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Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e. V ...

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SCHMERZTHERAPIE<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Schmerztherapie</strong> e. V. – DGS<br />

23. Jahrgang 2007 Ehemals StK<br />

Inhalt<br />

Editorial<br />

Verunsicherung, Einschüchterung,<br />

Missbrauch .................................... 2<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

Opioide – differenzierte Therapie ist<br />

Goldstandard ................................. 4<br />

Fragen zur Zertifizierung ............. 9<br />

Schmerzkonsil<br />

Teilbarkeit von oralen<br />

Stufe-III-Opioiden ........................ 11<br />

Originalie<br />

Erstes bundesweites Kopfschmerzbehandlungsnetz<br />

......................... 12<br />

DGS-Veranstaltungen/Interna .. 15<br />

Interdisziplinäre Fortbildung<br />

Schmerzkonferenzen –<br />

Palaver oder Chance? ................. 16<br />

Onkologie<br />

Moderne Chemotherapie nach<br />

Maß ............................................. 18<br />

Palliativmedizin<br />

Optimale Palliativversorgung –<br />

Wie ist das möglich? ................... 20<br />

Medizin und Recht<br />

Wie wird das Vertragsarztrechts-<br />

änderungsgesetz umgesetzt? ..... 22<br />

Schmerz im Krankenhaus<br />

Funktion des Akutschmerz-<br />

dienstes ....................................... 24<br />

Internationale Presse ................ 25<br />

Bücherecke ................................ 26<br />

Kasuistik<br />

Rückenschmerzen ....................... 27<br />

www.dgschmerztherapie.de<br />

ISSN 1613-9968<br />

3I2007<br />

Opioide – differenzierte Therapie<br />

nach der inneren Uhr


Editorial<br />

Gerhard Müller-Schwefe,<br />

Göppingen<br />

Verunsicherung<br />

Diejenigen von Ihnen, die eine nennenswerte<br />

Zahl oder gar überwiegend Schmerzpatienten<br />

betreuen, werden in den letzten Tagen und<br />

Wochen „Prüfungen der wirtschaftlichen Verordnungsweise<br />

von Arznei- und Verbandsmitteln<br />

aufgrund von Überschreitungen ihres individuellen<br />

Richtgrößenvolumens <strong>für</strong> das Jahr<br />

2005“ erhalten haben.<br />

Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 106<br />

Abs. 5 a SGB V sowie § 84 Abs. 6 SGB V ist<br />

bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens<br />

von mehr als 15% eine Wirtschaftlichkeitsprüfung<br />

durchzuführen.<br />

Selbst wenn bei Ihnen <strong>Schmerztherapie</strong><br />

jahrelang als Praxisbesonderheit anerkannt<br />

war, geraten Sie jetzt aufgrund der Gesund-<br />

Verunsicherung – Einschüchterung –<br />

Missbrauch<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

Verunsicherung, Einschüchterung und Missbrauch – typische Machtinstrumente<br />

einer Diktatur – finden zunehmend Eingang in das bundesdeutsche Gesundheits-<br />

wesen. Gerade in der schon defizitären schmerztherapeutischen Versorgung<br />

hat dies fatale Konsequenzen.<br />

Immer mehr Verunsicherung durch Wirtschaftlichkeitsprüfungen.<br />

heitsreform in die Mühlen der Wirtschaftlichkeitsprüfung.<br />

Zwar werden im Vorfeld bereits<br />

– je nach KV – Substanzen wie stark wirksame<br />

Opioide (WHO-Stufe III) und Gabapentin<br />

als Besonderheit herausgerechnet.<br />

Zahlreiche andere Substanzen, die im Rahmen<br />

der <strong>Schmerztherapie</strong> essenziell sind wie<br />

beispielsweise Stufe-II-Opioide, Antikonvulsiva<br />

wie z.B. Pregabalin, Antidepressiva, Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer<br />

oder auch antichronifizierende Substanzen<br />

wie Flupirtin sowie Lokalanästhetika wie auch<br />

Triptane oder Rezepturen zur intrathekalen<br />

Opioidtherapie zur Pumpenbefüllung finden<br />

zunächst keine Berücksichtigung, obwohl sie<br />

seit Jahren unstrittig Bestandteil qualifizierter<br />

<strong>Schmerztherapie</strong> sind.<br />

Natürlich können Sie jede einzelne dieser Verordnungen<br />

begründen und ihre Notwendigkeit<br />

in der Summe auch darstellen – dies allerdings<br />

auf Kosten Ihrer eigenen Lebens- und<br />

Arbeitszeit: Leicht ist hier einmal eine ganze<br />

Arbeitswoche mit 50 Arbeitsstunden mit Statistik<br />

und Begründungsorgien zugebracht,<br />

ohne dass ein einziger Patient besser versorgt<br />

wäre. Schlimmer noch wiegt, dass viele<br />

Kollegen verunsichert sind und nicht nur ihr<br />

Verordnungsverhalten ändern, sondern auch<br />

keine Neigung mehr verspüren, sich der Probleme<br />

chronisch schmerzkranker Patienten<br />

anzunehmen, bei denen auch die ärztliche<br />

Arbeit ohnedies dem Rasiermesser der Leistungsbegrenzung<br />

zum Opfer fällt.<br />

Einschüchterung<br />

Einschüchterung ist auch das Prinzip, wenn<br />

die Bundesregierung im Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz<br />

DDDs (Defined<br />

Daily Doses = angenommene tägliche<br />

Dosierung) als Steuerungsgröße zur Verordnung<br />

von Medikamenten und insbesondere<br />

auch von stark wirksamen Schmerzmitteln<br />

einsetzt. Auf seiner Homepage definiert das<br />

Bundesgesundheitsministerium in seinem<br />

„Glossar zur Gesundheitsreform“ (www.diegesundheitsreform.de/glossar/durchschnittskosten_tagesdosis.html):<br />

„Für den Preisvergleich<br />

bieten die Angaben zur ‚Defined Daily<br />

Dose’ (DDD, deutsch: durchschnittliche Tagesdosis)<br />

dem Arzt eine konkrete Orientierung.<br />

Die DDD ist eine Tablette mit normierter<br />

Wirkstärke oder Wirkstoffmenge. Sie<br />

entspricht der Dosis, die bei einer bestimmten<br />

Indikation im Durchschnitt und pro Tag erforderlich<br />

ist.“ Und weiter: „Die Regelung ist Teil<br />

des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz<br />

(AVWG). Es ist die Aufgabe der<br />

Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen,<br />

die Durchschnittskosten vertraglich<br />

festzulegen.“ Hier wird suggeriert, DDDs eigneten<br />

sich zum Vergleich verschiedener<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


Substanzen und verschiedener Arzneigruppen<br />

und ermöglichten es, die günstigste wirksame<br />

Therapie auszusuchen.<br />

DDDs beschreiben Mangelversorgung<br />

und nicht Therapienotwendigkeit<br />

Um hier den Gesundheitsstrategen nicht erneut<br />

auf den Leim zu gehen, ist es wichtig,<br />

Definitionen und Inhalte exakt zu kennen.<br />

DDDs wurden explizit zum Vergleich des Verordnungsverhaltens<br />

in verschiedenen Ländern<br />

und Populationen definiert, um in Studien<br />

Versorgungsrealität vergleichbar abbilden<br />

zu können. In Anbetracht der bestehenden<br />

Mangelversorgung von Schmerzpatienten<br />

sowohl was die ärztliche Versorgung als auch<br />

was die pharmakotherapeutische Versorgung<br />

angeht, wird verständlich, dass DDDs die die<br />

aktuelle oder zurückliegende Verordnungsrealität<br />

widerspiegeln, immer eine Mangelversorgung<br />

beschreiben.<br />

DDDs: keine Verordnungsrichtlinie<br />

Die DDDs werden im Rahmen der anatomisch-therapeutisch-chemischenKlassifikation<br />

von Medikamenten (sog. ATC-Klassifikation,<br />

in der Wirkstoffe entsprechend dem Organ<br />

oder Organsystem, auf das sie einwirken,<br />

und nach ihren chemischen, pharmakologischen<br />

und therapeutischen Eigenschaften<br />

in verschiedene Gruppen eingeteilt werden)<br />

vom WHO-Zentrum <strong>für</strong> die Erarbeitung der<br />

Methodik der Arzneimittelstatistik (WHO Collaborative<br />

Centre for Drug Statistics Methodology)<br />

in Oslo jährlich neu beschrieben.<br />

Ausdrücklich weist diese Arbeitsgruppe<br />

darauf hin, dass DDDs (Defined Daily Doses)<br />

und PDD (Prescribed Daily Dose = verordnete<br />

tägliche Dosierung) weit voneinander<br />

abweichen können und mithin DDDs auf keinen<br />

Fall als Richtlinien <strong>für</strong> Verordnungsnotwendigkeiten<br />

herangezogen werden können.<br />

Insbesondere im Bereich der stark wirksamen<br />

Schmerzmittel vom Opioidtyp würde eine derartige<br />

Berechnung die bestehende Mangelversorgung<br />

festschreiben, was dem erklärten<br />

Ziel der WHO explizit entgegenlaufen würde.<br />

Darüber hinaus schreibt die <strong>für</strong> die Festlegung<br />

verantwortliche Arbeitsgruppe explizit<br />

vor, dass DDDs nach Möglichkeit nicht verändert<br />

werden sollten, selbst wenn das Verordnungsverhalten<br />

in einem betroffenen Land<br />

oder einer betroffenen Population sich massiv<br />

verändert hat, da diese Größe ausschließlich<br />

zur Anwendung in Vergleichsstudien kreiert<br />

wurde und deshalb bei einer Veränderung der<br />

Definition Langzeit- und Querschnittsuntersuchungen<br />

in Studien nicht mehr möglich sind.<br />

Deshalb werden DDDs auch nicht den tatsächlichen<br />

Verordnungsrealitäten angepasst,<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

Tabelle 1: DDDs verändern sich im Lauf der Zeit, Beispiele aus den USA<br />

oder wenn, dann allenfalls in großen Zeitabständen.<br />

Im Bereich der stark wirksamen<br />

Opioide wurden zwischen 1982 und 2007 Veränderungen<br />

der DDDs bei folgenden Substanzen<br />

in den folgenden Größenordnungen<br />

vorgenommen, basierend auf Verbrauchsdaten<br />

aus den USA (Tab. 1).<br />

Diese wenigen Beispiele zeigen bereits,<br />

dass DDDs keine festgeschriebenen Größen<br />

sind.<br />

Missbrauch<br />

Darüber hinaus stellt die WHO-Arbeitsgruppe<br />

fest, dass auf ATC- und DDD-Zuordnung basierende<br />

Erstattungsregelungen, Preisvergleiche<br />

therapeutischer Gruppen oder Preisentscheidungen<br />

einen Missbrauch des Systems<br />

darstellen. Weiterhin stellt sie fest:<br />

„DDDs spiegeln nicht notwendigerweise therapeutisch<br />

gleichwertige Dosen verschiedener<br />

Medikamente wider, und deshalb kann<br />

nicht davon ausgegangen werden, dass sie<br />

Tagesdosen darstellen, die gleiche Behandlungsergebnisse<br />

<strong>für</strong> alle Produkte innerhalb<br />

einer ATC-Kategorie bringen … Es ist deshalb<br />

nicht zulässig, dieses Maß zum Vergleich verschiedener<br />

Medikamente oder Medikamentengruppen<br />

zu verwenden.“<br />

Opioide sind nicht beliebig<br />

austauschbar<br />

Die Aufforderung mancher Gesundheitspolitiker,<br />

Krankenkassen und Kassenärztlicher<br />

Vereinigungen, Patienten, die stark wirksame<br />

Schmerzmittel vom Opioidtyp benötigen,<br />

seien mit einer bestimmten Mindestquote auf<br />

das billigste generische Morphin umzustellen,<br />

entbehrt damit jeder Grundlage, der Hinweis<br />

im AVWG auf DDDs stellt eindeutig einen<br />

Missbrauch dar.<br />

Bereits in früheren Ausgaben von<br />

SCHMERZTHERAPIE wurde ausführlich auf<br />

die unterschiedliche Wirkweise wie auch Metabolisierung<br />

und Kinetik der verschiedenen<br />

Opioide hingewiesen.<br />

Das Märchen vom Arzt als<br />

Arzneimittelverschwender<br />

Wie der neu erschienene Arzneimittel-Atlas<br />

des IGES-Institutes (http://www.iges.de/) aufzeigt,<br />

geht der 2006 nominal um 2% gestiege-<br />

Editorial<br />

Hydromorphon 4 mg oral Y 0 mg oral ( 004)<br />

Morphin 0 mg oral Y 100 mg oral (1987)<br />

Oxycodon 0 mg oral Y 75 mg oral ( 004)<br />

ne Arzneiverbrauch auf die zusätzliche Neueinstellung<br />

von rund 2,5 Millionen mehr Patienten<br />

mit Antihypertensiva (+ 1,18 Mio. Patienten),<br />

Lipidsenkern (+ 0,88 Mio. Patienten),<br />

Säurehemmern (+ 0,4 Mio. Patienten) sowie<br />

Antidiabetika (+ 0,14 Mio. Patienten) zurück<br />

und nicht auf eine ausufernde Verordnung<br />

sinnloser Analgetika.<br />

Demotivation<br />

Demotivation ist <strong>für</strong> viele Kollegen die Konsequenz<br />

aus dieser anhaltenden Verunsicherung,<br />

Einschüchterung und missbräuchlichen<br />

Anwendung von Definitionen mit der Androhung<br />

wirtschaftlicher Konsequenzen in einem<br />

System, das ohnedies nur durch die permanente<br />

Selbstausbeutung von Ärzten vor dem<br />

Kollaps bewahrt wird. Von paritätischen Entscheidungen<br />

oder Sachverstand ist hier nur<br />

wenig zu spüren.<br />

„Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt …“<br />

war das Motto der 68iger-Generation.<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

heute ist es wieder an der Zeit, sich zu wehren<br />

und nicht unhinterfragt jeden Unfug, egal<br />

ob er in Gesetzen oder Missinterpretationen<br />

festgelegt ist, über sich ergehen zu lassen.<br />

Kein Mensch kann vernünftigerweise erwarten,<br />

dass Ärzte die Verordnung der Medikamente<br />

ihrer Patienten aus der eigenen Tasche<br />

bezahlen, nachdem sie ohnedies schon ihre<br />

eigene Arbeit oft zu mehr als der Hälfte kostenlos<br />

zur Verfügung stellen. Die Definitionen<br />

und rechtlichen Grundlagen sind klar und eindeutig.<br />

Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir<br />

uns wieder gemeinsam wehren und sinnlosen<br />

Begründungsorgien wie auch dem bewussten<br />

Missbrauch von Begriffen Einhalt gebieten.<br />

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, dass<br />

Sie in Ihrem Urlaub viel Erholung und Energie<br />

tanken, um sich gegen unsinnige Einschränkungen<br />

und Verdächtigungen effektiv wehren<br />

zu können und grüße Sie herzlich. ❏<br />

Ihr<br />

Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Schmerztherapie</strong> e. V.


Nach Junker<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

Opioide – differenzierte<br />

Therapie ist Goldstandard<br />

Aufgrund fehlender spezifischer organtoxischer Wirkungen spielen Opioide<br />

im Rahmen schmerztherapeutischer Konzepte heute sowohl bei tumor-<br />

als auch bei nicht tumorbedingten Schmerzen eine zentrale Rolle. Inzwischen<br />

steht eine große Palette moderner Retardopioide zur Verfügung. Die<br />

folgende Arbeit von Dr. med. Uwe Junker, DGS-Vizepräsident, und Hanna<br />

Ludwig, beide Sanaklinikum Remscheid, versucht, auf der Grundlage der<br />

bis heute vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse Möglichkeiten und<br />

Grenzen der <strong>Schmerztherapie</strong> mit Opioiden im allgemeinen ebenso<br />

zusammenzufassen wie deren mögliche patientenbezogene Differenzialindikation<br />

bei chronischen Schmerzen.<br />

Indikationen <strong>für</strong> Opioide<br />

Nicht retardierte und retardierte Opioide werden<br />

bei sehr unterschiedlichen Schmerzsyndromen<br />

eingesetzt. Gut dokumentiert ist der<br />

Nutzen einer Opioidtherapie bei Tumorschmerzen,<br />

aber auch bei nicht tumorbedingten<br />

Schmerzen können Opioide wirksam<br />

sein. Opioidsensitive Schmerzen lassen sich<br />

mit Opioiden ausreichend lindern, ohne dass<br />

limitierende unerwünschte Wirkungen auftreten.<br />

Opioidpflichtige Schmerzen sind jene<br />

opioidsensitiven Schmerzen, bei denen Nichtopioide<br />

wegen ihren Nebenwirkungen unzumutbar<br />

sind, allein unzureichend wirken oder<br />

<strong>für</strong> die eine Kontraindikation besteht [1].<br />

Tumorschmerzen<br />

Wie häufig behandlungsbedürftige Schmerzen<br />

im Rahmen von Krebserkrankungen auftreten,<br />

hängt von der Lokalisation und Pathophysiologie<br />

des Tumors ab. Tumoren, die ins Skelett<br />

Abbildung 1: Wer ist opioidsensitiv?<br />

Schmerzintensität<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

Fall 1: Sensitiv,<br />

zweite Dosis zu spät<br />

0<br />

7 10 14 18 22<br />

Uhrzeit<br />

metastasieren, führen bei mehr als 85% der<br />

Patienten zu Schmerzen. Dagegen geben nur<br />

25–45% der Patienten mit Lymphomen und<br />

Leukämien Schmerzen an. Tumorschmerzen<br />

sind heutzutage zu 90% durch medikamentöse<br />

Konzepte mit Opioiden, Koanalgetika und<br />

Adjuvanzien beherrschbar [2].<br />

Nicht tumorbedingte Schmerzen<br />

Im Hinblick auf nicht tumorbedingte Schmerzen<br />

ist die Wirksamkeit von Opioiden nur <strong>für</strong><br />

einige chronische Schmerzsyndrome in placebokontrollierten<br />

Studien nachgewiesen<br />

worden, die sich außerdem nur auf wenige<br />

Wochen erstreckten und teilweise beträchtliche<br />

Abbruchquoten nach der Titrationsphase<br />

aufwiesen.<br />

Zwar kann eine klare Indikation zur Langzeittherapie<br />

aus den bisherigen klinischen<br />

Daten nicht abgeleitet werden, doch lassen<br />

klinische Anwendungsberichte vermuten,<br />

Fraglich sensitiv,<br />

evtl. Dosis erhöhen<br />

Nicht sensitiv<br />

7 10 14 18 22 7 10 14 18 22<br />

Retardopioid<br />

Hanna Ludwig und Uwe Junker, Remscheid<br />

dass Opioide auch langfristig chronische nicht<br />

tumorbedingte Schmerzen lindern können.<br />

Eine Befragung von 121 Patienten mit chronischen,<br />

nicht durch eine maligne Erkrankung<br />

verursachten Schmerzen und einer mindestens<br />

über drei Jahre andauernden Therapie<br />

zeigte eine gleichbleibend gute Wirksamkeit<br />

der Opioide bei initialen Therapierespondern<br />

ohne Hinweise auf Toleranzentwicklung und<br />

belegte darüber hinaus die Vorteile regelmäßiger<br />

Kontrolle in qualifizierten schmerztherapeutischen<br />

Einrichtungen [3, 4].<br />

Für die Wirksamkeit von Opioiden ist dabei<br />

der Pathomechanismus nicht primär entscheidend.<br />

Opioide können also sowohl bei Nozizeptorschmerzen<br />

als auch bei neuropathischen<br />

Schmerzen wirksam sein. Wirksamkeit muss<br />

individuell mittels Verlaufsdokumentation, z. B.<br />

in Form eines Schmerztagebuches, ermittelt<br />

werden (Abb. 1). Der früher propagierte „i.v.-<br />

Morphintest“ gilt heute als obsolet [1].<br />

Tabelle 1: Kriterien [5]<br />

DGS<br />

Körperliche Folge einer längeren Zufuhr<br />

Abhängigkeit einer Substanz<br />

Entzugssymptomatik nach<br />

Absetzen oder nach Applikation<br />

eines Antagonisten<br />

(sehr variabel)<br />

Substanz kann daher nicht<br />

abrupt abgesetzt werden<br />

Psychische Verlangen nach angenehmen<br />

Abhängigkeit oder Vermeidung unangenehmer<br />

psychotroper Wirkungen<br />

stehen <strong>für</strong> den Patienten<br />

im Vordergrund<br />

Tendenz zur Selbstschädigung/zum<br />

sozialen Rückzug<br />

in Einzelfällen<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


Keine Indikationen [1, 2]<br />

Nach dem derzeitigen Wissensstand ist von<br />

einer Langzeitanwendung von Opioiden bei<br />

folgenden Schmerzsyndromen und Störungen<br />

dringend abzuraten:<br />

■ primäre Kopfschmerzen,<br />

■ funktionelle kardiale, gastrointestinale,<br />

urologische oder gynäkologische Störungen,<br />

■ somatoforme und andere psychisch mitbedingte<br />

Schmerzformen,<br />

■ Schmerzattacken mit schmerzfreien Intervallen,<br />

z. B. bei Trigeminusneuralgie.<br />

Bei unklarer Indikation und/oder Hinweisen<br />

auf psychische Begleit- oder Grunderkrankungen<br />

oder auf eine ungünstige Krankheitsverarbeitung<br />

sollten die Patienten vor einem<br />

Therapieversuch mit Opioiden in einer interdisziplinären<br />

Schmerzkonferenz oder<br />

Schmerzklinik vorgestellt werden (siehe dazu<br />

Beitrag S. 16–17).<br />

Abhängigkeit [5, 6]<br />

Als Abhängigkeit ist ein Zustand definiert,<br />

der durch die Entwicklung einer psychischen<br />

(seelischen) und/oder physischen (körperlichen)<br />

Abhängigkeit und/oder durch die Entwicklung<br />

einer Toleranz gekennzeichnet ist<br />

(Tab. 1). Dabei besteht der Zwang, ein Arzneimittel<br />

immer wieder einzunehmen und die<br />

Dosis zu erhöhen. Das Abhängigkeitsrisiko<br />

wird von der Substanz, der Dosis, der Applikationsart,<br />

der Dauer der Anwendung und<br />

der Persönlichkeit des Anwenders mitbestimmt.<br />

Nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft<br />

ist bei korrekter Anwendung und<br />

Indikation die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit<br />

durch moderne Retardopioide<br />

sehr gering [6]. Dennoch ist die prinzipielle<br />

Gefahr nicht von der Hand zu weisen. Nach<br />

einer aktuellen Übersichtsarbeit stellen Verhaltensauffälligkeiten<br />

im Sinne psychischer<br />

Abhängigkeit durch Opioideinnahme bei nicht<br />

tumorbedingten Rückenschmerzen mit einer<br />

Häufigkeit von 24% keine Seltenheit dar [7].<br />

Eine iatrogene Opioidabhängigkeit tritt am<br />

ehesten bei chronischen Schmerzen auf, die<br />

unzureichend auf ihre Opioidsensitivität geprüft<br />

wurden oder wenn Begleiterkrankungen<br />

in ihrer Bedeutung <strong>für</strong> die spätere Therapie<br />

unterschätzt wurden.<br />

Opioide nehmen unter den psychotropen<br />

Substanzen jedoch keine Sonderstellung<br />

ein. Die psychische Abhängigkeit ist beispielsweise<br />

bei Benzodiazepinen sehr viel<br />

häufiger.<br />

Die nachfolgend genannten wichtigsten<br />

Prinzipien einer rationalen Therapie mit Opioiden<br />

sind unbedingt zu beachten:<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

