5 Jahre Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. Herzlichen ...
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Magazin2/2005<br />
Informationen für <strong>Prostatakrebs</strong>erkrankte und Angehörige<br />
5 <strong>Jahre</strong><br />
<strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> e.V.<br />
<strong>Herzlichen</strong> Glückwunsch!
INHALTSVERZEICHNIS<br />
Heft 2, September 2005<br />
Tag der <strong>Selbsthilfe</strong>..........................................................................................................................................1<br />
Früherkennung:<br />
Prävention von <strong>Prostatakrebs</strong> in neuem Licht ..............................................................................................................3<br />
Screening/Früherkennung des Prostatakarzinoms........................................................................................................5<br />
Initiative Männergesundheit ........................................................................................................................................7<br />
Erfolg für Aufklärungskampagne zum Thema <strong>Prostatakrebs</strong>........................................................................................9<br />
Diagnose und Therapie:<br />
Neue Entwicklungen in der pathologischen Diagnostik des Prostatakarzinoms ........................................................10<br />
Prognostische und therapeutische Bedeutung der DNA-Zytometrie beim Prostatakarzinom ....................................19<br />
Läßt sich kein Prostata-Tumor finden, sorgt PET/CT für Klarheit ..................................................................................21<br />
Intensitätsmodulierte Strahlentherapie ......................................................................................................................23<br />
Langfristige Linderung bei Knochenschmerzen ......................................................................................................26<br />
Zum Urologen oder zum Onkologen? ......................................................................................................................29<br />
Nachsorge ................................................................................................................................................................32<br />
Multidisziplinäres <strong>Prostatakrebs</strong> Symposium – Teil 1 ..................................................................................................47<br />
Inkontinenz:<br />
<strong>Prostatakrebs</strong> und Inkontinenz ................................................................................................................................33<br />
ProAct – Ballonsphinkter bei männlicher Inkontinenz ................................................................................................36<br />
Verschiedenes:<br />
Das Deutsche <strong>Prostatakrebs</strong> Konsortium stellt sich vor ..............................................................................................39<br />
<strong>Prostatakrebs</strong> und Schwerbehindertenrecht ..............................................................................................................40<br />
Wahl-Prüfsteine der Bundesarbeitsgemeinschaft Krebsselbsthilfe..............................................................................45<br />
Foto Titelseite: von links Franz Stadlbauer, PROCAS, <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe Regensburg<br />
Rudolf Drummer, <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe Südbaden-Oberschwaben<br />
Impressum:<br />
Verantwortlich sind im Auftrage des Vorstandes<br />
Marlene Kühlechner und Wolfgang Petter.<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> e.V.<br />
Alte Straße 4, 30989 Gehrden<br />
Postfach 10 11 25, 30983 Gehrden<br />
Telefon: (0 5108) 92 66 46<br />
Fax: (0 5108) 92 66 47<br />
E-Mail: info@prostatakrebs-bps.de<br />
Internet: www.prostatakrebs-bps.de<br />
Erscheinungsweise: 3 x jährlich<br />
Bankverbindung:<br />
Sparkasse Hannover: Konto-Nummer 70 20 100<br />
Bankleitzahl 250 501 80<br />
Spendenkonto:<br />
Sparkasse Hannover: Konto-Nummer 70 20 621<br />
Bankleitzahl 250 501 80<br />
Eingetragen im Vereinsregister Bonn: VR-Nr. 7824<br />
Gemeinnützigkeit durch FA Hannover-Land I: 23/200/46792<br />
Der <strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> e.V. wird unterstützt<br />
durch die Deutsche Krebshilfe. Er finanziert seine Arbeit<br />
darüber hinaus durch Spenden. Die Spenden sind abzugsfähig<br />
im Sinne des § 10 des Einkommensteuergesetzes.
16. NOVEMBER 2005 –<br />
TAG DER KREBS-SELBSTHILFE<br />
Deutsche Krebshilfe fordert Ärzte zur engeren<br />
Zusammenarbeit auf<br />
Bonn (ct) – Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen geben<br />
wichtige Impulse und helfen, Defizite in der Versorgung<br />
von Krebs-Patienten zu erkennen und abzubauen.<br />
Doch viele Ärzte stehen der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong><br />
und den Patientenvertretern immer noch skeptisch<br />
gegenüber. Um ihre Akzeptanz insbesondere in der<br />
Ärzteschaft zu erhöhen und ihren Stellenwert im Gesundheitssystem<br />
weiter zu entwickeln und sichern, ruft<br />
die Deutsche Krebshilfe gemeinsam mit allen Krebs-<br />
<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen den ’Tag der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>’<br />
ins Leben. Zudem errichten die Organisationen<br />
gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe im Frühjahr<br />
nächsten <strong>Jahre</strong>s das ’Haus der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>’ in<br />
Bonn.<br />
„Berufspatienten sind eines der Grundübel dieses<br />
Gesundheitssystems. Professionelle Patientenvertretungen<br />
fordern stets neue Leistungen, tragen aber nichts<br />
zur Diskussion über notwendige Streichungen bei.“ Diese<br />
und ähnliche Vorbehalte gegenüber aufgeklärten<br />
Patienten haben immer noch viele Ärzte. Gemeinsam<br />
mit allen Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen will die<br />
Deutsche Krebshilfe diesen Vorbehalten massiv entgegentreten.<br />
Am 16. November 2005 wird der Patientenbeirat der<br />
Deutschen Krebshilfe daher in der Bonner „La Redoute“<br />
mit Repräsentanten und Entscheidungsträgern des Gesundheitswesens<br />
sowie Multiplikatoren und „<strong>Selbsthilfe</strong>-<br />
Managern“ über die große Bedeutung von Krebs-<br />
<strong>Selbsthilfe</strong> und Patientenvertretung diskutieren, Defizite in<br />
der Patientenversorgung benennen und Verbesserungsvorschläge<br />
machen. „Mit dem ’Tag der Krebs-<br />
<strong>Selbsthilfe</strong>’ wollen wir wichtige Impulse setzen und den<br />
Patientenvertretern Gehör und Akzeptanz verschaffen“,<br />
so Professor Dr. Dagmar Schipanski, Präsidentin der<br />
Deutschen Krebshilfe am 6. Juni 2005 in Bonn.<br />
Im Frühjahr nächsten <strong>Jahre</strong>s wird außerdem das ’Haus<br />
der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>’ in Bonn eröffnet. „Die Zusammenführung<br />
aller Bundesverbände der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen<br />
unter einem Dach ist ein wichtiger<br />
Schritt: Es können gemeinsame Strukturen und Synergien<br />
genutzt werden“, sagt Gerd Nettekoven, Geschäftsführer<br />
der Deutschen Krebshilfe. Alle Bundesverbände<br />
haben bereits ihre Bereitschaft erklärt, nach Bonn zu<br />
ziehen – zumindest mit einem Teil ihrer Geschäftsstellen.<br />
„Die Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong> will – unabhängig von der Pharmaindustrie<br />
und frei von parteipolitischen Interessen – die<br />
Anliegen krebskranker Menschen vertreten und ihre Versorgung<br />
verbessern“, konstatiert Klaus Dörrie, Vorsitzender<br />
des Patientenbeirates der Deutschen Krebshilfe.<br />
Die Deutsche Krebshilfe arbeitet seit fast 30 <strong>Jahre</strong>n eng<br />
mit den Bundesverbänden der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong> zusammen<br />
und unterstützt diese maßgeblich finanziell.<br />
Außerdem gehören Vertreter aller großen Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen<br />
dem Patientenbeirat der Deutschen<br />
Krebshilfe an. Dieser Beirat versteht sich als Anwalt krebskranker<br />
Menschen und erarbeitet beispielsweise<br />
Konzepte zum Abbau von Defiziten in der Versorgung.<br />
Darüber hinaus setzt sich die Deutsche Krebshilfe für die<br />
Profilierung der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong> ein. Dazu gehört auch<br />
ein qualitätsgesichertes Schulungsangebot.<br />
Beim Informations- und Beratungsdienst der Deutschen<br />
Krebshilfe erhalten Betroffene und Interessierte Adressen<br />
von Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>gruppen. Die Organisation verteilt<br />
außerdem kostenfrei Patientenbroschüren, die allgemeinverständlich<br />
und anschaulich über die verschiedenen<br />
Krebsarten informieren und das Gespräch mit dem<br />
Arzt unterstützen. Dazu gehört auch die Broschüre<br />
„Teamwork: Krebs-Patienten und Ärzte als Partner“.<br />
1
Folgende Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen sind im Patientenbeirat der Deutschen Krebshilfe vertreten:<br />
-Frauenselbsthilfe nach Krebs e.V., B6 10/11, 68159 Mannheim, Tel.: 0621/24434, Fax: 0621/154877, Internet:<br />
www.frauenselbsthilfe.de, E-Mail: kontakt@frauenselbsthilfe.de<br />
- Deutsche ILCO e.V., Vereinigung für Stomaträger und Menschen mit Darmkrebs, Landshuter Straße 30, 85356<br />
Freising, Tel.: 08161/934301, Fax: 08161/934304, Internet: www.ilco.de, E-Mail: info@ilco.de<br />
- <strong>Bundesverband</strong> der Kehlkopflosen e.V., Annaberger Str. 231, 09120 Chemnitz, Tel.: 0371/221118,<br />
Fax: 0371/221125, Internet: www.kehlkopflosenbundesverband.de,<br />
E-Mail: info@kehlkopflosenbundesverband.de<br />
- Arbeitskreis der Pankreatektomierten e.V., Krefelder Str. 3, 41539 Dormagen, Tel.: 02133/42329,<br />
Fax: 02133/42691 Internet: www.adp-dormagen.de, E-Mail: adp-dormagen@t-online.de<br />
- Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe, <strong>Bundesverband</strong> der <strong>Selbsthilfe</strong>organisationen zur Unterstützung von<br />
Erwachsenen mit Leukämien und Lymphomen e.V., Thomas-Mann-Str. 40, 53111 Bonn, Tel.: 0228/39040,<br />
Fax: 0228/3904422 Internet: www.leukaemie-hilfe.de, E-Mail: info@leukaemie-hilfe.de<br />
- <strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> e.V. BPS, Alte Straße 4, 30989 Gehrden, Tel.: 05108/926646,<br />
Fax: 05108/926647, Internet: www.prostatakrebs-bps.de, E-Mail: info@prostatakrebs-bps.de<br />
- Deutsche Hirntumorhilfe e.V., Karl-Heine-Straße 27, 04229 Leipzig, Tel.: 03437/702700, Fax: 03437/702727,<br />
Internet: www.hirntumorhilfe.de, E-Mail: info@hirntumorhilfe.de<br />
2<br />
Pressemitteilung, Deutsche Krebshilfe, Juni 2005<br />
5 JAHRE BUNDESVERBAND PROSTATAKREBS<br />
SELBSTHILFE E.V.<br />
Red.: Am 15. September 2000 fand im Haus der<br />
Deutschen Krebshilfe in Bonn die Gründungsversammlung<br />
statt. Heute gehören dem <strong>Bundesverband</strong><br />
<strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> mehr als 150 <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen<br />
bundesweit an.<br />
Mit einem Festakt am 2. Dezember 2005 in Bad Wildungen<br />
werden die <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen und Wegbegleiter<br />
diesen Geburtstag feierlich begehen.<br />
Gleichzeitig wird eine Jubiläumsbroschüre erscheinen,<br />
die Sie bei Interesse gerne in der Geschäftstelle abrufen<br />
können (ab Dezember 2005).<br />
Vereinsinterne Ankündigung:<br />
Mitgliederversammlung<br />
3. Dezember 2005<br />
in Bad Wildungen
PRÄVENTION VON PROSTATAKREBS<br />
IN NEUEM LICHT<br />
Finasterid senkt nicht nur das Risiko für gutartige, sondern<br />
möglicherweise auch für aggressive Prostata-Karzinome<br />
von Helmut Schneider und Thomas Müller<br />
Als vor knapp zwei <strong>Jahre</strong>n die Ergebnisse einer großen<br />
Studie zur Chemoprävention von <strong>Prostatakrebs</strong> veröffentlicht<br />
wurden, hätten die Studienautoren eigentlich<br />
Grund zum Feiern gehabt: Erstmals konnte in einer<br />
Untersuchung gezeigt werden, dass eine Substanz die<br />
Inzidenz (Auftreten) von <strong>Prostatakrebs</strong> deutlich reduziert.<br />
Doch leider gab es einen Wermutstropfen: Zwar war<br />
die Krebsrate bei Männern, die in der PCPT-Studie sieben<br />
<strong>Jahre</strong> lang Finasterid einnahmen, insgesamt erniedrigt,<br />
doch die Rate für fortgeschrittene Tumoren war<br />
erhöht. Irgendwie ließ sich darauf kein Reim machen.<br />
Das Rätsel um das paradoxe Studien-Ergebnis hat<br />
offenbar auch dem Studienleiter schlaflose Nächte<br />
bereitet. Akribisch hat der US-Urologe Professor Ian<br />
Thompson aus San Antonio die Daten der PCPT-Studie<br />
noch einmal analysiert. Mit den Resultaten dieser<br />
Analyse hat er bereits für eine Überraschung beim<br />
Europäischen Urologenkongress in Istanbul gesorgt.<br />
Jetzt hat er auch beim US-Urologenkongress in San<br />
Antonio darüber berichtet. Seine Schlussfolgerung:<br />
Finasterid senkt die Rate aller Prostata-Tumoren – die<br />
erhöhte Rate aggressiver Tumoren in der Studie war nur<br />
ein Artefakt.<br />
In kleiner Prostata findet man eher<br />
per Biopsie einen Tumor<br />
Thompson nannte dafür mehrere Gründe: Die<br />
Prostatae der Männer in der Finasterid-Gruppe waren<br />
im Mittel um fast ein Viertel kleiner als in der Placebo-<br />
Gruppe. Eine solche Verkleinerung der Prostata ist eines<br />
der Therapieziele bei Männern mit BPH (Gutartiger<br />
Prostata Vergrößerung). Bei einer kleineren Prostata ist<br />
jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Biopsie<br />
der Tumor getroffen wird, höher als bei einer großen<br />
Prostata, sagte Thompson auf einer Veranstaltung des<br />
Unternehmens MSD in Istanbul.<br />
Mehr noch: Eine kleinere Prostata bedingt auch, dass<br />
die Tumoren eher als aggressiv eingestuft werden. Dies<br />
liegt an der Beurteilung des Tumors mit dem Gleason-<br />
Wert. Der Wert setzt sich zusammen aus einem<br />
Punktwert für den Tumorzelltyp, der am häufigsten in<br />
der Probe gefunden wird, plus einem Punktwert für den<br />
nächst häufigen Zelltyp.<br />
Für noch gut differenzierte Zellen gibt es einen Punkt, für<br />
undifferenzierte, also hoch maligne Zellen, fünf Punkte.<br />
Besteht ein Tumor hauptsächlich aus schwach malignen<br />
Zellen (drei Punkte) und einem kleinen Teil stark<br />
maligner Zellen (fünf Punkte), so ist die Chance bei<br />
Biopsie einer großen Prostata auch größer, nur<br />
schwach maligne Zellen zu finden (der Gleason-Wert<br />
wärte dann 3+3, also 6).<br />
Hingegen ist bei einer kleineren Prostata die Chance<br />
größer, bei einer Biopsie auch einige der hoch-malignen<br />
Zellen zu erwischen – der Gleason-Wert wäre dann<br />
3+5, also 8. Der Unterschied führt zu einer anderen<br />
Einteilung: Ab einem Wert von 7 Punkten gilt der Tumor<br />
als aggressiv, nicht so bei einem Wert von 6. Konkret<br />
heißt das: Mit Finasterid liefert die Biopsie ein genaueres<br />
Ergebnis, ohne Finasterid werden aggressive<br />
Tumoren eher übersehen.<br />
3
Bestätigt wird diese Annahme durch histologische<br />
Untersuchungen bei 464 Teilnehmern der PCPT-Studie,<br />
bei denen im Anschluss an eine Biopsie eine<br />
Prostatektomie gemacht worden ist. Dabei wurde der<br />
Tumor in der entfernten Drüse genauestens untersucht<br />
und die Einteilung des Tumors mit der aus der Biopsie<br />
verglichen.<br />
Das Ergebnis: In der Placebogruppe war der tatsächliche<br />
Gleason-Wert – und damit die Aggressivität des<br />
Tumors – oft weitaus höher als in der Biopsie ermittelt.<br />
So lag die Sensitivität der Biopsie, einen höhergradigen<br />
Tumor nachzuweisen, mit Finasterid bei 70 Prozent, mit<br />
Placebo nur bei 50 Prozent. Wurden nun Prostatavolumen<br />
und Zahl der Stanzbiopsien pro Fläche bei<br />
der Analyse der PCPT-Daten berücksichtigt, ergab sich<br />
mit Finasterid kein erhöhtes Risiko mehr für höhergradige<br />
Tumoren.<br />
Zudem war die Rate hochgradiger Tumoren mit<br />
Finasterid nur bei den Männer erhöht, die aufgrund von<br />
Auffälligkeiten während der Therapie eine Biopsie<br />
erhielten, etwa weil der PSA-Wert stark anstieg, nicht<br />
aber bei den Männern am Ende der Studie. Hätte<br />
Finasterid höhergradige Tumoren induziert, dann wäre<br />
deren Rate im Laufe der Therapie mit Finasterid stetig<br />
angestiegen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen,<br />
sagte Thompson.<br />
4<br />
Stichwort<br />
PCPT-Studie<br />
Der PSA-Test funktioniert mit<br />
Finasterid besser<br />
Ein weiterer Punkt: Der PSA-Test als Indikator für ein Prostata-Ca<br />
funktioniert mit Finasterid besser, so Thompson.<br />
Der Grund: Bei einer gesunden Prostata halbiert eine<br />
Finasterid-Therapie den PSA-Wert. Entsprechend galt in<br />
der PCPT-Studie ein PSA-Grenzwert von 4 ng/ml für<br />
Männer in der Placebogruppe und für 2 ng/ml in der<br />
Finasterid-Gruppe. Ein Wert darüber war Grund für eine<br />
Biopsie während der Studie.<br />
Finasterid senkt jedoch nicht die PSA-Produktion von<br />
malignem Gewebe. Steigt der PSA-Wert aufgrund eines<br />
malignen Tumors, so gilt die Regel nicht mehr, dass<br />
Finasterid den Wert halbiert. Der Grenzwert von 2 ng/ml<br />
wird dann eher überschritten als der von 4 ng/ml in der<br />
Placebogruppe. In der Finasterid-Gruppe kam es daher<br />
früher zu Biopsien aufgrund eines fortgeschrittenen<br />
Karzinoms.<br />
Der Urologe zieht deshalb diesen Schluss: Es gibt keine<br />
Hinweise dafür, dass Finasterid höhergradige Tumoren<br />
induzieren kann. Durch eine Therapie von hundert<br />
Patienten mit dem 5-alpha-Reduktase-Hemmer könnten<br />
hingegen viele <strong>Prostatakrebs</strong>-Erkrankungen verhindert<br />
werden.<br />
An der PCPT-Studie (Prostate Cancer Prevention Trial) nahmen knapp 19.000 gesunde Männer im Alter ab<br />
55 <strong>Jahre</strong>n teil. Die Männer hatten weder erhöhte PSA-Werte noch Auffälligkeiten bei der digital-rektalen<br />
Untersuchung. Sie erhielten sieben <strong>Jahre</strong> lang täglich entweder Placebo oder 5 mg des 5-Alpha-<br />
Reduktase-Hemmer Finasterid (Proscar®). Die Männer wurden jährlich per Palpation und PSA-Test untersucht.<br />
Bei Auffälligkeiten und erhöhten PSA-Werten wurde eine Biopsie vorgenommen, bei den übrigen<br />
Teilnehmern wurde zum Studienende eine Biopsie gemacht, unabhängig von PSA-Wert und Tastbefund.<br />
Im Verlauf der Therapie entdeckten die Ärzte bei 18 Prozent der Männer mit Finasterid ein Prostata-Ca, mit<br />
Placebo waren es 24 Prozent. Erhöht war mit Finasterid allerdings die Rate fortgeschrittener Tumoren mit<br />
einem Gleason-Wert zwischen sieben und zehn (6,4 Prozent versus 5,1 Prozent mit Placebo). Die Studie<br />
wurde vom National Cancer Institute der USA finanziert und im Juli 2003 publiziert (NEJM 562, 2003, 833).<br />
ÄRZTE ZEITUNG, 24.05.2005
SCREENING/FRÜHERKENNUNG DES<br />
PROSTATAKARZINOMS<br />
Aktuelles von der <strong>Jahre</strong>stagung der<br />
American Urological Association (AUA) 2005<br />
von Professor Dr. Peter Effert<br />
Die große Zahl der Beiträge zu diesem Thema erfordeten<br />
naturgemäß eine starke Selektierung, es handelt sich<br />
aber bei diesen Daten um die Besten, die derzeit verfügbar<br />
sind. Sie stammen einerseits aus dem „Prostate<br />
Cancer Prevention Trial“ (Quelle: Ian Thompson und<br />
Mitarbeiter – unter anderem New England Journal of<br />
Medicine 2003: 349, 213-222), dessen Daten im Verlauf<br />
immer wieder aktualisiert werden und zum anderen aus<br />
den Daten der PSA-Screening-Studie von Dr. William J.<br />
Catalona (Urological Research Foundation) und<br />
Mitarbeitern (ca. 26.000 in die Studie eingeschlossene<br />
Patienten/Männer!).<br />
Beim „Prostate Cancer Prevention Trial“ (untersucht die<br />
Wirkung von Finasterid auf die Prävention des Prostatakarzinoms)<br />
wurden knapp 10.000 Männer in der<br />
Placebogruppe beobachtet und allen wurde am Ende<br />
der Studie empfohlen, eine Biopsie durchführen zu lassen<br />
– unabhängig vom PSA. Dies haben immerhin<br />
knapp 6.000 getan. Aus dieser Studie kann man nun<br />
auch erstmals verlässliche Daten zur Inzidenz des<br />
Prostatakarzinoms in niedrigen bzw. sehr niedrigen PSA-<br />
Bereichen machen. (Red.: Sehen Sie hierzu den ausführlichen<br />
Bericht auf den vorhergehenden Seiten.)<br />
In der Screening-Studie von Catalona (26.000 Männer)<br />
wurde eine Biopsie ab einem PSA von 2,5 ng/ml empfohlen.<br />
Anhand dieser beiden Studien konnten nun eine Vielzahl<br />
von Fragen untersucht werden. Unter anderem handelt<br />
es sich dabei um Folgende:<br />
1. Wie hoch ist der mediane PSA-Wert bei 40-50jährigen,<br />
bei 50-60-jährigen und bei Männern<br />
> 60 <strong>Jahre</strong> ?<br />
2. Wie hoch ist das Risiko eines Mannes ein<br />
Prostatakarzinom zu entwickeln, wenn sein PSA<br />
unter bzw. gleich dem medianen PSA ist oder<br />
wenn er oberhalb dieses für seine Altersgruppe<br />
medianen PSA-Wertes liegt ?<br />
3. Welcher PSA-Wert ist der optimale Schwellenwert<br />
für die Empfehlung zur Biopsie?<br />
4. Wie hoch ist die Inzidenz von Prostatakarzinomen<br />
in niedrigen PSA-Bereichen ?<br />
5. Wann sollte man auch bei niedrigem PSA-Wert<br />
eine Biopsie empfehlen?<br />
6. Welchen Männern sollte bei negativer<br />
Erstbiopsie in jedem Fall eine Re-Biopsie empfohlen<br />
werden?<br />
7. Stellen die Unterformen des PSA eine Verbesserung/weitere<br />
Entscheidungshilfe dar?<br />
Hier nun die Antworten:<br />
zu 1. und 2.: Mediane PSA-Werte:<br />
40-50-jährige: Median-PSA 0,7 ng/ml<br />
50-60-jährige: Median-PSA 0,9 ng/ml<br />
> 60-jährige: Median-PSA 1,4 ng/ml<br />
In der Screening-Studie wurden Prostatakarzinome<br />
(PCa) nur in sehr geringer Zahl im weiteren Verlauf<br />
(nämlich 0,2%, 0,7% bzw. 2,7% PCa-Diagnosen)<br />
bei Einhaltung dieser Mediane festgestellt.<br />
Signifikanter Anstieg der PCa-Wahrscheinlichkeit<br />
bei Erhöhung auf Werte zwischen Median und<br />
5
6<br />
2,5 ng/ml und noch weiter bei Erhöhung auf<br />
2,5-4 ng/ml.<br />
zu 3.: PSA-Schwellenwert für die Empfehlung zur<br />
Biopsie:<br />
Optimal wäre ein Schwellenwert für die Indikation<br />
zur Biopsie von 1ng/ml. Dies ist aber nicht praktikabel,<br />
da nur in 4% Karzinomnachweis!<br />
Für die Praxis sinnvoll:<br />
Grenzwert von 2,5 ng/ml bei Männern ≤ 60 <strong>Jahre</strong>.<br />
(30% PCa-Nachweis)!<br />
Grenzwert von 3,4-4 ng/ml bei Männern im Alter<br />
von 60-70 <strong>Jahre</strong>n.<br />
Grenzwert von 4 ng/ml bei Männern > 70 <strong>Jahre</strong>.<br />
zu 4.: Prostatakarzinome mit niedrigem PSA:<br />
Bei PSA-Werten zwischen 1-1,99 ng/ml werden<br />
13% aller PCa bereits high grade-Karzinome<br />
(Gleason ≥ 7) sein. Quelle: Catalona-Daten und<br />
Tiroler-Studie. – (Red.: In Tirol ist das PSA-Screening<br />
seit 1993 kostenlos. Mindestens 85 Prozent aller<br />
Tiroler Männer zwischen 45 und 75 <strong>Jahre</strong>n hätten<br />
sich in den vergangenen zehn <strong>Jahre</strong>n am<br />
Screening beteiligt. Die Mortalitätsrate liege in Tirol<br />
seit 1999 um 20 Prozent niedriger als im übrigen<br />
Österreich. Allerdings kommen diese Daten nicht<br />
aus einer randomisierten Studie.)<br />
zu 5.: Wann sollte auch bei niedrigem PSA eine<br />
Biopsieempfehlung erfolgen?<br />
Hilfreich ist hier die „PSA-Velocity“ (PSAV), d.h. der<br />
Verlauf des PSA-Wertes über einen Zeitraum von<br />
einem Jahr:<br />
Bisher wurde eine PSAV von 0,75 ng/ml/Jahr als<br />
Schwellenwert für die Biopsieempfehlung angegeben<br />
(Quelle: Carter (JAMA 1994) und AUA-guidelines).<br />
Catalona hat anhand seiner Screeningdaten festgestellt,<br />
dass auch bei einer niedrigeren PSAV von<br />
0,5 ng/ml/Jahr in 45% PCa-Diagnosen bei der<br />
Biopsie zu erwarten sind (J Urol 2005).<br />
➙ Optimaler Schwellenwert für Biopsieindikation:<br />
PSAV >0,5 ng/ml/Jahr<br />
zu 6.: Empfehlung für Re-Biopsie bei negativer<br />
Erstbiopsie:<br />
Bei Patienten bei denen histopathologisch in der<br />
Biopsie eine High grade-PIN (prostatische, intraepitheliale<br />
Neoplasie) nachgewiesen wurde, sollten<br />
erneut biopsiert werden. Ebenso sollte bei Patienten<br />
mit einer PSAV ≥ 0,3 nach der Erstbiopsie eine<br />
erneute Biopsie empfohlen werden.<br />
Sicher sollte eine Rebiopsie bei Patienten erfolgen,<br />
bei denen histopathologisch eine sog.<br />
„atyp. zellul. Hyperplasie“ im Rahmen der<br />
Erstbiopsie beschrieben wurde. Sie haben ein<br />
50-60%-iges PCa-Risiko!<br />
zu 7.: Unterformen des PSA<br />
Freies PSA (fPSA) und komplexiertes PSA (cPSA)<br />
haben gegenüber dem Gesamt-PSA anhand der<br />
bisher vorliegenden Daten keine weitere Verbesserung<br />
in der Diagnostik erbringen können.<br />
Catalona wies darauf hin, dass möglicherweise<br />
das pPSA, eine Unterform des freien PSA, weiterhelfen<br />
kann. Die ersten Daten diesbezüglich seien<br />
vielversprechend.<br />
Was war sonst noch interessant?<br />
- der Basis- PSA-Wert!<br />
Der Basis-PSA-Wert ist der Ausgangswert, der idealerweise<br />
bereits bei 40-45-jährigen Männern<br />
bestimmt wird.<br />
Wenn ein <strong>Prostatakrebs</strong> entdeckt<br />
worden ist, dann dienen die<br />
Aufzeichnungen im Teil B dazu,<br />
dass Ihr Arzt eine sorgfältige Diagnose<br />
erstellen und anhand der<br />
Aufzeichnungen in Teil C und D in<br />
Zusammenarbeit mit Ihnen und<br />
möglichst auch mit Ihrem Partner<br />
jeweils die für Sie angemessenste<br />
Therapie vorschlagen kann.<br />
Sie können den Prostata-Pass<br />
über Ihre örtliche <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />
oder direkt von der<br />
Geschäftsstelle beziehen.<br />
Falls dieser Basis PSA < 0,6 ng/ml beträgt, ist nur in<br />
0,4% mit PCa-Diagnosen im weiteren Verlauf zu<br />
rechnen.<br />
Liegt der Basis PSA höher (zwischen 0,6-2,5 ng/ml)<br />
so erhöht sich die Anzahl der PCa-Diagnosen im<br />
Verlauf um das 10-fache.<br />
- Die PSA-Screening-Intervalle sollten 1 Jahr nicht<br />
überschreiten, da gerade aggressive Karzinome<br />
in kurzer Zeit zum PSA-Anstieg führen.<br />
- Regelmäßiges Screening senkt die krebsspezif.<br />
Mortalität um 40% (nach 1-5 <strong>Jahre</strong>n Screening)!!<br />
(Quelle: Catalona, Tiroler Studie).
