Gestalten statt verwalten - vbw - Baden-Württemberg
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<strong>Gestalten</strong> <strong>statt</strong> <strong>verwalten</strong><br />
<strong>vbw</strong><br />
JAHRES-<br />
BERICHT2004
2<br />
EINE STARKE GEMEINSCHAFT FÜR<br />
BAUEN UND WOHNEN<br />
<strong>vbw</strong><br />
Leistungen für die<br />
Immobilienwirtschaft<br />
■ Interessenvertretung<br />
■ Prüfung<br />
■ Beratung<br />
■ Information<br />
Verband<br />
baden-württembergischer<br />
Wohnungsunternehmen e.V.<br />
Mitgliedsunternehmen im <strong>vbw</strong><br />
Mehr als 300 Wohnungsunternehmen schenken dem <strong>vbw</strong><br />
heute ihr Vertrauen. Rund zwei Drittel der Mitglieder gehören<br />
der Rechtsform der Genossenschaft an. Alle weiteren<br />
Verbandsmitglieder sind Wohnungsunternehmen der Gebietskörperschaften,<br />
industrieverbundene Wohnungsunternehmen,<br />
Wohnungsunternehmen der Bausparkassen oder der sozialen<br />
Träger. In allen Land- bzw. Stadtkreisen <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>s<br />
befindet sich mindestens ein Mitgliedsunternehmen<br />
des <strong>vbw</strong>. Jeder achte Einwohner <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>s wohnt<br />
bei einem Wohnungsunternehmen, das zum Verband gehört.<br />
Insgesamt bewirtschaften die Mitgliedsunternehmen<br />
des <strong>vbw</strong> mehr als 500.000 Wohnungen. Sie investieren jährlich<br />
rund eine Milliarde Euro in die Sanierung und Modernisierung<br />
des Wohnungsbestandes und in den Neubau. Zusammen<br />
mit dem <strong>vbw</strong> bilden die Mitgliedsunternehmen<br />
„Eine starke Gemeinschaft für Bauen und Wohnen”.<br />
Interessenvertretungs-, Prüfungs-<br />
und Beratungsverband<br />
Seit über 96 Jahren nimmt der <strong>vbw</strong> die Aufgaben der Interessenvertretung,<br />
Prüfung, Beratung, Ausbildung und Schulung<br />
für seine Mitglieder wahr. Der heutige Verband entstand<br />
aus den beiden Landesverbänden in <strong>Baden</strong> und <strong>Württemberg</strong>,<br />
die 1993 durch Zusammenschluss ihre Kompetenzen<br />
und Leistungen in einem starken Verband bündelten. In<br />
den vergangenen Jahren entwickelte sich der <strong>vbw</strong> zum<br />
Dienstleistungsverband, der den gewachsenen Anforderungen<br />
in der Immobilienwirtschaft Rechnung trägt.<br />
Mitglied im GdW Bundesverband<br />
deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.
INHALT<br />
IN EIGENER SACHE<br />
WIRTSCHAFTLICHE LAGE<br />
Weltwirtschaft<br />
USA<br />
Euro-Raum<br />
Deutschland<br />
Die Wirtschaft in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
WOHNUNGSPOLITIK<br />
Reformen und Gesetzesvorhaben:<br />
Von der Grundsteuerreform bis zu Hartz IV<br />
Wohnungspolitik in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
Wesentliche Änderungen in der Gesetzgebung in Deutschland<br />
Wesentliche Entscheidungen aus der Rechtsprechung<br />
TÄTIGKEITEN DES VERBANDES<br />
Verbandsorgane<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Rechtsberatung<br />
Prüfungs- und Beratungstätigkeit<br />
Mitglieder der Fachausschüsse<br />
BETEILIGUNGSUNTERNEHMEN<br />
AWI<br />
AWTS<br />
casadomus<br />
EMS<br />
WMS<br />
WTS<br />
WWS<br />
QUERGEFRAGT<br />
Was namhafte Vertreter aus Politik und Wirtschaft<br />
zu aktuellen Themen sagen.<br />
Im Interview:<br />
Günther H. Oettinger – Prof. Dr. Claudia M. Buch – Lutz Freitag<br />
Hans-Werner Sinn – Prof. Dr. Theresia Theurl<br />
Hans Dietmar Sauer – Claus-Peter Hutter<br />
BETEILIGUNGEN DES <strong>vbw</strong><br />
05<br />
06–11<br />
12–23<br />
26–37<br />
38–45<br />
46–63<br />
64<br />
INHALT<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004<br />
3
4<br />
DIE VERWALTUNGSORGANE<br />
Verbandsvorstand<br />
Präsident<br />
Senator E.h. Gerhard A. Burkhardt, Mannheim<br />
Verbandsvorsitzender<br />
Bruno Ruess, Konstanz<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
Detlef Bukowsky, Ravensburg<br />
Nebenamtliches Vorstandsmitglied<br />
Prof. Wolfram Mutschler, Stuttgart<br />
Verbandsdirektor<br />
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied<br />
Wilfried Wibusch, Stuttgart<br />
Prüfungsdirektor<br />
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied<br />
Verbandsrat<br />
Günter Ramge, Karlsruhe<br />
Verbandsratsvorsitzender<br />
Robert an der Brügge, Heilbronn<br />
Stellvertretender Verbandsratsvorsitzender<br />
Peter Haltmayer, Ettlingen<br />
Stellvertretender Verbandsratsvorsitzender<br />
Prof. Dr. Hansjörg Bach, Nürtingen<br />
Wolfgang Bielmeier, Mannheim<br />
Dieter Burger, Rheinfelden<br />
Ab 15.04.2004<br />
Reinhard Disch, Freiburg<br />
Ulrich Goeser, Stuttgart<br />
Martin Griesinger, Heidenheim<br />
Bis 15.04.2004<br />
Roland Grundler, Singen<br />
Ab 15.04.2004<br />
Berthold Hartmann, Tübingen<br />
Wolfgang D. Heckeler, Bietigheim-Bissingen<br />
Bis 15.04.2004<br />
Reinhold Hornig, Heidelberg<br />
Michael Lott, Ulm<br />
Ab 15.04.2004<br />
Johannes Mühlan, Achern<br />
Bis 15.04.2004<br />
Horst Jürgen Müller, Mosbach<br />
Bis 15.04.2004<br />
Werner Münchberg, Stuttgart<br />
Bis 15.04.2004<br />
Walter Pfannenschwarz, Ludwigsburg<br />
Werner Schust, Crailsheim<br />
Jürgen Schweinbenz, Stuttgart<br />
Ab 15.04.2004<br />
Martin Stahl, Pforzheim<br />
Peter Stammer, Heidelberg<br />
Ab 15.04.2004<br />
Walter Zanker, Balingen
IN EIGENER SACHE<br />
Auch der Weg zur Hölle ist mit guten<br />
Vorsätzen gepflastert, sagt uns eine alte<br />
Volksweisheit. In jeder Legislaturperiode<br />
versprechen uns die Regierung und die<br />
jeweiligen Volksvertreter, den Bürokratieabbau<br />
ernsthaft anzugehen. Stattdessen<br />
wird der Gesetzesdschungel weiter kräftig<br />
aufgeforstet. In der jüngsten Vergangenheit<br />
wurden unter anderem die Bauabzugssteuer,<br />
die Gesetze zur Bekämpfung<br />
illegaler Beschäftigung und der Energiepass<br />
großgezogen. Das jetzt diskutierte<br />
Antidiskriminierungsgesetz wird wohl ebenfalls ein <strong>statt</strong>liches<br />
Gestrüpp werden. Um alle gesetzlichen Genehmigungs-,<br />
Kontroll- und Meldepflichten erfüllen zu können,<br />
braucht es viel Arbeitszeit, müssen Experten, Gutachter und<br />
Juristen beschäftigt werden. Das alles kostet Geld, das besser<br />
in Modernisierungen, in innovative Bauprojekte und in<br />
neue Arbeitsplätze eingebracht werden sollte.<br />
Das welke Wachstum in Deutschland, zusammen mit der<br />
Verunsicherung durch handwerklich fehlerhafte Gesetzesentwürfe,<br />
führt zur Verunsicherung – nicht nur in der<br />
Industrie und bei mittelständischen Unternehmen, sondern<br />
auch beim privaten Verbraucher. Bauzinsen mit der Drei vor<br />
dem Komma sind Traumkonditionen. Und trotzdem ist der<br />
Markt von großer Zurückhaltung geprägt. Für die Banken<br />
wird das Hypothekengeschäft zunehmend zum Margenproblem.<br />
Das Neugeschäft an Hypotheken stagniert vielerorts<br />
oder ist sogar rückläufig. Die Bauwirtschaft hingegen<br />
sitzt wegen der schlechten Nachfrage auf großen, unausgelasteten<br />
Kapazitäten und ringt um Aufträge. Das Beispiel<br />
von Walter Bau erschüttert den deutschen Mittelstand und<br />
zeichnet ein aktuelles Psychogramm der Wirtschaft. Und das<br />
Handwerk bekommt zu spüren, dass sich die klassische<br />
Hausbank weniger von langjährigen Beziehungen leiten<br />
lässt, als vielmehr von einem aggressiven Management des<br />
Kreditportfolios. Negativrekorde wohin man blickt, obwohl<br />
es an guten Ratschlägen und Rezepten nicht mangelt.<br />
Und wie steht es um die Wohnungs- und<br />
Immobilienwirtschaft? Betrachtet man<br />
ihre öffentliche Bedeutung, wirkt sie wie<br />
ein Stiefkind der Gesamtwirtschaft. Ganz<br />
zu Unrecht. Unternehmen, Kommunen<br />
und Wohnungsgesellschaften besitzen in<br />
Deutschland Wohnimmobilien im Wert<br />
von 2,14 Billionen Euro. Die Immobilienwirtschaft<br />
sichert rund 3,4 Millionen<br />
Arbeitsplätze. Das Bundeswirtschaftsministerium<br />
spricht von der großen wirtschaftlichen<br />
Bedeutung der Immobilienbranche,<br />
die nach seiner Schätzung jährlich 300 Milliarden<br />
Euro erwirtschaftet.<br />
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen aus politischer, wirtschaftlicher<br />
und sozialgesellschaftlicher Hinsicht ist die<br />
Bilanz der Wohnungs- und Immobilienunternehmen im <strong>vbw</strong><br />
positiv. Sie stehen für soziale Verantwortung im Städtebau,<br />
zeigen Kreativität im Wohnungsbau und setzen energetisch<br />
und architektonisch innovative Baukonzepte um.<br />
Den sich ändernden und schwieriger werdenden Bedingungen<br />
muss sich auch der <strong>vbw</strong> anpassen. In unserem Jahresbericht<br />
beschreiben wir, was wir für die Zukunftsausrichtung tun.<br />
Zum Schluss möchte ich Sie traditionell einladen, einen<br />
intensiven Blick auf unser Sonderthema am Schluss des<br />
Jahresberichtes zu werfen. Dort haben wir zum bequemen<br />
Nachlesen noch einmal die Interviews aus unserer Zeitschrift<br />
aktuell gebündelt abgedruckt, die wir mit namhaften<br />
Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft quer durch die<br />
Themenfelder der Branche führen konnten.<br />
Gerhard A. Burkhardt, Präsident des <strong>vbw</strong><br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 IN EIGENER SA CHE<br />
5
WIRTSCHAFT-<br />
LICHE LAGE<br />
Die Weltwirtschaft hat sich im Jahr 2004 so kräftig<br />
entwickelt wie seit 1976 nicht mehr. Deutschland scheint<br />
allerdings von der boomenden Weltkonjunktur entkoppelt<br />
und liegt beim Wachstum unter dem Durchschnitt der<br />
alten EU-Länder.
Weltwirtschaft<br />
Die Weltwirtschaft hat sich im Jahr 2004 so kräftig entwickelt<br />
wie seit 1976 nicht mehr, wesentlich getragen durch die<br />
konjunkturelle Entwicklung in den Schwellenländern und<br />
deren sprunghaft gestiegenem Handel untereinander. Das<br />
reale Bruttoinlandsprodukt ist um 4,8 Prozent, nach 3,9<br />
Prozent im Jahr 2003, gestiegen, auch weil sich bei den<br />
Bruttoanlageinvestitionen der kräftige zyklische Aufschwung<br />
fortsetzte. Mit der Rücknahme fiskalpolitischer und<br />
geldpolitischer Impulse im Jahr 2005 wird sich in vielen<br />
Ländern diese Maßnahme leicht dämpfend auf den Aufschwung<br />
2005 auswirken. Insbesondere werden diese Maßnahmen<br />
in China dazu führen, dass sich hier die Zuwachsrate<br />
der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten etwas abschwächen<br />
wird. Allerdings dürften sich die Folgen für die Exportentwicklung<br />
der benachbarten Länder in Grenzen halten.<br />
Die Auswirkungen der hohen Ölpreise werden sich in den<br />
meisten ölimportierenden Ländern nur gering bemerkbar<br />
machen, da diese bremsenden Effekte auf eine recht stabile<br />
Binnennachfrage treffen. Die Dynamik des Welthandelsvolumens<br />
wird zwar nicht die Werte von 2004 mit 8,8 Prozent<br />
erreichen, aber sie wird mit 7,5 Prozent immer noch über<br />
dem Durchschnitt des letzten Jahrzehnts liegen. Ein weiterer<br />
moderater Rückgang der Ölpreise auf unter 40 Dollar/<br />
Barrel dürfte dazu beitragen, die Inflation weltweit im<br />
nächsten Jahr zu dämpfen (3,1 Prozent nach 3,3 Prozent im<br />
Jahr 2004). Damit ist ein weiterer Baustein geschaffen, der<br />
das Konsumvertrauen stärkt und somit den Aufschwung<br />
positiv unterstützt.<br />
USA<br />
Das Wachstum der US-Wirtschaft liegt derzeit wie erwartet<br />
über der Teuerungsrate. In 2005 dürfte die Konjunktur weiter<br />
so stark expandieren, dass mit einem weiteren, moderaten<br />
Anstieg der Kapazitätsauslastung zu rechnen ist. Die Rahmenbedingungen<br />
für eine fortgesetzte Expansion der amerikanischen<br />
Wirtschaft sind auch 2005 durchaus günstig.<br />
Wurde das Jahr 2004 mit einer Wachstumsrate von 4,5<br />
Prozent abgeschlossen, so wird für 2005 noch eine Rate<br />
von 4,1 Prozent erwartet. Zu dieser Wachstumsrate wird der<br />
Konsum beitragen, die Realeinkommen sind mit 3,8 Prozent<br />
deutlich gestiegen, die Ölpreise sind stark gefallen und eine<br />
abflachende Teuerungsrate verhelfen den Haushalten die<br />
reale Kaufkraft zu steigern. Auch die Arbeitslosenquote verbesserte<br />
sich 2004 deutlich. Mit einem durchschnittlichen<br />
Anstieg der Beschäftigten pro Monat um knapp 180.000<br />
sank die Quote auf 5,5 Prozent. Auch für 2005 ist eine weitere<br />
Verbesserung zu erwarten. Zwar hat der Dollar an Wert<br />
verloren, was zu höheren Importpreisen führt, aber letztendlich<br />
stützt die Abwertung die im Ausland erzielten<br />
Dollar-Gewinne der US-Unternehmen und verbessert die<br />
preisliche Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Exporte.<br />
Euro-Raum<br />
Im Euroraum setzte sich die vor allem von der Ausfuhr getragene<br />
geringe Erholung der Produktion bis zum Frühjahr<br />
fort. Danach hat die konjunkturelle Belebung im Euroraum<br />
im Lauf des Jahres 2004 wieder an Fahrt verloren, und die<br />
gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung ist weiterhin<br />
gesunken. Die Eintrübung ging im wesentlichen vom privaten<br />
Konsum aus; seit dem Sommer sind hier die Zuwächse<br />
nur noch verschwindend gering. Dazu haben die sprunghaft<br />
gestiegenen Kosten für Energie und die Unsicherheit über<br />
die weitere Entwicklung auf dem Erdölmarkt beigetragen.<br />
Auch die Exporte entwickelten sich in der zweiten Jahreshälfte<br />
im Zuge der Verlangsamung des weltwirtschaftli-<br />
ZUR WIRT S CHAFTLICHEN LAGE<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004<br />
7
8<br />
chen Aufschwungs etwas verhaltener. Das reale Bruttoin- ersten Monate erheblich beschleunigte Inflation den Anlandsprodukt<br />
nahm um 1,8 Prozent zu, wobei die Wachsstieg der Reallöhne bremste. Soweit die Energie- und Rohtumsraten<br />
von Land zu Land erheblich differierten. So bildestoffpreise wieder etwas sinken, dürfte das Bruttoinlandsten<br />
Italien und Portugal mit Raten von 1 Prozent die produkt dennoch um 2 Prozent expandieren. Der private<br />
Schlusslichter, während die Volkswirtschaften Griechen- Konsum dehnt sich aus, da durch die sinkenden Preise die<br />
lands, Irlands, Finnlands und Spanien am lebhaftesten ex- Realeinkommen wachsen. Die Beschäftigung wird langsam<br />
pandierten.<br />
zunehmen und damit die Arbeitslosenquote weiter auf<br />
Durch den Rückgang des Exports sollten die Wachstums- annähernd 8,8 Prozent sinken. Auch die Preisentwicklung<br />
impulse nunmehr aus der Binnennachfrage ausgeglichen, ja wird wieder, da keine Sondereinflüsse mehr wirksam sind,<br />
gesteigert werden. Dieser Übergang wird schwierig, letztendlich<br />
wird er aber erfolgreich sein. Damit kann nach einer<br />
Wachstumsverlangsamung für 2005 mit einer leichten<br />
Beschleunigung auf 1,8 Pro-<br />
schwächer, und wird 1,7 Prozent betragen.<br />
zent gerechnet werden. Die Kennzahlen zu ausgewählten Ländern<br />
Ausrüstungsinvestitionen<br />
Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise 1) Arbeitslosenquoten 2)<br />
dürften sich vor allem auf-<br />
Vorjahresvergleich in Prozent Jahresdurchschnitt<br />
grund der Ersatzinvestitionen<br />
2003 2004 2005 2003 2004 2005 2003 2004 2005<br />
wieder erholen. Niedrige Zin- Deutschland -0,1 1,7 1,5 1,8 1,3 1,1 9,6 9,8 9,8<br />
sen, ein kräftiges Wachstum<br />
Frankreich 0,5 2,4 2,2 2,3 2,0 1,8 9,4 9,6 9,4<br />
der Gewinne und bessere<br />
Aussichten für die Binnennachfrage<br />
sollten hier gute<br />
Italien<br />
Niederlande<br />
Luxemburg<br />
Belgien<br />
0,3<br />
-0,9<br />
2,9<br />
1,3<br />
1,3<br />
1,4<br />
4,0<br />
2,5<br />
1,8<br />
1,7<br />
3,5<br />
2,5<br />
2,3<br />
1,4<br />
3,2<br />
1,9<br />
2,3<br />
1,3<br />
2,3<br />
1,9<br />
2,0<br />
1,4<br />
1,6<br />
1,8<br />
8,6<br />
3,8<br />
3,7<br />
8,0<br />
8,4<br />
4,7<br />
4,0<br />
7,8<br />
8,1<br />
5,1<br />
4,0<br />
7,7<br />
Argumente sein. Die Ar- EWU 0,5 2,0 2,0 2,1 1,9 1,7 8,9 9,0 8,8<br />
beitslosenquote wird mit 9 USA 3,0 4,4 3,0 2,4 2,8 2,3 6,0 5,5 5,2<br />
Prozent etwas höher sein Kanada 1,8 2,9 3,6 1,8 1,7 1,8 7,8 7,3 7,1<br />
als im Vorjahr. Auch die In- Japan 2,5 4,2 2,1 1,3 0,2 0,3 5,3 4,7 4,4<br />
flationsrate dürfte aufgrund<br />
Industrieländer 2,0 3,4 2,6 1,8 2,0 1,9 k.A. k.A. k.A.<br />
des starken Ölpreisanstiegs<br />
erneut über dem von der EZB<br />
angestrebten Ziel liegen.<br />
1) Europäische Union: Harmonisierte Verbraucherpreisindizes<br />
2) Arbeitslose in % der Erwerbspersonen, standardisiert<br />
Quelle: Eurostat, OECD, nationale Statistiken<br />
Die Lage der öffentlichen Haushalte im Euroraum hat sich<br />
trotz der Konjunkturbelebung weiter verschlechtert. Das zusammengefasste<br />
Budget dürfte im Jahr 2004 ein Defizit von<br />
2,8 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt aufweisen.<br />
Die Fehlbeträge werden in den meisten Ländern erneut<br />
höher ausfallen als im Stabilitätsprogramm vorgesehen.<br />
Neben Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Griechenland<br />
dürften in diesem Jahr auch Italien und Portugal<br />
die im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehene Grenze<br />
von 3 Prozent überschreiten.<br />
In den EU-Beitrittsländern setzte sich die im Vergleich zum<br />
restlichen Europa deutlich überdurchschnittliche Expansion<br />
der Produktion fort. Allerdings war auch hier ab der Jahresmitte<br />
eine Verlangsamung des Aufschwungs zu beobachten.<br />
Das reale Bruttoinlandsprodukt stieg um 4,75 Prozent<br />
nach 3,7 Prozent im Jahre 2003. Der private Konsum in<br />
diesen Ländern war weiterhin sehr lebhaft, aber auch hier<br />
im Verlauf des Jahres etwas geringer, da die während der<br />
Deutschland<br />
Die Weltwirtschaft boomt wie seit 28 Jahren nicht mehr,<br />
doch die deutsche Wirtschaft macht nicht mit. Es gibt zwar<br />
einen Aufschwung, doch ist er angesichts der hohen Verflechtung<br />
der deutschen Wirtschaft mit der Weltwirtschaft<br />
enttäuschend schwach. Deutschland ist von der Weltkonjunktur<br />
entkoppelt und liegt nach wie vor beim Wachstum<br />
unter dem Durchschnitt der alten EU-Länder. Insgesamt ist<br />
das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2004 nach heutiger<br />
Einschätzung nur um 1,7 % höher als im Jahr 2003. Nach<br />
nahezu drei Jahren Stagnation ist dies der stärkste Anstieg<br />
seit dem Jahr 2000 (+2,9 Prozent). Allerdings war der Kalendereffekt<br />
im Berichtsjahr mit 0,5 Prozentpunkten ungewöhnlich<br />
hoch.<br />
Die Wirtschaftsleistung wurde im Jahresdurchschnitt von<br />
38,4 Millionen Erwerbstätigen erbracht, das waren 128.000<br />
Personen (+0,3 Prozent) mehr als ein Jahr zuvor. Damit kam<br />
es im Durchschnitt des Jahres 2004 erstmals seit 2001 wie-
der zu einem Anstieg der Erwerbstätigen. Die Zunahme der<br />
Erwerbstätigkeit im Jahr 2004 wurde durch die Reformen<br />
am Arbeitsmarkt im Rahmen der Hartz-Gesetze I und II (Ich-<br />
AGs und Mini-Jobs) sowie durch die im Herbst 2004 gestartete<br />
Initiative Arbeitsmarkt erreicht. Die Anzahl der Erwerbslosen<br />
(in europäischer Definition) stieg im Jahr 2004<br />
gegenüber dem Vorjahr um 82.000 (+2,1 Prozent) auf 3,9<br />
Millionen Personen oder 9,8 Prozent (2003: 9,6 Prozent).<br />
Die Arbeitsproduktivität gemessen als Bruttoinlandsprodukt,<br />
in Preisen von 1995 je Erwerbstätigen, stieg im Jahr<br />
2004 mit 1,3 Prozent ungefähr gleich stark wie bei der<br />
Arbeitsproduktivität je Arbeitsstunde (+1,2 Prozent).<br />
Auf der Entstehungsseite des Bruttoinlandsproduktes hat<br />
im Jahr 2004 die Wertschöpfung in allen Wirtschaftsbereichen<br />
Zuwächse zu verzeichnen, mit Ausnahme des Baugewerbes.<br />
Dort ging im fünften Jahr in Folge die Wirtschaftsleistung<br />
zurück, mit -2,4 Prozent (2003: -4,4 Prozent) allerdings<br />
etwas verlangsamt.<br />
Die Prognose der fertiggestellten Wohnungen insgesamt<br />
(einschließlich der Maßnahmen an bestehenden Gebäuden)<br />
für das Jahr 2005 fällt für die Bundeshauptstadt Berlin alarmierend<br />
aus. Es werden nur noch 8 Wohnungen pro 10.000<br />
Einwohner fertiggestellt. Damit hat Berlin als einziges Bundesland<br />
die Zahl 10 unterschritten. Bayern erreicht mit 43<br />
Wohnungen pro 10.000 Einwohner den Spitzenwert der<br />
deutschen Bundesländer.<br />
Vergleicht man die Bauintensität in Berlin im Jahr 2005 mit<br />
der des Jahres 1998, fällt diese Zahl noch erschreckender<br />
aus. Gerade noch 15,4% des Wertes aus dem Jahr 1998 (52)<br />
werden 2005 erreicht. Berlin bildet demnach das Schlusslicht<br />
einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ der Bauintensität.<br />
Zu Berlin gesellen sich Bremen, Sachsen, Sachsen-Anhalt<br />
und Thüringen mit weniger als 20 fertiggestellten Wohnungen<br />
je 10.000 Einwohner. Neben den südlichen Bundesländern<br />
sowie Schleswig-Holstein und Niedersachsen liegen<br />
mit Brandenburg (39) und Mecklenburg-Vorpommern<br />
(35) auch zwei der neuen Bundesländer über dem<br />
Durchschnitt von Deutschland insgesamt (31). Hier dürfte<br />
sich in Brandenburg der Effekt des „Speckgürtels“ um<br />
Berlin sowie in Mecklenburg-Vorpommern die Konzentration<br />
auf den Fremdenverkehr weiterhin positiv bemerkbar<br />
machen. Betrachtet man jedoch die zeitliche Entwicklung<br />
von 1998 bis 2005, so liegt Brandenburg mit einem<br />
Rückgang von über 66% im unteren Drittel der Tabelle.<br />
Deutschland insgesamt erreicht bei den fertiggestellten<br />
Wohnungen je 10.000 Einwohnern nur noch die Hälfte des<br />
Niveaus des Jahres 1998. Ganz Ostdeutschland verzeichnet<br />
hier überdurchschnittliche Rückgänge, wogegen Bayern,<br />
Niedersachsen und Rheinland-Pfalz mit Minuszahlen im<br />
Bereich von 30 – 40% noch vergleichsweise „glimpflich“<br />
davonkommen.<br />
Im Nichtwohnbau, wo der fertiggestellte Rauminhalt im<br />
Neubau in Relation zu den Einwohnern gesetzt wurde, ergibt<br />
sich ein etwas differenzierteres Bild. Hier gesellen sich<br />
die beiden nördlichen Stadt-Staaten Bremen und Hamburg<br />
sowie Niedersachsen zu den schon im Wohnbau „starken“<br />
Bundesländern Bayern und <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> mit überdurchschnittlichen<br />
Fertigstellungsraten im Vergleich zum<br />
Bund. Die Tristesse im Bausektor in Ostdeutschland wird in<br />
diesem Segment erfreulicherweise durch Sachsen-Anhalt<br />
durchbrochen. Mit fertiggestellten 20.000 m 3 umbautem<br />
Raum je 10.000 Einwohnern erreicht es sogar den Durchschnitt<br />
der „alten“ Bundesländer. Dass dies kein überdurchschnittlicher<br />
Grund zu Freude ist, beweist ein Blick auf die<br />
Zeitreihe. Auch im Nichtwohnbau sind, vor allem im Osten<br />
der Republik, dramatische Rückgänge der Bautätigkeit zu<br />
verzeichnen.<br />
Die vorliegenden Zahlen zeigen, dass Deutschland im europäischen<br />
Vergleich den Wandel vom Land mit der höchsten<br />
Bauintensität 1998 zu einem der Länder mit der niedrigsten<br />
Bauintensität im Jahr 2005 nahtlos fortsetzen wird.<br />
Im abgelaufenen Jahr trugen im wesentlichen die Exporterfolge<br />
der Wirtschaft den Aufschwung. Sie sind das Ergebnis<br />
eines kräftigen weltwirtschaftlichen Wachstums und einer<br />
hohen internationalen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit<br />
deutscher Unternehmen. Getrieben durch die Weltkonjunktur<br />
wuchs das Exportergebnis um <strong>statt</strong>liche 9,3 Prozent<br />
in realer Rechnung. Durch den rückläufigen privaten<br />
Konsum (-0,3 Prozent) und der Bruttoanlageinvestitionen<br />
um 0,5 Prozent, konnte der Exporterfolg nur in geringem<br />
Maße auf das Bruttoinlandsprodukt übertragen werden.<br />
Als gemeinsame Erklärung für die schwache Binnennachfrage<br />
kommt das hohe deutsche Lohnkostenniveau in Betracht,<br />
das hinter Norwegen die Spitzenposition in der Welt<br />
einnimmt und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen<br />
Arbeitnehmer angesichts der wachsenden Niedriglohnkonkurrenz<br />
in Osteuropa und Asien immer mehr beeinträchtigt.<br />
Die Firmen sichern ihre Wettbewerbsfähigkeit, indem sie<br />
Teile ihrer lohnkostenintensiven Produktionskette, und damit<br />
Arbeitsplätze, in Niedriglohnländer verlagern. Hier zu<br />
Lande investieren sie immer weniger. Die Arbeitnehmer<br />
haben Angst vor dem Arbeitsplatzverlust und halten sich<br />
beim Kauf langlebiger Konsumgüter zurück. Die schwache<br />
Binnennachfrage ist ein unmittelbarer Reflex der Standortprobleme<br />
des Landes. Ungeachtet der strukturellen Schwächen<br />
der deutschen Wirtschaft, die noch lange nicht überwunden<br />
sind, hängen die weiteren Konjunkturaussichten in<br />
hohem Maße von der Entwicklung der Weltkonjunktur ab.<br />
ZUR WIRT S CHAFTLICHEN LAGE<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004<br />
9
10<br />
Da für das Jahr 2005 mit einer geringen Abschwächung der<br />
weltwirtschaftlichen Dynamik zu rechnen ist, ohne dass<br />
diese Abschwächung schon einen Abschwung bedeuten<br />
würde, also mit verringertem, aber immer noch hohem Tempo<br />
die Weltwirtschaft wachsen wird, bleiben die weltwirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen auch für die deutsche<br />
Wirtschaft relativ günstig.<br />
Die Wirtschaft in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
Die Konjunktur in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> wächst, doch die<br />
Anzeichen für positive Impulse auf dem Arbeitsmarkt im<br />
Land fehlen. Hoffnungen, die auf den in den zurückliegenden<br />
zwölf Monaten ganz gut laufenden Export gesetzt wurden,<br />
erwiesen sich am Ende doch als zu schwach, um deutliche<br />
Impulse für die Beschäftigungssituation zu geben. Für<br />
das Jahr 2004 musste somit die Südwestindustrie einen<br />
Beschäftigtenrückgang von 18.400 Beschäftigten auf im<br />
Jahresdurchschnitt 1.211.800 tätige Personen hinnehmen (-<br />
1,5 Prozent). Verringert hat sich im Lauf des Jahres 2004<br />
indes das Tempo des Beschäftigtenabbaus. Der Rückgang<br />
gegenüber dem Vorjahr betrug im ersten Halbjahr noch 1,8<br />
Prozent. Im zweiten Halbjahr lag die Abnahme im Schnitt<br />
bei 1,2 Prozent. Einen besonders hohen Abbau seiner<br />
Belegschaften erlebten dabei der „Maschinenbau“ (-3.400)<br />
und das „Papier-, Verlags- und Druckgewerbe“ (-3.100).<br />
Nur der „Fahrzeugbau“ verzeichnete eine Beschäftigtenzunahme<br />
von 2.500 Personen.<br />
Die Verbraucherpreise in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> sind im 4.<br />
Quartal 2004 gegenüber dem Vorjahr um 2,1 Prozent<br />
gestiegen. Für das Jahr 2004 ergibt sich damit eine durchschnittliche<br />
Teuerungsrate von 1,9 Prozent (2003: 1,3<br />
Prozent) Geprägt wurde die Preisentwicklung von der Gesundheitsreform,<br />
vom rasanten Anstieg der Rohölnotierungen,<br />
der Haushaltsenergie und der Kraftstoffe.<br />
In <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> hat die Konjunktur zum Jahreswechsel<br />
2004/2005 ihren Höhepunkt erreicht. Im Verlauf<br />
der kommenden Monate wird sich das bisherige Expansionstempo<br />
verringern. Die außenwirtschaftlichen Impulse<br />
haben spürbar nachgelassen. Dem stand eine leichte Belebung<br />
der Inlandskonjunktur gegenüber. Die Inlandsgeschäfte<br />
der Industrie und die Umsätze des KFZ- und Großhandels<br />
tendierten aufwärts. Die Exporterlöse der Südwestindustrie<br />
für das Jahr 2004 konnten um 9,4 Mrd. Euro auf<br />
251,1 Mrd. Euro gesteigert werden. Davon entfielen allein<br />
7,9 Mrd. Euro auf eine Zunahme des Exports. Damit beläuft<br />
sich die Exportquote des Landes auf 44,9 Prozent. Der Anteil<br />
an diesen Erlösen im Lande von Betrieben des verarbeitenden<br />
Gewerbes wird mit 26 Prozent allein von der Automobilindustrie<br />
erbracht. Der Maschinenbau trug mit 21 Pro-<br />
zent zum Ergebnis bei. Knapp 30 Prozent der bundesweit<br />
hergestellten Maschinen stammen aus 2.018 Betrieben im<br />
Lande. Daraus ist ersichtlich, wie wichtig diese Branchen<br />
für die Ergebnisse des Landes sind. Bessere Geschäfte meldeten<br />
auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Versicherungen.<br />
Demgegenüber zeigte der Trend im konsumnahen<br />
Einzelhandel und im Bauhauptgewerbe nach unten.<br />
Über das gesamte Jahr 2004 betrachtet gelang es dem<br />
Baugewerbe nicht, die Auftragseingänge zu steigern. Insgesamt<br />
lag der Wert der Auftragseingänge um 3 Prozent unter<br />
dem schon sehr niedrigen Ergebnis des Jahres 2003. Dabei<br />
wurde im Hochbau der Vorjahreswert erreicht, während im<br />
Tiefbau die Ordereingänge um nahezu 7 Prozent zurückgingen.<br />
Das Auftragsminus im Tiefbau wurde insbesondere<br />
durch fehlenden Aufträge aus der gewerblichen Wirtschaft<br />
verursacht. Im Wirtschaftsbau lagen die Ordereingänge um<br />
fast 19 Prozent unter dem Vorjahreswert. Auch im sonstigen<br />
öffentlichen Bau beliefen sich die Auftragseinbußen auf<br />
7 Prozent.<br />
Die Stabilisierung im Hochbau ist vor allem auf die Zunahme<br />
der Auftragseingänge im Wohnungsbau zurückzuführen.<br />
In dieser seit Jahren rückläufigen Sparte konnte im<br />
Jahr 2004 erstmals wieder ein Auftragsplus von 2 Prozent<br />
verbucht werden. Dagegen waren die Auftragseingänge im<br />
Wirtschaftsbau, wenn auch in geringerem Maß als in den<br />
Vorjahren, wiederum niedriger (um -2 Prozent). Im öffentlichen<br />
Hochbau, der allerdings für den gesamten Bereich<br />
von geringer Bedeutung ist, waren die Auftragseingänge<br />
um 3 Prozent höher als 2003.<br />
Im Jahr 2004 wurden insgesamt 38.039 Wohnungen zum<br />
Bau freigegeben. Inwieweit in diesen Genehmigungen Sondereinflüsse,<br />
wie die immer noch andauernde Diskussion<br />
um die Eigenheimzulage, enthalten sind und wie viel davon<br />
letztendlich umgesetzt werden, kann nicht gesagt werden.
