit Sommerapéro: So, 3.6., 11:00<br />
-15:00 h<br />
Galerie Martin Krebs<br />
Münstergasse 43, 3011 Bern<br />
T 031 311 73 70 / www.krebs.artgalleries.ch/<br />
Di-Fr 14:30-18:30 h / Sa 10:00-14:00 h<br />
Anton Bruhin, Bilder<br />
Vernissage: Die, 1.5., 18:00-20:00 h<br />
19:00 h: kleines Maultrommel-Konzert.<br />
bis 26.5.<br />
Galerie Kornfeld<br />
Laupenstrasse 41, 3001 Bern<br />
T 031 381 46 73 / www.kornfeld.ch<br />
Mo-Fr 14:00-17:00 h<br />
Galerie Ramseyer & Kaelin<br />
Junkerngasse 1, 3011 Bern<br />
T 031 311 41 72<br />
Mi-Fr 16:00-19:00h / Sa 13:00-16:00h<br />
Galerie Rigassi<br />
Münstergasse 62, 3011 Bern<br />
T 031 311 69 64 / www.swissart.net/rigassi<br />
Di-Fr 11:30-13:30 h & 15:30-19:00 h / Sa<br />
10:30-16:00 h oder nach tel. Vereinbarung<br />
Sandra Sasdi<br />
Ruth Schwob<br />
Malerei<br />
8. - 26.5.<br />
Galerie <strong>Rosengarten</strong> Thun<br />
Haus Immer, Bälliz 35, Thun<br />
T 033 223 12 42<br />
Mo-Fr 14:00-17:00 h & Sa 10:00-16:00 h<br />
Gegenwartskunst<br />
Galerie Silvia Steiner<br />
Seevorstadt 57, 2502 Biel / T 032 323 46 56 /<br />
www.silviasteinergalerie.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 14:00-17:00 h oder<br />
nach Vereinbarung<br />
Flavio Paolucci<br />
bis 12.5.<br />
Galerie Tom Blaess<br />
Uferweg 10b, 3013 Bern / T 079 222 46 61<br />
www.tomblaess.ch<br />
Kabinett Bern<br />
Gerechtigkeitsgasse 72-74, 3011 Bern<br />
T 031 312 35 01 / www.kabinett.ch<br />
Do & Fr 14:00-19:00 h & Sa 11:00-16:00 h<br />
artensuite Mai 05 | 07
Galerie Martin Krebs - Anton Bruhin, Bilderwelten, vom 26.4.-26.5.<br />
Alois Mosbacher<br />
bis 5.5.<br />
Klinik Bethesda Tschugg<br />
3233 Tschugg BE, Telefon 032 338 4 444<br />
www.klinik-bethesda.ch<br />
täglich 8:00-19:00 h<br />
Patente Gene<br />
Martina Lauinger<br />
Vernissage: Mi, 2.5., 17:30 h<br />
bis 28.9.<br />
Kornhausforum -<br />
Forum für Medien und Gestaltung<br />
Kornhausplatz 18, 3011 Bern<br />
T 031 312 91 10 / www.kornhausforum.ch<br />
Di-Fr 10:00-19:00 h / Do 10:00-20:00 h / Sa<br />
10:00-16:00 h<br />
20 Jahre zeitgenössischer Tanz<br />
Vernissage: 2.5., 20:00h<br />
3. - 26.5.<br />
Aarewasser<br />
29.5. - 16.6.<br />
Sexarbeit<br />
Vernissage: Do, 31.5., 20:00 h<br />
1.6. - 1.8.<br />
Kunstraum Oktogon<br />
Aarstrasse 96, 3005 Bern<br />
Fr 16:00-19:00 h; Sa 11:00-15:00 h<br />
Kunstreich<br />
Gerechtigkeitsgasse 76, 3011 Bern<br />
T 031 311 48 49 / www.kunstreich.ch<br />
Mo-Fr 9:00-18:30 h / Do 9:00-20:00 h / Sa<br />
9:00-16:00 h<br />
Hegetusch und Yeunhi Kim<br />
Vernissage: 5.5., 11:00-14:00 h<br />
bis 2.6.<br />
ONO Bühne Galerie Bar<br />
Kramgasse 6, 3011 Bern<br />
artensuite Mai 05 | 07<br />
Vorankündigung: Galerie Kornfeld - Auktion Moderne Kunst Juni<br />
2007 vom 14.-15.6. (Bild: Max Buri, Mutteridyll 1900/1901) Wartsaal 3 - Marco Frauchiger, Fotoaustellung Zeit von 24.05.-25.05.<br />
T 031 312 73 10 www.onobern.ch<br />
Nachtgalerie Fr&Sa 22:00-24:00 h oder nach<br />
telefonischer Vereinbarung / bei allen ONO-<br />
Veranstaltungen<br />