Kommentar:<br />
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die sog.<br />
PSA-Normalbereiche gemäß dieser Daten völlig neu<br />
definiert werden müssen. Natürlich bedürfen sie der weiteren<br />
Bestätigung. Ob sich die Daten aus der US-<br />
Bevölkerung 1:1 auf unsere Verhältnisse übertragen lassen,<br />
kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Es<br />
spricht allerdings viel dafür, da wir ebenso wie die USA<br />
international ein relativ hohes PCa-Risiko aufweisen.<br />
Ursächlich liegen vermutlich ähnliche Lebens- und<br />
Ernährungsgewohnheiten zugrunde. Besonders wichtig<br />
erscheint die PSA-Velocity für die Verbesserung der<br />
Früherkennung in kleineren Tumorstadien und auch für<br />
die Erkennung der Tumoraggressivität.<br />
Hinweisen muss man auch darauf, dass bei einem<br />
Prostatavolumen > 40 ml der PSA-Wert allein nicht sehr<br />
aussagekräftig ist. In diesen Fällen sollte die PSA-density<br />
(PSA: Prostatavolumen) unbedingt bestimmt werden.<br />
Insgesamt ist zu hoffen, dass diese neu definierten PSA-<br />
Grenzbereiche die Rate der Karzinomerkennung in wirklich<br />
heilbaren Krankheitsstadien deutlich verbessern<br />
werden. Dies wird sicherlich auch zu einer sachlicheren<br />
Diskussion über Sinn/Unsinn der Früherkennung beitragen.<br />
Wichtig und hilfreich erscheint auch die Identifikation<br />
zusätzlicher Prognosefaktoren, um dem individuellen<br />
Patienten nach einer PCa-Diagnose eine gute<br />
INITIATIVE MÄNNERGESUNDHEIT<br />
von Ludwig Pabst<br />
Vom 8. bis 11. Juni 2005 fanden rund um den Urolisken<br />
auf dem Bremer Marktplatz, in der Bremischen Bürgerschaft<br />
und in der unteren Rathaushalle auf Initiative der<br />
Bremer und Bremerhavener Urologen aus Klinik und<br />
Praxis mit Unterstützung der <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen<br />
aus Bremen, Verden und Diepholz unter der<br />
Schirmherrschaft des Bremer Bürgermeisters, Dr. Henning<br />
Scherf, Männergesundheitstage statt.<br />
Bei der Auftaktveranstaltung im Festsaal der Bremischen<br />
Bürgerschaft wurde unter dem Motto „Männergesund-<br />
Therapieempfehlung (von abwartendem Beobachten<br />
bis hin zu kurativen Therapieverfahren) geben zu können.<br />
Als derzeit bester Prognosefaktor neben dem Gleason-<br />
Grad hat sich die PSA-Verdopplungszeit vor Diagnose<br />
(< 3 Monate vs. 3-9 Monate vs. 9-15 Monate) herausgestellt.<br />
Abschließend kann man feststellen, dass der PSA-Wert<br />
kein optimales aber das derzeit beste verfügbare<br />
Instrument zur Früherkennung darstellt. Der Einsatz des<br />
PSA-Wertes anhand der o.g. Kriterien wird seine Wertigkeit<br />
sicher weiter verbessern.<br />
Als Ausblick in die Zukunft wurde beim AUA auch auf das<br />
Potential in der Entwicklung befindlicher diagnostischer<br />
Verfahren hingewiesen. Dabei handelt es sich um<br />
Verfahren, die Immunreaktionen gegenüber Krebsantigenen<br />
im Blut des Patienten/Mannes nachweisen<br />
können. Die ersten Daten versprechen eine drastisch<br />
verbesserte Sensitivität und Spezifität gegenüber dem<br />
PSA. Bis zu ihrem routinemässigen Einsatz wird aber vermutlich<br />
noch einige Zeit vergehen.<br />
heit – rund um den<br />
Roland, Soll Man(n)<br />
oder soll Man(n) nicht<br />
...“ lebhaft zwischen den<br />
Teilnehmern (u. a. Dr.<br />
Henning Scherf, Prof. Dr.<br />
Annelie Keil, Oswald<br />
Kolle, Christian Ligensa<br />
und niedergelassene<br />
Ärzte) darüber diskutiert,<br />
PROFESSOR DR. MED. PETER EFFERT<br />
Trierer Str. 176 - 178<br />
52078 Aachen<br />
Tel: (02 41) 584 64<br />
Fax: (02 41) 57 34 16<br />
E-Mail: urologie-ac@t-online.de<br />
7
soll man nun zur Vorsorge oder besser gesagt<br />
zur Krebs-Früherkennung gehen oder nicht und<br />
welchen Nutzen und welche Gefahren, wegen seiner<br />
bekannten Mängel, hat dabei der PSA-Test. Es war<br />
eine gelungene Auftaktveranstaltung, sie war gut<br />
besucht, der Festsaal war fast bis auf den letzten Platz<br />
gefüllt.<br />
Am Freitag und am Sonnabend konnten sich interessierte<br />
Männer aber auch Frauen in Vorträgen, Informationen<br />
und individuellen Beratungsgesprächen mit<br />
Ärzten, Experten und Betroffenen über Themen aus<br />
dem Spektrum der Männergesundheit, insbesondere<br />
über Krankheiten der Prostata, Diagnose und Therapien<br />
des <strong>Prostatakrebs</strong>es, informieren. Die <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen<br />
der Region, Gerhard Zieseniß und Günter Meusel von<br />
der <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe <strong>Prostatakrebs</strong> Verden, Erwin Riebe<br />
und Herr Gogolin von der SHG <strong>Prostatakrebs</strong> Diepholz<br />
sowie Ludwig Pabst und Johann Würdenmann der<br />
SHG „Treffpunkt <strong>Prostatakrebs</strong> Bremen“ waren mit einem<br />
Informationsstand in der unteren Rathaushalle vertreten<br />
und hatten regen Zulauf. Insbesondere wurden von<br />
Männern und sehr oft auch von ihren Frauen die Fragen<br />
gestellt, „Was ist nun, wenn der PSA-Wert hoch ist? Wie<br />
oft sollte der Mann ab welchem Alter zur Früherkennung<br />
gehen? Welche Probleme können bei den<br />
einzelnen Therapien auftreten und wie beeinträchtigen<br />
sie die Lebensqualität? etc.“ Mit unseren Erfahrungen<br />
aus der <strong>Selbsthilfe</strong>gruppenarbeit sowie mit Hilfe der<br />
Informationsbroschüren des BPS konnten wir dabei<br />
viele Informationen und damit den Ratsuchenden Hilfe<br />
geben. Immer wieder mussten wir die Fragenden<br />
auf die Probleme bei der Diagnostik des Prostatakarzinoms<br />
mittels PSA-Test hinweisen, wie z.B. weitere<br />
Einflüsse auf die PSA-Messung und dass ein einzelner<br />
PSA-Wert noch lange keinen Hinweis auf ein Prostatakarzinom<br />
geben muss, dass es sicherer ist, den zeitlichen<br />
Verlauf des PSA zu überwachen mittels mindestens 3<br />
aufeinander folgender Tests mit ein und dem selben<br />
Testverfahren.<br />
Besonders großes Interesse fanden die von Günter<br />
Meusel und Gerhard Zieseniß von der <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />
<strong>Prostatakrebs</strong> Verden ausgestellten speziellen Fahrradsättel<br />
und Vorlagen sowie weitere Hilfsmittel bei<br />
Inkontinenz. Es zeigte, dass dieses Thema oft unterschätzt<br />
wird, insbesondere von Ärzten.<br />
8<br />
Udo Ehrmann von der Bremer <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> für<br />
Lebensqualität war an beiden Tagen mit Vorträgen und<br />
Diskussionsrunden im Einsatz.<br />
Am Sonnabend wurde Männern, die das wünschten<br />
und die nachweisen konnten, dass sie sich in den angebotenen<br />
Informationsveranstaltungen informiert haben<br />
(allen sich informierenden Männern wurde in den<br />
Veranstaltungen bzw. in den individuellen Gesprächen<br />
mit einem Urologen ein Ticket ausgehändigt), sowie<br />
nach schriftlicher Einwilligungserklärung ein kostenloser<br />
PSA-Test angeboten. Dies war in der Vorbereitung der<br />
Initiative Männergesundheit in Bremen durch die<br />
<strong>Selbsthilfe</strong>gruppen eingefordert worden. Insbesondere<br />
Udo Ehrmann hatte die Veranstalter auf den Inhalt ihrer<br />
eigenen Leitlinie hingewiesen, in welcher eine ausführliche<br />
Information der Vor- und Nachteile des PSA-Testes<br />
vor diesem gefordert wird.<br />
Die Veranstaltung war aus meiner Sicht, als Sprecher der<br />
SHG „Treffpunkt <strong>Prostatakrebs</strong> Bremen“, eine gute<br />
Gelegenheit auch die Interessen des BPS in Bezug auf<br />
die Früherkennung des Prostatakarzinoms zu vertreten,<br />
was wir am Info-Stand auch ausgiebig wahrgenommen<br />
haben.<br />
LUDWIG PABST<br />
Sprecher der SHG „Treffpunkt <strong>Prostatakrebs</strong> Bremen“
ERFOLG FÜR AUFKLÄRUNGSKAMPAGNE ZUM<br />
THEMA PROSTATAKREBS<br />
Die Auftaktveranstaltung „<strong>Prostatakrebs</strong> – Männerkrebs<br />
erkennen, verstehen, behandeln“ zog viele Interessenten an<br />
Red. (kp): Roland Teichert von der <strong>Prostatakrebs</strong><br />
<strong>Selbsthilfe</strong>gruppe Schönebeck begrüßte für den BPS am<br />
9. Juli 2005 in Dessau ca. 90 Teilnehmer, die ins Gemeinde-<br />
und Diakoniezentrum St. Georg kamen, um<br />
sich von renommierten Experten über die Erkrankung,<br />
die möglichen Folgeerscheinungen, wie z. B. Knochenmetastasen,<br />
und die Behandlungsmöglichkeiten des<br />
<strong>Prostatakrebs</strong>es zu informieren. „Jährlich erkranken ca.<br />
41.000 Männer neu an dieser heimtückischen Krankheit“,<br />
erläuterte Teichert. Er appellierte an seine Zuhörer,<br />
nicht nur regelmäßig die Vorsorgeleistung, die digital<br />
rektale Tastuntersuchung, in Anspruch zu nehmen, sondern<br />
zusätzlich auch den PSA-Wert (Prostata-<br />
Spezifisches Antigen) messen zu lassen. Der BPS setzt<br />
sich dafür ein, dass diese Untersuchung in die gesetzliche<br />
Kassenleistung aufgenommen wird. Damit ist eine<br />
frühzeitige Diagnose möglich. Denn: Wird der<br />
<strong>Prostatakrebs</strong> früh diagnostiziert, sind die Heilungschancen<br />
gut.<br />
Dr. Hugo Plate, niedergelassener Urologe aus Dessau<br />
sprach über die Ursachen der Erkrankung, den Verlauf<br />
und mögliche Therapieoptionen. „Ist der Tumor noch<br />
lokal auf die Prostata begrenzt“, so der Experte, „kann er<br />
meist operativ entfernt werden.“ Dabei erläuterte er ausführlich<br />
die derzeitigen operativen Möglichkeiten sowie<br />
die Optionen der Strahlentherapie.<br />
Doch was passiert, wenn der Tumor bereits gestreut hat?<br />
„Eine häufige Folge des fortgeschrittenen <strong>Prostatakrebs</strong><br />
ist die Metastasierung in den Knochen“, erklärte Professor<br />
Dr. Hans Heynemann, leitender Oberarzt der Klinik für<br />
Urologie der Martin-Luther-Universität in Halle. Etwa zwei<br />
Drittel der Betroffenen in diesem Stadium leiden an<br />
Knochenmetastasen. Hier liege der Therapieschwerpunkt<br />
vor allem darauf, den Patienten schmerzfrei zu<br />
halten und die Lebensqualität zu verbessern. Die Folgen<br />
von Knochenmetastasen können Skelettkomplikationen,<br />
z. B. Knochenbrüche oder Schmerzen sein, die laut<br />
Heynemann vor allem durch moderne Bisphosphonate<br />
wie Zoledronat erfolgreich behandelt werden können. Er<br />
erläuterte den Zuhörern, dass sich diese Substanz in zahlreichen<br />
Studien als die wirksamste erwiesen hat, um den<br />
durch Metastasen angegriffenen Knochen wieder zu<br />
stabilisieren. Über mindestens 15 Minuten kann sie alle<br />
drei bis vier Wochen als Infusion ambulant verabreicht<br />
werden.<br />
Doch nicht nur die Medizin bringt Hilfe. Die mentale<br />
Einstellung und die sanfte Bewegung sind weitere<br />
Schlüssel in der Krebstherapie. „Das M3–Konzept bietet<br />
hier gute Ansätze, um Körper und Geist in Einklang zu<br />
bringen“, erklärte die Physiotherapeutin Kerstin Buschmann<br />
vom Klinikum Dessau. Buschmann riet unter professioneller<br />
Anleitung zu lernen, wie man sich mental<br />
9
stärken kann, sei es z. B. durch Imaginationsübungen<br />
oder Autogenes Training. Eine Übung zum gezielten<br />
Muskeltraining mit dem Theraband gab sie den Zuhörern<br />
abschließend noch mit auf den<br />
Weg.<br />
Im Anschluss an die Vorträge nutzen<br />
viele Zuhörer die Gelegenheit,<br />
um sich bei den Spezialisten<br />
„schlau“ zu machen und gezielte<br />
Fragen zu stellen. Insbesondere<br />
die PSA-Untersuchung, aber auch<br />
verschiedene neue Möglichkeiten<br />
der Diagnostik und unterschiedliche<br />
Therapieformen standen im<br />
Mittelpunkt der Veranstaltung.<br />
10<br />
Der BPS nutzte die Veranstaltung, um eine neue <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />
im Raum Dessau zu gründen. Dies stieß auf<br />
reges Interesse bei den Patienten. 16 Betroffene hatten<br />
sich bereits an diesem Tag dafür<br />
eingeschrieben.<br />
Für die Veranstalter war die<br />
Patientenfortbildung ein voller<br />
Erfolg: die Informationsmaterialien<br />
fanden reißenden Absatz und die<br />
positiven Rückmeldungen der<br />
Besucher selbst motivieren für die<br />
noch anstehenden Veranstaltungen<br />
in Göttingen (3. September<br />
2005) und Potsdam (22. Oktober<br />
2005).<br />
NEUE ENTWICKLUNGEN IN DER PATHOLOGISCHEN<br />
DIAGNOSTIK DES PROSTATAKARZINOMS<br />
von Professor Dr. Helmut Bonkhoff<br />
Der histopathologische Stanzbefund ist trotz der Fortschritte<br />
in der klinischen Diagnostik des Prostatakarzinoms<br />
für die Diagnose, Prognose und die Therapieentscheidung<br />
von zentraler Bedeutung. In der Prostatapathologie<br />
geht es schon lange nicht mehr darum, klinisch<br />
eindeutige Befunde zu bestätigen, sondern subklinische<br />
Stadien des Prostatakarzinoms zu diagnostizieren<br />
und dem Urologen Parameter an die Hand zu geben,<br />
die ihm erlauben, seinen Patienten adäquat zu therapieren.<br />
Im Rahmen der primären Diagnostik stehen die folgenden<br />
Fragen im Vordergrund:<br />
• liegt ein Prostatakarzinom vor oder nicht? Wenn<br />
nein, finden sich in den Stanzbiopsien andere<br />
Ursachen für den erhöhten PSA-Wert oder einen<br />
suspekten Tastbefund?<br />
• macht der Stanzbefund eine Rebiopsie erforderlich?<br />
• welche Konsequenzen ergeben sich aus einem<br />
positiven Stanzbefund im Hinblick auf die verschiedenen<br />
therapeutischen Optionen bei Prostatakarzinompatienten<br />
(watchful waiting, radikale oder nervschonende<br />
(potenzerhaltende) Prostatektomie, externe Bestrahlung,<br />
Brachytherapie, Androgenentzug, etc.) ?<br />
• welche prognostische Parameter und therapeutische<br />
Konsequenzen ergeben sich aus dem postoperativen<br />
Grading und Staging?<br />
Entkräftung des klinischen<br />
Verdachtes auf ein Prostatakarzinom<br />
Der klinische Verdacht auf ein Prostatakarzinom basiert<br />
heute überwiegend auf einem erhöhten PSA-Wert und<br />
seltener auf einem suspekten Tastbefund. Diese<br />
Parameter sind aber keineswegs beweisend für das
Vorliegen eines Karzinoms. Es gibt eine Reihe von benignen<br />
(gutartigen) Stanzbefunden bzw. Veränderungen,<br />
die einen erhöhten PSA-Wert oder einen suspekten rektalen<br />
Befund hervorrufen bzw. erklären können. Im<br />
Vordergrund stehen hier die häufigen entzündlichen<br />
Veränderungen der Prostata, die oftmals asymptomatisch<br />
verlaufen und erst in der Stanzbiopsie entdeckt werden.<br />
Derartige Entzündungen (Prostatitis) können je nach<br />
Ausdehnung und Intensität erhebliche PSA-Erhöhungen<br />
verursachen, ohne dass ein Prostatakarzinom vorliegt.<br />
PSA-Werte >10 ng/ml sind bei ausgedehnten Formen<br />
der Prostatitis keine Seltenheit. PSA-relevant sind vor<br />
allem die Entzündungen, die das Prostataepithel zerstörten.<br />
Ein erfahrener Prostatapathologe ist durchaus in der<br />
Lage abzuschätzen, ob sich in tumorfreien Stanzbiopsien<br />
eine ausreichende Erklärung für den klinisch<br />
angegebenen PSA-Wert findet oder nicht. Voraussetzung<br />
ist natürlich, dass ihm der Urologe den PSA-Wert auch<br />
mitteilt. Durch eine PSA-Verlaufskontrolle nach antibiotischer<br />
Therapie kann dann geklärt werden, in welchen<br />
Umfang die PSA-Erhöhung tatsächlich entzündlich<br />
bedingt ist.<br />
Copyright: Bernd Fleißner<br />
Ähnlich verhält es sich mit dem suspekten Tastbefund.<br />
Eine Reihe von benignen (gutartigen) Prostataveränderungen<br />
kann bei der rektalen Untersuchung einen<br />
malignen (bösartigen) Befund vortäuschen. An erster<br />
Stelle ist hier, neben der granulomatösen Prostatitis, die<br />
postatrophische Hyperplasie zu nennen. Diese Läsion<br />
entsteht typischerweise in den kapselnahen Abschnitten<br />
der Prostata und ist bei entsprechender Ausdehnung<br />
von einem Karzinom palpatorisch nicht zu unterscheiden.<br />
Wenn größere Herde einer postatrophischen<br />