Die Fünf-Millionen-Grenze ist überschritten<br />
5,0 Millionen<br />
4,8<br />
4,6<br />
4,4<br />
4,2<br />
4,0<br />
3,8<br />
3,6<br />
2004<br />
2003<br />
Monat J F M A M J J A S O N D J<br />
1) Abweichung durch Rundung möglich. Zuordnung West-Berlins zu Ostdeutschland. Statistische Änderung 2004: Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen gelten<br />
nicht als arbeitslos. 2) Januar des Folgejahres. 3) Vorjahresdaten angepasst. 4) Stand: November 2004<br />
Quellen: Bundesagentur für Arbeit; Statistisches Bundesamt<br />
Deutsche Wirtschaft bricht ein<br />
Veränderung des realen BIP in Prozent<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
-1<br />
-2<br />
1999<br />
2002<br />
2000<br />
2001<br />
Ende Januar 2005: 1)<br />
5,037 Millionen<br />
(West: 3,266 Millionen,<br />
Ost: 1,771 Millionen)<br />
Quartale<br />
2000 2001 2002 2003 2004<br />
1)<br />
2005<br />
zum Vorjahresquartal<br />
zum Vorquartal<br />
Anzahl Veränderung zum<br />
(in Millionen) Vorjahresmonat<br />
Gemeldete offenen Stellen<br />
0,268 -3,0%<br />
Erwerbstätige<br />
39 +0,7%<br />
Arbeitslose Veränderung zum<br />
(in Millionen) Vorjahresmonat<br />
Westdeutschland<br />
3,266 +11,6%<br />
Ostdeutschland<br />
1,771 +6,1%<br />
Arbeitslosengeld II<br />
4,089 nicht vorhanden<br />
55 Jahre und älter<br />
0,560 +12,7%<br />
Jünger als 25 Jahre<br />
0,635 +26,9%<br />
Zehn Jahre Arbeitslose<br />
Entwicklung der Arbeitslosenzahlen – jeweils im Januar – in Mio.<br />
1995 ‘96 ‘97 ‘98 ‘99 2000 ‘01 ‘02 ‘03 ‘04 2005<br />
3,85<br />
4,16<br />
4,66<br />
4,82<br />
4,46<br />
4,29 4,29<br />
1) Bruttoinlandsprodukt. Quelle: Statistisches Bundesamt/F.A.Z.-Grafik Niebel *einschl. ca. 200.000 bisherigen Sozialhilfeempfängern<br />
4,09<br />
4,62<br />
Schätzung:<br />
über 5 Mio.*<br />
4,60<br />
ZUR WIRT S CHAFTLICHEN LAGE<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004<br />
11
WOHNUNGS-<br />
POLITIK<br />
Die regionalen Differenzierungen haben auf den Wohnungsmärkten<br />
weiter zugenommen. Obwohl der Wohnungsflächenverbrauch<br />
pro Kopf erneut gestiegen ist, liegt das Wohnungsangebot<br />
im Bundesdurchschnitt über der Nachfrage. Dennoch<br />
bestehen in den wachsenden Regionen und Universitätsstädten<br />
teils drastische Nachfrageüberhänge. Die Politik<br />
trägt dieser Situation kaum Rechnung.
Situation auf den Wohnungsmärkten<br />
Die regionalen Differenzierungen haben auf den Wohnungsmärkten<br />
im Jahr 2004 weiter zugenommen.<br />
Allen derzeit verfügbaren Informationen zur Folge wird dies<br />
künftig noch sehr viel ausgeprägter feststellbar sein. Dies<br />
gilt sowohl im Bundesgebiet als auch für <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
selbst. Die Nachfrage wird sich daher in den Regionen<br />
höchst unterschiedlich entwickeln.<br />
Im Bundesdurchschnitt haben wir mehr Wohnungsangebote<br />
als Nachfrage – obwohl der Wohnflächenverbrauch pro Kopf<br />
erneut zugenommen hat. Für jeden Bundesbürger standen<br />
im Schnitt zuletzt 41,6 m 2 Wohnfläche zur Verfügung. Das<br />
ist eine Steigerung gegenüber dem letzten Mikrozensus im<br />
Jahre 1998 um 5,5 Prozent.<br />
Die Wohnungsmärkte in den wachsenden Regionen der<br />
alten Bundesländer und in den Universitätsstädten (München,<br />
Frankfurt, Stuttgart) sind jedoch weiterhin von zum<br />
Teil drastischen Nachfrageüberhängen gekennzeichnet.<br />
■ Die Nachfrage nach Wohnungseigentum macht hierbei<br />
einen zunehmenden Anteil aus, obwohl das Eigentumserwerbspotential<br />
der Bevölkerung deutlich abnimmt. Das<br />
ist demografisch bedingt, da die bisherige für die Eigentumsbildung<br />
maßgebliche Altersgruppe zukünftig deutlich<br />
schwächer besetzt sein wird als heute. Also müssen für die<br />
Wohneigentumsbildung im Alter die notwendigen Rahmenbedingungen<br />
geschaffen werden: Jeder fünfte Einwohner<br />
ist im Jahr 2010 älter als 65 Jahre. Im Jahr 2040 wird diese<br />
Altersgruppe bereits einen Bevölkerungsanteil von 30 Prozent<br />
erreichen. Damit nimmt auch der Anteil des Bedarfs an<br />
Pflege und Hilfe zu Hause zu. Seniorengerechtes Wohnen ist<br />
und bleibt der künftige Wachstumsmarkt.<br />
■ Der Trend einer Zunahme kleinerer Haushalte bei höherem<br />
Wohnflächenverbrauch wird auf den Mietwohnungsmarkt im<br />
höheren Preissegment eine steigende Nachfrage zur Folge<br />
haben. Das Angebot preiswerter „Sozialwohnungen“ wird<br />
weiter zurückgehen. Auslaufende Belegungsbindungen und<br />
Modernisierungen tragen dazu bei. Die Wohnraumversorgung<br />
sozial Schwacher und die Integration von Immigranten<br />
erfordern die Hilfestellung der Wohnungsunternehmen.<br />
■ Die Betriebskosten (kalt und warm) steigen kontinuierlich<br />
an. Sie betragen laut GdW-Statistik in den alten Ländern<br />
1,37 @/m 2 (kalt) und 0,84 @/m 2 (warm).<br />
■ In dieser veränderten Situation auf den Wohnungsmärkten<br />
schlagen auch noch so unscheinbare Veränderungen<br />
der wohnungspolitischen Rahmenbedingungen mit großen<br />
Auswirkungen zu Buche.<br />
■ Die Mietentwicklung (monatliche Nettomiete, kalt) war<br />
innerhalb der GdW-Statistik im Jahr 2003 im Vergleich<br />
zum Vorjahr rückläufig. Die Veränderungen in Prozenten<br />
zum Vorjahr betragen nach 3,4 Prozent im Jahr 2002 nur<br />
noch 2,8 Prozent im Jahr 2003.<br />
Die Mietausfälle innerhalb des GdW ergeben sich aus<br />
nachstehender Tabelle (siehe Abbildung Seite 14).<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 ZUR WOHNUNGSPOLITIK<br />
13
14<br />
Mietausfälle<br />
Mietausfälle Mietausfälle Durchschnittsaufgrund<br />
von<br />
Leerstandsverlusten<br />
gesamt miete<br />
in % der Sollmiete in % der Sollmiete in EUR/m2 Berlin 7,68 8,57 4,18<br />
Alte Länder<br />
Bremen 5,66 6,09 4,44<br />
Niedersachsen 3,65 4,44 4,50<br />
Nordrhein-Westfalen 3,57 4,59 4,17<br />
Rheinland-Pfalz 3,02 3,98 4,14<br />
Saarland 2,41 2,72 3,84<br />
Schleswig-Holstein 2,52 3,17 4,47<br />
Hamburg 2,13 2,68 5,07<br />
Hessen 1,71 2,16 4,65<br />
Bayern 1,66 2,09 4,19<br />
<strong>Baden</strong>-Württ. 1,94 2,50 4,53<br />
Neue Länder<br />
Sachsen-Anhalt 22,34 23,11 4,01<br />
Sachsen 19,64 20,78 4,14<br />
Thüringen 15,13 16,01 4,04<br />
Brandenburg 14,51 15,70 4,03<br />
Mecklenburg-Vorpommern 10,73 11,45 4,41<br />
Grundsteuerreform<br />
Hierzu hat der <strong>vbw</strong> in der Anhörung des Landtages von<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> auszugsweise folgendes Statement<br />
abgegeben:<br />
Jede Änderung an der Grundsteuer ist von entscheidender<br />
Auswirkung auf die Wohnungs- und Immobilienunternehmen.<br />
Dies gilt schon deswegen, weil die Grundsteuer regelmäßig<br />
als Mietnebenkostenart auf den Mieter umgelegt<br />
wird. Jede Veränderung an der Grundsteuer wirkt sich also<br />
auch zu Lasten der Wohnungsnutzer, sei es der Eigentümer<br />
oder Mieter, unmittelbar aus.<br />
Proberechnungen des <strong>vbw</strong> haben ergeben, dass die gewollte<br />
aufkommensneutrale Grundsteuerreform mit dem Entwurf<br />
aus Mainz und München missglückt ist:<br />
Die künftige Bemessungsgrundlage im Modell soll der Bodenrichtwert<br />
sein. Bei bebauten Grundstücken mit einem Abschlag<br />
von 30 Prozent. Hinzu kommt dann ein pauschalierter<br />
Gebäudewert, der bei Mietwohngrundstücken generell mit<br />
600 @/m 2 Wohnfläche ohne Altersabschlag festgelegt ist.<br />
Für die Ermittlung der Bodenrichtwerte gibt es keine gesetzliche<br />
Grundlage. Die Praxis zeigt, dass Bodenrichtwerte<br />
bei absolut vergleichbaren Sachverhalten erhebliche Unterschiede<br />
aufweisen. In Gemeinden mit fehlenden oder nur<br />
sehr geringen Grundstücksumsätzen fehlen auch aktuelle<br />
Kaufpreissammlungen. Bodenrichtwerte sind dort entweder<br />
überhaupt nicht vorhanden oder veraltet. Bodenrichtwerte<br />
sind demnach nicht justiziabel.<br />
Außerdem stellen Bodenrichtwerte in etwa den Verkehrswert<br />
des Grund und Bodens dar. Im Veräußerungsfall von<br />
Mietwohngrundstücken spielt jedoch ausschließlich der<br />
Ertragswert für die Wertermittlung eine Rolle. Die Bemessungsgrundlage<br />
aus Bodenrichtwerten und pauschalierten<br />
Gebäudewerten repräsentiert also keinen Verkehrswert für<br />
Mietwohngrundstücke, da es sich hier um ein Sachwertverfahren<br />
handelt.<br />
Zwischen Mietwohngrundstücken kommt es ebenfalls zu<br />
erheblichen Wertverschiebungen. Die neue Bemessungsgrundlage<br />
führt im Verhältnis zum bisherigen Einheitswert<br />
nach unseren Probeberechnungen für Gebäude nach 1945<br />
bis zum Elffachen. Für Gebäude vor 1945 können die Werte<br />
sich bis zum über Siebzehnfachen erhöhen.<br />
In den Beispielrechnungen des Modells aus Mainz und<br />
München wird eine Grundsteuermesszahl von 0,5 verwendet.<br />
Sie beträgt nach der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung<br />
3,5. Selbst wenn in dem Gesetzgebungsverfahren auch<br />
tatsächlich eine solche Absenkung vorgesehen ist, muss bezweifelt<br />
werden, ob dadurch die zum Teil drastische Erhöhung<br />
der Grundsteuer kompensiert werden kann. Der Entwurf<br />
aus München und Mainz dürfte nach heutiger Einschätzung<br />
wohl nicht zum Tragen kommen.<br />
Eigenheimzulage<br />
Im Zeitpunkt der Drucklegung dieses Artikels befindet sich<br />
die Eigenheimzulage nach wie vor in der politischen Diskussion.<br />
Der Bundesrat hat zwar im November 2004 mit der<br />
Mehrheit der unionsregierten Länder unter entscheidendem<br />
Druck <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>s den erneuten Plänen der Bundesregierung<br />
die Eigenheimzulage zu kippen, eine Absage<br />
erteilt. Am 26. Januar 2005 befand sie sich in der Sachverständigenanhörung<br />
des Deutschen Bundestages.<br />
Danach will die Union die Eigenheimzulage weiter erhalten.<br />
Die Sachverständigen waren sich bei der Bewertung<br />
uneinig. Der GdW vertrat die Auffassung, sollte es im Vermittlungsverfahren<br />
zu einer Abschaffung kommen, müssten<br />
wesentliche Teile der Einsparungen für die Stadtentwicklung<br />
genutzt werden. Familien bedürften auch in Zukunft
Unterstützung bei der Bildung von Wohneigentum in den<br />
Städten, insbesondere beim Erwerb aus dem Bestand. Leider<br />
wurde das Wohneigentum bei der staatlich geförderten<br />
privaten Altersvorsorge weiter diskriminiert. Die privaten<br />
Bausparkassen hielten die Förderung der Eigenheimzulage<br />
gerade für die Schwellenhaushalte mit mittlerem Einkommen<br />
und vor allem für Familien mit Kindern für unverzichtbar.<br />
Demgegenüber vertrat der Deutsche Mieterbund die<br />
Auffassung, die Eigenheimzulage sei ökonomisch und ökologisch<br />
unvertretbar.<br />
Fakt ist, dass die Eigenheimzulage unter dem Strich dem<br />
Staat viel mehr bringt als sie kostet: Eine Familie mit einem<br />
Kind erhält im Förderzeitraum max. T@ 16,4 Eigenheimzulage.<br />
Durch den Neubau eines durchschnittlichen Wohneigentums<br />
erzielt der Staat jedoch T@ 50 an Steuern und<br />
Sozialabgaben. Nach Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen<br />
Instituts für Wirtschaftsforschung führt ein Wegfall<br />
der Eigenheimzulage zu einem gesamtwirtschaftlichen Nachfrageausfall<br />
von 7,5 Milliarden @ und damit zu einem Abbau<br />
von weiteren 90.000 Arbeitsplätzen, die meisten davon<br />
im überwiegend mittelständisch geprägten Baugewerbe.<br />
Antidiskriminierungsgesetz<br />
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung,<br />
seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und<br />
Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen<br />
Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.<br />
Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt<br />
werden“. So lautet Art. 3 Abs. 3 unseres Grundgesetzes.<br />
Gleichwohl meinen die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die<br />
Grünen EU-Richtlinien in einer Weise umsetzen zu müssen, die<br />
zu einer massiven Einschränkung der Vertragsfreiheit, zu<br />
zusätzlichen Kosten und unangemessener Benachteiligung der<br />
deutschen Wirtschaft führen. Noch kurz vor der Bundestagswahl<br />
2002 war ein ähnlicher Entwurf vom Bundeskanzler<br />
persönlich gestoppt worden. Nun liegt der Entwurf wieder vor.<br />
Der <strong>vbw</strong> hat hiergegen massiven Widerspruch erhoben. Die<br />
Landesregierung hat einen Entschließungsantrag zum Gesetzesentwurf<br />
im Bundesrat eingebracht und den Bundestag aufgefordert,<br />
sich auf das europarechtlich Geforderte zu beschränken<br />
und jede darüberhinausgehende Regelung zu unterlassen.<br />
Mit diesem Gesetzentwurf werden nicht die Opfer von<br />
Diskriminierungen geschützt, sondern er bürdet der Wirtschaft<br />
eine Vielzahl von Reglementierungen auf, die unverhältnismäßige<br />
Kostenbelastungen für die Unternehmen nach sich ziehen.<br />
Gerade die Wohnungswirtschaft wäre eklatant betroffen: Bei<br />
einer freien Mietwohnung bewerben sich in den Brennpunkten<br />
des Bedarfs mehrere Hundert Interessenten. In Folge der vorgesehenen<br />
Beweislastumkehr und Schadensersatzpflicht müsste<br />
für jeden abgelehnten Bewerber nachweisbar sein, warum dieser<br />
nicht, sondern ein anderer Mieter geworden ist: Vermieter<br />
werden diskriminiert! Von Deregulierung kann keine Rede sein.<br />
Eine hochdotierte „Antidiskriminierungsstelle des Bundes“ und<br />
sog. Antidiskriminierungsverbände würden weder die Rechtsordnung<br />
vereinfachen noch Bürokratie abbauen.<br />
Gebäudepass<br />
Die Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und<br />
energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung<br />
– EnEV) vom 16. November 2001 trat<br />
am 1. Januar 2002 in Kraft.<br />
Am 4. Januar 2003 erging die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz<br />
von Gebäuen, die wesentlich über das<br />
Anforderungsprofil der EnEV hinausgeht. Danach muss<br />
Deutschland Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft<br />
setzen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens<br />
am 4. Januar 2006 nachzukommen. Das betrifft insbesondere<br />
den Gebäudepass. Beim Bau, beim Verkauf oder bei<br />
der Vermietung von Gebäuden muss danach dem Eigentümer<br />
bzw. dem potenziellen Käufer oder Mieter vom Eigentümer<br />
ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorgelegt<br />
werden. Offen ist derzeit, nach welcher Berechnungsmethode<br />
dieser Gebäudepass erstellt wird. Während die<br />
Kosten der bedarfskennwert basierten Methode über @ 500<br />
je Gebäude liegen können, kann ein verbrauchskennwertbasierter<br />
Energieausweis für @ 15 je Gebäude ausgestellt<br />
werden. Der <strong>vbw</strong> setzt sich mit Entschiedenheit für den verbrauchskennwertbasierten<br />
Energieausweis ein. Die Kennwerte<br />
können unschwer aus den Heizkostenabrechnungen<br />
entnommen werden. Nur in Ausnahmefällen sollte eine<br />
bedarfsorientierte Berechnungsmethode möglich sein.<br />
Hartz IV<br />
Mit Inkrafttreten des Hartz IV-Gesetzes zum 1. Januar 2005<br />
wird auch das Wohngeldgesetz geändert. Der Wohngeldanspruch<br />
für Empfänger von Transferleistungen insbesondere<br />
Arbeitslosengeld II entfällt damit. Eine Direktzahlung an den<br />
Vermieter soll nur dann erfolgen, wenn die zweckentsprechende<br />
Verwendung durch den Hilfsbedürftigen nicht sicher<br />
gestellt ist. Die Sorge der Wohnungswirtschaft ist, dass die<br />
Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen des Arbeitslosengeldes<br />
II zwar in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen<br />
erbracht werden, aber nur „soweit diese angemessen<br />
sind.“ Die Frage ist, was sind angemessene Kosten für<br />
die Unterkunft? Kann es sein, dass sich die öffentlich geför-<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 ZUR WOHNUNGSPOLITIK<br />
15
16<br />
derte Miete als unangemessen herausstellt? Werden niedrige<br />
Mieten zur Konzentration der Dauerarbeitslosen in bestimmten<br />
Quartieren führen? Wird dadurch das Programm Soziale<br />
Stadt und seine öffentliche Förderung konterkariert?<br />
Die Wohnungspolitik im Land <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> ist<br />
insbesondere geprägt von folgenden Bereichen:<br />
Landeswohnraumförderprogramm 2005<br />
Die Landesregierung beschränkt sich im wesentlichen auf<br />
die Komplementärfinanzierung zu den Bundesmitteln. Weitergehende<br />
Anregungen in Richtung einer eigenständigen<br />
Wohnungspolitik des Landes <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>,<br />
■ aus dem Kreise der Verbände,<br />
■ aber auch aus der Wohnungsbaukommission des Landes,<br />
sind leider erneut nicht aufgegriffen worden. Ein Blick nach<br />
Bayern oder NRW zeigt, wie es gehen kann. So hat Innenminister<br />
Dr. Beckstein dieser Tage berichtet, dass die Bayerischen<br />
Bewilligungsstellen für die soziale Wohnraumförderung des<br />
Jahres 2005 insgesamt @ 146 Mio. erhalten. Davon erhalten<br />
München, Augsburg und Nürnberg einen höheren Zuweisungsbetrag,<br />
da vor allem Familien in Ballungsgebieten dringend<br />
preisgünstigen Wohnraum benötigen. NRW fördert gar mit<br />
insgesamt @ 985 Mio. rund 13.500 Wohneinheiten. Eine eigenständige<br />
Wohnungspolitik des Landes <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> ist<br />
deswegen dringend erforderlich, aber auch weil die bundespolitischen<br />
Rahmenbedingungen sich zunehmend verschlechtern.<br />
Da reicht ein Stichwort aus: Antidiskriminierungsgesetz.<br />
Wir müssen ferner davon ausgehen, dass <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
auf absehbare Zeit alljährlich 50.000 Neubauwohnungen<br />
benötigt. Über diese Zahl besteht wohl kein Streit. Auch<br />
die bereits erwähnte Wohnungsbaukommission hat diese<br />
Zahl schon im Jahr 2000 ermittelt. Wir müssen in <strong>Baden</strong>-<br />
<strong>Württemberg</strong> außerdem sicherlich noch bis zum Jahre 2015<br />
mit zunehmenden Bevölkerungszahlen rechnen. Vor allem<br />
aber ist eine Zunahme der Haushalte zu erwarten.<br />
Die Entwicklung des preisgebundenen Mietwohnungsbestandes,<br />
wird in den nächsten<br />
Jahren von noch 133.000 Mietwohnungen in<br />
2003 auf 46.000 Mietwohnungen in 2009 um<br />
rund 90.000 Wohneinheiten zurückgehen.<br />
Angesichts dieser Zahlen lautet unsere Forderung:<br />
Wenn schon die öffentlichen Kassen leer<br />
sind, haben Bund und Land keine andere<br />
Möglichkeit, als die Rahmenbedingungen zu erleichtern.<br />
Kurz gesagt: „Geben Sie uns die Vertragsfreiheit<br />
wieder!“ Wir behaupten sogar, dass<br />
die gesamten Steuer- und Subventionsabbaugesetze<br />
hinnehmbar sind, wenn Erleicterungen auf dem<br />
Gebiet des Mietrechtes geschaffen würden. Wir sind deshalb<br />
sehr enttäuscht darüber, dass das Land eine lobenswerte<br />
Initiative wieder abgeblasen hat. Vielleicht lässt sich<br />
da doch noch etwas tun, solange der Innenminister des<br />
Landes Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist.<br />
Wir meinen im Übrigen, dass sich der Wohnungsmangel in<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> entscheidend nicht durch Aufstockung<br />
der Fördermittel im Mietwohnungsbau beheben lässt. Trotzdem<br />
ist die weitere Förderung des Mietwohnungsbaus, zumindest<br />
in den Groß- und Universitätsstädten als Schwerpunkten<br />
des Bedarfs, unverzichtbar. Hierzu bedarf es sowohl<br />
einer höheren Zahl geförderter Wohnungen als auch<br />
einer Stärkung des Subventionswertes pro Wohnung, da<br />
ansonsten Fehlbeträge aus der laufenden Bewirtschaftung<br />
der Objekte entstehen, die auf Dauer weder von den Kommunen<br />
noch von ihren Wohnungsunternehmen getragen<br />
werden können.<br />
In den meisten Groß- und Universitätsstädten droht ohne<br />
diese Leistung der Landespolitik auf Grund des Zusammentreffens<br />
von einer zunehmenden Zahl der Haushalte mit dem<br />
Rückgang des Bestandes an preisgebundenen Wohnungen<br />
eine weitere Zuspitzung des Mangels mit entsprechenden<br />
Folgen für die Kommunen, auch im gesamten sozialen Bereich.<br />
Bei knappen Mitteln muss das Geld effektiv angelegt<br />
werden, das heißt im Eigentumsbereich. Nach den Erfahrungsberichten<br />
unserer Wohnungsunternehmen sollte unbedingt<br />
die Familie mit einem Kind in die Neubauförderung<br />
einbezogen werden. Nur so kann ein günstiges Umfeld für<br />
die Familie mit zwei und mehr Kinder vorbereitet werden.
Barrierefreier Wohnungsbau<br />
Am 6. Oktober 2004 hat der Landtag eine Änderung der<br />
Landesbauordnung beschlossen. Danach ist künftig vorgeschrieben,<br />
dass in Wohngebäuden mit mehr als sechs<br />
Wohnungen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei<br />
erreichbar sein müssen. Außerdem müssen die wesentlichen<br />
Zimmer dieser Wohnungen für Rollstuhlfahrer zugänglich<br />
sein. Nach einer Übergangsphase gelten diese Anforderungen<br />
dann ab dem Jahr 2009 auch für Wohngebäude mit<br />
mehr als vier Wohnungen.<br />
Barrierefreie Erreichbarkeit bedeutet, dass der gesamte Zugangsweg<br />
von der Straße bis zum Hauseingang und bis zu<br />
den betreffenden Wohnungen stufenlos erreichbar sein muss.<br />
Mit der Einführung der barrierefreien Erreichbarkeit der<br />
Wohnungen eines Geschosses werden zum ersten Mal Anforderungen<br />
zum barrierefreien Bauen im Bereich des allgemeinen<br />
Wohnungsbaus verbindlich im Gesetz verankert.<br />
Damit wird nunmehr in der Landebauordnung den Wohnbedürfnissen<br />
älterer und behinderter Menschen verstärkt<br />
Rechnung getragen.<br />
Offen geblieben ist bei der Ausnahmeregelung der § 35 Abs. 3<br />
LBO wie der unangemessene Aufwand zu definieren ist. Soweit<br />
die Rechtsprechung bisher von 20 Prozent der Gesamtkosten<br />
ausgeht, ist dies mit Entschiedenheit abzulehnen.<br />
Gemeindewirtschaftsrecht<br />
Der Wohnungsbau ist eine öffentliche Aufgabe. Unbestritten<br />
gehört der soziale Wohnungsbau zum Kernbereich. Seine<br />
Ausführung durch kommunale Wohnungsunternehmen ist<br />
nach § 102 Abs. 1 Nr. 1 GemO unbedenklich und mit dem<br />
kommunalen Wirtschaftsrecht vereinbar. Der übrige Wohnungsbau<br />
in all seinen Formen ist für breite Bevölkerungsschichten<br />
nach §§ 1 und 2 des Wohnraumförderungsgesetzes<br />
(WoFG) vom 13.09.2001 ebenfalls eine öffentliche Aufgabe.<br />
Eine diesbezügliche Bautätigkeit würde den Tatbestand des<br />
§ 102 Abs. 1 Nr. 1 GemO erfüllen.<br />
Zwar gibt es keinen einheitlichen Begriff der Daseinsvorsorge<br />
in Deutschland; er gehört jedoch zum Wesensgehalt der<br />
kommunalen Selbstverwaltung. Allgemein gelten als wesentlicher<br />
Inhalt der Daseinsvorsorge die öffentliche Grundversorgung<br />
mit Energie, Wasser, Entsorgung von Abfall und<br />
Abwasser, ÖPNV, Straßenbau und Straßenreinigung, Sozialhilfe,<br />
Jugendhilfe, Kindertagesstätten, Schulträgerschaft,<br />
Wohnungs- und Städtebau, Kulturpflege, Gesundheitswesen,<br />
Krankenhäuser, Rettungsdienst, Katastrophenschutz,<br />
Schwimmbäder, Bibliotheken, Museen, Altenheime.<br />
Das kommunale Wohnungsunternehmen dient in diesem<br />
Fall unmittelbar durch seine Leistung und nicht nur mittelbar<br />
durch seine Gewinne und Erträge dem Wohl der Gemeindebürger.<br />
Auch die Begründung zum Wohnraumförderungsgesetz<br />
(Bundestagsdrucksache 14/5538 vom 13. März 2001) unter<br />
„8. Stärkung der Rolle der Kommunen"<br />
„Städte und Gemeinden sind besonders geeignet,<br />
Verantwortung für die örtliche Wohnungspolitik zu<br />
übernehmen,"<br />
zeigt, dass der Wohnungsbau eine öffentliche Aufgabe ist.<br />
Für eine wie auch immer geartete Subsidiaritätsklausel mit<br />
Beweislastumkehr und Klagebefugnis besteht auch deshalb<br />
insoweit kein Anlass.<br />
Die Subsidiaritätsklausel des § 102 Abs. 1 Nr. 3 der GemO<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> für das Tätigwerden außerhalb der<br />
kommunalen Daseinsvorsorge wurde durch Artikel 1 Nr. 3<br />
des Gesetzes zur Änderung gemeindewirtschaftsrechtlicher<br />
Vorschriften und anderer Gesetze vom 19.07.1999 in die<br />
Gemeindeordnung eingeführt. Aus der Begründung (Landtagsdrucksache<br />
12/4055, Seite 17 ff) ergibt sich, dass sie<br />
einerseits die Belange der privaten Wirtschaft berücksichtigt,<br />
andererseits dem verfassungsrechtlich garantierten<br />
Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung als unverzichtbarem<br />
Teil der kommunalen Aufgabenerfüllung Rechnung<br />
trägt.<br />
Es besteht deshalb kein Anlass, den im Jahre 1999 gefundenen<br />
Kompromiss aufzugeben. Bei konsequenter Anwendung<br />
der bestehenden gesetzlichen Regelung und bei entsprechender<br />
Überwachung durch die Aufsichtsbehörden<br />
ließen sich auch besonders augenfällige Verstöße etwa im<br />
Bereich der Stadtgärtnereien, städtischer Reinigung oder<br />
Reisebüros leicht abstellen.<br />
Einer Änderung des Gesetzes bedarf es hierzu nicht.<br />
ZUR WOHNUNGSPOLITIK<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004<br />
17
18<br />
Wesentliche Änderungen<br />
in der Gesetzgebung<br />
Vor mehr als einem Jahr verkündete Bundeskanzler Gerhard<br />
Schröder die Agenda 2010, das Programm der Bundesregierung<br />
für Reformen auf dem Arbeitsmarkt, für Wirtschaftswachstum<br />
und die langfristige Sicherung unseres Sozialsystems.<br />
Dies bedingte Gesetze wie zum Beispiel das Gesetz<br />
zu Reformen am Arbeitsmarkt, Änderungen des Kündigungsschutzgesetzes,<br />
des Teilzeit- und Befristungsgesetzes<br />
sowie des Arbeitszeitgesetzes oder das Dritte und<br />
Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt.<br />
Diese Gesetze traten zum Großteil am 01.01.2004<br />
in Kraft und waren bereits Themen im Berichtszeitraum<br />
2003. Im Rahmen des Dritten Gesetzes für moderne<br />
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde die Umsetzung<br />
von Altersteilzeitarbeit jedoch erst zum 01.07.2004<br />
wirksam. Die Neuregelung gilt für alle Altersteilzeitarbeitverhältnisse,<br />
die nach dem 30.06.2004 begründet wurden.<br />
Bislang stockte der Arbeitgeber bereits das bereits das Arbeitsentgelt<br />
des Beschäftigten um 20 Prozent, mindestens<br />
jedoch bis zu 70 Prozent des bisherigen pauschalierten<br />
Nettoentgeltes auf. Auf diese Aufstockungsleistung entrichtete<br />
der Arbeitgeber sodann zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen<br />
Rentenversicherung. Damit wurde bewirkt, dass<br />
mindestens 90 Prozent desjenigen Entgelts rentenversichert<br />
ist, das der Arbeitnehmer bei der bisherigen Arbeit erzielt.<br />
Die Vereinfachung zum 01.07.2004 liegt nunmehr darin, dass<br />
die Bemessungsgrundlage für die Aufstockung künftig nicht<br />
mehr das während der Altersteilzeit tatsächlich gezahlte<br />
Arbeitsentgelt ist, sondern das sogenannte Regelarbeitsentgelt<br />
für die Altersteilzeit. D.h., alle Entgeltsbestandteile,<br />
die nicht laufend bezahlt werden, werden künftig nicht<br />
mehr berücksichtigt.<br />
Die Wohnflächen- und die Betriebskostenverordnung traten<br />
bereits zum 01.01.2004 in Kraft. Auch hierüber hatten wir<br />
berichtet.<br />
Für die eigentumsorientierten Genossenschaften von Bedeutung<br />
war die seit 01.01.2004 wirksame Änderung des § 17 Eigenheimzulagegesetz.<br />
Danach ist die Förderung für die Anschaffung<br />
von Genossenschaftsanteilen bei diesen Genossenschaften<br />
nur noch dann gewährleistet, wenn der Anspruchsberechtigte<br />
spätestens im letzten Jahr des Förderzeitraumes<br />
eine genossenschaftsrechtliche Wohnung tatsächlich nutzt.<br />
Eine Förderung von Kapitalanlegern ist damit nicht mehr<br />
möglich. Diese Regelung gilt für diejenigen Genossenschaftsmitglieder,<br />
die seit 01.01.2004 Genossenschaftsanteile bei<br />
einer eigentumsorientierten Genossenschaft erwerben.<br />
Im Rahmen des zum 01.01.2004 in Kraft getretenen Haushaltsbegleitgesetzes<br />
2004 war die Änderung des Wohnungsbauprämiengesetzes<br />
von Bedeutung. Die Prämie<br />
wurde gemäß § 3 WoPG erstmals für das Sparjahr 2004 von<br />
10 Prozent auf 8,8 Prozent abgesenkt, während die prämienbegünstigten<br />
Höchstbeträge sowie die Einkommensgrenzen<br />
unverändert blieben. Beim 5. Vermögungsbildungsgesetz<br />
wurde die Arbeitnehmersparzulage von 20 Prozent auf<br />
18 Prozent der angelegten vermögenswirksamen Leistungen<br />
sowie auf einen Höchstbetrag von 400,– Euro reduziert.<br />
Am 22.05.2001 wurde das Bundesdatenschutzgesetz novelliert.<br />
Die Änderungen waren zur Umsetzung der EU-Datenschutzrichtlinie<br />
notwendig. Durch die Novellierung wurden<br />
die Aufgaben des Datenschutzbeauftragten wesentlich<br />
erweitert. Ihm werden neben speziellen IT-technischen und<br />
rechtlichen Kenntnissen auch eine Vielzahl von administrativen<br />
Aufgaben abverlangt. Hierzu gehört nach § 4g Abs. 2<br />
BDSG auch die Pflicht zur Führung eines Verfahrensverzeichnisses.<br />
Dieses Verzeichnis musste nach § 45 BDSG spätestens<br />
zum 23.05.2004 umgesetzt sein.<br />
Die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes erfolgte<br />
zum 26.06.2004. Mit der Novellierung wurden fünf<br />
europäische Richtlinien umgesetzt, um so den Wettbewerb<br />
auf dem Telekommunikationsmarkt zu fördern, die Wahrnehmung<br />
der Interessen der Verbraucher zu erleichtern und<br />
mehr Sicherheit bei der elektronischen Kommunikation zu<br />
gewährleisten.<br />
Zum 01.07.2004 traten weitere Gesetze in Kraft, die die<br />
kontinuierliche Fortführung der begonnenen Reformpolitik<br />
dokumentieren. Hierzu gehört – unter dem Aspekt des Bürokratieabbaus<br />
– u.a. auch das Gesetz zur Modernisierung<br />
des Kostenrechts. Das Gesetz hatte zum Ziel, das<br />
Kosten- und Vergütungsrecht einfacher und transparenter<br />
zu machen, die Gerichte zu entlasten und die am Verfahren<br />
Beteiligten zeitgemäß zu vergüten. Hierunter fällt auch die<br />
Ablösung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung durch<br />
das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Mit diesem Gesetz<br />
werden leistungsgerechtere Gebühren geschaffen, die sich<br />
stärker als bisher am Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen<br />
Tätigkeit orientieren. Ferner wird das Engagement für<br />
eine außergerichtliche Streitbeilegung künftig stärker honoriert.<br />
Auch das Gerichtskostengesetz wurde im Rahmen<br />
der Novelle vereinfacht. Für alle gerichtlichen Verfahren gilt<br />
nunmehr eine einheitliche Gebührenstruktur.