Vernissage der Ausstellung beziehungskisten<br />
& bettlakengeschichten: 1.5., 18:00 h<br />
Cornelia Koch zeigt ihre Arbeiten<br />
1.5. - 30.6.<br />
peripherie-arts<br />
Im Stufenbau, Pulverstrasse 8, 3063 Ittigen<br />
Tel 076 325 19 11 / www.peripherie-arts.ch<br />
Di&Mi 18:00-20:00 h (oder nach tel. Vereinbarung)<br />
Uettligen Corporation<br />
Verena Welten / Phillip Läng / Max Roth<br />
/ Cristina Wendt / Franz Roth / Ricardo<br />
Abella / Adela Picón / Katharina Roth<br />
bis 3.5.<br />
Klaus Liebig<br />
Vernissage: 8.5., 18:00-19:00 h<br />
PROGR Zentrum für Kulturproduktion<br />
Speichergasse 4, 3011 Bern / www.progr.ch<br />
Videokunst.ch:<br />
Urslé von Mathilde<br />
«run»<br />
Video, Farbe, Sound matu, 2’10 Loop<br />
bis Sa, 19.5.<br />
Di 14:00-10:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h<br />
Norbert Klassen «Come and Go»<br />
bis Sa, 19.5.<br />
Di 14:00-10:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h<br />
«No Place Like Home»<br />
les freres Chapuisat<br />
Loge, PROGR Hof<br />
5.5. - 2.6.<br />
R A U M<br />
Militärstrasse 60, 3014 Bern<br />
www.kulturraum.ch<br />
Mi-Fr 16:00-19:00 h / Sa 12:00-16:00 h<br />
Remo Lorenzini Cannaregio Collagen<br />
Malerei<br />
Vernissage: Fr, 4.5., 18:00-20:00 h: es spricht<br />
Sigi Amstutz<br />
Finissage: Fr, 1.6., 18:00-20:00 h<br />
Mi, 23.5., 19:00-20:00 h: Der Philosoph Hans<br />
Saner im Gespräch mit Remo Lorenzini über<br />
seine künstlerische Arbeit.<br />
SLM Kunstausstellung<br />
Dorfplatz 5, 3110 Münsingen<br />
T 031 724 11 11<br />
Mo-Do 8:00-12:00 h & 13:30-17:00h / Fr<br />
8:00-12:00 h & 13:30-18:00 h<br />
Stadtgalerie<br />
Speichergasse 4, 3001 Bern<br />
T 031 311 43 35 7 www.stadtgalerie.ch<br />
Di 14:00-20:00 h & Di-Fr 14:00-17:00 h<br />
VALIART KulturRaum<br />
Bundesgasse 26, 3001 Bern<br />
www.valiart.ch<br />
Täglich 9:00-18:30 h / Do bis 21:00 h / Sa<br />
bis 16:00 h<br />
Eva Borner / Martin Bircher<br />
Interaktives Dilemma der Einsamkeit<br />
Wort-Klang-Installation mit Geige<br />
bis 2.6.<br />
Wartsaal 3<br />
Helvetiaplatz 3, 3005 Bern<br />
T 031 351 33 21 / www.wartsaal3.ch<br />
täglich 11:00-19:00 h<br />
Kunstmönch<br />
schaut für sie kunst...<br />
7.5. - 21.5.<br />
Zeit - Gabriela Paiano, Marco Frauchiger<br />
& Elmar Brülhart<br />
Fotoausstellung<br />
Vernissage: 24.5., 18:00 h<br />
24.-25.5.<br />
49<br />
artensuite
50<br />
artensuite<br />
Augenspiel<br />
Von Dominik Imhof<br />
■ Bern ist eine einzige Baustelle. Der<br />
Bahnhofplatz – eine Bezeichnung die dieses<br />
Unding eigentlich noch nie verdient hat<br />
– ist sozusagen das Epizentrum der Verwüstung.<br />
Kaum weiss man wo aus noch<br />
ein, Loebaufstieg ist gesperrt, der Zehnerbus<br />
fährt sonst wo ab und nichts ist wie<br />
es immer war. Unsere bahnhöflichen Gewohnheiten<br />
werden arg beschnitten. Und<br />
unsere Flexibilität wird hart geprüft. Und<br />
sie sollen noch ein Weilchen dauern, diese<br />
Umbauten. Vielleicht werden wir ja mit<br />
einem Ungetüm von Baldachin belohnt,<br />