Tabelle 2: Basisanalgetikum Opioid und sinnvolle Kombinationen<br />

■ Vor Beginn einer Opioidtherapie müssen<br />

eine exakte Schmerzanamnese durchgeführt,<br />

die Indikation möglichst interdisziplinär<br />

überprüft und die Therapie individuell<br />

geplant werden.<br />

■ Wichtig ist eine gewissenhafte Aufklärung<br />

des Patienten, die eine realistische Zielsetzung<br />

beinhaltet, d. h. vor allem keine<br />

Schmerzfreiheit verspricht.<br />

■ Bei der Langzeitanwendung von Opioiden<br />

sind von Anfang an Präparate mit retardierter<br />

Galenik oder langer Wirkungsdauer<br />

zu bevorzugen. Schnelle Anflutung<br />

fördert die Entwicklung von psychischer<br />

Abhängigkeit.<br />

■ Immer die niedrigstmögliche, wirksame<br />

Opioiddosis anstreben, keine Opioidmonotherapie<br />

durchführen, sondern orientiert<br />

am Schmerzmechanismus passende<br />

Nichtopioid- und/oder Koanalgetika kombinieren<br />

(Tab. 2)<br />

■ Dosisanpassung, Schmerzprophylaxe<br />

und regelmäßige Dosierung entsprechend<br />

der Wirkdauer des Opioids müssen<br />

individuell erfolgen. Arzt und Patient<br />

kontrollieren den Erfolg der Behandlung.<br />

■ Bei Unwirksamkeit eines Opioids oder<br />

Dosiseskalation muss die Indikation erneut<br />

geprüft und evtl. ein Opioidwechsel<br />

erwogen werden.<br />

■ Bei Erfolg der Therapie mit Opioid: Patientenaktivierung<br />

durch multimodale Therapiekonzepte.<br />

Was heißt „Erfolg”?<br />

Eine erfolgreiche Therapie muss keine<br />

Schmerzfreiheit erzielen wollen, sondern vor<br />

allem ein erträgliches Schmerzniveau (VAS<br />

3–5). Zudem soll der Nachtschlaf sichergestellt<br />

und ggf. die Zeit bis zum Beginn einer<br />

Kausaltherapie überbrückt werden.<br />

Für Patienten mit chronischen Schmerzen<br />

stehen oft die Wiederherstellung bzw. Erhaltung<br />

der Mobilität und weitere funktionelle<br />

Aspekte des alltäglichen Lebens im Vor-<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

Schmerzform Mittel der 1. Wahl Alternativen<br />

Knochen- und Gelenkschmerz Cox-2-Hemmer, NSAR z.B. Bisphosphonate<br />

Muskelschmerz Flupirtin Metamizol<br />

Viszeraler Schmerz Metamizol Butylscopolamin<br />

Phantomschmerz Gabapentin, Pregabalin<br />

Trizyklische Antidepressiva<br />

Calcitonin<br />

Sonstige neuropathische Gabapentin, Pregabalin Carbamazepin<br />

Schmerzen Trizyklische Antidepressiva<br />

+ invasive/nicht invasive Therapieoptionen<br />

dergrund. Nicht zuletzt ist im Rahmen einer<br />

Langzeittherapie die nachhaltige Verträglichkeit<br />

ein wichtiger Faktor.<br />

Das WHO-Stufenschema und<br />

aktuelle Empfehlungen [8–10]<br />

1986 verabschiedete die WHO in Genf ein<br />

Stufenschema zur <strong>Schmerztherapie</strong> bei Tumorpatienten,<br />

um der seinerzeit dramatischen<br />

Unterversorgung dieser Patienten<br />

mit potenten Analgetika entgegenzuwirken.<br />

In den folgenden Jahrzehnten wurde dieses<br />

Konzept als didaktisches Leitgerüst auch <strong>für</strong><br />

die Therapie von Nicht-Tumorschmerzen<br />

mehr und mehr akzeptiert.<br />

Im Jahr 2005 hat die internationale <strong>Gesellschaft</strong><br />

zum Studium des Schmerzes<br />

(IASP) das Stufenschema hinsichtlich seiner<br />

Effizienz retrospektiv evaluiert und daraus<br />

Konsequenzen hinsichtlich zukünftiger<br />

Empfehlungen <strong>für</strong> die Behandlung von Tumorschmerzpatienten<br />

abgeleitet. Diese Erkenntnisse<br />

sind auch in die aktuellen Empfehlungen<br />

der Arzneimittelkommission der<br />

deutschen Ärzteschaft zur Behandlung von<br />

Tumorschmerzen eingeflossen. Diese be<strong>für</strong>worten,<br />

das traditionelle Stufenschema nicht<br />

dogmatisch-starr zu befolgen, sondern individuell<br />

<strong>für</strong> jeden Patienten zu interpretieren<br />

und am zu erwartenden Analgetikabedarf zu<br />

orientieren.<br />

So macht es beispielsweise auch beim<br />

opioidnaiven Tumorpatienten Sinn, bei zu<br />

erwartender Progredienz des Leidens gleich<br />

mit einem starken Opioid der WHO-Stufe III<br />

in niedriger Dosis zu beginnen, um dem Patienten<br />

unangenehme Situationen wie z. B.<br />

Schmerzdurchbrüche oder Überdosierung<br />

mit zentralen Nebenwirkungen im Rahmen<br />

eines Opioidwechsels zu ersparen. Abbildung<br />

2 zeigt, wie das WHO-Stufenschema<br />

der Zukunft aussehen könnte. Ebenso wie<br />

das ursprüngliche Stufenkonzept, gelten<br />

auch diese Empfehlungen primär <strong>für</strong> die Indikation<br />

„Tumorschmerz“.


Mod. n. Pain, Clinical Updates, Vol. XIII, , 200<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

Abbildung 2: Stufenschema der Zukunft?<br />

Ausgewählte Opioidanalgetika und<br />

ihre möglichen Differenzialindikationen<br />

[11, 12, 13]<br />

Tramadol und Tilidin/Naloxon<br />

Die Bedeutung dieser schwachen (Tramadol)<br />

bzw. mittelstarken (Tilidin/Naloxon) Opioide<br />

der WHO-Stufe II nimmt im Indikationsbereich<br />

Tumorschmerz gegenwärtig ab. Tilidin/Naloxon<br />

zeichnet sich gegenüber Tramadol nicht<br />

nur durch seine höhere analgetische Potenz<br />

aus, sondern auch dadurch, dass bei Niereninsuffizienz<br />

keine Kumulation auftritt. Außerdem<br />

wirkt die Substanz weniger obstipierend<br />

als Tramadol, was sich auf eine periphere,<br />

prähepatische Wirkung des Opioidantagonisten<br />

Naloxon auf Opioidrezeptoren im Darm<br />

während des First-Pass-Effekts zurückführen<br />

lässt.<br />

Bei manifester Leberinsuffizienz ist Tilidin/<br />

Naloxon kontraindiziert, da die Aktivierung<br />

der Pro-Drug Tilidin zum analgetisch wirksamen<br />

Nortilidin einer intakten hepatischen<br />

Metabolisierung bedarf. Unter Tramadol treten<br />

infolge serotoninerger Begleiteffekte deutlich<br />

häufiger Übelkeit und Erbrechen sowie insbesondere<br />

bei älteren Patienten kognitive<br />

Beeinträchtigungen auf.<br />

Während Tilidin/Naloxon Vorteile bei Patienten<br />

mit Obstipationsanamnese und Niereninsuffizienz<br />

aufweist, fällt es schwer, <strong>für</strong> Tramadol<br />

bei chronischen Schmerzen noch ein<br />

spezifisches Indikationsprofil zu definieren.<br />

Opioide der WHO-Stufe III<br />

Morphin<br />

Morphinsulfat wird bedauerlicherweise auch<br />

heute noch in den Empfehlungen der WHO<br />

und der Arzneimittelkommission der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Ärzteschaft als Opioid-Goldstandard<br />

genannt. Dies obwohl inzwischen moderne<br />

Retardopioide existieren, die analgetisch po-<br />

WHO III<br />

Stark wirksame Opioide in mittlerer<br />

und hoher Dosierung<br />

WHO II<br />

Stark wirksame Opioide<br />

in niedriger Dosierung<br />

WHO I<br />

Peripher wirksame Analgetika<br />

tenter sind, ein günstigeres Nebenwirkungsprofil<br />

haben und die nicht zuletzt eine deutlich<br />

bessere Retardgalenik aufweisen. In letzter<br />

Zeit mehren sich zudem die Hinweise auf eine<br />

immunsuppressive Wirkung von Morphinsulfat.<br />

Besser wäre es daher, traditionelles Morphin<br />

zukünftig als „Referenzsubstanz“ zu bezeichnen.<br />

Morphin ist in zahlreichen retardierten<br />

Zubereitungen einsetzbar, <strong>für</strong> Durchbruchsschmerzen<br />

stehen sowohl schnell freisetzende<br />

Morphinsulfattabletten als auch eine<br />

Morphinlösung zur Verfügung.<br />

Statt bei starkem Schmerz grundsätzlich<br />

eine Opioidtherapie mit Standardmorphin zu<br />

beginnen, sollten heute eher individuelle Faktoren<br />

wie Schmerzcharakter und -rhythmus<br />

sowie Morbidität des einzelnen Patienten in<br />

den Fokus gerückt werden, bevor man sich<br />

<strong>für</strong> das eine oder andere starke Opioidanalgetikum<br />

entscheidet.<br />

Oxycodon und Oxycodon/Naloxon<br />

Oxycodon ist doppelt so stark wirksam wie<br />

Morphin. Aufgrund einer biphasischen Resorptionsgalenik<br />

kommt es zu einem raschen<br />

Wirkeintritt bei zugleich langer Wirkdauer von<br />

bis zu zwölf Stunden. Neuere Arbeiten zeigen,<br />

dass Oxycodon anderen Opioiden bei viszeralen<br />

und neuropathischen Schmerzen überlegen<br />

zu sein scheint. Bei beiden Schmerzarten<br />

kommt es zu einer Hochregulation von<br />

κ-Opioidrezeptoren, zu denen Oxycodon eine<br />

hohe Affinität besitzt. Schnelle Anflutung bei<br />

zugleich langer Wirkdauer ist vorteilhaft im<br />

Bereich der perioperativen <strong>Schmerztherapie</strong>.<br />

In diesem Zusammenhang stellt die jetzt<br />

ebenfalls verfügbare intravenöse Applikationsform<br />

eine ideale Ergänzung dar.<br />

Der Wirkstoff Oxycodon wird inzwischen<br />

auch von diversen Generika-Herstellern an-<br />

geboten. Das BfArm hat darauf hingewiesen,<br />

dass es im Gegensatz zum Originalpräparat<br />

bei gleichzeitigem Genuss von höherprozentigen<br />

Alkoholika zu einer beschleunigten Freisetzung<br />

des Wirkstoffes mit entsprechenden<br />

zentralnervösen Nebenwirkungen kommen<br />

kann.<br />

Oxycodon-Retardtabletten sind in zahlreichen<br />

Wirkstärken verfügbar, neuerdings<br />

in der 10- und 20-mg-Dosierung auch in der<br />

Kombination mit dem Opioidantagonisten<br />

Naloxon, der peripher-prähepatisch an Opioidrezeptoren<br />

im Darm wirkt. Erste Studienergebnisse<br />

zeigen unter dem Kombinationspräparat<br />

eine signifikant geringere Obstipationstendenz<br />

bei gleichbleibender analgetischer<br />

Wirkung.<br />

Hydromorphon<br />

Hydromorphon zeichnet sich wie Oxycodon<br />

durch eine hohe orale Bioverfügbarkeit aus.<br />

Es ist etwa achtmal so stark wirksam wie Morphin.<br />

Hydromorphon hat bei multimorbiden<br />

Patienten unter Polymedikation entscheidende<br />

Vorteile, die auch im Hochdosisbereich<br />

erhalten bleiben: Die Metabolisierung erfolgt<br />

weitestgehend unabhängig vom Cytochrom-<br />

P450-Enzymsytem, dem Hauptkatalysator<br />

des Arzneistoffwechsels. Darüber hinaus trägt<br />

auch die sehr geringe Plasmaeiweißbindung<br />

dazu bei, Kumulation und Interaktion mit anderen<br />

Arzneistoffen zu vermeiden.<br />

Aktuelle Arbeiten deuten darauf hin, dass<br />

diese Vorteile insbesondere bei alten, multimorbiden<br />

Patienten zum Tragen kommen.<br />

Hydromorphon ist in verschiedenen Wirkstärken<br />

verfügbar, sowohl als zweimal täglich zu<br />

applizierende Retardkapsel als neuerdings<br />

auch in Form einer Langzeit-Retardtablette,<br />

die den Wirkstoff mittels eines osmotischen<br />

Systems gleichmäßig über 24 Stunden freisetzt.<br />

Vorteile der zweimal zu applizierenden<br />

Retardkapsel sind einerseits, dass man die<br />

erforderliche Dosis dem individuellen Bedarf<br />

des Patienten im Tagesverlauf anpassen<br />

und andererseits die Kapsel bei schluckunfähigen<br />

Patienten aufbrechen und die darin<br />

enthaltenen Pellets ohne Verlust von Wirkung<br />

und Retardierung über eine Sonde verabreichen<br />

kann. Für Durchbruchschmerzen steht<br />

schnell freisetzendes Hydromorphon in zwei<br />

verschiedenen Wirkstärken zur Verfügung.<br />

Wie Oxycodon ist nun auch Hydromorphon<br />

als intravenöse Applikation verfügbar, eine<br />

sinnvolle Bereicherung des therapeutischen<br />

Spektrums, z. B. wenn in der Finalphase eines<br />

Tumorleidens die Applikationsform geändert<br />

werden muss.<br />

Aufgrund seiner auch im Hochdosisbereich<br />

sehr günstigen pharmokologischen und -kine-<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


tischen Eigenschaften könnte Hydromorphon<br />

zukünftig den Goldstandard der Opioidtherapie<br />

bei Tumorschmerzen darstellen.<br />

Transdermale Systeme: Fentanyl und<br />

Buprenorphin<br />

Fentanyl ist ca. 200-mal stärker analgetisch<br />

wirksam als Morphin. Mittels einer Polymer-<br />

Matrix wird der Wirkstoff gleichmäßig über 72<br />

Stunden freigesetzt. Stabile Plasmaspiegel<br />

werden wie beim transdermalen Buprenorphinsystem<br />

nach ca. zwölf Stunden erreicht.<br />

Letzteres zeichnet sich durch eine noch effektivere<br />

Retardierung aus und muss nur alle vier<br />

Tage gewechselt werden.<br />

Seit Kurzem ist ein neues Pflaster <strong>für</strong><br />

den Niedrigdosisbereich im Handel, das<br />

nur einmal in der Woche gewechselt werden<br />

muss. Beide Systeme – insbesondere aber<br />

Buprenorphin als partieller Opioidantagonist<br />

– führen in etwas geringerem Ausmaß zur<br />

Obstipation als die starken oralen Opioide.<br />

Statistisch signifikant sind diese Unterschiede<br />

allerdings nicht. Eine aktuelle Untersuchung<br />

bei 12 000 Palliativpatienten zeigt<br />

hinsichtlich Obstipation keinerlei Vorteile<br />

<strong>für</strong> transdermales Fentanyl im Vergleich zu<br />

oralen Retardopioiden [13].<br />

Im Gegensatz zu Fentanyl kumuliert<br />

Buprenorphin nicht bei Niereninsuffizienz und<br />

bindet nicht wie die meisten Pharmaka an Serumalbumin,<br />

sondern ganz überwiegend an<br />

α- oder γ-Globuline, wodurch das Arzneimittelinteraktionsrisiko<br />

minimiert wird. Wie Oxycodon<br />

verfügt auch Buprenorphin über eine<br />

hohe Affinität zu κ-Opioidrezeptoren, die bei<br />

chronischen viszeralen und neuropathischen<br />

Schmerzen eine wesentliche Rolle spielen.<br />

Fentanyl ist vorteilhaft bei Patienten mit Leberschäden,<br />

da es bei Leberinsuffizienz nicht<br />

kumuliert.<br />

Als wirkstoffgleiche Medikation <strong>für</strong> Durchbruchschmerzen<br />

stehen transmukosales<br />

Fentanyl als Lutschtablette und Buprenorphin<br />

als Sublingualtabletten zur Verfügung.<br />

Beide Pflastersysteme stellen wertvolle<br />

Bereicherungen unseres therapeutischen<br />

Arsenals dar. Bedingt durch ihre träge Kinetik<br />

sind sie allerdings weniger geeignet <strong>für</strong> die<br />

Therapie von Schmerzen mit hohem Opioidbedarf<br />

und häufigen Durchbruchschmerzen.<br />

Mit über 70% Verordnungen war transdermales<br />

Fentanyl im Kollektiv der starken<br />

Opioide in den letzten Jahren die am häufigsten<br />

eingesetzte Substanz – Folge eines<br />

geschickten Marketings und nicht Ergebnis<br />

klinischer Studien, wie auch die Arzneimittelkommission<br />

der deutschen Ärzteschaft in<br />

ihren aktuellen Empfehlungen zur Therapie<br />

von Tumorschmerzen feststellt.<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

Levomethadon<br />

Levomethadon ist als Reservesubstanz bei<br />

therapieresistenten Opioidnebenwirkungen<br />

wie z. B. Juckreiz oder – selten – Morphinasthma<br />

oder opioidbedingter Hyperalgesie<br />

oder ansonsten nicht zu beherrschenden<br />

neuropathischen Schmerzsyndromen einzustufen.<br />

Sie bietet einige Besonderheiten, die<br />

sie in der Hand des schmerztherapeutisch<br />

Unerfahrenen gefährlich machen: Die Eliminationshalbwertszeit<br />

von etwa 72 Stunden<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

Tabelle 3: Potenzielle Differenzialindikationen der genannten Opioide<br />

Symptom/Erkrankung Mittel der Wahl<br />

Obstipation 1. Wahl: Tilidin/Naloxon, Oxycodon/Naloxon<br />

2. Wahl: (Fentanyl TTS), Buprenorphin TTS<br />

Übelkeit, Erbrechen Methadon, Fentanyl TTS, Morphinpumpe<br />

Dysphagie Transdermale Systeme/Morphingranulate (sondengängig)<br />

Juckreiz „Trial and Error“ nach analgetischer Wirksamkeit,<br />

Methadon<br />

Verwirrtheit, Schwindel Oxycodon ± Naloxon,<br />

Neuropathie ± Viszeralschmerz Buprenorphin<br />

Histaminliberation,<br />

Analgetikaasthma,<br />

Methadon<br />

morphininduzierte Hyperalgesie Dosisreduktion, Kombination mit Methadon<br />

Polymedikation Hydromorphon, Buprenorphin TTS<br />

Hochdosisbereich Hydromorphon<br />

Niereninsuffizienz Buprenorphin, (Hydromorphon)<br />

Leberfunktionsstörung Fentanyl TTS, (Hydromorphon)<br />

überdauert die zwischen sechs und zwölf<br />

Stunden variierende analgetische Wirksamkeit<br />

deutlich. Interindividuell stark unterschiedliche<br />

Plasmaspiegel aktiver Metabolite<br />

bergen das Risiko einer Kumulation, sodass<br />

nach drei bis sieben Tagen eine Dosisreduktion<br />

um 20–30% versucht werden sollte. Eine<br />

kontrolliert-retardierte Zubereitung von Levomethadon<br />

existiert nicht.<br />

Tab. 3 fasst die Differenzialindikationen aller<br />

besprochenen Opioide zusammen.<br />

Abb. 3: Schon der Botaniker von Linné beschäftigte sich mit biologischen Rhythmen.<br />

Bildarchiv B. Lemmer


Mod. n. B. Lemmer [1 ]<br />

Mod. n. Cutolo et al. 200 , zit. n. B. Lemmer<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

Chronopharmakologische<br />

Aspekte [14]<br />

Lange und ultralange Retardierungen von<br />

Opioidpräparaten waren wesentliche Neuentwicklungen<br />

der letzten Jahre. Trotz aller<br />

nicht wegzudiskutierenden Vorteile wie z. B.<br />

<strong>Schmerztherapie</strong> im Sinne einer Schmerzprophylaxe,<br />

sehr langsame Anflutung und<br />

damit geringe Suchtgefahr entlässt uns auch<br />

die beste Retardierung nicht aus der Pflicht,<br />

den individuellen „Schmerzrhythmus“ eines<br />

jeden Patienten im jeweiligen Therapiekonzept<br />

zu berücksichtigen (Abb. 3). Erfahrungsgemäß<br />

erfordern unterschiedliche Schmerzentitäten<br />

auch entsprechend variable Konzepte:<br />

So hat beispielsweise der Tumorpatient<br />

zwischen 10 und 18 Uhr den höchsten<br />

Analgetikabedarf, der Patient mit rheumatoider<br />

Arthritis in den frühen Morgenstunden<br />

(Abb. 4 und 5). Für die individuelle Therapie<br />

mit Opioiden bedeutet dies in der Praxis:<br />

Orale Retardpräparate mit zwölfstündiger<br />

Wirkung können je nach Bedarf morgens<br />

oder abends in unterschiedlicher Dosis verabreicht<br />

werden. Bei Verwendung ultraretardierter<br />

oraler Zubereitungen oder transdermaler<br />

Systeme müssen häufig Opioide<br />

schnell anflutender und kurz wirksamer Galenik<br />

ergänzt werden.<br />

Zusammenfassung<br />

Die heute zur Verfügung stehende Palette<br />

von Retardopioiden erlaubt eine differenzierte<br />

Therapie, orientiert am Schmerzmechanismus<br />

und an der individuellen Morbidität des<br />

einzelnen Patienten. Entscheidende Voraussetzungen<br />

<strong>für</strong> den Therapieerfolg sind insbesondere<br />

sorgfältige Anamnese, Schmerz-<br />

diagnose und Indikationsstellung vor Einsatz<br />

eines Opioids sowie die Einbindung der medikamentösen<br />

Therapie in multimodale Therapiekonzepte.<br />

Hinsichtlich der Aspekte<br />

Langzeittherapie mit und ohne Differenzialindikation<br />

von Opioiden sollten weitere Studien<br />

folgen. ❏<br />

Abbildung : Patientengesteuerter Bedarf an Hydromorphon zu verschiedenen<br />

Tageszeiten bei acht Karzinompatienten [14].<br />

Bedarf in 4 Std. [Mittelwert ± SD]<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

02.00 06.00 10.00 14.00 18.00 22.00<br />

Tageszeit<br />

Abbildung : Patienten mit rheumatoider Arthritis: Zirkadiane Zytokinspiegel und<br />

klinische Symptome.<br />

pg/ml<br />

Uhrzeit<br />

300<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

IFN-γ<br />

IL-6<br />

TNF-α<br />

IL-10<br />

sTNF-R75<br />

17.00 21.00 01.00 05.00 09.00 13.00 17.00<br />

Literatur<br />

1. Junker U, Kniesel I. Opioide und Cannabinoide in<br />

Junker U, Nolte T (Herausgeber), Grundlagen der<br />

Speziellen <strong>Schmerztherapie</strong>. München, Urban &<br />

Vogel, 200 .<br />

2. Zenz M, Donner B. Schmerz bei Tumorerkrankungen,<br />

Interdisziplinäre Diagnostik und Therapie.<br />

Stuttgart, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft,<br />

2002.<br />

3. Won A, Lapane KL, Vallow S, Schein J, Morris JN,<br />

Lipsitz LA. Long-term effects of analgesics in a<br />

population of elderly nursing home residents<br />

with persistant non-malignant pain. J Gerontol A<br />

Biol Sci Med Sci 200 ; 1:1 –1 9.<br />

. Maier C, Schaub C, Willweber-Strumpf A, Zenz M.<br />

Langfristige Effekte von Opioiden bei Patienten<br />

mit chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen.<br />

Ergebnisse einer Nachuntersuchung Jahre<br />

nach Ersteinstellung. Der Schmerz 200 ;19: 10–<br />

1 .<br />

. Dertwinkel R, Wiebalck A, Zenz M, Strumpf M.<br />

Orale Opioide zur Therapie chronischer Nicht-Tumorschmerzen.<br />

Anästhesist 199 ; : 9 – 0 .<br />

. Aronoff GM. Opioids in chronic pain management:<br />

Is there a significant risk of addiction? Curr<br />

Rev Pain 2000; :112–121.<br />

. Martell BA, O´Connor PG, Kerns RD et al. Systematic<br />

review: opioid treatment for chronic back<br />

pain: prevalence, efficacy and association with<br />

addiction. Ann Intern Med 200 ;1 :11 –12 .<br />

. World Health Organisation. Cancer pain relief.<br />

Genf: World Health Organisation, 19 .<br />

9. World Health Organisation. Cancer pain relief:<br />

with a guide to opioid availability. Genf: World<br />

Health Organisation, 1990.<br />

10 . Arzneimittelkommission der <strong>Deutsche</strong>n Ärzteschaft.<br />

Tumorschmerzen. AVP-Sonderheft Therapieempfehlungen,<br />

200 .<br />

11. Junker U, Schmitz A, Busche P, Freynhagen R.<br />

Schmerz- und Symptomtherapie bei Tumorpatienten.<br />

Klinische Onkologie 200 /200 (im<br />

Druck).<br />

12. Freynhagen R, Schmitz A, Busche P, Junker U.<br />

Leitthema: <strong>Schmerztherapie</strong> und Symptomkontrolle<br />

in der Palliativmedizin. Der Gynäkologe<br />

200 ; 0:1 –1 .<br />

13. Weschules DJ, Bain KT, Reifsnyder J, MaMath<br />

JA, Kuppermann DE, Gallagher RM, Hauck WW,<br />

Knowlton CH. Toward evidence-based prescribing<br />

at end of life: a comparative analysis of sustained-release<br />

morphine, oxycodone and transdermal<br />

fentanyl with pain, constipation and caregiver<br />

interaction outcomes in hospice patients.<br />

Pain Med 200 ; ( ):320–9.<br />

1 . Lemmer B. Chronopharmakologie: Tagesrhythmen<br />

und Arzneimittelwirkung. Stuttgart, Wissenschaftliche<br />

Verlagsgesellschaft, 3. Auflage, 200 .<br />

Weitere Literatur bei den Verfassern und im<br />

Internet unter www.cme-punkt.de<br />

Uwe Junker und Hanna Ludwig, Remscheid<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