Das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der<br />
Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat trat ebenfalls<br />
zum 01.07.2004 in Kraft. Dieses Gesetz hat die Änderung<br />
verschiedener Regelungen des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes,<br />
des Mitbestimmungsgesetzes und des<br />
Montan-Mitbestimmungsgesetzes erforderlich gemacht.<br />
Das Betriebsverfassungsgesetz wurde in diesem Zusammenhang<br />
durch das Drittbeteiligungsgesetz abgelöst.<br />
Die Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren<br />
Wettbewerb ist am 08.07.2004 in Kraft getreten. Die Neufassung<br />
diente der Umsetzung von EG-Richtlinien und liberalisiert<br />
das bisherige Wettbewerbsrecht. Zahlreiche Spezialregelungen<br />
sind mangels Relevanz entfallen. Auch die<br />
abstrakten Irreführungstatbestände der §§ 6 – 8 UWG a.F.<br />
sind beseitigt worden.<br />
Das Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuches an EU-<br />
Richtlinien ist am 20.07.2004 in Kraft getreten. Hintergrund<br />
der Novellierung des Baugesetzbuches war die beabsichtigte<br />
Entbürokratisierung des Bauplanungsrechts. Insbesondere<br />
wird das Recht der städtebaulichen Planung vereinfacht<br />
und vereinheitlicht. Dies bedingt, dass Mehrfachprüfungen<br />
auf den verschiedenen Planungsebenen künftig vermieden<br />
und die bislang einzeln nebeneinander bestehenden planungsrechtlichen<br />
Umweltverfahren zu einer Umweltprüfung<br />
zusammengefasst werden. Genehmigungs- und Zustimmungserfordernisse<br />
wie z.B. die bisherige Genehmigungspflicht<br />
zur Teilung von Grundstücken entfallen. Für die Wohnungswirtschaft<br />
von besonderer Bedeutung ist, dass erstmals gesetzlich<br />
die Grundlagen für eine satzungsmäßige Festsetzung<br />
von Stadtumbaugebieten und städtebaulichen Maßnahmen<br />
zur Behebung sozialer Missstände (Soziale Stadt)<br />
geregelt sind. D.h., künftig wird im Rahmen des Stadtumbaues<br />
verstärkt auf privatrechtliche Verträge zwischen<br />
Grundstückseigentümern und den Kommunen gesetzt.<br />
Am 01.08.2004 ist das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung<br />
der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender<br />
Steuerhinterziehungen (Schwarzarbeitergesetz) in Kraft<br />
getreten. Bundesfinanzminister Hans Eichel bezeichnet das<br />
Gesetz als weiteren Reformbaustein für mehr Beschäftigung.<br />
Schwarzarbeit liegt nach dem Verständnis des Gesetzes<br />
dann vor, wenn eine selbständige oder unselbständige<br />
Tätigkeit unter Umgehung gesetzlicher Anmelde- und<br />
Anzeigepflichten, Steuern und Sozialversicherung ausgeübt<br />
wird. Durch sie müssen wirtschaftliche Vorteile in erheblichem<br />
Umfang erzielt werden. Voraussetzung der Schwarzarbeit<br />
ist also, dass es sich um eine illegale Tätigkeit han-<br />
delt. Für die Wohnungsunternehmen bedeutet dies, dass<br />
seit 01.08.2004 bei steuerpflichtigen Werklieferungen und<br />
sonstigen Leistungen an Privatpersonen, die im Zusammenhang<br />
mit einem Grundstück erbracht werden, die Verpflichtung<br />
besteht, diesen Personen eine Rechnung auszustellen.<br />
Die Rechnung muss innerhalb von sechs Monaten nach der<br />
Leistungsausführung ausgestellt sein. Ferner stellt das Gesetz<br />
die Verpflichtung auch für Privatpersonen auf, dass<br />
Rechnungen, Zahlungsbelege oder andere beweiskräftige<br />
Unterlagen zwei Jahre aufzubewahren sind. Das Unternehmen<br />
muss in seiner Rechnung auf diese Aufbewahrungspflicht<br />
hinweisen.<br />
Im Rahmen der EU-Richtlinie 2004/18/EG und der Verordnung<br />
der Kommission Nr. 1874/2004 wurden zum 01.11.2004<br />
für öffentliche Aufträge neue Schwellenwerte veröffentlicht.<br />
Die neuen Schwellenwerte gelten derzeit jedoch noch<br />
nicht für nationale öffentliche Auftraggeber. Maßgebend<br />
sind nach wie vor die in der Vergabeverordnung vorgesehenen<br />
Schwellenwerte von fünf Millionen Euro für Bauaufträge,<br />
200.000.– Euro für Liefer- und Dienstleistungsaufträge.<br />
Eine Anpassung soll erst zum 31.01.2006 erfolgen.<br />
Mit dem Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz,<br />
das zum 01.12.2004 in Kraft getreten ist, erfolgt eine Umstellung<br />
der bislang wertbezogenen Gebühren in Handelsund<br />
Partnerschaftsregistersachen zu aufwandsbezogenen<br />
Gebühren. Die Höhe der künftig anfallenden Gebühren für<br />
die Eintragung in die Register ist in dem Gebührenverzeichnis,<br />
das der ebenfalls zum 01.12.2004 in Kraft getretenen<br />
Handelsregistergebührenverordnung angefügt ist, enthalten.<br />
Damit ist die bisherige Gebührenfreiheit für Eintragungen<br />
in das Genossenschaftsregister entfallen. Letztlich<br />
werden die Gebühren im Vergleich zum alten Recht jedoch<br />
teilweise deutlich niedriger. Außerdem wird das Verfahren<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 ZUR WOHNUNGSPOLITIK<br />
19
20<br />
zur Eintragung ins Handelsregister beschleunigt. Das<br />
Registergericht ist verpflichtet, spätestens innerhalb eines<br />
Monats nach Eintragung der Anmeldung einen entsprechenden<br />
Bescheid zu erlassen.<br />
Ab 01.11.2004 gelten nach der Bundesimmissionsschutzverordnung<br />
strengere Vorschriften für Öl- und Gasheizkessel.<br />
Damit ist die Übergangsfrist für Bestandsheizungen<br />
endgültig abgelaufen. Nach dem 01.11.2004 stellen zu<br />
hohe Schadstoffausstöße einer Heizanlage einen bußgeldbewährten<br />
Verstoß dar. Heizkessel mit einer Wärmeleistung<br />
von 4 bis 25 kW dürfen höchstens noch 11 Prozent Abgasverlust<br />
aufweisen. Für größere Heizkessel mit Wärmeleistung<br />
zwischen 25 und 50 kW gilt ein Abgasgrenzwert von<br />
10 Prozent. Heizungen mit einer Wärmeleistung über 50 kW<br />
dürfen nur 9 Prozent Abgasverlust haben. Dies gilt unabhängig<br />
von den Vorschriften der Energieeinsparverordnung,<br />
wonach öl- oder gasbefeuerte Heizkessel, die vor dem<br />
01.10.1978 eingebaut worden sind, spätestens zum<br />
31.12.2006 ausgetauscht sein müssen, selbst wenn sie die<br />
Abgasgrenzwerte einhalten. Wurden die Kessel nach dem<br />
01.11.1996 durch einen Brenneraustausch „modernisiert“,<br />
verlängert sich die Frist bis 2008.<br />
Das Verjährungsrecht des BGB wurde bereits zum 1. Januar<br />
2002 durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz grundlegend<br />
geändert. Zum 15.12.2004 ist nunmehr das Gesetz<br />
zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz<br />
zur Modernisierung des Schuldrechts in Kraft getreten.<br />
Mit diesem Artikelgesetz wurde eine Vielzahl anderer<br />
Gesetze, so auch das Genossenschaftsgesetz, geändert.<br />
Sowohl für Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der GmbH<br />
und AG als auch für die Genossenschaften gilt künftig hinsichtlich<br />
der Kapitalaufbringung und -erhaltung eine einheitliche<br />
Verjährung von zehn Jahren, beginnend mit der Entstehung<br />
des Anspruchs. Im Falle der Insolvenz gilt für alle<br />
drei Rechtsformen, dass die Verjährung nicht vor Ablauf von<br />
sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
eintritt. Für Genossenschaften ist insbesondere<br />
die Aufhebung der bislang zweijährigen Verjährungsfrist<br />
für Auseinandersetzungsguthaben von Bedeutung. Hier<br />
gilt künftig die dreijährige Regelverjährungsfrist.<br />
Das neue Sozialhilferecht ist seit 01.01.2005 einfach, transparent<br />
und in sich schlüssig im SGB XII zusammengefasst.<br />
Die Regelungen entsprechen im Wesentlichen dem bisherigen<br />
BSHG. Neuerungen ergeben sich jedoch für die Träger<br />
der Sozialhilfe und für die Leistungsberechtigten.<br />
Die Neuregelung des Wohngeldes zum 01.01.2005 steht<br />
in direktem Zusammenhang mit der Einführung des Arbeitslosengeldes<br />
II. Wohngeldberechtigt sind damit hauptsächlich<br />
Personen mit geringem eigenen Einkommen, nicht aber<br />
Personen von Transferleistungen (z.B. Arbeitslosengeld II,<br />
Sozialhilfe). Für diesen Personenkreis werden die angemessenen<br />
Kosten der Unterkunft innerhalb der Transferleistung<br />
berücksichtigt. Die Höhe des Wohngeldes hat sich nicht verändert.<br />
Das im Jahre 2001 eingeführte Signaturgesetz wurde mit<br />
Wirkung zum 01.01.2005 geändert. Hintergrund war, qualifizierte<br />
elektronische Signaturen (z.B. bei elektronischen<br />
Warenbestellungen, Zahlungsanweisungen an Banken, Anträge<br />
oder Einsprüchen bei Behörden etc.) zu erreichen. Ziel<br />
ist, zuverlässig den Urheber erkennen zu lassen und die Daten<br />
vor unbemerkter Veränderung zu schützen.<br />
Erstmals zum 01.01.2005 verändern sich gemäß den §§ 26<br />
Abs. 4 und 28 Abs. 5 II. BV die im Rahmen der Kostenmiete für<br />
preisgebundenen Wohnraum ansetzbaren Verwaltungs- und<br />
Instandsetzungspauschalen künftig alle drei Jahre auf Basis<br />
des Verbraucherpreisindexes und zwar künftig alle drei.<br />
Diese Veränderung der Pauschalen wirkt sich auch auf die<br />
im Rahmen der Lastenberechnung i.S.d. § 40 II.BV sowie<br />
auf die Ausgaben der Verwaltung nach § 41 Abs. 2 II.BV aus.
Rechtsprechung<br />
Aus der Vielzahl der im Berichtzeitraum ergangenen Urteile<br />
eine repräsentative Auswahl zu treffen ist schwierig. Es liegen<br />
insbesondere zahlreiche Entscheidungen des BGH zum<br />
Mietrecht vor. Dies ist insofern erfreulich, als mit Wegfall<br />
des Instruments des Rechtsentscheids zum 01.01.2002 zunächst<br />
die Befürchtung bestand, dass damit eine gewisse<br />
Rechtssicherheit verloren geht. Diese Befürchtung hat sich<br />
jedoch nicht bestätigt. Vielmehr zeigen die zahlreichen Urteile<br />
des BGH, dass durch die ebenfalls zum 01.01.2002<br />
novellierte ZPO geschaffene Möglichkeit der erleichterten<br />
Revision gegen Entscheidungen der Landgerichte zum BGH,<br />
rege Gebrauch gemacht wird. Damit ist die Beantwortung<br />
grundsätzlicher Fragen in Mietsachen durch die höchstrichterliche<br />
Instanz nach wie vor gewährleistet.<br />
§<br />
Schönheitsreparaturen – eine unendliche Geschichte. Nichts<br />
scheint im Rahmen eines Mietverhältnisses so streitanfällig<br />
wie dessen Beendigung, verbunden mit der Rückgabe der<br />
Wohnung und damit dem Thema der Schönheitsreparaturen.<br />
Demgemäß musste sich auch der BGH im Berichtszeitraum<br />
2004 mehrfach mit dieser Problematik auseinandersetzen,<br />
angefangen mit dem Urteil vom 26.05.2004 (WM 2004, 466)<br />
zur sogen. Quotenklausel in einem Formularmietvertrag. Der<br />
BGH entschied, dass eine Formularklausel, die den Mieter<br />
im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses vor Ablauf<br />
der Fristen zur Ausführung von Schönheitsreparaturen zu einer<br />
zeitanteiligen Kostenbeteiligung verpflichtet, den Mieter<br />
dann nicht unangemessen benachteiligt, wenn ihm mietvertraglich<br />
die Wahl zwischen Zahlung der Kosten und einer<br />
fachgerechten Renovierung verbleibt. Voraussetzung für die<br />
Wirksamkeit einer solchen Formularklausel ist, dass die<br />
Fristen des Fristenplanes erst mit Beginn des Mietverhältnisses<br />
zu laufen beginnen und zwar unabhängig von der<br />
Frage, ob die Wohnung renoviert oder unrenoviert ist und<br />
der Mieter ein Wahlrecht hat, ob er die Wohnung selbst<br />
renoviert oder aber die Kosten für die Renovierung durch<br />
einen Dritten trägt.<br />
Mit Urteil vom 23.06.2004 (WM 2004, 463) hatte sich der<br />
BGH wiederum mit dem Thema Schönheitsreparaturen,<br />
diesmal mit einem sogen. starren Fristenplan zu befassen.<br />
Nach der zu beurteilenden Klausel hatte der Mieter die<br />
Schönheitsreparaturen nicht nach Erfordernis, sondern spätestens<br />
nach Ablauf bestimmter Zeiträume fachgerecht auszuführen.<br />
Nach Auffassung des BGH zwingt eine solche<br />
Klausel den Mieter in überflüssiger Weise auch dann Renovierungsarbeiten<br />
durchzuführen, wenn die Räumlichkeiten<br />
nach ihrem tatsächlichen Erscheinungsbild noch nicht<br />
renovierungsbedürftig<br />
sind.<br />
Eine Anpassungsklausel,<br />
wonach die Fristen nach billigem<br />
Ermessen gemäß § 315 BGB im<br />
Einzelfall anzupassen sind, hatte der<br />
vom BGH zu beurteilende Mietvertrag<br />
– im Gegensatz zu den Mustermietverträgen<br />
des GdW – nicht. Konsequenz der<br />
Rechtsprechung des BGH ist, dass die<br />
Unwirksamkeit eines starren Fristenplanes<br />
die Unwirksamkeit der gesamten<br />
Reparaturvereinbarung zur Folge hat.<br />
Gegenstand einer weiteren Entscheidung<br />
des BGH vom 20.10.2004 (WM 2005,<br />
50) war der Mustermietvertrag des GdW aus dem Jahre<br />
1981, wonach, wie auch in den Folgeverträgen, die verein-<br />
§<br />
barten Fristen für die Durchführung der Schönheitsreparaturen<br />
„auf Antrag“ des Mitglieds nach billigem Ermessen<br />
verlängert oder aber verkürzt werden können, wenn es der<br />
Zustand der Wohnung in „besonderen Ausnahmefällen“<br />
zulässt oder erfordert. Der BGH sieht hierin keinen starren<br />
Fristenplan, da der Mieter nach dieser Regelung Anspruch<br />
auf Verlängerung der Renovierungsfrist hat, wenn der<br />
Zustand der Wohnung dies zulässt. Mit dieser Entscheidung<br />
des BGH ergab sich ein Aufatmen, da hiermit klargestellt<br />
ist, dass auch die Schönheitsreparaturklauseln in den älteren<br />
Miet- und Nutzungsverträgen des GdW in diesem Punkt<br />
wirksam sind. Zugleich hat der BGH mit diesem Urteil bestätigt,<br />
dass der Vermieter auch bei geplanten Umbaumaßnahmen<br />
in der Wohnung einen Anspruch auf Er<strong>statt</strong>ung von<br />
Renovierungskosten hat. Vorausgesetzt, der Mieter lehnt<br />
die von ihm geschuldete Ausführung von Schönheitsreparaturen<br />
nicht ab, braucht er – neben den Kosten für das notwendige<br />
Material – jedoch nur den Betrag zu zahlen, den<br />
er für die Arbeitsleistung hätte aufwenden müssen.<br />
In einem weiteren Urteil vom 29.03.2004 (ZMR 2004, 578)<br />
hat das KG Berlin sodann entschieden, dass eine Schönheitsreparaturklausel<br />
in einem Geschäftsraummietvertrag<br />
entsprechend der Rechtsprechung des BGH zum Wohnraummietrecht<br />
auszulegen sei. Es gelte daher auch ohne<br />
konkrete Aufnahme eines Fristenplanes die anerkannte<br />
Fristenregelung des Mustermietvertrages des Bundesministeriums<br />
der Justiz aus dem Jahre 1976 sowie hinsichtlich<br />
des Umfangs der Arbeiten die Ausnahmeregelung des § 28<br />
Abs. 4 Satz der II. BV.<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 ZUR WOHNUNGSPOLITIK<br />
21
22<br />
Der BGH hat im Berichtzeitraum einige weitere sehr praxisrelevante<br />
Fragen zum Wohnraummietrecht klären können.<br />
Nach der Mietrechtsreform war strittig, wie die Kündigungsfristen<br />
in Altverträgen, d.h. aus der Zeit vor dem<br />
01.09.2001, vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt<br />
neu eingeführten regelmäßigen Kündigungsfrist von drei<br />
Monaten behandelt werden. Zunächst hat der BGH mit Urteil<br />
vom 18.03.2003 (WM 2003, 505) entschieden, dass für<br />
Altverträge die bisherigen gestaffelten Kündigungsfristen<br />
gelten, wenn in einem Formularmietvertrag die Kündigungsfristen<br />
durch genaue Wiederholung des damaligen Gesetzestextes<br />
(§ 565 BGB a.F.) erwähnt werden. Mit der Folgeentscheidung<br />
vom 10.04.2004 (NZM 2004, 336) erweiterte der<br />
BGH seine Ansicht dahingehend, dass es ausreiche, wenn in<br />
der Formularklausel eine bloß sinngemäße Wiederholung, z.B.<br />
auch mit Hilfe einer Fußnote, erfolge. Auf diese Entscheidung,<br />
die zur Folge hatte, dass es bei den meistern Altverträgen<br />
bei den gestaffelten Kündigungsfristen verbleibt, reagierte<br />
der Gesetzgeber mittlerweile mit einem Gesetzesentwurf, in<br />
dem klargestellt werden soll, dass eine Vereinbarung über<br />
längere Kündigungsfristen bei Verträgen nur im Rahmen<br />
einer Individualvereinbarung, nicht aber innerhalb einer Formularvereinbarung<br />
machbar ist. Positiv hat der BGH die Frage<br />
des formularvertraglichen (befristeten) Ausschlusses des<br />
Kündigungsrechts (BGH, Urteil vom 30.06.2004) beantwortetet<br />
und zwar in Ergänzung des Urteils des BGH vom<br />
22.12.2003 (NZM 2004, 216), in dem der BGH den individualvertraglichen<br />
Ausschluss des gesetzlichen Kündigungsrechtes<br />
bereits bejaht hatte.<br />
Weitere Entscheidungen ergingen zu Fragen der Minderungsrechte<br />
bei Altbaumietwohnungen bezüglich des<br />
Trittschallschutzes (BGH, Urteil vom 06.10.2004) sowie zur<br />
Frage des erforderlichen Mindeststandards für zeitgemäßes<br />
Wohnen (BGH, Urteil vom 26.07.2004). In dem Zusammenhang<br />
hat der BGH in seinem Elektrosmog-Urteil vom<br />
13.02.2004 (WM 2004, 217) klargestellt,<br />
dass aufgrund von Mobilfunksendemasten<br />
in der Nachbarschaft<br />
bei Einhaltung der öffentlich-rechtlichen<br />
Grenzwerte für<br />
technische Anlagen von einer<br />
Mangelhaftigkeit der Mietsache<br />
solange nicht ausgegangen werden<br />
kann, als keine wissenschaftlich<br />
begründeten Zweifel bestehen<br />
oder der fundierte Verdacht einer<br />
Gesundheitsgefährdung gegeben ist.<br />
Von großer wirtschaftlicher Bedeutung war auch das Urteil<br />
des BGH vom 03.03.2004 (WM 2004, 285), wonach eine<br />
Modernisierungsmieterhöhung wegen Einsparung von Heizenergie<br />
nicht durch das Verhältnis zur erzielten Heizkostenersparnis<br />
begrenzt werden muss. Diese Entscheidung ist<br />
eine Abkehr der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung,<br />
insbesondere des OLG Karlsruhe aus dem Jahre 1985.<br />
Mit gleich zwei Entscheidungen vom selben Tag (Urteile<br />
vom 24.03.2004, NZM 2004, 454 ff) hat der BGH zu der bis<br />
dahin sehr strittigen Frage der Wohnflächendifferenz zu<br />
Lasten des Mieters eine Klarstellung dahingehend getroffen,<br />
dass die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nur dann<br />
erheblich beeinträchtigt ist, wenn die Wohnfläche mehr als<br />
10 Prozent differiert. Maßgebend für einen Rückforderungsanspruch<br />
des Mieters für zuviel gezahlte Miete ist<br />
künftig also die Wesentlichkeitsgrenze von 10 Prozent.<br />
Anderweitige Aspekte des Einzelfalles können unberücksichtigt<br />
bleiben.<br />
Im Rahmen des Betriebskostenrechts kam es zu drei erwähnenswerten<br />
Entscheidungen des BGH. Zum einen stellte<br />
der BGH mit Urteil vom 11.02.2004 (NZM, 2004, 251) klar,<br />
dass der Vermieter, solange keine besonderen Umstände<br />
vorliegen, nicht für eine unzureichende, weil zu niedrige<br />
Festsetzung der Vorauszahlungsbeträge für Betriebskosten,<br />
haftet. Somit ist eine weitere durch gegenseitige Instanzrechtsprechung<br />
entstandene Rechtsunsicherheit beseitigt.<br />
Mit Urteil vom 17.11.2004 erklärte der BGH, dass die gesetzliche<br />
Abrechnungsfrist über Betriebskosten von längstens<br />
12 Monaten auch mit einer Abrechnung gewahrt werden<br />
kann, in der ein anderer Umlageschlüssel verwendet<br />
wird, als dies mietvertraglich vereinbart ist. Dieser Fehler<br />
muss anschließend korrigiert werden. Nach Ablauf der Frist<br />
hat der Vermieter allerdings
keine Korrekturmöglichkeit mehr zu Lasten des Mieters. Mit<br />
Urteil vom 07.04.2004 (ZMR 2004, 430) erklärte der BGH<br />
sodann die Kosten für eine Dachrinnenreinigung als umlagefähige<br />
„sonstige Betriebskosten“ im Sinne der Betriebskostenverordnung,<br />
sofern diese Kosten vereinbart<br />
sind und regelmäßig entstehen. Gleichzeitig trat der BGH<br />
einem Teil der Instanzrechtsprechung entgegen, indem er<br />
die Umlegung einzelner „sonstiger Betriebskosten“ aufgrund<br />
jahrelanger Zahlung durch stillschweigende Vereinbarung<br />
als wirksam ansah.<br />
Auch zur Frage, ob der Gläubiger aus einem Räumungstitel<br />
gegen den Mieter einer Wohnung auch gegen einen<br />
im Titel nicht aufgeführten Dritten vollstrecken kann, wenn<br />
dieser Mitbesitzer ist, musste der BGH eine Entscheidung<br />
treffen (Urteil vom 25.06.2004, WM 2004, 411). Der BGH<br />
lehnte dies ab.<br />
Einige Urteile des BGH ergingen zu Mieterhöhungsfragen.<br />
So hat der BGH mit Urteil vom 12.05.2004 (WM 2004, 406)<br />
entschieden, dass ein Mieterhöhungsverlangen formell<br />
unwirksam ist, wenn der Vermieter in der Begründung nicht<br />
auf die Inanspruchnahme einer öffentlichen Förderung und<br />
die dadurch veranlasste Kürzung der Mieterhöhung hinweist<br />
bzw. dies nicht nachvollziehbar erläutert. Mit Urteil<br />
vom 28.04.2004 (WM 2004, 345) legte der BGH fest, dass<br />
bei der Berechnung der Kappungsgrenze eine vorangegangene<br />
Mieterhöhung wegen gestiegener Kapitalkosten<br />
dann zu beachten ist, auch wenn es sich um die erste Mieterhöhung<br />
gemäß § 558 BGB nach Wegfall der Preisbindung<br />
handelt.<br />
Entsprechend umfangreich und vielfältig wie im Mietrecht<br />
war auch die obergerichtliche Rechtsprechung zum Wohnungseigentumsrecht.<br />
Einer der Schwerpunkte lag im Bereich<br />
der Eigentümerversammlung. Themen waren hier vor<br />
allem Zeitpunkt und Ort der Versammlung, der Anspruch<br />
eines einzelnen Eigentümers auf Aufnahme von Tagesordnungspunkten,<br />
die Frage der Vertretung von Eigentümern in<br />
der Versammlung oder die Voraussetzungen der Berichtigung<br />
des Versammlungsprotokolls. Wie üblich ergingen<br />
Entscheidungen zur Jahresabrechnung, zur Behandlung von<br />
Rückständen und zu Fragen von Öffnungsklauseln.<br />
Ob der Fülle der Entscheidungen kann nur auf einzelne<br />
wesentliche Urteile eingegangen werden. So bejahte das<br />
BayObLG mit Beschluss vom 31.03.2004 (NZM 2004, 542)<br />
die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung zum<br />
„Ausfrieren“ des Wohngeldschuldners. Die Entscheidung<br />
ist zwar nicht unstrittig, im Ergebnis für die Eigentümer<br />
jedoch einen Versuch wert, einen säumigen Eigentümer zur<br />
Zahlung zu bewegen. Das OLG Düsseldorf hatte mit Beschluss<br />
vom 26.03.2004 (NZM 2004, 467) darüber zu befinden,<br />
ob ein Kostenverteilungsschlüssel kraft Öffnungsklausel<br />
in der Teilungserklärung durch Mehrheitsbeschluss<br />
dauerhaft geändert werden kann. Das OLG stellt diese<br />
Möglichkeit nur für den Fall zur Disposition, wenn in dem<br />
Beschluss ein klarer Hinweis darauf enthalten ist, dass<br />
damit die Änderung der Teilungserklärung für die Zukunft<br />
gewollt ist. Zur Frage der Verwalterbefugnis zur Änderung<br />
des Kostenverteilungsschlüssels bei Vorhandensein einer<br />
Öffnungsklausel in der Teilungserklärung hat sich auch das<br />
KG Berlin mit Urteil vom 26.07.2004 (NZM 2004, 910)<br />
geäußert. Eindeutig in die Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft<br />
fällt eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung<br />
für einen Verwaltungsbeirat (KG, Beschluss<br />
vom 19.07.2004, NZM 2004, 743).<br />
Das BayObLG hielt mit seiner Entscheidung vom 02. Juni<br />
2004 (ZMR 2004, 769) an seiner bisherigen Auffassung fest,<br />
dass eine Regelung in der Hausordnung, die freilaufende<br />
Hunde und streunende Katzen verbietet, ordnungsgemäßer<br />
Verwaltung entspricht. Ebenfalls zur ordnungsgemäßen<br />
Verwaltung gehört die Ansammlung einer angemessenen<br />
Instandhaltungsrückstellung. Ob größere Reparaturarbeiten<br />
aus der noch ausreichenden Instandhaltungsrückstellung<br />
bezahlt werden oder ob eine Sonderumlage erhoben<br />
wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Wohnungseigentümer.<br />
Ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers,<br />
zunächst die Rücklage auszuschöpfen, besteht nicht.<br />
Dies insbesondere dann nicht, wenn die Prognose einen<br />
künftigen Instandhaltungsbedarf aufzeigt (BayObLG, Beschluss<br />
vom 29.07.2004, NZM 2004, 745). Wird im übrigen<br />
über eine Sonderumlage Beschluss gefasst, so ist ein<br />
Blankettbeschluss unzulässig. Nach dem Beschluss des<br />
BayObLG vom 04.03.2004 (ZMR 2004, 606) kann ein Wohnungseigentümer<br />
nur dann zur anteiligen Zahlung einer<br />
Sonderumlage verpflichtet werden, wenn die betragsmäßige<br />
Festlegung sowohl der Sonderumlage insgesamt als auch<br />
des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden<br />
Anteils vorausgeht.<br />
Die immer wieder auftauchende Problematik der Fenstersanierung<br />
kann letztlich nur vor dem Hintergrund der Bestimmungen<br />
in der Teilungserklärung, der Gemeinschaftsordnung<br />
oder anhand von Vereinbarungen der Wohnungseigentümer<br />
richtig beurteilt werden (BayObLG, Beschluss<br />
vom 31.03.2004, ZMR 2004, 607). Entsprechendes gilt für<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 ZUR WOHNUNGSPOLITIK<br />
23
24<br />
die Stilllegung eines Müllschluckers. Das OLG Frankfurt<br />
hat mit Beschluss vom 30.08.2004 (NZM 2004, 910) entschieden,<br />
dass eine solche Stilllegung keine Gebrauchsregelung,<br />
sondern einen Gebrauchsentzug darstelle, der einem Mehrheitsbeschluss<br />
der Wohnungseigentümer ohne entsprechende<br />
Öffnungsklausel nicht zugänglich sei.<br />
Mit Beschluss vom 22.01.2004 (NZM 2004, 227) hat der<br />
BGH die Diskussion um die Parabolantenne bei vorhandenem<br />
Kabelanschluss wieder angeheizt. Fazit ist, dass spätestens<br />
mit Einzug eines ausländischen Mieters oder eines<br />
ausländischen Eigentümers ein einmal erreichter Beschluss<br />
oder Vereinbarungsstand der Eigentümergemeinschaft hinfällig<br />
werden kann. In diesen Bereich fällt auch eine Entscheidung<br />
des OLG Köln vom 31.08.2004 (NZM 2004, 833),<br />
wonach die Entscheidung darüber, in welcher Weise die<br />
Rundfunk- und Fernsehversorgung der Wohnanlage erfolgen<br />
soll, bei der Eigentümergemeinschaft liegt. Einzelne<br />
Eigentümer dürfen diese Kompetenz nicht eigenmächtig<br />
ausüben. Demgemäß wurde eine Eigentümerin verpflichtet,<br />
den eigenmächtigen Anschluss an das digitale Fernsehen<br />
trotz vorhandener Gemeinschafts-Parabolantenne zu besei-<br />
tigen. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Beschluss<br />
des BayObLG vom 08.04.2004 hinzuweisen, wonach die<br />
Eigentümergemeinschaft über den eventuellen Standort<br />
einer Parabolantenne zu entscheiden hat.<br />
Nicht mehr den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung<br />
entsprechend sah das KG Berlin (Urteil vom 28.01.2004, GE<br />
2004, 893) einen Mehrheitsbeschluss an, mit dem der Verwalter<br />
beauftragt wurde, ein Rechtsanwaltsgutachten über<br />
sein eigenes Fehlverhalten einzuholen. Damit wäre der Verwalter<br />
verpflichtet gewesen, gegen sich selbst Material zusammentragen<br />
zu müssen.<br />
Einige Entscheidungen ergingen auch zu dem Thema Entziehung<br />
des Wohneigentums (OLG Köln, Beschluss vom<br />
20.02.2004; BayObLG, Beschluss vom 09.03.2004; Hans.<br />
OLG, Beschluss vom 07.04.2003).<br />
Im Baurecht ist auf die neue Rechtsprechung des BGH zur<br />
VOB hinzuweisen. Danach führt jede inhaltliche Abweichung<br />
von der VOB/B dazu, dass die VOB als Ganzes nicht<br />
mehr als vereinbart gilt. Dies hatte der BGH bereits mit Urteil<br />
vom 22.01.2004 klargestellt und mit Urteil vom 15. April<br />
2004 nochmals bestätigt. Auf die Gewichtung der Abweichungen<br />
kommt es von daher nicht mehr an.<br />
Während es jahrelang streitig war, ob der Werkunternehmer<br />
eine Sicherheit nach § 648 a BGB auch nach Abnahme für<br />
die noch auszuführenden Arbeiten oder Mängelbeseitigungsarbeiten<br />
verlangen kann oder nicht, hat der BGH mit<br />
drei Urteilen vom 22.01.2004 diese Möglichkeit ausdrücklich<br />
eröffnet. Eine weitere Entscheidung des BGH erging mit<br />
Urteil vom 26.02.2004 zur Frage einer Bürgschaftsstellung<br />
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages,<br />
wonach der Auftragnehmer verpflichtet wurde, zur Sicherung<br />
der Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers ausschließlich<br />
eine unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische<br />
Bürgschaft zu stellen. Der BGH hielt eine<br />
solche Regelung für unwirksam. Ein weiteres Urteil des KG<br />
Berlin zur Gewährleistungsbürgschaft erging am 20.04.<br />
2004. Danach ist mit Ablauf der vertraglich vereinbarten<br />
Frist für Mängelrechte eine auf die Vertragssumme bezogene<br />
Gewährleistungsbürgschaft zurückzugeben. Sofern Mängelbeseitigungsleistungen<br />
noch nicht verjährt sind, kann<br />
der Auftraggeber eine Austauschbürgschaft in Höhe der<br />
vertraglich vereinbarten Sicherheit, in der Regel 5 Prozent,<br />
bezogen auf die Höhe der noch unverjährten Mängelbeseitigungsmaßnahmen<br />
verlangen.
Auch im Bauträgergeschäft gehören die Wohnflächen zu<br />
den zentralen Beschaffenheitsmerkmalen des vom Bauträger<br />
geschuldeten Objekts. Fehlen in einem Erwerbervertrag<br />
Angaben über die Wohnflächen, sind die einseitigen Vorstellungen<br />
des Erwerbers für den Inhalt des Vertrages maßgeblich,<br />
wenn der Bauträger in eigener oder zurechenbarer<br />
Kenntnis des Willens des Erwerbers den Vertrag abschließt<br />
(BGH, NZM 2004, 464). Der Käufer hatte Schadenersatzansprüche<br />
wegen einer Wohnflächenabweichung von 11<br />
Prozent zugesprochen bekommen.<br />
Im Berichtszeitraum ergingen einige Entscheidungen zum<br />
Architektenrecht. Anzusprechen ist ein Urteil des KG<br />
Berlin vom 12.02.2004. Die Entscheidung bestätigt die bisherige<br />
BGH-Rechtsprechung, wonach die Verjährungsfrist<br />
für Ansprüche gegen einen Architekten wegen Verletzung<br />
seiner Überwachungspflichten bei Übertragung der Vollarchitektur<br />
(Leistungsphase 1 – 9) grundsätzlich erst mit<br />
Beendigung der Leistungsphase 9 zu laufen beginnt. Eine<br />
Formularklausel nach deren Inhalt die Verjährungsfrist<br />
bereits mit Abnahme des Bauwerks zu laufen beginnen soll,<br />
verstößt gegen § 309 Nr. 8 b ff BGB.<br />
Im Genossenschaftsrecht ist lediglich auf eine Entscheidung<br />
des BGH vom 29.06.2004 (BB 2004, 1927) hinzuweisen.<br />
Hier hat der BGH zu der für die Genossenschaftspraxis<br />
maßgebenden Frage Stellung genommen, ob die Aufrechnung<br />
gegen das Auseinandersetzungsguthaben im Insolvenzverfahren<br />
des Mitglieds möglich ist. Der BGH hat die<br />
Aufrechnungsmöglichkeit bejaht.<br />
Auch im Rahmen des GmbH-Rechts gab es im Berichtszeitraum<br />
eine Fülle von Entscheidungen, sei es zur Frage der<br />
GmbH-Gründung, des Ausscheidens eines Gesellschafters,<br />
der Veräußerung eines Geschäftsanteils oder der Rechtstel-<br />
lung und Haftung des GmbH-Geschäftsführers bzw. der Gesellschafterhaftung.<br />
Für kommunale Wohnungsunternehmen,<br />
die sich ohnehin seit geraumer Zeit mit der Problematik<br />
auseinanderzusetzen haben, ob sie nun der öffentlichen Auftraggebereigenschaft<br />
unterliegen mit der Konsequenz, bei<br />
Erreichen der Schwellenwerte nach der Vergabeverordnung<br />
europaweit ausschreiben zu müssen, kam nun noch das<br />
Grundsatzurteil des EuGH vom 11.01.2005 hinzu. Mit dieser<br />
Entscheidung stoppt der EuGH vom Grundsatz die freihändige<br />
kommunale Auftragsvergabe an gemischt-wirtschaftliche<br />
Gesellschaften. D.h., hält die Kommune ein Tochterunternehmen<br />
zusammen mit einem Dritten, auch wenn dessen<br />
Anteil noch so gering ist, darf sie Aufträge bei Erreichen des<br />
Schwellenwertes nur nach<br />
einer europaweiten Ausschreibung<br />
ggf. an das Tochterunternehmen<br />
vergeben. Die<br />
sogen. Inhouse-Geschäfte<br />
zwischen Kommune und<br />
Tochterunternehmen kommen<br />
von daher allenfalls<br />
noch bei einer 100%igen<br />
Beteiligung der Kommune<br />
in Betracht.<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 ZUR WOHNUNGSPOLITIK<br />
25
TÄTIGKEIT DES<br />
VERBANDES<br />
In der Mittlerrolle zwischen Wirtschaft und Politik vertritt<br />
der Verband die Interessen der Wohnungswirtschaft. Für<br />
sie fungiert er als Sprachrohr. Auch das Beratungs- und<br />
Dienstleistungsangebot wurde gesteigert. Mit einem neuen<br />
Leitbild und Satzungsänderungen macht sich der Verband<br />
fit für die Zukunft.