auf dass wir trockenen Hauptes von Tibits-Vegi-Schmaus<br />
zum Loeb-Konsumpalast<br />
schlendern können. Was vielleicht<br />
den Wenigsten im Umbautrubel und Baustellendurcheinander<br />
aufgefallen ist: Unsere<br />
geliebte und viel beachtete Kunst im<br />
öffentlichen Bahnhofsraum ist weg. Erstes<br />
Opfer war Bernhard Luginbühls «Christophorus»,<br />
der einigen Fahrrädern hinter der<br />
Heiliggeistkirche Schatten liefert, jetzt hat<br />
sich auch Lischettis seiltänzelnder Bär auf<br />
und davon gemacht, gähnende Himmelsleere<br />
und Kabelsalat bleiben. Luciano An-<br />
UELI BERGER<br />
ALLES IN ALLEM<br />
ARBEITEN AUF PAPIER 1967–2007<br />
9.5. – 5.8.2007<br />
Kunstmuseum Bern<br />
www.kunstmuseumbern.ch<br />
dreanis Beinflüssler ist spurlos weggerannt,<br />
obwohl er momentan das treffliche Symbol<br />
für all die kopflos in der Bahnhofgegend<br />
Umherirrenden wäre. Die Pilze von Iseli,<br />
eine stete Warnung (für manche vielleicht<br />
sogar Prophezeiung) an den öffentlichen<br />
Transportmittelbenutzer, was aus Bern<br />
werden könnte: von Natur überwuchertes<br />
Nächsterholungsgebiet oder langsam verwesende<br />
Provinzstadt! Ueli Bergers an das<br />
Milchgässchen mahnende Milchkannen hat<br />
nun doch ein Biobauer eingepackt. Und<br />
auch das Bollwerk ist bereits entkünstelt.<br />
Die Rückkehr der Kunstwerke ist sehr ungewiss,<br />
höchstwahrscheinlich verschwinden<br />
sie in der Versenke. Mit allen Künstlern<br />
wurde aber eine Abmachung getroffen, wie<br />
Peter Schranz dem «Bund» mitteilte. Kuhns<br />
Rettungsring war trotzdem nicht mehr zu<br />
retten und auch die Milchkannen seien zu<br />
stark lädiert! «Der alte Bahnhofplatz muss<br />
verreisen» so lautet das Motto für das am<br />
Sonntag, 13. Mai, stattfindende Fest. Danach<br />
beginnt die Intensivbauphase. Wo ich mich<br />
dann doch frage, ist die Phase jetzt noch<br />
nicht intensiv? Ohje! Veränderung, igit!<br />
Impressum<br />
artensuite erscheint monatlich als Beilage<br />
im ensuite - kulturmagazin.<br />
Herausgeber: edition ■ ensuite, Bern<br />
Redaktion: Dominik Imhof (di); Monique<br />
Meyer (mm), Sylvia Mutti (sm), Nicola<br />
Schröder (ns), Sylvia Rüttimann (sr), Monika<br />
Schäfer (ms)<br />
Die Redaktion artensuite ist politisch,<br />
wirtschaftlich und ethisch unabhängig<br />
und selbständig. Die Texte repräsentieren<br />
die Meinungen der Autoren/innen, nicht<br />
jene der Redaktion.<br />
Copyrights für alle Informationen und Bilder<br />
liegen beim Verein WE ARE in Bern<br />
und der edition ■ ensuite.<br />
Redaktionsadresse:<br />
artensuite<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Telefon 031 318 6050<br />
Mail: art@ensuite.ch<br />
www.artensuite.ch<br />
DENN BERN<br />
IST ÜBERALL!<br />
www.ensuite.ch<br />
artensuite Mai 05 | 07
BERNER MUSEEN<br />
BERN / BIEL / THUN<br />
Abegg-Stiftung<br />
Werner Abegg-Strasse 67, 3132 Riggisberg<br />
täglich 14:00-17:30 h<br />
Sonderausstellung 2007<br />
Drachen aus Seide, Blumen aus Gold.<br />