Hyperplasie in Stanzbiopsien erfasst werden, dann ist<br />
dies durchaus ein adäquates Korrelat für einen suspek-<br />
ten Tastbefund. Eine PSA-Erhöhung erklärt dieser Befund<br />
jedoch nicht.<br />
In der modernen Diagnostik des Prostatakarzinoms ist ein<br />
histopathologischer Befund, der lediglich den fehlenden<br />
Nachweis eines Tumors mitteilt, nicht mehr ausreichend.<br />
Gefordert wird eine Stellungnahme bezüglich der<br />
Repräsentativität des Materials in Bezug auf den klinischen<br />
Befund, damit der Urologe das weitere Procedere<br />
mit seinem Patienten besprechen kann. Wenn sich in<br />
Stanzbiopsien für die klinisch angegebenen PSA-Werte<br />
oder für den Tastbefund keine hinreichende Erklärung<br />
findet, ist eine Rebiopsie erforderlich.<br />
Neue diagnostische Marker in<br />
tumorfreien Stanzbiopsien<br />
Eine neue Klasse von Marker zielt auf die Erfassung von<br />
prämalignen Prostataveränderungen, die unterhalb der<br />
Detektionsgrenze der Lichtmikroskopie liegen. Zu diesem<br />
Marker gehört EPCA (early prostate cancer antigen), ein<br />
Gen, das nicht nur im Prostatakarzinom, sondern auch<br />
im histologisch unauffälligen Drüsengewebe von<br />
Prostatakarzinompatienten überexprimiert und nachgewiesen<br />
wird. Das Interessante an diesem Marker ist<br />
jedoch, dass EPCA im Prostatagewebe von sicher<br />
tumorfreien Prostatae von Organspendern keine oder<br />
nur schwache Expression aufweist. Demzufolge erfasst<br />
EPCA frühe prämaligne Prostataveränderungen, die<br />
lichtmikroskopisch noch nicht erkennbar sind. Ein potentieller<br />
Anwendungsbereich des EPCA-Tests ist die tumorfreie<br />
Prostatastanzbiopsie. Der immunhistochemische<br />
Nachweis einer starken Expression von EPCA in unauffälligen<br />
Prostatadrüsen ist Ausdruck einer Felderkrankung<br />
und eines erhöhten Krebsrisikos. Werden bei derartigen<br />
Patienten Rebiopsien durchgeführt, dann finden sich in<br />
einem hohen Prozentsatz histologisch zweifelsfreie<br />
Prostatakarzinome. Nach den bislang veröffentlichten<br />
Daten liegt die Sensitivität und Spezifizität des EPCA-Tests<br />
bei 84% bzw. 85%.<br />
Bedeutung des Gleason Grading für<br />
die Prognose und Wahl der Therapie<br />
Bei klinisch organbegrenzten Prostatakarzinomen stehen<br />
heute neben der konventionellen radikalen Prosta-<br />
11
tektomie eine Reihe von anderen therapeutischen<br />
Optionen (watchful waiting, nervschonende Prostatektomie,<br />
externe Bestrahlung, Brachytherapie, Hormonblockade)<br />
zur Verfügung, wobei der Gleason Grad<br />
als Selektionskriterium immer mehr in den Vordergrund<br />
rückt. Der Gleason Grad korreliert u. a. mit<br />
• dem präoperativen PSA<br />
• dem pT-Stadium und Tumorvolumen<br />
• dem Lymphknotenstatus<br />
• anderen Prognosefaktoren, z.B. Ploidiestatus,<br />
Angiogenese, ect.<br />
• der Rezidiv- und Überlebensrate<br />
Gleason unterscheidet fünf verschiedene Grade von 1<br />
bis 5. Der Gleason-Score (Gleason Summe) ergibt sich<br />
aus der Addition der zwei häufigsten Gleason Grade, die<br />
in einem Tumor vertreten sind, und reicht von 2 (1+1) bis<br />
10 (5+5). Die Aggressivität eines Prostatakarzinom ist bei<br />
einem Gleason Grad 1 und 2 sehr gering, bei Gleason<br />
Grad 3 intermediär und bei Gleason Grad 4 und 5<br />
hoch.<br />
In Prostatastanzbiopsien sind neben dem erfassten<br />
Tumorvolumen (Tumormasse) der prozentuelle Anteil an<br />
den primären Gleason Grade 4 und 5 die wichtigsten<br />
Prognosefaktoren überhaupt. Dies gilt natürlich nur unter<br />
der Vorraussetzung, dass der angegebene Gleason<br />
Grad auch stimmt.<br />
Ein großes Problem beim Gleason Grading ist die<br />
Reproduzierbarkeit, d.h., dass ein und derselbe Tumor<br />
von verschiedenen Pathologen unterschiedlich bewertet<br />
wird. Die exakte Reproduzierbarkeit des Gleason-Score<br />
ist im internationalen Vergleich unbefriedigend und liegt<br />
je nach Studie zwischen 36% und 78%. Eine Verbesserung<br />
dieser Situation lässt sich nur durch eine<br />
gezielte Fortbildung erwarten. Entsprechende Schulungsprogramme<br />
sind im Internet frei zugänglich<br />
(www.prostapath.de; www.pathology.jhu.edu/prostate)<br />
und können für die ärztliche Fortbildung genutzt werden.<br />
Die Verlässlichkeit und prognostische Aussagekraft des<br />
Gleason Grading ist wesentlich abhängig von der persönlichen<br />
Erfahrung des untersuchenden Pathologen.<br />
Der häufigste und schwerwiegendste Gradingfehler ist<br />
die Untergraduierung in Stanzbiopsien. Herdförmig erfasste<br />
Tumorausläufer werden häufig als Gleason Grad 1<br />
oder 2 fehl interpretiert. Der Gleason Grad 3 bzw. der<br />
12<br />
Gleason-Score 3+3=6 ist der niedrigste Grad oder<br />
Score, den man verlässlich in Stanzbiopsien diagnostizieren<br />
kann. Ein weiteres Problem ist, dass die prognostische<br />
Bedeutung der Drüsenfusion (Gleason Grad 4)<br />
nicht erkannt wird. Die daraus resultierende Untergraduierung<br />
kann zu einer nicht stadiengerechten<br />
Therapieentscheidung führen. Gerade von den<br />
Betroffenen und <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen wird die Einholung<br />
einer Zweitmeinung gefordert, wenn der Gleason Grad<br />
maßgeblich die Wahl der Therapie entscheidet. Bei<br />
einem Gleason-Score ≤ 6 in Stanzbiopsien besteht, in<br />
Abhängigkeit vom Alter des Patienten, seiner Lebenserwartung,<br />
der Tumorausdehnung und der PSA-<br />
Diagnostik (PSA-Verdopplungszeit, PSA-Dichte), eine<br />
watchful waiting Option. Eine Brachytherapie ist in der<br />
Regel nur bei einem Gleason-Score ≤ 6 indiziert. Bei<br />
einem Gleason-Score 7 entscheidet der prozentuelle<br />
Anteil des primären Gleason Grades 4, ob eine Potenzerhaltende<br />
Prostatektomie aus onkologischer Sicht vertretbar<br />
ist oder nicht. Bei einem Gleason-Score > 7 wird<br />
heute zunehmend der externen Bestrahlung der Vorzug<br />
gegeben.<br />
Individuelle Risikoabschätzung<br />
vor der Therapie<br />
Die Partin Tabellen sind Nomogramme, die im Internet<br />
frei zur Verfügung stehen (http://prostate.urol.jhu.<br />
edu/Partin_tables/). Sie ermitteln das Risiko einer extraprostatische<br />
Tumorerkrankung und Metastasierung<br />
(pT3a, pT3b, pN1). Die Variablen sind der Gleason Grad<br />
in der Biopsie, der PSA-Wert und das klinische Stadium<br />
(T-Kategorie). Die Daten der Partin Tabellen beruhen auf<br />
Gleason Grade, die von namhaften Prostatapathologen<br />
ermittelt wurden und somit als verlässlich eingestuft werden<br />
können. Wenn der Gleason Grad nicht stimmt, verlieren<br />
die Partin Tabellen ihren Wert und liefern falsche<br />
Prognosen.<br />
Wann ist ein Prostatakarzinom<br />
klinisch unbedeutend<br />
Diese Frage lässt sich prinzipiell erst dann beantworten,<br />
wenn die gesamte Prostata zur histologischen Untersuchung<br />
zur Verfügung steht. Unter einem klinisch insignifikanten<br />
Prostatakarzinom versteht man einen strikt
organbegrenzten Tumor (pT2) mit einem Tumorvolumen<br />
< 0.5 ccm und einem Gleason Score ≤ 6.<br />
Kann man einen derartigen unbedeutenden Tumor<br />
auch in der Stanzbiopsie diagnostizieren? Jonathan<br />
Epstein (Johns Hopkins` University School of Medicine)<br />
zeigt, dass bei nur einer befallenen Stanzbiopsie mit<br />
einer Tumorausdehnung < 1mm und einer PSA-Dichte<br />
(PSA/ Prostatavolumen) ≤ 0.15 ccm in 83% der Fälle ein<br />
klinisch insignifikantes Prostatakarzinom in der radikalen<br />
Prostatektomie vorliegt. Bei einer solchen Befundkonstellation<br />
wäre, in Abhängigkeit des Alters des<br />
Patienten, eine abwartende Haltung (watchful waiting)<br />
zu vertreten. Dies gilt freilich nur für die Fälle mit einer<br />
standardisierten Biopsieentnahme und einem validierten<br />
Gleason Grad.<br />
Stellenwert der zytologischen<br />
Prostatadiagnostik<br />
Die Feinnadelaspiraton (FNA) der Prostata gilt zwar als<br />
nebenwirkungsärmer als die Stanzbiopsie, ist jedoch in<br />
ihrer diagnostischen Aussagekraft der histologischen<br />
Untersuchung von Stanzbiopsien unterlegen. Der zytologische<br />
Befund ist z.B. nicht in der Lage zwischen einem<br />
Vorläufer des Prostatakarzinoms (high grade intraepithelial<br />
neoplasia, kurz HGPIN) und einem Prostatakarzinom zu<br />
NEU:<br />
Die Prostatastanzbiopsie<br />
Gewebeentnahme aus<br />
der Prostata<br />
von Dr. med. Gerald Pühse<br />
PD Dr. med. Axel Semjonow<br />
Die Prostatabiopsie ein wichtiger Schritt in der<br />
Diagnostik und die Chance, so früh wie möglich eine<br />
für Sie passende Therapie zu beginnen. Der<br />
Leitfaden dient der Information und der Vorbereitung<br />
auf das Gespräch mit Ihrem Arzt.<br />
Sie erhalten die Broschüre über Ihre örtliche <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />
oder durch die Geschäftsstelle.<br />
unterscheiden. Da HGPIN auch in tumorfreien Prostata<br />
relativ häufig vorkommen, ist die FNA alleine schon aus<br />
diesem Grund gegenüber der Stanzbiopsie nicht mehr<br />
zeitgemäß und obsolet. Darüber hinaus können wichtige<br />
prognostische Parameter (Gleason Grad, Tumorausdehnung,<br />
Tumorlokalisation, extraprostatische Tumorausdehnung,<br />
zystische Nervenscheideninvasionen, intraduktale<br />
Tumorausdehnung, Lymph- und Blutgefäßinvasionen)<br />
durch den zytologischen Befund naturgemäß nicht ermittelt<br />
werden. Die zytologische Prostatadiagnostik konnte<br />
sich deshalb, auch wenn sie mit der Ploidiebestimmung<br />
kombiniert wird, international nicht durchsetzen.<br />
Postoperatives Staging und Grading<br />
des Prostatakarzinoms<br />
Die Aufarbeitung des Prostatektomiepräparates durch<br />
den Pathologen liefert dem Urologen und seinen<br />
Patienten die wichtigsten Parameter für das weitere<br />
therapeutische Vorgehen und für die Prognose überhaupt.<br />
Organbegrenzten Tumoren (≥ pT2c) mit einem<br />
Gleason-Score < 7 und negativen Schnitträndern<br />
(Margins) haben sehr hohe Heilungsraten. Alle organüberschreitenden<br />
Tumoren (≥ pT3a, b, pN1) und<br />
Tumoren mit einem Gleason-Score ≥7 mit positiven<br />
Margins haben ein hohes Progressionsrisiko und bedürfen<br />
einer weiteren Therapie. Unabdingbare Voraussetzung<br />
für ein exaktes Staging und Grading ist allerdings<br />
die optimale Aufarbeitung des Operationspräparates.<br />
Das Prostatakarzinom ist makroskopisch nicht eindeutig<br />
abgrenzbar, so dass bei einer lediglich partiellen Einbettung<br />
und histopathologischen Untersuchung des<br />
Operationspräparates relevante Tumorherde übersehen<br />
werden und das Grading und Staging dadurch verfälscht<br />
werden. Verlässliche Aussagen über die Tumorausbreitung<br />
und -differenzierung lassen sich nur dann<br />
machen, wenn das Präparat vollständig und standardisiert<br />
eingebettet wird. Dies resultiert in einer Vielzahl von<br />
Schnittpräparaten für jede radikale Prostatektomie und<br />
in einem erheblichen Aufwand, der in keinster Weise<br />
adäquat vergütet wird. Im Interesse des Patienten sollte<br />
jedoch die vollständige Aufarbeitung der partiellen Einbettung<br />
vorgezogen werden.<br />
Neben dem Grading und Staging sind das Tumorvolumen<br />
und die Absetzungsränder (Marginstatus) wichtige<br />
Prognosefaktoren. Positive Margins liegen vor, wenn<br />
13
Tumorverbände die tuschemarkierten Absetzungsränder<br />
des Operationspräparates erreichen, und werden mit<br />
dem Symbol R1 (histologisch Resttumor) gekennzeichnet.<br />
Der R1-Befund ist allerdings nicht gleichbedeutend oder<br />
beweisend für ein kapselüberschreitendes Tumorwachstum<br />
bzw. für ein pT3a-Stadium! Der Marginstatus<br />
hat bei Patienten mit einer eindeutigen extraprostatischen<br />
Tumorausdehnung (pT3) bezüglich des PSA-<br />
Rezidives eine signifikante prognostische Bedeutung. Es<br />
gibt allerdings zurzeit keinen Konsens über die Notwendigkeit<br />
einer postoperativen Strahlentherapie im Stadium<br />
pT2 bei positiven Margins. Dies muss noch in prospektiven<br />
randomisierten Studien ermittelt werden. Solange dies<br />
noch nicht abschließend geklärt ist, sollte man gerade<br />
bei organbegrenzten Prostatakarzinomen (pT2) mit dem<br />
Begriff R-1 Resektion vorsichtig umgehen, weil dieser<br />
Befund u. U. therapeutische Konsequenzen nach sich<br />
ziehen kann. Viele organbegrenzte Prostatakarzinome<br />
zeigen fokal positive Margins und bedürfen nicht unbedingt<br />
einer adjuvanten Therapie in Form einer Bestrahlung.<br />
Ob eine echte R-1 Situation vorliegt muss im Einzelfall<br />
sehr kritisch geprüft werden. Fokal positive Margins in<br />
einem organbegrenzten, Gleason-Score 6 Tumor sind<br />
prognostisch ganz anders zu werten als ausgedehnt<br />
positive Margins in einem aggressiven Karzinom mit<br />
einem Gleason-Score ≥ 7. Im ersten Fall würde unkommentiert<br />
nie von einer R-1 Resektion gesprochen, weil<br />
dieser Tumor keiner adjuvanten Bestrahlung bedarf. Im<br />
zweiten Fall liegt jedoch sicher eine R-1 Resektion vor, die<br />
eine adjuvante Therapie nötig macht. Anderseits gibt es<br />
Prostatakarzinome, die auch bei einer R-0 Resektion (im<br />
Gesunden) ein erhöhtes Rezidivrisiko besitzen, z.B. wenn<br />
unmittelbar am Margin mehrere Nervenscheideninvasionen<br />
nachweisbar sind. Im Befundbericht sollte<br />
prinzipiell der Marginstatus ausführlich dokumentiert und<br />
kommentiert werden. Dazu gehören:<br />
• die Ausdehnung des Befundes (fokal oder ausgedehnt,<br />
ggf. Größenangabe)<br />
• die Lokalisation (Apex, Basis, etc.)<br />
• pT-Stadium (pT2, pT3a, pT3b) am Margin<br />
• primäre Gleason Grad am Margin<br />
• Nervenscheideninvasionen am Margin<br />
Eine epikritische Wertung bezüglich des R-Status und des<br />
individuellen Progressionsrisikos hilft dem Urologen bei<br />
14<br />
seiner Entscheidung über eine eventuelle adjuvante<br />
Strahlentherapie.<br />
Neben den vier klassischen Prognosefaktoren (PSA,<br />
pTNM, Gleason-Score, Margins) gibt es eine Reihe von<br />
neuen Risikofaktoren für das PSA-Rezidiv. Dazu gehören:<br />
• der prozentuelle Anteil der primären Gleason<br />
Grade 4 und 5<br />
• der Volumenanteil der intraduktalen<br />
Tumorausdehnung<br />
• die Tiefe und Breite der Kapselinfiltration<br />
• der Durchmesser der Nervenscheideninvasion<br />
Der prozentuelle Anteil der primären Gleason Grade 4<br />
und 5 ist ein wichtiges Maß für die Aggressivität des<br />
Prostatakarzinoms und ist ein unabhängiger Risikofaktor<br />
für das PSA-Rezidiv nach Prostatektomie. Intraduktale<br />
Prostatakarzinome breiten sich vorzugsweise im Gangsystem<br />
der Prostata aus und gehören ebenfalls zu den<br />
aggressiven Tumoren. Das Ausmaß der intraduktalen<br />
Tumorausbreitung korreliert mit anderen wichtigen<br />
Prognosefaktoren (hoher Gleason Grad, Samenblaseninfiltration)<br />
und ist ein unabhängiger Risikofaktor für das<br />
PSA-Rezidiv. Diese intraduktalen Prostatakarzinome werden<br />
aber häufig nicht diagnostiziert, weil viele Pathologen<br />
das intraduktale Prostatakarzinom unter dem<br />
Begriff HGPIN subsumieren. HGPIN (high grade prostatic<br />
intraepithelial neoplasia) ist ein potentiell rückbildungsfähiger<br />
Vorläufer des Prostatakarzinoms, der keiner<br />
Therapie bedarf. Das intraduktale Prostatakarzinom ist<br />
dagegen ein high grade Tumor, der schlecht auf die<br />
Hormontherapie anspricht und oft nach mehrmonatiger<br />
Androgenblockade persistiert. Das Rezidiv- und Progressionsrisiko<br />
des Prostatakarzinoms hängt entscheidend<br />
auch davon, ab wie ausgedehnt der Tumor die<br />
Organkapsel infiltriert oder durchbrochen hat (Abb.).<br />
Substaging des Prostatakarzinoms<br />
TNM pT2 / pT3<br />
Abb.: Bezug des Prostatakarzinoms zur Organkapsel und<br />
progrnostische Gruppen.