Der Verbandstag 2004 in Freiburg hatte neben den üblichen<br />
Regularien, die alle drei Jahre anstehenden Wahlen der Mitglieder<br />
des Verbandsrates durchzuführen. Es ergaben sich<br />
gravierende Veränderungen auch durch altershalber ausscheidende<br />
Kollegen, denen der Verbandsvorsitzende zum<br />
Abschluss des Verbandstages die höchste Auszeichnung des<br />
Verbandes die „Große Goldmedaille“ verleihen durfte.<br />
Nach der Neukonstituierung des Verbandsrates am 20. Juli<br />
2004 setzte der Verbandsrat im elften Jahr nach Gründung<br />
des <strong>vbw</strong> eine Strukturkommission ein und bildete für die<br />
vier Bereiche<br />
■ Mitgliederzufriedenheit,<br />
■ Verbandsleitbild,<br />
■ Wirtschaftlichkeit und<br />
■ Satzung<br />
Arbeitsgruppen. Diese unterbreiteten Vorschläge an den<br />
Verbandsrat. Die Beratungen zu den einzelnen Bereichen<br />
sind bis auf den Satzungsentwurf noch nicht abgeschlossen.<br />
Die vier Bereiche wurden nach entsprechender Diskussion<br />
im Vorstand und Verbandsrat auch in den einzelnen<br />
Arbeitsgemeinschaften beraten.<br />
Die Arbeitsgruppe Mitgliederzufriedenheit hatte in<br />
Anlehnung an einen Fragebogen des Verbandes norddeutscher<br />
Wohnungsunternehmen einen auf unsere Bedürfnisse<br />
ausgerichteten <strong>vbw</strong>-Fragebogen erstellt. Von mehr als 300<br />
Mitgliedsunternehmen des <strong>vbw</strong> unterzogen sich 166<br />
Unternehmen der Mühe, den Fragebogen auszufüllen und<br />
an den Verband zurückzusenden. Ihnen allen sei auch von<br />
dieser Stelle herzlich gedankt.<br />
In anonymer Weise wurden die Fragebogen von der Arbeitsgruppe<br />
ausgewertet und das zusammengefasste Ergebnis<br />
allen Mitgliedsunternehmen übersandt. Der Gesamteindruck<br />
war positiv, wie die nachstehende Auswertung der<br />
Frage 4 zeigt:<br />
Alles in allem: Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit dem<br />
<strong>vbw</strong> auf einer Skala von 1 „sehr zufrieden“ bis 5 „sehr<br />
unzufrieden“?<br />
1 2 3 4 5<br />
15 87 52 10 0<br />
Die Antworten auf die Fragen 1 und 2 „was fällt Ihnen<br />
spontan ein, wenn Sie an den <strong>vbw</strong> denken?“ und „Welche<br />
Erwartungen, welche Anforderungen haben Sie an den <strong>vbw</strong>?“<br />
wurden ganz überwiegend positiv beantwortet.<br />
Die Evaluierung ergab ferner, nicht überraschend, Nachholbedarf<br />
in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Interessenvertretung,<br />
Tochtergesellschaften und Gremientransparenz.<br />
Hieran wird gearbeitet. In drei oder vier Jahren wird eine<br />
Wiederholung der Aktion auch hier gute Ergebnisse zeigen.<br />
Die Arbeitsgruppe Verbandsleitbild hat eine umfangreiche<br />
Stoffsammlung erarbeitet, aus der als Extrakt ein Verbandsleitbild<br />
entwickelt werden soll. Auch diese Stoffsammlung<br />
wurde allen Verbandsmitgliedern zugeleitet.<br />
Die Wirtschaftlichkeit des <strong>vbw</strong> wurde von der dritten Arbeitsgruppe<br />
untersucht. Sie hat das seit Jahren bestehende<br />
Defizit im operativen Bereich bestätigt. Hier sind Veränderungen<br />
bei den Personal- und Sachkosten, aber auch bei<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 A US DER TÄTIGKEIT DES VERBANDES<br />
27
Prüfungsgebühren und zuletzt bei den Verbandsbeiträgen<br />
angesagt. Für einzelne Verbandstöchter werden zur Stärkung<br />
ihrer Unternehmenskraft weitere Gesellschafter mit<br />
dem Ziel gesucht, diese Beteiligungen auf maximal 10 Prozent<br />
abzuschmelzen.<br />
Die Arbeitsgruppe Satzung und Struktur legte einen Entwurf<br />
einer Satzungsänderung und einer neugefassten Wahlordnung<br />
vor. Beide wurden nach eingehenden Beratungen<br />
im Vorstand und Verbandsrat auch in den Arbeitsgemeinschaften<br />
umfassend beraten und werden auf dem Verbandstag<br />
2005 in Fellbach zur Beschlussfassung gestellt.<br />
Alles in allem haben die Strukturkommission, die vier Arbeitsgruppen,<br />
die Verwaltungsorgane Vorstand und Verbandsrat<br />
in der kurzen Zeit von Oktober 2004 bis Februar 2005 hervorragende<br />
Arbeit geleistet. Allen sei hierfür gedankt.<br />
Trotz der erheblichen Belastung der Verwaltungsorgane durch<br />
die Arbeit der Strukturkommission ist die übrige Verbandsarbeit<br />
nicht zu kurz gekommen. Der Vorstand des <strong>vbw</strong> hat in<br />
zahlreichen Vorstandssitzungen, bei Gesprächen mit den<br />
Genossenschaftsverbänden in Stuttgart und Karlsruhe, mit<br />
dem Landesverband der Haus- und Grundstückseigentümer,<br />
mit dem Landesverband Freier Wohnungsunternehmen, mit<br />
der Arbeitsgemeinschaft der Bausparkassen, mit den Ministerien<br />
des Inneren und der Wirtschaft über die aktuellen wohnungs-<br />
und immobilienwirtschaftlichen Probleme diskutiert.<br />
Zahllose Gespräche wurden insbesondere zum Gemeindewirtschaftsrecht<br />
zusammen mit der Vereinigung kommunaler<br />
Wohnungsunternehmen im <strong>vbw</strong> und in verschiedenen<br />
Anhörungen in Ministerien und im Landtag geführt. Es galt<br />
vor allem die Einführung einer verschärften Subsidiarität in<br />
der Gemeindeordnung zu verhindern, die insbesondere von<br />
der FDP-Landesfraktion und von dem Landesverband Freier<br />
Wohnungsunternehmen gefordert wird. Danach sollen sich<br />
kommunale Wohnungsunternehmen nur dort wirtschaftlich<br />
betätigen dürfen, wo ihre Leistung besser und wirtschaftlicher<br />
ist, als die der privaten Unternehmen. Die Rechtsposi-<br />
tion des <strong>vbw</strong> und der Vereinigung kommunaler Wohnungsunternehmen<br />
ist in dem Statement auf Seite 17 im Kapitel<br />
Wohnungspolitik wiedergegeben.<br />
Abgewehrt werden konnte eine Initiative der Länder Bayern<br />
und Rheinland-Pfalz zur Neuregelung der Grundsteuer. Auch<br />
hier ist die Rechtsposition des <strong>vbw</strong> im Kapitel Wohnungspolitik<br />
abgedruckt.<br />
Nicht aufzuhalten war eine Änderung der Landesbauordnung<br />
zum barrierefreien Bauen, zumal <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
das letzte Bundesland in Deutschland ist, das diese Änderung<br />
analog der Musterbauordnung noch nicht umgesetzt<br />
hat. Nach der Neuregelung muss bei Gebäuden mit mehr als<br />
sechs (vier) Wohnungen ein Geschoss barrierefrei erreichbar<br />
sein. Nur in Ausnahmefällen, wenn unverhältnismäßig<br />
hoher Mehraufwand erforderlich ist, soll hiervon abgewichen<br />
werden können. Es wird im Einzelnen zu klären sein,<br />
ob die bisher von der Rechtsprechung festgelegte 20 Prozent-Grenze<br />
vom Gesamtaufwand in der Praxis umsetzbar<br />
ist. Gespräche mit dem zuständigen Ministerium haben ergeben,<br />
dass möglicherweise im Verwaltungswege eine<br />
praktikable Lösung erreichbar erscheint.<br />
Das Landeswohnraumförderprogramm 2005 ist erwartungsgemäß<br />
wiederum kläglich ausgefallen. Zudem noch unter<br />
dem Vorbehalt, dass die Eigenheimzulage erhalten bleibt.<br />
Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Berichtes sind die<br />
Chancen hierfür nicht sehr gut. Das Land <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
will nach diesem Programm knapp 2.000 Eigentumsmaßnahmen<br />
und 650 Mietwohnungen fördern. Der <strong>vbw</strong> hat<br />
auch hierzu die in diesem Bericht abgedruckte Stellungnahme<br />
im Landtag bei der Anhörung abgegeben.<br />
Mit großem Einsatz hat sich der <strong>vbw</strong> in die Expertenkommission<br />
Wohnungsgenossenschaften eingebracht und<br />
einen wichtigen Beitrag zur Aktivierung des genossenschaftlichen<br />
Wohnens geleistet. Der Ergebnisbericht der<br />
Kommission ist auf große Resonanz gestoßen. Seine Empfehlungen<br />
werden in den Wohnungsgenossenschaften und
ihren Verbänden, aber auch in den politischen Gremien bei<br />
Bund, Ländern und Kommunen diskutiert. Schon allein dafür<br />
hat sich die große Anstrengung gelohnt. In diesem Zusammenhang<br />
wurde auch daraufhingewiesen, dass zur Novellierung<br />
des Genossenschaftsgesetzes das Bundesministerium<br />
der Justiz voraussichtlich im 2. Quartal 2005, das<br />
Gesetzgebungsverfahren einleiten wird. Im Zusammenhang<br />
mit den erforderlichen nationalen Ausführungsbestimmungen<br />
zur Umsetzung der EU-Verordnung über das Statut der<br />
Europäischen Genossenschaft (SCE) ist beabsichtigt, Anpassungen<br />
im Genossenschaftsgesetz unter Berücksichtigung der<br />
von der Expertenkommission sowie des gemeinsamen<br />
Ausschusses vorgeschlagenen Änderungen vorzusehen.<br />
Zu Gebäudepass, WEG-Novelle und Liberalisierung des Mietrechts<br />
waren verschiedene Stellungnahmen abzugeben und<br />
Meinung zu machen. Im Bereich der Aus- und Weiterbildung<br />
wurde die Partnerschaft zur Hochschule Nürtingen-<br />
Geislingen weiter intensiviert. Probleme bereitet dem<br />
Verband im Bereich des Immobilienfachwirtes die von der<br />
IHK-Stuttgart betriebene bundeseinheitliche Prüfung, die<br />
wohl ab dem Jahr 2007 nicht aufzuhalten sein dürfte.<br />
Erneut war der Verband in dem von der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Bausparkassen in Zusammenarbeit mit dem Innenund<br />
Sozialministerium eingesetzten Wettbewerb „Wohnen<br />
und Arbeiten“ in der Jury vertreten. Der Berufsschullehrerkongress<br />
des GdW fand in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> guten<br />
Anklang. Schließlich ist der <strong>vbw</strong> auch an der Hochschule<br />
Nürtingen-Geislingen und der Fachhochschule Finanzen<br />
und Verwaltung in Ludwigsburg auf vielfältige Weise aktiv.<br />
Der Fachausschuss Technik hat sich in mehreren Sitzungen<br />
insbesondere mit dem zu Beginn des Jahres 2006 bei der<br />
Veräußerung oder Vermietung von Gebäuden notwendigen<br />
Gebäudepass befasst. Der bedarfsbezogene, kostspielige Pass<br />
wurde zugunsten des verbrauchsbezogenen abgelehnt.<br />
Im Fachausschuss Aus- und Weiterbildung wurden die<br />
Programme der Genossenschaftstage 2004 in Ulm und die<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong>er Tage 2004 diskutiert sowie das bundesweite<br />
Berufsschullehrertreffen 2004 in Stuttgart, der Veranstaltungskalender<br />
der AWI für 2005 und die Novellierung des<br />
Ausbildungsganges zum Kaufmann/Kauffrau der Grundstücks-<br />
und Wohnungswirtschaft besprochen.<br />
Der Fachausschuss Wohnungsbauförderung und Wohnungspolitik<br />
befasste sich insbesondere mit den Wohnraumförderprogrammen<br />
2004 und 2005, der Förderung der Moder-<br />
nisierung von Wohnungsgebäuden und mit dem barrierefreien<br />
Bauen.<br />
Im Fachausschuss Wohnungseigentum war wie immer der<br />
Erfahrungsaustausch über die Marktentwicklung ein aktuelles<br />
Thema. Aber auch Altersvorsorge durch Wohnimmobilien,<br />
die Novellierung des WEG sowie die Eigenheimzulage<br />
standen auf der Tagesordnung.<br />
Der Fachausschuss Spareinrichtung befasste sich vor allem<br />
mit neuen Entwicklungen beim Sicherungsfonds und mit<br />
Erfahrungen und Erkenntnissen aus der Prüfung.<br />
Der Fachausschuss Betriebswirtschaft ist vor allem im Bereich<br />
des Betriebskosten-Benchmarking aktiv.<br />
Die Arbeitsgemeinschaft der Wohnungsgenossenschaften<br />
beriet eine bundesweite Marketinginitiative, den<br />
Bericht der Expertenkommission Genossenschaften und die<br />
beabsichtigte Novellierung des GenG.<br />
Alle Empfehlungen und Ratschläge der Fachausschüsse und der<br />
Arbeitsgemeinschaft fanden Eingang in die Argumentation<br />
des <strong>vbw</strong> gegenüber Gesetzgebung und Wohnungspolitik.<br />
Der vom Vorstand ins Leben gerufene Arbeitskreis „Nachwuchsführungskräfte“<br />
ist gut gestartet und erfreut sich bei den<br />
„jungen Wilden“ großer Beliebtheit. Sie haben sich zuletzt<br />
des Themas Wohnungsprivatisierung angenommen und<br />
werden die Ergebnisse ihrer Arbeit auch veröffentlichen.<br />
Die erfolgreichen Teilnehmer der Fortbildungsstudiengänge<br />
Immobilienökonom(in)/GdW, Immobilienfachwirt(in) sowie<br />
der Immobilienverwalter(in) und der Lehrgang Bautechnik<br />
und Architektur für Kaufleute wurden jeweils im Rahmen<br />
einer feierlichen Zeugnisübergabe verabschiedet.<br />
Der vom <strong>vbw</strong> gestiftete „Immo-Preis des <strong>vbw</strong>“ findet bei<br />
den Studienabgängern der Hochschule Nürtingen-Geislingen<br />
großen Anklang. Er ist Teil praktizierter Öffentlichkeitsarbeit<br />
des <strong>vbw</strong>.<br />
Der Umgang mit der Alterung der Gesellschaft, mit wirtschaftsschwachen<br />
Wohnungsnutzern, mit Migranten und<br />
mit schwierigen Einzelfällen beschäftigt den Arbeitskreis<br />
„Soziales Management“. Er versucht Handreichungen zu<br />
geben, wie Wirtschaftlichkeit und soziales Handeln in Einklang<br />
gebracht werden können. Es ist geplant, diese Vorschläge<br />
zu veröffentlichen.<br />
A US DER TÄTIGKEIT DES VERBANDES<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004<br />
29
30<br />
Im Bereich der Rechtsberatung hat die neu eingeführte Berechnung<br />
von Beratungsdienstleistungen für besondere<br />
Fälle einen namhaften Betrag eingebracht, der zur Wirtschaftlichkeit<br />
des Verbandes beiträgt. Dies gilt auch für die<br />
EDV-Dienstleistungen, die Dritten gegenüber ebenfalls in<br />
Rechnung gestellt werden.<br />
Der Vorstand war schließlich mit den Tochterunternehmen<br />
und Beteiligungsgesellschaften des <strong>vbw</strong> stark in Anspruch<br />
genommen. Hier zeichnet sich ab, dass für einzelne Gesellschaften<br />
neue Gesellschafter gefunden werden müssen und<br />
die Beteiligung des Verbandes auf maximal 10 Prozent abgeschmolzen<br />
wird.<br />
Zahllose Grußworte, Ehrungen und Vertretungen in den<br />
Gremien des GdW und anderen Organisationen runden die<br />
Tätigkeit des Verbandes ab.<br />
Der Vorstand dankt an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern des <strong>vbw</strong> und seiner Tochtergesellschaften<br />
sowie den Mitgliedern des Verbandsrates, der Fachausschüsse,<br />
der genossenschaftlichen Vereinigung und der kommunalen<br />
Vereinigung für ihr hohes Engagement.<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Aus der Information<br />
muss ein Dialog entstehen. Dies gelingt von Jahr zu<br />
Jahr besser. In rund 155 Veröffentlichungen in Printmedien,<br />
bei Hörfunk und Fernsehen nahmen die Journalisten die<br />
Themenangebote des <strong>vbw</strong> und seiner Tochterunternehmen<br />
auf. Wie bereits in den Vorjahren bestimmten die Eigenheimzulage,<br />
das Landeswohnraumförderprogramm, die<br />
regionalen Wohnungsmärkte sowie die Mietnebenkosten<br />
die Berichter<strong>statt</strong>ung. Andere Themen wie die Reform der<br />
Grundsteuer, das Gemeindewirtschaftsrecht oder Berechnungen<br />
über Subventionen und Geldrückflüsse in die<br />
Volkswirtschaft fanden den Weg in die Öffentlichkeit nur<br />
über die Fachpresse.<br />
Dem steigenden visuellen Informationsbedürfnis kommt der<br />
Image-Film des <strong>vbw</strong> nach. Er beantwortet alle Fragen zur<br />
Tätigkeit des <strong>vbw</strong>, seiner Beteiligungsunternehmen und der<br />
Mitgliedsunternehmen, die in Bildsequenzen und mit Wohnprojekten<br />
vorgestellt werden. Die DVD soll bei Veranstaltungen<br />
von Mitgliedsunternehmen und bei Präsentationen<br />
des Verbandes eingesetzt werden. Auch auf der Homepage<br />
des <strong>vbw</strong>-Internetauftrittes ist der Film hinterlegt.<br />
Über 35 Millionen Menschen in Deutschland nutzen das Internet<br />
mittlerweile zur Informations- und Angebotssuche.<br />
Die Anforderungen in Bezug auf Information, Service und<br />
Kommunikation wachsen. Der <strong>vbw</strong> wollte wissen, wie es<br />
damit bei den Web-Präsenzen der Mitgliedsunternehmen<br />
bestellt ist und hat 2004 den 1. Internet-Wettbewerb für<br />
Mitgliedsunternehmen ausgeschrieben. Die Qualität des<br />
Angebotes und die Aktualität der Informationen bildeten<br />
den Schwerpunkt der Bewertungskriterien, die eine unabhängige<br />
Jury überprüfte. Jurymitglied Prof. Dr. Carol Richter<br />
von der Hochschule Nürtingen-Geislingen präsentierte die<br />
Ergebnisse des Wettbewerbs bei den <strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong>er Tagen<br />
der Wohnungswirtschaft. Die drei bestplatzierten Unternehmen<br />
erhielten neben Sachpreisen als Award einen Glasquader<br />
mit 3D-Laserung. Da der Wettbewerb auf positive<br />
Resonanz fiel, soll er bis in zwei Jahren wiederholt werden.<br />
Die Preisträger umrahmt von Prof. Dr. Carol Richter<br />
(links) und Gerhard A. Burkhardt (rechts): Hans Strudel,<br />
LEG <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> GmbH, Guido Benz, Baugemeinschaft<br />
Ettlingen eG, Wolfgang D. Heckeler, Bietigheimer<br />
Wohnbau GmbH (v.l.n.r.).
Die Kriterien, die der<br />
Internet-Wettbewerb<br />
bei den Mitgliedsunternehmenangesetzt<br />
hat, gelten<br />
auch für den <strong>vbw</strong>.<br />
Der Aufbau des <strong>vbw</strong>-<br />
Internetauftritts ist aus<br />
dem Jahr 2000 und damit nicht<br />
mehr den heutigen Ansprüchen gemäß programmiert. Die<br />
inhaltliche wie grafische Überarbeitung wurde im Berichtsjahr<br />
begonnen. Der neue Auftritt wird im Frühjahr 2005 online<br />
gehen. Im Jahr 2004 haben monatlich im Durchschnitt 3.000<br />
Besucher die Adresse <strong>vbw</strong>-online.de aufgerufen und jeweils<br />
7,2 Seiten angesehen.<br />
Erstmals hat der <strong>vbw</strong> eine CD-ROM „<strong>vbw</strong>-Medien – Jahresausgabe<br />
2004“ veröffentlicht. Ein Inhaltsverzeichnis und<br />
eine Suchfunktion führen den Nutzer bequem zu den gesuchten<br />
Texten aus Rundschreiben, Sonderrundschreiben,<br />
JurAktuell und aktuell – Die Wohnungswirtschaft in <strong>Baden</strong>-<br />
<strong>Württemberg</strong>.<br />
Zum Standardprogramm der Öffentlichkeitsarbeit gehören<br />
mittlerweile: der tägliche Pressespiegel per E-Mail, die<br />
monatlich erscheinenden Rundschreiben beziehungsweise<br />
Sonderrundschreiben und die Rechtsinformation JurAktuell.<br />
Einen großen Leserkreis außerhalb der Mitgliedsunternehmen<br />
hat die vierteljährlich erscheinende Verbandszeitschrift<br />
„aktuell – Die Wohnungswirtschaft in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>“,<br />
die Adressaten aus Ministerien, Behörden, Banken,<br />
Hochschulen, Wirtschaft und Journalisten erreicht.<br />
Themen und Meinungen aus der Wohnungswirtschaft wurden<br />
bei Anhörungen im Landtag, bei Veranstaltungen, in<br />
den Arbeitsgemeinschaften, im Dialog mit Politikern und im<br />
Gespräch mit anderen Verbänden, Meinungsbildnern und<br />
Unternehmen vermittelt. Junge Nachwuchskräfte für die<br />
Wohnungswirtschaft zu gewinnen und zukünftige Führungskräfte<br />
heranzuziehen wird im Hinblick auf die demografische<br />
Entwicklung zunehmend wichtiger. Der Verband honorierte<br />
auch im Berichtsjahr wieder mit dem „<strong>vbw</strong>-Immo-Preis“ die<br />
besten Leistungen der Absolventen des Studienganges Immobilienwirtschaft<br />
an der Hochschule Nürtingen-Geislingen.<br />
Zukünftige Fachkräfte der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft<br />
konnten sich beim Career-Day der Hochschule am<br />
Ausstellungsstand des <strong>vbw</strong> über die künftigen Berufschancen<br />
in der Branche informieren.<br />
Den Verbandstag des GdW in Mannheim nutzte der <strong>vbw</strong><br />
ebenfalls zur Imagewerbung. Dort wurde auch der Kalender<br />
mit dem Titel „Architektur in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> 2005“ vorgestellt.<br />
Er zeigt auf 12 großformatigen Kalenderblättern Beispiele<br />
visionärer, experimenteller und ökologischer Architektur<br />
bei Wohn-, Geschäftshäusern und öffentlichen Bauten.<br />
Interne<br />
Kommunikation<br />
Medienarbeit<br />
Publikationen<br />
Design & Werbung<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
im <strong>vbw</strong>:<br />
Tätigkeits- und<br />
Kompetenzfelder<br />
Marktbeobachtung<br />
Informationssammlung<br />
Veranstaltungen<br />
Seminare<br />
Online-<br />
Kommunikation<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 A US DER TÄTIGKEIT DES VERBANDES<br />
31
32<br />
Rechtsberatung<br />
Es wird nicht einfacher – im Gegenteil. Auch das Jahr 2004<br />
hat wieder maßgebende Änderungen sowohl in der Gesetzgebung<br />
als auch in der Rechtsprechung gebracht. Aufgabe<br />
der Rechtsabteilung des <strong>vbw</strong> war es, diese Veränderungen<br />
zu analysieren und für die Mitgliedsunternehmen transparent<br />
zu machen.<br />
Im Bereich des Wohnungseigentums lagen die Problemschwerpunkte<br />
im Berichtszeitraum rund um die Eigentümerversammlungen.<br />
Unabhängig davon, dass die Versammlungen<br />
ohnehin immer turbulenter werden, bezogen<br />
sich die Fragen auf die allgemeinen Erfordernisse einer ordnungsgemäßen<br />
Protokollierung, auf die Aufklärungserfordernisse<br />
über Beschlusskompetenzen und deren anschließender<br />
Protokollierung insbesondere bei den sog. Zitterbeschlüssen,<br />
bis hin zur korrekten Fassung eines Umlaufbeschlusses.<br />
Wie ist mit den immer häufiger werdenden Hausgeldschuldnern<br />
am wirkungsvollsten umzugehen? Sind Versorgungssperren<br />
oder gar Enteignungen möglich? In diesem<br />
Themenbereich spielte auch der Datenschutz eine nicht<br />
unwichtige Rolle. Solche und ähnliche Fragen machen<br />
weder die Tätigkeit des Verwalters, noch die Tätigkeit des<br />
Verwaltungsbeirates, der den Verwalter bei der Durchführung<br />
seiner Aufgaben zu unterstützen hat, einfacher.<br />
Zu den ureigensten Themen der Rechtsberatung gehören<br />
gesellschafts- und insbesondere genossenschaftsrechtliche<br />
Fragestellungen. Für die kommunalen Gesellschaften des<br />
<strong>vbw</strong> kam es nicht ganz unvermittelt, dass Gesetze wie das<br />
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich<br />
(KonTraG) oder das Gesetz zur Transparenz und Publizität<br />
(TransPuG), die unmittelbar eigentlich nur für börsennotierte<br />
Aktiengesellschaften gelten, mittlerweile auch<br />
Auswirkungen auf Kapitalgesellschaften in der Rechtsform<br />
der GmbH haben. Überraschender war dies jedoch für die<br />
Genossenschaften. Als dann auch noch Überlegungen aufkamen,<br />
den unmittelbar ebenfalls nur für börsennotierte<br />
Aktiengesellschaften geltenden und auf EU-Vorgaben<br />
basierenden Corporate Governance Kodex gesondert für<br />
Genossenschaften umzugestalten, kam Unruhe auf. Zwar<br />
wird es einen eigenen Kodex für Genossenschaften letztlich<br />
nicht geben. Dennoch wird auch bei Genossenschaften das<br />
Zusammenspiel der Organe in der Zukunft anders zu leben<br />
sein. Demgemäß wurden auch die Mustersatzungen und<br />
Mustergeschäftsordnungen des GdW für Genossenschaften<br />
neu gefasst. Sie tragen einigen Kodex-Empfehlungen und<br />
den gesetzlichen Vorgaben des TransPuG Rechnung. Ob und<br />
wenn ja welche Auswirkungen die anstehende Novellierung<br />
des Genossenschaftsgesetzes auf bestehende Genossenschaften<br />
haben werden, lässt sich derzeit noch nicht sagen.<br />
Bei den kommunalen Gesellschaften stellten sich weitere<br />
Erschwernisse durch die Auswirkungen des öffentlichen<br />
Vergaberechts, d.h. der Erfordernis einer europaweiten Ausschreibung,<br />
sofern die Voraussetzungen hierfür gegeben<br />
sind. In diesen Rahmen fällt auch ein neues Urteil des Europäischen<br />
Gerichtshofes, das sog. Inhousegeschäfte zwischen<br />
der Gesellschafterin Kommune und ihrer kommunalen Gesellschaft<br />
erheblich einschränkt. Weitere Probleme kommen<br />
auf die kommunalen Gesellschaften jedoch auch durch das<br />
Gemeindewirtschaftsrecht zu. Waren gerade mal die Vorgaben<br />
aus den Änderungen des Gemeindewirtschaftsrechtes<br />
des Jahres 1999 umgesetzt, kam die Ankündigung einer<br />
voraussichtlich weiteren Verschärfung des Gemeindewirtschaftsrechts<br />
und zwar im Bereich der 1999 eingeführten<br />
Subsidaritätsklausel.<br />
Solche Überlegungen wie auch bereits konkret zur Beurteilung<br />
vorgelegte Gesetzesvorlagen nahmen ebenfalls einen<br />
breiten Raum in der Rechtsberatung ein. Hierzu zählen u.a.<br />
die bereits angesprochene Novellierung des Genossenschaftsgesetzes,<br />
die angedachten Novellierungen des Vereinsrechts<br />
und des Wohnungseigentumsgesetzes, der Gesetzesentwurf<br />
zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen<br />
und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen<br />
und nicht zuletzt der Ende des Jahres vorgelegte Entwurf<br />
eines Antidiskriminierungsgesetzes. Zwingender Teil der<br />
Rechtsberatung ist in diesem Zusammenhang auch die<br />
begleitende Tätigkeit im Rahmen von Fachausschüssen und<br />
Kommissionen innerhalb des GdW.<br />
Zu den Standards der Rechtsberatung des <strong>vbw</strong> gehören seit<br />
Jahren das Mietrecht, das Baurecht, das Architektenrecht<br />
und das Arbeitsrecht. Insbesondere das Mietrecht ist ein sehr<br />
beratungsintensiver Bereich, wozu die steigende Streitlust<br />
der Mieter, aber auch deren immer schlechter werdende<br />
Zahlungsmoral nicht unerheblich beiträgt. Streitigkeiten<br />
über die Betriebskostenabrechnungen, über Minderungsrechte,<br />
Duldung von Modernisierungsmaßnahmen und nicht<br />
zuletzt über die Verpflichtung zur Durchführung von<br />
Schönheitsreparaturen sind die Hauptthemen. Im Bereich<br />
des Arbeitsrechts waren Themen wie Teilzeitarbeit, insbesondere<br />
Altersteilzeit, aber auch Kündigungen bzw. Aufhebungen<br />
von Arbeitsverhältnissen vorrangig.<br />
Begründet dadurch, dass in absehbarer Zeit viele Erbbaurechte<br />
auslaufen, stellte sich die Problematik, wie für die
etroffenen Unternehmen am wirkungsvollsten zu verfahren<br />
ist. Die Schwierigkeiten liegen hier weniger im rein<br />
rechtlichen Bereich als in der Interessenkollision zwischen<br />
Erbbaurechtsausgeber und Erbbaurechtsnehmer.<br />
Im Berichtszeitraum 2004 wurde begleitend eine Fusion<br />
zweier Genossenschaften durchgeführt, eine weitere Fusion<br />
ist in Vorbereitung, eine Genossenschaftsliquidation ist eingeleitet<br />
und eine weitere Liquidation in Vorbereitung.<br />
Prüfungs- und Beratungstätigkeit<br />
für das Jahr 2004<br />
Prüfung<br />
Zu den Hauptaufgaben im Dienstleistungsbereich des Verbandes<br />
gehört entsprechend der Anerkennung des Verbandes<br />
als genossenschaftlicher Prüfungsverband im Sinne des<br />
§ 54 GenG die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung der Mitgliedsunternehmen<br />
in der Rechtsform der eingetragenen<br />
Genossenschaft.<br />
Außerdem kann der Verband im Rahmen des Artikels 25<br />
EGHGB den Jahresabschluss jener Kapitalgesellschaften prüfen,<br />
die bis zum 31. Dezember 1989 als gemeinnützige Wohnungsunternehmen<br />
anerkannt und Mitglieder des Verbandes<br />
waren. Soweit es sich hierbei um Gesellschaften mit überwiegender<br />
Beteiligung der öffentlichen Hand handelt, wird<br />
der Verband auch mit der Prüfung gemäß § 53 HGrG beauftragt.<br />
Damit entspricht der Prüfungsauftrag bei diesen<br />
Gesellschaften im Grundsatz den durch die genossenschaftlichen<br />
Prüfungsvorschriften gegebenen Anforderungen.<br />
Im Berichtsjahr 2004 gehörten insgesamt 193 Genossenschaften<br />
dem Verband als Mitglieder an. Davon waren 31<br />
kleine Genossenschaften mit einer Bilanzsumme von bis zu<br />
zwei Millionen Euro. Unverändert unterhalten 15 Mitglieds-<br />
genossenschaften eine Spareinrichtung, die zusätzlich nach<br />
den Anforderungen des Kreditwesengesetzes zu prüfen sind.<br />
Die Prüfung der Genossenschaften mit einer Spareinrichtung<br />
schließt unabhängig von der Größe des Mitgliedsunternehmens<br />
mit einem Bestätigungsvermerk ab.<br />
Neben den Genossenschaften lassen sich rund 70 Mitgliedsunternehmen<br />
in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft<br />
vom <strong>vbw</strong> prüfen.<br />
Für die Mitgliedsunternehmen, die über eine Zulassung nach<br />
§ 34c der GewO verfügen, steht der Verband zur Prüfung<br />
gemäß § 16 MaBV zur Verfügung.<br />
Auch im Jahr 2004 setzte sich der Trend des Jahres 2003<br />
fort, den Jahresabschluss immer früher zu erstellen und<br />
prüfen zu lassen. Im Berichtsjahr ist es dem <strong>vbw</strong> gemeinsam<br />
mit den Mitgliedsunternehmen gelungen, den Terminwünschen<br />
gerecht zu werden. Besonders hilfreich ist es in<br />
diesem Zusammenhang, wenn im Vorfeld der Jahresabschlusserstellung<br />
bereits der Kontakt zum Verband gesucht<br />
wird, um im Rahmen des gesetzlich erlaubten Umfanges<br />
offene Bilanzierungs- und Bewertungsfragen zu klären.<br />
Personelle und technische Aus<strong>statt</strong>ung<br />
Für die Erfüllung der Prüfungsaufgaben standen der Prüfungsabteilung<br />
des <strong>vbw</strong> folgende Mitarbeiter zur Verfügung<br />
(Stand Anfang 2005):<br />
Wirtschaftsprüfer (m/w) 3<br />
Bereichsleiter (m/w) 4<br />
Verbandsprüfer (m/w) 10<br />
Assistenten (m/w) 7<br />
freie Mitarbeiter 3<br />
Gesamt 27<br />
Ob mit dieser äußerst knapp kalkulierten Mitarbeiterzahl<br />
die Anforderungen an die Prüfung erfüllt werden können,<br />
ist derzeit noch nicht absehbar.<br />
Unser Ziel ist es, bis auf wenige Ausnahmen alle Jahresabschlussprüfungen<br />
mit Hilfe der Software „Audit Agent bzw.<br />
Audicon“ durchzuführen. In absehbarer Zukunft werden wir<br />
– wie alle anderen westdeutschen Verbände auch – Audit<br />
Agent II einführen, um den erhöhten berufsrechtlichen Anforderungen<br />
gerecht zu werden.<br />
Qualitätssicherung und -kontrolle (Peer Review)<br />
Voraussetzung für die weitere Zulassung als gesetzlicher<br />
Prüfungsverband ist gemäß § 63 e GenG die turnusmäßige<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 A US DER TÄTIGKEIT DES VERBANDES<br />
33
34<br />
Durchführung einer Qualitätskontrolle. Die Prüfungsabteilung<br />
des Verbandes hat sich im zweiten Halbjahr 2004 einer<br />
Qualitätssicherungsprüfung unterworfen. Wir haben die für<br />
die weitere Prüfungstätigkeit erforderliche Teilnahmebescheinigung<br />
erhalten, so dass wir für weitere drei Jahre unserer<br />
Prüfungstätigkeit nachgehen können. Die Drei-Jahres-Regel<br />
gilt für alle Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften<br />
einheitlich. Der nächste Peer Review ist für das<br />
Jahr 2007 vorgesehen.<br />
Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung<br />
Zur Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung ergaben sich<br />
abgesehen von einigen wenigen Fällen, insbesondere bei<br />
den eigentumsorientierten Genossenschaften, grundsätzlich<br />
keine Beanstandungen. Der <strong>vbw</strong> hat in den Fällen umfassender<br />
Beanstandungen der Mitgliederversammlung der jeweiligen<br />
Genossenschaft empfohlen, den Vorstand bzw. die<br />
Organe insgesamt nicht zu entlasten. Besondere Probleme<br />
bei der Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung<br />
bereitet immer wieder die Beauftragung von Organmitgliedern<br />
im Rahmen von Auftragsvergaben.<br />
Wirtschaftliche Lage der Unternehmen<br />
Die wirtschaftlichen Verhältnisse der vom Verband geprüften<br />
Mitgliedsunternehmen sind insgesamt solide und geordnet.<br />
Auch wenn nur wenige Unternehmen Anlass zu Sorge<br />
geben, so verschärfen sich die wirtschaftlichen Probleme.<br />
Einige Unternehmen sind in ihrer Existenz bedroht oder<br />
in ihrer Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt.<br />
Die gestiegenen Anforderungen des Marktes an die Aus<strong>statt</strong>ungsqualität<br />
der Wohnungen und Häuser müssen von<br />
den Wohnungsunternehmen erfüllt werden, um die langfristige<br />
Vermietbarkeit sicherzustellen. Wir begrüßen es<br />
daher außerordentlich, dass eine wachsende Zahl von Unternehmen<br />
eigenverantwortlich eine technische Bestandsaufnahme,<br />
d.h. eine Inventur ihres Bestandes, durchführt<br />
und umfassend dokumentiert. Nur über eine quantitative<br />
Erhebung des Modernisierungsbedarfs pro Haus und pro<br />
Gewerk kann die Frage beantwortet werden, ob das Unternehmen<br />
mittel- und langfristig ausreichende Ressourcen<br />
zur dauerhaften Vermietbarkeit seiner Bestände aufwendet.<br />
Es kann festgestellt werden, dass die Aufarbeitung dieser<br />
Unterlagen zu den Aufgaben der Geschäftsführung gehört<br />
und damit auch eine Frage der Ordnungsmäßigkeit der<br />
Geschäftsführung ist.<br />
Leider müssen wir feststellen, dass es Wohnungsunternehmen<br />
gibt, die auf Grund ihrer finanziellen Aus<strong>statt</strong>ung bzw.<br />
auf Grund des unzureichenden Cash Flows nicht in der Lage<br />
sind, ihren Bestand in einem überschaubaren Zeitraum<br />
grundlegend zu modernisieren. Die unzureichende finanzielle<br />
Aus<strong>statt</strong>ung wird teilweise noch durch den Effekt verschärft,<br />
dass über die modernisierungsbedingten Mieterhöhungen<br />
die Modernisierungskosten nicht innerhalb eines<br />
angemessenen Zeitraumes amortisiert werden können.<br />
Was sind die Gründe für die unzureichende<br />
finanzielle Aus<strong>statt</strong>ung?<br />
Im Bereich jener Unternehmen, die sich ausschließlich der<br />
Vermietung von Wohnraum widmen, gibt es immer noch<br />
eine größere Anzahl, die aus sozialen Überlegungen heraus<br />
das Mieterhöhungspotenzial seit Jahren nicht voll ausgeschöpft<br />
haben. Auf Grund der niedrigen Mieten sind die<br />
Unternehmen dann nicht mehr in der Lage, die notwendigen<br />
Modernisierungen in dem erforderlichen Umfange und<br />
mit der gebotenen Geschwindigkeit durchzuführen.<br />
Mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben auch jene kommunalen<br />
Unternehmen zu kämpfen, die nach 1990 gegründet<br />
worden sind, um die Haushalte der Stadt zu entlasten.<br />
In vielen Fällen müssen wir feststellen, dass die Ertragslage<br />
dieser Unternehmen mit hohen Abschreibungen und Zinsaufwendungen<br />
belastet ist. Diese Belastungen gehen einher<br />
mit einem Bestand, der aus technischer Sicht unterdurchschnittlich<br />
ist, so dass weit überdurchschnittliche Instandhaltungen<br />
und Modernisierungen die Unternehmen zusätzlich<br />
belasten. Entwicklungsbeeinträchtigungen und Existenzgefährdungen<br />
können mittel- und langfristig nicht ausgeschlossen<br />
werden, da seitens der Städte Zuschüsse etc.<br />
gekürzt oder gestrichen werden.<br />
Im Berichtsjahr 2004 konnte mit zunehmender Tendenz beobachtet<br />
werden, dass die kommunalen Unternehmen wiederum<br />
einen Beitrag zur Stabilisierung der städtischen Haushalte<br />
leisten sollen. In den uns bekannt gewordenen Fällen sollen<br />
die Unternehmen Bestände aufkaufen, die im Eigentum<br />
der jeweiligen Kommune stehen. Oft werden diese Einheiten<br />
bereits durch das jeweilige Unternehmen verwaltet, so dass<br />
weitgehende Kenntnisse über diese Bestände vorliegen. Es<br />
bleibt jedoch die Gefahr bestehen, dass diese Bestände bei rein<br />
wirtschaftlicher Betrachtung überteuert vom Gesellschafter<br />
gekauft werden müssen. Teilweise stellt die Kommune als<br />
Haupt- oder alleinige Gesellschafterin Überlegungen an, ob<br />
der Beitrag zur Sanierung des städtischen Haushaltes darin<br />
bestehen könnte, dass die Gesellschaften eigene Anteile erwerben<br />
oder die Anteile der Gesellschaft an Dritte zu veräußern.