CME-Herausgeber- und Review-Board:<br />

Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Göppingen; Dr. Thomas Nolte,<br />

Wiesbaden; Priv.- Doz. Dr. Michael Überall, Nürnberg<br />

In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer<br />

und der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Schmerztherapie</strong> e.V. – DGS<br />

Fragen zum Thema: „Opioide – differenzierte<br />

Therapie ist Goldstandard“<br />

Hier können Sie CME-Punkte sammeln a) <strong>für</strong> die Pflichtfortbildung aller<br />

Vertragsärzte und b) <strong>für</strong> freiwillige Fortbildungszertifikate, die viele Landesärztekammern<br />

anbieten. Die Multiple-Choice-Fragen beziehen sich auf den vorangegangenen<br />

Fortbildungsbeitrag (S. 4–8). Die Antworten ergeben sich aus dem Text.<br />

Wenn Sie 70% der Fragen richtig beantworten, erhalten Sie 2, bei 100% 3 CME-<br />

Punkte. Es wird jeweils nur eine richtige Antwort gesucht. Teilnehmen können Sie<br />

nur via Internet über www.cme-punkt.de (Einzelheiten siehe nächste Seite).<br />

Einsendeschluss ist der 20. Februar 2008.<br />

1. Welche Aussage ist richtig?<br />

A Die Wirksamkeit von Opioiden zur Behandlung<br />

chronischer nicht maligner<br />

Schmerzen ist nicht nachgewiesen.<br />

B Opioide sind ausschließlich zur Therapie<br />

von Tumorschmerzen indiziert.<br />

C Opioide können sowohl bei Nozizeptorschmerzen<br />

als auch bei neuropathischen<br />

Schmerzen wirksam sein.<br />

D Patienten mit somatoformen oder psychisch<br />

bedingten Schmerzformen sollten<br />

unbedingt einer Langzeittherapie mit<br />

Opioiden zugeführt werden.<br />

E Osteoporose ist eine Kontraindikation <strong>für</strong><br />

den Einsatz von Opioiden.<br />

2. Welche Aussage im Rahmen der<br />

Patientenaufklärung vor Beginn einer<br />

Therapie chronischer Schmerzen mit<br />

Opioiden ist nicht richtig?<br />

A Unter einer Therapie mit Opioiden besteht<br />

grundsätzlich kein Risiko einer körperlichen<br />

oder psychischen Abhängigkeit.<br />

B Ein realistisches Therapieziel ist z. B.<br />

eine Reduktion der Schmerzintensität um<br />

bis zu 50%.<br />

C Besonders zu Beginn der Therapie, im<br />

Rahmen von Dosisänderungen und bei<br />

Substanzwechsel können Fahrtüchtigkeit<br />

und Kognition eingeschränkt sein.<br />

D Vorsicht ist bei Einnahme anderer zentral<br />

wirksamer Substanzen wie etwa Alkohol<br />

angebracht, da sich hier Nebenwirkungen<br />

verstärken können.<br />

E Im Rahmen einer multimodalen <strong>Schmerztherapie</strong><br />

kann die Kombination mit physi-<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

kalischen und/oder psychotherapeutischen<br />

Maßnahmen notwendig sein.<br />

3. Welches der folgenden Medikamente<br />

lässt sich je nach Schmerzentität gezielt<br />

mit einem Opioid kombinieren?<br />

1. Trizyklische Antidepressiva<br />

2. Cox-2-Hemmer<br />

3. Bisphosphonate<br />

4. Antikonvulsiva<br />

5. Orale Antidiabetika<br />

A Nur Antwort 1 ist richtig.<br />

B Nur Antworten 1 und 2 sind richtig.<br />

C Nur Antworten 1, 2 und 3 sind richtig.<br />

D Nur Antworten 1, 2, und 4 sind richtig.<br />

E Alle Antworten sind richtig.<br />

4. Welche Vorteile bietet die retardierte<br />

Formulierung von Opioiden in der Langzeittherapie<br />

chronischer Schmerzen?<br />

1. Analgesie über 24 Stunden ohne Phasen<br />

der Über- oder Unterdosierung<br />

2. Gewährleistung der Nachtruhe<br />

3. Verbesserung der Patientencompliance<br />

4. Euphorisierender „Kick“ durch schnelle<br />

Anflutung<br />

A Nur Antwort 1 ist richtig.<br />

B Nur Antworten 1 und 2 sind richtig.<br />

C Nur Antworten 1 und 3 sind richtig.<br />

D Nur Antworten 1, 2 und 3 sind richtig.<br />

E Alle Antworten sind richtig.<br />

DGS<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

Unter www.cme-punkt.de finden Sie alle<br />

zertifizierten Fortbildungsangebote des<br />

Verlages Urban & Vogel. Bei Anklicken<br />

des Zeitschriftentitels „<strong>Schmerztherapie</strong>“<br />

finden Sie die derzeit aktive zertifizierte<br />

Fortbildung und die entsprechenden<br />

Fragen. Unmittelbar nach Ausfüllen<br />

des Fragebogens sehen Sie, ob Sie<br />

bestanden haben.<br />

5. Welche Aussage zur Therapie von<br />

Durchbruchschmerzen ist richtig?<br />

A Zur Therapie von Durchbruchschmerzen<br />

sollte ein Stufe-III-Opioid möglichst rasch<br />

transdermal appliziert werden.<br />

B Durchbruchschmerzen erfordern oft die<br />

zusätzliche Gabe unretardierter, schnell<br />

wirksamer Opioide.<br />

C Durchbruchschmerzen sollten grundsätzlich<br />

intravenös mit einem rasch anflutenden<br />

Opioid behandelt werden.<br />

D Um eine Überdosierung zu vermeiden,<br />

sollten retardierte Opioide nach der Verabreichung<br />

eines Opioids wegen Durchbruchschmerzen<br />

vorübergehend abgesetzt<br />

werden.<br />

E Ist eine adäquate Dauermedikation chronischer<br />

Schmerzen gewährleistet, können<br />

keine Schmerzspitzen auftreten.<br />

6. Welche Aussage zur Therapie mit<br />

einem Stufe-II-Opioid nach dem traditionellen<br />

WHO-Stufenschema trifft zu?<br />

1. Ein Stufe-II-Opioid wird eingesetzt, wenn<br />

sich die Schmerzen durch die erste Therapiestufe<br />

nicht oder nicht ausreichend<br />

beherrschen lassen.<br />

2. Stufe-II-Opioide sind mittelstarke Opioide.<br />

3. Der klinische Nutzen der WHO-II-Opioide<br />

im Indikationsbereich „Tumorschmerz“ ist<br />

Gegenstand aktueller Diskussionen.<br />

A Nur Antwort 1 ist richtig.<br />

B Nur Antworten 1 und 2 sind richtig.


Zertifizierte Fortbildung<br />

C Nur Antworten 1 und 3 sind richtig.<br />

D Nur Antworten 2 und 3 sind richtig.<br />

E Alle Antworten sind richtig.<br />

7. Welche Aussage zur Behandlung<br />

chronischer Schmerzsyndrome nach<br />

dem WHO-Stufenschema ist aus heutiger<br />

Sicht richtig?<br />

1. Das WHO-Stufenschema ist grundsätzlich<br />

strikt zu befolgen.<br />

2. Je nach Schmerzursache und Intensität<br />

kann zunächst ein Versuch mit einem<br />

Nichtopioidanalgetikum als Monotherapeutikum<br />

unternommen werden (WHO-<br />

Stufe I).<br />

3. Beim Wechsel von WHO-Stufe I auf Stufe<br />

II sollten Nichtopioidanalgetika der Stufe I<br />

möglichst rasch abgesetzt werden.<br />

4. Stufe-III-Opioide in niedriger Dosierung<br />

können unter Umgehung mittelstarker<br />

Opioide bei Tumorschmerzen bereits bei<br />

Behandlungsbeginn eingesetzt werden.<br />

5. Nach den Grundregeln der <strong>Schmerztherapie</strong><br />

der WHO sollten Analgetika, falls irgend<br />

möglich, intravenös verabreicht<br />

werden.<br />

A Nur Antwort 1 ist richtig.<br />

B Nur Antworten 1 und 2 sind richtig.<br />

C Nur Antworten 2 und 4 sind richtig.<br />

D Nur Antworten 2 und 3 sind richtig.<br />

E Antworten 1, 2 und 3 sind richtig.<br />

8. Welche der folgenden Aussagen trifft<br />

nicht zu?<br />

A Oxycodon kann auch in der perioperativen<br />

<strong>Schmerztherapie</strong> eingesetzt werden.<br />

10<br />

B Tilidin/Naloxon und Buprenorphin kumulieren<br />

nicht bei Niereninsuffizienz.<br />

C Hydromorphon hat Vorteile bei Patienten<br />

unter Multimedikation.<br />

D Gegen Obstipation unter Opioiden entwickeln<br />

Patienten keine Toleranz.<br />

E Transdermales Fentanyl ist das Opioid<br />

der Wahl <strong>für</strong> Patienten mit hohem Opioidbedarf<br />

und häufigen Durchbruchschmerzen.<br />

9. Welche Aussage trifft zu?<br />

1. Die fixe Kombination von Oxycodon mit<br />

dem Opioidantagonisten Naloxon verursacht<br />

deutlich seltener Obstipation als<br />

andere starke Opioide.<br />

2. Transdermales Fentanyl kumuliert nicht<br />

bei Leberinsuffizienz.<br />

3. Bei Hydromorphon spielt der Abbauweg<br />

über das Enzymsystem Cytochrom P 450<br />

keine entscheidende Rolle.<br />

A Nur Antwort 1 ist richtig.<br />

B Nur Antworten 1 und 2 sind richtig.<br />

C Nur Antworten 1 und 3 sind richtig.<br />

D Nur Antworten 2 und 3 sind richtig.<br />

E Antworten 1, 2 und 3 sind richtig.<br />

10. Welche Aussage trifft nicht zu?<br />

A Bei gleich bleibendem Schmerzniveau<br />

und mittlerem Opioidbedarf sind transdermale<br />

Systeme gut geeignet.<br />

B Chronopharmakologische Aspekte spielen<br />

in der <strong>Schmerztherapie</strong> keine Rolle.<br />

C Tumorpatienten haben in der Regel tagsüber<br />

den höchsten Analgetikabedarf.<br />

D Orale Retardopioide können zweimal täglich<br />

in unterschiedlicher Dosis verabreicht<br />

werden.<br />

Kopf- und Gesichtsschmerzen in der Praxis<br />

�� In diesem aktuellen Leitfaden werden erstmals die Neuerungen der IHS (International<br />

Headache Society) berücksichtigt. Praxisnah schildert Priv.-Doz. Dr. med. Volker Limmroth,<br />

Köln, die Kopfschmerzdiagnostik und -therapie auf der Grundlage aktuellster wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse. Didaktisch neu ist, dass die Krankheiten nach der Dauer ihrer klinischen<br />

Symptomatik gegliedert werden. Durch den ersten Abschnitt der primären Kopfschmerzerkrankungen<br />

zieht sich die Zeitachse wie ein roter Faden. Im zweiten Abschnitt werden die sekundären<br />

symptomatischen Kopfschmerzen abgehandelt. Diese sekundären Kopfschmerzen<br />

sind zwar weit seltener, aber in der Regel klinisch deutlich gefährlicher und dürfen bei der<br />

Ausschlussdiagnose nicht übersehen werden. Der handliche Praxisleitfaden ist <strong>für</strong> Allgemeinmediziner,<br />

Neurologen, Internisten und Psychiater sowie alle Fachgruppen, die sich mit Kopfschmerzen<br />

differenzialdiagnostisch beschäftigen, empfehlenswert. Er gewährt eine rasche<br />

und gut erfassbare Übersicht. StK<br />

Volker Limmroth: Kopf- und Gesichtsschmerzen. Diagnostik und Therapie auf der Basis der 2. IHS-Klassifikation<br />

und der Therapie-Leitlinien der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> Neurologie. 1 2 S., 30 Abb., 65<br />

Tab., kart., 26, 5 €, ISBN-Nr. 78-3-7 45-231 -1, 2006, Schattauer Verlag, Stuttgart.<br />

E Oxycodon und Hydromorphon können<br />

auch intravenös appliziert werden.<br />

So kommen Sie zu Ihren Punkten:<br />

Die Teilnahme ist nur möglich via Internet<br />

unter www.cme-punkt.de.<br />

Dort melden Sie sich als Arzt an und<br />

finden unter dem Kopf der Zeitschrift<br />

SCHMERZTHERAPIE die derzeit aktive<br />

zertifizierte Fortbildung.<br />

Damit der Fragebogen <strong>für</strong> die Zertifizierung<br />

ausgewertet werden kann, benötigen<br />

wir von Ihnen die Einheitliche Fortbildungsnummer<br />

EFN.<br />

Sie erhalten via Internet unmittelbar<br />

Rückmeldung darüber, ob Sie die Fragen<br />

richtig beantwortet haben oder nicht,<br />

und können die Bescheinigung sofort<br />

ausdrucken. Wir empfehlen, die Bescheinigungen<br />

gesammelt bei Ihrer Landesärztekammer<br />

einzureichen.<br />

Wir führen auf dieser Seite auch ein<br />

elektronisches Punktekonto <strong>für</strong> Sie. Bei<br />

erfolgreicher Teilnahme werden Ihre Daten<br />

an den Einheitlichen Informationsverteiler<br />

(EIV) der Ärztekammern weitergegeben.<br />

Nähere Hinweise hierzu unter:<br />

www.cme-punkt.de/faq.html<br />

Teilnahmeschluss ist der 20.2.2008<br />

Viel Glück beim Punktesammeln!<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


Teilbarkeit von oralen Stufe-III-Opioiden<br />

Knapp ein Drittel aller verordneten Tabletten werden vor der Einnahme von<br />

ambulanten Patienten geteilt (Rodenhuis et al., 2004). Diese gängige Praxis<br />

hat allerdings nicht nur Vorteile, sondern birgt auch einige Risiken <strong>für</strong> die<br />

Arzneimitteltherapie und ist speziell bei den modernen retardierten Opioiden<br />

der Stufe III zum Teil völlig unsinnig, warnt Dr. Ingrid Spohr, Limburg /Lahn.<br />

Gründe<br />

Die Gründe <strong>für</strong> das Teilen von Tabletten sind<br />

vielfältig. Oft ist es zu Therapiebeginn die<br />

Angst, den Patienten überzudosieren. „Jetzt<br />

nehmen Sie erst einmal eine halbe Tablette,<br />

und dann schauen wir weiter“, ist ein Ratschlag,<br />

der jedoch bei den meisten starken<br />

oralen Opioiden risikobehaftet und durch kleine<br />

Wirkstärken (z.B. Oxygesic ® 5 mg) mittlerweile<br />

auch nicht mehr notwendig ist.<br />

Manchen Patienten fällt auch das Schlucken<br />

besonders großer Tabletten schwer. Dort<br />

könnten Darreichungsformen wie Palladon ®<br />

retard von Vorteil sein, wo die Kapseln geöffnet<br />

und die retardierten Granula über weiche<br />

Nahrung gestreut und eingenommen werden<br />

können. Nicht zu unterschätzen sind auch<br />

rein wirtschaftliche Gründe <strong>für</strong> das Teilen von<br />

Tabletten. Durch das Verordnen von höheren<br />

Wirkstärken und deren anschließende Teilung<br />

sollen die Arzneimittelkosten gesenkt werden.<br />

Risiken<br />

Demgegenüber sollten allerdings auch die<br />

Risiken des Teilens von Tabletten nicht außer<br />

Acht gelassen werden. Das Teilen von Tabletten<br />

ist aufwendig, erfordert von den Patienten<br />

eine gewisse Geschicklichkeit und kann von<br />

Patienten mit vermindertem Sehvermögen,<br />

eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten oder<br />

eingeschränkter Fingerfertigkeit nicht ohne<br />

Weiteres durchgeführt werden. Außerdem<br />

sind nicht alle Patienten bereit, ihre Tabletten<br />

zu teilen, was zu einer Abnahme der Compliance<br />

führen kann. Interessanterweise sind<br />

über drei Viertel der Patienten bereit, mehr <strong>für</strong><br />

ihre Medikamente auszugeben, wenn sie eine<br />

geringere Wirkstärke verordnet bekommen<br />

und die Tabletten nicht teilen müssen (Quinzler<br />

& Häfeli 2006).<br />

Ein überaus wichtiger Punkt beim Teilen<br />

oraler Stufe-III-Opioide ist der Sicherheitsaspekt.<br />

Sind die Tabletten erst einmal aus dem<br />

kindergesicherten Blister entfernt, sind die<br />

geteilten Hälften unter Umständen <strong>für</strong> Kinder<br />

frei zugänglich.<br />

Nicht teilbare Stufe-III-Opioide<br />

So handelt es sich bei Targin ® (10/5, 20/10<br />

mg) um retardierte Matrixtabletten, die nicht<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

geteilt werden dürfen. Die Matrix besteht aus<br />

einem hydrophoben Zellulosepolymer und<br />

einem langkettigen aliphatischen Alkohol. Das<br />

Verhältnis von Polymer und aliphatischem<br />

Fettalkohol zueinander stellt die gleichmäßige<br />

Freisetzung der aktiven Substanzen sicher.<br />

Die Freisetzung von Oxycodon und Naloxon<br />

beginnt an der Tablettenoberfläche (kurze Diffusionswege<br />

mit rascher Freisetzung) und<br />

setzt sich durch Lösung und Diffusion in der<br />

Tablettenmatrix fort (lange Diffusionswege mit<br />

verzögerter Freisetzung).Diese biphasische<br />

Freisetzung und Resorption der Wirkstoffe<br />

führt zu einem Beginn der analgetischen Wirkung<br />

innerhalb von einer Stunde. Danach<br />

verursachen die retardierte Freisetzung und<br />

Resorption der Wirkstoffe einen analgetisch<br />

effektiven und konstanten Blutspiegel über<br />

ein 12-Stunden-Dosierungsintervall.<br />

Bei einer Teilung der Tablette wird dieses<br />

Matrix-System zerstört und der Wirkstoff wird<br />

zu schnell und unkontrolliert freigesetzt.<br />

Auch bei Oxygesic ® (5–80 mg) handelt es<br />

sich um retardierte Matrixtabletten, die ebenfalls<br />

nicht geteilt werden dürfen.<br />

Das bei Oxygesic ® verwendete Matrixsystem<br />

(Acrocontin ® -System) enthält das hydrophobe<br />

Acrylpolymer Eudragit ® RS. Nachdem<br />

ein geringer Teil des Wirkstoffs Oxycodon aus<br />

der äußersten Tablettenschicht freigesetzt ist,<br />

was aufgrund der kurzen Diffusionsstrecke innerhalb<br />

von ca. 30 Minuten erfolgt, quillt das<br />

Eudragit ® RS. Dadurch kommt es zu einer<br />

Erniedrigung des Diffusionskoeffizienten und<br />

damit zu einer langsameren, retardierten Freisetzung<br />

des Wirkstoffs aus der Matrix über<br />

einen Zeitraum von zwölf Stunden.<br />

Bei einer Teilung der Tablette wird dieses<br />

Matrixsystem zerstört und der Wirkstoff zu<br />

schnell und unkontrolliert freigesetzt. Es kann<br />

zu relativen Überdosierungen bei nicht ausreichender<br />

Wirkdauer kommen.<br />

Was darf geteilt werden?<br />

Bei Palladon ® retard (4–24mg) handelt es sich<br />

um Hartgelatinekapseln, die mit filmüberzogenen<br />

Granula gefüllt sind, aus denen der<br />

Wirkstoff Hydromorphon retardiert freigesetzt<br />

wird. Die Freisetzungsrate des Wirkstoffs aus<br />

diesen Granula wird durch diesen Filmüber-<br />

Schmerzkonsil<br />

Ingrid Spohr,<br />

Limburg /Lahn<br />

zug kontrolliert. Der Filmüberzug ist teilweise<br />

wasserlöslich, wodurch nach der Einnahme<br />

feinste Poren gebildet werden, durch die das<br />

Hydromorphon freigesetzt wird. Durch die unterschiedliche<br />

Größe dieser Granula wird die<br />

Wirkdauer gesteuert.<br />

Die Hartgelatinekapsel dient nur als „Transportmedium“,<br />

hat selbst keine Retardfunktion<br />

und löst sich innerhalb weniger Minuten im Magen<br />

auf. Sie kann daher auch geöffnet und der<br />

Inhalt auf weiche Nahrung gestreut werden.<br />

Die Granula dürfen allerdings nicht weiter<br />

zerkleinert werden (nicht zerkauen!). Auch<br />

eine Teilung des Kapselinhalts in gleich große<br />

Portionen ist schwierig. Aufgrund der unterschiedlichen<br />

Größe der Granula müssten von<br />

jeder Granulagröße die gleichen Mengen in<br />

den verschiedenen Portionen sein. Das ist<br />

technisch fast unmöglich.<br />

Bei Palladon ® 1,3/2,6 mg Hartkapseln<br />

(unretardiert) ist das Hydromorphon-Hydrochlorid<br />

dagegen in Granula ohne Filmüberzug<br />

eingebettet. Die unretardierten Granula<br />

können daher aus pharmazeutischer Sicht<br />

unbedenklich zerkleinert oder in Wasser suspendiert<br />

werden.<br />

In der Regel genügt ein Blick in die Fach-<br />

oder Gebrauchsinformation der jeweiligen<br />

Präparate, in der genau beschrieben ist, ob<br />

Tabletten teilbar sind oder nicht. ❏<br />

Ingrid Spohr, Limburg /Lahn<br />

Fragen, Kritik, Anregungen<br />

Schreiben Sie an die Redaktion<br />

E-Mail: redaktion@dgschmerztherapie.de<br />

11


Integrierte Versorgung<br />

Erstes bundesweites<br />

Kopfschmerzbehandlungsnetz<br />

Das neue koordinierte Versorgungskonzept der Techniker Krankenkasse<br />

bedeutet <strong>für</strong> Kopfschmerzpatienten einen Meilenstein. Es ermöglicht eine<br />

bundesweite sektorenübergreifende Vernetzung der ambulanten und<br />

stationären Therapie. Die Versorgung Hand in Hand, ein Mehr an Wissen,<br />

ein besserer Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten und die<br />

gemeinsame Arbeit mittels klar definierter Behandlungspfade sind die Basis<br />

<strong>für</strong> zeitgemäße und effiziente Behandlungsergebnisse, die Prof. Dr. med.<br />