Textile Schätze der chinesischen Liao-<br />
Dynastie (907-1125)<br />
bis 11.11.<br />
Antikensammlung Bern<br />
Hallerstrasse 12, 3012 Bern<br />
Mi 18:00-20:00 h<br />
Die Antikensammlung beherbergt nebst<br />
den Abgüssen (rund 230 Exponate antiker<br />
Skulpturen von den Anfängen der griechischen<br />
Archaik bis zur römischen Spätantike)<br />
auch eine kleine Sammlung mit originalen<br />
Fundstücken aus der griechisch-römischen<br />
Antike.<br />
Bernisches Historisches Museum<br />
Helvetiaplatz 5, 3005 Bern<br />
Di-So 10:00-17:00 h<br />
Sonntag, 1.4., 11:00h<br />
Berns Weg in die Moderne<br />
Warum ist die Gegenwart so geworden wie<br />
sie heute ist? Die Sonderausstellung lädt ein<br />
zu einem Gang durch die Schweizer Verfassungsgeschichte<br />
und die Geschichte Berns<br />
im 19. und 20. Jahrhundert.<br />
1.5. - 6.1.2008<br />
Centre Dürrenmatt<br />
Chemin du Pertuis-du-Sault 74, 2000<br />
Neuchâtel<br />
Mi-So 11:00-17:00 h<br />
Am Rande der Sprache<br />
Vernissage: Sa, 19.5., 17:00 h<br />
19.5. - 26.8.<br />
Einstein-Haus<br />
Kramgasse 49, 3011 Bern<br />
1.10.-16.12., Di-Fr 10:00-17:00 h / Sa 10:00-<br />
16:00 h<br />
Führungen jederzeit nach Absprache<br />
Heilsarmeemuseum<br />
Laupenstrasse 5, 3001 Bern<br />
Di-Do 9:00-12:00 h & 14:00-17:00 h<br />
Dokumente, Zeitschriften, Bilder, Fotos,<br />
Grammophonplatten, Kassetten, Musikinstrumente<br />
und andere Sammelobjekte.<br />
artensuite Mai 05 | 07<br />
Institut für Archäologie der<br />
Universität Bern<br />
Länggassstrasse 10, 3012 Bern<br />
T 031 631 89 92<br />
Mo-Fr, 8:00-17:00 h<br />
Kunsthaus Centre Pasqu’art<br />
Seevorstadt 71-75, 2502 Biel<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa&So 11:00-18:00 h<br />
Isabelle Krieg KRIEG MACHT LIEBE<br />
bis 20.5.<br />
Hervé Graumann<br />
bis 20.5.<br />
Photoforum Pasquart<br />
Peter Maurer<br />
FACELAND<br />
6.5. - 10.6.<br />
Kunsthalle Bern<br />
Helvetiaplatz 1, 3005 Bern<br />
Mi-So 10:00-17:00 h / Di 10:00-19:00 h<br />
Critical Mass - 20 Jahre Stiftung Kunsthalle<br />
Bern<br />
bis 20.5.<br />
NEUE HORIZONTE Konzeptuelle Musik<br />
1957 bis 2007<br />
12.5. - 13.5.<br />
KUNSTHALLE FEST<br />
Konzert mit Christian Marcley<br />
19.5.<br />
Kunstmuseum Bern<br />
Hodlerstrasse 8-12, 3007 Bern<br />
Di 10:00-21:00 h / Mi-So 10:00-17:00 h<br />
Serge Spitzer – Installation<br />
»Re/Search (Alchemy and/or Question<br />
Marks with Swiss Air)», 1996-2002<br />
bis Ende 2007<br />
Oscar Wiggli. Körper - Raum - Klang.<br />
Eine Werkübersicht<br />
bis 13.5.<br />
Manet zu Gast in der Sammlung: La maîtresse<br />
de Baudelaire couchée<br />
bis 6. Mai<br />
Im Kabinett: Maria Eichhorn - Die Anteilscheine<br />
der Kunsthalle Bern<br />
bis 20.5.<br />
Expressionismus aus den Bergen -<br />
Kirchner, Bauknecht, Wiegers und die<br />
Gruppe Rot-Blau<br />
bis 19.8.<br />
Ueli Berger: Alles in Allem - Arbeiten<br />
auf Papier 1967 - 2007<br />
9.5. - 5.8.<br />
Im Kabinett: Lascivie e santità - Druck-<br />
graphik der Carracci<br />
29.5. - 5.8.<br />