Unternehmen, deren Fokus in den letzten 12 Jahren auf dem<br />
Miethausneubau lag, haben in aller Regel hohe Abschreibungs-<br />
und Zinsbelastungen zu verkraften.Treffen diese Aufwendungen<br />
mit einem hohen Instandhaltungs- und Modernisierungsbedarf<br />
sowie der Übernahme von kommunalen Aufgaben zusammen,<br />
so steht das Unternehmen vor der Herausforderung,<br />
die erheblichen Belastungen der Ertragslage zu kompensieren.<br />
Auf Grund der derzeitigen konjunkturellen Lage und der sich<br />
abzeichnenden Verschlechterung der steuerlichen Rahmenbedingungen<br />
ist das Bauträgergeschäft vermutlich auf längere<br />
Zeit nahezu zum Erliegen gekommen. Jene Unternehmen, bei<br />
denen das Bauträgergeschäft gegenüber der Verwaltung des<br />
eigenen Bestandes im Vordergrund steht und die deshalb auf<br />
namhafte Deckungsbeiträge aus dem Bauträgergeschäft angewiesen<br />
sind, besteht ein Kapazitätsanpassungsbedarf an<br />
die Erfordernisse des Marktes. Auch jene Unternehmen, die<br />
auf die Gewinne aus dem Bauträgergeschäft angewiesen waren,<br />
um die notwendigen Modernisierungen durchzuführen,<br />
müssen ihre Modernisierungsanstrengungen verringern.<br />
Begünstigt werden die Wohnungsunternehmen durch das<br />
niedrigste Zinsniveau seit Bestehen der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Uns sind aber einige Fälle bekannt geworden,<br />
in denen Kreditinstitute sehr zurückhaltend mit der Kreditvergabe<br />
geworden sind und selbst kommunale Bürgschaften<br />
seitens der Banken nicht mehr als so sicher eingestuft<br />
werden wie in der Vergangenheit.<br />
Ein allgemeiner Anstieg des Zinsniveaus um zwei Prozentpunkte<br />
etwa würde eine Reihe von Unternehmen in erhebliche<br />
wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen.<br />
Die unzureichende finanzielle Aus<strong>statt</strong>ung führt mit zunehmender<br />
Tendenz zu Fusionsüberlegungen. Begünstigt werden<br />
Fusionen auch durch den Umstand, dass insbesondere<br />
bei kleineren Unternehmen für die heute neben- und ehrenamtlich<br />
wirkenden Vorstände keine geeigneten Nachfolger<br />
gefunden werden können. Steuerliche Nachteile, personenabhängige<br />
Widerstände in den Organen und Befürchtungen<br />
in der Mitgliederschaft behindern diese Fusionsüberlegungen.<br />
Sinnvoll sind Fusionen aber nur, wenn in dem übernehmenden<br />
Unternehmen die Verwaltungskosten nicht oder<br />
nicht überproportional steigen.<br />
Eigentumsorientierte Genossenschaften<br />
Abgesehen von einigen eigentumsorientierten Genossenschaften,<br />
die in den Jahren 2002 und 2003 Mitgliederzuwächse<br />
erzielen konnten, ist das Ende der steuerlichen För-<br />
derungsdauer in 2004 erreicht worden bzw. wird im Jahre<br />
2005 erreicht werden.<br />
Die überwiegende Anzahl der Mitglieder sind Kapitalanleger,<br />
die in keiner Weise dem Genossenschaftsgedanken nahe<br />
stehen. Bei der Anlage der Gelder wurde übersehen, dass<br />
die Zeichnung von Geschäftsanteilen bei einer Neugründung<br />
eine hochriskante Beteiligung an einem Unternehmen<br />
darstellt. Mit einigen Ausnahmen sind die Unternehmen<br />
heute nicht in der Lage, das eingesetzte Kapital zurückzuzahlen.<br />
In einigen Fällen sind Schadensersatzforderungen<br />
bzw. Strafanzeigen seitens der enttäuschten Kapitalanleger<br />
gegen die Organe der Genossenschaft gestellt worden.<br />
In einem Fall hat das zuständige Sitzfinanzamt die steuerliche<br />
Förderwürdigkeit der Genossenschaft im Sinne des Eigenheimzulagegesetzes<br />
in Frage gestellt.<br />
Seit der Einführung der Bestimmung, dass die genossenschaftliche<br />
Wohnung vom Bezieher der Eigenheimzulage im<br />
achtjährigen Förderungszeitraum selbst genutzt werden<br />
muss, ist dieses Geschäftsmodell endgültig zusammengebrochen.<br />
Teilweise wird versucht, den Wegfall der Geschäftsgrundlage<br />
mit einem Modell zu kompensieren, dass sehr<br />
stark an das Konzept der Bausparkassen angelehnt ist. In<br />
diesem Zusammenhang häufen sich bei uns die Anfragen<br />
des Bundesamtes für Finanzen.<br />
Nach den Erfahrungen der letzten acht Jahre ist festzustellen,<br />
dass bis auf wenige Finanzdienstleister und eine überschaubare<br />
Anzahl von Genossen, die ihre Kapitaleinlage<br />
zurück bekommen werden und die Eigenheimzulage in voller<br />
Höhe erhalten haben bzw. werden, niemand aus dieser<br />
steuerlichen Förderung einen Nutzen hat ziehen können.<br />
Bis auf wenige Genossenschaften dürften keine Unternehmen<br />
entstanden sein, die dauerhaft und unbefristet am<br />
Markt tätig sein werden.<br />
Demografischer Wandel<br />
Wir empfehlen den Unternehmen, sich verstärkt mit dem<br />
demografischen Wandel zu beschäftigen, da er sich auch in<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> bemerkbar machen wird. Die Alterung<br />
der Bevölkerung wird die Wohnungsunternehmen dazu<br />
zwingen, ihre Bestände altengerecht zu gestalten. Bei Modernisierungsmaßnahmen<br />
sollte bereits heute an das altengerechte<br />
Wohnen gedacht werden.<br />
Einige Regionen in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> werden mittelfristig<br />
auch Bevölkerungsrückgänge zu verzeichnen haben. Ins-<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 A US DER TÄTIGKEIT DES VERBANDES<br />
35
36<br />
besondere Unternehmen in strukturschwachen Gebieten<br />
werden sich intensiv mit diesen sich ändernden Rahmenbedingungen<br />
beschäftigen müssen.<br />
Prüfung der Jahresabschlüsse und der Lageberichte<br />
Die geprüften Jahresabschlüsse entsprechen nahezu ausschließlich<br />
den gesetzlichen Bestimmungen. In einigen wenigen<br />
Fällen musste der Bestätigungsvermerk ergänzt werden.<br />
Hinweise im zusammengefassten Prüfungsergebnis<br />
bezüglich einer Entwicklungsbeeinträchtigung des Unternehmens<br />
haben im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren<br />
deutlich zugenommen.<br />
Im Rahmen der Prüfungssaison<br />
2004 ist des Öfteren<br />
aufgefallen, dass der Umfang<br />
der Grundstücksbevorratung<br />
für das Bauträgergeschäft<br />
nicht mehr mit den<br />
Marktgegebenheiten übereinstimmt.<br />
Es sollte bedacht<br />
werden, dass die Grundstücksbevorratung<br />
nicht kostenlos<br />
ist. Auf Grund der<br />
Bilanzstruktur ist jedes Grundstück im Umlaufvermögen<br />
mindestens in Höhe der Fremdkapitalquote des Unternehmens<br />
fremdfinanziert. Insofern ergeben sich kalkulatorische<br />
Zinsen für die vorgehaltenen Grundstücke. Wir erachten<br />
es als notwendig, dass dieser Bereich im besonderen<br />
Fokus der Unternehmensführung steht und dass gegebenenfalls<br />
ohne Rücksicht auf Restbuchwerte eine Kapitalfreisetzung<br />
erfolgt bzw. wahrscheinliche Verluste bilanztechnisch<br />
antizipiert werden.<br />
Ebenfalls hat sich die Bewertung von umgewidmeten Wohneinheiten<br />
aus dem Umlaufvermögen (unverkaufte Eigentumsmaßnahmen)<br />
ins Anlagevermögen vielfach als Problem<br />
erwiesen. Regelmäßig liegen die Ertragswerte dieser Einheiten<br />
deutlich unter den Buchwerten, so dass von einer<br />
dauerhaften Wertminderung ausgegangen werden muss.<br />
Risikomanagement und internes Kontrollsystem<br />
Seit Ablauf des Kalenderjahres 1998 (Einführung des KontraG)<br />
sind alle Mitgliedsunternehmen verpflichtet, ein Risikomanagementsystem<br />
(RMS) einzuführen und für die Steuerung<br />
der Unternehmen zu nutzen. Das Risikomanagementsystem<br />
kann nur unternehmensindividuell gestaltet sein,<br />
muss aber die Mindestbestandteile „internes Kontrollsystem“,<br />
„Controlling“ und „Risikofrüherkennung“ umfassen.<br />
In diesem Zusammenhang lag im Kalenderjahr 2004 der<br />
Schwerpunkt unserer Ordnungsmäßigkeitsprüfung auf dem<br />
Aufbau- und der Funktionstüchtigkeit des Systems „Mietforderungen“.<br />
Die Bereiche Bonitätsprüfung der potenziellen<br />
Mieter, die Zahlungsüberwachung, das Mahn- und Räumungswesen<br />
standen dabei im Vordergrund. Grundsätzlich<br />
können wir feststellen, dass insbesondere kleinere und mittlere<br />
Genossenschaften über ein nach wie vor gutes Mieterpotenzial<br />
verfügen. Nur relativ geringe Mietforderungsausfälle<br />
sind daher zu gegenwärtigen. Alle anderen Mitgliedsunternehmen<br />
leiden trotz eines guten Systems unter relativ<br />
hohen Forderungsausfällen.<br />
Sofern im Rahmen der Prüfung<br />
Beanstandungen ausgesprochen<br />
worden sind,<br />
handelte es sich insbesondere<br />
um Beanstandungen<br />
im Bereich des Mahn- und<br />
Räumungswesens.<br />
Im Rahmen der Prüfung ist<br />
des Öfteren aufgefallen, dass<br />
den Grundbüchern nicht genügend<br />
Aufmerksamkeit gewidmet<br />
wird. Wir weisen insbesondere auf die Bedeutung<br />
der Abteilungen II und III hin.<br />
Beratungsdienstleistungen<br />
Die gutachterliche Tätigkeit konzentrierte sich im Wesentlichen<br />
auf Vorgänge bei denen Immobilienbestände gebzw.<br />
verkauft werden sollten. Auftraggeber waren in vielen<br />
Fällen kommunale Unternehmen bzw. deren Gesellschafter.<br />
Der <strong>vbw</strong> verfügt über fünf besonders qualifizierte Mitarbeiter,<br />
die solche Aufträge bearbeiten können.<br />
Um den erhöhten Anforderungen seitens der Banken gerecht<br />
zu werden, hat der Verband ein Bewertungsprogramm<br />
entwickeln lassen, dass wir den Unternehmen für die Ermittlung<br />
von Verkehrswerten gerne zur Verfügung stellen.<br />
Aufgrund der hohen Fachkompetenz und Brachenerfahrung<br />
wurden wir im Jahr 2004 auch wieder mit der Bewertung<br />
ganzer Wohnungsunternehmen (Unternehmensbewertung)<br />
beauftragt.<br />
Fortgeführt wurden insbesondere die Portfolioanalysen,<br />
welche der <strong>vbw</strong> speziell für kleine und mittlere Unternehmen<br />
konzipiert und zugeschnitten hat und eine preiswerte<br />
Alternative zu anderen Anbietern darstellen.
MITGLIEDER DER FACHAUSSCHÜSSE<br />
Fachausschuss Aus- und Weiterbildung<br />
Vorsitzender: Karl Nagel, Karlsruhe<br />
Siegfried Bald, Stuttgart<br />
Klaus-Dieter Gabe, Mannheim<br />
Lothar Girrbach, Pforzheim<br />
Friedrich Haas, Stuttgart<br />
Prof. Dr. Eduard Mändle, Geislingen<br />
Günther Will, Pforzheim<br />
Manfred Wolf, Mannheim<br />
Walter Zanker, Balingen<br />
Fachausschuss Betriebswirtschaft<br />
Vorsitzender: Horst Jürgen Müller, Mosbach<br />
Prof. Dr. Hansjörg Bach, Nürtingen<br />
Gerhard Breuninger, Tübingen<br />
Reinhard Disch, Freiburg<br />
Dr. Thomas Hain, Karlsruhe<br />
Berthold Hartmann, Tübingen<br />
Michael-J. Rosenberg-Pohl, Stuttgart<br />
Georg Rothfelder, Sindelfingen<br />
Fritz Schmidt, Stuttgart<br />
Jürgen Schweinbenz, Stuttgart<br />
Martin Stahl, Pforzheim<br />
Rita Welsch, Mannheim<br />
Thomas Wolf, Stuttgart<br />
Fachausschuss Technik<br />
Vorsitzender: Norbert Endler, Pforzheim<br />
Cornelia Al-Turk, Stuttgart<br />
Thomas Bast, Lörrach<br />
Dr. Thomas Benz, Stuttgart<br />
Werner Emmerich, Karlsruhe<br />
Mathias Friko, Stuttgart<br />
Michael P. Haußer, Stuttgart<br />
Matthias Henes, Mannheim<br />
Jörg Kebschull, Stuttgart<br />
Anna Kraft-Metzger, Karlsruhe<br />
Bruno Möws, Stuttgart<br />
Christoph Neis, Ulm<br />
Christian Orth, Mannheim<br />
Wolfgang Weber, Karlsruhe<br />
Fachausschuss Wohneigentum<br />
Vorsitzender: Peter Söntges, Ludwigsburg<br />
Günther Aubele, Ulm<br />
Gerhard Ayasse, Nürtingen<br />
Wolfgang D. Heckeler, Bietigheim-Bissingen<br />
Werner König, Stuttgart<br />
Siegfried Lenz, Karlsruhe<br />
Thomas Nostadt, Lörrach<br />
Karl Scheinhardt, Stuttgart<br />
Jürgen Schweinbenz, Stuttgart<br />
Frank Zimmermann, Laupheim<br />
Fachausschuss Wohnungspolitik und<br />
Wohnungsbauförderung<br />
Vorsitzender: Günter Ramge, Karlsruhe<br />
Roland Grundler, Singen<br />
Jürgen Hägele, stellv. Vorstand L-Bank, Karlsruhe<br />
Thomas Nostadt, Lörrach<br />
Werner Schust, Crailsheim<br />
Karl-Hans Steiner, Nürtingen<br />
Carsten von Zepelin, Pforzheim<br />
Stand 23.03.2005<br />
A US DER TÄTIGKEIT DES VERBANDES<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004<br />
37
BETEILIGUNGS-<br />
UNTERNEHMEN<br />
Als einer der ersten Landesverbände innerhalb des GdW<br />
Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen<br />
e.V. gründete der <strong>vbw</strong> Beteiligungsgesellschaften,<br />
die die Wohnungsunternehmen durch Service- und<br />
Beratungsleistungen unterstützen.
Akademie der Wohnungsund<br />
Immobilienwirtschaft<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> GmbH<br />
Die AWI ist die Aus- und Weiterbildungseinrichtung der<br />
Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>.<br />
Das langjährige Konzept der Private Public Partnership<br />
zwischen dem <strong>vbw</strong> Verband baden-württembergischer<br />
Wohnungsunternehmen e.V. und der Hochschule Nürtingen-Geislingen<br />
hat sich auch im Jahre 2004 wieder bestens<br />
bewährt. Das Angebot der AWI richtet sich an alle Führungskräfte<br />
und Mitarbeiter(innen), die in der Wohnungsund<br />
Immobilienwirtschaft beschäftigt sind oder zukünftig<br />
dort tätig sein wollen. Im Jahre 2004 führte die Akademie<br />
folgende Veranstaltungen durch:<br />
Lehrgang Haus- und Wohnungseigentumsverwaltung<br />
In diesem Lehrgang werden praxisnah und konzentriert vor<br />
allem rechtliche, steuerliche, kaufmännische und technische<br />
Kenntnisse zur Bewältigung der vielfältigen Verwaltungsaufgaben<br />
vermittelt. Der 5. Kurs mit insgesamt 29 Teilnehmer(innen)<br />
endete im Februar mit der freiwilligen Prüfung<br />
zum/zur „Geprüften Immobilienverwalter(in)/AWI“. Der<br />
6. Kurs startete im September mit insgesamt 34 Teilnehmer(innen).<br />
Lehrgang Bautechnik und Architektur für Kaufleute<br />
Dieser Kurs vermittelt das technische Wissen, das für die Beurteilung<br />
betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Vorgänge<br />
in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft erforderlich ist.<br />
Der 10. Kurs startete im Oktober mit insgesamt 11 Teilnehmer(innen)<br />
und wurde um 20 Unterrichtseinheiten (UE)<br />
zum Thema Umnutzungskonzepte für Altbauten und weiteren<br />
20 UE für Instandsetzung und Instandhaltung erweitert.<br />
Weiterbildungsstudium Geprüfte(r) Immobilienfachwirt(in)/IHK<br />
Dies ist das Studium zum Generalisten in der Wohnungs- und<br />
Immobilienwirtschaft. Der 12. Kurs wurde in Mannheim<br />
durchgeführt und schloss mit der mündlichen IHK-Prüfung<br />
im Mai ab. Der 13. Kurs wird derzeit von 18 Teilnehmer(innen)<br />
besucht, der 14. Kurs startete im September mit<br />
insgesamt 17 Teilnehmer(innen). Beide Kurse finden in<br />
Nürtingen <strong>statt</strong>.<br />
Fortbildungsstudium Immobilien-Ökonom(in) / GdW<br />
Bei diesem Studium werden Kenntnisse und Qualifikationen<br />
des Allgemeinen Managements und des Immobilienmanagements<br />
sowie Schlüsselqualifikationen vermittelt, die weit<br />
über das notwendige Fachwissen hinausreichen. Der 3. Kurs<br />
endete erfolgreich im Juni. Der 4. Kurs begann im Oktober<br />
mit insgesamt 26 Teilnehmer(innen). Ab sofort wird dieses<br />
Fortbildungsstudium mit der Zertifizierung des GdW Bundesverband<br />
deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen<br />
e.V. angeboten.<br />
Insgesamt bildeten sich in 2004 in einem AWI-Lehr- oder<br />
Studiengang 193 Studierende weiter, jedoch arbeiteten<br />
durchschnittlich nur 47 Prozent der Teilnehmer(innen) in<br />
einem <strong>vbw</strong>-Mitgliedsunternehmen; im Lehrgang „Haus- und<br />
Wohnungseigentumsverwaltung“ sind sogar nur 15 Prozent<br />
der Teilnehmer in <strong>vbw</strong>-Mitgliedsunternehmen tätig.<br />
Tagungen<br />
Im Jahr 2004 fanden 32 Ein- und Mehrtagesveranstaltungen<br />
mit insgesamt 1.206 Teilnehmer(inne)n <strong>statt</strong>. Folgende<br />
Großveranstaltungen wurden durchgeführt: Tage der<br />
Wohnungsgenossenschaften im Juni in Ulm, <strong>Baden</strong>-<br />
<strong>Baden</strong>er Tage der Wohnungswirtschaft im September und<br />
die beiden Steuerseminare in Karlsruhe und Stuttgart im<br />
November. Im Gegensatz zu den Lehr- und Studiengängen<br />
arbeiteten 85 Prozent der Seminarteilnehmer in einem <strong>vbw</strong>-<br />
Mitgliedsunternehmen.<br />
Vorschau 2005<br />
Derzeit sind 27 Seminare geplant sowie je ein neuer Kurs der<br />
bereits genannten Lehr- und Studiengänge. Neu im Angebot<br />
sind „Betriebswirtschaft für Nicht-Betriebswirte“ mit 100 UE,<br />
„Buchhaltung Wohnungswirtschaft“ mit 240 UE, „Controlling<br />
in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft“ mit 140<br />
UE, „Rating in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft“ mit<br />
140 UE und in Zusammenarbeit mit der Südwestdeutschen<br />
Fachakademie „Immobilien-Consultant“ mit 120 UE.<br />
AWI<br />
Akademie der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> GmbH<br />
Neckarsteige 6-10<br />
72622 Nürtingen<br />
Telefon: 0 70 22/ 93 94 81<br />
Telefax: 0 70 22/ 93 94 82<br />
info@awi-<strong>vbw</strong>.de<br />
www.awi-<strong>vbw</strong>.de<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 BETEILIGUNGSUNTERNEHMEN<br />
39
40<br />
AWTS-Assekuranz-GmbH<br />
Versicherungs- und Finanzierungsmakler<br />
Das Geschäftsjahr 2004 war für die AWTS ein sehr turbulentes<br />
Jahr. Durch einschneidende Veränderungen in der Geschäftsführung<br />
wurden interne Strukturen verändert und<br />
wesentliche Bereiche des Unternehmens neu ausgerichtet.<br />
Auf diese Weise konnte und kann die AWTS den Verbandsmitgliedern<br />
gleichbleibend gute beziehungsweise sogar<br />
weiter verbesserte Dienstleistungen anbieten.<br />
Im vergangenen Jahr hat die AWTS rund 3.000 Neuschäden<br />
über sämtliche Sparten hinweg bearbeitet. Die Bandbreite<br />
der Schäden, bei welchen die AWTS als Koordinator und Begleiter<br />
unterstützend tätig war, reichte vom Großbrand mit<br />
Totalverlust bis zum Kleinschaden.<br />
Speziell im Bereich der Gebäudeversicherung konnte die<br />
AWTS ihren Kunden zahlreiche Alternativen offerieren, welche<br />
von Umdeckungen bis Vertragsverlängerungen mit entsprechenden<br />
Prämienvorteilen reichten.<br />
Insgesamt ist die Situation am Versicherungsmarkt aber<br />
weiterhin höchst angespannt. Auswirkungen auf die weltweite<br />
Versicherungswirtschaft hat selbstverständlich auch<br />
die tragische Flutkatastrophe in Südostasien, welche das<br />
Jahr 2004 zum mit Abstand schadenreichsten Jahr in der<br />
Geschichte der internationalen Versicherungswirtschaft machte.<br />
Bis zu diesem Ereignis zählte der weltweit größte<br />
Rückversicherer, die Münchener Rück, rund 650 Naturkatastrophen,<br />
die einen Versicherungsschaden von rund 40<br />
Mrd. $ verursachten. Den Großteil der Kosten tragen die<br />
Rückversicherer. Sie übernehmen die Risiken aus Policen<br />
von Erstversicherern. Die logische Folge großer Naturkatastrophen<br />
ist die Erhöhung der Rückversicherungsprämien<br />
gegenüber dem Erstversicherer, welcher wiederum die<br />
Mehrprämie an die Endverbraucher, somit die Versicherungsnehmer,<br />
weitergibt. Dies wird die Versicherungswirtschaft<br />
2005 zu spüren bekommen.<br />
Um die immer komplizierter und schnelllebiger werdenden<br />
Vorgänge und Abläufe – speziell in der Versicherungswirtschaft<br />
– kundenfreundlich und jederzeit marktgerecht bewältigen<br />
zu können, hat die AWTS ihr Fachpersonal verstärkt und<br />
weitergebildet. Insgesamt stehen den Verbandsmitgliedern<br />
sieben Vollzeitkräfte, eine Teilzeitkraft und ein Auszubildender<br />
als kompetente Ansprechpartner zur Verfügung.<br />
AWTS-Assekuranz-GmbH<br />
Herdweg 52<br />
70174 Stuttgart<br />
Telefon: 07 11/1 63 45-550<br />
Telefax: 07 11/1 63 45-529<br />
info@awts<strong>vbw</strong>.de<br />
www.awts<strong>vbw</strong>.de
2004 konnte sich die casadomus AG weiter erfolgreich im<br />
Bereich der „Internetdienstleistungen“ positionieren. Neben<br />
IT-bezogenen Tätigkeiten wie dem Aufbau von Unternehmensnetzwerken<br />
inklusive der Errichtung einer umfassenden<br />
Sicherheitsarchitektur, stieg die Nachfrage nach den<br />
speziell für die Wohnungswirtschaft konzipierten Internetauftritten<br />
beständig an.<br />
Gerade in diesem Bereich hat die casadomus AG erhebliche<br />
Erfolge zu verbuchen. Dies bewies das gute Abschneiden<br />
der von ihr konzipierten Auftritte beim Internetwettbewerb<br />
des <strong>vbw</strong>.<br />
Besonderes Augenmerk legte die casadomus AG auch auf<br />
die Angebote im grafischen Bereich. Innerhalb der neuen<br />
Produktpalette „Visualisierungen“ wurden zahlreiche Immobilienobjekte<br />
inklusive Umgebungsdaten visualisiert.<br />
Neben attraktiven Grundrisszeichnungen und übersichtlichen<br />
Lageplan-Illustrationen fanden hier vor allem die fotorealistischen<br />
Nachbildungen von Immobilienobjekten anhand<br />
von Architekturdaten regen Anklang. Diese wurden<br />
vielfach für die Darstellung in Exposées, Baugesuchen oder<br />
für die Präsentation auf Bauschildern genutzt. Daneben<br />
nutzten einige der Kunden animierte Rundgänge im und<br />
Kamerafahrten um eine Immobilie als Verkaufshilfe.<br />
Die Zusammenarbeit mit dem Multimedia-Partner aus<br />
Ludwigsburg, der MediaCluster GmbH, konnte weiter vertieft<br />
werden. Sie mündete in der erfolgreichen Entwicklung<br />
eines Redaktionssystems, mit Namen „immoCMS“, das für<br />
eine optimale Einbindung von Immobilien auf dem eigenen<br />
Internetauftritt konzipiert wurde. Mit Hilfe dieser Erweiterung<br />
können nun nicht nur wie bisher die gesamten Inhalte<br />
der Internetpräsenz, sondern auch alle Immobilien in nur<br />
einer Datenbank bequem selbstständig verwaltet werden.<br />
Schnittstellen zu anderen Immobilienanbietern runden das<br />
komfortable Redaktionssystem ab und ermöglichen eine<br />
umfassende Mehrfachvermarktung. Denn bei einmaliger Erfassung<br />
können alle eingegebenen Immobilienobjekte per<br />
Klick ganz einfach exportiert und in anderen Immobilienportalen<br />
automatisiert veröffentlicht werden.<br />
In diesem Zusammenhang konnte auch die Zusammenarbeit<br />
mit unserem großen Kooperationspartner ImmobilienScout24<br />
weiter verbessert werden, so dass casadomus-<br />
Kunden zunehmend von Angeboten des Markführers profitieren<br />
können.<br />
casadomus AG<br />
Alt-<strong>Württemberg</strong>-Allee 42<br />
71638 Ludwigsburg<br />
Telefon 0 71 41/6 85 19-80<br />
Telefax 0 71 41/6 85 19-81<br />
info@casadomus.de<br />
www.casadomus.de<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 BETEILIGUNGSUNTERNEHMEN<br />
41
42<br />
Energie Management<br />
Service GmbH<br />
Nachdem sich auch im vergangenen Jahr die Entwicklung<br />
der Energiemärkte anders als bei der Gründung der Gesellschaft<br />
im Jahr 2000 ursprünglich angenommen vollzogen<br />
hat, war die Entwicklung der EMS auch im Jahr 2004 nur in<br />
einem schwierigen Umfeld möglich. Im Bereich des Stromgeschäftes<br />
sind weitere Marktanbieter verschwunden, was<br />
dazu geführt hat, dass der Markt sich in Richtung einer<br />
Oligopolisierung entwickelt hat. Gleichzeitig liegt die Entwicklung<br />
des Gasmarktes noch deutlich hinter den ursprünglichen<br />
Vorstellungen zurück. Es hat sich durch diese<br />
Entwicklung wieder als richtig erwiesen, dass von Seiten<br />
der EMS keine Aktivitäten hinsichtlich eingeständiger<br />
Strom- bzw. Gasvermarktung operativ ergriffen wurden.<br />
Vielmehr konzentrierte sich das Geschäft der EMS auch im<br />
vergangenen Jahr auf die Energieberatung bzw. Anbahnung<br />
von Contractingaktivitäten gemeinsam mit den Mitgliedsunternehmen<br />
des <strong>vbw</strong>.<br />
Insgesamt bleibt hierbei festzuhalten, dass gerade in<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> das Thema Contracting bei Wohnungsbaugesellschaften<br />
noch bei weitem nicht so fortgeschritten<br />
ist, wie dies in anderen Regionen der Republik der Fall ist.<br />
Hierzu wurden verschieden Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen<br />
durchgeführt.<br />
Gleichzeitig wurden für mehrere Unternehmen in speziellen<br />
Energiefragen unentgeltliche Beratungsleistungen erbracht.<br />
Innerhalb der Geschäftsführung wurde gemeinsam mit den<br />
Gesellschaftern auch sehr intensiv darüber diskutiert, wie<br />
weit das Thema der „Privat Public Partnership“ zusätzliche<br />
Möglichkeiten und Geschäftsmodelle für die EMS beinhaltet.<br />
Diese Diskussion wird sicherlich im Jahr 2005 entsprechend<br />
abzuschließen sein.<br />
Gleichzeitig wurden im Jahre 2004 aufgrund der Umstrukturierung<br />
im MVV Energie Konzern die Anteile von der<br />
MVV Energie AG auf die MVV Energiedienstleistungen<br />
GmbH übertragen.<br />
EMS<br />
Energie Management Service GmbH<br />
Herdweg 52<br />
70174 Stuttgart<br />
Telefon: 07 11/1 63 45-31<br />
Telefax: 07 11/1 63 45-37
Der Markt der Kabelnetze war auch in 2004 wieder sehr<br />
bewegt. Die Kabel Deutschland wollte Kabel BW, ish und<br />
easy zurückkaufen. Das Kartellamt hat deutlich signalisiert,<br />
dass die Herstellung alter Monopole nicht zugelassen wird.<br />
Seitdem werden bei den NE3-Betreibern (Netzebene 3-Betreibern)<br />
neue Geschäftsmodelle gesucht. Kabel <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
fährt den alten Kurs weiter: einige Ausbaugebiete<br />
für Triple Play, ansonsten Marktbereinigung durch Billigpreise;<br />
mittel- und langfristig nicht immer zum Vorteil der<br />
Wohnungswirtschaft.<br />
In der Netzebene 4 erfolgten Konsolidierungen, die größte<br />
dabei: Bosch (BN) Breitbandnetze GmbH stand seit Mitte des<br />
Jahres zum Verkauf. Im Dezember wurde der Vertrag zwischen<br />
Bosch und ewt unterzeichnet. Die Augsburger ewt ist<br />
durch den Zukauf mit über zwei Millionen angeschlossenen<br />
Haushalten zweitgrößter NE-4-Netzbetreiber in Deutschland.<br />
Bei den Netzen der NE3-Regionalnetze ist ewt nach<br />
den ehemaligen Telekom-Regional-Kabelgesellschaften<br />
größter unabhängiger Kabelnetzbetreiber.<br />
Für die wms – Wohnmedia Service GmbH ist dieser Verkauf<br />
von Bedeutung, da die Bosch (BN) Breitbandnetze GmbH<br />
Gesellschafter der wms war. Der Kauf von BN Breitbandnetze<br />
GmbH durch die ewt schließt die Übernahme der<br />
Gesellschaftsanteile der wms mit ein. Die ewt wird die<br />
Arbeit der wms weiter fördern, um den Wohnungsunternehmen<br />
in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> und Thüringen, aber auch<br />
darüber hinaus, die notwendigen Beratungsleistungen für<br />
eine umfassende multimediale Versorgung zu ermöglichen.<br />
Die Umfrage des <strong>vbw</strong> zur Analyse der Mitgliederzufriedenheit<br />
zeigt, dass die wms Wohnmedia Service GmbH sehr<br />
bekannt ist (bei ca. 80 Prozent der Geschäftsführer und Vorstände)<br />
und mit ihrer Arbeit von der Mehrheit der Mitgliedsunternehmen<br />
für erforderlich gehalten wird. Die Intensivierung<br />
der Beratungs- und Informationstätigkeit in den<br />
letzten drei Jahren beginnt Wirkung zu zeigen.<br />
Durch viele Konsultationen ist es gelungen, bei fast allen<br />
Mitgliedsunternehmen des <strong>vbw</strong> intensive Kontakte herzustellen<br />
und wesentliche Informationen über Markt und wms<br />
zu geben. Andererseits konnten viele Ist-Situationen der<br />
Unternehmen analysiert werden und daraus Handlungsempfehlungen<br />
für das weitere Herangehen bei der Versorgung<br />
mit Rundfunk- und Fernsehsignalen abgeleitet wer-<br />
den. Die sehr individuelle persönliche Beratung wird auch<br />
weiterhin der Schwerpunkt der Tätigkeit der wms bleiben.<br />
Da diese Konsultationen für die Mitgliedsunternehmen kostenlos<br />
sind, wird die Nachfrage in der kommenden Zeit eher<br />
stärker werden.<br />
Etwa zehn Prozent aller Kabel-Versorgungsverträge werden<br />
pro Jahr geändert oder neu abgeschlossen. In drei Jahren<br />
wären im Bestand des <strong>vbw</strong> daher bei ca. 90 Unternehmen<br />
die Verträge zu erneuern, von denen die knappe Hälfte<br />
durch Konsultationen bei der wms Hilfestellungen erhalten<br />
haben.<br />
Digitale Programmvielfalt, fremdsprachige Programme,<br />
Hochzeilenfernsehen (HDTV), Set-Top-Boxen, Verschlüsselungskonzepte<br />
und die verschiedenen Umstiegsszenarien<br />
von analogem zu digitalem Empfang, sowohl im Kabel als<br />
auch terrestrisch (DVB-T), werden Mieter und Unternehmen<br />
auch weiterhin beschäftigen. Hochgeschwindigkeits-Internet,<br />
Telefonie über das Breitbandkabel (VoIP) oder Informationskanäle<br />
für die Wohnungswirtschaft sind Diskussionspunkte<br />
mit „Für-und-Wider“ zwischen Kabelunternehmen<br />
und Wohnungswirtschaft. Die wms wird die Entwicklungen<br />
im Markt sehr aufmerksam verfolgen und für die Wohnungsunternehmen<br />
analysieren. Schwerpunkte der Tätigkeit<br />
in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> bleiben weiterhin die kompetente<br />
Beratung der Unternehmen für eine moderne und<br />
solide Medienversorgung ihrer Haushalte.<br />
WMS Wohnmedia Service GmbH<br />
Sitz der Gesellschaft:<br />
Bismarckstraße 71<br />
10627 Berlin (Charlottenburg)<br />
Telefon: 030/33 88-1940<br />
Telefax: 030/33 88-1912<br />
Niederlassung Stuttgart<br />
Herdweg 52<br />
70174 Stuttgart<br />
Telefon: 07 11/1 63 45-30<br />
Telefax: 07 11/1 63 45-37<br />
info@wms.de<br />
www.wms.de<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 BETEILIGUNGSUNTERNEHMEN<br />
43
44<br />
Wohnungswirtschaftliche<br />
Treuhand Stuttgart GmbH<br />
Die WTS wurde im Jahr 1935 als Dienstleistungsunternehmen<br />
für die Wohnungswirtschaft gegründet. Alleingesellschafter<br />
ist der <strong>vbw</strong>.<br />
Heute bietet die WTS folgendes Betreuungsspektrum an:<br />
Steuerberatung<br />
Beratungsschwerpunkte im Jahr 2004 waren Fragestellungen,<br />
die aus des Umkehrung der Steuerschuldnerschaft<br />
(§ 13b UStG) und der Novellierung der Regelungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung<br />
(8a KStG) resultierten.<br />
Jahresabschlusserstellung<br />
Erfahrungsgemäß bereitet die Erstellung von Handelsbilanzen<br />
„Quereinsteigern“ im Rechnungswesen wohnungswirtschaftlicher<br />
Unternehmen wegen des anzuwendenden<br />
Formblattes Schwierigkeiten. Zur Minimierung ihres Aufwandes<br />
bedienen sich zahlreiche Unternehmen bei der Abschlusserstellung<br />
der Betreuung durch die WTS. Durch die<br />
enge Verzahnung mit der Steuerabteilung können darüber<br />
hinaus bereits bei der Abschlusserstellung die Weichen für<br />
eine optimale Steuergestaltung gestellt werden.<br />
Finanzbuchhaltung/Lohnbuchhaltung/<br />
Lohnabrechnung/Sachbearbeitung<br />
Da die Führung der Lohnbuchhaltung und die Erstellung der<br />
Gehaltsabrechnungen durch die vielfältigen sozialversicherungs-<br />
und steuerrechtlichen Regelungen im Unternehmen<br />
immer mehr Kapazität bindet, bietet die WTS auch in diesem<br />
Bereich ihre Dienste an. Durch die Verpflichtung zur elektronischen<br />
Lohnsteueranmeldung ab 2005 und der ab 2006<br />
bestehenden Verpflichtung zur elektronischen Anmeldung<br />
der Sozialversicherungsbeiträge, gehen wir davon aus, dass den<br />
3 Mandatszugängen zum Januar 2005, auch im nächsten<br />
Jahr weitere Mandatszuwächse zu verzeichnen sein werden.<br />
Auch bei Personalengpässen im Bereich des Rechnungswesens<br />
unterstützen wir Wohnungsunternehmen durch<br />
unser Fachpersonal.<br />
Datenschutzbeauftragter<br />
Wegen des Umgangs mit personenbezogenen Daten müssen<br />
Wohnungsunternehmen einen Datenschutzbeauftragten<br />
haben. Der Datenschutzbeauftragte hat weitgehende Befugnisse<br />
im Unternehmen. Es kann deshalb sinnvoll sein, diese<br />
Aufgabe durch Externe erledigen zu lassen. Ein Mitarbeiter<br />
der WTS steht für die Übernahme der Aufgabe als Datenschutzbeauftragter<br />
zur Verfügung. Aufgrund des Auslaufens<br />
der Übergangsfrist zur Anpassung an die Novellierung des<br />
Bundesdatenschutzgesetzes ergaben sich im Jahr 2004<br />
deutliche Mandatszuwächse.<br />
Technische Revision<br />
Seit dem Sommer 2000 bietet die WTS Dienstleistungen<br />
auch im technischen Bereich an. Das Spektrum ist hier weit<br />
gefasst, es reicht von der Durchführung technischer Revisionen,<br />
der Erstellung von Bewertungsgutachten, der Tätigkeit<br />
als SiGe-Koordinator bis hin zur Erstellung von Instandhaltungsplänen.<br />
Unser Mitarbeiter wurde im Jahr 2003 zum<br />
Energiesparberater fortgebildet und ist beim Bundesamt für<br />
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zugelassen und eingetragen.<br />
Zukünftig erwarten wir einen steigenden Auftragseingang<br />
für diesen Bereich.<br />
Betriebswirtschaftliche Beratungen/<br />
Organisationsberatung<br />
Im Jahr 2004 haben wir uns auf folgende neue Beratungsthemen<br />
vorbereitet:<br />
• Durchführung von Mieterbefragungen<br />
• Rating-Beratung<br />
WTS Wohnungswirtschaftliche Treuhand Stuttgart GmbH<br />
Hohe Str. 16<br />
70174 Stuttgart<br />
Telefon: 07 11/2 27 67-0<br />
Telefax: 07 11/2 27 67-98<br />
e-mail: info@wts-<strong>vbw</strong>.de
Beratungsgesellschaft mbH<br />
für Wohnungswirtschaftliche<br />
Software und Organisation<br />
Ausgangslage<br />
Seit zwei Jahren ist der Markt für wohnungswirtschaftliche<br />
Software bereits in Bewegung. Bei einigen Softwareanbietern<br />
steht in den nächsten Jahren ein umfangreicher Software-Wechsel<br />
an, was zu einer Verunsicherung der Marktteilnehmer<br />
führt. So müssen bundesweit über 2.000 Wohnungsunternehmen<br />
in den nächsten Jahren ihre veraltete<br />
ASP- oder Inhouse-Lösung auf eine neue Software umstellen.<br />
Insbesondere diese Unternehmen sind gefordert, sich<br />
sehr genau am Markt nach der für ihre Bedürfnisse besten<br />
Lösung umzuschauen.<br />
Um dem unausweichlichen, künftigen Umstellungsstau zu<br />
umgehen, sind diese Wohnungsunternehmen gut beraten,<br />
ihre Entscheidung nicht zu lange hinauszuzögern, sondern<br />
rechtzeitig die richtigen Weichen zu stellen. Viele Unternehmen<br />
lassen sich derzeit leider noch zu sehr von der<br />
Angst vor dem „Neuen“ beeinflussen. Vielmehr sollten die<br />
Vorteile und Mehrwerte eines Wechsels auf eine erprobte,<br />
moderne IT-Lösung die Entscheidungsfindung dominieren.<br />
Geschäftstätigkeit<br />
Die WWS bietet mit ihrem langjährigen Partner, der ESS AG<br />
eine ausgereifte Alternative zu den auslaufenden und den<br />
nachfolgenden Wettbewerbsprodukten. wowi c/s gehört seit<br />
Jahren zu den führenden IT-Lösungen am Markt und hat<br />
sich bereits bei ca. 300 Wohnungsunternehmen bewährt.<br />
Mit über 90 wohnungswirtschaftlich erfahrenen Mitarbeitern<br />
ist die ESS AG seit fast 30 Jahren als Spezialist für wohnungswirtschaftliche<br />
Softwarelösungen erfolgreich tätig und<br />
mit ihrem Produkt und dieser breiten Kundenbasis für die<br />
Zukunft bestens gerüstet.<br />
2004 konnten erneut viele neue wowi c/s-Kunden gewonnen<br />
werden, die von unterschiedlichen Wettbewerbssystemen,<br />
insbesondere von GES, den Wechsel vollzogen. Diese<br />
Softwareumstellungen wurden kompetent und engagiert<br />
von den Mitarbeitern der WWS durchgeführt. Projektleitung,<br />
Datenmigration, Installation und Schulung werden komplett<br />
durch die Spezialisten der WWS abgedeckt.<br />
Ein besonderes Augenmerk galt der Optimierung der Kundenbetreuung<br />
(Hotline), die aufgrund von Personalaufstockungen<br />
und Investitionen in die Infrastruktur nochmals<br />
verbessert werden konnte.<br />
Darüber hinaus hat die WWS auch 2004 ihren Kunden mit<br />
diversen Kundenveranstaltungen zusätzliche Services geboten.<br />
Neben den Informationsveranstaltungen für die kommende<br />
IDEA-Prüfungssoftware und zum wowi c/s Controlling,<br />
wurden die wowi c/s-Kunden in Workshops über interessante<br />
Software-Neuerungen informiert.<br />
Neben der Beratung und Betreuung von wowi c/s bietet die<br />
WWS allen Wohnungsunternehmen IT-Beratungsleistungen<br />
an, unabhängig davon, für welches Produkt man sich letztendlich<br />
entscheidet. Dazu gehört beispielsweise das Erstellen<br />
von Pflichtenheften oder die Wirtschaftlichkeitsberechnung<br />
von alter und neuer EDV.<br />
Ausblick 2005<br />
Die WWS hat mit der ESS AG und ihrer Software wowi c/s<br />
auch künftig gute Chancen für das Neugeschäft. Die laufenden<br />
Kundenkontakte werden die Bemühungen um weitere<br />
Marktanteile unterstützen.<br />
Das umfassende Modulangebot mit den ausgereiften Funktionalitäten<br />
wurde um die Controlling-Lösung ergänzt. Somit<br />
bietet die WWS ihren Kunden künftig ein integriertes<br />
Management-Informationssystem, das aus wowi c/s heraus<br />
automatisch aktualisiert wird. Das heißt: mehr und bessere<br />
Controllingfunktionen zur Steuerung und Kontrolle von Kosten<br />
und Erträgen. Ein optimiertes Risikomanagement und<br />
Führungsinformationen zur Unterstützung strategischer Entscheidungen<br />
und zur Nutzung der Zahlenwerke für Basel II.<br />
WWS Beratungsgesellschaft mbH für wohnungswirtschaftliche<br />
Software und Organisation<br />
Herdweg 54<br />
70174 Stuttgart<br />
Telefon: 07 11/1 63 45-800<br />
Telefax: 07 11/1 63 45-890<br />
info@wws-<strong>vbw</strong>.de<br />
www.wws-<strong>vbw</strong>.de<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 BETEILIGUNGSUNTERNEHMEN<br />
45
QUER-<br />
GEFRAGT<br />
Wie können tragfähige Konzepte der Wohnzukunft, des<br />
nachhaltigen Flächenmanagements, des Stadtumbaus<br />
aussehen? Hat das Genossenschaftswesen, hat unser<br />
heutiges Sozialstaatssystem Zukunftschancen? Für die<br />
Verbandszeitschrift „aktuell – Die Wohnungswirtschaft<br />
in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>“ hat der <strong>vbw</strong> namhafte Vertreter<br />
aus Politik und Wirtschaft quer durch die Themenfelder<br />
der Branche und darüber hinaus befragt.