Dipl.-Psych. Hartmut Göbel, Neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerzklinik<br />

und DGS-Leiter Kiel, beschreibt.<br />

D ie<br />

Regelversorgung von Kopfschmerzpatienten<br />

erfolgt in abgegrenzten Sektoren<br />

des Gesundheitssystems. Viele Betroffene<br />

mit chronischen Kopfschmerzen behandeln<br />

sich aufgrund mangelnder Effizienz außerhalb<br />

des professionellen Bereichs. Sie informieren<br />

sich im Bekanntenkreis, über die<br />

Publikumspresse und in der Apotheke über<br />

die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten<br />

bei Kopfschmerzen. Durch die nicht zufriedenstellende<br />

Behandlung brechen sie oft eine<br />

professionelle Therapie ab und weichen frustriert<br />

auf Außenseitermethoden aus.<br />

Systembedingte Chronifizierung<br />

von Schmerzen<br />

Über Monate und Jahre entwickelt sich dann<br />

eine weitere Chronifizierung der Kopfschmerzerkrankung,<br />

schwerwiegende Organkomplikationen<br />

und schwerwiegende psychische<br />

Konsequenzen führen die Patienten<br />

dann wieder in die medizinische Behandlung<br />

zurück. Dabei entstehen jedoch sehr hohe<br />

direkte und indirekte Kosten, die zu diesem<br />

Zeitpunkt dann oft nicht mehr mit der primären<br />

zugrunde liegenden Kopfschmerzerkrankung<br />

in Verbindung gebracht werden. Bei Entstehung<br />

eines Kopfschmerzes bei Medikamentenübergebrauch<br />

werden parallel zur kontinuierlichen<br />

Einnahme von Akutmedikamenten<br />

über Jahre und Jahrzehnte vielfältigste diagnostische<br />

und therapeutische Maßnahmen<br />

durchgeführt. Diese schließen wiederholte<br />

bildgebende Diagnostik sowie umfangreiche<br />

unspezifische ambulante Maßnahmen, wiederholte<br />

stationäre Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen<br />

ohne sektorenübergreifende<br />

Interaktion ein.<br />

Eine sektorenübergreifende koordinierte<br />

stationäre Behandlung bei Kopfschmerz durch<br />

Medikamentenübergebrauch zur Durchführung<br />

einer Medikamentenpause oder zur<br />

12<br />

Durchführung eines Medikamentenentzugs<br />

erfolgt in Deutschland nur an wenigen Kliniken.<br />

Insbesondere wird in der Regel keine<br />

längerfristige präventive Behandlung nach<br />

Abschluss der stationären Phase eines Medikamentenentzugs<br />

angeboten, sodass nach<br />

kurzer Zeit wieder ein Rückfall in den Medikamentenübergebrauch<br />

ohne therapeutischen<br />

Langzeiteffekt folgt. Eine strategische Weiterbehandlung<br />

fehlt, das spezielle schmerztherapeutische<br />

Wissen zur Klassifikation und<br />

Diagnostik der oft multiplen zugrunde liegenden<br />

Kopfschmerzerkrankungen steht <strong>für</strong> die<br />

Versorgung nur eingeschränkt zur Verfügung.<br />

Der Rückfall und die erneute Chronifizierung<br />

sind so vorprogrammiert. Außerhalb<br />

spezialisierter Versorgungseinrichtungen ist<br />

zudem eine intensive verhaltensmedizinische<br />

Therapie von schwer betroffenen Patienten in<br />

Form von speziellen verhaltensmedizinischen<br />

Therapien, Entspannungsverfahren, edukativen<br />

Verfahren, Biofeedback, kognitiven<br />

Verfahren und Stressbewältigungstrainings<br />

etc. kaum verfügbar, obwohl gerade diese<br />

Verfahren eine hohe Effizienz <strong>für</strong> die Rückfallprophylaxe<br />

und einen entscheidenden gegenwirkenden<br />

Effekt auf die Chronifizierung<br />

haben.<br />

Folgen<br />

Patienten mit chronischen Kopfschmerzerkrankungen<br />

werden nach aktuellen Analysen<br />

im derzeit sektoral aufgesplitterten Gesundheitssystem<br />

in Deutschland nicht ausreichend<br />

versorgt. Resultat dieser sektoralen Versorgung<br />

ist, dass Patienten mit chronischen<br />

Kopfschmerzen überproportional häufig am<br />

Arbeitsplatz fehlen und vorzeitig nach langen<br />

Arbeitsunfähigkeitszeiten berentet werden<br />

müssen. Hohe Folgekosten entstehen auch<br />

durch die Behandlung von Spätkonsequenzen<br />

in Form von psychischen Erkrankungen, Nie-<br />

Hartmut Göbel,<br />

Kiel<br />

renversagen, Leberschäden, gastrointestinalen<br />

Komplikationen sowie zerebrovaskulären<br />

Schäden [1–5].<br />

Mit dem wissenschaftlichen Konzept<br />

zur neurologisch-verhaltensmedizinischen<br />

Schmerzklinik Kiel wurde eine integrierte Versorgung<br />

bereits im Jahr 1995 vorgeschlagen<br />

und umgesetzt. Ziel war es dabei, eine sektorenübergreifende<br />

Behandlung von Patienten<br />

mit chronischen Schmerzerkrankungen zu<br />

erreichen, wobei die Behandlung durch niedergelassene<br />

Ärzte, die Behandlung in einer<br />

vollstationären Akutklinik sowie rehabilitative<br />

Konzepte unmittelbar sektorenübergreifend<br />

verzahnt wurden.<br />

Integrierte Versorgung wirkt<br />

Eine externe wissenschaftliche Begleitung<br />

des Modellprojektes nach §§ 63 ff SGB V<br />

durch die <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> Systemberatung im<br />

Gesundheitswesen und der AOK Schleswig-<br />

Holstein dokumentierte die Patientenkarrieren<br />

und analysierte die Wirkungen der modellhaften<br />

integrierten Intervention auf Leistungsinanspruchnahme,<br />

Kosten, Arbeits- und soziale<br />

Situation sowie auf die Lebensqualität<br />

chronisch schmerzkranker Patienten [1]. Die<br />

Datenerfassung der Patientenkarrieren umfasste<br />

fünf Jahre. Grundlage waren patientenbezogene<br />

anonymisierte Leistungsdaten über<br />

alle Sektoren (Krankenhaus akutstationär und<br />

rehabilitativ mit 500 000 Daten, Vertragsärzte<br />

mit fünf Millionen Daten, Arzneimittel mit<br />

sechs Millionen Daten, Sach- und Pflegeleistungen<br />

mit 800 000 Daten) sowie beitragsrelevante<br />

Sozialdaten (mit 700 000 Daten). Die<br />

sektorenübergreifende Leistungsinanspruchnahme<br />

wurde im Zeitverlauf analysiert, die<br />

verursachten Kosten über komplexe Kostenkalkulationen<br />

aufgezeigt. Zur Kontrolle der<br />

Modellintervention wurden Patienten mit Behandlungen<br />

in anderen Akutkrankenhäusern<br />

mit gleicher Diagnose, gleichem Alter und<br />

gleichem Geschlecht identifiziert und als Kontrollperson<br />

herangezogen.<br />

Als Ergebnis zeigte die umfangreiche<br />

Analyse, dass das koordinierte Versorgungskonzept<br />

alle aufgestellten und vereinbarten<br />

Ziele <strong>für</strong> die Versorgung schwer chronisch<br />

schmerzkranker Patienten erreichte: langfristige<br />

Schmerzreduktion, Verbesserung der<br />

Arbeitsfähigkeit, Strukturierung der Patientenkarriere<br />

bei gleichzeitiger Kostengünstigkeit.<br />

Es zeigte sich im Vergleich zur traditionellen<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


sektoralen Behandlung, dass sektoren-<br />

übergreifend eine signifikant effizientere und<br />

nachhaltigere Therapie von Patienten mit<br />

chronischen Schmerzerkrankungen erfolgt<br />

[1]. Das Behandlungskonzept wurde von Betroffenen<br />

und Vertragsärzten aus allen Bundesländern<br />

genutzt. Rund 70% der nach dem<br />

genannten Konzept behandelten Patienten<br />

wurden bundesweit zugewiesen.<br />

Umsetzung eines bundesweiten<br />

Kopfschmerznetzes<br />

Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurde in<br />

Kooperation mit der Techniker Krankenkasse<br />

ein bundesweites Konzept einer koordinierten<br />

Kopfschmerzversorgung bei hoher Qualität erarbeitet.<br />

Die Belange der Versicherten, ihre<br />

Betreuung und ihre Behandlung, stehen dabei<br />

im Mittelpunkt. Ein nationaler Verbund von<br />

Hausärzten, ambulant und stationär tätigen<br />

Schmerztherapeuten in Praxen und Kliniken<br />

wirkt dabei Hand in Hand zusammen, um<br />

Schmerzen fach- und sektorenübergreifend mit<br />

zeitgemäßen Methoden optimal zu lindern.<br />

Die beteiligten Berufsgruppen behandeln<br />

dabei nach aktuellen Leitlinien und auf modernstem<br />

wissenschaftlichem Stand. Ambulante,<br />

rehabilitative und stationäre Therapien<br />

sind eng aufeinander abgestimmt und im zeitlichen<br />

Ablauf miteinander verzahnt. Das Konzept<br />

bietet eine überregionale koordinierte<br />

Behandlung zwischen der Schmerzklinik Kiel,<br />

dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein<br />

und niedergelassenen Schmerztherapeuten,<br />

Neurologen und Hausärzten <strong>für</strong> chronisch<br />

kranke Kopfschmerzpatienten ohne Beschränkung<br />

durch Fachgrenzen und Vergütungssektoren<br />

nach §§ 140 ff SGB V an.<br />

Dieses Versorgungsangebot <strong>für</strong> Kopfschmerzpatienten<br />

ermöglicht es, die Entstehungsmechanismen<br />

von Kopfschmerzen<br />

umfassend zu identifizieren und gezielt daran<br />

anzusetzen. Dabei sind die Patienten aktiv<br />

eingebunden, entwickeln ein besseres Verständnis<br />

<strong>für</strong> ihre Krankheit und können so den<br />

Therapieerfolg ebenfalls positiv beeinflussen.<br />

IV-Kopfschmerz: Indikationen<br />

Das Behandlungsnetz ist ausgerichtet auf die<br />

spezialisierte, sektorenübergreifende Versorgung<br />

von schwer betroffenen Patientinnen<br />

und Patienten mit chronischen Kopfschmerzerkrankungen<br />

wie z.B.<br />

■ schwere und häufige Migräne,<br />

■ chronische Kopfschmerzen vom Spannungstyp,<br />

■ Clusterkopfschmerzen,<br />

■ Kopfschmerzen bei Medikamentenübergebrauch,<br />

■ posttraumatische Kopfschmerzen<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

Bildarchiv Göbel<br />

■ symptomatische Kopfschmerzen,<br />

■ Neuralgien,<br />

■ Kopfschmerzen mit komplexen Begleiterkrankungen,<br />

■ seltene Kopfschmerzformen mit<br />

schwerem Leidensdruck etc.<br />

Der koordinierte Therapieablauf<br />

Die integrierte Versorgung umfasst drei Phasen,<br />

die eng koordiniert sind:<br />

■ Phase I: Spezialisierte Diagnostik, professionelles<br />

Screening, Auswahl der sektorenübergreifenden<br />

Behandlungspfade,<br />

Behandlung vor Ort<br />

■ Phase II: Sektorenübergreifende neurologisch-verhaltensmedizinische<br />

Behandlung<br />

■ Phase III: Ambulante Verlaufs- und Erfolgskontrolle,<br />

sektorenübergreifendes<br />

Monitoring des Therapieverlaufs.<br />

Der generelle therapeutische Grundsatz der<br />

Konzeption ist, eine hohe Versorgungsqualität<br />

zu gewährleisten. Schwer betroffene Patienten<br />

sollen schnell und ohne Zeitverzug mit einer<br />

zeitgemäßen klinischen Diagnostik und einer<br />

effizienten Therapie versorgt werden. Aufgrund<br />

strukturierter Behandlungspfade, die auf evidenzbasierten<br />

wissenschaftlichen Therapieleitlinien<br />

basieren, soll eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit<br />

der Behandlung erzielt werden<br />

und Komplikationen sowie Chronifizierungen<br />

der Erkrankungen mit langfristigen und hohen<br />

Folgekosten vermieden werden.<br />

Zum Eintritt in die integrierte Versorgung<br />

sind operationalisierte Ein- und Ausschlusskriterien<br />

definiert, die sektorenübergreifende<br />

Integrierte Versorgung<br />

Schnittstellen im Rahmen der integrierten<br />

Versorgung beschreiben und die jeweiligen<br />

Aufgaben der verschiedenen Beteiligten festlegen.<br />

Patienten sollen einerseits nicht zu früh<br />

aus dem ambulanten Bereich in die stationäre<br />

Versorgung übergeführt werden. Um dies zu<br />

ermöglichen, wird eine Interaktion zwischen<br />

der stationären Behandlung und dem ambulanten<br />

Sektor geschaffen. Individuelle Beratung<br />

von niedergelassenen Vertragsärzten<br />

durch Ärzte des akutstationären Bereiches sowie<br />

ambulante Voruntersuchungen zur Überprüfung<br />

der Aufnahmeindikation und ggf. zur<br />

Vermeidung einer stationären Behandlung mit<br />

Aufstellung eines Therapieplans gemeinsam<br />

mit dem niedergelassenen Vertragsarzt sollen<br />

dies ermöglichen. Andererseits soll jedoch<br />

erforderlichenfalls eine schnelle stationäre<br />

Aufnahme die weitere Chronifizierung und die<br />

Entstehung von Komplikationen vermeiden.<br />

Die sektorenübergreifende Integration von<br />

rehabilitativen und vollstationären Behandlungsmaßnahmen<br />

ermöglicht die nachhaltige<br />

Aufrechterhaltung des Therapieerfolges.<br />

Kontinuierliche Fortbildung und<br />

Interaktion<br />

Im gesamten Behandlungsverlauf wird eine<br />

hohe fachliche Qualifikation der Behandler<br />

realisiert. Eine kontinuierliche Fortbildung der<br />

Teilnehmer an der integrierten Versorgung in<br />

regelmäßigen Abständen sowie die kontinuierliche<br />

Interaktion und Spezialisierung im Behandlungsbereich<br />

sollen dies gewährleisten.<br />

In speziellen Fällen kann zudem die Expertise<br />

Von links nach rechts, Dr. Johann Brunkhorst, Leiter der TK-Landesvertretung Schleswig-<br />

Holstein, Dr. Dietrich Jungck, Schmerzzentrum Hamburg, Präsident des Verbandes <strong>für</strong> Algesiologie<br />

– Berufsverband <strong>Deutsche</strong>r Schmerztherapeuten, Prof. Dr. Hartmut Göbel, Direktor<br />

der Schmerzklinik Kiel, Dr. Christoph Straub, stlv. Vorstandsvorsitzender der Techniker<br />

Krankenkasse, stellen das bundesweite Kopfschmerz-Netzwerk vor.<br />

13


14<br />

Integrierte Versorgung<br />

spezialisierter Netzpartner in Anspruch genommen<br />

werden. So ist u.a. im Bereich der<br />

neuroradiologischen Diagnostik die Sektion<br />

Neuroradiologie und im Bereich der spezialisierten<br />

neurochirurgischen Therapie die Klinik<br />

<strong>für</strong> Neurochirurgie des Universitätsklinikums<br />

Schleswig-Holstein Netzpartner.<br />

Nutzen<br />

Die Versicherten nehmen die zentrale Stelle<br />

im Versorgungsprozess ein und ihr Nutzen<br />

steht im Vordergrund. Aus der integrierten<br />

Versorgung ergeben sich <strong>für</strong> die Patienten<br />

folgende Vorteile:<br />

■ optimierte Behandlung auf aktuellem wissenschaftlichem<br />

Stand,<br />

■ sektorenübergreifende spezialisierte Behandlungspfade,<br />

■ integrierte Screening- und Nachsorgeuntersuchung,<br />

■ organisierte Behandlungskette,<br />

■ koordinierter und integrierter Übergang<br />

ambulant, stationär, rehabilitativ,<br />

■ fortlaufende Evaluation.<br />

Für den Kostenträger steht die effizientere<br />

Versorgung und Erhöhung der Zufriedenheit<br />

des Versicherten durch innovative Zusatzleistungen<br />

im Vordergrund. Die Versichertengemeinschaft<br />

profitiert zudem von der Kostenreduktion.<br />

Der Nutzen schließt ein:<br />

■ evaluierte Therapie mit hoher Wirksamkeit<br />

und effizientere Versorgung,<br />

■ Erhöhung der Zufriedenheit der Versicherten,<br />

<strong>Deutsche</strong>r Schmerzpreis 2008 ausgeschrieben<br />

<strong>Deutsche</strong>r Förderpreis <strong>für</strong> Schmerzforschung<br />

und <strong>Schmerztherapie</strong> 2008 –<br />

(Oberursel) Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Schmerztherapie</strong> e.V., Trägerin des<br />

<strong>Deutsche</strong>n Schmerzpreises, verleiht seit<br />

1986 in regelmäßiger Folge zusammen<br />

mit der <strong>Deutsche</strong>n Schmerzliga e. V.<br />

jährlich den DEUTSCHEN SCHMERZPREIS<br />

– <strong>Deutsche</strong>r Förderpreis <strong>für</strong> Schmerzforschung<br />

und <strong>Schmerztherapie</strong> –. Mit ihm<br />

werden Persönlichkeiten ausgezeichnet,<br />

die sich durch wissenschaftliche Arbeiten<br />

über Diagnostik und Therapie akuter<br />

und chronischer Schmerzzustände<br />

verdient gemacht oder die durch ihre<br />

Arbeit oder ihr öffentliches Wirken entscheidend<br />

zum Verständnis des Problemkreises<br />

Schmerz und der davon betroffenen<br />

Patienten beigetragen haben.<br />

■ Verringerung der Wartezeiten, Verkürzung<br />

der Arbeitsunfähigkeit,<br />

■ Kostenreduktion,<br />

■ Angebot über die regionale Regelversorgung<br />

hinaus (Prinzip: „Leistung und mehr“).<br />

Für die beteiligten Vertragsärzte stehen die<br />

sektorenübergreifende Kooperation mit der<br />

Reduktion organisatorischer Defizite und die<br />

Optimierung der Professionalität im Vordergrund.<br />

Administrative Aufgaben werden reduziert<br />

und eine verbesserte Wirtschaftlichkeit<br />

der Behandlungsprozesse wird durch hohe<br />

Spezialisierung erreicht. Die Vorteile sind:<br />

■ sektorenübergreifende Kooperation,<br />

■ Erweiterung des regionalen Therapiespektrums,<br />

■ erhöhte Effizienz durch evaluierte Behandlungspfade,<br />

Spezialisierung und kontinuierliche<br />

Fortbildung,<br />

■ Optimierung der Professionalität,<br />

■ Wettbewerbsvorteil durch höhere Spezialisierung,<br />

■ zusätzliche Vergütung der speziellen Leistungen<br />

zur Regelversorgung.<br />

Leistungen über die Regelver-<br />

sorgung hinaus<br />

Die regionale Regelversorgung wird durch<br />

das IV-Konzept nicht verändert oder gar ersetzt,<br />

sie kann selbstverständlich weiter wie<br />

bisher genutzt werden. Ziel ist vielmehr u.a.<br />

die weitere Professionalisierung der ambulanten<br />

Therapie durch Spezialisierung vor Ort.<br />

Verliehen wird der <strong>Deutsche</strong> Schmerzpreis<br />

im Rahmen des <strong>Deutsche</strong>n Schmerztages<br />

2008 in Frankfurt/Main. Er wird von der Firma<br />

Mundipharma Vertriebsgesellschaft mbH<br />

u. Co. KG, Limburg, gestiftet und ist mit<br />

10 000 Euro dotiert. Nominierungen und Bewerbungen<br />

müssen<br />

bis zum 31. Oktober<br />

2007 bei der Geschäftsstelleeingereicht<br />

werden: <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Schmerztherapie</strong> e.V.,<br />

Adenauerallee 18,<br />

61440 Oberursel.<br />

Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Schmerztherapie</strong><br />

e. V. ist die<br />

größte europäische<br />

Tabelle 1: Teilnahme als Netzpartner<br />

Seit Start des Konzeptes nehmen mittlerweile<br />

bundesweit rund 190 spezialisierte<br />

Praxen am Behandlungsnetz teil. Die Teilnahme<br />

weiterer interessierter Ärztinnen<br />

und Ärzte ist möglich. Bei Interesse bitte<br />

E-Mail an: iv-netz@schmerzklinik.de<br />

Weitere Informationen zum Behandlungsnetz<br />

finden sich im Internet unter<br />

www.schmerzklinik.de und<br />

www.tk-online.de<br />

Die Techniker Krankenkasse vergütet den besonderen<br />

Zeitaufwand <strong>für</strong> die ambulante Therapie.<br />

Das Konzept zielt insbesondere auch<br />

auf die Behandlung aller Versicherten ab, die<br />

bei den ambulanten Leistungserbringern verbleiben<br />

und die keiner Behandlung in einem<br />

überregionalen Zentrum bedürfen.<br />

Fazit: Leistung und mehr<br />

Für alle Beteiligten eröffnet das Konzept zusätzliche<br />

Optionen in der innovativen Versorgung<br />

von Kopfschmerzen mit vielfältigen Vorteilen<br />

<strong>für</strong> Patienten, Krankenkasse und<br />

Leistungserbringer. ❏<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Hartmut Göbel, Kiel<br />

Schmerzfachgesellschaft. Ihr Ziel ist die Förderung<br />

der Algesiologie als der Wissenschaft<br />

vom Schmerz, die Verbesserung der<br />

schmerztherapeutischen Versorgung, die<br />

Fort- und Weiterbildung sowie die Gründung<br />

interdisziplinärer schmerztherapeutischer<br />

Kolloquien.<br />

Die <strong>Deutsche</strong> Schmerzliga e. V. ist die Interessenvertretung<br />

der Schmerzpatienten. Ihr<br />

Ziel ist eine bessere Lebensqualität <strong>für</strong> Menschen<br />

mit chronischem Schmerz durch eine<br />

qualifizierte schmerztherapeutische Versorgung.<br />

Die <strong>Deutsche</strong> Schmerzliga vermittelt<br />

Informationen über den chronischen<br />

Schmerz sowie über dessen Diagnostik und<br />

Therapie und unterstützt die Bildung von<br />

Selbsthilfegruppen. In der Öffentlichkeit<br />

setzt sich die <strong>Deutsche</strong> Schmerzliga <strong>für</strong> die<br />

Anliegen der Schmerzpatienten ein.<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


DGS-Veranstaltungen<br />

Weitere Informationen zu den Seminaren erhalten Sie über die<br />

Geschäftsstelle des DGS Oberursel: Tel.: 06171/ 286060<br />

Fax: 06171/ 286069 · E-Mail: info@dgschmerztherapie.de<br />

Die aktuellsten Informationen zu den Veranstaltungen und den<br />

Details finden Sie im Internet unter www.dgschmerztherapie.de<br />

mit der Möglichkeit der Onlineanmeldung.<br />

September 2007<br />

<strong>Schmerztherapie</strong> bei Sportlern<br />

02.09.–08.09.2007 in Riva (Gardasee)/Italien; Regionales<br />

Schmerzzentrum DGS-München<br />

40-Stunden-Aufbaukurs Palliativmedizin (Modul 2)<br />

05.09.-09.09.2007 in Celle; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Celle<br />

4. Wiesbadener Schmerzabend<br />

05.09.2007 in Wiesbaden; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Wiesbaden<br />

Reanimation Refresherkurs<br />

05.09.2007 in Frankfurt am Main; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Frankfurt/Main<br />

Was kann Neurostimulation in der Behandlung<br />

chronischer Schmerzen leisten?<br />

12.09.2007 in Chemnitz-Rabenstein; Regionales<br />

Schmerzzentrum DGS-Chemnitz<br />

Invasive <strong>Schmerztherapie</strong><br />

12.09.2007 in Leer; Regionales Schmerzzentrum DGS-<br />

Leer<br />

Neuraltherapie – LWS und untere Extremitäten<br />

14.09.–5.09.2007 in Dresden; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Dresden<br />

TAOYOGA und Akupunktur/Akupressur<br />

15.09.2007 in Köln; Regionales Schmerzzentrum DGS-<br />

Köln<br />

Posttraumatische Belastungsstörung und<br />

<strong>Schmerztherapie</strong><br />

18.09.2007 in Siegen; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Siegen<br />

Differenzialdiagnostik verschiedener Schmerzerkrankungen<br />

19.09.2007 in Leipzig; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Leipzig<br />

40-Stunden-Basiskurs Palliativmedizin<br />

19.09.–23.09.2007 in Bremen; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Bremen<br />

Curriculum Palliativmedizin – Basiskurs <strong>für</strong> Ärzte<br />

19.09.-23.09.2007 in Wiesbaden; Regionales<br />

Schmerzzentrum DGS-Wiesbaden<br />

Biofeedback II<br />

20.09.2007 in Bad Säckingen; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Bad Säckingen<br />