Kunsthaus Langenthal<br />
Marktgasse 13, 4900 Langenthal<br />
Mi & Do 14:00-17:00, Fr 14:00-19:00 h, Sa&<br />
So 10:00-17:00 h<br />
Aufbruch ins Material - Sammlung<br />
Liechti<br />
Vernissage: Mi, 9.5., 19:00 h<br />
10.5. - 1.7.<br />
Kunstmuseum Thun<br />
Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun<br />
Di-So 10:00-17:00 h / Mi 10:00-21:00 h<br />
Aeschlimann Corti Stipendium<br />
bis 20.5.<br />
Werkgespräch mit den Preisträgern<br />
So, 6.5., 15:00 h<br />
museum franz gertsch<br />
Platanenstrasse 3, 3401 Burgdorf<br />
Di-Fr 10-18h / mi 10-19h Sa&So 10-17h<br />
Unter Sternen. Aus der Sammlung Willy<br />
Michel. Fotografie<br />
Franz Gertsch - Schottische Aquarelle<br />
bis 24.6.<br />
Max Roth - Monolothische Skulpturen<br />
bis 28.10.<br />
Museum für Kommunikation<br />
Helvetiastrasse 16, 3000 Bern<br />
Di und Do bis So 10-17h & Mi 10-19h<br />
Zum 100. Geburtstag: Tag der offenen<br />
Tür<br />
12./13. Mai<br />
As Time Goes Byte<br />
Neue Dauerausstellung zur Computergeschichte<br />
und digitalen Kultur<br />
ab 12.5.<br />
Bilder, die haften<br />
Neue Dauerausstellung zu den Briefmarken<br />
ab 12.5.<br />
Wechselausstellung «haarsträubend».<br />
Tier-Mensch-Kommunikation.<br />
Gemeinsam mit dem Naturhistorischen Museum<br />
Bern (beidseitig zugänglich)<br />
bis 1.7.<br />
Museum Neuhaus Biel<br />
Schüsselpromenade 26, 2501 Biel<br />
Di-So 11:00-17:00 h / Mi 11:00-19:00 h<br />
Bürgerlicher Lebensstil im 19. Jahrhundert:<br />
Wohnen und Haushalten<br />
Die Stiftung Sammlung Robert präsentiert<br />
51<br />
artensuite
52<br />
artensuite<br />
eine neu gestaltete permanente Ausstellung<br />
im Museum Neuhaus.<br />
Die Welt der Vögel<br />
Werke von Léo-Paul (1851-1923) und Paul-<br />
André Robert (1901-1977)<br />
bis 24.6.<br />
Museum Schwab / Museum<br />
für Archäologie<br />
Seevorstadt 50, 2502 Biel<br />
Di-Sa 14:00-18:00 h / So 11:00-18:00 h<br />
Permanente Ausstellung<br />
Das archäologische Fenster der Region<br />
Röstigraben - Unterschiede<br />
zum Auskosten<br />
Der Röstigraben – die Romands nennen ihn<br />
«Rideau de rösti», Röstivorhang - ist nicht nur<br />
eine Sprachgrenze. Dass sich dahinter mehr<br />
verbirgt seit der Zeit der ersten Bauern bis<br />
heute, zeigt diese Ausstellung.<br />
bis 20.5.<br />
Naturhistorisches Museum der<br />
Burgergemeinde Bern<br />
Bernastrasse 15, 3005 Bern<br />
Mo 14:00-17:00 h / Di/Do/Fr 9:00-17:00 h<br />
Mi 9:00-18:00 h, Sa&So 10:00-17:00 h<br />
«haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation»<br />
bis 1.7.<br />
Anpasser und Alleskönner - Tiere in der<br />
Stadt<br />
Dauerausstellung<br />
Psychiatrie Museum Bern<br />
Bolligenstrasse 111, 3060 Bern<br />
Mi 14:00-16:00 h<br />
Neben historisch wichtigen Gegenständen<br />
und Dokumenten beherbergt das Museum<br />
auch eine Sammlung bildnerischer Patientenarbeiten,<br />
die mehrheitlich auf jener Morgenthalers<br />
beruht. Sie umfasst über 2500<br />
Bilder (Zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder<br />