„Wir wissen, was wir an Ihnen haben“, rief der Vorsitzende<br />
der CDU-Landtagsfraktion den vertretenen Mitgliedsunternehmen<br />
im <strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong>er Kongresshaus zu. Dennoch machte<br />
er der Wohnungswirtschaft wenig Hoffnung auf mehr<br />
Geld für die Wohnbauförderung. Stattdessen sprach er sich<br />
für weniger Kündigungsschutz und die Beibehaltung von<br />
steuerlichen Anreizen bei der Anschaffung einer Immobilie<br />
aus. Öffentliche Förderung ist seiner Meinung nach weiterhin<br />
wichtig, damit Wohneigentum für jeden realisierbar bleibt.<br />
Oettinger forderte die Mitgliedsunternehmen im <strong>vbw</strong> auf, das<br />
Angebot von Grundstücken, die das Land verkauft, anzunehmen:<br />
„Wir sehen Sie beim Verkauf als Partner der nächsten<br />
Jahre, denn Sie kennen den Markt.“ Am Rande der Fachtagung<br />
sprach aktuell mit dem Fraktionsvorsitzenden.<br />
aktuell: Die diskutierte Reform<br />
der Grundsteuer wird<br />
letztlich zu Lasten der Eigentümer<br />
und Mieter gehen.<br />
Unterstützt Ihre Fraktion<br />
diese Reform nach dem vorgelegten<br />
Modell aus Mainz<br />
und München?<br />
Oettinger: Eine Anhörung der CDU-Landtagsfraktion hat<br />
alle Argumente auf den Tisch gelegt. Auch Ihr Verband war<br />
mit einer klaren Position bei uns. Wir werden jetzt gemeinsam<br />
mit dem Finanzministerium die Vor- und Nachteile dieser<br />
Lösungsvorschläge von Bayern und Rheinland-Pfalz bewerten.<br />
Ich bin in einer ersten Betrachtung auch skeptisch,<br />
ob dieser Reformansatz eine Verwaltungsvereinfachung<br />
Interview<br />
„Erwarten Sie nicht, dass es mehr Geld gibt“<br />
Günther H. Oettinger zu Herausforderungen und Grenzen der Wohnungspolitik<br />
bringt oder ob er nicht vielmehr die Gefahr höherer Kosten<br />
für Grundstückseigentümer, Steuerzahler und Mieter bringt.<br />
aktuell: Das Gemeindewirtschaftsrecht beziehungsweise<br />
die Subsidiaritätsklausel steht ebenfalls zur Diskussion.<br />
Wenn es nach der Meinung von Wirtschaftsminister Pfister<br />
geht, bleiben nur noch Zuschussbetriebe übrig. Sehen Sie<br />
eine Lösung innerhalb der Regierungskoalition?<br />
Oettinger: Ich baue auf einen gemeinsamen Zwischenbericht<br />
von Wirtschafts- und Innenministerium und wir werden einen<br />
Kompromiss finden, der dem Mittelstand und dem Handwerk<br />
Marktchancen belässt und trotzdem die Daseinsvorsorge durch<br />
kommunale Betriebe auch in Zukunft gefahrlos ermöglicht.<br />
aktuell: Das heißt, kommunale Wohnungsunternehmen müssen<br />
mit einer Einschränkung Ihres Tätigkeitsfeldes rechnen?<br />
Oettinger: Die Mehrzahl macht ihre Aufgabe hervorragend.<br />
Vielleicht sind einige etwas zu offensiv unterwegs. Wir gehen<br />
anhand von Einzelfällen jetzt die Marktlage durch.<br />
aktuell: Was halten Sie von der Parole „Bildung <strong>statt</strong><br />
Beton“? Oder anders gefragt: Wird <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> bei<br />
seiner Haltung bleiben und sich weiterhin gegen die Abschaffung<br />
der Eigenheimzulage aussprechen?<br />
Oettinger: Wir brauchen beides, bessere Bildung und mehr<br />
Wohneigentum. Deswegen ist diese Formulierung populistisch.<br />
Die Streichung der Eigenheimzulage zum Stopfen von<br />
Haushaltslöchern kommt mit uns nicht im Bundesrat durch.<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 QUERGEFRA G T<br />
47
48<br />
aktuell: Was ist eigentlich aus dem Novellierungsentwurf<br />
zum Mietrecht geworden?<br />
Oettinger: Das Ziel müsste sein, das Mietrecht zu vereinfachen<br />
und damit Investitionen durch Vermieter in den Mietwohnungsbau<br />
zu lenken. Aber genau dieses Ziel einer Deregulierung<br />
des Mietrechts wird mit der rot-grünen Bundesregierung<br />
nicht zu machen sein. Deswegen vertraue ich<br />
darauf, dass eine von uns geführte Regierung den Mut hat,<br />
dieses zu revidieren.<br />
aktuell: Die Wohnungswirtschaft im Lande, aber auch bundesweit<br />
kämpft mit rückläufigen Zahlen. Wenn Sie eine<br />
Prognose abgeben müssen, wird es danach in den nächsten<br />
fünf Jahren Zuwächse geben?<br />
Oettinger: In <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> haben wir in einigen Ballungsräumen<br />
und Hochschulstädten schon jetzt Wohnraummangel.<br />
Wir werden mit öffentlichen Mitteln die entsprechenden<br />
Sanierungs- und Neubaumaßnahmen nicht ausreichend<br />
finanzieren können. Deswegen brauchen wir eine Verbesserung<br />
der Marktgrundlagen, damit Privatkapital verstärkt<br />
in den Wohnungsbau kommt. Ohne Änderungen im Mietrecht<br />
und ohne Steueranreize wird dies nicht geschehen.<br />
aktuell: Die Einwohnerzahl <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>s wächst<br />
jährlich um 40.000 bis 50.000 Menschen. Die Zahl der Haushalte<br />
steigt bis zum Jahr 2020 weiter an. Aber der demografische<br />
Wandel verändert die Gesellschaftsstruktur. Was<br />
muss Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren wohnungspolitisch<br />
getan werden, um dieses zu berücksichtigen?<br />
Oettinger: Wir müssen im Bestand, bei den Altbauten, in den<br />
Stadtzentren alles tun, dass die Attraktivität bestehender Bausubstanz<br />
an den Bedarf angepasst wird. Und zum zweiten müssen<br />
wir mehr Bauland bereitstellen. Ich glaube, dass Bauland<br />
für Wohnimmobilien nicht negativer Flächenverbrauch wie<br />
beim Straßenbau, sondern eine andere Form der Landnutzung<br />
ist. Und deswegen setze ich darauf, dass die Kommunen stärker<br />
als bisher in die Ausweisung von Baugebieten gehen.<br />
aktuell: Die Nachverdichtung, die ja in vielen Kommunen<br />
als erste Priorität gesehen wird, reicht Ihrer Meinung nach<br />
allein nicht aus?<br />
Oettinger: Wir brauchen beides. Sicherlich brauchen wir im<br />
Bereich von industriellen Flächen wie bei Wohnbauflächen<br />
die Aktivierung von Brache und von alten Immobilien. Aber<br />
dies allein wird nicht reichen.<br />
aktuell: Eigentümer von Mietshäusern sollen für die weitergeleiteten<br />
Rundfunk-Programme eine Urheberrechtsabgabe<br />
bezahlen. Wie stehen Sie zu diesem Vorstoß?<br />
Oettinger: Natürlich haben die Hersteller von Medienprodukten<br />
ein Interesse daran, dass sie ihre Kosten und ihre<br />
Leistung auch vergütet bekommen. Ich glaube aber, dass<br />
dies eine bürokratische und nicht durchsetzbare Überlegung<br />
ist. Deswegen stehe ich dem ganz skeptisch gegenüber.<br />
aktuell: Glauben Sie, dass an der Konzentration im Kabelgeschäft<br />
noch ein Weg vorbeiführt?<br />
Oettinger: Das Ganze ist ein nicht geglückter Versuch zur<br />
Neuordnung der alten Post. Ich baue darauf, dass das Kartellamt<br />
die notwendigen marktwirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen<br />
Vorgaben macht.<br />
aktuell: Eine persönliche Frage zum Schluss: Was wünschen<br />
Sie sich für eine Wohnzukunft als Vater eines Kindes?<br />
Oettinger: Das besprechen meine Frau und ich an Weihnachten.<br />
Aber klar ist, mein Kleiner ist begeisterter Fußballer<br />
und auch ganz begabt, deswegen braucht er in jedem Fall<br />
ein Rasengrundstück, das zumindest Elfmeterschießen<br />
ermöglicht.<br />
Günther H. Oettinger (51) ist seit dem 12. April 1984 Mitglied<br />
des Landtags von <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>. Seit Januar 1991<br />
Fraktionsvorsitzender der CDU, außerdem Mitglied des<br />
Präsidiums und des Landesvorstandes sowie seit Mai 1999<br />
Vorsitzender des Bundesfachausschusses Medienpolitik der<br />
Bundes-CDU und seit 2001 Bezirksvorsitzender der CDU<br />
Nordwürttemberg. Oettinger studierte Rechtswissenschaften<br />
und Volkswirtschaft in Tübingen. Seit 1988 ist er als<br />
selbstständiger Rechtsanwalt und Geschäftsführer tätig.<br />
Oettinger lebt in Ditzingen, ist verheiratet und hat ein Kind.
„Die Eigenheimzulage sollte eine Landesförderung sein“<br />
Prof. Dr. Claudia M. Buch zu Wirtschaftswandel und Förderpolitik<br />
Sie leitet das hauptsächlich auf <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> ausgerichtete<br />
Forschungsinstitut IAW. Zu ihren Themenfeldern aus<br />
der Wirtschaft- und Sozialwissenschaft zählen auch die Bereiche<br />
Verkehr, Wohnen und Umwelt. Neben dem bekannten<br />
Wohnungsmonitor bietet das IAW auch Forschungsergebnisse<br />
in der Stadtentwicklung, in der nachhaltigen Flächenpolitik<br />
sowie im Bereich Wohneigentum. Prof. Dr. Claudia<br />
M. Buch bezog im Interview mit aktuell kurz nach ihrer Amtseinführung<br />
Stellung zu ökonomischen Entwicklungen.<br />
aktuell: Der fundamentale gesellschaftliche Strukturwandel<br />
wird überall beschrieben. Welche Auswirkungen hat er auf<br />
die zentralen Bereiche Stadtgestaltung und Wohnungsbau?<br />
Buch: Wir sollten zwischen wirtschaftlichem und gesellschaftlichem<br />
Strukturwandel unterscheiden. Der wirtschaftliche<br />
Strukturwandel führt dazu, dass es auf dem Wohnungsmarkt<br />
zu starken Ungleichgewichten kommt. So kämpfen<br />
einige Gebiete mit Leerstand und Bevölkerungsschrumpfung<br />
(z.B. auf der Schwäbischen Alb), während die Situation<br />
in anderen Städten und deren direktem Umland, zum Beispiel<br />
in Tübingen und Freiburg, durch Wohnungsmangel bei<br />
hohen Immobilienpreisen geprägt ist. Diese Ungleichgewichte<br />
werden sich verschärfen. Das Thema Rückbau bei knappen<br />
Kassen wird sowohl die Stadtplanung als auch die Immobilienwirtschaft<br />
zu neuem Denken und Handeln zwingen.<br />
Der gesellschaftliche Strukturwandel wirkt demgegenüber<br />
etwas anders. Heute gib es eine größere Vielfalt von Lebensformen<br />
und auch die zunehmende Alterung der Bevölkerung<br />
spielt eine Rolle bei der Wohnraumfrage. Das wird sich<br />
auch in den Ansprüchen an das Wohnen und das Leben in<br />
der Stadt niederschlagen. Der Anteil der Haushalte, für die<br />
die Nähe zur städtischen Infrastruktur (Einkaufsmöglichkeiten,<br />
Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr, Altentreff,<br />
Kindergarten) sehr wichtig ist, wird zunehmen.<br />
aktuell: Das Thema „nachhaltige Flächennutzung“ beschäftigt<br />
das IAW intensiv. Sie haben das System einer Baulandausweisungsumlage<br />
(BLAU) vorgestellt, um das Siedlungsflächenwachstum<br />
zu begrenzen. Wie ist die Resonanz der<br />
Entscheider darauf?<br />
Buch: Das vom IAW entwickelte Konzept einer „Baulandausweisungsumlage“<br />
(BLAU) sieht für zukünftige Baugebietsausweisungen<br />
Umlagezahlungen der Kommunen an die Bundes-<br />
bzw. Landesebene vor. Dies soll die Kommunen veran-<br />
lassen, weniger auf städtebauliche<br />
Außenentwicklung<br />
und mehr auf die umlagefrei<br />
gestellte Innenentwicklung<br />
zu setzen, um so das<br />
Wachstum der Siedlungsflächen<br />
abzubremsen. Im<br />
Übrigen würde das Umlageaufkommen<br />
in geeigneter<br />
Weise wieder an die Kommunalebene<br />
zurückverteilt.<br />
Die Zustimmung zu BLAU hält sich im politischen Raum und<br />
bei Verbandsvertretern zwar (noch) in Grenzen – sie fällt<br />
jedoch höher aus als bei dem ökologisch radikaleren<br />
Konzept der Flächenausweisungszertifikate, das für die<br />
kommunale Baulandausweisung eine bundes- bzw. landesweite<br />
„Mengendeckelung“ mit sich bringen würde.<br />
aktuell: Angenommen, das Konzept BLAU bestimmt zukünftig<br />
die Flächenpolitik und die Kommunen weisen weniger<br />
Bauland aus. Wie soll bei dann steigenden Grundstückspreisen<br />
das Ziel einer Eigentumsquote von 50 Prozent realisiert<br />
werden?<br />
Buch: Die Einführung von BLAU würde zwar, wie jedes andere<br />
flächenschutzpolitische Instrument auch, Baugrundstücke<br />
tendenziell verteuern. Dies schließt eine hohe Eigentumsquote<br />
aber allein schon deshalb nicht aus, weil durch den für<br />
weite Teile Deutschlands prognostizierten Bevölkerungsrückgang<br />
die Nachfrage nach Wohneigentum zurückgehen wird,<br />
was für den Eigentumserwerb niedrigere Preise mit sich<br />
bringt. Die demografische Trendwende unterstreicht zudem<br />
die Notwendigkeit flächenschutzpolitischer Maßnahmen:<br />
Würde zukünftig weiterhin so viel Bauland ausgewiesen wie in<br />
den letzten Jahren, dann käme es durch die abnehmende<br />
Bevölkerungsdichte zu einer immer geringeren Auslastung<br />
der öffentlichen Infrastruktur (wie Schulen, Ver- und Entsorgungseinrichtungen)<br />
und damit zu immer höheren Finanzierungslasten<br />
pro Einwohner. Das ist ein Grund dafür, dass eine<br />
angemessene Flächenschutzpolitik nicht nur aus ökologischer,<br />
sondern auch aus ökonomischer Sicht Sinn macht.<br />
aktuell: Ein Projekt des IAW heißt ECO-City. Es geht<br />
darum, in verschiedenen Neubausiedlungen „Prototypen“<br />
für nachhaltige Quartiere zu entwickeln. Können Sie uns<br />
über erste Ergebnisse berichten?<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 QUERGEFRA G T<br />
49
50<br />
Buch: Es handelt sich dabei um ein sehr großes EU-Projekt.<br />
Neben dem deutschen Beispiel, übrigens hier aus Tübingen,<br />
haben wir uns gemeinsam mit unseren Projektpartnern noch<br />
Entwicklungen in Tampere in Finnland, in Györ (Ungarn), in<br />
Trnava (Slowakei), in Bad Ischl (Österreich), in Umbertide<br />
(Italien) und in Barcelona (Spanien) angesehen. Dabei lagen<br />
wir in Deutschland mit unserem Ansatz sehr gut. Es ist uns<br />
gelungen, die verschiedenen Aspekte der Stadtentwicklung<br />
zusammen zu bringen und eine integrierte Planung vorzulegen,<br />
die ökologische, ökonomische und soziale Aspekte<br />
berücksichtigt. Der Ausdruck „Neubausiedlung“ ist übrigens<br />
nicht ganz treffend, da es auch um Brachenentwicklung<br />
ging, und darum, typisch städtische Qualitäten zu erreichen.<br />
aktuell: Die Bildung von Wohneigentum gilt als gutes<br />
Instrument der Alterssicherung. Sind die Förderinstrumente<br />
des Immobilienerwerbs ausreichend?<br />
Buch: Derzeit werden viel weniger Haushalte beim<br />
Immobilienerwerb gefördert als vor einigen Jahren. Das ist<br />
ökonomisch gesehen positiv, da eine breite Förderung tendenziell<br />
die Preise in die Höhe treibt, ohne an der Eigentumsquote<br />
etwas zu verändern. Wir befinden uns allerdings<br />
mit der Wohneigentumsförderung in einem größeren Zusammenhang:<br />
Es gilt, einen Ausgleich zwischen den Absetzmöglichkeiten<br />
bei vermietetem Wohneigentum und der Förderung<br />
bei selbst genutztem Wohneigentum zu schaffen.<br />
Die steuerlichen Absetzmöglichkeiten bei vermietetem<br />
Wohneigentum sind erforderlich, um Immobilien als Anlageobjekte<br />
im Vergleich zu anderen Kapitalanlagen konkurrenzfähig<br />
zu machen. Daher könnte es sein, dass sich die<br />
Förderung des selbst genutzten Wohneigentums mittlerweile<br />
einer Untergrenze nähert. Im Detail gibt es hierzu<br />
aber sicher noch Forschungsbedarf.<br />
aktuell: Die schon angesprochene Veränderung der demografischen<br />
und sozialen Verhältnisse geht einher mit einer<br />
Zunahme von Single-Haushalten, die weniger Wohneigentum<br />
bilden. Was müsste sich ändern, damit Singles ins eigene<br />
Heim kommen?<br />
Buch: Der Anstieg jüngerer Ein-Personen-Haushalte ist darauf<br />
zurück zu führen, dass die Lebensformen heute weniger<br />
stabil sind als früher. Erst bei Alleinlebenden über 50 Jahre<br />
kann man davon ausgehen, dass sie längerfristig allein leben<br />
werden. Beim Immobilienerwerb stehen Alleinstehende vor<br />
zwei Problemen: 1. Eine halbe Familienwohnung ist noch<br />
keine gute Wohnung für eine Person. Wie aber sieht eine<br />
erschwingliche und attraktive Eigentumsimmobilie für<br />
Alleinstehende aus? Sie wünschen tendenziell eine Wohnlage<br />
mit guter Anbindung an die lokale Infrastruktur und<br />
sie beziehen oft unterdurchschnittliche Einkommen. Das<br />
Bild vom ‚Single’ als wohlhabendem Genussmenschen ist<br />
vor allem ein Klischee. 2. Angesichts der hohen Nebenkosten<br />
des Erwerbs (Grunderwerbsteuer, Makler, Notar) ist ein<br />
Immobilienerwerb meistens nicht sinnvoll, wenn man für<br />
eine spätere Lebensphase eine Partnerschaft einplant. Und<br />
bei älteren Personen, die allein leben, zögern die Banken<br />
bei der Bewilligung von Krediten.<br />
Was müsste sich also ändern? Wir brauchen erstens eine<br />
Vorstellung, die auch von den Betreffenden geteilt wird,<br />
wie bezahlbare und attraktive Immobilien für Ein-Personen-<br />
Haushalte aussehen sollen, zweitens sind niedrigere Nebenkosten<br />
des Erwerbs wichtig und drittens bedarf es Finanzierungskonzepte<br />
für ältere Immobilienkäufer.<br />
aktuell: Der <strong>vbw</strong> hat sich wie auch die Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
der Immobilienwirtschaft (BAG) vehement gegen<br />
die Kampagne „Bildung <strong>statt</strong> Beton“ ausgesprochen.<br />
Darin wird die Eigenheimzulage als riesige Subvention abgetan.<br />
Hat das IAW Erkenntnisse darüber, wie hoch auf der<br />
anderen Seite die Folgeinvestitionen sind und welche volkswirtschaftliche<br />
Bedeutung sie haben?<br />
Buch: Diese Gegenüberstellung führt in die Irre. Abgesehen<br />
davon, dass die Eigenheimzulage im Prinzip auch eine<br />
Familienförderung ist, sind die positiven Effekte der Eigenheimzulage<br />
nur sehr schwer erfassbar. Sicher sind Umzüge<br />
mit Kosten verbunden, die zugleich wirtschaftsfördernd<br />
sind. In einigen Fällen ist der Immobilienerwerb auch mit<br />
Bautätigkeit verbunden (bei Neu- oder Umbau), aber im<br />
Unterschied zur Förderung von Sanierungsmaßnahmen, wo<br />
eine sehr hohe Multiplikatorwirkung der Förderung ermittelt<br />
wurde, muss man bei der Eigenheimzulage vorsichtig<br />
sein. Hier steht der Eigentumsübergang im Mittelpunkt und<br />
nicht Baumaßnahmen. Angesichts schrumpfender Städte<br />
(und Kreise) ist es aber nicht mehr sinnvoll, mit der Förderung<br />
bundesweit den Neubau anzuregen. Vielleicht wäre<br />
die Eigenheimzulage ja eine Förderung, die beim Land besser<br />
aufgehoben wäre als beim Bund.<br />
aktuell: Seit 1999 gibt es in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> den Energiesparcheck.<br />
Nächstes Jahr soll bundesweit der Energiepass<br />
eingeführt werden. Ist er praxistauglich oder doch eher zu<br />
bürokratisch?<br />
Buch: Beim Energiepass müssen wir zunächst die Ergebnisse<br />
des Feldversuchs der DENA (Deutsche Energieagentur)
abwarten. Die Absicht, durch Transparenz über den Energieverbrauch<br />
und die CO 2 -Emissionen eines Gebäudes Anreize<br />
zur Verbesserung der Gebäudetechnik und Wärmedämmung<br />
zu bieten, ist angesichts des großen Anteils von Energie, der<br />
in Gebäuden verbraucht wird, grundsätzlich sinnvoll. Einen<br />
solchen Ausweis zu schaffen, verlangt ja auch die EU-Richtlinie<br />
von uns. Inwieweit der Pass, der jetzt entwickelt wird,<br />
sofort funktioniert, können wir beim derzeitigen Stand noch<br />
nicht beurteilen. Eine deutlich positive Wirkung wird von<br />
ihm allerdings frühestens in einigen Jahren ausgehen, denn<br />
mit der Transparenz wird der Energieverbrauch nicht automatisch<br />
zu einem wichtigen Entscheidungskriterium. Das<br />
sieht man ja auch bei den Pkw.<br />
aktuell: Noch sind Sie zwar keine 100 Tage im Amt, aber<br />
vielleicht können Sie jetzt schon abschätzen, ob Sie mit der<br />
neuen Ausrichtung des IAW – weg von ökonomischen Theorien<br />
hin zu den Auswirkungen auf einzelne Unternehmen<br />
und Haushalte – richtig liegen?<br />
Buch: Mein Ziel ist es nicht, ökonomischen Theorien weniger<br />
Raum zu geben. Das Gegenteil ist der Fall. Ich glaube, dass<br />
wir viele für Unternehmen, die Bevölkerung und nicht zuletzt<br />
die Wirtschaftspolitik wichtige Fragen besser beantworten<br />
können, wenn wir unsere Analyse an theoretischen<br />
Überlgungen orientieren. Mein Ziel ist es vielmehr, die Rolle<br />
der Globalisierung für wirtschaftliche Entwicklungen in<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> zu betonen. Ich denke, dass wir durch<br />
die Untersuchung einzelwirtschaftlicher Entscheidungen<br />
auf regionaler Ebene viel darüber lernen können, was die<br />
Globalisierung beeinflusst und welche Effekte wir erwarten<br />
können. Ich bin sehr optimistisch, dass wir diese Fragen in<br />
Zukunft im IAW erfolgreich angehen können. Das IAW ist<br />
mit seiner Verknüpfung institutioneller und methodischer<br />
Kompetenz hervorragend aufgestellt, um die genannten<br />
Themen zu bearbeiten. Viele laufende und geplante Forschungsprojekte<br />
beinhalten bereits internationale Aspekte.<br />
aktuell: In der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ist der<br />
IAW-Wohnungsmonitor ein wichtiger Indikator bei Entscheidungen<br />
für Investitionen. Warum erscheint er seit letztem<br />
Jahr nur noch jährlich <strong>statt</strong> vierteljährlich?<br />
Buch: Der Name L-Bank-IAW-Wohnungsmonitor steht ja sowohl<br />
für ein Magazin als auch für eine Internetpräsenz. Das<br />
Magazin erscheint seit 2004 zwar nur noch einmal jährlich,<br />
es erreicht jedoch fast den Umfang der früheren vier Quartalshefte<br />
zusammen. Die Entwicklung der wohnungswirtschaftlichen<br />
Indikatoren können wir im Jahresverlauf durch<br />
das Internet wesentlich aktueller nachzeichnen, als es bei<br />
einem gedruckten Medium möglich wäre. Die Leser haben<br />
beides: einmal pro Jahr erhalten sie ein ganz aktuelles Magazin,<br />
das die Kennzahlen zum aktuellen Stichtag ausführlich<br />
interpretiert. Über das Jahr hinweg können sie dann die<br />
weitere Entwicklung der Indikatoren im Internet verfolgen.<br />
aktuell: Sie haben aufgrund Ihrer Arbeit ein profundes<br />
Wissen über Wohnungsbau, Mobilität und Dienstleistungssysteme.<br />
Welche Rolle spielt der Wohnungsmarkt in Ihrer<br />
Forschung?<br />
Buch: Eine zunehmende nationale und internationale Mobilität<br />
von Produktionsfaktoren, die Ansiedelung neuer Unternehmen<br />
und die hiermit verbundene Bedeutung der regionalen<br />
Infrastruktur stellen auch Anforderungen an den Wohnungsmarkt.<br />
Meines Erachtens sind diese lokalen Faktoren<br />
in der bisherigen Forschung zur Globalisierung nur unzureichend<br />
berücksichtigt worden. Gerade hier setzt unser neuer<br />
Forschungsbereich „Auswirkungen der Globalisierung auf<br />
Haushalte und Unternehmen“ an, denn wir wollen uns verstärkt<br />
der Frage zuwenden, welche Rolle lokale Gegebenheiten<br />
für die Auswirkungen der Globalisierung spielen.<br />
Weitere Informationen zu den IAW-Projekten unter:<br />
www.iaw.edu<br />
Frau Prof. Dr. Claudia M. Buch machte 1989 ihren MBA-<br />
Abschluss an der Universität von Wisconsin. 1991 folgte der<br />
Abschluss als Diplom-Volkswirtin an der Universität Bonn.<br />
Buch promovierte und habilitierte an der Universität Kiel. Von<br />
1992 bis 2003 war sie am Institut für Weltwirtschaft in Kiel<br />
tätig, die letzten fünf Jahre als Abteilungsleiterin des Forschungsbereichs<br />
„Finanzmärkte“. Seit 2004 hat Buch den Lehrstuhl<br />
„Geld und Währung“ an der Wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen inne. Im<br />
Januar 2005 wurde sie wissenschaftliche Direktorin des IAW<br />
e.V. Tübingen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die<br />
Themen „Finanzmärkte und makroökonomische Volatilität“,<br />
„Internationales Bankwesen“, „Determinanten und Auswirkungen<br />
ausländischer Direktinvestitionen“ und „Europäische<br />
Finanzverflechtungen und Osterweiterung“.<br />
QUERGEFRA G T<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004<br />
51
52<br />
„Wir liefern und fördern praktikable Problemlösungen“<br />
GdW-Präsident Lutz Freitag zu Verbandsstrukturen und Zukunftsaufgaben<br />
Er hat Visionen für die ganze Vielfalt der Wohnungswirtschaft<br />
im GdW. Er sucht Synergien und Kooperationen. Und<br />
er weist Wege auf, wie die Zukunft mit ihren vielen Herausforderungen<br />
gemeistert werden kann. Die Delegierten des<br />
GdW-Verbandstages haben ihn mit großer Mehrheit für<br />
weitere vier Jahre als Präsident wiedergewählt. Am Rande<br />
der Tagung sprach aktuell mit Lutz Freitag über regionale Aufgaben,<br />
die Probleme mit der Demografie, Personalentwicklung<br />
und über das Verhältnis von Leoparden und Antilopen.<br />
aktuell: Die Wohnungsmärkte<br />
in Ost und West sind<br />
gespalten. Wie könnte eine<br />
Wohnungspolitik aussehen,<br />
die sowohl die neuen wie<br />
die alten Bundesländer gerecht<br />
berücksichtigt?<br />
Freitag: Wir brauchen eine<br />
Wohnungspolitik, die flankiert<br />
wird durch eine Stadtentwicklungspolitik.<br />
Beide<br />
Politikbereiche müssen auf die unterschiedlichen regionalen<br />
Verhältnisse ausgerichtet werden. Das heißt: Die Instrumente,<br />
die eingesetzt werden, müssten möglichst flexibel<br />
und regional differenziert sein. Weg vom Rasenmäherprinzip.<br />
Nehmen wir die Eigenheimzulage: Man muss erkennen,<br />
dass es nach wie vor einen großen Baubedarf in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
und in weiten Teilen Bayerns gibt, um nur<br />
zwei Beispiele zu nennen. Aber es wäre andererseits in<br />
Sachsen und in Sachsen-Anhalt fatal, wenn noch zusätzliche<br />
Wohnungen auf den Markt kämen. Wenn jetzt noch<br />
einmal ein Vermittlungsergebnis über die Eigenheimzulage<br />
angestrebt wird, wäre es wichtig, dass dieser Kompromiss<br />
die unterschiedlichen Verhältnisse auf den regionalen Wohnungsmärkten<br />
berücksichtigt, ein Teil der Ersparnis in die<br />
Wohnungs- sowie Stadtentwicklungspolitik zurückfließt und<br />
der Mitteleinsatz dem jeweiligen Bedarf der Bundesländer<br />
angepasst ist.<br />
aktuell: Bei der Mieterquote nimmt Deutschland im Vergleich<br />
zu den Nachbarländern derzeit einen Spitzenplatz<br />
ein. Wird sich das auf lange Sicht hin ändern?<br />
Freitag: Ich glaube, dass in Deutschland das Mietverhältnis<br />
auch in Zukunft eine besondere Attraktivität genießen wird,<br />
weil wir interessante Wohnungsbestände in sehr guten Lagen<br />
mit sehr guter Aus<strong>statt</strong>ung und hohem Modernisierungsgrad<br />
haben, die zu relativ günstigen Mieten angeboten werden.<br />
Ein Umstieg auf Eigentum ist vor diesem Hintergrund nicht so<br />
interessant. Außerdem halten natürlich pessimistische Einkommens-<br />
und Berufserwartungen sowie die zunehmenden<br />
Anforderungen an Mobilität im Erwerbsleben viele Menschen<br />
davon ab, Wohneigentum zu erwerben. Wenn es uns<br />
gelänge, die Transaktionskosten beim Verkauf und beim<br />
Erwerb von Wohneigentum zu senken, würde das den<br />
Immobilienerwerb wieder<br />
fördern. Durch die demografische<br />
Entwicklung geht<br />
die Zahl derjenigen zurück,<br />
die Eigentum erwerben, also<br />
Menschen zwischen dreißig<br />
und vierzig. Hinzu kommt:<br />
Viele Menschen haben nichts<br />
zu vererben, weil es keine<br />
Erben gibt. Das Motiv, Eigentum<br />
auch als Vorsorge für<br />
die nächste Generation zu<br />
erwerben, verliert dadurch an Bedeutung. Insgesamt wird<br />
die Wohneigentumsquote in Deutschland recht stabil bleiben.<br />
80 Prozent der Deutschen halten das Wohneigentum<br />
für die beste private Altersvorsorge, und auch während der<br />
gesamten Nutzungszeit bietet es viele Vorzüge.<br />
aktuell: Steht die Wohnungswirtschaft vor einer großen<br />
Fusionswelle, wie auch die Volksbanken sie durchgemacht<br />
haben?<br />
Freitag: In der Wohnungswirtschaft beeinträchtigt die Grunderwerbsteuer<br />
eine Fusion, die die Verschmelzung auf ein<br />
neues Wohnungsunternehmen prohibitiv belastet. Die Last<br />
der Grunderwerbsteuer verhindert die Modernisierung der<br />
Wohnungsbestände in fusionierten Wohnungsunternehmen,<br />
weil ihnen erhebliche liquide Mittel durch die Steuer entzogen<br />
werden. Damit sind die Vorteile einer Fusion wesentlich<br />
geringer als in anderen Branchen, weil der Staat die Mittel<br />
für die Produktverbesserung abkassiert. Die deutsche Wohnungswirtschaft<br />
weist im Durchschnitt relativ geringe Unternehmensgrößen<br />
auf. Es dominieren kleinere und mittlere<br />
Wohnungsunternehmen. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
in der Zukunft wäre gewiss für eine Reihe von<br />
Wohnungsunternehmen eine Fusion vorteilhaft.