Curriculum Algesiologische Fachassistenz – Kursteil<br />

3 – 2. Wochenende (Veranstaltungsreihe über<br />

drei Termine)<br />

21.09.–23.09.2007 in Mülheim/Ruhr, Geschäftsstelle<br />

DGS<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

Diagnostik und Therapie bei Störungen der<br />

Lumbalregion<br />

22.09.2007 in Berlin; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Berlin Prenzlauer Berg<br />

Curriculum Spezielle <strong>Schmerztherapie</strong>, Teil 1<br />

22.–23.09.2007 und 29.–30.09.2007 in Stuttgart; Geschäftsstelle<br />

DGS<br />

DGS Schmerztherapeutische Ansätze bei Somatisierungsstörungen<br />

26.09.2007 in Bad Salzungen; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Bad Salzungen<br />

Praxisseminar – Der Stellenwert verschiedener<br />

bildgebender Verfahren in Medizinischen Versorgungszentren<br />

– Mogelpackung oder Chance?<br />

26.09.2007 in Bielefeld; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Herford<br />

Sympathische Reflexdystrophie – Grundlagen und<br />

Therapie mit Fallvorstellung<br />

26.09.2007 in Gießen; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Gießen<br />

Spannungskopfschmerz – Differenzierung –<br />

Diagnose – Therapie, Schmerzen am Kopf – alles<br />

Kopfschmerzen? – Intern. Kopfschmerz, CMD<br />

(TMD); HWS- u. Beckenerkrankungen<br />

26.09.2007 in Mühlhausen; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Mühlhausen<br />

Patientenvorstellung<br />

26.09.2007 in Halle/Saale; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Halle<br />

Arzthaftungsrecht mit besonderem Bezug auf die<br />

<strong>Schmerztherapie</strong> (Aufklärung, AVWG etc.)<br />

29.09.2007 in Mainz; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Mainz<br />

5. Wiesbadener Palliativtag – Patientenforum<br />

29.09.2007 in Wiesbaden; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Wiesbaden<br />

Oktober 2007<br />

40-Stunden-Aufbaukurs Palliativmedizin (Modul 3)<br />

03.10.–07.10.2007 in Hamburg; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS - Bremen<br />

Curriculum Algesiologische Fachassistenz – Kursteil<br />

3 – 3. Wochenende (Veranstaltungsreihe über<br />

drei Termine)<br />

05.10.–07.10.2007 in Mülheim/Ruhr; Geschäftsstelle<br />

DGS<br />

13. Ahrenshooper Schmerzsymposium - Vernachlässigen<br />

wir unsere Füße?<br />

06.10.2007 in Ahrenshoop; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS- Bielefeld<br />

8. Stuttgarter Schmerztag<br />

06.10.2007 in Stuttgart; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Stuttgart<br />

Zehn Jahre Schmerzpraxis in Erkelenz<br />

08.10.2007 in Erkelenz; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Erkelenz<br />

Schmerz- und Palliativkongress NRW<br />

12.10.-13.10.2007 in Sankt Josef/Wuppertal; Regionales<br />

Schmerzzentrum DGS-Wuppertal<br />

Systematik der Injektionstechniken – Refresherseminar<br />

13.10.–4.10.2007 in Randersacker; Regionales<br />

Schmerzzentrum DGS- Würzburg<br />

10. Südwestdeutsche Schmerztage<br />

12.10.–13.10.2007 in Göppingen; Regionales<br />

Schmerzzentrum DGS-Göppingen<br />

Praxisseminar<br />

17.10.2007 in Leipzig; Regionales Schmerzzentrum<br />

DGS-Leipzig<br />

DGS-Zentrum Mönchengladbach<br />

Wir begrüßen Dr. med. Henning Krolle,<br />

Facharzt <strong>für</strong> Orthopädie und Physikalische<br />

und Reha-Medizin, Zusatzbezeichnungen<br />

Spezielle <strong>Schmerztherapie</strong>, Chirotherapie,<br />

Naturheilverfahren, Sport- und Tauchmedizin,<br />

Algesiologe DGS/DgfA, Lehrbeauftragter<br />

der Hochschule Niederrhein, Osteologe<br />

(DVO) niedergelassen in Gemeinschaftspraxis<br />

mit Dr. med. Ansgar Ehses<br />

im Medicentrum (www.medicentrum.de)<br />

Mönchengladbach als Leiter des DGS-Zentrum<br />

Mönchengladbach.<br />

Schwerpunkt muskuloskelettale und<br />

Kopfschmerzen<br />

Angewandte therapeutische Verfahren der<br />

Praxis: Therapeutische Lokalanästhesie,<br />

Sympathikusblockaden, Plexus- und rückenmarksnahe<br />

Anästhesien; PRIT, psychosomatische<br />

Grundversorgung, Pharmakotherapie,<br />

Naturheilverfahren, Chirotherapie,<br />

Tens, Akupunktur<br />

Henning Krolle,<br />

Mönchengladbach<br />

15


Interdisziplinäre Fortbildung<br />

Schmerzkonferenzen – Palaver oder Chance?<br />

Schmerzkonferenzen finden sowohl im ambulanten Bereich wie auch an<br />

Krankenhäusern in ganz Deutschland statt. Wer wenig in der Materie<br />

ist, könnte diese <strong>für</strong> nette Zusammenkünfte schmerzinteressierter Ärzte<br />

mit mehr oder weniger „gemeinsamem Palaver“ zu sowieso nicht richtig<br />

lösbaren Schmerzproblemen betrachten. Dies geht jedoch völlig an der<br />

Realität und dem medizinischen Kenntnisstand vorbei, nach dem die interdisziplinäre<br />

Analyse und Therapie chronischer Schmerzprobleme „Goldstandard“<br />

ist. Den Stellenwert der interdisziplinären Schmerzkonferenzen<br />

beschreibt Dr. med. Kai-Uwe Kern, Schmerz- und Palliativzentrum, DGS-<br />

Wiesbaden.<br />

Historie<br />

Bereits im Jahr 2001 führte die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Schmerztherapie</strong> e.V. (DGS)<br />

bundesweit in den regionalen Schmerzzentren<br />

nahezu 1000 Schmerzkonferenzen durch, bei<br />

denen in der Regel drei Patienten vorgestellt<br />

werden. Durch eine Initiative der DGS und<br />

mehrerer Krankenkassen (Tab. 1) konnte im<br />

Jahr 2003 ein Vertrag zur Kostenerstattung<br />

der Schmerzkonferenzen erarbeitet werden.<br />

Dies war ein Meilenstein in der interdisziplinären<br />

Therapie chronischer Schmerzpatienten,<br />

<strong>für</strong> die die notwendigen medizinischen<br />

Maßnahmen nicht im EBM abgebildet sind.<br />

Möglich geworden waren diese Regelungen<br />

damals u.a. durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz<br />

und die Anrechnungen der<br />

Aufwendungen <strong>für</strong> die Krankenkassen auf das<br />

Vergütungsvolumen gemäß § 140 d SGB V.<br />

Durch gemeinsame Bemühungen konnte zum<br />

01.01.2007 die Vergütung der aktuellen Entwicklung<br />

angepasst werden und somit der<br />

Fortbestand interdisziplinärer Schmerzkonferenzen<br />

gesichert werden. Aus den anfänglichen<br />

„Feierabend-Veranstaltungen“ wurden<br />

hiermit angemessen honorierte, fachlich hoch<br />

qualifizierte und mit umfangreicher Dokumen-<br />

Tabelle 1: ISK-Vereinbarung – teilnehmende Krankenkassen<br />

16<br />

tation qualitätsgesicherte, medizinische Instrumente<br />

zur Behandlung chronischer<br />

Schmerzpatienten.<br />

Grundprinzipien<br />

Von den meisten Anbietern werden Schmerzkonferenzen<br />

ca. einmal im Monat organisiert,<br />

die Teilnahme ist kostenlos. Teilnehmer sind<br />

Ärzte und Angehörige nicht ärztlicher Disziplinen,<br />

die es sich zum Ziel gesetzt haben, interdisziplinär<br />

und sektorenübergreifend die Lebensqualität<br />

chronisch Schmerzkranker zu<br />

verbessern.<br />

Der vorstellende Arzt berichtet kurz über<br />

die grundsätzliche Problematik und Ausgangssituation,<br />

bevor der Patient aus seiner<br />

Sicht ausführlich Anamnese und aktuelle Beschwerden<br />

beschreibt. Sofern medizinische<br />

Unterlagen (Bilder, Briefe usw.) vorliegen,<br />

werden diese allen Teilnehmern zugänglich<br />

gemacht. Meist ist es hilfreich, wenn der<br />

vorstellende Arzt unternommene Therapieversuche<br />

und deren Effektivität darstellt und<br />

andere, ergänzende Informationen liefert. Im<br />

Anschluss an den Patientenbericht haben alle<br />

Teilnehmer die Möglichkeit zur Befragung und<br />

im Idealfall auch gemeinschaftlichen Unter-<br />

Techniker Krankenkasse (TK), Hamburg Gmünder Ersatzkasse (GEK), Schwäbisch-Gmünd<br />

Krankenkasse <strong>für</strong> Bau- und Holzberufe (HZK), Krankenkasse Eintracht Heusenstamm Ersatzkasse<br />

Hamburg (KEH), Heusenstamm<br />

Nord- und Mitteldeutsche IKK, Celle Siemens Betriebskrankenkasse (SBK), Münschen<br />

BKK Gesundheit, ehemals: BKK Zollern-Alb,<br />

Dresden<br />

Ford-Betriebskrankenkasse, Köln<br />

Bosch BKK, Stuttgart BKK <strong>Deutsche</strong> Bank<br />

BKK Allianz BKK Daimler-Chrysler<br />

Mhplau BKK BKK Conzelmann<br />

BKK der E.ON Ruhrgas AG<br />

BKK-Bundesverband, Essen (ohne Mitglieder)<br />

BKK der VICTORIA D.A.S.<br />

suchung des Patienten. Zum Abschluss wird<br />

der Patient verabschiedet, und es wird ihm<br />

erläutert, dass nun die interne Fachdiskussion<br />

beginnt und er das Ergebnis von seinem<br />

behandelnden Arzt in Kürze in der Sprechstunde<br />

mitgeteilt bekommt. Entscheidend<br />

ist, dass die anschließende Diskussion ohne<br />

jede „Besserwisserei“, „Schuldzuweisung“<br />

oder „Schuldgefühle“ erfolgt, da sonst kein<br />

konstruktiver Dialog im Sinne des Patienten<br />

möglich ist. Es geht einzig und allein darum,<br />

ein interdisziplinäres Ergebnis im Sinne des<br />

betroffenen Schmerzkranken zu erzielen, welches<br />

durch die Einzelleistung jeder Fachrichtung<br />

nicht möglich wäre.<br />

Multiprofessionalität nötig<br />

Um eine interdisziplinäre Schmerzkonferenz<br />

nicht ausschließlich zum ärztlichen Disput zu<br />

machen, ist es besonders wichtig, auch nicht<br />

ärztliche Disziplinen zu integrieren. Häufig<br />

sind die Beiträge von Physiotherapeuten,<br />

Psychologen oder Ergotherapeuten besonders<br />

wertvoll. In der gemeinschaftlichen Diskussion<br />

erarbeiten alle Teilnehmer ein multimodales<br />

Therapiekonzept und konkrete Empfehlungen<br />

zu weiteren Maßnahmen (medizinische<br />

Maßnahmen, psychotherapeutische<br />

Therapien, Gruppenprogramme, ambulante<br />

oder stationäre Versorgungsmodelle u.a.).<br />

Ziel muss neben der Schmerzreduktion bzw.<br />

Verringerung von Schmerzhäufigkeit oder<br />

-dauer eine Verbesserung der allgemeinen<br />

Lebensqualität, das Erreichen des individuellen<br />

Behandlungsziels des Patienten und<br />

besonders die Beeinflussung des Chronifizierungsprozesses<br />

sein, der neben persönlichem<br />

Leid auch sozioökonomische Dauerkosten<br />

verursacht.<br />

Grundsätzlich gilt: Je mehr Disziplinen<br />

Ansprechpartner <strong>für</strong> Schmerz-<br />

konferenzen in Ihrer Umgebung:<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Schmerztherapie</strong> e.V., Geschäftsstelle<br />

Adenauerallee 18<br />

61440 Oberursel<br />

Tel. (0 61 71) 28 60 60<br />

Fax (0 61 71) 28 60 69<br />

www.dgschmerztherapie.de<br />

Kai-Uwe Kern, DGS-Wiesbaden<br />

E-Mail:<br />

therapie@schmerzzentrum-wiesbaden.de<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


Kai-Uwe Kern,<br />

Wiesbaden<br />

vertreten sind und je interessierter und entspannter<br />

die Fachdiskussion, desto besser ist<br />

das Ergebnis !<br />

Juristische Rahmenbedingungen<br />

Der genannte Honorarvertrag betrifft nur die<br />

Schmerzkonferenzen niedergelassener Ärzte<br />

und Fachrichtungen. Viele Schmerzkonferenzen<br />

werden zusätzlich von Krankenhäusern<br />

veranstaltet. Hier gibt es leider noch<br />

keine Vertragsmodelle. Vorgestellt werden<br />

können Patienten aller beteiligten Krankenkassen<br />

ohne gesonderten Kostenantrag. Dem<br />

Mainzer Chronifizierungsstadium entsprechend<br />

muss der Patient bezüglich seines<br />

Scores in das Chronifizierungsstadium II oder<br />

III einzugruppieren sein. Die persönliche Anwesenheit<br />

des anspruchsberechtigten Versicherten<br />

und des vorstellenden Arztes ist Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> die Abrechnungsfähigkeit der<br />

Vergütungen.<br />

Schmerzkonferenzen werden von<br />

schmerztherapeutisch speziell qualifizierten<br />

Moderatoren geleitet, eine schmerztherapeutische<br />

Ausbildung der anderen Teilnehmer<br />

ist zwar häufig vorhanden, jedoch nicht<br />

zwingend. Eine vertragsärztliche Zulassung<br />

oder Ermächtigung (bzw. eine Zulassung zur<br />

Behandlung gesetzlich versicherter Patienten<br />

<strong>für</strong> die nicht ärztlichen Fachrichtungen) ist<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> die Abrechnung der Konsiliarpauschale.<br />

Fortbildungsnachweise<br />

Neben dem Versorgungsauftrag einer<br />

Schmerzkonferenz erfüllt diese auch Voraussetzungen<br />

als Fortbildungsnachweis <strong>für</strong> die<br />

Teilnehmer. So setzt die Teilnahme an der<br />

Qualitätssicherungsvereinbarung „<strong>Schmerztherapie</strong>“<br />

eine regelmäßige Teilnahme an<br />

Schmerzkonferenzen <strong>für</strong> die Erteilung der Abrechnungsberechtigung<br />

voraus.<br />

Darüber hinaus setzen viele Fachverbände<br />

wie die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> psychologische<br />

<strong>Schmerztherapie</strong> und -forschung<br />

(DGPSF), die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> zum<br />

Studium des Schmerzes (DGSS) und die<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Schmerztherapie</strong><br />

(DGS) die Teilnahme an Schmerzkonferenzen<br />

<strong>für</strong> die Anerkennung der verbandsinternen<br />

Qualifikationen voraus. Bei den jüngsten<br />

Entwicklungen im Bereich „Akupunktur“ wird<br />

auch hier durch die Teilnahme an Schmerzkonferenzen<br />

eine Erweiterung der bio-psycho-sozialen<br />

Betrachtungsweise chronischer<br />

Schmerzpatienten erwartet.<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

Dokumentation<br />

Die ehrgeizigen Ziele einer interdisziplinären<br />

Schmerzkonferenz (ISK) setzen eine hoch<br />

angesiedelte Qualitätssicherung und Dokumentation<br />

voraus. Der Patient verpflichtet sich<br />

zum Ausfüllen eines standardisierten<br />

Schmerzfragebogens der Fachgesellschaften<br />

sowie zu den Angaben zur Erfassung des<br />

Chronifizierungsstadiums, welches in einem<br />

standardisierten Bogen dokumentiert wird.<br />

Die Teilnahmebereitschaft des Patienten<br />

wird mit einer Einverständniserklärung schriftlich<br />

festgehalten, das Ergebnis der Diskus-<br />

sion und die veranlassten Maßnahmen werden<br />

in vorgefertigten Dokumentationsblättern<br />

erfasst. Abrechnungsbögen dokumentieren<br />

Moderator, vorstellenden Arzt und konsiliarisch<br />

hinzugezogene Teilnehmer mit Name,<br />

Ausbildung, Zulassungsstatus und Kontodaten<br />

sowie den Unterschriften. Der Moderator<br />

übernimmt ferner die Verpflichtung, in<br />

einem ISK-Nachbesprechungsbogen innerhalb<br />

eines Zeitraumes von neun Monaten<br />

den Behandlungsverlauf und -erfolg des vorgestellten<br />

Patienten zu dokumentieren.<br />

Vergütung<br />

Hochqualifizierte medizinische Leistung ist<br />

selbstverständlich nicht kostenfrei zu erhalten.<br />

Die Vertragspartner waren sich daher einig,<br />

dem moderierenden Schmerztherapeuten,<br />

dem vorstellenden Arzt und mehreren<br />

Konsiliarteilnehmern ein angemessenes Honorar<br />

zu erstatten. Das Moderatorenhonorar<br />

(jetzt neu festgelegt auf 120 Euro) umfasst<br />

den Aufwand der Einladung, die Feststellung<br />

der Anspruchsberechtigung, der gesamten<br />

Dokumentation, Organisation, Koordination<br />

der Abläufe, Raumkosten und Moderation der<br />

Veranstaltung. Die ISK-Pauschale <strong>für</strong> den vorstellenden<br />

Arzt (60 Euro) deckt die Vorbereitung<br />

der Patientenvorstellung, das Aufarbeiten<br />

der Krankengeschichte und das Anfordern<br />

evtl. relevanter Befunde. Konsiliarteilnehmer<br />

erhalten <strong>für</strong> ihre Teilnahme und<br />

Diskussionsbeiträge/Untersuchung<br />

eine Vergütung vom 45<br />

Euro je Fall, ein Honorar <strong>für</strong><br />

sonstige Teilnehmer ist<br />

nicht vorgesehen.<br />

Ausblick<br />

S c h m e r z k o n f e -<br />

renzen sind ein Instrument<br />

der medizinischenSpitzenversorgung<br />

und<br />

keine Routine <strong>für</strong><br />

alle Schmerzpatienten.<br />

Interdisziplinäre Fortbildung<br />

Um dies mit Leben zu erfüllen, kommt es auf<br />

die Teilnahme von genügend Ärzten möglichst<br />

vieler Fachrichtungen an. Dies gilt vor allem<br />

aber auch <strong>für</strong> Hausärzte, denen eine Schmerzkonferenz<br />

die Möglichkeit bietet, Problempatienten<br />

„niedrigschwellig“ vorzustellen und mit<br />

anderen Fachdisziplinen zu diskutieren.<br />

Schmerzkonferenzen bieten nicht nur eine<br />

große Chance <strong>für</strong> die betroffenen Schmerzkranken,<br />

sondern sind gleichzeitig eine Bereicherung<br />

<strong>für</strong> unser Berufsleben. Hier können<br />

Patienten „ganzheitlich“ begriffen werden,<br />

ganz so, wie es unser ärztliches Ethos es eigentlich<br />

von uns verlangt und wir es – sind wir<br />

ehrlich – eigentlich am liebsten auch wollen.<br />

Wenn man Patienten optimal hilft und sich<br />

dabei gleichzeitig wieder „als Arzt fühlt“, dann<br />

hat sich die Frage „Palaver oder Chance?“<br />

von selbst beantwortet.<br />

Zusammenfassung<br />

Schmerzkonferenzen sind interdisziplinäre<br />

Treffen schmerztherapeutisch interessierter<br />

Ärzte und Angehöriger nicht ärztlicher Disziplinen.<br />

Durch die Diskussion chronischer<br />

Schmerzprobleme aus der Sicht verschiedenster<br />

Fachrichtungen kann die beste Therapie<br />

<strong>für</strong> den vorgestellten Patienten gefunden<br />

werden. Biologische, soziale and psychologische<br />

Faktoren sind bedeutsam bzgl. einer<br />

Schmerzchronifizierung und werden in<br />

Schmerzkonferenzen beleuchtet. Seit 2004<br />

vergüten einige Krankenkassen die Teilnahme<br />

an Schmerzkonferenzen wegen des gezeigten<br />

Vorteils <strong>für</strong> ihre Versicherten und einer langfristigen<br />

Kostenersparnis. Schmerzkonferenzen<br />

sind weltweit üblich und gelten als<br />

anerkannte Instrumente moderner <strong>Schmerztherapie</strong>.<br />

❏<br />

Kai-Uwe Kern, Wiesbaden<br />

17


Onkologie<br />

Moderne Chemotherapie nach Maß<br />

Nach jahrzehntelanger zytostatischer „Schrotschusstherapie“ in der<br />

Onkologie zeichnet sich durch die Fortschritte in der Genom- und Proteom-<br />

technologie ein Paradigmenwechsel hin zu einer individualisierten Krebstherapie<br />

ab. Die gesamte Hämatologie und Onkologie befinden sich in<br />

einer hoffnungsvollen Umbruchphase. Neue Methoden aus der Genetik<br />

und Molekularbiologie ermöglichen neue Erkenntnisse <strong>für</strong> die Diagnostik<br />

und Prognose bösartiger Erkrankungen. Die Möglichkeiten einer<br />

individualisierten Krebstherapie, die sog. Targeted Therapy, beschreibt<br />

Dr. rer. nat. Annette Junker, Apothekerin <strong>für</strong> klinische und onkologische<br />