Bei Prostatakarzinomen, die die Organkapsel noch<br />
nicht infiltriert haben (L0, L1), sind selbst bei großen<br />
Tumorvolumina und geringer Differenzierung (Gleason-<br />
Score ≥ 7) keine PSA-Rezidive innerhalb der ersten fünf<br />
<strong>Jahre</strong> zu erwarten. Organbegrenzte Karzinome mit<br />
Kapselinfiltration (L2) verhalten sich dagegen prognostisch<br />
schlechter. Hier sind PSA-Rezidive innerhalb der<br />
ersten fünf <strong>Jahre</strong> in etwa 15% der Fälle zu erwarten. Im<br />
pT3-Stadium ist es wichtig zwischen der fokalen und der<br />
ausgedehnten extraprostatischen Tumorausbreitung zu<br />
unterscheiden. Die Tumoren mit einer fokalen extraprostatischen<br />
Ausdehnung verhalten sich prognostisch ähnlich<br />
wie die organbegrenzten (pT2) Tumoren im Level 2.<br />
Erst bei der eindeutigen oder ausgedehnten extraprostatischen<br />
Tumorausdehnung verschlechtert sich die<br />
Prognose deutlich. Mehr als 85% der Patienten mit einer<br />
Samenblaseninfiltration (pT3b) erleiden in den ersten fünf<br />
<strong>Jahre</strong>n nach der Operation ein PSA-Rezidiv. Im Stadium<br />
pT3b erhöht sich auch sprunghaft das Risiko für eine<br />
Metastasierung.<br />
Prognostische Marker und molekulares<br />
Staging des Prostatakarzinoms<br />
Trotz der gut etablierten klinischen und pathologischen<br />
Parameter besteht nach wie vor ein großer Bedarf nach<br />
neuen Prognosefaktoren, die den individuellen Krankheitsverlauf<br />
besser vorhersehen. Dazu gehört eine Reihe<br />
von Marker, die in Abhängigkeit von der klinischen Konstellation,<br />
des pathologischen Befundes und den therapeutischen<br />
Optionen zusätzliche Informationen liefern<br />
können:<br />
• MIB-1 (Proliferationsmarker): cut-off 7% oder 10%<br />
positive Zellen<br />
• P 27 (Zellzyklusinhibitor): cut-off 50%<br />
positive Zellen<br />
• Bcl-2 (Apoptosensupressor): cut-off Foci mit >20%<br />
positive Zellen<br />
• P53: (Oncogen): cut-off positiv oder<br />
negativ<br />
• Chromogranin A (neuroendokrine Differenzierung):<br />
cut-off Foci mit >20%<br />
positive Zellen<br />
• MUC1/ AZGP1<br />
• EZH2/ E- cadherin<br />
• Östrogenrezeptoren<br />
•Progesteronrezeptoren<br />
•Ploidiestatus: peridiploid, peritetraploid, aneuploid<br />
x-ploid und multiploid)<br />
Zellzyklus- und Apoptosen-<br />
Regulatoren und andere Marker<br />
Neben den klassischen Prognosefaktoren (Gleason<br />
Grad, Tumorvolumen, pT-Stadium, Marginstatus und<br />
PSA-Wert) gewinnen zunehmend immunhistochemische<br />
Marker an Bedeutung, die zur individuellen Abschätzung<br />
der Prognose oder des Ansprechens auf eine bestimmte<br />
Therapie herangezogen werden. Dem Einsatz dieser<br />
Marker in Stanzbiopsien oder Prostatektomiepräparaten<br />
unterliegen unterschiedliche Fragestellungen:<br />
In Prostatastanzbiopsien geht es im Wesentlichen um<br />
die Präzisierung des prätherapeutischen Staging im<br />
Hinblick auf die Wahl der Therapie. Hohe MIB-1 Indices<br />
sind unabhängige Marker für das Überleben nach<br />
Prostatektomie, externer Bestrahlung und im Rahmen<br />
einer watchful waiting Strategie. Mehrere Studien belegen,<br />
dass der MIB-1-Index (>7 %), BCL-2 und P53 neben<br />
den klassischen Prognosefaktoren unabhängige prognostische<br />
Marker für das PSA-Rezidiv, das Auftreten von<br />
Metastasen und das Tumorspezifische Überleben nach<br />
externer Bestrahlung darstellen. Bei Unstimmigkeiten im<br />
Grading oder echten Grenzfällen (z.B. Gleason Grad 3<br />
versus 4) kann der MIB-1-Index hilfreich sein, um festzulegen,<br />
ob ein intermediärer oder hoher Malignitätsgrad<br />
vorliegt. Der Nachweis einer neuroendokrinen Differenzierung<br />
mit Chromogranin A empfiehlt sich dann, wenn<br />
die Option auf eine primäre Bestrahlung oder eine<br />
Hormontherapie besteht. Falls sich mit Chromogranin A<br />
eine multifokale oder bedeutende neuroendokrine<br />
Differenzierung nachweisen lässt, sollte Chromogranin A<br />
mit in die Liste der Serummarker aufgenommen, um<br />
den Verlauf bzw. den Erfolg der Therapie zu objektivieren.<br />
Das gleiche gilt für die Prostatakarzinome mit relativ niedrigen<br />
PSA-Werten, bei denen zwischen dem erfassten<br />
Tumorvolumen und dem Gleason Grad einerseits und<br />
der Höhe des PSA-Wertes andererseits eine auffällige<br />
15
Diskrepanz besteht. Bei gering differenzierten Prostatakarzinomen<br />
mit niedrigen PSA-Werten ist PSA kein verlässlicher<br />
Marker für die Prognose und den Verlauf der<br />
Erkrankung.<br />
In der Prostatektomie geht es mehr um die Abschätzung<br />
des PSA-Rezidivrisikos im Hinblick auf die<br />
Dringlichkeit einer adjuvanten Therapie. Dabei können<br />
die folgenden Marker zum Einsatz kommen. Der Zyklinabhängige<br />
Kinaseinhibitor P27, der den Eintritt von Zellen<br />
in den Zellzyklus verhindert, ist bei einer verminderten<br />
Expression (10%) sind<br />
vor allem bei Überexpression von BCL-2 ein unabhängiger<br />
Marker für ein PSA-Rezidiv und das Überleben nach<br />
RP. Niedrige MIB-1-Indices (7) sollte geprüft werden,<br />
ob eine signifikante neuroendokrine Differenzierung<br />
vorliegt (s. u).<br />
Mit Hilfe der neuen Microarray Technologie wurden<br />
unter Tausenden von Genen charakteristische Genexpressionsmuster<br />
im Prostatakarzinom entdeckt, die mit<br />
den verschiedenen klinischen Krankheitsverläufen korrelieren.<br />
Die Überexpression von MUC1 z.B. ist charakteristisch<br />
für den aggressiven Tumortyp, während die<br />
Expression von AZPG1 mit einer deutlich besseren Prognose<br />
einhergeht. Der MUC1- und AZPG1-Status im<br />
Tumorgewebe des Patienten ist, unabhängig von den<br />
klassischen Prognosefaktoren (Gleason Grad, Tumorstadium<br />
und präoperative PSA-Wert), ein aussagekräftiger<br />
Risikofaktor für das Tumorrezidiv. Nach radikaler<br />
Prostatektomie lassen sich nach ersten Untersuchungen<br />
durch die Kombination beider Marker drei klinische Verläufe<br />
mit einem geringen, intermediären und hohen<br />
Rezidivrisiko beschreiben. Eine ähnlich prognostische<br />
Bedeutung hat das Markerpaar EZH2/E-cadherin.<br />
Patienten mit hohen Expressionsraten des Transkriptionsfaktors<br />
EZH2 haben bei gleichzeitigem Verlust<br />
von E-cadherin ein hohes Rezidivrisiko.<br />
Marker der Androgenresistenz<br />
Eines der größten Probleme in der Behandlung des<br />
Prostatakarzinoms ist nach wie vor die Entstehung der<br />
16<br />
Androgenresistenz. Dies ist ein multifaktorieller Krankheitsprozess,<br />
in dem der Androgenrezeptor (AR) im Vordergrund<br />
steht. In etwa 30% der Androgen-insensitiven<br />
Prostatakarzinome liegt das Androgenrezeptorgen nicht<br />
in einfacher, sondern in mehrfacher Kopie vor. Diesen<br />
Tumoren stehen somit deutlich mehr AR zur Verfügung<br />
als den Androgen- abhängigen Tumoren. Man spricht<br />
auch von einem überempfindlichen (hypersensitiven)<br />
AR, der unter Androgenentzugstherapie selbst noch<br />
geringe Mengen an Androgenen für das Tumorwachstum<br />
nutzen kann. Patienten, bei denen mit der FISH-<br />
Technik derartige AR Veränderungen im Tumorgewebe<br />
nachweisbar sind, profitieren von einer totalen Androgenblockade.<br />
Damit wird sichergestellt, dass dem<br />
überempfindlichen (hypersensitiven) AR auch wirklich<br />
alle Androgene entzogen werden.<br />
Ein anderer Marker für die Androgenresistenz ist die neuroendokrine<br />
Differenzierung, die man mit Chromogranin<br />
A (ChrA) im Serum und im Tumorgewebe nachweisen<br />
kann. Die ChrA positiven Prostatakarzinomzellen besitzen<br />
keinen Androgenrezeptor! Diese Tumorzellen sind somit<br />
in allen Stadien der Erkrankung Androgen-insensitiv.<br />
Weitere Informationen liefert der DNA-Gehalt der<br />
Tumorzellen. Aneuploide Prostatakarzinome haben ein<br />
höheres Risiko einer Androgen- und Strahlenresistenz und<br />
haben eine deutlich schlechtere Prognose als peritetraploide<br />
und peridiploide Tumoren. Prostatakarzinome mit<br />
einem peritetraploiden DNA-Befund entwickeln schneller<br />
eine Androgenresistenz als peridiploide Tumoren. Die<br />
DNA-Ploidie korreliert oft, aber nicht immer mit dem<br />
Gleason Grad und liefert deshalb im Einzelfall zusätzliche<br />
prognostische Informationen.<br />
Weitere Marker, die typischerweise erst im Androgeninsensitiven<br />
Tumorstadium vermehrt nachgewiesen werden,<br />
sind P53, Bcl-2, EGF-R1 und EGF-R2 (HER2/neu).<br />
HER2/neu z.B. ist in der Lage den Androgenrezeptor<br />
auch in Abwesenheit von Androgenen zu aktivieren, d.h.<br />
der AR funktioniert auch ohne Androgene. Der Nachweis<br />
einer starken Expression von HER2/neu in einem<br />
Prostatakarzinom spricht somit dafür, dass dem Tumor<br />
Mittel zur Verfügung stehen, die ihm erlauben auch unter<br />
Androgenentzug den Androgenrezeptor weiterhin für<br />
sein Wachstum zu nutzen. Die Untersuchung dieser<br />
Marker in primären Prostatakarzinomen liefert somit<br />
zusätzliche Informationen über die Aggressivität und
eine eventuelle Androgenresistenz eines bestimmten<br />
Tumors. Entsprechende monoklonale Antikörper gegen<br />
diese Substanzen wie z.B. Cetuximab (EGF-R1), Herzeptin<br />
(HER2/neu), Bevacizumab (VEGF-R) sind zurzeit<br />
Gegenstand gentherapeutischer Studien in der klinischen<br />
Erprobung.<br />
Es gibt auch Hinweise, dass Östrogene und ihre Rezeptoren<br />
an der Entstehung der Androgenresistenz beteiligt<br />
sind. Im Gegensatz zum Brustkrebs und anderen Östrogen-abhängigen<br />
Tumoren ist der klassische Östrogenrezeptor<br />
� (ER�) im Prostatakarzinom in der Regel erst in<br />
Metastasen und im Androgen-insensitiven Tumorstadium<br />
nachweisbar. Wenn dieser neu entdeckte Rezeptor im<br />
fortgeschrittenen <strong>Prostatakrebs</strong> funktionell aktiv und therapeutisch<br />
beeinflussbar ist, dann müsste man erwarten,<br />
dass in diesen Tumoren auch ER�–regulierte Gene<br />
exprimiert werden. Ein solches Gen ist der Progesteronrezeptor<br />
(PR), einer der wichtigsten Marker für das Ansprechen<br />
des Brustkrebses auf eine Antiöstrogentherapie.<br />
In den metastasierten und Androgen-insensitiven<br />
Prostatakarzinomen ist eine signifikante Expression<br />
des PR in ca. 30% der Fälle nachweisbar, was dafür<br />
spricht, dass diese Tumoren Östrogene und Progesterone<br />
(Gestagene) für ihr Wachstum nutzen. Experimentelle<br />
Studien belegen bereits die Effizienz von Antiöstrogenen<br />
und Antigestagenen in Androgen-insensitiven<br />
Prostatakarzinomzelllinien. Klinische Studien für diesen<br />
neuen therapeutischen Ansatz stehen jedoch noch aus.<br />
Stellenwert der DNA-Ploidie<br />
Peridiploide Prostatakarzinome haben zweifelsohne eine<br />
bessere Prognose als peritetraploide und aneuploide<br />
Karzinome. Den peridiploiden DNA-Befund jedoch mit<br />
einem geringen Progressionsrisiko oder einem sog.<br />
Haustierkrebs gleichsetzen zu wollen, ist unzulässig. Ob<br />
bei einem Prostatakarzinompatient eine abwartende<br />
Haltung (watchful waiting) aus onkologischer Sicht vertretbar<br />
ist, hängt vielmehr vom Gleason Grad, von dem<br />
in den Stanzbiopsien erfassten Tumorvolumen, der PSA-<br />
Kinetik (PSA-Verdopplungszeit, PSA-Dichte), dem Alter und<br />
der persönlichen Lebenserwartung (z.B. kardiovaskuläres<br />
Risiko) ab.<br />
Auch bei einem aneuploiden DNA-Befund, der für den<br />
Patienten wegen der schlechten Prognose enorme<br />
Auswirkung auf die Therapieentscheidung haben kann,<br />
ist Vorsicht angesagt: Prämaligne Prostataveränderungen<br />
vom Typ HGPIN, die bei Männern über 50 <strong>Jahre</strong>n<br />
mit oder ohne Karzinom häufig vorkommen, sind oftmals<br />
aneuploid. Da die zytologische Prostatadiagnostik<br />
nach Feinnadelaspiration nicht in der Lage ist, zwischen<br />
HGPIN und einem Prostatakarzinom zu unterscheiden,<br />
kann man prinzipiell nie ausschließen, dass HGPIN und<br />
nicht das Karzinom für den aneuploiden DNA-Befund<br />
verantwortlich sind. DNA-Messungen sollten deshalb<br />
stets an Stanzbiopsien durchgeführt werden, die im<br />
Hinblick auf HGPIN überprüft wurden, um HGPIN-assoziierte<br />
(falsch-positive) aneuploide Befunde zu vermeiden.<br />
Die Beobachtung, dass bei einem peritetraploiden DNA-<br />
Befund ein erhöhtes Risiko für die Entstehung der<br />
Androgenresistenz besteht, basiert überwiegend auf Studien<br />
aus den 80er und 90er <strong>Jahre</strong>n, wobei damals die<br />
beidseitige Orchiektomie als Standard der Androgenentzugstherapie<br />
galt. Über die prognostische<br />
Bedeutung des peritetraploiden DNA-Befundes im<br />
Rahmen der modernen, zeitlich limitierten, dreifachen<br />
Androgenblockade gibt es bislang überhaupt keine<br />
Daten. Einem Patienten auf Grund eines peritetraploiden<br />
Histogrammes generell von der Hormontherapie<br />
abzuraten, ist daher nicht zulässig. Ob ein Prostatakarzinom<br />
auf eine Androgenentzugstherapie anspricht<br />
oder nicht, hängt letztlich davon ab, ob innerhalb eines<br />
<strong>Jahre</strong>s der PSA-Nadir von 0.05 mg/ml erreicht wird oder<br />
nicht. Dagegen sind Verlaufskontrollen, die an Hand von<br />
sukzessiven DNA-Bestimmungen am aspirierten Material<br />
den Therapieerfolg zu ermitteln versuchen, im Zeitalter<br />
der modernen PSA-Diagnostik obsolet.<br />
Die verlässlichsten Aussagen über die DNA-Ploidie erhält<br />
man in der Prostatektomie, bei der der ganze Tumor zur<br />
Untersuchung zur Verfügung steht. Der prognostische<br />
Wert der DNA-Analyse in der Stanzbiopsie ist dagegen<br />
umstritten, da der biologisch relevante Tumorherd nicht<br />
unbedingt in der Stanzbiopsie erfasst sein muss. In der<br />
letzten Ausgabe „Tumors of the Prostate Gland“ (2000)<br />
des Armed Forces Institute of Pathology (AFIP), ein weltweit<br />
anerkanntes Zentrum für Tumorpathologie, wird ausdrücklich<br />
darauf hingewiesen, dass die prognostische<br />
Aussagekraft der DNA-Ploidie in der Stanzbiopsie wegen<br />
des Sampling Errors fraglich ist. Ähnlich kritisch äußert<br />
sich auch Jonathan Epstein, einer der bekanntesten<br />
Prostatapathologen (Johns Hopkins` University School of<br />
17
Medicine). In einem kürzlich im „Lancet“ erschienenen<br />
Beitrag liefert nach seiner Erfahrung die Ploidiebestimmung<br />
in der Stanzbiopsie keine zusätzlichen prognostischen<br />
Informationen für das pathologische Staging,<br />
wenn der Gleason Grad korrekt ermittelt wurde.<br />
Fazit<br />
Der histopathologische Befund ist für die Früherkennung,<br />
Diagnose und stadiengerechte Therapie des Prostatakarzinoms<br />
von zentraler Bedeutung. Unabdingbare<br />
Vorraussetzung ist eine sachgerechte Aufarbeitung und<br />
verlässliche Befundung. Viele Urologen sehen im<br />
Gleason Grad und anderen pathologischen Befunden<br />
lediglich Laborwerte, auf die man zwar die Therapieentscheidung<br />
stützt, ansonsten aber wenig hinterfragt.<br />
Beim <strong>Prostatakrebs</strong> hängt Vieles von der Diagnostik ab,<br />
die ein hohes Maß an Erfahrung und Qualität erfordert.<br />
Die verschiedenen klinischen Verläufe zeigen, dass wir es<br />
mit einer sehr heterogenen Erkrankung zu tun haben.<br />
Einfache Lösungen für komplizierte Fragen existieren<br />
nicht und sind auch in naher Zukunft trotz aller Fortschritte<br />
nicht zu erwarten.<br />
Die Prostatadiagnostik lässt sich langfristig nur dann verbessern,<br />
wenn die folgenden Vorraussetzung geschaffen<br />
werden:<br />
18<br />
• Hohe Spezialisierung seitens der Urologen,<br />
Radiologen und Pathologen<br />
• Intensivierung der interdisziplinären<br />
Zusammenarbeit und Kommunikation mit<br />
Austausch von Daten und Informationen<br />
• Qualitätssicherung auf hohem Niveau<br />
RÄTSEL: WEM GEHÖRT DER FISCH<br />
Gehören Sie zu den 2 % der intelligentesten Personen<br />
der Welt? Es gibt keinen Trick bei diesem Rätsel, nur pure<br />
Logik.<br />
Also: Viel Glück und geben Sie nicht auf!<br />
1. Es gibt 5 Häuser mit je einer anderen Farbe.<br />
2. In jedem Haus wohnt eine Person mit einer anderen<br />
Nationalität.<br />
3. Jeder Hausbewohner bevorzugt ein bestimmtes<br />
Getränk, raucht eine bestimmte Zigarettenmarke<br />
und hält ein bestimmtes Haustier.<br />
4. Keine der 5 Personen trinkt das gleiche Getränk,<br />
raucht die gleichen Zigaretten oder hält das gleiche<br />
Tier wie sein Nachbar.<br />
Frage: Wem gehört der Fisch?<br />
Ihre Hinweise:<br />
• Der Brite lebt im roten Haus<br />
• Der Schwede hält einen Hund<br />
• Umsetzung neuer Erkenntnisse aus der<br />
Grundlagenforschung in die klinische Diagnostik<br />
Diese Anforderungen lassen sich am besten in Kompetenzzentren<br />
realisieren, wo ausgewiesene Spezialisten<br />
der verschiedenen Fachrichtungen in der Patientenversorgung<br />
zusammenarbeiten. Die Knüpfung solcher<br />
Netzwerke ist heute im Zeitalter der elektronischen<br />
Datenübermittelung nicht mehr ortsgebunden, sondern<br />
kann auch auf nationaler und internationaler Ebene<br />
umgesetzt werden.<br />
Literatur beim Verfasser<br />
PROFESSOR DR. MED. HELMUT BONKHOFF<br />
Facharztpraxis für Pathologie<br />
12203 Berlin Tietzenweg 129<br />
Postfach 45 02 11, 12172 Berlin<br />
Tel. 030/ 84 31 78 82<br />
E-Mail: info@prostapath.de<br />
Homepage: www.prostapath.de<br />
• Der Däne trinkt gerne Tee<br />
• Das grüne Haus steht links vom weißen Haus<br />
• Der Besitzer des grünen Hauses trinkt Kaffee<br />
• Die Person, die Pallmall raucht, hält einen Vogel<br />
• Der Mann, der im mittleren Haus wohnt, trinkt Milch<br />
• Der Besitzer des gelben Hauses raucht Dunhill<br />
• Der Norweger wohnt im ersten Haus<br />
• Der Marlboro-Raucher wohnt neben dem, der eine<br />
Katze hält<br />
• Der Mann, der ein Pferd hält, wohnt neben dem, der<br />
Dunhill raucht<br />
• Der Winfield-Raucher trinkt gerne Bier<br />
• Der Norweger wohnt neben dem blauen Haus<br />
• Der Deutsche raucht Rothmanns<br />
• Der Marlboro-Raucher hat einen Nachbarn, der<br />
Wasser trinkt<br />
Die Auflösung finden Sie auf Seite 28.
Glossar<br />
• Apoptose: programmierter Zelltod<br />
• Apikal: Spitze, dem Beckenboden zugewandte Seite der Prostata<br />
• Basal: Basis, der Harnblase zugewandte Seite der Prostata<br />
• Dignität: Gutartigkeit (benigne) oder Bösartigkeit (maligne) eines Tumors<br />
• Extraprostatisch: außerhalb der Organgrenze der Prostata<br />
• FISH (Fluoreszenz-in-situ- Hybridisierung): Methode zum Nachweis eines bestimmten Gens in einer Zelle<br />
• HGPIN (high grade prostatic intraepithelial neoplasia) ist ein Vorläufer des Prostatakarzinoms<br />
• Immunhistochemie: Darstellung eines Proteins im Gewebe oder Zelle mit einem spezifischen Antikörper<br />
• Intraduktale Prostatakarzinome: breiten sich vorzugsweise im Gangsystem der Prostata aus<br />
• Margin: mit Tusche markierte Absetzungsränder des Operationspräparates<br />
• Neuroendokrin: Eigenschaft von Zellen Hormone zu bilden, die lokal oder systemisch wirken können<br />
• Nervenscheideninvasion: in die Prostata strahlen von außen zahlreiche Nerven ein. Das Prostatakarzinom<br />
nutzt diese Nervenäste als Leitschiene, um die Organgrenze zu durchbrechen<br />
• Ploidie: ist ein Maß für den DNA- Gehalt von Zellen und wird durch die optische Dichte der Zellkerne<br />
gemessen. Normale Zellen haben einen doppelten Chromosomensatz und werden als diploid (2c)<br />
bezeichnet. Peridiploide oder peritetraploide (4c) Tumorzellen haben somit den gleichen oder den doppelten<br />
(4c) DNA- Gehalt im Vergleich zu normalen Referenzzellen. Aneuploide Tumorzellen zeigen gegenüber<br />
normalen Referenzzellen eine ungerade Zunahme des DNA- Gehaltes. Aneuploide Verteilungsmuster<br />
können in einer (x-ploid) oder mehreren Stammlinien (multiploid) auftreten.<br />
• Präkanzerose/ prämaligne: maligne Transformation des Prostataepithels, Vorläufer des Prostatakarzinoms<br />
(HGPIN)<br />
• Rebiopsie: erneute stanzbioptische Abklärung<br />
• Radiatio: Bestrahlung<br />
• Staging: Feststellung des Tumorstadiums durch TNM<br />
• TNM: Lokale Tumorausdehnung (T), Lymphknotenstatus (N), Fernmetastasen (M)<br />
• Watchful waiting: abwartende, kontrollierte Haltung im Hinblick auf die Therapie<br />
In Kürze erscheint das „Kleine<br />
Wörterbuch für den <strong>Prostatakrebs</strong><br />
Patienten“ mit ca. 200 Fachausdrücken<br />
zum <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />
Sie können das Wörterbuch über<br />
Ihre örtliche <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe oder<br />
direkt von der Geschäftsstelle beziehen.<br />
19
PROGNOSTISCHE UND THERAPEUTISCHE<br />
BEDEUTUNG DER DNA-ZYTOMETRIE<br />
BEIM PROSTATAKARZINOM<br />
Am 12.5.05 fand im Zentrum für Sozialpolitik der Universität<br />
Bremen mit finanzieller Unterstützung der „Gmünder<br />
Ersatzkasse (GEK)“ ein Experten-Symposium zum Thema<br />
<strong>Prostatakrebs</strong> statt. Diskutiert wurden Diagnoseverfahren,<br />
die eine möglichst genaue Einschätzung der Aggressivität<br />
des Tumors (sog. Tumor-Grading) ermöglichen. Bei<br />
der DNA-Zytometrie handelt es sich um ein bewährtes,<br />
standardisiertes, objektives Messverfahren, das mit der<br />
optischen Mengenmessung der Erbsubstanz der Krebszellen<br />
eine genaue Bewertung des Tumors in dieser<br />
Richtung zulässt. Die unterschiedliche Malignität des<br />
Tumors ergibt sich über die sich verändernde Erbsubstanzmenge<br />
in den Krebszellen, die sich mit der Zeit bei<br />
der Entwicklung des Tumors sich verändert oder verändern<br />
kann. Leider ist dieses wichtige und aussagekräftige<br />
Verfahren in Deutschland wenig bekannt und verbreitet,<br />
obwohl es eine reguläre Leistung der gesetzlichen Krankenkassen<br />
ist und überdies sehr kosten günstig.<br />
Bei den Teilnehmern des Symposiums im Zentrum für<br />
Sozialpolitik handelte es sich um wissenschaftliche<br />
Experten auf dem Gebiet des <strong>Prostatakrebs</strong>es aus<br />
Deutschland, den USA und Schweden, die sich größtenteils<br />
durch langjährige wissenschaftliche Arbeit mit dieser<br />
Methode und auch anderen Diagnoseverfahren (wie<br />
z.B. Gleason-Score) ausweisen. Grundlagenreferate zum<br />
Mechanismus der Entwicklung des Malignitätsgrades<br />
des <strong>Prostatakrebs</strong>es wurden ebenso auf der Veranstaltung<br />
diskutiert wie methodische Fragen und epidemiologische<br />
Daten zu der Erkrankung, die über mittlerweile<br />
20 und mehr <strong>Jahre</strong> vorliegen. Z.B. wurde durch<br />
deutsche und schwedische epidemiologische Forschung<br />
nachgewiesen, dass ältere Männer mit einer<br />
statistischen Lebenserwartung von unter 25 <strong>Jahre</strong>n beim<br />
Vorliegen eines bestimmten und sogar recht häufigen<br />
Krebstypus (sog. peridiploide Karzinome) eine Therapie<br />
keinen Überlebensvorteil für die Betroffenen bringt. Die<br />
von einem solchen (recht harmlosen) Krebs betroffenen<br />
Männer zeigen die gleiche Lebenserwartung wie Gleichaltrige<br />
ohne <strong>Prostatakrebs</strong>. Ein kontrollierendes Abwarten<br />
20<br />
wäre danach mit den<br />
Betroffenen zu diskutieren.<br />
Weiterhin wurde deutlich,<br />
dass eine Hormontherapie<br />
in bestimmten Fällen sogar<br />
zu einer Verkürzung der Lebenserwartung führt und deshalb<br />
für die Betroffenen keinerlei Nutzen hat. Aber nicht<br />
nur zur Diagnose beim <strong>Prostatakrebs</strong> sollte die DNA-<br />