aktuell: Die Lobbyarbeit für die Immobilienbranche macht<br />
der GdW neuerdings mit anderen Verbänden gemeinsam,<br />
zum Beispiel mit dem IVD oder dem Bundesverband Freier<br />
Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Worin liegt das<br />
strategische Alleinstellungsmerkmal des GdW?<br />
Freitag: Wir wollen mit den anderen Spitzenverbänden der<br />
Immobilienbranche gemeinsame Interessen auch gemeinsam<br />
vertreten. Es ist wichtig, dass sich die Branche in zentralen<br />
Forderungen einheitlich artikuliert. Deswegen habe ich<br />
mich sehr dafür engagiert, die Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
der deutschen Immobilienwirtschaft zu gründen. In ihr wirken<br />
die vier Spitzenverbände unserer Branche zusammen,<br />
leisten gemeinsame Lobbyarbeit und wollen in Zukunft auch<br />
Beratungsangebote und Dienstleistungen bündeln. Diese<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft umfasst den GdW, den BFW, die<br />
beiden Maklerverbände im jetzt fusionierten IVD und Haus<br />
& Grund. Wir machen gemeinsame Aktionen, zum Beispiel<br />
zu einer wirksamen Bekämpfung des Graffitiunwesens durch<br />
eine praktikable Definition des Begriffs der Sachbeschädigung.<br />
Wir haben uns engagiert in der Frage der Eigenheimzulage<br />
und der Stadtentwicklung sowie mit vielen steuerrechtlichen<br />
Fragen befasst, zum Beispiel bei der Gesellschafter-Fremdfinanzierung.<br />
Auch bei der Grundsteuer haben<br />
wir gemeinsame Positionen. Als Gemeinschaftsprojekt haben<br />
wir mit anderen Institutionen ein umfassendes Gutachten<br />
zur Bedeutung der Immobilienwirtschaft für die deutsche<br />
Volkswirtschaft in Auftrag gegeben.<br />
Der GdW hat innerhalb dieses Kreises eine Alleinstellungsposition<br />
z.B. in der Frage der Wohnungsgenossenschaften,<br />
des Prüfungswesens, der „Sozialen Stadt“, des Stadtumbaus<br />
und der Stadtentwicklung. Außerdem sind unsere Fachausschussarbeit<br />
und Spartenorganisation einzigartig. Wir streben<br />
die nachhaltige Bewirtschaftung und Vermietung von<br />
attraktiven Wohnungen zu bezahlbaren Mieten an. Das ist,<br />
was den GdW und seine Mitgliedsunternehmen in besonderer<br />
Weise auszeichnet.<br />
aktuell: Der Wettbewerb um die besten Köpfe hat auch in<br />
der Immobilienwirtschaft längst begonnen. Wie muss Personalentwicklung<br />
in der Wohnungswirtschaft aussehen?<br />
Freitag: Die Personalzahlen für die einzelnen Unternehmen<br />
unterstreichen, dass es sich bei der Wohnungswirtschaft im<br />
Wesentlichen um eine mittelständisch strukturierte Branche<br />
handelt. Das verstärkt die Notwendigkeit für den GdW, für<br />
eine strategisch angelegte Personalentwicklung zu werben<br />
und vor allem den kleineren Unternehmen die Chance zu<br />
geben, an solchen Konzepten teilzuhaben. Wir haben des-<br />
wegen im Mai diesen Jahres in Berlin den ersten Personalentwicklungskongress<br />
des GdW veranstaltet und vorher ein<br />
System der modularen, berufsbegleitenden Weiterbildung<br />
entwickelt. Das heißt: Wer die dreijährige Ausbildung zur<br />
Kauffrau/Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft<br />
abgeschlossen hat, kann berufsbegleitend mit folgenden<br />
Studiengängen darauf aufbauen: Immobilienökonom,<br />
dann entweder Fachwirt oder Betriebswirt der Wohnungsund<br />
Immobilienwirtschaft oder Bachelor und sogar MBA<br />
Real Estate. Dies alles bieten wir im Rahmen unserer Akademien,<br />
zentral in Bochum aber auch regional an. Wir können<br />
damit den Unternehmen ein interessantes Programm<br />
zur Weiterbildung und Qualifizierung ihrer Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter anbieten, insbesondere zur Entwicklung<br />
der kommenden Führungskräfte. Im Bereich der Personalentwicklung<br />
wollen wir auch in Zukunft mit dem Arbeitgeberverband<br />
der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (AGV)<br />
intensiv zusammenarbeiten. Wir sind jetzt dabei, zusammen<br />
mit dem AGV, Verdi und der IG Bauen, Agrar, Umwelt<br />
ein neues Berufsbild zu entwickeln. Aus der Kauffrau/dem<br />
Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft soll<br />
das Berufsbild der Immobilienkauffrau/des Immobilienkaufmanns<br />
werden. Das ist bereits mit unseren Partnern in der<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft der deutschen Immobilienwirtschaft<br />
abgestimmt. Dieses moderne Berufsbild wird den<br />
neuen Entwicklungen auf den Märkten besser gerecht.<br />
aktuell: Wo liegen die Zukunftsaufgaben für die Regionalverbände?<br />
Freitag: Die Regionalverbände zeichnen sich durch die Nähe<br />
zu den Wohnungsunternehmen aus. Sie wissen, welche Probleme<br />
die Unternehmen haben und was Verbände tun können,<br />
um vernünftige Rahmenbedingungen für die Unternehmen<br />
zu schaffen.<br />
Dabei geht es vorrangig um die Begleitung und Beratung<br />
von Landes- und Kommunalpolitik in Fragen der Wohnraumversorgung,<br />
der Wohnungspolitik, aber auch in Bezug<br />
auf die Stellung der Unternehmen auf dem Markt. Außerdem<br />
haben die Regionalverbände die Möglichkeit, über<br />
Bedarfsprognosen den Unternehmen in der Region wichtige<br />
Hilfestellungen zu geben, zum Beispiel durch die Analyse<br />
der Entwicklung von Einwohnern, Haushalten und Einkommensstrukturen.<br />
Die Marktbeobachtung in der Region<br />
wird für die Unternehmen immer wichtiger, gerade vor dem<br />
Hintergrund des demografischen Wandels sowie der zunehmenden<br />
Pluralisierung der Lebensstile und Wohnpräferenzen.<br />
Ein weiterer Bereich der regionalen Aktivitäten betrifft<br />
die Dienstleistungen. Die Regionalverbände können Platt-<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 QUERGEFRA G T<br />
53
54<br />
form für den Erfahrungsaustausch in der Region sein.<br />
Grundsätzliche Themenstellungen, die der GdW bundesweit<br />
behandelt, werden von den Regionalverbänden regional<br />
angereichert und konkretisiert. Ein abgestimmtes Konzept<br />
der Wissensvermittlung und des Erfahrungsaustausches wird<br />
in Zukunft ein entscheidender Punkt sein, weil damit das<br />
einzelne Unternehmen seine Stellung am Markt verbessern<br />
kann. Und da wir im Durchschnitt dreißig Prozent des<br />
Marktes vertreten, wollen wir natürlich, dass diese dreißig<br />
Prozent gegenüber den anderen siebzig Prozent der Wohnraumanbieter<br />
einen Vorsprung haben – durch unsere Arbeit<br />
in den Regionen, aber auch auf Bundesebene. Bei aller Gemeinsamkeit<br />
innerhalb der Branche gilt: Wenn ein Leopard<br />
eine Antilopenherde verfolgt, dann muss nicht jede Antilope<br />
schneller laufen als der Leopard, aber man sollte möglichst<br />
schneller laufen als die langsamste Antilope.<br />
aktuell: Jeder Mensch wohnt – ob zur Miete oder im<br />
Eigentum. Warum sind die Themen der Wohnungswirtschaft<br />
so schwer über die Medien einer breiten Öffentlichkeit zu<br />
vermitteln?<br />
Freitag: Das liegt vielleicht daran, dass die Wohnungswirtschaft<br />
schon so viel geleistet hat und dass es beim Wohnen<br />
in den meisten westdeutschen Regionen im Augenblick<br />
wenig akute Probleme gibt. Viele Probleme werden von den<br />
Unternehmen gelöst: Durch Sozialmanagement und Engagement<br />
in den Quartieren wird der soziale Friede gesichert.<br />
Die sozialräumliche Integration von Menschen aus anderen<br />
Kulturen hat aufgrund des großen Engagements unserer<br />
Unternehmen ganz überwiegend funktioniert. Deshalb sind<br />
– anders als in anderen Ländern – die Probleme in den<br />
Wohnquartieren nicht in großer Zahl und Intensität entstanden.<br />
Branchen, die keine Probleme bereiten, sind häufig<br />
auch nicht so interessant, und mit denen beschäftigt<br />
sich die Öffentlichkeit und Politik nicht.<br />
Ganz anders ist es beim Leerstand in Ostdeutschland. Der<br />
ist zu einem politischen Thema geworden und hat zu einer<br />
gesellschaftlichen Betroffenheit geführt. Aber auch da sind<br />
wir Teil der Lösung, nicht Teil des Problems. Unsere Branche<br />
jammert und leidet auch in Ostdeutschland nicht, sondern<br />
packt die Probleme durch Abriss und Aufwertung von Wohnungsbeständen<br />
an. Wir liefern nicht die spektakulären Themen,<br />
sondern die praktikablen Lösungen. Allerdings muss<br />
man auch die Politik vor oberflächlicher Interessenlosigkeit<br />
warnen. Wenn man der Entwicklung der Städte und des<br />
Wohnens in Deutschland politisch nicht kontinuierlich die<br />
erforderliche Aufmerksamkeit widmet, kommt es zu Problemen,<br />
die die Wohnungswirtschaft allein nicht lösen kann.<br />
Und deswegen ist die Politik immer gut beraten, sich mit<br />
wohnungs- und stadtpolitischen Fragen auf mittel- und<br />
langfristige Sicht zu beschäftigen. Denn auf dieser Zeitachse<br />
ist nach wie vor ein großer Handlungsbedarf für die<br />
Politik. Die Gestaltung und Entwicklung der Städte und<br />
Quartiere wird ein ganz zentrales Thema für die Zukunft der<br />
Gesellschaft werden.<br />
aktuell: Gibt es eine Wohnform, die Sie persönlich allen<br />
anderen vorziehen würden?<br />
Freitag: Ich habe in Hamburg eine Eigentumswohnung,<br />
während ich in Berlin Mieter bin. Ich lebe also in beiden<br />
Wohnformen und ich genieße die jeweiligen Vorteile. Weil<br />
ich in Berlin nicht auf Dauer bleiben werde, nutze ich den<br />
Vorteil des Mietwohnverhältnisses. In Hamburg habe ich<br />
eine schöne Eigentumswohnung am Stadtrand im Grünen,<br />
in Berlin wohne ich direkt in der Mitte der Stadt. Mein Sohn<br />
ist Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft, dort erlebe ich<br />
die Vorzüge des genossenschaftlichen Wohnens. Ich finde,<br />
es gibt keine Wohnform, die man per se favorisieren kann.<br />
Alle drei Wohnformen sind gleichberechtigt. Man muss<br />
immer nach der Lebenssituation und den Lebensverhältnissen<br />
die richtige Form auswählen. Man kann in allen drei<br />
Wohnformen gut wohnen und sehr glücklich sein.<br />
Lutz Freitag, Jahrgang 1943, ist seit Februar 2001 Präsident<br />
des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und<br />
Immobilienunternehmen. Nach einer Lehre bei der Bundesanstalt<br />
für Arbeit in Berlin, wechselte Freitag 1962 zur Deutschen<br />
Angestellten-Gewerkschaft DAG, der er bis zur seiner<br />
Amtsübernahme beim GdW treu blieb. Einzige Unterbrechung<br />
bildete 1966 bis 1969 das Studium an der Hamburger<br />
Hochschule für Wirtschaft und Politik mit dem Abschluss<br />
Diplom-Volkswirt. Bei der DAG machte Lutz Freitag<br />
Karriere. Vom Gewerkschafts-Sekretär in Berlin arbeitete er<br />
sich hoch zum Mitglied des Bundesvorstandes der DAG (ab<br />
September 1987). Sein berufliches Interesse galt vor allem<br />
der Sozial- und Bildungspolitik. Ehrenamtlich ist er unter<br />
anderem Mitglied im KfW-Verwaltungsrat, Vorsitzender des<br />
NDR-Verwaltungsrates, Vorsitzender des Verwaltungsrates<br />
der DESWOS (Deutsche Entwicklungshilfe für soziales Wohnungs-<br />
und Siedlungswesen e.V.) und Vorsitzender des<br />
Kuratoriums der EBZ (Europäisches Bildungszentrum der<br />
Wohnungs- und Immobilienwirtschaft).
„Unser Sozialstaat ist ökonomischer Unsinn“<br />
Hans-Werner Sinn kritisiert Tarifparteien, Sozialstaat und Minijobs<br />
Deutschland trägt derzeit im europäischen Vergleich zumeist<br />
die rote Laterne. Diese Aussage blieb nach dem Vortrag<br />
von Prof. Hans-Werner Sinn in den Köpfen der Teilnehmer<br />
des Verbandstages hängen. Unter dem Titel „Notwendige<br />
Reformen in Deutschland” stellte der Präsident des ifo<br />
Institut für Wirtschaftsforschung die aktuelle Situation der<br />
Bundesrepublik an ausgewählten Zahlen des Arbeitsmarktes,<br />
des Sozialstaates und der Wirtschaft vor und bewertete<br />
sie. Im Gespräch mit aktuell erläuterte Sinn seine Analysen.<br />
aktuell: In Ihrem Vortrag vor den Delegierten des <strong>vbw</strong>-Verbandstages<br />
nahm eine pessimistische Grundeinstellung den<br />
meisten Raum ein.<br />
Sinn: Ja, weil die derzeitige Lage auch wirklich so ist. Von<br />
Natur aus bin ich sehr optimistisch, neige dazu, die Dinge<br />
eher positiv zu sehen.<br />
aktuell: Wo sehen Sie den Ursprung der aktuellen Reformmisere?<br />
Sinn: Den Ursprung unserer Probleme sehe ich in einer Wechselwirkung<br />
zwischen den Tarifparteien und der Entwicklung<br />
des Sozialstaates, die sich in dreißig Jahren aufgebaut hat. Die<br />
Gewerkschaften haben aggressive Lohnverhandlungen geführt.<br />
Das hat die Arbeitslosigkeit erzeugt. Dabei war auch der<br />
Sozialstaat mitverantwortlich. Er hat die Arbeitslosigkeit<br />
erträglich gemacht und er hat so die Politik der hohen Löhne<br />
auch selbst induziert. Insbesondere die gering qualifizierten<br />
Arbeitnehmer wurden wegen der hohen Lohnersatzleistungen<br />
bei den Löhnen hochgehievt mit der Folge, dass sie keiner<br />
mehr haben will. Dort ist die Arbeitslosigkeit am größten.<br />
aktuell: Sie haben in Ihrem Vortrag vom „ökonomischen Unsinn“<br />
gesprochen. Wo sehen Sie den in der aktuellen Politik?<br />
Sinn: Ökonomischen Unsinn finde ich querbeet, überall. Der<br />
größte Unsinn ist der, den wir uns gerade mit unserem Sozialstaat<br />
leisten. Indem wir Menschen dafür bezahlen, dass sie<br />
nichts tun. Sozusagen ein Prämiensystem entwickeln, in dem<br />
die Prämien unter der Bedingung ausgezahlt werden, dass man<br />
sich aus dem Arbeitsmarkt absentiert. Das ist doch absolut unsinnig.<br />
Man muss den Menschen helfen, die nicht leistungsfähig<br />
sind. Aber bitte unter der Bedingung, dass sie selber mitmachen.<br />
Und nicht unter der Bedingung, dass sie nichts tun.<br />
Das ifo Institut hat hierzu umfangreiche Vorschläge unter<br />
dem Begriff „Aktivierende Sozialpolitik“ gemacht. Wir wollen<br />
den besseren Sozialstaat konstruieren, einen, der den<br />
Menschen mehr hilft als der heutige, weil sie das staatliche<br />
Geld und das selbt verdiente Geld gleichzeitig bekommen.<br />
aktuell: Sehen Sie in den Minijobs oder in der Ausweitung<br />
des Niedriglohnsektors ein Heilmittel für den Standort<br />
Deutschland?<br />
Sinn: Ja. Aber die Minijobs, die im Januar beschlossen wurden,<br />
bringen wenig. Diese gesetzliche Maßnahme ist überhaupt<br />
nicht durchdacht und auch nicht mit dem existierenden<br />
Fördersystem der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe<br />
verzahnt. Jemand, der bei der Sozialhilfe anspruchsberechtigt<br />
ist, der hat von den Minijobs rein gar nichts. Das, was<br />
er zusätzlich an Nettoeinkommen bekommt, wird von der Sozialhilfe<br />
eins zu eins dadurch einkassiert, dass er weniger<br />
Sozialhilfe erhält. Die Minijobs sind überhaupt nur rechnerisch<br />
und damit ökonomisch bei Personengruppen wirksam,<br />
die keinen Anspruch auf staatliche Lohnersatzleistungen<br />
haben. Also weder Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder<br />
Sozialhilfe beziehen. Das sind Schüler, Rentner oder die mitarbeitenden<br />
Ehepartner, bei denen der andere Ehepartner<br />
schon so viel verdient, dass sie selbst keinen Anspruch mehr<br />
haben. Die werden jetzt natürlich veranlasst, solche Minijobs<br />
anzunehmen. Es wird aber deshalb kein einziger zusätzlicher<br />
Job geschaffen, sondern es kommt zu einer bloßen Verdrängung.<br />
Das heißt, normal Beschäftigte im Niedriglohnsektor<br />
werden jetzt durch die gerade genannten Personengruppen<br />
ersetzt. Das ist also der völlig falsche Weg. Man<br />
muss das gesamte Fördersystem ändern. Man muss die Bedingungen,<br />
unter denen Sozialhilfe gewährt wird, ändern.<br />
aktuell: Sorgt unser Steuersystem für Gleichheit und Gerechtigkeit?<br />
Sinn: Nein. Also zunächst einmal halte ich es für nicht gerecht,<br />
dass Menschen, die sich entschließen, aus ihrem versteuerten<br />
Arbeitseinkommen zu konsumieren, unterschiedlich<br />
stark belastet werden. Nämlich je nach dem Zeitpunkt,<br />
zu dem sie konsumieren wollen. Wenn ich heute aus meinem<br />
Arbeitseinkommen konsumiere, dann nimmt mir der<br />
Staat nur meine Lohnsteuer weg. Wenn ich morgen und im<br />
Alter konsumiere, dann nimmt er noch mehr weg, weil die<br />
Zinserträge belastet werden. Von der Konsumgütermenge,<br />
die ich mir im Alter leisten könnte, nimmt der Staat einen<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 QUERGEFRA G T<br />
55
56<br />
größeren Prozentsatz weg<br />
als von der Konsumgütermenge,<br />
die ich mir in der<br />
Gegenwart aus meinem Lohneinkommen<br />
leisten könnte.<br />
Dies finde ich nicht gerecht.<br />
Der Staat sollte bezüglich<br />
des Zeitpunkts des Konsums<br />
neutral sein. Insofern sollte<br />
er die Zinseinkommensbesteuerung<br />
aufgeben. Zumal<br />
diese Steuer sowieso nicht im internationalen Zusammenhang<br />
aufrecht erhalten werden kann.<br />
aktuell: Wie gerecht ist das Rentensystem?<br />
Sinn: Ich sehe es nicht als gerecht an, wenn im Rentensystem<br />
die Rente, die man bekommt, unabhängig davon ist,<br />
welchen Beitrag man dafür geleistet hat, indem man Kinder<br />
groß gezogen hat. Die Rente nur davon abhängig zu machen,<br />
was man seinen eigenen Eltern gezahlt hat, halte ich<br />
nicht für sachgerecht und für ungerecht denjenigen gegenüber,<br />
die Kinder groß ziehen und dafür viel Geld ausgeben.<br />
aktuell: Sollte das Rentensystem Kinderlose bestrafen?<br />
Sinn: Nein, im Gegenteil. Mein Vorschlag ist keine Bestrafung<br />
der Kinderlosen, sondern eine Nichtbestrafung der Menschen<br />
mit Kindern. Denn das Rentensystem bewirkt eine gewaltige<br />
Umverteilung zwischen den Familien, die Kinder haben<br />
und solchen, die keine haben. Die Menschen, die keine<br />
Kinder haben, wollen sich dann später von den Kindern<br />
anderer Leute ernähren lassen. Das Ausmaß der Bestrafung<br />
der Menschen mit Kindern sollte zurückgeführt werden. Die<br />
Basis muss immer die Situation ohne staatliche Intervention<br />
sein. Wenn ich den Familien mit Kindern weniger von dem<br />
wegnehme, was sie sich selber erarbeitet haben, ist das<br />
keine Bestrafung der Leute ohne Kinder. Es ist eine Verminderung<br />
der Bestrafung derjenigen mit Kindern. Es ist sehr<br />
wichtig, dass man die Begriffe nicht verwechselt und nicht<br />
ein System mit staatlicher Intervention zum Status quo erklärt,<br />
von dem man gedanklich alles herunterdekliniert.<br />
aktuell: Ist es nicht so, dass Kinderlose mehr konsumieren,<br />
mehr verdienen und in der Regel auch mehr privat für das<br />
Alter vorsorgen?<br />
Sinn: Dass sie mehr konsumieren, zeigt, dass man ihnen<br />
höhere Sparlasten auferlegen kann, als es heute der Fall ist.<br />
aktuell: Wir reden heute<br />
davon, dass wir alle länger<br />
arbeiten müssten. Ist diese<br />
Forderung bei der Betrachtung<br />
des Arbeitsmarktes<br />
überhaupt realistisch?<br />
Sinn: Wie viele Arbeitsplätze<br />
es gibt, hängt bei gegebenem<br />
technischen Wissen,<br />
gegebener Infrastruktur und<br />
ähnlichen Standortbedingungen nur von einer Variablen ab:<br />
vom Lohn. Je niedriger der Lohn, desto mehr Arbeitsplätze<br />
gibt es. Wenn ich ältere Menschen in den Arbeitsmarkt bringe,<br />
an<strong>statt</strong> sie rauszuziehen, und die Lohnbildung dem Markt<br />
überlasse, wird der Lohn fallen, bis diese Menschen einen<br />
Arbeitsplatz finden.<br />
aktuell: Sehen Sie keine Probleme in der Akzeptanz älterer<br />
Mitarbeiter?<br />
Sinn: Ja, das schon. Akzeptanzprobleme gibt es immer, wenn<br />
man mehr arbeiten muss. Es fällt dem Menschen schwer zu<br />
akzeptieren, dass er nicht im Schlaraffenland lebt.<br />
aktuell: Sie bedauern es, dass Politiker sehr beratungsresistent<br />
sind.<br />
Sinn: Ja, das sind sie. Obwohl sich das in der letzten Zeit<br />
verbessert hat. Eine Krise, wie sie jetzt vorliegt, erhöht die<br />
Beratungsbereitschaft.<br />
aktuell: Haben die Politiker die Kosten der Wiedervereinigung<br />
unterschätzt?<br />
Sinn: Das kann man wohl sagen. Helmut Kohl glaubte, sie<br />
sei aus der Portokasse zu bezahlen.<br />
aktuell: Sehen Sie sich als Präsident des ifo Instituts als<br />
Gewissen der Marktwirtschaft oder als eine Art moderner<br />
Wahrsager?<br />
Sinn: Ich bin kein Wahrsager, ich bin Volkswirt. Der Volkswirt<br />
kann Krankheiten von Volkswirtschaften diagnostizieren<br />
und eine Therapie verschreiben. So wie ein Arzt beim<br />
Menschen. Wir haben viele Volkswirtschaften im Blick und<br />
vergleichen Sie miteinander. Es gibt über 200 Länder auf<br />
dieser Erde, die alle ihre eigenen Probleme haben. Diese<br />
studiert man und versucht zu diagnostizieren, was gut läuft
und was nicht. Wenn es nicht so gut läuft, empfiehlt man<br />
eine Therapie. Es gibt echte Medikamente, die helfen, und<br />
es gibt auch Placebos.<br />
aktuell: Eine Frage noch… Bei wem holen Sie sich persönlich<br />
Rat?<br />
Sinn: Das hängt davon ab. Wenn ich krank bin, gehe ich<br />
zum Arzt. Wenn ich ein zwischenmenschliches Problem<br />
habe, hole ich mir Rat bei meiner Frau. Wenn mein Auto<br />
kaputt ist, gehe ich zum Kraftfahrzeugmechaniker. Ich gehe<br />
immer zum Fachmann. Und das ist genau das Problem in<br />
Deutschland. Man holt sich den Rat in volkswirtschaftlichen<br />
Dingen bei Laien. Nehmen Sie mal die Hartz-Kommission.<br />
Dort saß kein einziger Volkswirt. Es waren 15 Manager,<br />
auch Betriebswirte darunter, aber keine Volkswirte. Das ist<br />
so, als wenn ich nicht zu einem Arzt gehe, sondern zu einem<br />
Heilpraktiker. So macht es die Politik.<br />
Prof. Hans-Werner Sinn, geboren in Brake in Westfalen,<br />
studierte an der Universität Münster Volkswirtschaftslehre<br />
und promovierte und habilitierte an der Universität Mannheim.<br />
Sinn lehrt seit 1984 Nationalökonomie und Finanzwissenschaft<br />
an der Ludwig-Maximilian-Universität München. Seit<br />
1991 ist er Direktor des Center for Economic Studies (CES)<br />
der Ludwig-Maximilian-Universität München. Das ifo Institut<br />
für Wirtschaftsforschung leitet er seit 1999. Zahlreiche Forschungsaufenthalte<br />
und Gastvorlesungen führten ihn an die<br />
bekannten und renommierten Universitäten rund um den<br />
Erdball. Von 1992 bis 1994 war er Vorsitzender der Expertenkommission<br />
Wohnungspolitik des Bundesministeriums Bau<br />
in Bonn und gehört seit 1989 dem Wissenschaftlichen Beirat<br />
beim Bundeswirtschaftsministerium an.<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 QUERGEFRA G T<br />
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58<br />
„Das verstaubte Mäntelchen selbstbewusst ablegen“<br />
Prof. Dr. Theresia Theurl zu den Herausforderungen der Wohnungsgenossenschaften<br />
Bei den Tagen der Wohnungsgenossenschaften in Ulm erntete<br />
das Referat von Prof. Theresia Theurl mit dem Titel „Wirtschaftliche<br />
Aspekte zur Zukunft der Wohnungsgenossenschaften“<br />
großen Applaus. Sie zeigte Wege auf, wie Wohnungsgenossenschaften<br />
die Herausforderungen durch den<br />
Wandel der Rahmenbedingungen meistern können, wie sie<br />
dabei wettbewerbsfähig werden und damit wirtschaftlichen<br />
Erfolg und langfristig Werte für die Mitglieder schaffen. Am<br />
Rande der Tagung sprach aktuell mit der renommierten Wissenschaftlerin.<br />
aktuell: Kooperationen sind<br />
nach Ihrer Überzeugung adäquate<br />
Geschäftsmodelle für<br />
Wohnungsgenossenschaften.<br />
Nach unserer Befragung sind<br />
höchstens 50 Prozent der<br />
Genossenschaften daran interessiert.<br />
Bleiben Kooperationen<br />
Theorie?<br />
Theurl: Kooperationen bleiben<br />
sicher keine Theorie. Schade ist, dass meist erst dann<br />
über Kooperationen nachgedacht wird, wenn es bereits große<br />
Probleme gibt, an<strong>statt</strong> bereits dann daran zu denken,<br />
wenn noch alle Möglichkeiten offen sind, sich bewusst zu<br />
positionieren und sich seinen Kooperationspartner aktiv zu<br />
suchen, um alle Möglichkeiten bestehender Kooperationsmodelle<br />
zu verwirklichen.<br />
aktuell: Die Pflichtmitgliedschaft in einem Prüfungsverband<br />
steht bei Wohnungsgenossenschaften mehr und mehr in der<br />
Kritik. Warum wird die Pflichtprüfung nicht auch als Marketinginstrument<br />
gesehen oder darf sie das gar nicht sein?<br />
Theurl: Die Pflichtprüfung ist in der Praxis ein sehr wichtiger<br />
Teil des genossenschaftlichen Geschäftsmodells und muss<br />
als solcher verstanden werden. Konsequenterweise muss die<br />
genossenschaftliche Pflichtprüfung eine sehr gute Prüfung<br />
sein. Und sie muss auch als solche mit ihren ganz besonderen<br />
Funktionen und Aufgaben kommuniziert werden. Die<br />
Pflichtprüfung wird ihre Position nur dann behaupten können,<br />
wenn wirklich ganz klar dokumentiert wird, dass sie<br />
ihre Funktionen gut erfüllt. Das heißt, deutlich zu machen,<br />
dass sie bestimmte Aufgaben erfüllt und auch in Zukunft zu<br />
erfüllen hat. Sie ist kein reines Marketinginstrument, son-<br />
dern sie hat eine sehr ausgeprägte Schutzfunktion für Genossenschaften.<br />
Allerdings wird diese Schutzfunktion von<br />
den Genossenschaften viel zu wenig im Sinne des Marketings<br />
in den Vordergrund gestellt, gerade auch mit Blick auf<br />
die anderen Prüfungsmodelle, die in den letzten Jahren im<br />
Zusammenhang mit schädlichen Entwicklungen in die Diskussion<br />
gekommen sind. Die Genossenschaften sind hier<br />
sehr zurückhaltend, wofür es keinen Grund gibt.<br />
aktuell: Die Expertenkommission, deren Mitglied Sie waren,<br />
hat in Zusammenhang mit der Novellierung des Genossenschaftsgesetzes<br />
weiter gehenden Gesetzesänderungen eine<br />
Absage erteilt. Gehen Ihnen die Vorschläge dieses Gremiums<br />
weit genug?<br />
Theurl: Die Aufgabe der Expertenkommission war es nicht,<br />
über Reformen des Genossenschaftsgesetzes nachzudenken.<br />
Ich persönlich bin der Meinung, dass die Entwicklung auf<br />
europäischer Ebene, also das Statut der Europäischen Genossenschaften,<br />
es bald auch hier nahe legt, über das Genossenschaftsgesetz<br />
nachzudenken. Dies sollte man dann<br />
aber auch mit der Fragestellung tun, ob dieses Genossenschaftsgesetz,<br />
so wie es heute ist, noch in die Zeit passt.<br />
Oder ob man sich das Genossenschaftsgesetz nicht grundsätzlich<br />
von Anfang bis Ende einmal vornehmen muss und<br />
es so formuliert, dass es in der Diktion zeitgemäß ist. Dazu<br />
muss dann jeder Paragraph auf den Prüfstand gestellt werden.<br />
Es könnte sich herausstellen, dass es in manchen Bereichen<br />
weniger um inhaltliche Fragen als um Fragen der<br />
Formulierung geht. Einfach so als Nebeneffekt diesen Komplex<br />
in der Expertenkommission anzusprechen, wäre nicht<br />
richtig gewesen. Aber ich bin sehr wohl der Meinung, dass<br />
man über das Genossenschaftsgesetz nachdenken muss<br />
und ich gehe auch davon aus, dass es schneller kommt als<br />
manche denken.<br />
aktuell: Die Mehrheitsmeinung lautet doch, man sollte das<br />
Genossenschaftsgesetz nicht anfassen, es könnte sich zum<br />
Nachteil auswirken.<br />
Theurl: Ja, das Argument höre ich auch häufig. Ich vertrete<br />
diese Position nicht. Wir müssen diese Dinge hingegen offensiv<br />
angehen und bewusst ausdiskutieren. Es muss ganz klar<br />
sein, dass die verschiedenen Sparten vom Genossenschaftsrecht<br />
unterschiedlich vertreten sind, dass unterschiedliche<br />
Vorstellungen existieren. Die müssen ausgesprochen wer-
den. Und es muss nach Kompromissen gesucht werden.<br />
Dort, wo die Vorstellungen und die Betroffenheit so unterschiedlich<br />
sind, dass es solche nicht geben kann, muss Toleranz<br />
geübt werden. Bei einer Reform des Genossenschaftsgesetzes<br />
darf es keine strukturellen Verlierer geben. Aber es<br />
ist gefährlich, die Inhalte nur deswegen nicht anzugreifen,<br />
weil sich etwas ändern könnte. Irgendwann stellt sich heraus,<br />
dass wichtige Weichenstellungen versäumt wurden,<br />
womit man sich letztlich sehr schaden kann.<br />
aktuell: Was müssen Wohnungsgenossenschaften tun, um<br />
wieder mehr junge Menschen anzusprechen und vor allen<br />
Dingen zu aktivieren?<br />
Theurl: Sie müssen sich deutlich besser darstellen als dies<br />
bisher der Fall ist. Sie müssen sich selber klar werden, wofür<br />
sie stehen. Viele Wohnungsgenossenschaften sind nicht<br />
wirklich selbstbewusst, sie drängen sich selbst in eine Ecke<br />
oder lassen sich dort hineindrängen. Und das bekommen<br />
Mitglieder und Nutzer natürlich mit. Wenn man als Wohnungsgenossenschaft<br />
ganz klare Konturen hat, die auch<br />
verstanden werden, dann ist es fast selbstverständlich, dass<br />
man auch junge und aufgeschlossene Mitglieder gewinnen<br />
wird. Aber wenn man – das sage ich bewusst salopp formuliert<br />
– sich ein verstaubtes Mäntelchen umhängt, dann werden<br />
sich auch nur bestimmte Leute angesprochen fühlen.<br />
Wohnungsgenossenschaften sollten sich ihrer Stärken bewusst<br />
sein und diese auch entsprechend kommunizieren,<br />