Pharmazie am Sanaklinikum Remscheid.<br />

W ährend<br />

die über Jahrzehnte etablierten<br />

Zytostatika auch normales Gewebe<br />

in nicht unbeträchtlichem Ausmaß angriffen<br />

und zu entsprechenden unerwünschten<br />

Wirkungen führten, wirken die neuen Therapieformen<br />

vorwiegend auf die Krebszellen.<br />

Bei Betrachtung der molekularen Mechanismen<br />

der Tumorentstehung und -progression<br />

ist bemerkenswert, dass viele Schlüsselstellen<br />

bzw. Targets dieser Prozesse über eine<br />

Aktivierung bestimmter Rezeptoren erfolgt,<br />

was zu einer Stimulierung von Proteinkinasen<br />

im Zellinnern führt. Durch diese Stimulierung<br />

kommt es in der Tumorzelle zu einer<br />

molekularen Kaskade, die zu einer Angiogenese,<br />

Metastasierung, weiterer Zellteilung<br />

und Verhinderung der Apoptose führt. Sowohl<br />

die Rezeptoren als auch die Tyrosinkinasen<br />

kommen damit potenziell <strong>für</strong> einen therapeu-<br />

Abbildung 1: Zelluläre Signaltransduktion in der Tumorzelle.<br />

18<br />

1. Ligand (EGF)<br />

2. Rezeptorbindung<br />

Inhibierung durch<br />

a) Rezeptorenblocker oder<br />

b) Inhibierung der Tyrosinkinasen<br />

R = extrazelluläre Liganden bindende<br />

Domäne,<br />

K = intrazelluläre Tyrosinkinasedomäne<br />

Angiogenese<br />

Rezeptorenblocker<br />

R<br />

K<br />

tischen Angriff infrage. Durch die Fortschritte<br />

in der molekularen Diagnostik ist es möglich<br />

geworden, bei jedem Patienten die jeweiligen<br />

Targets zu bestimmen und ihn dann auch<br />

ganz individuell behandeln zu können, da<br />

bereits viele Präparate <strong>für</strong> diese molekularen<br />

Targets zur Verfügung stehen. Einer der bekanntesten<br />

dieser Targets ist der epidermale<br />

Wachstumsfaktorrezeptor, der bei sehr vielen<br />

Tumorzellen überexprimiert wird, was zu verstärktem<br />

Wachstum des Tumors führt. In Abbildung<br />

1 ist die zelluläre Signaltransduktion in<br />

der Tumorzelle dargestellt. Bei einer Bindung<br />

eines Liganden an den EGF-Rezeptor kommt<br />

es innerhalb der Zelle zu einer Aktivierung<br />

der Tyrosinkinasen. Diese wiederum löst eine<br />

Angiogenese zum Tumor und eine Metastasierung<br />

aus, und fördert darüber hinaus das<br />

Überleben der Tumorzelle und die vermehrte<br />

R<br />

K<br />

NUCLEUS<br />

EGFR<br />

Metastase Zellüberleben<br />

Zellmembran<br />

3. Aktivierung der<br />

Tyrosinkinasen<br />

4. Signalkaskade<br />

Zellteilung<br />

dGTP<br />

Annette Junker,<br />

Remscheid<br />

Zellteilung. Damit ergeben sich verschiedene<br />

Möglichkeiten, in diese Signalkaskade in der<br />

Tumorzelle zielgerichtet einzugreifen:<br />

■ Die monoklonalen Antikörper (Mabs = Monoclonal<br />

Antibodies) blockieren extrazellulär<br />

die Rezeptoren, wodurch die intrazelluläre<br />

Kaskade verhindert wird. Solche monoklonalen<br />

Antikörper gibt es außer <strong>für</strong> den EGF-<br />

Rezeptor auch <strong>für</strong> weitere Rezeptortypen<br />

wie z. B. den VEGF-Rezeptor (Vascular Endothelial<br />

Growth Factor Receptor), über<br />

dessen Aktivierung es ganz besonders zu<br />

einer Angiogenese zur Tumorzelle kommt.<br />

■ Die Tyrosinkinaseinhibitoren (-Tinibs) werden<br />

auch als kleine Moleküle bezeichnet<br />

und hemmen intrazellulär die<br />

Tyrosinkinasedomäne.<br />

Abbildung 2: Angriffspunkt von Forodesine.<br />

dGuo<br />

dGMP<br />

dGDP<br />

Forodesine<br />

PNP<br />

Phosphatasen<br />

Ungleichgewicht<br />

des dNTP-Pools<br />

HO<br />

HO<br />

NH<br />

N O<br />

H<br />

N NH HCI<br />

OH<br />

Apoptose<br />

DNA-Synthese<br />

Ribosephosphat<br />

+ Guanin<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


In Tabelle 1 sind einige monoklonale Antikörper<br />

dargestellt. Einer der ersten Vertreter war<br />

das Rituximab, das zur Behandlung von Non-<br />

Hodgkin-Lymphomen eingesetzt wird. Bekannter,<br />

weil es durch Patienten und über die<br />

Presse oft erwähnt und gefordert wird, ist das<br />

Trastuzumab (Herceptin ® ), dessen Wirksamkeit<br />

nicht nur <strong>für</strong> den palliativen, sondern auch<br />

<strong>für</strong> den adjuvanten Einsatz in der Brustkrebstherapie<br />

gezeigt werden konnte. Das Cetuximab<br />

ist der erste zugelassene EGF-Rezeptorenblocker<br />

und wird wie das Bevacizumab als<br />

erster zugelassener VEGF-Rezeptorenblocker<br />

bisher überwiegend zur Behandlung kolorektaler<br />

Karzinome eingesetzt.<br />

Einige Kinaseinhibitoren sind in Tabelle 2<br />

dargestellt. Einer der Ersten war das Imatinib,<br />

das einen sehr großen Erfolg bei der Behandlung<br />

der CML aufzuweisen hat. Positiv waren<br />

die 5-Jahres-Überlebensdaten, die im vergangenen<br />

Jahr vorgestellt werden konnten: Nach<br />

fünf Jahren lebten immer noch 90% der Patienten.<br />

Gefitinib und Erlotinib sind Inhibitoren<br />

der Tyrosinkinasen von EGF-Rezeptoren.<br />

Noch umstritten<br />

Iressa ® wurde zuerst in Japan bereits 2002<br />

beim inoperablen oder rezidivierten NSCLC<br />

(sog. nicht kleinzellige Bronchialkarzinome,<br />

Non Small Cell Lung Cancer) zugelassen,<br />

später als Zweitlinientherapie beim NSCLC in<br />

den USA. Bestimmte Subgruppen profitieren<br />

besonders wie Japaner (Japaner 27% vs. US-<br />

Amerikaner 10%), Nie-Raucher, Frauen (Asiatinnen)<br />

und bestimmte EGFR-Mutationen.<br />

Deutliche Vorteile bei europäischen Patienten<br />

konnten nicht nachgewiesen werden, deshalb<br />

fehlt noch die EMEA-Zulassung.<br />

Hoffnung bei Leberkrebs und<br />

Nierenzellkarzinomen<br />

Sunitinib und Sorafenib hemmen gleichzeitig<br />

die Tyrosinkinasen mehrerer Rezeptortypen<br />

und werden bei Nierenzellkarzinomen eingesetzt.<br />

Darüber hinaus wurden soeben beim<br />

amerikanischen Krebskongress (ASCO) vielversprechende<br />

Daten zum Einsatz von Sorafenib<br />

bei Leberkrebs vorgestellt. Die therapiebedingten<br />

unerwünschten Wirkungen sind im<br />

Allgemeinen mild. Übelkeit, Diarrhö und Fatigue<br />

gehören dazu. Besonders bei den EGF-<br />

Rezeptorenblockern kommt es häufig zu akneähnlichen<br />

Hautveränderungen (Rush). Bei<br />

einigen Tyrosinkinasehemmern kann es auch<br />

zu ausgeprägten Hand-Fuß-Syndromen kommen.<br />

Die Reise geht weiter<br />

Nachdem diese Mechanismen der Tumorentstehung<br />

und der Signalkaskade innerhalb der<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

Tumorzelle ganz besonders bei den erwähnten<br />

Rezeptortypen sehr genau erforscht<br />

worden sind und auch bereits viele Inhibitoren<br />

bei den verschiedenen onkologischen und<br />

hämatologischen Erkrankungen mit größtem<br />

Erfolg eingesetzt werden, gewinnt man als<br />

Beobachter den Eindruck, dass die Möglichkeiten<br />

dieser molekularen Therapien noch<br />

nicht ausgeschöpft sind. So gibt es außer den<br />

erwähnten rezeptorvermittelten Targets weitaus<br />

mehr Angriffspunkte <strong>für</strong> zielgerichtete<br />

Therapien.<br />

Aus der immer größer werdenden Palette<br />

der Targeted Therapies sei hier ein Beispiel<br />

genannt, das zu großen Hoffnungen speziell<br />

in der Hämatologie Anlass gibt.<br />

Zielgerichtete Lymphozytentherapie<br />

Der Wirkmechanismus von Forodesine ist<br />

eine neue Annäherung, um maligne hämatologische<br />

Erkrankungen zu bekämpfen.<br />

Forodesine inhibiert die Purinnukleosidphosphatase<br />

(PNP), ein Enzym, das die<br />

Lyse von Ribonukleosiden zur freien Base<br />

Onkologie<br />

und dem Ribosephosphat katalysiert. Dieses<br />

Enzym kommt in sehr hohen Konzentrationen<br />

in Lymphozyten vor. Bei Anwesenheit von<br />

Desoxyguanosin (dGuo) kommt es bei einer<br />

Hemmung von PNP zu einer Akkumulation<br />

von Desoxyguanosintriphosphat (dGTP), was<br />

letztlich durch Hemmung der DNA-Synthese<br />

zytotoxisch wirkt und eine Apoptose der Zelle<br />

auslöst (siehe Abb. 2). Da T-Lymphozyten<br />

und B-Lymphozyten eine sehr hohe Aktivität<br />

der Desoxycytidinkinasen aufweisen, setzt<br />

man <strong>für</strong> die Zukunft in diese Substanz große<br />

Hoffnungen bei vielen hämatologischen Erkrankungen.<br />

Aufgrund seines überzeugenden<br />

therapeutischen Potenzials in Phase-II-Studien<br />

wurde Forodesine von der EMEA bereits<br />

im November 2006 <strong>für</strong> die Behandlung von<br />

akuter T-Zell-lymphoblastischer Leukämie<br />

(T-Zell-ALL) der Status eines „Orphan Drug“-<br />

Arzneimittel zur Behandlung seltener Krankheiten<br />

(engl. Orphan = Waise) verliehen. ❏<br />

Tabelle 1: Monoklonale Antikörper in der Onkologie/Hämatologie<br />

Annette Junker, Remscheid<br />

Antikörper Target Zelltyp Einsatz/Zulassung<br />

Rituximab CD20 B-Lymphozyten<br />

(Mabthera ® ) B-Zell-Neoplasien NHL, Mono o. Kombi mit CT<br />

ÜV gesichert/ E, USA<br />

Trastuzumab ErbB2 Ca. 1/3 der Met. + adj. BC, Mono o. CT-<br />

(Herceptin ® ) (Her2neu) Mamma-Ca Kombi, ÜV gesichert/ E, USA<br />

Cetuximab EGFR Großteil aller Karzinom- Met. CRC in Kombi,<br />

(Erbitux ® ) (Her1) typen Kopf-Hals-Tumoren/ E, USA<br />

Bevacizumab VEGF Tumoraktivierte CRC/ E, USA<br />

(Avastin ® ) Endothelzellen<br />

Tabelle 2: Tyrosinkinaseinhibitoren<br />

TK-Hemmer Target: Zelltyp/ Status/Zulassung<br />

Kinasen von: Tumorentität<br />

Imatinib BCR-ABL, CML, GIST E, USA u.a.<br />

(Glivec ® ) C-Kit, PDGF-R<br />

Gefitinib* EGF-R Großteil aller NSCLC/<br />

(Iressa ® ) Karzinomtypen Japan, USA, u.a.*<br />

Erlotinib EGF-R Großteil aller NSCLC, 2. Linie; Pankr. Ca<br />

(Tarceva ® ) Karzinomtypen mit Gemc./ E, USA<br />

Sunitinib VEGF-R, PDGF-R, Diverse solide MRCC (1. Linie), GIST<br />

(Sutent ® ) c-Kit, FLT-3 Tumoren (2. Linie) / E, USA<br />

Sorafenib Raf, Diverse solide MRCC (2. Linie) /<br />

(Nexavar ® ) VEGF-R, c-Kit ... Tumoren E, USA<br />

Dasatinib<br />

(Sprycel<br />

BCR-ABL CML, Ph+ - ALL 2. Linie / E, USA<br />

® )<br />

* keine europäische und keine deutsche Zulassung<br />

19


Palliativmedizin<br />

Optimale Palliativversorgung –<br />

wie ist das möglich?<br />

Die medizinische Versorgungslandschaft befindet sich – nicht zuletzt durch<br />

die politisch unterstützten erweiterten Möglichkeiten der Vertragsgestaltung<br />

– in beständigem Wandel hin zu neuen Versorgungsformen! Gerade die<br />

Aussichten auf eine bald umzusetzende Finanzierung der Palliativversorgung<br />

bietet die Möglichkeit, überholte Strukturen zu überwinden und neue<br />

Konzepte der komplexen Leistungserbringung durch Managed-Care-Strukturen<br />

und mit Budgetverantwortung zu realisieren. Wie diese integrierten<br />

Versorgungsnetze in der Palliativmedizin aussehen und auch funktionieren,<br />

schildert Dr. med. Thomas Nolte, DGS-Vizepräsident vom Palliativzentrum<br />

Wiesbaden.<br />

D ie<br />

Überreglementierung der sektoralisierten,<br />

längst überholten Standardversorgung<br />

verhindert die notwendigen Anpassungen<br />

an die stark veränderten Anforderungen<br />

in der Gesundheitsversorgung. Benötigt<br />

werden flexible Versorgungskonzepte als<br />

Antwort auf die komplexen Aufgabenstellungen,<br />

die sich nicht nur als Zusatzmodule zur<br />

„Symptomlinderung“ in der maroden Regelversorgung<br />

verstehen.<br />

Ausgeklügeltes Konzept<br />

Die neun Elemente einer durchdachten und<br />

zukunftsfähigen Konzeption werden im folgenden<br />

mit ihren ausgezeichneten Ergebnissen<br />

vorgestellt. Bei Vorliegen dieser Merkmale<br />

können die Grundlagen erfolgreicher Zusammenarbeit<br />

–<br />

■ Qualifikation,<br />

■ Motivation,<br />

Sterben in Würde<br />

20<br />

Bildarchiv Nolte<br />

■ Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz,<br />

■ Autonomie und Selbstverwaltung der<br />

Leistungserbringer,<br />

■ Zielorientierung –<br />

realistisch verwirklicht werden und sich bestmöglich<br />

entfalten. Nicht die Zugehörigkeit zu<br />

einer bestimmten Struktur prädestiniert deshalb<br />

zur Erfüllung der gestellten Aufgaben,<br />

sondern insbesondere die Anforderungen<br />

durch die zu lösende Aufgabe.<br />

Mehr als ein Hirngespinst<br />

Bis heute sind diese Vorstellungen Visionen,<br />

die als versponnen und unrealistisch abgetan<br />

werden. Diejenigen allerdings, die die Möglichkeit<br />

haben, nach diesen Kriterien zu arbeiten,<br />

und die, die in dieses Konzept als Patienten<br />

und Angehörige eingebunden sind und<br />

waren, bezeichnen es als die Versorgungskultur<br />

der Zukunft. Ich spreche von dem integrierten<br />

Versorgungskonzept <strong>für</strong> Schwerstkranke<br />

am Lebensende (IVP), abgeschlossen<br />

in Fulda und Wiesbaden, <strong>für</strong> Versicherte der<br />

TK, einzelner BKKen und der Knappschaft.<br />

Die neun Elemente und ihre<br />

Ausgestaltung im Konzept<br />

1. Multidisziplinäre sektorenübergreifende<br />

Versorgungsstruktur vor Ort<br />

Ein dichtes Versorgungsnetz mit allen am Lebensende<br />

wichtigen Berufsgruppen, im Rhein-<br />

Main-Gebiet das PalliativNetz Wiesbaden-<br />

Taunus-Rheingau, in Osthessen das Palliativ-<br />

Netz Osthessen, arbeiten hier seit Jahren zusammen.<br />

Dabei ist von unschätzbarem Wert,<br />

dass die Leistungserbringer ihre Erfahrungen<br />

besonders auch in der ambulanten Versorgung<br />

gesammelt haben, damit sie die Anforderungen<br />

und Besonderheiten im häuslichen<br />

Bereich vor Ort gut einschätzen können. Gemeinsame<br />

Zielorientierung: die bestmögliche<br />

Versorgung des unheilbar Kranken am Lebensende<br />

so weit wie möglich und von ihm<br />

gewünscht in seiner gewohnten Umgebung<br />

wie auch die Unterstützung der Angehörigen.<br />

2. Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit<br />

zentralen Steuerungselementen<br />

Steuerungsstruktur ist das Zentrum <strong>für</strong> ambulante<br />

Palliativversorgung (ZAPV), das die Abläufe<br />

organisatorisch auf allen Ebenen mit<br />

einander abstimmt. Dabei ist die Grundidee<br />

der Aufbau einer mehrschaligen Hülle, mit<br />

dem Patienten und seiner Bezugspersonen im<br />

Mittelpunkt, die die bereits vor Ort Agierenden<br />

(Hausarzt und Pflege) komplementär palliativpflegerisch,<br />

-beratend und -medizinisch unterstützt:<br />

Es entsteht aus der Kontinuität der bestehenden<br />

Versorgung ein erweitertes lokales<br />

Palliative-Care-Team mit einem umfassenden<br />

Versorgungsauftrag inklusive Ruf- und Einsatzbereitschaft<br />

zu allen Zeiten.<br />

3. Motivation zu aktiver Mitwirkung, zur Konzeptausweitung<br />

und Weiterqualifikation<br />

Das PalliativNetz unterstützt die lokalen Ressourcen<br />

und fördert damit auch eine Kultur<br />

der gelebten Kooperation mit Nachahmungseffekt.<br />

Am Patientenbeispiel werden in der<br />

engen Verzahnung mit dem Hausarzt palliativmedizinische<br />

Inhalte vermittelt, Grundlagen<br />

<strong>für</strong> eine vertiefende Zusammenarbeit wie<br />

auch Motivation zur Weiterqualifikation vermittelt.<br />

Hilfreich ist dabei auch, dass alle Maßnahmen<br />

mit einem adäquaten Honorar hinterlegt<br />

sind (siehe dort!).<br />

Damit ist es das einzige bisher realisierte<br />

bundesweite Konzept, das sowohl die allgemeinen<br />

wie auch spezialisierten Anteile der<br />

ambulanten Palliativversorgung miteinander<br />

vereint und durch die Anreize der basisnahen<br />

Zusammenarbeit zu seiner Weiterverbreitung<br />

hin zu einer flächendeckenden Palliativversorgung<br />

beiträgt!<br />

4. Berücksichtigung gewachsener<br />

Strukturen<br />

Die Einbindung der hausärztlichen Versorgungsebene<br />

unterstützt die gewachsene Patienten-Hausarzt-Beziehung,<br />

berücksichtigt<br />

die bereits gewachsenen Versorgungspfade<br />

und bindet die vor Ort agierenden Hospizstrukturen<br />

mit ein. Dies ermöglicht einen dezentralen<br />

wohnortnahen Ablauf, der auch in<br />

ländlichen Strukturen eine ausreichende Versorgungsdichte<br />

garantiert.<br />

5. Kontinuierliche patientenzentrierte<br />

Managed-Care-Versorgung<br />

Eine bestmögliche Versorgung <strong>für</strong> unheilbar<br />

Kranke am Lebensende erfordert eine Konti-<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


Thomas Nolte,<br />

Wiesbaden<br />

nuität in der Betreuung, die vorausschauend<br />

und umfassend alle Bereiche erfasst. Rein<br />

interventionelle Konzepte werden den Besonderheiten<br />

gerade in der Palliativversorgung<br />

nicht gerecht, da bereits eingetretene Komplikationen<br />

und schwierige Umstände dann relativ<br />

schwierig zu Hause zu lösen sind und zu<br />

unnötigen Krankenhauseinweisungen führen,<br />

auch wenn ein kompetentes Team vor Ort ist.<br />

Case-Management ist dabei ein Prozess der<br />

konstanten Zusammenarbeit, der komplexen<br />

Strukturierung aller Abläufe und stellt die Bedürfnisse<br />

der Patienten und seiner begleitenden<br />

Angehörigen in den Mittelpunkt. Nirgendwo<br />

mehr als am Lebensende sind diese<br />

Elemente in der Versorgung notwendig und<br />

unverzichtbar!<br />

6. Regelmäßige, <strong>für</strong> alle offene Teambesprechungen,<br />

Schulungen und Fallkonferenzen<br />

Gerade in einem so sensiblen Bereich wie in<br />

der Versorgung von Schwerstkranken und<br />

Sterbenden ist absolute Transparenz nach<br />

innen wie auch außen notwendig! Hierzu gehört<br />

der ständige Austausch aller Beteiligten<br />

in fachlicher Hinsicht (etablierte Qualitätszirkel)<br />

wie auch in patientenindividueller Hinsicht<br />

durch ethisch-palliative Fallkonferenzen<br />

(Palliativkonferenz). Komplette Palliative-<br />

Care-Teams in einer Trägerschaft, zumal mit<br />

nicht tagessatzbasierten Honorarstrukturen,<br />

sind wegen mangelnder Transparenz und<br />

möglicher wirtschaftlicher Zwänge abzulehnen.<br />

7. Transparente, durch Dokumentation<br />

hinterlegte Abläufe<br />

Eine standardisierte kontinuierliche Evaluation<br />

innerhalb des Versorgungskonzeptes wie<br />

auch unter den regional verschiedenen Konzepten<br />

ist unerlässlich. Hier sollten die Ergebnisse<br />

regelmäßig erfasst und bundesweit<br />

ausgewertet werden. Grundlagen da<strong>für</strong> sind<br />

die Vorgaben der HOPE-Dokumentation durch<br />

die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> Palliativmedizin.<br />

8. Tagessatzbasiertes Globalbudget mit<br />

wirtschaftlicher Verantwortung<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> eine hocheffiziente Versorgung<br />

ist eine Leistungserbringung, die Qualität<br />

belohnt und schlechte Versorgung sanktioniert.<br />

Alle seit den verschiedenen Gesundheitsreformen<br />

neu eingeführten Konzepte in<br />

der Gesundheitsversorgung orientieren sich<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

an diesem Prinzip. Auch die Versorgung am<br />

Lebensende macht hier keine Ausnahme!<br />

Wirtschaftliche Anreize müssen die Erfüllung<br />

der Ziele der spezialisierten Palliativversorgung<br />

(bestmögliche Versorgung zu Hause)<br />

honorieren, die Entstehung vermeidbarer Kosten<br />

durch Krankenhauseinweisungen (Nichterreichbarkeit,<br />

lange Anfahrtswege, mangelnde<br />

Qualifikation) zu Honorarkürzungen führen.<br />

Allein ein tagesbasiertes Globalbudget <strong>für</strong><br />

alle nach Einschluss des Patienten anfallenden<br />

Maßnahmen verpflichtet alle Leistungserbringer<br />

sowohl auf höchste Qualität, bestmögliche<br />

Patientenzufriedenheit wie auch auf die<br />

Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung<br />

zu achten. Unzureichende Versorgung global<br />

oder von einzelnen Mitwirkenden im Versorgungsnetz<br />

führt zu finanziellen Nachteilen <strong>für</strong><br />

das gesamte Versorgungsnetz! Dies sind an<br />

sich allgemein akzeptierte Elemente moderner<br />

Versorgungsstrukturen, in Deutschland<br />

bisher in dieser Form aber absolut neu und<br />

hier als (noch!) revolutionär einzustufen! Auch<br />

<strong>für</strong> die Krankenkassen besteht mit Einschluss<br />

des Patienten in das Versorgungsnetz völlige<br />

Kostentransparenz!<br />

9. Wissenschaftlich verwertbare<br />

Versorgungsdaten<br />

Gerade die Intransparenz der sektoralisierten<br />

Versorgungslandschaft mit ihren unterschiedlichen<br />

Budgets hat bis heute neue Konzepte<br />

deshalb vereitelt, weil aus der Regelversorgung<br />

keine Vergleichsdaten vorliegen und<br />

auch nicht extrahiert werden können.<br />

Ein weiteres wesentliches Merkmal intelligenter<br />

Versorgungskonzepte ist deshalb<br />

neben einer optimalen und gleichzeitig wirtschaftlichen<br />

Versorgung der Erwerb von<br />

ökonomischen Daten <strong>für</strong> die Versorgungsforschung.<br />

Erst durch die komplette Budgetverantwortung<br />

mit einer zentralen Erfassung aller<br />

Versorgungsdaten und -kosten besteht die<br />

Möglichkeit, die Kosten nach den Leistungserbringern<br />

(Ärzte, Pflege, Palliative-Care),<br />

Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln bis hin<br />

zu den stationären Kosten (Palliativstation,<br />

stationäres Hospiz) aufzuschlüsseln. Aus der<br />

Analyse lassen sich weitere Schritte <strong>für</strong> die<br />

Zukunft der allgemeinen und spezialisierten<br />

ambulanten Palliativversorgung ableiten.<br />

Ausgezeichnete Ergebnisse<br />

Nach über einem Jahr der Realisation des<br />

Konzeptes in der Praxis liegen die ersten Versorgungsdaten<br />

vor. Insgesamt sind in Fulda<br />

und Wiesbaden 50 Patienten in das palliative<br />

Versorgungsnetz eingeschlossen worden. Davon<br />

sind bis Mitte Juli 46 verstorben, vier wer-<br />

Bildarchiv Nolte<br />

Palliativmedizin<br />

den aktuell in beiden Netzen versorgt. 46 Patienten<br />

haben eine Karzinomdiagnose, drei<br />

starben an amyotropher Lateralsklerose, ein<br />

Patient an einer internistischen Erkrankung.<br />

Die mittlere Behandlungsdauer der verstorbenen<br />

Patienten betrug an beiden Orten 30<br />

Tage. Alle eingeschlossenen Patienten wollten<br />

oder wollen zu Hause sterben, kein Patient<br />

hat sich einen anderen Sterbeort gewünscht.<br />

In Fulda sind von 15 verstorbenen<br />

Patienten 14 zu Hause verstorben, ein Patient<br />

im stationären Hospiz. Die Situation in Wiesbaden<br />

ist vergleichbar, 29 zu Hause, zwei<br />

Patienten im Hospiz. Diese Zahlen belegen,<br />

dass das gesteckte Ziel, bestmögliche Versorgung<br />

des unheilbar Kranken, bei mehr als<br />

90% der versorgten unheilbar Kranken erreicht<br />

wird, vermutlich besser als in anderen<br />

bisher bekannten Palliativprojekten! Mit großer<br />

Sicherheit wird auch die von uns nach<br />

drei Monaten regelhaft erhobene Befragung<br />

der Angehörigen ebenfalls eine große Zufriedenheit<br />

bei den Hinterbliebenen bestätigen.<br />

Zusammenfassung<br />

Wie kein anderes vom Gesetzgeber vorgegebenes<br />

bundesweites Projekt bietet das GKV-<br />

WSG mit dem § 32 b die Chance, völlig neue<br />

Wege in der Palliativversorgung zu gehen.<br />

Das integrierte Versorgungskonzept IVP ist<br />

hier<strong>für</strong> ein Beispiel und eröffnet <strong>für</strong> alle qualifizierten<br />

palliativen Versorgungsnetze die<br />

Möglichkeit, unabhängig von den Ausgangsstrukturen<br />

unter bundesweit vergleichbaren<br />

Bedingungen eine flächendeckende allgemeine<br />

und spezialisierte ambulante Palliativversorgung<br />

nach den regionalen Besonderheiten<br />

aufzubauen. ❏<br />

Thomas Nolte, Wiesbaden<br />

Palliativversorgung verlangt Teamgeist.<br />

21


Medizin und Recht<br />

Wie wird das Vertragsarztrechtsänderungs-<br />

gesetz auf Bundesebene umgesetzt?<br />

Zum 01.07.2007 ist der neue Bundesmantelvertrag <strong>für</strong> Ärzte (BMV-Ä)<br />

und der Ersatzkassenvertrag <strong>für</strong> Ärzte (EKV-Ä) in Kraft getreten. Nachdem<br />

die Neuerungen des zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Vertragsarztrechts-<br />