Zytometrie nach Meinung der Experten unbedingt für<br />
eine sinnvolle Therapieplanung durchgeführt werden<br />
sondern auch bei Kontrolluntersuchungen liefert sie wertvolle<br />
Hinweise über die Entwicklung des Tumors und/oder<br />
über den (Miss-)Erfolg bei einer bestimmten Therapie.<br />
Das entsprechend notwendige Untersuchungsmaterial<br />
kann durch eine den Patienten wenig belastende und<br />
im Vergleich zur Stanzenbiopsie deutlich nebenwirkungsärmeren<br />
sog. Feinnadelaspirationsbiopsie aus der<br />
Prostata gewonnen werden.<br />
Die Veranstaltung schloss mit einem Konsensuspapier<br />
der Wissenschaftler, in dem in insgesamt 15 Punkten die<br />
Bedeutung der DNA-Zytometrie bei der Diagnostik des<br />
<strong>Prostatakrebs</strong>es und seiner Verlaufskontrolle mit oder<br />
ohne Therapie dokumentiert wurde. Darin finden sich<br />
Aussagen zu den Grundlagen der Methode und seiner<br />
Durchführung sowie ihres hohen Aussagewertes bei der<br />
Diagnose, Therapieplanung und ihrer Bedeutung bei der<br />
Verlaufskontrolle. Es wurde ausdrücklich betont, dass die<br />
DNA-Zytometrie beim <strong>Prostatakrebs</strong> zusätzlich zu den in<br />
Deutschland üblichen Diagnoseverfahren unbedingt<br />
wichtige Zusatzinformationen liefert, um belastende<br />
Übertherapien oder Fehltherapien (z.B. Hormontherapie<br />
in bestimmten Fällen) zu vermeiden. Die Referate und<br />
Diskussionsinhalte werden in einem Symposiumsberichtsband<br />
publiziert werden.<br />
Referenzadresse: DR. MED. WALTER SAMSEL<br />
Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen<br />
Postfach 290121<br />
27531 Bremerhaven<br />
Tel.: +49 471-7004427<br />
Fax: +49 471-3007655<br />
e-mail: samsel@nord-com.net
LÄSST SICH KEIN PROSTATA-TUMOR FINDEN,<br />
SORGT PET/CT FÜR KLARHEIT<br />
Positronen-Emissions-plus Computertomographie wesentlich<br />
sensitiver als CT und Szintigraphie / Indikation bei bis<br />
zu 15 Prozent der Männer<br />
BERLIN (mut). Mit CT und Szintigraphie ist<br />
bei manchen Männern mit Verdacht auf<br />
Prostata-Ca oder Tumorrezidiv kein Tumor<br />
lokalisierbar. Für sie käme eine PET/CT<br />
infrage.<br />
Doch die Positronen-Emissionstomographie<br />
plus Computertomographie (PET/CT) wird<br />
von der GKV in der ambulanten Diagnostik<br />
bisher nicht erstattet. Stattdessen bleibt<br />
Männern mit Prostata-Ca oft nichts anderes<br />
übrig, als zu warten, bis Tumor oder<br />
Metastasen so groß sind, dass sie mit herkömmlichen<br />
Verfahren erfasst werden können,<br />
sagte der Nuklearmediziner Professor<br />
Wolfgang Mohnike aus Berlin zur "Ärzte Zeitung".<br />
Steigt etwa der PSA-Wert nach einer Prostata-Karzinom-<br />
Operation wieder an, besteht Verdacht auf ein Rezidiv.<br />
"Mit CT kann man einen Tumor in der operierten Region<br />
jedoch oft nicht erkennen, weil diese durch Narben verändert<br />
ist", sagte Mohnike. Auch ein Lymphknotenbefall<br />
lasse sich damit häufig erst sehr spät nachweisen, da<br />
Lymphknoten unter einem Durchmesser von 10 mm als<br />
unauffällig gelten.<br />
Und mit der Skelett-Szintigraphie könne man Knochen-<br />
Metastasen erst ab einer Größe von etwa 12 bis 15 mm<br />
nachweisen, mit der PET dagegen bereits ab 3 mm. Bei<br />
Metastasen ist jedoch eine andere Therapie nötig als<br />
bei einem Lokalrezidiv. Aber auch bei einem Lokalrezidiv<br />
muss man genau wissen wo es liegt.<br />
Mohnike: "Wird mit CT und Szintigraphie nichts gefunden,<br />
wird bisher einfach blind die OP-Region bestrahlt."<br />
Eine genaue Tumor-Ortung mit PET/CT ermöglicht<br />
jedoch eine gezielte Bestrahlung – mit weniger Risiken<br />
Ein Patient wird für PET/CT-Aufnahmen vorbereitet.<br />
Foto: Siemens<br />
für strahlenempfindliche Regionen wie Rektum und<br />
Blase.<br />
Von der PET/CT profitieren auch unbehandelte Männer<br />
mit hochmalignen Tumoren (Gleason-Wert über 6) und<br />
PSA-Werten über 10 ng/ml. Solche Männer haben ein<br />
hohes Risiko für Metastasen – die sich nur mit PET/CT gut<br />
nachweisen lassen. Und es gibt Männer, bei denen<br />
bioptisch trotz hoher PSA-Werte kein Tumor gefunden<br />
wird. Bei ihnen wird bisher gewartet, bis der Tumor mit<br />
klassischen Verfahren nachweisbar ist. Eine PET/CT kann<br />
dagegen sofort Klarheit schaffen. Insgesamt schätzt<br />
Mohnike den Anteil von Prostata-Ca-Patienten, denen<br />
die PET/CT nützt, auf etwa 10 bis 15 Prozent.<br />
Die Kosten für das Verfahren liegen bei etwa 1000 bis<br />
1300 Euro. In einer Studie mit 200 Bronchial-Ca-<br />
Patienten war die PET/CT langfristig jedoch günstiger als<br />
die CT alleine, da Mehrfachuntersuchungen vermieden<br />
wurden und gleich die richtige Therapieentscheidung<br />
getroffen werden konnte.<br />
ÄRZTE ZEITUNG, 06.06.2005<br />
21
Red.: In seinem Grußwort wies Wolfgang<br />
Petter, der die Schirmherrschaft beim<br />
Symposium „Aktuelle Entwicklungen bei<br />
der Diagnostik (PET, PET/CT) und Therapie<br />
des Prostatakarzinoms“ übernommen<br />
hatte, darauf hin, dass <strong>Prostatakrebs</strong><br />
heilbar sei, wenn er nur früh genug<br />
erkannt würde. Deswegen unterstützt<br />
der <strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong><br />
<strong>Selbsthilfe</strong> (BPS), effektive Möglichkeiten<br />
für eine frühzeitige und exakte<br />
Diagnostik, wie z.B. mit PET/CT. Gerade<br />
bei den heilbaren Tumorerkrankungen<br />
ist die Qualität der Diagnostik von existenzieller<br />
Bedeutung. Der BPS hat es<br />
sich zur Aufgabe gemacht, für Aufklärung<br />
bei der Diagnostik und den<br />
Therapiemöglichkeiten zu sorgen sowie<br />
Betroffenen Hilfe zu leisten.<br />
Bis heute gibt es leider in Deutschland keine einheitlichen<br />
Standards für die Diagnostik des <strong>Prostatakrebs</strong>. Die Folge:<br />
Therapien werden häufig viel zu spät angesetzt. Das kos-<br />
22<br />
tet Männern Lebensqualität und das<br />
Leben! Wenn man also ein sinnvolles<br />
und bereits geprüftes Diagnostikverfahren<br />
hat, muss es auch von den Gesetzlichen<br />
Krankenversicherungen erstattet<br />
werden. Denn nur wenige Patienten können<br />
aus eigener Tasche teure Untersuchungen<br />
und Behandlungen finanzieren.<br />
Der BPS wird dafür auf gesellschaftlicher<br />
und auf politischer Ebene kämpfen.<br />
Der BPS setzt sich dafür ein, dass<br />
wirklich alle Patienten unabhängig von<br />
ihrem Einkommen die optimale Diagnostik<br />
und Behandlung bekommen.<br />
Die Forderungen des BPS werden unterstützt<br />
durch Hans-Olaf Henkel, Präsident<br />
der Leibniz-Gemeinschaft, sowie Wolfgang<br />
Zöller, Stellvertretender Vorsitzender<br />
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,<br />
die darauf hinweisen, dass die Diagnostik mit PET in allen<br />
westlichen Ländern anerkannt und auch von den sozialen<br />
Gesundheitssystemen erstattet wird.<br />
Europa im Vergleich: PET in der Onkologie<br />
Wo und für welche Indikationen wird PET von den<br />
Gesetzlichen Krankenkassen im ambulanten Bereich bezahlt?<br />
B NL F GB I DK FIN CH E PL D<br />
Lungenkarzinom 1) � D St Re � � � � � � � � �<br />
Kolorektales Karzinom � Re � � � � � � � Re � �<br />
Kopf-Hals-Tumor � Re � � � � � � � �<br />
Lymphom � St Re � � � � � � � � �<br />
Melanom � St Re � � � � � � � � �<br />
Ösophaguskarzinom � St � � � � � � � �<br />
Pankreaskarzinom � D St Re � � � � � � �<br />
Ovarialkarzinom � Re � � � � �<br />
Mammakarzinom � � � � � � � � �<br />
Hodenkarzinom � � � � � �<br />
Schilddrüsenkarzinom � � � � � � �<br />
Hirntumoren � Re � � � � � � � �<br />
Unbek. Primärtumor � � � � � � � �<br />
� PET wird vergütet (Von GKV akzept. Indikation) 1) Nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom<br />
� PET ist Standarduntersuchung! D Diagnose benigne/maligne<br />
� Priorität bei Bewertung von Effektivität und Outcome St Prätherapeutisches Staging<br />
� Akzeptierte Indikation Re Nachweis eines Rezidives oder Restaging<br />
� Akzeptierte, aber selten nachgefragte Indikation<br />
Entwicklungsland �<br />
PET nur für<br />
Privatpatienten
INTENSITÄTSMODULIERTE STRAHLENTHERAPIE<br />
Eine Alternative zur Operation<br />
Erfahrungsbericht von Helmut Illini<br />
Vorwort<br />
Vom 19.10.04 bis 14.12.04 war ich im Deutschen<br />
Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg zur<br />
Durchführung einer intensitätsmodulierten Strahlentherapie<br />
(IMRT) bei <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />
Bereits in der Vorbereitung hatte ich mich intensiv mit<br />
dem Thema beschäftigt und nachfolgend an Ort und<br />
Stelle bemüht, mein Verständnis durch Literatur,<br />
Arztgespräche und Erfahrungsaustausch zu vertiefen.<br />
Ich bin beeindruckt von der Leistung, welche hier in<br />
Forschung und Entwicklung erbracht wurde und in der<br />
klinischen Anwendung umgesetzt wird. Dies hat mich<br />
veranlasst, einen ausführlichen Bericht zu schreiben, um<br />
meine Eindrücke und Erkenntnisse auch anderen<br />
Interessierten vermitteln zu können. Er enthält Informationen<br />
über Entwicklung, Technik und Ergebnisse,<br />
sowie eine Schilderung meiner persönlichen Erfahrungen<br />
und Eindrücke bei der Durchführung.<br />
Es ist mir ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass die<br />
IMRT bei entsprechender Indikation eine höchst interessante<br />
Alternative zur Operation darstellt und bei mindestens<br />
gleichwertigen Erfolgs-Chancen ein deutlich geringeres<br />
Risiko für bleibende Nebenwirkungen mit sich<br />
bringt.<br />
Ausgangs-Situation<br />
Knapp drei <strong>Jahre</strong> nach Beendigung einer Dreifachen<br />
Hormonblockade sah ich mich durch steigende PSA-<br />
Werte (zuletzt 6.7 unter Proscar) zu erneutem Handeln<br />
veranlasst. Eine endorektale MRT erbrachte den<br />
Verdacht der Kapsel-Infiltration, eine erneute Biopsie die<br />
Bestätigung von Tumor-Aktivität. 5 von 10 Stanzen waren<br />
positiv, die Befundung durch Prof. Bonkhoff ergab einen<br />
GS von 3+4, ohne neuroendokrine Differenzierung.<br />
Nach einer langen und schwierigen Informations-Phase<br />
entschied ich mich für die IMRT im DKFZ Heidelberg.<br />
Meine intensive Suche, das Sammeln von Informationen,<br />
Berichten und Ergebnissen, die geführten<br />
Gespräche und Korrespondenz bestärkten mich in der<br />
Überzeugung, dass diese Therapie in meiner Situation<br />
ein Maximum an Chancen mit einem Minimum an<br />
Risiken verbindet. Ich gewann auch zunehmend den<br />
Eindruck, dass die erforderlichen Kriterien Geräteausstattung,<br />
ausreichende Erfahrung, präzise Planung<br />
und geschultes Personal im DKFZ in optimaler Form<br />
erfüllt sind. So fuhr ich nach Heidelberg mit der<br />
Zuversicht, dort die beste, bundesweit (vielleicht sogar<br />
europaweit) verfügbare Strahlentherapie zu erhalten.<br />
Entwicklung<br />
Bereits in den <strong>Jahre</strong>n 1980-90 wurde im DKFZ ein<br />
Verfahren entwickelt, welches die Bestrahlung wesentlich<br />
verbesserte: Die dreidimensionale Strahlentherapie-<br />
Planung.<br />
Ein relativ junges Forscherteam um Prof. Schlegel entwickelte<br />
anschließend die äußerst komplexe Software<br />
für die Planung und Durchführung einer Strahlentherapie,<br />
welche es möglich macht, durch computergesteuerte<br />
Strahlenblenden ein bestimmtes Zielgebiet nicht nur<br />
dreidimensional zu erfassen, sondern auch Teilbereiche<br />
desselben mit unterschiedlicher Intensität zu bestrahlen,<br />
oder diese auszusparen.<br />
Durch diese neue Technik wurde es möglich, auch kompliziert<br />
geformte Tumoren in hochsensiblen Bereichen zu<br />
bestrahlen und gleichzeitig benachbarte Risikoorgane<br />
und Gewebestrukturen deutlich besser zu schonen.<br />
Sie wurde zunächst vom Memorial Sloan Kettering<br />
Cancer Center in New York übernommen und 1996<br />
weltweit erstmals klinisch eingesetzt. In einer nachfolgenden<br />
klinischen Studie mit über 700 Patienten mit<br />
Prostata-Karzinom wurde gezeigt, dass das krankheitsfreie<br />
Überleben wesentlich gesteigert werden konnte<br />
und die Nebenwirkungen trotz höherer Dosis deutlich<br />
23
eduziert wurden. Damit wurden operationsidentische<br />
Heilungsquoten erreicht bzw. noch übertroffen.<br />
In Europa wurden 1997 die ersten Patienten im DKFZ in<br />
Heidelberg mit der IMRT behandelt. Inzwischen wird<br />
diese Technik an verschiedenen Standorten angeboten;<br />
neben Heidelberg dürften die Charite in Berlin und das<br />
Südharzkrankenhaus in Nordhausen die meiste Erfahrung<br />
haben. Ein flächendeckender Einsatz scheitert<br />
noch an den erforderlichen hohen Investitionen für<br />
Hard- und Software sowie am Mangel entsprechend<br />
ausgebildeter Fachkräfte. Hier ist vor allem eine intensive<br />
Zusammenarbeit zwischen Strahlentherapeuten und<br />
Physikern gefordert.<br />
Therapie<br />
Bestrahlt wird mit einer Dosis von insgesamt 76 Gy in 38<br />
Fraktionen à 2 Gy. Diese finden von Montag bis Freitag<br />
täglich statt (ausgenommen Wartungs- u. Feiertage).<br />
Durch die intensitätsmodulierte Strahlentherapie lässt<br />
sich eine deutliche Verbesserung der Dosisverteilung<br />
erreichen. Mit ihr ist es möglich, die Intensität der<br />
Strahlendosis innerhalb eines Bestrahlungsfeldes zu verändern<br />
(modulieren). Das Feld wird in viele kleine<br />
Teilbereiche zerlegt, die mit jeweils unterschiedlicher<br />
Intensität bestrahlt werden.<br />
Durch die Überlagerung mehrerer aus verschiedenen<br />
Richtungen eingestrahlter Felder wird es ermöglicht, an<br />
jedem Punkt durch Überschneidung der Strahlenbündel<br />
und Addition ihrer Intensitäten die vorausberechnete<br />
Dosis zu erreichen. In anderen Bereichen ergibt sich<br />
durch Abblenden eine deutlich geringere Dosis; dies<br />
ermöglicht eine weitgehende Schonung der Risiko-<br />
Organe. So wird es möglich, auch komplex geformte<br />
Körperregionen durch viele einzelne Felder aus verschiedenen<br />
Richtungen zu bestrahlen.<br />
Durch CT wird wöchentlich überprüft, dass sich an der<br />
Lagerung des Patienten sowie an der Form der Prostata<br />
nichts verändert hat. Hierfür wurde ein System entwickelt<br />
welches es ermöglicht, den Patienten auf dem<br />
Bestrahlungstisch liegend durch einen Computer-<br />
Tomographen, der sich auf Hochpräzisionsschienen<br />
bewegt, zu untersuchen. Dieses Hybrid- System "Primatom"<br />
von Siemens im DKFZ war das erste System seiner<br />
Art in Europa.<br />
24<br />
Strahlenschäden können teils neutralisiert, teils repariert<br />
werden. Erholungs- und Reparaturprozesse laufen<br />
sowohl in Normal- wie auch in Tumorzellen ab. Die<br />
Erholungsfähigkeit von Normal- und Tumorgewebe ist<br />
jedoch ganz unterschiedlich; sie ist für Normalgewebe<br />
bedeutend größer und läuft schneller ab als im<br />
Tumorgewebe.<br />
Diese Unterschiede macht man sich für die Therapie<br />
zunutze; sie sind die Begründung dafür, dass die verordnete<br />
Dosis in viele Einzelfraktionen unterteilt wird. In den<br />
Bestrahlungs-Intervallen kann sich das gesunde<br />
Normalgewebe erholen und aufgetretene Schäden<br />
reparieren.<br />
Eine entscheidende Voraussetzung für eine hohe<br />
Zielgenauigkeit der Strahlentherapie ist die präzise (Re-)<br />
Positionierung des Patienten unter der Strahlenquelle. Zur<br />
Erreichung dieses Ziels wird ein enormer Aufwand betrieben.<br />
Es wird eine passgenaue steife Hohlform für Rumpf<br />
und Kopf gefertigt und fixiert, welche eine gleichbleibende<br />
Lagerung während der Bestrahlung ermöglicht.<br />
Das Untergestell lässt sich auf einem computergesteuerten<br />
Schlitten in die richtige Position bringen, welche<br />
durch Laser-Koordinaten zusätzlich überprüft wird.<br />
Die akuten Nebenwirkungen hielten sich insgesamt in<br />
erfreulichen Grenzen.<br />
Etwa ab der 3. Woche stellte sich ein verstärkter Harndrang<br />
ein, der sich in der nachfolgenden Zeit noch steigerte.<br />
Eine weitere Folge war verstärkte Müdigkeit, die<br />
häufig berichtet wird und wohl durch die Überschwemmung<br />
des Stoffwechsels mit Zellabbau-Produkten erklärbar<br />
ist. Eine leichte Hautreizung im bestrahlten Gebiet<br />
wurde mit Puder behandelt und machte keine nennenswerten<br />
Beschwerden. Mit dem Darm hatte ich keinerlei<br />
Schwierigkeiten, Appetit und Schlaf waren hervorragend.<br />
Nachsorge<br />
Knapp sechs Monate nach Abschluss der Therapie kann<br />
ich nur Positives berichten.<br />
Eine Kontroll-Untersuchung zeigte einen "unauffälligen<br />
poststrahlentherapeutischen Verlauf mit einem regelrechten<br />
MRT-Befund". Das Allgemeinbefinden ist größtenteils<br />
sehr zufriedenstellend. Kleine Einbrüche<br />
(Müdigkeit, reduzierte Belastbarkeit) können noch leichte
Nachwirkungen sein, sind aber auch altersbedingt<br />
denkbar (ich bin 75). Der Harndrang hat sich normalisiert;<br />
die Blase war nur in den letzten Monaten noch<br />
etwas empfindlich gegen Kältereize. Appetit, Verdauung<br />
und Schlaf sind unverändert gut und ich nehme keinerlei<br />
Medikamente.<br />
Die erste PSA-Kontroll-Messung soll frühestens 3 Monate<br />
nach Therapie-Ende vorgenommen werden und dann<br />
einen Wert ergeben, der höchstens die Hälfte des<br />
Ausgangswertes beträgt. Dieser Wert lag bei 1.24, der<br />
Ausgangswert (unter Proscar!) bei 6.7. Bis zum Erreichen<br />
des Tiefst-Wertes können bis zu 2 <strong>Jahre</strong> vergehen.<br />
Fazit<br />
Die hohen Erwartungen, mit denen ich nach Heidelberg<br />
fuhr, wurden nicht nur erfüllt, sondern noch übertroffen.<br />
Dies betrifft sowohl die Durchführung der Therapie wie<br />
auch die Atmosphäre im DKFZ.<br />
Ob in der Beratung durch die Ärzte, im Gespräch mit<br />
den MTAs oder sonstigen Hilfskräften, selbst bei der<br />
Anmeldung spürte man Kompetenz, Freundlichkeit und<br />
eine hervorragende Organisation. Die Gesprächspartner<br />
waren konzentriert, aufmerksam und informationsbereit.<br />
Man gewann den wohltuenden Eindruck, als<br />
Patient ernst genommen zu werden.<br />
Der gute Ruf des DKFZ und die Chancen der IMRT werden<br />
wohl durch die Tatsache bestätigt, dass ich seit kurzem<br />
mit einem Betroffenen Kontakt habe, der sich derzeit<br />
in Heidelberg zur Durchführung der Therapie aufhält<br />
und zu diesem Zweck aus Australien nach Deutschland<br />
kam!<br />
So glaube ich, eine gute Entscheidung getroffen zu haben,<br />
die auch zu einem befriedigenden Ergebnis führt.<br />
Der Bericht ist unter www.prostatakrebse.de "Texte" (Nr.<br />
22) abrufbar. Betroffene, welche keinen Internet-Zugang<br />
haben, können eine Druckversion auch direkt bei mir<br />
anfordern. (Kostenbeteiligung erbeten).<br />
Tel. u. Fax 0911/605042, e-Mail helmut@illini.de<br />
HELMUT ILLINI, Mai 2005<br />
Anmerkung<br />
Helmut hatte mit seinem Gleason Score 3+4=7 einen<br />
Faktor im mittleren Risikobereich und einen im höheren<br />
Risikobereich, da nicht weniger als 50% der Stanzen seiner<br />
Biopsie befallen waren. Damit war ein Auf und Ab<br />
des PSA-Wertes mit steigender Tendenz nach Absetzen<br />
der DHB mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten (wie<br />
bei mir persönlich auch). Dr. Leibowitz empfiehlt in einer<br />
solchen Situation, die Nerven zu behalten und gegebenenfalls<br />
auch höhere PSA-Werte zuzulassen, die auch<br />
wieder fallen können. Das bedarf aber einer ständigen<br />
Beobachtung und Kontrolle. Wenn es denn notwendig<br />
ist, empfiehlt er als nächsten Schritt den antiangiogenen<br />
Cocktail oder gegebenenfalls einen zweiten Zyklus der<br />
DHB, jedoch mit Ketokonazole als Antiandrogen zusammen<br />
mit einer gering dosierten Chemotherapie.<br />
Helmut war fast 3 <strong>Jahre</strong> abgesetzt von der DHB.<br />
Da es leider in Deutschland keine Ärzte mit Erfahrungen<br />
nach Absetzen der DHB gibt, der alle individuellen<br />
Faktoren unter diesem Gesichtspunkt zu einer weiteren<br />
Empfehlung zusammenfassen kann – eine große<br />
Schwierigkeit hier in Deutschland –, ist es nun mal die<br />
ganz persönliche Entscheidung des Patienten, welche<br />
Maßnahmen er in dieser Situation für sich als richtig<br />
ansieht. Das kann ich nachvollziehen. Helmut hat damit<br />
wieder die für ihn richtige Entscheidung getroffen. Wir<br />
stellen seinen positiven Bericht über die IMRT in<br />
Heidelberg als eine subjektive individuelle Patientenerfahrung<br />
allen Lesern gern zur Verfügung und wünschen<br />
ihm einen sehr langen Zeitraum mit verschwindend<br />
geringen PSA-Werten.<br />
CHRISTIAN LIGENSA,<br />
STELLVERTRETENDER VORSITZENDER<br />
BUNDESVERBAND PROSTATAKREBS SELBSTHILFE<br />
25
FITNESS TROTZ FATIGUE - BEWEGUNG UND SPORT<br />
BEI TUMORBEDIGTEM MÜDIGKEITSSYNDROM<br />
Neuer Ratgeber der Deutschen Fatigue Gesellschaft<br />
Da über das Fatigue-Syndrom und<br />
seine Ursachen noch wenig bekannt<br />
ist, gibt es bislang auch nur<br />
wenig gesicherte und erfolgversprechende<br />
Therapien. Belegt ist<br />
hingegen in zahlreichen Studien,<br />
dass Bewegung und Sport helfen,<br />
chronische Müdigkeitszustände zu<br />
verbessern. Sportwissenschaftler<br />
der Freien Universität Berlin etwa<br />
haben Krebspatienten während<br />
der Behandlung ein Fahrradergometer<br />
ans Bett gestellt und sie<br />
regelmäßig – je nach individueller<br />
Leistungsfähigkeit – trainieren lassen.<br />
Verblüffend: Die Patienten hatten<br />
weniger Schmerzen, waren<br />
weniger erschöpft, hatten bessere<br />
Blutwerte, benötigten weniger be-<br />
LANGFRISTIGE LINDERUNG BEI<br />
KNOCHENSCHMERZEN<br />
Red. (gk): Wenn Krebspatienten zu Schmerzpatienten<br />
werden, sind dafür häufig Tochtergeschwülste des<br />
eigentlichen Tumors im Knochengerüst verantwortlich.<br />
Wie genau die Schmerzen entstehen, ist noch nicht eindeutig<br />
geklärt. Sicher spielen mehrere Faktoren eine<br />
Rolle, z. B. mechanische und chemische Einflüsse, wenn<br />
die Krebsgeschwulst in den Knochen hineinwächst, Freisetzung<br />
von Schmerzstoffen, direkte Nervenreizungen<br />
durch den Tumor oder Stoffwechselveränderungen im<br />
Tumorgewebe.<br />
Viele Patienten erhalten gegen diesen durch den Tumor<br />
verursachten Knochenschmerz stark wirksame Medi-<br />
26<br />
kamente (z.B. Opiate), die häufig mit zahlreichen<br />
Nebenwirkungen einhergehen. Als wirksame und sehr<br />
gut verträgliche alternative Behandlungsmöglichkeit ist<br />
seit <strong>Jahre</strong>n auch die sogenannte Radionuklidtherapie in<br />
Deutschland eingeführt und bewährt.<br />
Wie funktioniert die<br />
Radionuklidtherapie?<br />
gleitende Medikamente und konnten<br />
schneller das Krankenhaus verlassen.<br />
Die Deutsche Fatigue Gesellschaft<br />
hat jetzt einen Ratgeber<br />
im DIN-A-5-Format herausgegeben,<br />
der zahlreiche Tipps und<br />
Informationen rund um das Thema<br />
„Bewegung und Sport bei tumorbedingtem<br />
Müdigkeitssyndrom“ gibt.<br />
Die Broschüre enthält zahlreiche<br />
Schaubilder mit gymnastischen<br />
Übungen, ein Trainingstagebuch<br />
sowie ausführliche Anleitungen zu<br />
Nordic Walking und Entspannungsverfahren.<br />
Sie können sie<br />
kostenfrei bei der Deutschen<br />
Fatigue Gesellschaft beziehen<br />
(Tel.: 0221 – 93 115 96 oder Fax:<br />
0221– 93 115 97).<br />
In vielen Tochtergeschwülsten im Skelett ist die Stoffwechselaktivität<br />
(der Stoffumsatz) gegenüber dem<br />
umliegenden gesunden Knochengewebe stark erhöht.