nach innen und nach außen.<br />
aktuell: Wohnungsgenossenschaften brauchen mehr und<br />
bessere Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Können sich das<br />
kleine Genossenschaften überhaupt leisten?<br />
Theurl: Das ist eine ganz typische Aufgabe, die nicht eine<br />
Genossenschaft für sich alleine machen kann. Das ist auf<br />
Verbandsebene anzusiedeln, beziehungsweise es ist eine<br />
Aufgabe für die Kooperationen von Genossenschaften. Das<br />
bedeutet nicht, dass eine einzelne kleine Genossenschaft sich<br />
nicht selbst darstellen sollte. Aber sie sollte gar nicht erst<br />
versuchen, mit einer großen Werbekampagne zu starten.<br />
Das macht keinen Sinn. Hier sind tatsächlich die Kräfte zu<br />
bündeln und vorhandene Kernkompetenzen zu nutzen. Und<br />
man darf im Übrigen auch nicht denken, Werbung ist alles.<br />
Zwei Dinge sind im Auge zu behalten: das eine sind die<br />
Inhalte und das andere ist eine offensive Kommunikation.<br />
aktuell: Ist die Wohnungsgröße und die Wohnungsaus<strong>statt</strong>ung<br />
den heutigen Lebensverhältnissen angepasst?<br />
Theurl: Das darf man nicht<br />
über einen Kamm scheren,<br />
dazu unterscheiden sich<br />
Wohnungsgenossenschaften<br />
viel zu sehr. Fakt ist, dass<br />
viele Wohnungsgenossenschaften<br />
– aber das gilt auch<br />
für andere Wohnungsunternehmen<br />
– einen Investitionsbedarf<br />
im Hinblick auf Größe,<br />
Aus<strong>statt</strong>ung und Grundrisse<br />
haben. Jede Wohnungsgenossenschaft muss sich darüber<br />
klar werden, welche Zielgruppen sie hat und was diese<br />
Zielgruppen wollen und danach sind die Wohnungen entsprechend<br />
zu adaptieren. Und damit sind wir wieder bei der<br />
Frage: wie sieht es mit der Finanzierung aus?<br />
aktuell: Eine persönliche Frage zum Schluss. Sind Sie Mitglied<br />
einer Wohnungsgenossenschaft und wenn ja, wohnen<br />
Sie auch dort?<br />
Theurl: Ich bin nicht Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft.<br />
Das hat einen sehr klaren Grund. Wohnungsgenossenschaften<br />
sind mir noch zu wenig vernetzt. Als ich von<br />
Innsbruck nach Münster gezogen bin, hätte ich gerne ein<br />
Wohnungsunternehmen gehabt – und eine Wohnungsgenossenschaft<br />
wäre prädestiniert dafür – , das mir am neuen<br />
Wohnort etwas hätte anbieten können, das meine ganze<br />
Übersiedlung organisiert hätte, damit ich mich um nichts<br />
mehr hätte kümmern müssen. Und wenn ich mich eines<br />
Tages entscheide, woanders hinzuziehen, würde ich mich<br />
gerne von einer vernetzten Wohnungsgenossenschaft unterstützen<br />
lassen. Diese Dienstleistungen werden noch viel<br />
zu wenig angeboten. Genau das aber ist auch ein Grund,<br />
warum junge, aktive und beruflich geforderte Zielgruppen<br />
sich nicht angesprochen fühlen, weil diese Anforderungen<br />
immer noch zu wenig beachtet werden.<br />
Theresia Theurl ist seit 2000 Ordinaria für Volkswirtschaftslehre<br />
an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und<br />
Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen<br />
im Centrum für Angewandte Wirtschaftsforschung<br />
an der Wilhelms-Universität. Die Österreicherin studierte<br />
an der Universität Innsbruck, promovierte (1987) und<br />
habilitierte (1992) dort. Schwerpunkt der wissenschaftlichen<br />
Forschungs- und Publikationsaktivitäten sind die Ökonomik<br />
der Unternehmenskooperationen, Internationale Wirtschaftsbeziehungen,<br />
Monetäre Ökonomik und Wirtschaftspolitik.<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 QUERGEFRA G T<br />
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60<br />
„Beziehungsbanking gewinnt an Bedeutung“<br />
Hans Dietmar Sauer zu Konjunkturkrise und Kommerz<br />
Ethik und unternehmerisches Denken stehen nicht zwingend<br />
im Widerspruch. Im Gegenteil. Dass sich Banken, Wirtschaft<br />
und Industrie gerade auch durch moralische und ethische<br />
Werte weiterentwickeln und gegenseitig befruchten, brachte<br />
Hans Dietmar Sauer, Vorsitzender des Vorstands der LBBW,<br />
auf dem Verbandstag in seinem Vortrag „Ökonomie ist<br />
nicht böse“ zum Ausdruck. Im Gespräch mit aktuell bezieht<br />
Sauer Stellung zu aggressivem Kommerz, Bilanzrisiken und<br />
Ratingmodellen.<br />
aktuell: John Kay, britischer Wirtschaftswissenschaftler<br />
und Dozent an der Uni Oxford,<br />
betont die „Macht des guten Rufes“. Der<br />
gute Ruf, der eine Bank verlässlich macht.<br />
Ist im Rahmen der Globalisierung die professionelle<br />
Ethik einem aggressiven Kommerz<br />
gewichen?<br />
Sauer: Globalisierung ist für unsere Volkswirtschaften<br />
das, was für die Physik die<br />
Schwerkraft ist. Man kann nicht für oder gegen das Gesetz<br />
der Schwerkraft sein – man muss damit leben. Die Globalisierungsdiskussion<br />
sollte aber nicht auf die Entscheidung<br />
zwischen Ethik und Kommerz zugespitzt werden. Die Globalisierung<br />
ist auch nicht der Feind jeglicher ethischen Werte<br />
der alten Welt. Meiner Meinung nach hat die Globalisierung<br />
eher das Gegenteil bewirkt. Sie sprechen es in Ihrer<br />
Frage ja schon an: Der gute Ruf ist es, der für eine Bank –<br />
wie für jedes Unternehmen – entscheidend ist, gerade in<br />
der globalisierten Wirtschaft. Wenn wir es schaffen, Moral<br />
und Ethik in unser wirtschaftliches Handeln mit einzubeziehen,<br />
werden wir noch größeren Erfolg haben. Die Globalisierung<br />
zwingt uns also geradezu zu ethischem Handeln.<br />
aktuell: Ist die LBBW eine der Banken, die die Verbriefungsinitiative<br />
TSI unterstützt, also den Verkauf von Krediten?<br />
Sauer: Die LBBW nimmt nicht selbst an der True Sale Initiative<br />
zur Verbriefung von Kreditforderungen teil, die Landesbanken<br />
und Sparkassen sind jedoch bei der Initiative vertreten.<br />
Bei der TSI geht es um zweierlei Dinge. Zum einen ist<br />
es für die deutsche Kreditwirtschaft immens wichtig, auch<br />
international bei der Verbriefung von Kreditforderungen und<br />
der Erstellung der hierfür notwendigen Standards mithalten<br />
zu können. Vor diesem Hintergrund ist die TSI ausdrücklich<br />
zu begrüßen. Zum anderen geht es den beteiligten Banken<br />
vor allem um die Entlastung ihrer Bilanzen von Unternehmensforderungen,<br />
indem sie diese am Kapitalmarkt platzieren.<br />
Dadurch entstehen neue Bilanzspielräume, die prinzipiell<br />
zur Kreditvergabe an die Unternehmen genutzt werden.<br />
Ob die beteiligten Banken diese Spielräume nutzen,<br />
muss jedoch dahingestellt bleiben. Die LBBW geht den direkten<br />
Weg, indem sie ihren Unternehmenskunden anbietet,<br />
deren Bilanzen zu entlasten. Hierfür wurde das Produkt<br />
ABS-Kompakt entwickelt. Uns geht es also<br />
weniger um unsere eigene Bilanz, sondern<br />
um diejenige unserer Kunden.<br />
aktuell: Hans W. Reich, der Chef der KfW-<br />
Bankengruppe, sieht Risiken für den Konjunkturaufschwung<br />
durch die restriktive<br />
Kreditvergabe der Banken. Wie werten Sie<br />
diese Gefahr?<br />
Sauer: Die Banken sind ein Stück weit gebrannte<br />
Kinder der Vergangenheit. Schauen<br />
Sie sich die Jahresabschlüsse der Kreditinstitute an: im Jahr<br />
2002 wurden bei den Wertberichtigungen, also bei den Ertragseinbußen<br />
aufgrund rückzahlungsgefährdeter Kredite,<br />
Nachkriegsrekorde erreicht. Und auch in 2003 waren wieder<br />
hohe Wertberichtigungen – gerade auch für mittelständische<br />
Unternehmen der Bau- und Wohnungswirtschaft –<br />
erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist es nur natürlich,<br />
wenn die Banken etwas vorsichtiger werden. Die These,<br />
dass eine risikobewusste Kreditpolitik der Banken den Konjunkturaufschwung<br />
behindere, ist aber so nicht haltbar.<br />
Jede Bank wird bereit sein, eine solide Investition zu finanzieren.<br />
Solche Investitionen führen dann zu einem soliden<br />
Konjunkturaufschwung. Wenn eine Bank die Finanzierung<br />
unsolider Investitionen verweigert, wird dadurch vielleicht<br />
unsolides Wachstum verhindert. Dies nützt einer Volkswirtschaft<br />
jedoch langfristig sogar. Schauen Sie nach Japan:<br />
dort wurden zu Beginn der 90er Jahre Unternehmen bis an<br />
die Oberkante finanziert. In den letzten Jahren gab es das<br />
große Erwachen: eine anhaltende Konjunkturkrise gepaart<br />
mit einer Bankenkrise. Das kann nicht das Ziel sein. Doch<br />
kann ich aus eigener Anschauung auch etwas Entwarnung<br />
geben: die Banken geben wieder großzügiger Kredite. Dies<br />
merken wir bei der LBBW, und dies zeigen auch aktuelle<br />
Umfragen unter Unternehmen und Banken.
aktuell: Wenn Unternehmen nicht investieren können, wird<br />
ihre Bonität eher schlechter als besser. Damit könnten auch<br />
die Bilanzrisiken der Banken wieder wachsen. Wie sehen Sie<br />
das? Wie geht die LBBW damit um?<br />
Sauer: Im LBBW-Konzern sehen wir uns als Bank der Unternehmen<br />
in ihrem Kernmarkt <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>. Das bedeutet<br />
für uns, dass wir auch in den schwierigen konjunkturellen<br />
Zeiten zu unseren Unternehmenskunden stehen. Natürlich<br />
müssen wir immer tiefer in die Analyse des Zahlenwerks<br />
der Unternehmen einsteigen. Dies tun wir schon allein<br />
aus Eigeninteresse, aber auch vor dem Hintergrund wachsender<br />
Anforderungen der Finanzaufsicht oder der internationalen<br />
Ratingagenturen, die wiederum unser Haus immer<br />
genauer in Augenschein nehmen. Wir waren bei der Kreditvergabe<br />
aber auch immer sehr risikobewusst, wodurch sich<br />
für unsere Kunden keine grundsätzlich neue Situation ergeben<br />
dürfte. Im Übrigen ist nichts davon zu halten, Bonitätsschwächen<br />
durch Investitionsaktionismus zu überdecken.<br />
aktuell: Wie standardisiert sind die Ratingmodelle der LBBW?<br />
Oder anders gefragt: Wie viel Raum haben Einschätzungen<br />
der Firmenkundenbetreuer?<br />
Sauer: Die Kreditentscheidung basiert bei der LBBW schon<br />
immer auf einem Rating des jeweiligen Kunden. In dieses<br />
Rating fließen neben den betriebswirtschaftlichen Daten aus<br />
der Bilanz, die sogenannten Hardfacts, auch Einschätzungen<br />
der Kundenberater, z.B. über die Zukunftsfähigkeit bzw.<br />
Innovationskraft der Produktpalette, über Marktstrukturen<br />
und über mögliche Umweltrisiken ein. Auch erfährt der Einsatz<br />
betriebswirtschaftlicher Planungsinstrumente sowie die<br />
Prognosequalität eine Wertung durch den Firmenkundenberater.<br />
Durch Einbindung dieser „weichen“ Faktoren in ein<br />
Rating ist eine qualifiziertere Beurteilung des Gesamtrisikos<br />
eines Kreditengagements möglich.<br />
aktuell: Was raten Sie den Geschäftsführern/Vorständen in<br />
der Wohnungswirtschaft in Bezug auf Basel II und das damit<br />
verbundene Rating?<br />
Sauer: Durch Basel II wird das „Beziehungsbanking“ weiter<br />
an Bedeutung gewinnen. Daher sollten die Unternehmer<br />
noch stärker das Gespräch mit „ihrer“ Bank suchen. Der für<br />
eine detaillierte Risikoanalyse erforderliche intensive und<br />
konstruktive Dialog bietet die Chance, Schwachstellen im<br />
eigenen Unternehmen zu erkennen und zu beseitigen. Damit<br />
kann das Rating verbessert werden. Ein besseres Rating<br />
führt wiederum zu besseren Finanzierungskonditionen.<br />
aktuell: Als Vorstand der Landeskreditbank lag Ende der<br />
70er Jahre einer Ihrer Schwerpunkte auf dem Bereich des<br />
sozialen Wohnungsbaus. Was ist Ihnen aus dieser Zeit besonders<br />
in Erinnerung geblieben?<br />
Sauer: Das Kunststück, trotz immer geringerer Subventionen<br />
die Investitionsbereitschaft von Wohnungsunternehmen und<br />
Privaten am Leben zu erhalten. Leere Staatskassen machen<br />
erfinderisch. Auf der anderen Seite war man sich damals<br />
bewusst, dass dieses Rad nicht überdreht werden darf.<br />
Dauerhaft leistungsfähige Wohnungsunternehmen sind wichtiger<br />
als ein kurzfristiger Investitionsboom.<br />
aktuell: Die LBBW-Analysten wurden für die besten Prognosen<br />
in ganz Europa ausgezeichnet. Belebt das das Firmenkundengeschäft?<br />
Sauer: Wir freuen uns, dass die renommierteste Agentur zur<br />
Beurteilung der Leistung von Aktienanalysten das Research<br />
der Landesbank <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> zum erfolgreichsten<br />
Analyseteam in Europa gekürt hat. Damit ist die Wahrscheinlichkeit<br />
einer sehr guten Voraussage der zukünftigen<br />
Gewinnentwicklung eines Unternehmens bei der LBBW<br />
gegenüber allen anderen Analyseteams am höchsten.<br />
Davon profitieren in erster Linie die Anleger, die bei der<br />
LBBW trotz des seit Jahren sehr volatilen Aktienmarkts ein<br />
hohes Maß an Verlässlichkeit erfahren. Zwar finden Informationen<br />
des Aktienresearch auch Eingang in Kreditentscheidungen.<br />
Eine Belebung des Firmenkundengeschäftes<br />
hängt aber im Wesentlichen von den volkswirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen ab.<br />
Hans Dietmar Sauer wurde 1941 in Ravensburg geboren.<br />
Nach dem Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften<br />
war er vier Jahre im Finanzministerium <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
tätig. Von 1976 bis 1999 durchlief er die Karriereleiter<br />
vom Direktor bis zum Vorsitzenden des Vorstandes bei der<br />
Landeskreditbank <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>. 1999 verschmolz die<br />
Landeskreditbank <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> mit der Südwestdeutschen<br />
Landesbank und der Landesgirokasse zur LBBW.<br />
Sauer übernahm im Jahr 2001 den Vorsitz des Vorstands der<br />
LBBW, die mittlerweile die viertgrößte Bank in Deutschland<br />
ist. Ende des Jahres 2004 geht Sauer in den Ruhestand. Drei<br />
Jahre war er als Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher<br />
Banken Deutschlands tätig. Sauer wurde im Jahr 2002<br />
zum Honorarkonsul von Japan in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
ernannt und ist Mitglied im Aufsichtsrat des VfB Stuttgart.<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 QUERGEFRA G T<br />
61
62<br />
„Wir bauen heute noch wie in der Steinzeit“<br />
Claus-Peter Hutter zu Siedlungspolitik und Umweltschutz<br />
Ökologie und Nachhaltigkeit gehören zu den Themen, die in<br />
den vergangenen Jahren von der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft<br />
aufgegriffen und umgesetzt wurden. Bewusstes<br />
Flächenmanagement, Passivhausbau und Solartechnik haben<br />
Einzug gehalten. Doch Umweltbewusstsein kostet seinen<br />
Preis. aktuell sprach mit Claus-Peter Hutter, Leiter der Akademie<br />
für Natur- und Umweltschutz <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>,<br />
über Siedlungsökologie, Lebensqualität und Umweltschutz.<br />
aktuell: Im Internetauftritt der Akademie wird Friedrich<br />
Schiller zitiert mit dem Satz „Der gebildete Mensch macht<br />
sich die Natur zu seinem Freund“. Sind wir heutzutage<br />
nicht mehr gebildet?<br />
Hutter: Man könnte es fast meinen, wenn man sieht, wie<br />
wir mit der Natur umgehen. Zum Beispiel die Tatsache, dass<br />
der Landverbrauch wieder angestiegen ist. Wir haben in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
täglich einen Flächenverbrauch von 13<br />
Hektar. Und in den anderen Bundesländern sieht es nicht<br />
besser aus. Damit gehen wir Hypotheken für die kommenden<br />
Generationen ein, die meiner Meinung nach unverantwortlich<br />
sind. Schauen Sie sich nur mal die Region Stuttgart<br />
an oder auch das Rhein-Main-Gebiet. Da sind so viele Gewerbealtlasten<br />
zu sehen, da könnte man in vielen Gegenden<br />
ohne weitere Dekoration Krimis drehen.<br />
aktuell: Das Landeswohnungsbauprogramm ist seit September<br />
erschöpft. Ob das Energiesparprogramm der Stadt<br />
Stuttgart in 2004 weiterläuft, wird erst die Haushaltsberatung<br />
jetzt im Dezember zeigen. Sehen Sie ein Defizit an<br />
staatlicher, landes- und kommunalpolitischer Förderung in<br />
Bezug auf ökologische Fragen?<br />
Hutter: Nein, da sehe ich kein Defizit, weil in den vergangenen<br />
Jahren sehr viel in diesem Bereich unterstützt wurde.<br />
Wir müssen die Menschen dazu bringen, mehr Eigenverantwortung<br />
zu übernehmen. Wenn heute jemand in seinem<br />
Haus Energie spart, dann kommt das langfristig seinem<br />
eigenen Geldbeutel, seiner eigenen Umwelt und am Ende<br />
seinem eigenen Dasein zugute. Es kann nicht sein, dass<br />
Umweltschutz immer nur dann <strong>statt</strong>findet, wenn die öffentliche<br />
Hand dies regelt. Das ist meine ganz persönliche Meinung.<br />
Selbstverständlich ist es wichtig, dass die öffentliche<br />
Hand weiterhin fortschrittliche ökologische Maßnahmen<br />
fördert. Doch es müssen auch andere Formen angedacht<br />
werden. Wir müssen meines Erachtens das Planungsrecht<br />
ändern, damit beispielsweise die Kommunen planungsrechtlich<br />
mit den Gewerbe- und Industriealtlasten besser zu<br />
Rande kommen. Damit dort eine Neubesiedelung entstehen<br />
kann. Dann muss man nicht auf die grüne Wiese ausweichen.<br />
So könnte man, ohne dass es viel Kapital erfordert,<br />
ordnungspolitisch einiges bewegen.<br />
aktuell: Niedrigenergiehäuser sind Standard, doch Passivhäuser<br />
tun sich am Markt schwer. Für junge Familien ist<br />
doch die Frage nach der Refinanzierung maßgeblich.<br />
Hutter: Die Bevölkerung erwartet, dass sich Investitionen<br />
sehr schnell lohnen. Doch das sollten wir beim Thema Umweltschutz<br />
nicht allein so sehen. Andererseits sehen wir,<br />
dass sich Investitionen in Niedrigenergiehäuser oder in Passivhäuser<br />
sehr schnell positiv bemerkbar machen. Außerdem<br />
tun wir etwas für unsere Nachkommen, also die Erben<br />
dieser Häuser. Bei der zu erwartenden rückläufigen Bevölkerungszahl<br />
kann die Investition in den Umweltschutz den<br />
zukünftigen Marktwert bestimmen.<br />
aktuell: Finden Sie beim Thema Siedlungsökologie offene<br />
Türen bei Kommunen und in der Wohnungswirtschaft vor?<br />
Hutter: Ich erlebe viel Offenheit und Interesse bezüglich<br />
dieses Themas. Was mir persönlich fehlt, ist die zu geringe<br />
Umsetzung im Einzelnen. Ich behaupte, dass die ganzen<br />
Potenziale der Siedlungsökologie – und das hat nicht nur<br />
etwas mit Niedrigenergiehäusern, Solartechnik, Wasserrückhaltung<br />
und anderen technischen Dingen zu tun, sondern<br />
mit Lebens- und Umweltqualität – noch nicht ausgeschöpft<br />
sind. Ich sage ganz provokant: Wir bauen heute noch wie in<br />
der Steinzeit und so sehen auch viele Siedlungen aus. Aber<br />
ich kann auch positive Beispiele für Siedlungsentwicklungen<br />
nennen, zum Beispiel „Arkadien“ in Asperg oder in<br />
Steinheim im Kreis Ludwigsburg, wo im Dialog zwischen<br />
Wohnungswirtschaft, Bauunternehmen, Kommunen, Wissenschaftlern,<br />
Baupsychologen und Landschaftsarchitekten<br />
unter Einbeziehung der späteren Eigentümer ein Konzept<br />
entstanden ist, das schon jetzt Mehrwert hat. Wo es Wasserläufe<br />
gibt, wo es fast das ganze Jahr über blüht, wo<br />
öffentliche Plätze angelegt wurden, die kinderfreundlich<br />
sind. Diese Konzepte bringen mehr als diese Normkisten,<br />
die irgendwo hingebaut werden.
Unser Planet ist nicht<br />
aufblasbar<br />
aktuell: Junge Familien wollen<br />
vielleicht ökologische Aspekte<br />
im Wohnungsbau realisieren,<br />
können es sich aber<br />
nicht leisten.<br />
Hutter: Bleiben wir bei den<br />
genannten Beispielen. Diese<br />
Häuser und Wohnungen sind<br />
durchaus konkurrenzfähig. Ein großer See, der gerade angelegt<br />
wird und das Wohnviertel nicht nur optisch, sondern<br />
auch in Bezug auf die Lebensqualität aufwertet, für den<br />
wird später die Stadt die Unterhaltung übernehmen. Man<br />
muss einfach mehr nachdenken, wie man im Zusammenspiel<br />
zwischen Eigentümern, Wohnungsbauunternehmen und<br />
Kommunen neue Formen finden kann. Tatsache ist natürlich<br />
auch, da muss ich Ihnen Recht geben, dass heute umweltschonendes<br />
Bauen sehr viel kostet. Die Menschen wollen<br />
alles haben, aber nichts dafür bezahlen. Ähnlich wie bei<br />
den Lebensmitteln. Jeder möchte möglichst ökologische,<br />
biologische Produkte, aber es soll nicht mehr kosten als die<br />
Massenware im Supermarkt.<br />
aktuell: Wie bewerten Sie die Neubaugebiete in den Ballungszentren<br />
unter Mobilitäts- und Nachhaltigkeitsgesichtspunkten?<br />
Hutter: Insgesamt müssten wir wieder eine stärkere Vernetzung<br />
von Wohnen und Arbeiten haben. Die neuen Informationstechniken<br />
unterstützen dies. Immer mehr Leute können<br />
von zuhause aus vernetzt arbeiten und entlasten damit<br />
die Verkehrsströme. Stuttgart steht zum Beispiel verkehrstechnisch<br />
kurz vor dem Kollaps. Neue Straßen werden meines<br />
Erachtens – von Ausnahmen abgesehen – nicht die Lösung<br />
bringen, denn neue Straßen produzieren auch mehr<br />
Verkehr. Eine Chance ist der öffentliche Nahverkehr, der aber<br />
noch attraktiver gestaltet werden müsste.<br />
aktuell: Flächenpools und Ökokonten sind Themen, für die<br />
Sie sich einsetzen. Welche Erfolge haben Sie damit im Hinblick<br />
auf die Bauplanung?<br />
Hutter: Ökokonten bringen den Kommunen mehr Flexibilität,<br />
weil sie frühzeitig in die Natur investieren können, um<br />
es später angerechnet zu bekommen. Noch haben sich<br />
nicht alle Gemeinden in diese Richtung bewegt. Das hängt<br />
sehr stark von der Kooperationsbereitschaft der Städte und<br />
Gemeinden mit den jeweiligen Landratsämtern ab. Ein Baugebiet<br />
ist immer ein Eingriff und nur teilweise ausgleichbar.<br />
Wir müssen vom Landverbrauch wegkommen, weg vom<br />
Bauen auf der grünen Wiese, das wäre das beste Ökokonto.<br />
Eines ist klar: unser Planet ist nicht aufblasbar.<br />
Kampf um Einwohner hat begonnen<br />
aktuell: Die Kommunen stehen untereinander in starker<br />
Konkurrenz bei Gewerbe- wie bei Wohngebieten. Es geht<br />
ums Geld, insbesondere um Steuereinnahmen.<br />
Hutter: Ich beobachte mit großer Sorge, dass vor allem im<br />
ländlichen Raum und in Ballungsrandgebieten attraktive<br />
Flächen angeboten werden, um Einwohner zu gewinnen.<br />
Der Kampf um die Einwohner hat schon begonnen. So manches<br />
Gewerbegebiet, das heute im ländlichen Raum geplant<br />
wird, wird wahrscheinlich nicht voll werden. Es werden hohe<br />
Investitionen getätigt, die auch unter ökonomischer Betrachtung<br />
keine hohe Rendite bringen, aber hohe Altlasten.<br />
Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die Bevölkerung<br />
abnehmen wird. Mir tun die Bürgermeister und die Stadtund<br />
Gemeinderäte Leid, die dem großen Druck ausgesetzt<br />
sind, ihre notwendigen Kommunalfinanzen zusammen zu<br />
bekommen. Ich halte die Abkoppelung von der Gewerbesteuer<br />
für wichtig. Die Gemeindefinanzen müssten in vielen<br />
Bereichen anders geregelt werden, damit der Druck auf die<br />
Landschaft entfällt.<br />
aktuell: Müssen wir uns den Traum vom Eigenheim abschminken?<br />
Hutter: Nein, ich bin selber Eigenheimbesitzer und habe ein<br />
altes Haus umgebaut und modernisiert. Jeder, der um die<br />
wirtschaftliche Lage weiß, wird die Investition in eine<br />
Immobilie nicht bereuen. Meines Erachtens ist es die beste<br />
Altersvorsorge, wenn man Wohneigentum erwirbt.<br />
aktuell: Wie wichtig ist für Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit<br />
angesichts des wachsenden Wettbewerbs?<br />
Hutter: Die Unternehmen sind die eigentlichen Schrittmacher<br />
in Sachen Nachhaltigkeit, weil sie die Chancen begreifen.<br />
Wer heute nach dem EU-Standard EMAS II arbeitet, also<br />
freiwillig ein Umweltmanagement-System einführt, macht<br />
ein Ökoaudit und wird von der EU zertifiziert. Daran beteiligen<br />
sich immer mehr private und öffentliche Dienstleistungsunternehmen,<br />
ebenso Kommunen. Unternehmen stel-<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004 QUERGEFRA G T<br />
63
64<br />
len fest, dass sie damit auch sparen können. Durch diese<br />
Kostenersparnisse und Wettbewerbsvorteile werden sie<br />
langfristig auf dem Weltmarkt besser bestehen. Denn früher<br />
oder später werden diese Maßnahmen auch in Osteuropa<br />
zum Standard.<br />
aktuell: Welche Rolle spielen die Kreditgeber, also die Banken<br />
und Sparkassen in Bezug auf eine ökologische Unternehmensausrichtung?<br />
Hutter: Die Banken können sehr viel tun. Auch im eigenen<br />
Bereich, wenn sie selbst in ihren Gebäuden ein Umweltmanagement-System<br />
einführen. Noch stärker müssten sie<br />
darauf ausgerichtet sein, Nachhaltigkeit zu überprüfen und<br />
einzufordern. Schwierig ist die Frage, ob eine private Bank<br />
eine staatliche Ordnungspolitik ersetzen kann oder muss.<br />
Wie die Bank die Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers überprüft,<br />
so sollte sie auch überprüfen, was mit den Geldern<br />
passiert. Eine Bank kann nicht daran interessiert sein, dass<br />
ein Kreditnehmer für den gewerblichen Bereich baut und<br />
hinterher Altlasten entstehen.<br />
Wissenserosion ist Kulturverlust<br />
aktuell: Die Akademie für Natur- und Umweltschutz spricht<br />
auch stark die Entscheidungsträger von morgen, also die<br />
Kinder an. Ist die heutige Erwachsenengeneration für ökologische<br />
Themen verloren?<br />
Hutter: Im Vergleich zu anderen Akademien haben wir darin<br />
einen unserer Schwerpunkte gelegt. Weil wir feststellen, dass<br />
Kinder, aber auch Erwachsene zu wenig Wissen über die<br />
Natur haben. Kinder wie auch Erwachsene können heute<br />
kaum mehr Wildtiere oder Wildpflanzen bestimmen. Aber<br />
Automarken, Spritverbrauch und Höchstgeschwindigkeit sind<br />
bekannt. Wir müssen die Wissenserosion stoppen. Denn<br />
Wissenserosion ist Kulturverlust. Das kommt uns irgendwann<br />
teuer zu stehen.<br />
aktuell: Eine persönliche Frage zum Schluss: Sind Sie mit<br />
Ihrer privaten Wohnsituation aus ökologischer Sicht zufrieden?<br />
Hutter: Ja! Ich habe schon vor über zwanzig Jahren vieles beachtet,<br />
wie Wärmedämmung, die Verwendung von viel Holz<br />
und die Gestaltung eines naturnahen, erlebnisreichen Gartens.<br />
Claus-Peter Hutter ist hauptberuflich Leiter der Akademie<br />
für Natur- und Umweltschutz <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> beim<br />
Ministerium für Umwelt und Verkehr. Der Autor vieler<br />
Bücher und Reportagen für Zeitschriften und Zeitungen ist<br />
außerdem Präsident der Stiftung Europäisches Naturerbe<br />
(EURONATUR) und Lehrbeauftragter an der Universität<br />
Hohenheim für Umweltmanagement.<br />
Die Interviews führten Dagmar Lange und Marion Schubert.
QUERGEFRA G T<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004<br />
65
66<br />
BETEILIGUNGEN DES <strong>vbw</strong><br />
Wohnungswirtschaftliche<br />
Treuhand Stuttgart GmbH<br />
ASW Südwest<br />
Assekuranz- und<br />
Finanzierungs GmbH<br />
25 % AWTS, 25 % TSW,<br />
25 % TdW, 25 % NT<br />
Stand: März 2005<br />
Akademie der Wohnungsund<br />
Immobilienwirtschaft<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> GmbH<br />
Institut an der Hochschule<br />
Nürtingen-Geislingen<br />
Energie Management<br />
Service GmbH<br />
34 % <strong>vbw</strong><br />
33 % MVV Energie GmbH<br />
33 % Techem Energy<br />
Contracting GmbH<br />
AWTS-Assekuranz-GmbH<br />
Versicherungs- und<br />
Finanzierungsmakler<br />
Verband<br />
baden-württembergischer<br />
Wohnungsunternehmen e.V.<br />
Beratungsgesellschaft für<br />
wohnungswirtschaftliche<br />
Software und Organisation<br />
Wohnmedia<br />
Service GmbH<br />
31,66 % <strong>vbw</strong><br />
31,66 % vtw<br />
31,66 % ewt<br />
5 % vdivService GmbH<br />
casadomus AG<br />
49,8 % WTS<br />
25,1 % SNP Gruppe<br />
25,1 % MediaCluster GmbH<br />
Pacta<br />
Steuerberatungsgesellschaft<br />
mbH<br />
Hammonia Verlag<br />
12 % <strong>vbw</strong><br />
88 % GdW und<br />
Regionalverbände
Herausgeber<br />
<strong>vbw</strong> Verband baden-württembergischer<br />
Wohnungsunternehmen e.V.<br />
Bildnachweis<br />
Familienheim Rhein-Neckar eG (Mannheim),<br />
GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und<br />
Immobilienunternehmen e.V. (Berlin), Städtische<br />
Wohnbaugesellschaft Lörrach mbH, Baugemeinschaft<br />
Ettlingen eG, IAW Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung<br />
e.V. Tübingen, ifo Institut für Wirtschaftsforschung,<br />
Institut für Genossenschaftswesen Münster,<br />
LBBW, Akademie für Natur- und Umweltschutz <strong>Baden</strong>-<br />
<strong>Württemberg</strong>, <strong>vbw</strong>, ZEFA Images, Corbis Stockmarket<br />
Gestaltung<br />
C.W.G. Creativ Werbung GmbH,<br />
Stuttgart<br />
Druck<br />
Göhring Druck GmbH, Waiblingen<br />
Redaktionsschluss<br />
März 2005<br />
<strong>vbw</strong> J AHRESBERICHT 2004<br />
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<strong>vbw</strong>