änderungsgesetzes (VÄndG) bereits in Heft 1/07 (S. 20f.) dargestellt<br />

wurden, erläutert Rechtsanwältin Heike Müller, Sindelfingen, die wichtigsten<br />

bundesmantelvertraglichen Änderungen zur Umsetzung des VÄndG.<br />

Ausweitung des Leistungsspektrums<br />

durch Anstellung von Ärzten<br />

Durch das VÄndG besteht seit dem 01.01.2007<br />

– unter Berücksichtigung der Bedarfsplanung<br />

– auch die Möglichkeit, fachfremde Ärzte anzustellen<br />

und damit das Leistungsspektrum<br />

der Praxis zu erweitern. Während früher<br />

Leistungen, <strong>für</strong> die besondere Qualifikationsanforderungen<br />

(vgl. die Qualitätssicherungsvereinbarung<br />

<strong>Schmerztherapie</strong>) nachgewiesen<br />

werden mussten, in der vertragsärztlichen<br />

Versorgung nur dann ausgeführt und abgerechnet<br />

werden durften, wenn der Praxisinhaber<br />

und zugelassene Arzt diese Anforderungen<br />

erfüllte, genügt es jetzt nach dem<br />

neuen § 11 BMV-Ä auch, wenn nur der in einer<br />

Vertragsarztpraxis oder einem Medizinischen<br />

Versorgungszentrum angestellte Arzt<br />

diese Voraussetzungen erfüllt. Bestimmte apparative<br />

oder räumliche Kriterien sind allerdings<br />

nach wie vor betriebsstättenbezogen zu<br />

erfüllen. In diesen Fällen wird die erforderliche<br />

Genehmigung zur Erbringung der speziellen<br />

Leistungen dem jeweiligen Arbeitgeber,<br />

d.h. dem Ver-<br />

22<br />

tragsarzt oder dem Medizinischen Versorgungszentrum<br />

mit der Maßgabe erteilt, dass<br />

diese Leistungen nur durch die entsprechend<br />

qualifizierten angestellten Ärzte erbracht werden<br />

dürfen. Wechselt der angestellte Vertragsarzt<br />

innerhalb des Bezirks einer KV den<br />

Arbeitgeber, kann dieser vereinfacht eine Abrechnungsgenehmigung<br />

unter Bezugnahme<br />

auf die zuletzt erteilte erhalten. Darüber hinaus<br />

ist durch die Anstellung von Vertragsärzten<br />

auch die gleichzeitige Teilnahme an<br />

der hausärztlichen und der fachärztlichen<br />

Versorgung zulässig, § 14a Abs. 2 BMV-Ä.<br />

Steuerlich ist die Anstellung eines fachfremden<br />

Kollegen jedoch riskant, da die<br />

Gefahr besteht, dass die Finanzämter die<br />

Praxiseinkünfte als gewerbesteuerpflichtig<br />

einstufen. Insoweit ist dringend die Beratung<br />

durch einen Steuerberater zu empfehlen.<br />

Persönliche Leitung der Vertragsarztpraxis<br />

Für den Fall der Anstellung von Ärzten muss<br />

der Vertragsarzt sicherstellen, dass die persönliche<br />

Leitung der Praxis durch ihn nach<br />

wie vor gewährleistet ist. Unter dem Begriff<br />

der „Persönlichen Leitung der Vertragsarztpraxis“<br />

versteht der BMV-Ä die Voraussetzungen,<br />

nach denen bei in der Praxis angestellten<br />

Ärzten im Hinblick auf deren Zahl,<br />

Tätigkeitsumfang und Tätigkeitsinhalt sichergestellt<br />

ist, dass der Praxisinhaber<br />

den Versorgungsauftrag im notwendigen<br />

Umfang auch persönlich erfüllt<br />

und da<strong>für</strong> die Verantwortung übernehmen<br />

kann. Diese persönliche<br />

Leitung ist nach der Neuregelung<br />

in § 14a BMV-Ä dann anzunehmen,<br />

wenn je Vertragsarzt nicht<br />

mehr als drei vollzeitbeschäftigte<br />

oder teilzeitbeschäftigte Ärzte in<br />

einem höchstens drei vollzeitbeschäftigten<br />

Ärzten entsprechenden<br />

Umfang angestellt sind.<br />

Bei Ärzten, die überwiegend medi-<br />

zinisch-technische Leistungen erbringen, wird<br />

die persönliche Leitung auch bei der Beschäftigung<br />

von bis zu vier vollzeitbeschäftigten<br />

Ärzten vermutet. Bei Vertragsärzten mit einer<br />

Teilzulassung vermindert sich die Zahl der<br />

zulässigen Anstellungen auf einen Vollzeit-<br />

oder zwei teilzeitbeschäftigte Ärzte. Weiterbildungsassistenten<br />

werden hierbei nicht mitgerechnet.<br />

Ausnahmen von dieser Begrenzung<br />

sind möglich, wenn gegenüber dem Zulassungsausschuss<br />

besondere Vorkehrungen <strong>für</strong><br />

die persönliche Leitung der Praxis nachgewiesen<br />

werden können. Einschränkungen<br />

bestehen darüber hinaus bei Fachärzten, die<br />

lediglich auf Überweisung tätig werden dürfen<br />

(z. B. Radiologen, Pathologen, Laborärzte).<br />

Vertragsärztliche Tätigkeit an<br />

weiteren Orten<br />

Der neue BMV-Ä unterscheidet nun zwischen<br />

Betriebsstätte und Nebenbetriebsstätte(n).<br />

Betriebsstätte des Vertragsarztes oder des<br />

Medizinischen Versorgungszentrums ist der<br />

Vertragsarztsitz. Betriebsstätte einer Berufsausübungsgemeinschaft<br />

sind die örtlich übereinstimmenden<br />

Vertragsarztsitze der Mitglieder,<br />

bei örtlich unterschiedlichen Vertragsarztsitzen<br />

der Mitglieder ist Betriebsstätte der<br />

zu wählende Hauptsitz. Nebenbetriebsstätte(n)<br />

sind in Bezug auf die Betriebsstätten zulässige<br />

weitere Tätigkeitsorte, an denen der Vertragsarzt,<br />

der angestellte Arzt, die Berufsausübungsgemeinschaft<br />

oder das Medizinische<br />

Versorgungszentrum neben ihrem Hauptsitz<br />

an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen.<br />

Für die Nebenbetriebsstätte(n) ist eine<br />

Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung<br />

einzuholen.<br />

Speziell bei schmerztherapeutisch tätigen<br />

Vertragsärzten ist zu berücksichtigen, dass<br />

lediglich die Erbringung „typisch“ anästhesiologischer<br />

Leistungen an Nebenbetriebsstätten<br />

gemäß § 15a Abs. 2 BMV-Ä insoweit privilegiert<br />

ist, als die Genehmigung bereits dann<br />

zu erteilen ist, wenn die Versorgung durch<br />

die Anzahl der Nebenbetriebsstätten nicht<br />

gefährdet ist. Bei schmerztherapeutischen<br />

Leistungen bleibt es indes bei der Voraussetzung<br />

des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV, wonach durch<br />

die Nebenbetriebsstätte die Versorgung der<br />

Versicherten an den weiteren Orten verbessert<br />

werden muss und die ordnungsgemäße<br />

Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes<br />

nicht beeinträchtigt werden darf.<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


Heike Müller,<br />

Sindelfingen<br />

Bei Berufsausübungsgemeinschaften mit unterschiedlichen<br />

Vertragsarztsitzen können die<br />

Mitglieder gemäß § 15a Abs. 4 BMV-Ä auch<br />

wechselseitig an diesen Sitzen tätig werden,<br />

wenn insoweit ihre Präsenzpflicht gewährleistet<br />

ist und die Tätigkeit am jeweils anderen<br />

Vertragsarztsitz nur in begrenztem Umfang<br />

ausgeübt wird. In diesem Fall bedarf eine solche<br />

„Nebenbetriebsstätte“ der Mitglieder der<br />

Berufsausübungsgemeinschaft keiner Genehmigung<br />

durch die KV. Schließlich ist es<br />

auch erlaubt, einen angestellten Arzt allein<br />

zur Durchführung von Behandlungen an der<br />

Nebenbetriebsstätte einer Praxis/eines Medizinischen<br />

Versorgungszentrums anzustellen,<br />

§ 15a Abs. 6 BMV-Ä.<br />

Ausgelagerte Praxisräume, d.h. die Erbringung<br />

spezieller Untersuchungs- und Behandlungsleistungen<br />

an weiteren Orten in räumlicher<br />

Nähe zum Vertragsarztsitz sind nach<br />

wie vor lediglich anzeigepflichtig.<br />

Teilberufsausübungsgemeinschaften<br />

Grundsätzlich kann sich die gemeinsame Berufsausübung<br />

von Vertragsärzten nach dem<br />

VÄndG auch auf die Erbringung einzelner<br />

Leistungen beschränken. Eine solche Teilberufsausübungsgemeinschaft<br />

ist allerdings nur<br />

dann zulässig, wenn das zeitlich begrenzte<br />

Zusammenwirken der Ärzte erforderlich ist,<br />

um Patienten zu versorgen, die einer gemeinschaftlichen<br />

Versorgung der der Gemeinschaft<br />

angehörenden Ärzte bedürfen, § 15a Abs. 5<br />

BMV-Ä. Hiermit soll einer Umgehung des berufsrechtlichen<br />

Verbots der „Zuweisung gegen<br />

Entgelt“ entgegengewirkt werden. Zu beachten<br />

sind insoweit ferner weitergehende berufsrechtliche<br />

Regelungen. So sind Teilberufsausübungsgemeinschaften<br />

z.B. im Bereich<br />

der Ärztekammer Hamburg nur dann zulässig,<br />

wenn die Mitglieder am Gewinn der Gemeinschaft<br />

nur in dem ihrer persönlichen<br />

Leistung entsprechenden Anteil beteiligt sind,<br />

§ 18 Abs. 1a BO.<br />

Präsenzpflicht<br />

Während sich das Bundessozialgericht in seiner<br />

ständigen Rechtsprechung zur zulässigen<br />

Höchstdauer einer Nebenbeschäftigung noch<br />

scheute, eine Mindestdauer der vertragsärztlichen<br />

Tätigkeit bzw. eine Mindestzahl von<br />

Sprechstunden festzulegen, wurde nun in<br />

§ 17 BMV-Ä festgelegt, dass der Vertragsarzt<br />

verpflichtet ist, an seinem Vertragsarztsitz<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form<br />

von Sprechstunden zur Verfügung zu stehen.<br />

Für einen Vertragsarzt mit hälftigem Versorgungsauftrag<br />

besteht eine entsprechende<br />

Verpflichtung von 10 h/Woche. In den Fällen,<br />

in denen der Vertragsarzt seine Tätigkeit an<br />

weiteren Orten außerhalb seines Vertragsarztsitzes<br />

ausübt, gilt, dass die Tätigkeit am<br />

Vertragsarztsitz alle Tätigkeiten außerhalb<br />

des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt<br />

überwiegen muss. Ein bestimmtes zeitliches<br />

Verhältnis ist hierzu jedoch nicht angegeben.<br />

Die Bestimmungen gelten nicht <strong>für</strong> Anästhesisten<br />

und Belegärzte, eine Einschränkung,<br />

die jedoch nicht <strong>für</strong> ausschließlich schmerztherapeutisch<br />

tätige Anästhesisten gelten<br />

dürfte, auch wenn dies so nicht explizit geregelt<br />

ist.<br />

Abrechnungsvorschriften<br />

Die Abrechnungen der vertragsärztlichen<br />

Leistungen sind ab dem 01.01.2008 unter Angabe<br />

der Arztnummer sowie aufgeschlüsselt<br />

nach Betriebsstätten und Nebenbetriebsstätten<br />

zu kennzeichnen, § 44 Abs. 6 BMV-Ä. Für<br />

Einzelpraxen ohne angestellte Ärzte und<br />

Ärzte einer versorgungsbereichs- und fachgruppengleichenBerufsausübungsgemeinschaft,<br />

die nur an einer Betriebsstätte tätig<br />

sind, kann eine Freistellung durch die KV erteilt<br />

werden. Durch diese neuen Abrechnungsvorgaben<br />

können die KVen überprüfen, ob die<br />

jeweiligen Fachgebietsgrenzen oder<br />

Qualitätsanforderungen eingehalten<br />

werden. Darüber hinaus<br />

kann der Umfang der<br />

ärztlichen Tätigkeit genau<br />

überprüft werden. Der<br />

bisherigen Praxis der<br />

KVen, bei der Plausibili-<br />

Medizin und Recht<br />

tätsprüfung die Zeitprofile zu saldieren, sodass<br />

ein Mitglied einer Berufsausübungsgemeinschaft,<br />

das die zulässigen Zeiten überschritt,<br />

durch das Unterschreiten eines anderen<br />

Mitglieds profitieren konnte, wurde damit<br />

eine Absage erteilt. Über die Angabe der Betriebsstätten-<br />

und Nebenbetriebsstättennummern<br />

kann die jeweilige KV genau nachvollziehen,<br />

welche Leistungen an welchen Orten<br />

erbracht worden sind. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung<br />

ist hierzu vorgesehen, dass die<br />

Behandlungs- und Verordnungsweise eines<br />

Arztes nicht bezogen auf die jeweilige Betriebsstätte,<br />

sondern das gesamte Spektrum<br />

bewertet wird, § 47 BMV-Ä.<br />

Ausblick<br />

Auch wenn der neue Bundesmantelvertrag<br />

etwas „Licht in das Dunkel“ des VÄndG gebracht<br />

hat, sind zahlreiche Fragen noch offengeblieben<br />

und werden leider erst aus der Erfahrung<br />

der täglichen Praxis oder durch Inanspruchnahme<br />

der Gerichte geklärt werden<br />

können. Trotz der durch das VÄndG eröffneten<br />

Chancen des erweiterten Wettbewerbs ist es<br />

<strong>für</strong> den Arzt leider erneut unabdingbar, sich<br />

durch das „Dickicht“ von mitunter erst auf den<br />

zweiten Blick verständlichen gesetzlichen Regelungen<br />

zu arbeiten. Die Frage, ob und inwieweit<br />

die Anstellung von Ärzten erweiterte<br />

Budgets nach sich ziehen wird, ist den Regelungen<br />

der jeweiligen HVVs vorbehalten, die<br />

derzeit in Arbeit sind. Bedauerlich ist zudem,<br />

dass nach wie vor ein Umsetzungsdefizit<br />

bei den Bedarfsplanungsrichtlinien<br />

<strong>für</strong> Ärzte, die seit dem<br />

01.04.2007 auch die ehemaligenAngestellte-Ärzte-Richtlinien<br />

umfassen, festzustellen<br />

ist. ❏<br />

Heike Müller, Sindelfingen<br />

23


Schmerz im Krankenhaus<br />

Funktion des Akutschmerzdienstes<br />

Ein Akutschmerzdienst ist <strong>für</strong> die Qualität der postoperativen Patienten-<br />

betreuung ein wichtiges Instrument, um perioperative Schmerzen effektiv<br />

zu behandeln. Wie dieser Dienst aussehen sollte, und welches Stufen-<br />

konzept <strong>für</strong> perioperative Schmerzen sinnvoll ist, schildert Dr. med. Thomas<br />

Cegla, DGS-Leiter Wuppertal.<br />

J eder<br />

zweite Patient, der sich einem operativen<br />

Eingriff unterziehen muss, hat<br />

Angst, Schmerzen zu erleiden. Dies unterstreicht<br />

die Bedeutung, perioperative<br />

schmerztherapeutische Konzepte anzubieten<br />

und darzustellen. Bei der Auswahl der Klinik<br />

<strong>für</strong> eine elektive Operation wird und soll sich<br />

der mündige Patient nicht nur über das Operationsverfahren,<br />

sondern auch über die perioperative<br />

Betreuung informieren. Dieses<br />

Informationsangebot kann durch Eigendarstellung<br />

der Kliniken über die Internetseiten<br />

der Krankenhäuser erfolgen. Unterschiedlichste<br />

Zertifizierungsmaßnahmen können in<br />

Zukunft eine weitere Orientierungsmöglichkeit<br />

zur Einschätzung der schmerztherapeutischen<br />

Qualität einer Klinik bieten. Im Rahmen<br />

solcher Zertifizierungen, wie sie auch<br />

von der DGS angeboten werden, findet die<br />

externe Überprüfung der schmerztherapeutischen<br />

Strukturen eines Krankenhauses<br />

statt. Wichtig ist, die Qualität der <strong>Schmerztherapie</strong><br />

zu zertifizieren und nicht eine<br />

Schmerzfreiheit zu attestieren. Der plakative,<br />

sehr öffentlichkeitswirksame Begriff<br />

„Schmerzfreies Krankenhaus“ ruft bei vielen<br />

Patienten eine falsche und unrealistische Erwartungshaltung<br />

hervor.<br />

24<br />

Akutschmerzdienste bislang nur<br />

bei 36%<br />

Ein Hilfsmittel zur Entscheidung, ob an einem<br />

Krankenhaus <strong>Schmerztherapie</strong> eine besondere<br />

Bedeutung hat, ist die Organisation<br />

eines Akutschmerzdienstes. Ca. 70% aller<br />

Universitätskliniken geben an, einen<br />

Akutschmerzdienst zu haben. Bei der Zusammenfassung<br />

aller Kliniken sind es 36%. Dabei<br />

bestehen besondere organisatorische<br />

Schwierigkeiten, abhängig von der Größe des<br />

Krankenhauses oder der Klinik. Bei kleinen<br />

Häusern ist die Personalkapazität häufig gering,<br />

an größeren Kliniken bestehen viele,<br />

häufig lokal voneinander getrennte, zu versorgende<br />

Teilbereiche.<br />

DRG-Code nutzen<br />

Die Leistungen des Akutschmerzdienstes<br />

sind im DRG-Katalog unter der Akutschmerzbehandlung<br />

in Kap. 8 des OPS beschrieben.<br />

Dieser Code umfasst die Einleitung, Durchführung<br />

und Überwachung einer speziellen<br />

<strong>Schmerztherapie</strong> oder Symptomkontrolle bei<br />

Patienten mit schweren akuten Schmerzzuständen,<br />

z. B. nach Operation, Unfällen und<br />

schweren exazerbierten Tumorschmerzen, ist<br />

jedoch nicht direkt am Operationstag anwend-<br />

Abbildung 1: Stufenkonzept <strong>für</strong> den Akutschmerzdienst zur Therapie postoperativer<br />

oder tumorbedingter Schmerzen.<br />

Schmerzproblem<br />

Postoperative oder tumorbedingte Schmerzen<br />

Station<br />

Schmerzdienst − Stufe 1<br />

Schmerzspezialist des eigenen Fachbereichs<br />

Schmerzdienst − Stufe 2<br />

Thomas Cegla,<br />

Wuppertal<br />

bar. Er erfordert des Weiteren kontinuierliche<br />

Regionalanästhesieverfahren oder eine patientenkontrollierte<br />

Analgesie. Zweimalige Visiten<br />

durch den Akutschmerzdienst sind<br />

durchzuführen und mindestens drei Aspekte<br />

der Effektivität der Therapie sind zu dokumentieren.<br />

Die Visite kann vom speziell ausgebildeten<br />

Pflegepersonal oder vom ärztlichen<br />

Personal durchgeführt werden.<br />

Macht es Sinn, eine zur Zeit nicht finanziell<br />

sondervergütete Leistung zu erbringen und<br />

zu dokumentieren? Die Leistungsdarstellung<br />

eines erhöhten schmerztherapeutischen Aufwandes<br />

kann bei internen Vergleichen von<br />

Instituten und Kliniken Berücksichtigung finden.<br />

Ein externer Vergleich mit Konkurrenzhäusern<br />

wird möglich. Den Kostenträgern<br />

werden in der Zukunft Daten zur Verfügung<br />

stehen, auch diesen Teilbereich als Teil der<br />

gesamten perioperativen Betreuung des Patienten<br />

zu beurteilen. Hier<strong>für</strong> ist jedoch eine<br />

Kodierung erforderlich.<br />

Weniger Komplikationen<br />

Dass Schmerzen eine beschleunigte Rekonvaleszenz<br />

behindern, ist allgemein erkannt.<br />

Aus diesem Grund werden perioperative Absprachen<br />

zur <strong>Schmerztherapie</strong> und der Einsatz<br />

patientenkontrollierter Analgesie und<br />

insbesondere von regionalanästhesiologischen<br />

Verfahren immer wieder gefordert.<br />

Nur so kann der Patient durch frühe Mobilisation<br />

während eines möglichst kurzfristigen<br />

Krankenhausaufenthalts bei guter Patientenzufriedenheit<br />

und gutem Outcome betreut<br />

werden. Bei einer qualitativ hochwertigen<br />

<strong>Schmerztherapie</strong> sind die pulmonalen und<br />

kardiovaskulären Komplikationen geringer.<br />

Dabei reicht die Einrichtung eines Schmerzdienstes<br />

allein nicht aus. Standardisierte<br />

Verfahrensprotokolle und schmerztherapeutische<br />

Algorithmen sind notwendig. Schmerztherapeutische<br />

Aufgaben können von speziell<br />

ausgebildeten Pflegekräften (algesiologische<br />

Fachassistenten) übernommen werden. Für<br />

die Überwachung und Dokumentation, aber<br />

auch <strong>für</strong> die Therapie sind hier verbindliche<br />

Leitlinien und Algorithmen mit genauen Dosis-<br />

angaben und Zeitintervallen notwendig. Eine<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