Dies macht man sich bei der Radionuklidtherapie zunutze,<br />
bei der Substanzen zum Einsatz kommen, die sich<br />
um so stärker im Knochengewebe anreichern, je höher<br />
die Stoffwechselaktivität ist. Man kann so die Wirkstoffe<br />
gezielt an die Krebszellen heranbringen - sogar an<br />
Tochtergeschwülste, die bisher noch nicht diagnostiziert<br />
werden konnten.<br />
Bei den Radionukliden (zum Beispiel Samarium-153-<br />
Lexidronam) handelt es sich überwiegend um sogenannte<br />
Beta-Strahler. Die Strahlung hat im Körpergewebe<br />
nur eine Reichweite von wenigen Millimetern.<br />
Hat sich der „Strahler" an das betroffene Knochengewebe<br />
angelagert, wirkt er nur im Bereich der Krebszellen,<br />
während das umliegende, gesunde Gewebe weitestgehend<br />
geschont wird.<br />
Reichert sich nun ein Radionuklid in einer Tochtergeschwulst<br />
im Knochen an, so kommt es durch die Bestrahlung<br />
des Tumors bei etwa 80 Prozent der Patienten<br />
zu einer deutlichen Verringerung der Schmerzen in den<br />
betroffenen Gebieten. Üblicherweise können dann die<br />
Schmerzmedikamente in einer geringeren Dosis eingenommen<br />
oder sogar vorübergehend ganz abgesetzt<br />
werden. Eine Heilung von der Krebserkrankung ist allerdings<br />
nicht zu erwarten.<br />
Was sollte vor der Behandlung<br />
geschehen?<br />
Vor der Behandlung sollte eine sogenannte Skelettszintigraphie<br />
– eine Untersuchung des Knochengerüstes<br />
zum Nachweis von Metastasen – durchgeführt werden.<br />
Da die Radionuklidtherapie nicht bei allen Krebsformen<br />
wirksam ist, wird mit dieser Untersuchung sichergestellt,<br />
dass die befallenen Knochen die Wirksubstanz auch<br />
wirklich anreichern. Gut abgeklärt werden müssen vor<br />
der Behandlung auch größere Tochtergeschwülste im<br />
Bereich der Wirbelsäule. Im ungünstigsten Fall kann die<br />
Therapie eine sogenannte Rückenmarkkompression verstärken,<br />
bei der wichtige Nerven in Mitleidenschaft<br />
gezogen werden können.<br />
Zusätzlich wird der behandelnde Arzt ein Blutbild erstellen,<br />
um sicherzugehen, dass ausreichend weiße<br />
Blutkörperchen und -plättchen vorhanden sind. Wurde<br />
bei Patienten zuvor eine Chemotherapie oder eine<br />
Strahlentherapie durchgeführt, so muss sich das Blutbild<br />
<strong>Prostatakrebs</strong>-Patient mit Befall des Skeletts.<br />
Nach der Injektion wird im Skelettszintigramm<br />
deutlich sichtbar, dass sich das Radionuklid<br />
an das betroffene Gewebe angelagert hat.<br />
wieder normalisiert haben, bevor die Radionuklidtherapie<br />
durchgeführt werden kann (nach etwa acht<br />
Wochen).<br />
Die Nierenfunktion des zu behandelnden Patienten sollte<br />
ausreichend gut sein; auch sollte er keine Probleme<br />
beim Wasserlassen haben. Dies ist wichtig, da nicht<br />
angelagerte Radio-nuklidreste innerhalb weniger Stunden<br />
mit dem Harn ausgeschieden werden. Schwangere<br />
und stillende Frauen dürfen nicht behandelt werden.<br />
Wie läuft die Behandlung ab?<br />
Der Ablauf der Radionuklidtherapie ist denkbar unkompliziert:<br />
Der Wirkstoff wird über die Armvene in den<br />
Blutkreislauf gespritzt. Ein hoher Prozentsatz lagert sich an<br />
den Tochtergeschwülsten an, der Rest wird über die<br />
Nieren ausgeschieden. Um diesen Ausscheidungsprozess<br />
zu unterstützen, sollten die Patienten vor und nach<br />
der Injektion viel Flüssigkeit trinken und anschließend so<br />
27
oft wie möglich auf die Toilette gehen, damit das nicht<br />
angelagerte Radionuklid möglichst schnell wieder ausgeschieden<br />
wird.<br />
Außerdem sollte in den ersten zwei bis drei Tagen nach<br />
der Radionuklidinjektion der enge Körperkontakt mit<br />
Schwangeren und Kleinkindern vermieden werden.<br />
Wie wirkt die Radionuklidtherapie? Die Wirkung der<br />
Radionuklidtherapie setzt normalerweise drei bis sieben<br />
Tage nach der Injektion ein. Es ist daher sehr wichtig,<br />
dass anfänglich die bis dahin übliche (Schmerz-)<br />
Medikation aufrechterhalten wird. In wenigen Fällen<br />
kann es bis etwa drei Tage nach der Injektion sogar zu<br />
einer kurzfristigen Verstärkung der Schmerzen kommen,<br />
bevor dann bei bis zu 80 Prozent der behandelten Patienten<br />
die Schmerzlinderung eintritt. Erst dann sollte in<br />
enger Absprache mit dem behandelnden Arzt die<br />
Einnahme der Schmerzmittel verringert werden. Die<br />
Wirkungsdauer der Radionuklidtherapie beträgt bis zu<br />
vier Monate, in Einzelfällen auch länger.<br />
Auflösung des Rätsels von Seite 18:<br />
28<br />
Welche Nebenwirkungen<br />
können auftreten?<br />
Die Radionuklidtherapie führt zu einer vorübergehenden<br />
Veränderung des Blutbildes: Weiße Blutkörperchen und<br />
Blutplättchen verringern sich. Spätestens nach acht<br />
Wochen ist jedoch normalerweise der Ausgangswert<br />
wieder erreicht. Aus diesem Grunde soll das Blutbild<br />
nach der Therapie acht Wochen lang kontrolliert werden.<br />
War das Blutbild vor der Behandlung normal, sind<br />
ernste Komplikationen nicht zu erwarten. Das Knochenmark,<br />
dass die Blutzellen bildet, erholt sich schnell.<br />
Darüber hinaus ist die Radionuklidtherapie sehr gut verträglich<br />
und kann problemlos mehrfach wiederholt werden,<br />
sobald sich das Blutbild jeweils wieder normalisiert<br />
hat.<br />
Weitere Informationen erfragen Sie bitte bei Ihrem<br />
behandelnden Arzt.<br />
Tel. 06221 - 42 2000<br />
Mo-Fr 12-16 Uhr<br />
Informationsdienst<br />
Krebsschmerz<br />
➾ Kompetente und bedarfsorientierte Informationen für Patienten und Angehörige<br />
➾ Vermittlung wohnortnaher Adressen von Einrichtungen, die auf die Behandlung<br />
von Krebsschmerzpatienten spezialisiert sind<br />
➾ Kostenloses Informationsmaterial<br />
Sie können die „Patienteninformation – Dokumentation –<br />
Symptome, Diagnostik und Behandlung von Knochenmetastasen“<br />
mit beiliegender Bestellkarte bei der Geschäftsstelle anfordern.<br />
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Katze Pferd Vogel FISCH Hund<br />
Der Fisch gehört dem Deutschen!
ZUM UROLOGEN ODER ZUM ONKOLOGEN?<br />
Welchem Arzt vertraue ich mich an,<br />
wenn mein Krebs refraktär wird?<br />
von Gerd Unterstenhöfer<br />
Im Juli diesen <strong>Jahre</strong>s konnte ich<br />
mein 10-jähriges <strong>Prostatakrebs</strong>jubiläum<br />
feiern (vor zehn<br />
<strong>Jahre</strong>n war mein Ausgangs-<br />
PSA-Wert 82; mein Krebs hatte<br />
die Kapsel bereits verlassen<br />
und war so tief in die Blase eingedrungen,<br />
dass nicht nur die<br />
Prostata sondern auch ein<br />
Drittel der Blase entfernt werden<br />
mussten; Schnittränder waren positiv; mein Krebs besaß<br />
den höchstmöglichen Malignitätsgrad G III b und die<br />
Gleasonsumme wäre 10 gewesen, wenn man sie<br />
damals schon festgestellt hätte.)<br />
Mit der intermittierenden Hormonblockade und mehreren<br />
auf meine Psyche gerichteten Aktivitäten konnte ich<br />
meinen Krebs acht <strong>Jahre</strong> lang kontrollieren, aber dann<br />
fing der PSA-Wert unter der Hormonblockade an, nachhaltig<br />
zu steigen. Als er bei 77 war, konnte ich mich der<br />
Einsicht nicht mehr entziehen, dass mein Krebs refraktär<br />
war, und ich wechselte vom Urologen zum Onkologen.<br />
– Der Grund für diesen Wechsel war folgende Überlegung:<br />
Das Fachgebiet des Urologen ist der Urogenitaltrakt,<br />
und da mein Krebs spätestens jetzt systemisch<br />
war, hatte er das genannte Fachgebiet verlassen. Von<br />
den Onkologen/Hämatologen wusste ich, dass sie in<br />
aller Regel Internisten sind, also sehr viel vom gesamten<br />
Körper, sämtlichen Organen, vom Blut und von Wechselwirkungen<br />
verstehen und darüber hinaus eine mehrjährige<br />
Fachausbildung in Spezialkliniken für Onkologie/Hämatologie<br />
erhalten.<br />
Unter der Therapie meiner Onkologin hat sich mein PSA-<br />
Wert seit einem halben Jahr auf einem Plateau von etwa<br />
13 ng/ml stabilisiert, und bildgebende Verfahren bestätigen,<br />
dass meine osteoblastischen Metastasen nicht nur<br />
– wie seit <strong>Jahre</strong>n – inaktiv sind, sondern sogar eine leichte<br />
Tendenz zur Rückbildung zeigen. Ich halte meine Ent-<br />
scheidung, den Arzt zu wechseln, also für uneingeschränkt<br />
richtig.<br />
Nun habe ich seit fast zwei <strong>Jahre</strong>n die Aufgabe übernommen,<br />
eine der ältesten und größten <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen<br />
für <strong>Prostatakrebs</strong>kranke zu leiten (SHG <strong>Prostatakrebs</strong><br />
Uwe Peters, Rhein-Main). Und in unserer SHG hören<br />
wir Äußerungen von Urologen, die mich nachdenklich<br />
machen. Im Originalton heißt es dann auf die entsprechende<br />
Frage etwa: „Aber selbstverständlich kann der<br />
Urologe auch Chemotherapie machen. – Meine Herren,<br />
Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, was ein<br />
Urologe alles lernt und kann.“ Oder, wie uns neulich ein<br />
Professor Dr. med., Chefarzt der Urologie ..., der eine<br />
hervorragende Öffentlichkeitsarbeit betreibt, belehrte:<br />
„Ja, was soll denn ein Onkologe können, was der<br />
Urologe nicht ebenfalls kann?“<br />
Als Betroffener stelle ich mir daher die Frage: „Gibt es<br />
objektive Daten und Kriterien, die für die Entscheidung<br />
hilfreich sind, ob wir mit unserem refraktären <strong>Prostatakrebs</strong><br />
weiter beim Urologen bleiben oder uns besser<br />
einem kompetenten Onkologen anvertrauen?“<br />
Zur richtigen Antwort auf diese Frage besinne ich mich<br />
auf meine eigene Berufserfahrung. Ich war ein Experte<br />
der Lerntechnologie und habe im Auftrag großer Industrieunternehmen<br />
und öffentlicher Auftraggeber unter<br />
anderem vorhandene Ausbildungssysteme evaluiert. –<br />
Es liegt also nahe, die Ausbildungsgänge samt ihren<br />
Zugangsvoraussetzungen und die Abschlüsse der infragestehenden<br />
Ärztegruppen in allen notwendigen Einzelheiten<br />
zu untersuchen, damit sie für uns <strong>Prostatakrebs</strong>kranke<br />
miteinander vergleichbar werden und jeder von<br />
uns eine klare Entscheidungsgrundlage bekommt, welchem<br />
Arzt er sich im Fall der Fälle anvertraut.<br />
Zuerst habe ich mich deshalb mit der Aus- und Weiterbildung<br />
der Onkologen vertraut gemacht. Ich bitte den<br />
Leser um Nachsicht, wenn ich ihm aus Gründen der<br />
29
Schwerpunkt Hämatologie<br />
und Internistische Onkologie<br />
Korrektheit einige Wortungetüme zumute: Im offiziellen<br />
Sprachgebrauch sind es Ärzte für Innere Medizin, die von<br />
der zuständigen Landesärztekammer „die Anerkennung<br />
zum Führen der Teilgebietsbezeichnung im Schwerpunkt<br />
„Hämatologie und Internistische Onkologie““ erhalten<br />
haben. Die dazu notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten<br />
erwirbt der zukünftige Onkologe an einer „Weiterbildungsstätte<br />
gem. § 8 Abs.1“, die unter der Leitung<br />
eines Universitätsprofessors steht, der im oben genannten<br />
Fachbereich die „volle Aus- und Weiterbildungsberechtigung“<br />
der Landesärztekammer besitzt.<br />
Zu deutsch: Der Arzt, der in der Regel bereits Internist ist,<br />
lernt und arbeitet hauptberuflich zwei <strong>Jahre</strong> an einer<br />
30<br />
Inhalt und Ziel der Weiterbildung:<br />
Vermittlung, Erwerb und Nachweis besonderer Kenntnisse<br />
und Erfahrungen in der Physiologie und Pathophysiologie<br />
der Blutbildung, des Blutabbaus, der Blutgerinnung und der<br />
Fibrinolyse, der Ätiologie, Pathogenese, Symptomatologie,<br />
Diagnostik und Therapie der primären und sekundären<br />
Erkrankungen des Blutes, der blutbildenden Organe, des<br />
lymphatischen Systems und der malignen Tumoren, humoraler<br />
und zellulärer Immundefekte sowie der hämorrhagischen<br />
Diathesen und Hyperkoagulopathien.<br />
Hierzu gehören im Schwerpunkt Hämatologie und<br />
Internistische Onkologie:<br />
Besondere Kenntnisse und Erfahrungen in<br />
•Prophylaxe, Ätiologie, Pathogenese, Pathophysiologie,<br />
Symptomatologie, Diagnostik und Differentialdiagnostik<br />
sowie Stadieneinteilungen der Erkrankungen des Blutes,<br />
der blutbildenden Organe und des lymphatischen<br />
Systems einschließlich maligner Systemerkrankungen,<br />
humoraler und zellulärer Immundefekte sowie hämorrhagischer<br />
Diathesen und Hyperkoagulopathien sowie der<br />
systemischen chemotherapeutischen Behandlung der<br />
Methodik und Durchführung der speziellen Laboruntersuchungen<br />
sowie der Bewertung der Befunde<br />
• der Durchführung von Punktionen und Biopsien<br />
• der Beurteilung der Blutungs- und Thromboemboliegefährdung<br />
bei Patienten mit Erkrankungen des Schwerpunktes<br />
sowie die Festlegung der klinischen Stadien bei<br />
hämatologischen Systemerkrankungen und Tumorerkrankungen<br />
einschließlich deren Prophylaxe und Therapie<br />
• Indikationsstellung, Durchführung und Beurteilung hämostaseologischer<br />
Untersuchungen<br />
• sonographischen Untersuchungen des Schwerpunktes<br />
• der Beurteilung schwerpunktspezifischer radiologischer<br />
und nuklearmedizinischer Untersuchungen<br />
• der Therapie und Rehabilitation der zum Schwerpunkt<br />
gehörenden Gesundheitsstörungen einschließlich der<br />
theoretischen Grundlagen und der praktischen Anwendung<br />
der medikamentösen Therapie und ihrer Nebenwirkungen<br />
sowie der Indikationsstellung zu weiterführenden<br />
Behandlungen<br />
• den theoretischen Grundlagen und der praktischen<br />
Anwendung der zytostatischen Therapie bei Tumorerkrankungen<br />
einschließlich der supportiven Therapie und<br />
der Intensivbehandlung akut lebensbedrohlicher Störungen<br />
• interdisziplinärer Indikationsstellung und prognostischer<br />
Beurteilung chirurgischer, strahlentherapeutischer und<br />
nuklearmedizinischer Behandlungsverfahren des Schwerpunktes<br />
• Behandlung und Rehabilitation angeborener oder erworbener<br />
hämorrhagischer Diathesen<br />
• Nachsorge, psychosozialer Behandlung und Rehabilitation<br />
von Patienten mit Tumorerkrankungen<br />
• Diagnostik des Ernährungsverhaltens und des Ernährungszustandes,<br />
Grundlagen der Ernährungsberatung und<br />
Ernährungstherapie, insbesondere enterale und parenterale<br />
Ernährung<br />
• den Zusammenhangsfragen zwischen Erkrankungen des<br />
Schwerpunktes und externen Schädigungsfaktoren.<br />
Fachklinik für Onkologie und erwirbt dabei die seinem<br />
Berufsbild entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten.<br />
Die Ausbildung erfolgt an Zentren, an denen verschiedene<br />
Tumoren therapiert werden. Das gibt dem Auszubildenden<br />
die Chance, eine breite Zahl verschiedener<br />
Chemotherapeutika kennenzulernen, so dass er genügend<br />
Erfahrungen mit Chemotherapeutika sammelt,<br />
die er dann auch beim <strong>Prostatakrebs</strong>patienten anwendet.<br />
– Wir können uns diesen Lern- und Arbeitsprozess<br />
veranschaulichen, wenn wir ihn bezüglich seiner Didaktik<br />
mit der Handwerkslehre vergleichen; denn auch dort<br />
lernt der Lehrling in Theorie und Praxis von seinem Lehrmeister<br />
und er besucht parallel dazu die Berufsschule.
Der interessierte Leser findet im Kasten auf dieser Seite<br />
Auszüge aus dem Lernzielkatalog für die Onkologenausbildung,<br />
die fachlich offensichtlich sehr breit und tief<br />
ist. Der Auszubildende wird während des Lernprozesses<br />
mit einer wachsenden Anzahl von Krankheitsbildern konfrontiert<br />
– es gibt heute mehr als 130 verschiedene<br />
Krebsarten. – Leider kam es schon vor, dass einzelne<br />
Absolventen keine ausreichenden Kenntnisse der all diesen<br />
zugrunde liegenden Grunderkrankungen mehr<br />
erwarben und dieser Mangel in der an sich strengen<br />
Abschlussprüfung nicht festgestellt wurde. – Nur so wird<br />
es verständlich, dass kürzlich ein Onkologe einem <strong>Prostatakrebs</strong>kranken,<br />
der mit seinem erhöhten PSA-Wert<br />
direkt vom Hausarzt kam, prompt eine Chemotherapie<br />
verordnete, ohne zu merken, dass der Patient noch<br />
keine Hormontherapie erhalten hatte (das geschah übrigens<br />
nicht im Rhein-Main-Gebiet.)<br />
Dass diese Zusammenhänge aber sehr wohl Ausbildungsgegenstand<br />
sind, zeigt das Schaubild „Stadiengerechte<br />
Behandlung des Prostatakarzinoms“, das dem<br />
Lehrbuch „Hämatologie und internistische Onkologie“<br />
von D. P. Berger et al. entnommen ist.<br />
Anschließend habe ich die onkologische Aus- und Fortbildung<br />
des Urologen untersucht und zwar mit folgendem<br />
Ergebnis:<br />
Während beim Onkologen der zweijährige Ausbildungsprozess<br />
auf einer Facharztbildung aufbaut, ist die onkologische<br />
Ausbildung des Urologen lediglich Teil seiner<br />
Ausbildung zum Facharzt für Urologie. Der Hauptausbildungsgegenstand<br />
ist die urologische Chirurgie.<br />
Neben diesem Fach gibt es Nebenfächer, zu denen<br />
auch die Onkologie zählt. Einen Lernzielkatalog im Fach<br />
Onkologie gibt es bei der Aus- und Fortbildung der<br />
Urologen nicht und kann deshalb auch nicht in einem<br />
Kasten zum Vergleich mit den Onkologen wiedergegeben<br />
werden.<br />
Es hängt nun in hohem Maße von der Klinik und ihrem<br />
sog. Patientengut ab, in der der zukünftige Urologe seine<br />
Facharztausbildung absolviert, in welchem Maße und in<br />
welcher Qualität er Teile des Fachs Onkologie lernt.<br />
„Gemacht wird das, was reinkommt“, war der diesbezügliche<br />
Kommentar eines niedergelassenen Urologen.<br />
Damit wollte er ausdrücken, dass die onkologische<br />
Ausbildung unter anderem davon abhängt, welche<br />
Stadiengerechte Behandlung des Prostatakarzinoms<br />
Stadium 0<br />
inzidenteller<br />
Tumor<br />
pT1a pN0 M0,<br />
G1<br />
OP TUR +<br />
ggf.<br />
Nachresektion<br />
Beobachtung,<br />
Metastasenausschluss<br />
Stadium I - III<br />
lokal fortgeschrittener Tumor<br />
Patient operabel,<br />
70<strong>Jahre</strong>,<br />
AZ reduziert<br />
Radiotherapie<br />
Hormontherapie,<br />
gegebenfalls zusätzlich Chemotherapie<br />
TUR transurethrale Resektion, PLA pelvine Lymphadenektomie<br />
Stadium IV<br />
metastasierter<br />
Tumor<br />
T4 oder N2-3<br />
oder M1<br />
onkologischen Krankheitsbilder mit welcher Häufigkeit in<br />
seiner Ausbildungsklinik tatsächlich behandelt werden<br />
und damit Lerngegenstand werden können.<br />
Sowohl während der urologischen Facharztausbildung<br />
als auch nach deren Abschluss kann der Urologe auf<br />
freiwilliger Basis dem örtlichen AOU, dem „Arbeitskreis<br />
Onkologische Urologie“ beitreten. In diesem interdisziplinären<br />
Arbeitskreis trifft man sich zumeist einmal monatlich<br />
für etwa zwei Stunden, um Fachvorträge wie beispielsweise<br />
„Aktuelle Chemotherapiekonzepte beim hormonrefraktären<br />
Prostata-Carcinom – Grenzen und<br />
Möglichkeiten der ambulanten Therapie“ oder „Neue<br />
Ansätze in der Vakzinationstherapie beim PCA“ zu hören.<br />
Es finden weder praktische Übungen noch eine<br />
Lernkontrolle statt, wohl aber ein „urologisches<br />
Abendessen“ – was immer das sein mag – „im<br />
Restaurant des Hotels ... Plaza“, ... „ Weiter heißt es dann<br />
in der entsprechenden Einladung: „Die Veranstaltung<br />
wird freundlicherweise unterstützt von den Firmen....“.<br />
Genannt werden Pharmafirmen, die sich offensichtlich<br />
nicht nur durch ihre Pharmareferenten und Beipackzettel<br />
um die fachliche Qualifikation der „Uro-Onkologen“<br />
bemühen, sondern auch um deren leibliches Wohl. –<br />
Schließlich trägt die Einladung zur Sitzung noch den<br />
Hinweis: „Anerkannte Veranstaltung als Fortbildungsseminar<br />
der Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung im<br />
Bereich der LÄK Hessen und als AIP-Fortbildungsseminar<br />
gem. § 34c ÄappO. (CME)“.<br />
31
Trotzdem gibt es sie, die Urologen, die zumindest, was<br />
das Prostatakarzinom angeht, auch professionelle<br />
Onkologen sind (in unserem Forum gibt es gleich zwei<br />
mit einer solchen Qualifikation.) Sie sind jedoch mehr die<br />
Ausnahme als die Regel, und ihre Professionalität ist<br />
nicht das Ergebnis geplanter systematischer und zeitlich<br />
aufwendiger Ausbildung durch Kliniken und Ärztekammern,<br />
sondern die Folge hoher Eigeninitiative und<br />
Lernmotivation sowie ausgeprägter autodidaktischer<br />
Fähigkeiten, die ihnen geholfen haben, sich fundierte<br />
Kenntnisse und Fertigkeiten in diesem Teilgebiet der<br />
Onkologie anzueignen.<br />
Nachdem uns, den vom <strong>Prostatakrebs</strong> Betroffenen, nun<br />
ausreichend klar ist, wo, was und wie Onkologen und<br />
Urologen das onkologische Fach lernen, bleibt uns noch<br />
die Frage: „Wie finde ich denn den onkologisch hoch<br />
qualifizierten Arzt, dem ich mich anvertrauen kann,<br />
nachdem mein Krebs refraktär geworden ist?“<br />
NACHSORGE<br />
Ziel der Nachsorge beim kurativ therapierten Patienten<br />
ist die frühzeitige Erkennung von Rezidiven oder<br />
Metastasen. Beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom<br />
steht die Kontrolle und gegebenenfalls eine Umstellung<br />
der Therapie im Vordergrund.<br />
1. Nachsorgeuntersuchungen<br />
Zu der Nachsorgeuntersuchung gehören:<br />
• Anamnese und körperliche Untersuchung<br />
•Labor: Blutbild, Serumprofil<br />
• PSA: Nach radikaler Prostatektomie ist der PSA-Anstieg<br />
ein absolut zuverlässiger Hinweis auf ein Rezidiv oder<br />
eine Metastasierung. Auch der Erfolg der Radio-<br />
32<br />
Diese Frage ist relativ leicht zu beantworten: „Wenden Sie<br />
sich mit dieser Fragestellung an den Leiter der örtlichen<br />
SHG. Er weiß aus eigener Erfahrung und den Erfahrungen<br />
seiner Mitglieder, welchen Arzt er ihnen empfehlen<br />
kann, weil sich dessen Können in der Therapie<br />
anderer Betroffener überzeugend bewährt hat.“<br />
GERD UNTERSTENHÖFER<br />
SHG <strong>Prostatakrebs</strong> Uwe Peters, Rhein-Main<br />
therapie wird anhand des PSA-Wertes abgeschätzt.<br />
Da die PSA-Expression durch Androgene direkt stimuliert<br />
wird, ist PSA unter antiandrogener Therapie als<br />
Marker nicht so zuverlässig. Es ist davon auszugehen,<br />
dass ca. 20% von ausgedehnt metastasierten<br />
Tumoren nur geringe PSA-Serumkonzentrationen aufweisen.<br />
Trotzdem sollte das PSA zur Verlaufskontrolle<br />
unter antiandrogener Therapie eingesetzt werden, da<br />
kein anderer Marker von entsprechender Sensitivität<br />
vorhanden ist.<br />
• Sonographie<br />
•Fakultativ (bei PSA-Erhöhung oder Symptomen):<br />
Skelettszintigraphie, CT oder Röntgen Thorax.