und Collagen), rund 1500 Textblätter sowie<br />
viele Stoffarbeiten, Objekte aus Holz, Ton,<br />
Keramik und anderen Materialien.<br />
Schloss Landshut<br />
Schweizer Museum für Wild & Jagd<br />
3427 Utzenstorf<br />
Di-Sa 14:00-17:00 h<br />
Das Schloss ist bis und mit 12.5. geschlossen<br />
«abnorm ? Vom Kopfschmuck bei Reh<br />
und Steinbock»<br />
13.5. - 21.10.<br />
Schloss Münsingen<br />
Schlossstrasse 13, 3110 Münsingen<br />
jeweils am Sonntag, 14:00-17:00 h oder nach<br />
Vereinbarung<br />
Schlossmuseum Thun<br />
Schlossberg 1, 3600 Thun<br />
10:00-16:00 h<br />
Das historische Museum mit einmaliger<br />
Aussicht auf Stadt, See und Alpen.<br />
Töpferwerkstadt<br />
Typische Heimberger Keramik Werkstatt<br />
des 19. Jahrhunderts<br />
Teil der Dauerausstellung<br />
Schweizerische Landesbibliothek<br />
Hallwylstrasse 15, 3003 Bern<br />
Mo-Fr 9:00-18:00 h, Mi bis 20:00 h / Sa<br />
9:00-16:00 h / So 12:00-17:00 h<br />
«Exzellenzen, Excellences» Botschafter<br />
und Diplomaten in der Schweiz. Fotografien<br />
von Thomas Adank und Florian Joye<br />
bis 5.5.<br />
Schweizerisches Alpines Museum<br />
Helvetiaplatz 4, 3005 Bern<br />
Mo 14:00-17:00 h / Di-So 10:00-17:30 h<br />
«Filmische Höhen – historische Bergfilme»<br />
bis 27.5.<br />
Filmische Höhen – historische Bergfilme<br />
bis 27. Mai<br />
Schweizerisches<br />
Schützenmuseum Bern<br />
Bernastrasse 5, 3005 Bern<br />
Di-Sa 14:00-17:00 h / So 10:00-12:00 h &<br />
14:00-17:00 h<br />
Das 13. Sternzeichen – Der Armbrustschütze<br />
Vernissage: Fr, 18.5., 10:30-14:00 h<br />
Indoor-Ehrenschiessen auf die Ehrenscheiben<br />
im 1. OG des Museums, bis 17:00 h.<br />
18.5. - 2.12.<br />
Universitätsbibliothek Bern<br />
Münstergasse 61-63, 3011 Bern<br />
Mo-Fr 8:00-19:00 h / Sa 8:00-12:00 h<br />
Reclam. Die Kunst der Verbreitung<br />
Sammlung Georg Ewald<br />
bis 16.6.<br />
Stiftung Historisches Erbe SBB<br />
Bollwerk 12, 3000 Bern 65<br />
Mo-Fr 9:00-12:00 h & 13:30-17:00 h<br />
Die Infothek der Schweizer Bahngeschichte<br />
zum Nachlesen und Ansehen.<br />
Unsere öffentlich zugängliche Infothek bietet<br />
Ihnen u. a. folgende Dienstleistungen<br />
an: regelmässige Publikation ausgewählter<br />
Neuerscheinungen. Beratung in Dokumentationsfragen<br />
und bei Recherchen. Leseplätze<br />
mit Internetarbeitsplatz, Lexika usw.<br />
Konsultationsmöglichkeit für aktuelle Zeitschriften,<br />
Wörterbücher, Nachschlagewerke<br />
und aktuelle Fahrpläne ausländischer Bahnunternehmungen.<br />
Zentrum Paul Klee<br />
Monument im Fruchtland 3, 3001 Bern<br />
Di-So 10:00-17:00 h / Do 10:00-21:00 h<br />
Kindermuseum Creaviva 10:00-17:00 h, Do<br />
bis 21:00 h<br />
Rémy Zaugg – Nachbar Tod und die<br />
Wahrnehmung<br />
bis 3.6.<br />
Oscar Wiggli: Körper – Raum – Klang<br />
bis 13.5.<br />
Paul Klee – Ad Parnassum<br />
12.6. - 14.10.<br />
Paul Klee – Überall Theater<br />
28.6. - 14.10.<br />
Führungen und Aktivitäten finden Sie in der<br />
ensuite - kulturmagazin-agenda und unter<br />
www.zpk.org<br />
artensuite Mai 05 | 07