Opiatgabe kann nach diesen Vorgaben auch<br />

vom Pflegepersonal intramuskulär oder per<br />

Kurzinfusion vorgenommen werden. Wenn<br />

möglich sollte neben der pflegerischen auch<br />

eine ärztliche Visite stattfinden. Dies hängt jedoch<br />

von den organisatorischen Möglichkeiten<br />

ab. Wichtig ist die fachgruppenübergreifende<br />

Kommunikation und die regelmäßige Überprüfung<br />

der festgelegten schmerztherapeutischen<br />

Konzepte.<br />

24-Stunden-Konzepte nötig<br />

Abhängig von der Struktur und Größe einer<br />

Klinik kann die Organisation eines fachübergreifenden<br />

Akutschmerzdienstes über 24 h<br />

schwierig sein. Aus diesem Grund sollten einzelne<br />

Kliniken und Abteilungen über den Pflegedienst<br />

und zumindest einen schmerztherapeutisch<br />

weitergebildeten Facharzt einen eigenen<br />

Schmerzdienst als Teilbereich des<br />

fachübergreifenden Schmerzdienstes organisieren<br />

(Abb. 1).<br />

Werden patientenkontrollierte Analgesieverfahren<br />

durch den Fachbereichsschmerzdienst<br />

angewandt, kann auch hier der Code <strong>für</strong><br />

die spezielle Akutschmerztherapie eingesetzt<br />

werden. Führen die perioperativen Konzepte<br />

bei einem Patienten nicht zu einer deutlichen<br />

Schmerzreduktion, ist erst dann der übergeordnete<br />

Akutschmerzdienst zu informieren.<br />

Algorithmen können abhängig vom operativen<br />

Eingriff, aber auch von der Schmerzstärke<br />

erstellt werden.<br />

Algorithmen müssen sich aber auch an der<br />

Schmerzstärke orientieren. Starke Schmer-<br />

Infotelegramm<br />

Bilateraler ilioinguinaler Nervenblock<br />

nach Hysterektomie<br />

Der Einsatz des bilateralen ilioinguinalen Nervenblocks<br />

nach Hysterektomie halbierte den Morphingebrauch<br />

in den folgenden zwei postoperativen<br />

Tagen (21 versus 41 mg, p < 0,0001),<br />

zeigte eine prospektive randomisierte Doppelblindstudie<br />

an 70 Patienten (Anesth. Analg.<br />

2007;104:731–734).<br />

Dupuytren-Kontraktur<br />

Die typische Dupuytren-Kontraktur, eine fibroproliferative<br />

Erkrankung der Palmarfaszie, tritt<br />

vor allem bei Patienten mit Diabetes, positiver<br />

Familienanamnese, Alkoholmissbrauch und bei<br />

beruflicher Exposition zu Vibrationsmaschinen<br />

auf, erklärt Calif and Stahl anhand der Kasuistik<br />

eines 57-jährigen Mannes, der mit einer bilateralen<br />

partiellen Fasziektomie erfolgreich behandelt<br />

wurde (New Engl. J.Med. März 2007).<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

Tabelle 1: Auf den Eingriff bezogen<br />

zen können auch nach kleineren Eingriffen<br />

auftreten und bedürfen dann einer speziellen<br />

<strong>Schmerztherapie</strong> unter Einsatz potenter<br />

Schmerzmittel. Dies sind auch Opiate der<br />

Stufe III.<br />

Eine patientenkontrollierte Analgesie über<br />

Injektionspumpen, intravenös oder über regionalanästhesiologische<br />

Katheter ist als<br />

Goldstandard zu bevorzugen. Ist dies nicht<br />

möglich, kann alternativ eine orale patientenkontrollierte<br />

Analgesie durchgeführt werden.<br />

Hierzu bietet sich z.B. ein Kombination aus<br />

Oxycodon, abhängig vom Körpergewicht und<br />

von der Eingriffsart 10–20 mg zweimal tägl.<br />

gegeben, und der Zusatz von Hydromorphon<br />

1,3 mg bei Bedarf an.<br />

Um den Charakter einer patientenkontrollierten<br />

Analgesie zu gewährleisten, sollte der<br />

Patient das Hydromorphon griffbereit haben<br />

und es ohne Zeitverzögerung einnehmen können.<br />

Erst nach Einnahme meldet sich der Patient,<br />

sodass dokumentiert werden kann und<br />

Schmerz im Krankenhaus<br />

■ Kleinere Eingriffe = Medikamente der WHO-Stufe I<br />

■ Mittlerer Eingriff = Opiat der Stufe II zusätzlich kombiniert;<br />

feste Zeitregelung der Einnahme,<br />

evtl. auch schon patientenkontrollierte<br />

Analgesieverfahren<br />

■ Größerer Eingriff = Verwendung von regionalanästhesiologischen<br />

Maßnahmen, patientenkontrollierte<br />

Analgesieverfahren<br />

Kognitive Verhaltenstherapie statt<br />

Bandscheibenoperation?<br />

In einer systematischen Übersicht über die randomisierten<br />

Studien, die Bandscheibenfusionen<br />

im Vergleich zu nicht operativen Verfahren untersuchte,<br />

zeigte sich, dass der Nutzen der Bandscheibenoperationen<br />

zwar besser war als eine<br />

unkontrollierte allgemeine Therapie, aber sie war<br />

gleichwertig mit der kognitiven Verhaltenstherapie<br />

(Spine 2007;32: 816–823).<br />

Rückenschmerzen genetisch determiniert<br />

In einer großen Zwillingspaarstudie an 147 monozygoten<br />

Zwillingspaaren und 153 dizygoten<br />

Zwillingspaaren (600 Teilnehmer) konnte die kanadische<br />

Arbeitsgruppe von M.C. Battie nachweisen,<br />

dass die Diskusdegeneration einer der Wege<br />

ist, über die sich die genetische Komponente von<br />

Kreuzschmerzen bemerkbar macht (Pain 2007,<br />

Epub ahead of print).<br />

er die nächste Dosis bereit gestellt bekommt.<br />

Die Änderungen im Gesundheitswesen<br />

machen auch vor den Krankenhäusern nicht<br />

halt. Gerade das pauschalierte fallbezogene<br />

Abrechnungssystem hat vielfach zu organisatorischen<br />

Änderungen geführt. Die ökonomische<br />

Leistungsfähigkeit von Abteilungen<br />

wird transparenter. Eine interne Darstellung<br />

und Erfassung schmerztherapeutischer Leistungen<br />

und eines schmerztherapeutischen<br />

Personalaufwandes ist umso wichtiger. ❏<br />

Thomas Cegla, Wuppertal<br />

Oberflächen-EMG zur Schmerz- und<br />

Therapiediagnose<br />

Chronische Nackenschmerzen ohne zervikale Radikulopathie<br />

lassen sich mit einem oberflächlichen<br />

Elektromyogramm durch ein signifikant<br />

größeres Spitzen-EMG von gesunden Probanden<br />

unterscheiden, ergab eine Studie von S. Kumar<br />

et al. an 34 Patienten im Vergleich zu 66 gesunden<br />

Probanden (Spine 2007;32:246–253).<br />

Mit elektrischer Nervenstimulation<br />

gegen muskuloskelettale Schmerzen<br />

Nach einer Metaanalyse von M. Johnson,<br />

in der insgesamt 335 Placebo-, 474 Elektrische-<br />

Nervenstimulation (EN)- und 418 Crossover-Patienten<br />

ausgewertet wurden, ergab, dass die elektrische<br />

Nervenstimulation eine effektive Behandlung<br />

<strong>für</strong> chronischen muskuloskelettalen Schmerz<br />

darstellt (Pain 2007, Epub ahead of print).<br />

25


Bücherecke<br />

Opiatabhängigkeit – eine Pflichtlektüre!<br />

�� In den letzten Jahren sind Opioide auch zur Behandlung von<br />

Nicht-Tumor-Schmerzen zunehmend in den Mittelpunkt moderner<br />

<strong>Schmerztherapie</strong> gerückt. Das Stigma vom „Morphin als letztem Mittel“<br />

wurde abgelöst von einer rationalen Denkweise, die retardierten Opioiden<br />

in oraler oder transdermaler Galenik gerade aufgrund ihrer fehlenden<br />

spezifischen Organtoxizität einen festen Stellenwert einräumt.<br />

Nicht zuletzt der „Vioxx-Skandal“ und die in dessen Folge gemachten<br />

retrospektiven und prospektiven Untersuchungen über renale und kardiovaskuläre<br />

Nebenwirkungen haben dazu wesentlich beigetragen,<br />

konnten sie doch eindrucksvoll zeigen, dass weder die traditionellen<br />

nicht steroidalen Antirheumatika (tNSAR) noch die selektiveren Cox-<br />

2-Hemmer (Coxibe) <strong>für</strong> eine Langzeittherapie geeignet sind.<br />

Rationale Therapie mit Opioiden darf aber nicht zu „Opioideuphorie“,<br />

d. h. zu einem unkritischen Einsatz dieser potenten Analgetika<br />

mit dem Potenzial zentraler Nebenwirkungen führen. Nicht jeder<br />

Schmerz ist opioidsensitiv, nicht jeder Patient ist <strong>für</strong> eine Therapie<br />

mit Opioiden geeignet. Wer die segensreichen Wirkungen dieser Substanzgruppe nutzen will,<br />

sollte daher auch deren Grenzen kennen bzw. wissen, wie mit dem Problem einer vorbestehenden<br />

oder iatrogenen Opioidabhängigkeit umzugehen ist.<br />

In diesem Zusammenhang ist das soeben in zweiter Auflage erschienene Buch „Opiatabhängigkeit“<br />

ein exzellenter Ratgeber. Das Werk bietet einen fundierten, gleichermaßen<br />

aktuellen wie praxisrelevanten Überblick zu den pharmakologischen, medizinischen, psychotherapeutischen<br />

und nicht zuletzt juristischen Aspekten dieses Krankheitsbildes.<br />

Die zweite Auflage wurde sinnvoll erweitert durch neue Beiträge zu relevanten chirurgischen,<br />

dermatologischen und gynäkologischen Essentials im Rahmen einer Opiatabhängigkeit<br />

sowie ein Kapitel zur <strong>Schmerztherapie</strong>.<br />

Relevant <strong>für</strong> die tägliche Praxis sind auch die Ergänzungen zur Begutachtung hinsichtlich<br />

Suchtgefährdung und Suchtkrankheit, zur Fahrtauglichkeit, zur psychosozialen Betreuung und<br />

– ein mit vielen Vorurteilen besetztes Thema – zur Substitutionsbehandlung mit Heroin.<br />

Fazit: Eine praxisrelevante Pflichtlektüre <strong>für</strong> jeden schmerztherapeutisch Tätigen, ein sehr<br />

gutes Nachschlagewerk <strong>für</strong> alle, die Opioide einsetzen, und/oder alle diejenigen, <strong>für</strong> die der<br />

Umgang mit Abhängigen zur täglichen Arbeit gehört. Dr. Uwe Junker<br />

Eckhard Beubler, Hans Haltmayer, Alfred Springer (Herausgeber):Opiatabhängigkeit. Zweite, überarbeitete<br />

und erweiterte Auflage, 2007. XIV, 340 Seiten. 33 Abbildungen. Broschiert. Eur 49,90, Springer<br />

Verlag, Heidelberg, New York. ISBN 978-3-211-29116-0<br />

Einstieg und/oder Repetitorium<br />

�� Das Buch vermittelt die wesentlichen Informationen praxisnah,<br />

die man vor Beginn einer medikamentösen Therapie braucht, um ein<br />

effektives Konzept zu erarbeiten. Einleitend werden die gängigen<br />

Definitionen und die Abgrenzungen von akutem und chronischen<br />

Schmerz dargestellt, bevor der wichtigen Frage nachgegangen wird,<br />

wie der Hausarzt Chronifizierungsprozesse frühzeitig erkennen<br />

kann. Ebenso prägnant wie didaktisch gelungen ist die Beschreibung<br />

von Schmerzwahrnehmung und der unterschiedlichen Schmerztypen<br />

wie Nozizeptor- und neuropathischem Schmerz mit einer sinnvollen<br />

Abgrenzung der chronischen Kopfschmerzen als Sonderfall. Getreu<br />

dem schmerztherapeutischen Credo „Ohne Schmerzmessung keine<br />

Therapie“ wird das Kapitel „Schmerzerfassung in der Hausarztpraxis“<br />

der aktuellen Schilderung aller gängigen Analgetika und Koanalgetika<br />

vorangestellt. Insgesamt ein rundum gelungenes Buch <strong>für</strong><br />

den schmerztherapeutisch interessierten Hausarzt. Dr. Uwe Junker<br />

Oliver Emrich – News, Aktuelle <strong>Schmerztherapie</strong> mit Analgetika, 64 S., 5 Abbildungen, 12 Tabellen, Eur 11,99,<br />

CHF 18,90, ComMed Update, 2005, ISBN 3-905320-81-9, ComMed Verlag, Basel.<br />

26<br />

Impressum<br />

Organ der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Schmerztherapie</strong><br />

Herausgeber<br />

Gerhard Müller-Schwefe,<br />

Schillerplatz 8/1, D-73033 Göppingen<br />

Tel. 07161/976476 · Fax 07161/976477<br />

E-Mail: gp@dgschmerztherapie.de<br />

Schriftleitung<br />

Thomas Flöter, Frankfurt; Olaf Günther, Magdeburg;<br />

Winfried Hoerster, Gießen; Dietrich Jungck, Hamburg;<br />

Uwe Junker, Remscheid; Stephanie Kraus (verantw.),<br />

Stephanskirchen, Tel.: 08036/1031;<br />

Thomas Nolte, Wiesbaden; Reinhard Thoma, Tutzing;<br />

Michael Überall, Nürnberg<br />

Beirat<br />

Joachim Barthels, Bad Salzungen; Christoph Baerwald,<br />

Leipzig; Wolfgang Bartel, Halber- stadt; Heinz-Dieter<br />

Basler, Marburg; Günter Baust, Halle/ Saale; Klaus<br />

Borchert, Greifswald; Burkhard Bromm, Hamburg; Kay<br />

Brune, Erlangen; Mathias Dunkel, Wiesbaden; Oliver<br />

Emrich, Ludwigshafen; Gerd Geisslinger, Frankfurt; Hartmut<br />

Göbel, Kiel; Henning Harke, Krefeld; Ulrich Hankemeier,<br />

Bielefeld; Stein Husebø, Bergen; Klaus Jork,<br />

Frankfurt; Edwin Klaus, Würzburg; Eberhard Klaschik,<br />

Bonn; Lothar Klimpel, Ludwigshafen; Bruno Kniesel,<br />

Hamburg; Marianne Koch, Tutzing; Bernd Koßmann,<br />

Wangen; Peter Lotz, Bad Lippspringe; Christoph Müller-Busch,<br />

Berlin; Robert Reining, Passau; Robert F.<br />

Schmidt, Würzburg; Günter Schütze, Iserlohn; Hanne<br />

Seemann, Heidelberg; Ralph Spintge, Lüdenscheid;<br />

Birgit Steinhauer, Limburg; Georgi Tontschev, Bernau;<br />

Roland Wörz, Bad Schönborn; Henning Zeidler, Hannover;<br />

Walter Zieglgänsberger, München; Manfred<br />

Zimmermann, Heidelberg<br />

In Zusammenarbeit mit dem Fachverband Schmerz,<br />

Verband <strong>Deutsche</strong>r Ärzte <strong>für</strong> Algesiologie e.V.,<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> Algesiologie e.V., <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> Algesiologische Fachassistenz e. V.,<br />

<strong>Deutsche</strong> Akademie <strong>für</strong> Algesiologie, GAF <strong>Gesellschaft</strong><br />

<strong>für</strong> algesiologische Fortbildung mbH, <strong>Deutsche</strong><br />

Schmerzliga e.V., Verband ambulant tätiger Anästhesisten<br />

e.V., Gesamtdeutsche <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> Manuelle<br />

Medizin e.V., <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> zum Studium<br />

des Schmerzes e.V. und <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong><br />

Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.<br />

Mit der Annahme eines Beitrags zur Veröffentlichung<br />

erwirbt der Verlag vom Autor alle Rechte, insbesondere<br />

das Recht der weiteren Vervielfältigung zu<br />

gewerblichen Zwecken mithilfe fotomechanischer<br />

oder anderer Verfahren. Die Zeitschrift sowie alle in<br />

ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen<br />

sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Hinweis: Die in dieser Zeitschrift angegebenen Dosierungen<br />

– vor allem von Neuzulassungen – sollten<br />

in jedem Fall mit dem Beipackzettel der verwendeten<br />

Medikamente verglichen werden.<br />

Bezugspreis: Einzelheft 12,– Euro<br />

Abonnement <strong>für</strong> 4 Ausgaben pro Jahr 40,– Euro<br />

(zzgl. Versand, inkl. MwSt.).<br />

Der Mitgliedsbeitrag des DGS schließt den Bezugspreis<br />

der Zeitschrift mit ein. Die Zeitschrift erscheint<br />

im 23. Jahrgang.<br />

Verlag<br />

© URBAN & VOGEL GmbH, München,<br />

Januar 2007<br />

Leitung Medical Communication:<br />

Ulrich Huber (verantw.)<br />

Schlussredaktion: Dr. Brigitte Schalhorn<br />

Herstellung/Layout: Maren Krapp<br />

Druck: Vogel Druck und Medienservice<br />

GmbH & Co. KG, Höchberg<br />

Titelbild: Marcus Gruber, Illustration: Z. Curulija<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)


Rückenschmerzen<br />

Rückenschmerzen sind eine der häufigsten und teuersten Schmerzerkrankungen<br />

unter der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland. Eine möglichst<br />

frühzeitige und effektive pharmakologische <strong>Schmerztherapie</strong> scheiterte<br />

bisher häufig an den schwer beherrschbaren gastrointestinalen Nebenwirkungen<br />

der Opioide, gegen die auch in aller Regel keine Toleranzent-<br />

wicklung zu erwarten ist. Die Kombination von Oxycodon mit Naloxon<br />

bietet hier bereits <strong>für</strong> die Initialeinstellung zahlreiche Vorteile, schildert<br />

Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Göppingen.<br />

Der Praxisfall<br />

Die 36-jährige Patientin stellt sich im Frühjahr<br />

2007 im Schmerzzentrum vor mit anhaltenden<br />

Rückenschmerzen bei Zustand nach zweimaliger<br />

Nukleotomie L4/L5 1999 und L3/L4, L4/<br />

L5 2000 sowie bei zunehmender Instabilität<br />

Spondylodese L3/L4/L5 im Jahr 2001. Die<br />

postoperative Rehabilitationsbehandlung war<br />

bereits wegen massiver Schmerzen nur<br />

schwer durchführbar gewesen. Auf alle Versuche,<br />

die Schmerzen mit entzündungshemmenden<br />

Substanzen zu beherrschen, hatte<br />

die Patientin mit massiven Magenproblemen<br />

reagiert, trotz gleichzeitiger Gabe von Protonenpumpenhemmern.<br />

Auf Stufe-II-Opioide<br />

hatte sie keine ausreichende Schmerzlinderung<br />

erfahren, sodass schließlich zunächst<br />

Morphin, dann Oxycodon gegeben wurde.<br />

Mit einer Dosierung von zwölfstündlich<br />

10 mg Oxycodon war jedoch bereits eine<br />

derart ausgeprägte Obstipation aufgetreten,<br />

dass die Patientin höchstens alle sieben bis<br />

acht Tage Stuhlgang hatte, ohne dass die<br />

Schmerzlinderung ausreichend war. Ein Versuch,<br />

diese Nebenwirkungen mit transdermaler<br />

Gabe von Fentanyl oder Buprenorphin zu<br />

umgehen, scheiterte, deshalb wurde nochmals<br />

die orale Gabe von Oxycodon versucht.<br />

Die zusätzliche Gabe von Lactulose und Bisacodyl<br />

führte zu massiven Blähungen und<br />

Erbrechen, sodass eine Dosissteigerung von<br />

Oxycodon unmöglich schien. Weitere Therapieversuche<br />

mit Macrogol, Natriumpicosulfat<br />

und diätetischer Umstellung blieben ebenfalls<br />

ohne Erfolg. Die Patientin klagte über<br />

einen aufgetriebenen Bauch mit massiven<br />

Spannungen und Gurgeln, Unfähigkeit der<br />

Stuhlentleerung oft über Tage hinweg, dann<br />

wieder massive Durchfälle mit nachfolgender<br />

Obstipation <strong>für</strong> erneut mehrere Tage.<br />

Der Nachtschlaf der Patientin war sowohl<br />

schmerzbedingt als auch obstipationsbedingt<br />

massiv gestört, sie schilderte Albträume und<br />

häufiges Aufwachen. Die Schmerzintensität<br />

der Rückenschmerzen wurde in der visuellen<br />

Analogskala (VAS 100) mit 40 angegeben.<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 3/2007 (23. Jg.)<br />

Bildarchiv Urban & Vogel<br />

Opioide können zu dramatisch aufgeblähtem<br />

Abdomen mit Zwerchfellhochstand<br />

führen.<br />

In der verbalen Beurteilung gab die Patientin<br />

dieses Schmerzniveau als extrem starke<br />

Schmerzen an.<br />

Untersuchungsbefund<br />

Es zeigte sich eine äußerlich reizlose Narbe<br />

über den Segmenten L2 bis L5 bei Zustand<br />

nach Spondylodese. Im Bereich der gesamten<br />

körperaufrichtenden Muskulatur massiv<br />

verkürzte Rückenstrecker und aktivierte Triggerpunkte,<br />

Seitneigung und Inklination massiv<br />

eingeschränkt, Patellarsehnenreflex und<br />

Achillessehnenreflex beidseits abgeschwächt,<br />

Hyposensibilität in den Segmenten L4 und L5<br />

rechts als Ausdruck einer chronischen Wurzelschädigung.<br />

Ein MRT bestätigte den Verdacht<br />

ausgeprägter Narbenbildung im Spinalkanal.<br />

Eine operative Revision wurde von der<br />

Patientin ebenso wie von den Wirbelsäulenchirurgen<br />

und Neurochirurgen abgelehnt.<br />

Diagnose<br />

Die Patientin litt an einem chronifizierten<br />

Schmerzsyndrom, Chronifizierungsstadium III<br />

bei Zustand nach Spondylodese L3–L5 bei<br />

Kasuistik<br />

Instabilität, postoperativen Schmerzen bei<br />

Narbenschmerzen sowie unzureichender<br />

Analgesie bei massivster opioidinduzierter<br />

gastrointestinaler Symptomatik und hierdurch<br />

limitierter Opioiddosis.<br />

Therapie und Verlauf<br />

Die Patientin wurde sofort auf Oxycodon und<br />

Naloxon zwölfstündlich 10 mg umgestellt (Targin<br />

® 10/5). Hierunter entwickelte sie innerhalb<br />

einer Woche massive Durchfälle. Auf Rückfrage<br />

stellte sich heraus, dass sie trotz gegenteiliger<br />

Anweisung weiterhin die gewohnten Laxanzien<br />

eingenommen hatte. Nach Absetzen<br />

der Laxanzien erfolgte die Normalisierung<br />

des Stuhlverhaltens innerhalb einer weiteren<br />

Woche mit geformten Stuhlgängen etwa alle<br />

ein bis zwei Tage.<br />

Es erfolgte eine Titration der Targindosis<br />

bis zur analgetisch ausreichenden Dosierung,<br />

überprüft anhand von Schmerztagebüchern,<br />

mit einer Enddosis von Targin ® zwölfstündlich<br />

20 mg. Hierunter Reduktion der Schmerzintensität<br />

in der VAS 100 auf 5 bis 7, Erträglichkeitsniveau<br />

5.<br />

Im weiteren Verlauf zeigte sich, dass die<br />

Patientin ohne weitere Laxanzien durch diese<br />

Medikation so schmerzarm war, dass sie<br />

ohne weitere Zusatzmedikation mit einem<br />

intensiven Übungs- und Aufbauprogramm<br />

beginnen konnte. Auch vier Monate nach der<br />

Umstellung von Oxycodon auf Targin ® gleichbleibend<br />

gute Analgesie und Übungsfähigkeit,<br />

sodass die Patientin jetzt im Rahmen einer<br />

stufenweisen Wiedereingliederung an ihren<br />

früheren Arbeitsplatz zurückkehren kann.<br />

Diskussion<br />

Unter den opioidbedingten Nebenwirkungen<br />

sind die vielfältigen gastrointestinalen Beschwerden,<br />

unter denen Obstipation nur ein<br />

Problem darstellt, am schwierigsten zu therapieren.<br />

Durch die Umstellung von Oxycodon<br />

auf Targin ® (Oxycodon und Naloxon) konnte<br />

die massive gastrointestinale Problematik unserer<br />

Patientin vollständig beseitigt werden.<br />

In der Umstellungsphase ist zu beachten,<br />

dass Patienten häufig weiterhin unnötigerweise<br />

Laxanzien einnehmen und damit eine<br />

beschleunigte Darmpassage provozieren. Der<br />

periphere, prähepatisch wirksame Opiatantagonist<br />

Naloxon blockiert ausschließlich im<br />

Magen-Darm-Trakt vor der Leberpassage die<br />

obstipierende Wirkung von Opioiden. Gleichzeitige<br />

Laxanziengabe führt zu beschleunigter<br />

Darmpassage. Hierbei ist zu beachten, dass<br />

es sich bei verringerter Analgesie dann nicht<br />

um eine Antagonisierung der Opiatwirkung<br />

durch Naloxon handelt, sondern um eine verringerte<br />

Aufnahme des Opioids. ❏<br />

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