PROSTATAKREBS UND INKONTINENZ<br />
Wege aus der Isolation – Aufklärung und <strong>Selbsthilfe</strong><br />
von Friedhelm Klingen<br />
Aufgrund meiner Vorerkrankung<br />
und der damit verbundenen<br />
Asthmaanfälle verbrachte ich<br />
nach meiner Prostatektomie<br />
fast vier Wochen mit einem<br />
Harnröhrenkatheder im Krankenhaus.<br />
Dieses hatte zur<br />
Folge, dass der Schließmuskel<br />
derart geschädigt wurde, dass<br />
eine dauernde Inkontinenz<br />
blieb. Mit Depressionen, Impotenz und Inkontinenz<br />
wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen.<br />
Die nun folgenden Wochen und Monate waren für mich<br />
das Schlimmste, was man sich vorstellen konnte. Ständig<br />
nässte ich mich ein, die mir verordneten Vorlagen waren<br />
nach wenigen Minuten durchnässt und mussten dann<br />
immer wieder gewechselt werden. Ständige Angst und<br />
Scham ließen mich in immer stärkere Depressionen verfallen.<br />
Unsere Freunde und Bekannten entfernten sich<br />
zunehmend. Ich kündigte die Mitgliedschaft in allen<br />
Vereinen und zog mich ganz in unsere vier Wände<br />
zurück. Die einzige, die zu mir hielt, mich immer wieder<br />
aufbaute und mir Trost spendete, war meine Familie. Die<br />
depressiven Phasen stellten sich immer häufiger und<br />
stärker ein. Mein Lebensmut war auf einen absoluten<br />
Nullpunkt gesunken.<br />
Auf ärztlichen Rat konsultierte ich wegen der<br />
Depressionen einen Psychologen. Neben dem täglichen<br />
Gang zu meinem Urologen wegen Beckenbodentrainings,<br />
begab ich mich auch noch zwei Mal<br />
pro Woche ins ca. 30 Km entfernte Krefeld zum<br />
Psychologen. Ohne die Hilfe meiner Frau wäre dieses<br />
alles unmöglich gewesen.<br />
Langsam gelang es meiner Familie und den wenigen<br />
noch verbliebenen Freunden mich wieder aufzubauen.<br />
Nach Monaten der Trübseligkeit und von Depressionen<br />
überredeten mich meine Frau und die noch verbliebenen<br />
Freunde, an einer mehrtägigen Reise an die deut-<br />
sche Nordsee teilzunehmen. Dem stimmte ich zu, in der<br />
Hoffnung, wieder am öffentlichen Leben teilhaben zu<br />
können. Aber es kam anders! Nach einer kurzen Radtour<br />
vom Anleger der Fähre bis in den Ortskern von<br />
Norderney kehrten wir zum Mittagessen in einem<br />
Speiselokal ein. Es war strahlend blauer Himmel, und die<br />
Temperaturen waren angenehm. Alle waren bester<br />
Laune. Da passierte das Missgeschick. Mein Urinalkondom<br />
versagte seinen Dienst, und ich saß mitten im<br />
Lokal mit nasser Hose. Die gepolsterte Sitzgelegenheit<br />
war mit Urin durchtränkt. Dass mir diese Angelegenheit<br />
äußerst peinlich war, ist verständlich. Die Urlaubslaune<br />
war dahin. Zudem musste ich noch mit nasser Hose per<br />
Rad bis zum Fähranleger und von dort mit der Fähre<br />
zum Festland. Meine ganze Hoffnung auf eine weitere<br />
Teilnahme an solchen Unternehmungen war restlos vorbei.<br />
Wir brachen unseren Urlaub ab und fuhren nach<br />
Hause.<br />
Hier verschanzte ich<br />
mich wieder in meinen<br />
vier Wänden.<br />
Die Depressionen<br />
wurden schlimmer,<br />
und ich wollte unter<br />
diesen Umständen<br />
nicht mehr weiter<br />
leben. Mit vielen<br />
Überredungskünsten von Seiten meiner Familie und des<br />
Psychologen gelang es schließlich nach mehreren<br />
Monaten, meine frühere Kämpfernatur wieder zu erwekken.<br />
Durch die andauernde Erinnerung an meine frühere<br />
Tätigkeiten, bei denen doch so manche schwierige<br />
Situation gemeistert werden musste, hatte man mich an<br />
einem Punkt erwischt, wo es plötzlich klick machte und<br />
meinen Lebensmut wider aufflammen ließ. Von nun an<br />
ging’s bergauf. Fortan telefonierte ich mit<br />
Pharmaunternehmen, Ärzten, Therapeuten und schloss<br />
mich einer Psychosozialen Krebsnachsorge-<strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />
an.<br />
33
Allen erzählte ich von meiner Krankheit und von meinen<br />
Missgeschicken. Bis eines Tages ein Pharmaunternehmen<br />
mich zu einer Ausstellung in unserer Nähe einlud.<br />
Spezialisten für die Entwicklung von Inkontinenz-<br />
Artikeln nahmen sich meiner Sache an und klärten auf.<br />
Nun wurde festgestellt, dass ich die falsche Versorgung<br />
erfahren hatte und dass es vielfältige andere Möglichkeiten<br />
gab, von denen ich bisher nichts wusste.<br />
Mit Hilfe einer Stomatherapeutin wurde für mich in<br />
wochenlanger Arbeit die in Frage kommende Versorgung<br />
gefunden.<br />
Dies alles gab mir neuen Lebensmut, ich konnte wieder<br />
am öffentlichen Leben teilnehmen, Konzerte, Theater<br />
und Kino besuchen, durch unsere wunderschöne<br />
niederrheinische Landschaft radeln. Ich war einfach<br />
glücklich. Hierfür möchte ich mich nochmals bei allen,<br />
die mir in meiner großen Not geholfen haben, von<br />
Herzen bedanken. Ihnen allen ein herzliches vergelt’s<br />
Gott!<br />
Die <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />
Mir war nun soviel Gutes<br />
widerfahren. So kam mir in<br />
einem Gespräch mit meiner<br />
Stomatherapeutin der<br />
Gedanke, eine <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />
für Prostataerkrankte<br />
zu gründen. Not<br />
und Qualen, die ich durch<br />
meine Krankheit erfahren<br />
musste, sollten anderen<br />
Männern erspart bleiben.<br />
Und dazu konnte ich nach<br />
allen gemachten Erfahrungen<br />
und den Möglichkeiten einer <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />
beitragen.<br />
Seit Sommer 2001 trafen wir, die Stomatherapeutin, ein<br />
Betroffener und ich uns regelmäßig einmal monatlich<br />
bei mir zu Hause und tauschten Gedanken und<br />
Erfahrungen aus. Doch die erhoffte Teilnahme weiterer<br />
Betroffener blieb zunächst aus. Überall, wo wir auch nur<br />
Betroffene zu mobilisieren suchten, erhielten wir die<br />
Antwort: „wir nicht“. Diese Haltung dauerte an, bis wir<br />
34<br />
erkennen mussten, dass das Thema „Prostataleiden“ bei<br />
uns hier auf dem flachen Land noch ein großes „Tabu“<br />
war und darüber nicht geredet wurde. Ich erkannte<br />
meine eigene frühere Haltung, meine depressive<br />
Zurückgezogenheit und Verschwiegenheit in der Haltung<br />
der Angesprochenen wieder. Also, habe ich mir zur<br />
Aufgabe gemacht, etwas zu tun, um dieses Tabu zu brechen.<br />
Die Presse wurde eingeschaltet. Nach einem Pressebericht<br />
in der lokalen Zeitung, der unter dem etwas<br />
ungewöhnlichen Titel „Beinbeutel und Co“, und mit<br />
einem deftigen Text erschien, bekamen wir, zwar immer<br />
noch etwas zögernd, doch ständig mehr Anfragen.<br />
Im Herbst 2001 trafen sich monatlich bereits 6 betroffene<br />
mutige Männer. Unser Wohnzimmer wurde nun zu<br />
klein, und so beschlossen wir, eine <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe zu<br />
gründen. Auf Anfrage bei unserer Pfarrgemeinde wegen<br />
geeigneter Räumlichkeiten wurde uns das hiesige<br />
Pfarrheim angeboten, dazu noch kostenlos. Hier etablierten<br />
wir uns und gründeten am 27. November 2001<br />
eine Prostata-<strong>Selbsthilfe</strong>-Gruppe nach dem Motto „Hilfe<br />
zur <strong>Selbsthilfe</strong>“.<br />
Nun war ich in meinem<br />
Element, ich war wieder zu<br />
etwas nütze, ich wusste,<br />
ich werde wieder gebraucht<br />
und mein Selbstwertgefühl<br />
baute sich von<br />
Tag zu Tag weiter auf.<br />
Meine Aktivitäten mehrten<br />
sich. Ich verhandelte mit<br />
Professoren, Ärzten, insbesondere<br />
mit Urologen, um<br />
Vorträge in dieser <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe.<br />
Bei der Pharmaindustrie<br />
bat ich um Unterrichtung über neueste<br />
Erkenntnisse zu Hilfsmitteln. Dann endlich erfuhr ich, dass<br />
es einen <strong>Bundesverband</strong> für Prostataerkrankte gibt, dem<br />
wir natürlich sofort beitraten. Vom <strong>Bundesverband</strong> erhielten<br />
wir die nötige Unterstützung, von der Deutschen<br />
Krebshilfe die nötigen Broschüren. Mit all unserem<br />
Informationsmaterial, insbesondere mit den monatlichen<br />
Vorträgen gingen wir wieder an die Presse.<br />
Hiernach löste sich das Tabu etwas, und immer mehr<br />
Männer trauten sich bei uns mitzumachen. Wir sprachen
auch die Ehefrauen an „Wollt ihr gesunde Männer“,<br />
dann kommt zu uns in die Gruppenstunde, die wir nun<br />
regelmäßig jeden 3. Mittwoch im Monat von 15.00 bis<br />
18.00 Uhr im Pfarrheim in Wankum abhielten. Wir richteten<br />
auch eine Internetseite ein. Von nun an kam immer<br />
mehr Zuspruch, auch dass Einzugsgebiet wurde immer<br />
größer. Bald hatte sich die Gruppe auf 25 Mitglieder vergrößert.<br />
Die erste gemeinsame Weihnachtsfeier im Dezember<br />
2002 wurde ein voller Erfolg. Hierbei erlebten wir praktisch,<br />
dass nicht nur die Gespräche und Informationen<br />
über die Erkrankung wichtig sind, sondern dass die persönlichen<br />
Kontakte mit Nichtbetroffenen und die<br />
Teilnahme am öffentlichen Leben genau so wertvoll<br />
sind. So berichteten Ehepaare, von denen der Ehemann<br />
bereits seit längerem von der Krankheit betroffen war,<br />
dass sie durch unsere Veranstaltung endlich wieder<br />
nach vielen <strong>Jahre</strong>n öffentliche Veranstaltungen zu besuchen<br />
den Mut gefunden hatten und endlich wieder einmal<br />
tanzen gingen.<br />
Im Mai 2003 veranstalteten wir den 1. Wankumer<br />
Männergesundheitstag, der uns einen großen Erfolg<br />
bescherte. Unser Einzugsgebiet breitete sich immer<br />
Deutsche Kontinenz Gesellschaft startet Hotline<br />
mehr aus. Dank unserer Homepage kamen nun vermehrt<br />
Anfragen aus ganz Deutschland und den benachbarten<br />
Niederlanden. Wegen der nun mehr anfallenden<br />
Arbeiten musste ein Büro eingerichtet werden.<br />
Mehrere ehrenamtliche Helfer stehen mir nun zur Seite.<br />
Ständig wächst die Zahl unserer Mitglieder.<br />
Nachdem wir das 48. Mitglied begrüßen durften,<br />
beschlossen wir, im August 2004, unsere Gruppe in<br />
einen eingetragenen gemeinnützigen Verein umzuwandeln.<br />
Nun war der Vollzeit-Job (allerdings selbstverständlich<br />
ehrenamtlich) perfekt. Im Juni 2005 konnten wir<br />
unseren 2. Wankumer-Männergesundheitstag wieder<br />
mit einem tollen Erfolg durchführen.<br />
Alles dies hat meine kühnsten Erwartungen übertroffen,<br />
ich habe eine neue Aufgabe gefunden und hoffe, noch<br />
vielen Betroffenen helfen zu können.<br />
FRIEDHELM KLINGEN<br />
Prostata-<strong>Selbsthilfe</strong>-Gruppe Wachtendonk-Wankum e.V.<br />
Interessierten und Betroffenen steht eine Hotline zum Thema Kontinenz zur Verfügung. Die Deutsche<br />
Kontinenz Gesellschaft e.V. klärt dort über Funktionsstörungen der Kontinenz bei Männern, Frauen und<br />
Kindern auf. Außerdem gibt sie Adressen von Beratungsstellen und Kontinenzzentren weiter.<br />
Die Hotline ist von montags bis freitags, jeweils 15 bis 20 Uhr, unter der Nummer 01805 233440<br />
(EUR 0,12 pro Minute) erreichbar.<br />
35
PROACT - BALLONSPHINKTER BEI<br />
MÄNNLICHER INKONTINENZ<br />
Red. (se): In Deutschland müssen sich jedes Jahr ca.<br />
25.000 Männer infolge eines Krebsleidens einer radikalen<br />
Prostata-Entfernung unterziehen. Verbesserte Operationstechniken<br />
haben zwar zu einem deutlichen Rückgang<br />
der Komplikationsraten geführt, dennoch sehen sich in 5<br />
bis 15% der Fälle die operierten Männer mit einer Belastungsinkontinenz<br />
konfrontiert. Das heißt beim Husten, Niesen,<br />
Treppensteigen oder beim Heben schwerer Gegenstände<br />
kommt es zu einem unwillkürlichen Harnverlust.<br />
Obwohl sich der künstliche Blasenschließmuskel (Scott-<br />
Sphinkter) als Standardtherapie für die männliche<br />
Inkontinenz bewährt hat, ist sein Einsatz durch folgende<br />
Faktoren limitiert: hohe Kosten, mechanischer Verschleiß;<br />
Druckschädigung der Harnröhre mit Einwanderung<br />
des Sphinkters in die Harnröhre und nachfolgende<br />
Infektion; keine Nachjustierung des Manschettendruckes<br />
möglich, Eignung nur für manuell geschickte<br />
Patienten sowie aufwändige Operation.<br />
Andere Verfahren, wie z.B. die Unterspritzung der Harnröhre,<br />
konnten sich nicht durchsetzen, weil in vielen<br />
Fällen nur eine kurzfristige Leidensverbesserung erzielt<br />
werden konnte und Wiederholungsinjektionen die Restfunktionalität<br />
von Harnröhre und Verschlussapparat der<br />
Blase gefährden.<br />
„Mit der nachjustierbaren ProACT-Therapie steht nunmehr<br />
eine minimal invasive Alternative zur Verfügung, welche<br />
die oben genannten Nachteile vermeidet und sich in<br />
der Mehrzahl der Fälle als Eingriff der ersten Wahl eignet“,<br />
erläutert Dr. Hampel von der Universitätsklinik Mainz,<br />
welche in Deutschland über die größte Erfahrung mit<br />
der ProACT-Implantation verfügt und als überregionales<br />
ProACT-Referenzzentrum der Deutschen Kontinenzgesellschaft<br />
gilt.<br />
Bei der ProACT-Therapie werden zwei mit Kontrastmittel<br />
gefüllte Ballons am Blasenausgang dauerhaft implantiert,<br />
um den Blasenausgang einzuengen und somit den<br />
unwillkürlichen Harnverlust zu verhindern (siehe Abb. 1).<br />
Völlig neu an diesem Behandlungskonzept ist, dass die<br />
Flüssigkeitsmenge und damit das Volumen der Ballons<br />
post-operativ jederzeit an die individuelle Situation des<br />
36<br />
Abb. 1: Funktionsweise von ProACT<br />
Patienten angepasst werden kann. Deshalb wird dieses<br />
Verfahren auch als nachjustierbare Kontinenztherapie<br />
(Englisch: ACT) bezeichnet. Die Kompression der Harnröhre<br />
durch die beiden Ballons wird derart eingestellt,<br />
dass sowohl ausreichende Kontinenz als auch restharnfreie<br />
Blasenentleerung wiederhergestellt werden. Wenn<br />
die Blase voll ist, kann die Blase im Idealfall vollständig<br />
entleert werden, da die Kontraktionskraft des Blasenmuskels<br />
während des Wasserlassens den Druck in der<br />
Blase über den konstanten Auslasswiderstand des<br />
ProACT-Implantates hebt. Manchmal kann oder muss<br />
der Patient auch durch zusätzliches Bauchpressen die<br />
Blasenentleerung erleichtern.<br />
Dieses viel versprechende Behandlungskonzept wird seit<br />
mehr als 4 <strong>Jahre</strong>n in der klinischen Praxis angewendet.<br />
Inzwischen wurden mehr als 2000 Patienten nach dieser<br />
Methode operiert. Die ProACT-Therapie eignet sich auch<br />
für schwere Inkontinenzgrade, die Behandlungserfolge<br />
werden in der wissenschaftlichen Literatur mit 74 bis 86%<br />
angegeben.<br />
Im Verlauf der Operation werden die beiden leeren<br />
Ballons über einen zwei Zentimeter langen Hautschnitt<br />
unterhalb des Hodensackes mit Hilfe eines Spezialbesteckes<br />
eingeführt und am Blasenhals positioniert. Diese<br />
Positionierung wird unter Röntgenkontrolle vorgenommen<br />
und mittels kontinuierlicher Harnröhren- und Blasenspiegelung<br />
kontrolliert. Die beiden Ballons werden an die<br />
Stelle der entfernten Prostata platziert, also links und
echts der Harnröhre unterhalb der Einmündung der<br />
Blase. Dann werden die Ballons mit etwa 1 bis 2 ml einer<br />
isotonischen Kontrastmittelmischung gefüllt, so dass die<br />
Lage der beiden Ballons jederzeit röntgenologisch kontrolliert<br />
werden kann.<br />
Schließlich wird die Schlauchverbindung des ProACT-<br />
Implantates (siehe Abb. 2) direkt unter die Haut des<br />
Hodensackes verlegt, so dass den Ballons mit Hilfe einer<br />
Spritze über den Zugangsport (Durchstichmembrane)<br />
durch die Haut jederzeit Flüssigkeit<br />
zugeführt oder entnommen<br />
werden kann. Die Ballonvolumina<br />
lassen sich in einem<br />
weiten Bereich (0-8ml) variieren,<br />
so dass diese Therapie für<br />
sehr unterschiedliche Patientenprofile<br />
geeignet ist.<br />
Typischerweise sind vier Nachjustierungen<br />
nötig, bis ein<br />
zufriedenstellender Behandlungserfolg<br />
erzielt wird.<br />
Abb. 2: ProACT Implantate<br />
Termine 2005<br />
Die ProACT-Therapie stößt auf große Akzeptanz bei den<br />
Patienten, weil dieses Verfahren für den Patienten wenig<br />
belastend und mit entsprechender Erfahrung problemlos<br />
durchzuführen ist. Mögliche Komplikationen sind gut<br />
beherrschbar und nur von vorübergehender Dauer. Die<br />
Operation dauert insgesamt nur ca. 15 bis 30 Minuten.<br />
Selbst wenn die Therapie ohne Erfolg bleiben sollte, können<br />
die beiden Silikonballons in einem kleinen Eingriff in<br />
Minutenschnelle wieder entfernt werden, ohne dass eine<br />
alternative Inkontinenzoperation<br />
dadurch beeinträchtigt<br />
oder unmöglich würde. So ist<br />
z.B. bei einem ProACT-Versagen<br />
die Ballonentfernung und<br />
der Einbau eines Scott-<br />
Sphinkters in gleicher Sitzung<br />
durchaus möglich.<br />
10. September Tag der <strong>Selbsthilfe</strong> Münster<br />
15. September Europäischer Tag der Prostata Berlin<br />
17. September Patiententag Rostock<br />
21. – 24. September 57. Kongress der Deutschen<br />
Gesellschaft für Urologie<br />
Düsseldorf<br />
24. – 25. September Onkologisches Forum Frankfurt<br />
01. Oktober DGHO-Patiententag Hannover<br />
08. Oktober Onkologisches Forum Leipzig<br />
21. Oktober Informationsveranstaltung Worms<br />
22. Oktober Patiententag Potsdam<br />
22. Oktober 1. Schleswig-Holsteinischer<br />
Krebsinformationstag Damp<br />
29. Oktober Krebsinformationstag Herne<br />
16. November Tag der <strong>Selbsthilfe</strong> Bonn<br />
02. Dezember Festakt zum fünfjährigen<br />
Bestehen des BPS Bad Wildungen<br />
03. Dezember Mitgliederversammlung des BPS Bad Wildungen<br />
Nähere Angaben entnehmen Sie bitte der örtlichen Presse!<br />
Die Kosten für die ProACT-Therapie<br />
werden i.A. im Rahmen<br />
einer stationären Versorgung<br />
übernommen.<br />
37
„INITIATIVE MÄNNERSACHE“<br />
In München startete<br />
die bundesweiteAufklärungsaktion<br />
zur<br />
Krebsfrüherkennung.<br />
Denn<br />
noch immer<br />
nehmen deutsche<br />
Männer eines viel zu leicht: Gesundheitsvorsorge.<br />
Nicht einmal jeder fünfte Mann im entsprechenden Alter<br />
nutzt das Krebsfrüherkennungsprogramm. Die Folgen<br />
dieser Vernachlässigung können fatal sein.<br />
Rund 12.000 Männer sterben jährlich in der Bundesrepublik<br />
an <strong>Prostatakrebs</strong>, obwohl bei einer Früherkennung<br />
die Heilungsrate bei über 80 Prozent liegt.<br />
"Männer, geht zur Früherkennungsuntersuchung", fordert<br />
deshalb der Berufsverband der Deutschen Urologen<br />
e. V. mit seiner "Initiative Männersache" auf, die wissen-<br />
38<br />
schaftlich durch die Deutsche Gesellschaft für Urologie<br />
e. V. (DGU) unterstützt wird.<br />
In München wurden 300.000 Aufklärungsbroschüren verschickt,<br />
die alle wichtigen Informationen rund um das<br />
Thema Prostataerkrankung, Testkarten sowie eine Liste<br />
von "Uropower"-Messstationen enthalten, die in gastronomischen<br />
Betrieben, in Vereinslokalen und öffentlichen<br />
Einrichtungen installiert werden. An diesen Stationen<br />
haben Männer die Möglichkeit, die Kraft ihres Harnstrahls<br />
mit sofortiger Auswertung zu testen. Der so genannte<br />
"Uroflow" kann in abgeschwächter Form einer von mehreren<br />
Hinweisen auf eine weitere, diesmal gutartige,<br />
Veränderung der Prostata sein. Diese Störungen haben<br />
mit dem gefürchteten <strong>Prostatakrebs</strong> nichts zu tun.<br />
Dennoch: Auch diese Erkrankung macht vielen Männern<br />
zu schaffen und sollte frühzeitig behandelt werden.<br />
Quelle: Presseinformation DGU/BDU, Juni 2005<br />
Timmendorfer <strong>Prostatakrebs</strong> Gespräche<br />
29. und 30. April 2005<br />
Die Aufzeichnungen der Vorträge finden<br />
Sie im Internet unter:<br />
www.prostatakrebs-bps.de/ im AV-Archiv.
DAS DEUTSCHE PROSTATAKARZINOMKONSORTIUM<br />
(DPKK) E.V. STELLT SICH VOR<br />
von Professor Dr. Bernd Wullich<br />
Das Deutsche Prostatakarzinomkonsortium (DPKK) e.V.<br />
wurde am 26. Februar 2003 von 17 Experten aus Urologie,<br />
Pathologie, Genetik, klinischer Chemie und der<br />
Grundlagenforschung aus der Taufe gehoben. Heute<br />
zählt das Konsortium über 40 Mitglieder. Dadurch, dass<br />
zwischenzeitlich auch Patienten und der BPS selbst dem<br />
DPKK angehören, stellt es eine ideale Plattform für Gespräche<br />
zwischen Betroffenen und Experten dar und ist<br />
als solches einzigartig in Deutschland.<br />
Dass Männer mit einem Prostatakarzinom häufig mit und<br />
nicht an ihrem Tumor sterben, ist eine schon seit langem<br />
bekannte Tatsache. Dennoch dürfen die Gefahren, die<br />
von diesem Tumor ausgehen können, nicht unterschätzt<br />
werden. Die Bestimmung des prostataspezifischen<br />
Antigens, kurz PSA, aus Blut hat die Früherkennung des<br />
Prostatakarzinoms überhaupt erst möglich gemacht.<br />
Doch warum vergleichbare Tumoren bei einem Teil der<br />
Patienten kaum fortschreiten und sich bei einem anderen<br />
wesentlich schneller entwickeln und ausbreiten, ist<br />
nach wie vor ein Rätsel für die an der Diagnostik,<br />
Therapie und Forschung beteiligten Experten. Für die<br />
Entstehung des Prostatakarzinoms spielen wahrscheinlich<br />
sowohl genetische Anlagen als auch Umwelteinflüsse<br />
eine Rolle, wobei offen ist, welche Faktoren im<br />
einzelnen und in welchem Ausmaß wirksam sind.<br />
Das DPKK will mit dem Zusammenschluss von klinisch<br />
tätigen und grundlagenwissenschaftlich arbeitenden<br />
Experten aus den verschiedensten Fachbereichen einer<br />
Lösung dieser und anderer Fragen über das Prostatakarzinom<br />
näher kommen. Regelmäßige Workshops und<br />
Treffen des DPKK, zuletzt im Oktober 2004 auf dem<br />
Bonner Petersberg, dienen neben dem Austausch<br />
aktueller Forschungsergebnisse vor allem der Diskussion<br />
gemeinsamer Forschungsziele für die nächsten <strong>Jahre</strong>.<br />
Neben der Frage nach prädisponierenden Genen für<br />
die Entstehung dieses Tumors beschäftigen sich DPKK-<br />
Teilnehmer mit der Frage, welche Veränderungen in<br />
Vorstadien des Karzinoms auftreten, wie sich Krebszellen<br />
den Einflüssen männlicher Hormone entziehen können<br />
und dadurch schwerer therapierbar werden und wie<br />
sich die Kommunikation zwischen den Krebszellen und<br />
dem Bindegewebe in ihrer Umgebung auf das Verhalten<br />
des Tumors auswirken können.<br />
Antworten auf diese und ähnliche Fragen können heute<br />
in Anbetracht der erforderlichen Methodenvielfalt in der<br />
Forschung kaum noch von einzelnen Gruppen von<br />
Wissenschaftlern erarbeitet werden. Daher suchen die<br />
beteiligten Disziplinen den Fortschritt auf diesem Gebiet<br />
in der Zusammenarbeit. Durch eine stringente Standardisierungsstrategie<br />
und die Bündelung der Forschungsaktivitäten<br />
mehrerer Standorte sowohl klinischer<br />
wie grundlagenwissenschaftlicher Arbeitsgruppen stellt<br />
das DPKK damit die einmalige Chance einer neuen<br />
Dimension der Prostataforschung in Deutschland dar.<br />
Zentraler Schwerpunkt des DPKK bildet folgerichtig der<br />
Aufbau einer Prostatagewebebank, die allen beteiligten<br />
Forschergruppen zu Verfügung steht. In intensiver<br />
Zusammenarbeit zwischen operierenden Urologen,<br />
Pathologen und Grundlagenwissenschaftlern wurden<br />
Standards für eine an allen Zentren einheitliche Technik<br />
der Gewebeprobenentnahme, Aufarbeitung, Archivierung<br />
und Dokumentation geschaffen. Standardisierte<br />
Gewebebanken von Frischgewebe und Paraffin-<br />
Material stellen heute die Grundlage für überregionale<br />
wissenschaftliche Untersuchungen dar. Nur durch sie ist<br />
gewährleistet, dass Gewebeproben unterschiedlicher<br />
Herkunft für überregionale Studien verwendbar sind.<br />
Dabei ist selbstverständlich, dass die Gewebeproben<br />
ausschließlich aus Gewebepräparaten entnommen<br />
werden, die im Rahmen von Untersuchungen oder<br />
Behandlungen gewonnen werden. Es ist sichergestellt,<br />
dass durch ihre Entnahme weder Diagnostik noch<br />
Behandlung der Erkrankung negativ beeinflusst werden.<br />
Von einer solchen Standardisierung der eingesetzten<br />
Methoden und der nachfolgenden Datenerhebung<br />
können aber umgekehrt mögliche Erfolge der Zukunft<br />
39
abhängen. Sie könnten beispielsweise zur Entdeckung<br />
neuer Biomarker führen, die aber zuverlässigere<br />
Aussagen als die bisher verfügbaren Marker wie dem<br />
PSA über das Verhalten des Prostatakarzinoms beim einzelnen<br />
Patienten ermöglichen. „Es wäre ein immenser<br />
Fortschritt vorhersagen zu können, wie sich ein Tumor<br />
beim individuellen Patienten verhalten wird, anstatt sich<br />
auf Aussagen in Prozentzahlen beschränken zu müssen,<br />
die für den Einzelnen mit einer erheblichen Unsicherheit<br />
verbunden sind“, skizziert Prof. Dr. med. Nicolas Wernert,<br />
Pathologe an der Bonner Universitätsklinik, der das<br />
Konsortium als zweiter Vorsitzender zusammen mit dem<br />
Urologen Prof. Dr. med. Michael Stöckle von der<br />
Universitätsklinik Homburg/Saar vertritt.<br />
40<br />
Informationen über die Arbeiten und Aktivitäten des DPKK<br />
erhalten Sie online über www.dpkk.de. Für spezielle<br />
Fragen steht Ihnen gerne die Geschäftsstelle in<br />
Homburg/Saar zur Verfügung, die Sie jederzeit unter der<br />
E-Mail-Adresse info@dpkk.de erreichen können.<br />
Mitarbeiter der Geschäftsstelle werden die Fragen an die<br />
entsprechenden Experten zur Beantwortung weiterleiten<br />
und sich kurzfristig erneut mit Ihnen in Verbindung setzen.<br />
Referenzadresse:<br />
PROFESSOR DR. MED. BERND WULLICH<br />
Klinik für Urologie und Kinderurologie<br />
Universitätsklinikum des Saarlandes<br />
66421 Homburg/Saar<br />
– Schriftführer des DPKK e.V. –<br />
PROSTATAKREBS UND SCHWERBEHINDERTENRECHT<br />
von Kai Mielke<br />
Nach landläufiger Meinung gilt als schwerbehindert, wer<br />
im Rollstuhl sitzt oder unter einer geistigen Behinderung<br />
leidet. Tatsächlich liegt eine Schwerbehinderung jedoch<br />
– zumindest im juristischen Sinne – auch bei zahlreichen<br />
anderen psychischen oder physischen Funktionsbeeinträchtigungen<br />
vor, unter anderem bei <strong>Prostatakrebs</strong>. Da<br />
vielen Betroffenen dieser rechtliche Aspekt ihrer Erkrankung<br />
nicht bewusst ist, erscheinen ein paar Informationen<br />
zu diesem Thema angebracht.<br />
Allgemeine Informationen<br />
Juristischer Dreh- und Angelpunkt des Schwerbehindertenrechts<br />
ist das neunte Buch des Sozialgesetzbuches<br />
(SGB IX), das sich mit der Rehabilitation und Teilhabe<br />
behinderter Menschen am sozialen und wirtschaftlichen<br />
Leben befasst.<br />
Insbesondere Personen mit einem Grad der Behinderung<br />
(GdB) von mindestens 50 (näheres hierzu weiter<br />
unten) stehen danach unter besonderem gesetzlichen<br />
Schutz. Sie genießen beispielsweise einen besonderen<br />
Kündigungsschutz im Arbeitsrecht und haben Anspruch<br />
auf zusätzlichen bezahlten Urlaub (in der Regel fünf<br />
Arbeitstage im Jahr). Zur Sicherung eines angemessenen<br />
Platzes im Arbeitsleben können im Einzelfall neben<br />
berufsfördernden Rehabilitationsleistungen auch besondere<br />
Hilfen für Schwerbehinderte notwendig sein (z.B. die<br />
behinderungsgerechte Umrüstung einer Maschine),<br />
wofür besondere Geldleistungen der Bundesagentur für<br />
Arbeit sowie der Hauptfürsorgestellen vorgesehen sind.<br />
Ferner haben Schwerbehinderte – je nach Art ihrer<br />
gesundheitlichen Beeinträchtigung – auch Anspruch auf<br />
einen sogenannten „Nachteilsausgleich“, z.B. in Form<br />
von Steuererleichterungen (Behinderten-Pauschbetrag),<br />
unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr,<br />
Vergünstigungen bei der Kraftfahrzeugsteuer,<br />
Parkerleichterungen und die Befreiung von der<br />
Rundfunkgebührenpflicht.<br />
Zum Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft wird<br />
von den örtlichen Versorgungsämtern auf Antrag ein<br />
Schwerbehindertenausweis ausgestellt. In diesen werden<br />
ggf. auch sogenannte Merkzeichen eingetragen,<br />
die einen Anspruch auf bestimmte Nachteilsausgleiche<br />
verbriefen. Detaillierte Informationen zum Antrags-
verfahren und den einzelnen Merkzeichen erhält man<br />
über die örtlichen Versorgungsämter oder online unter<br />
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/lasf/behiausw1.pdf<br />
http://www.bezreg-muenster.nrw.de/service/Download_<br />
Publikationen/Ratgeber.pdf<br />
http://www.soziales.niedersachsen.de/master/C8063739<br />
_N2098264_L20_D0_I1740859.html<br />
Personen mit einem Grad der Behinderung von weniger<br />
als 50, aber mindestens 30 können Schwerbehinderten<br />
gleichgestellt werden, wenn sie ohne die Gleichstellung<br />
keinen Arbeitsplatz erhalten oder ihren jetzigen Arbeitsplatz<br />
nicht behalten können. Über die Gleichstellung<br />
entscheidet die Agentur für Arbeit. Gleichgestellte können<br />
für die Eingliederung in das Arbeitsleben die gleichen<br />
Hilfen in Anspruch nehmen wie Schwerbehinderte.<br />
Ausgeschlossen sind jedoch Zusatzurlaub und unentgeltliche<br />
Beförderung.<br />
Ein Großteil der Streitfälle aus dem Schwerbehindertenrecht<br />
kreist um die Frage, wie hoch der Grad der Behinderung<br />
im Einzelfall ist, bzw. ob einem Schwerbehinderten<br />
(infolgedessen) ein bestimmter Nachteilsausgleich<br />
zusteht oder nicht.<br />
Grad der Behinderung (GdB) und<br />
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)<br />
Von dem Grad der Behinderung (GdB) ist die ebenfalls in<br />
Gradzahlen zu bemessende sogenannte Minderung<br />
der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu unterscheiden. MdE ist ein<br />
Terminus aus der gesetzlichen Rentenversicherung<br />
und hat Bedeutung für<br />
einen Anspruch auf Berufsunfähigkeits-,<br />
bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente. MdE und<br />
GdB werden zwar nach den gleichen<br />
Grundsätzen bemessen; sie unterscheiden<br />
sich jedoch dadurch, dass die MdE<br />
kausal (auf die Folgen einer bestimmten<br />
Schädigung bezogen) und der GdB final<br />
(auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig<br />
von ihrer Ursache bezogen) zu verstehen ist.<br />
Beide Begriffe haben die Auswirkungen von<br />
Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen<br />
und nicht nur die Einschränkung im allgemeinen<br />
Erwerbsleben zum Inhalt. Mit anderen Worten: MdE und<br />
GdB sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen<br />
und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung<br />
aufgrund eines Gesundheitsschadens.<br />
Zu beachten ist:<br />
• Aus dem GdB/MdE-Grad ist nicht auf das Ausmaß der<br />
Leistungsfähigkeit zu schließen. GdB und MdE sind<br />
grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder<br />
angestrebten Beruf zu beurteilen, es sei denn, dass bei<br />
Begutachtungen im sozialen Entschädigungsrecht ein<br />
besonderes berufliches Betroffensein berücksichtigt<br />
werden muss.<br />
• Die Anerkennung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit<br />
durch einen Rentenversicherungsträger, bzw. die Feststellung<br />
einer Dienst- oder Arbeitsunfähigkeit erlauben<br />
keine Rückschlüsse auf den GdB/MdE-Grad, wie umgekehrt<br />
aus dem GdB/MdE-Grad nicht ohne weiteres<br />
auf bestimmte Leistungsvoraussetzungen in anderen<br />
Rechtsgebieten geschlossen werden kann.<br />
Grundsätzliches zur Bemessung<br />
eines GdB/MdE-Grades<br />
GdB und MdE setzen stets eine regelwidrige Abweichung<br />
des körperlichen und seelischen (Funktions-)<br />
Zustandes von dem für das jeweilige Lebensalter typischen<br />
Zustand voraus. Altersbedingte physiologische<br />
Veränderungen sind daher bei der GdB/MdE-Beurteilung<br />
nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind<br />
die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen<br />
anzusehen, die sich im Alter regelhaft<br />
entwickeln, d.h. für das Alter nach ihrer<br />
Art und ihrem Umfang typisch sind.<br />
Hierzu gehören zum Beispiel: die<br />
allgemeine altersbedingte Verminderung<br />
der körperlichen Leistungsfähigkeit<br />
(weniger Kraft, Ausdauer,<br />
Belastbarkeit), die allgemeine Verminderung<br />
der Leistungsbreite des<br />
Herzens und der Lungen durch physiologische<br />
Gewebealterung, eine leichte<br />
Verminderung der Beweglichkeit der Gliedmaßen und<br />
der Wirbelsäule, das Nachlassen von Libido oder Potenz,<br />
das altersentsprechende Nachlassen des Gedächtnisses,<br />
der geistigen Beweglichkeit und der seelischen<br />
41
Belastbarkeit sowie die altersspezifischen Einschränkungen<br />
der Seh- und Hörfähigkeit.<br />
Demgegenüber sind pathologische Veränderungen,<br />
d.h. Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und<br />
nicht nur im Alter beobachtet werden können (z.B. Geschwülste;<br />
stärkere, nicht als altersentsprechend beurteilbare<br />
Bewegungseinschränkungen durch Arthrosen oder<br />
über das Alterstypische wesentlich hinausgehende hirnorganische<br />
Abbauerscheinungen) bei der MdE/GdB-<br />
Beurteilung zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann,<br />
wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als<br />
„Alterskrankheiten" (z.B. "Altersdiabetes", "Alters-Star")<br />
bezeichnet werden.<br />
Bemessung eines MdE/GdB-Grades<br />
im Einzelfall<br />
Der GdB wird in Zehnergraden, die MdE in einem bestimmten<br />
Vom-Hundert-Satz ausgedrückt. Dies erklärt<br />
sich daraus, dass GdB und MdE ihrer Natur nach nicht<br />
präzise, sondern stets nur annähernd bestimmt werden<br />
können. Eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung von GdB<br />
und MdE spielt die sogenannte GdB/MdE-Tabelle. Diese<br />
ist Bestandteil der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit<br />
im sozialen Entschädigungsrecht und<br />
nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) und beinhal-<br />
42<br />
Bezüglich <strong>Prostatakrebs</strong> heißt es unter Punkt 26.13. der AHP:<br />
Prostataadenom<br />
tet zahlreiche Krankheitsbilder, bzw. Funktionsstörungen<br />
mit entsprechend zugeordneten GdB/-MdE-Werten.<br />
Die AHP sind online abrufbar unter<br />
http://www.agsv.nrw.de/Service/Gutachterliche<br />
Anhaltspunkte/Download/anhaltspunkte.pdf<br />
Berücksichtigung von Schmerzen<br />
und seelischen Begleiterscheinungen<br />
Bei der GdB/MdE-Beurteilung sind auch seelische Begleiterscheinungen<br />
und Schmerzen zu berücksichtigen.<br />
Dabei sind übliche seelische Begleiterscheinungen (z.B.<br />
Entstellung des Gesichts, Verlust der weiblichen Brust) in<br />
den Graduierungen der GdB/MdE-Tabelle bereits mit<br />
enthalten. Gehen seelische Begleiterscheinungen jedoch<br />
erheblich über die dem Ausmaß der organischen<br />
Veränderungen entsprechenden „normalen“ seelischen<br />
Begleiterscheinungen hinaus, so ist eine höhere<br />
GdB/MdE-Bewertung vorzunehmen. Außergewöhnliche<br />
seelische Begleiterscheinungen in diesem Sinne sind in<br />
der Regel aber erst dann anzunehmen, wenn anhaltende<br />
psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung<br />
vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung<br />
dieser Störungen – insbesondere eine Psychotherapie<br />
– erforderlich ist.<br />
Der GdB/MdE-Grad richtet sich nach den Harnentleerungsstörungen und der Rückwirkung auf die Nierenfunktion.<br />
Nach Entfernung eines malignen Prostatatumors ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.<br />
GdB/MdE-Grad während einer Heilungsbewährung von zwei <strong>Jahre</strong>n<br />
- nach Entfernung im Stadium T1a NO MO (Grading G 1) ……………..............................…………....... 50<br />
GdB/MdE-Grad während einer Heilungsbewährung von fünf <strong>Jahre</strong>n<br />
- nach Entfernung in den Stadien T1a (Grading ab G 2) T1b-2 NO MO ….…................................……. 50<br />
- nach Entfernung in anderen Stadien …………................................……………………….. wenigstens 80<br />
Maligner Prostatatumor<br />
- ohne Notwendigkeit einer Behandlung ...........................……..………………………………………….. 50<br />
- auf Dauer hormonbehandelt ......................…...........……………………………………….. wenigstens 60
Ähnliches gilt für die Berücksichtigung von Schmerzen.<br />
Die in der GdB/MdE-Tabelle angegebenen Werte schließen<br />
die üblicherweise vorhandenen Schmerzen bereits<br />
mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß<br />
besonders schmerzhafte Zustände. In den Fällen, in<br />
denen nach dem Sitz und dem Ausmaß der pathologischen<br />
Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende<br />
– und eine spezielle ärztliche Behandlung<br />
erfordernde – Schmerzhaftigkeit anzunehmen ist, können<br />
höhere Werte angenommen werden. Dies gilt insbesondere<br />
bei Kausalgien und bei stark ausgeprägten<br />
Stumpfbeschwerden nach Amputationen (Stumpfnervenschmerzen,<br />
Phantomschmerzen); ein Phantomgefühl<br />
allein bedingt keine zusätzliche GdB/MdE-Bewertung.<br />
Mehrere Funktionsstörungen und<br />
Gesamt-GdB/MdE<br />
Liegen bei einer Person mehrere Funktionsbeeinträchtigungen<br />
vor, ist ein sogenannter „Gesamt-<br />
GdB/MdE-Grad“ zu bilden. In § 69 Absatz 3 SGB IX heißt<br />
es hierzu: „Liegen mehrere Beeinträchtigungen der<br />
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der<br />
Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der<br />
Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung<br />
ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.<br />
[…]“<br />
Zu der Art und Weise, wie ein derartiger Gesamt-<br />
GdB/MdE-Grad zu ermitteln ist, heißt es unter Punkt 19<br />
der AHP:<br />
(1) Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so<br />
sind zwar […] Einzel-GdB/MdE-Grade anzugeben; bei<br />
der Ermittlung des Gesamt-GdB/MdE-Grades durch alle<br />
Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen<br />
Werte nicht addiert werden. Auch andere<br />
Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-<br />
GdB/MdE-Grades ungeeignet. Maßgebend sind die<br />
Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen<br />
in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer<br />
wechselseitigen Beziehungen zueinander.<br />
(2) Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen<br />
Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung<br />
aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche<br />
mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der<br />
Tabelle feste GdB/MdE Werte angegeben sind. […]<br />
(3) Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB/MdE-Grades ist<br />
in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen,<br />
die den höchsten Einzel-GdB/MdE-Grad bedingt,<br />
und dann im Hinblick auf alle weiteren<br />
Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit<br />
hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer<br />
wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen<br />
dem ersten GdB/MdE-Grad 10 oder 20<br />
oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der<br />
Behinderung insgesamt gerecht zu werden. […]<br />
(4) Von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit<br />
eines Ohres bei schwerer beidseitiger<br />
Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen<br />
zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen<br />
GdB/MdE-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer<br />
Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung,<br />
die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden<br />
könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte<br />
Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen.<br />
Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit<br />
einem GdB/MdE- Grad von 20 ist es vielfach nicht<br />
gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des<br />
Ausmaßes der Behinderung zu schließen.<br />
Geltungsdauer einer GdB/MdE-<br />
Feststellung<br />
GdB und MdE setzen eine nicht nur vorübergehende<br />
Gesundheitsstörung voraus, sondern eine, die sich über<br />
einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten erstreckt.<br />
Dementsprechend ist bei abklingenden Gesundheitsstörungen<br />
der Wert festzusetzen, der dem über sechs<br />
Monate hinaus verbliebenen – oder voraussichtlich verbleibenden<br />
– Schaden entspricht.<br />
Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem<br />
Leidensverlauf wird mit einem Durchschnittswert<br />
Rechnung getragen. Das bedeutet: Wenn bei einem<br />
Leiden – über einen Zeitraum von sechs Monaten nach<br />
Krankheitsbeginn hinaus – der Verlauf durch sich wiederholende<br />
Besserungen und Verschlechterungen des<br />
Gesundheitszustandes geprägt ist (Beispiele: Magengeschwürsleiden,<br />
chronische Bronchitis, Hautkrankheiten,<br />
Anfallsleiden), dann können die zeitweiligen Verschlechterungen<br />
im Hinblick auf die dann anhaltenden<br />
43
Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung nicht als<br />
vorübergehende Gesundheitsstörungen betrachtet werden.<br />
Dementsprechend muss in solchen Fällen bei der<br />
GdB/MdE-Beurteilung von dem „durchschnittlichen"<br />
Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden.<br />
Stirbt ein Antragsteller innerhalb von sechs Monaten<br />
nach Eintritt einer Gesundheitsstörung, so ist für diese<br />
Gesundheitsstörung der GdB/MdE-Grad anzusetzen, der<br />
nach ärztlicher Erfahrung nach Ablauf von sechs<br />
Monaten nach Eintritt der Gesundheitsstörung zu erwarten<br />
gewesen wäre. Fallen Eintritt der Gesundheitsstörung<br />
und Tod jedoch zusammen, kann ein GdB/MdE-Wert<br />
nicht angenommen werden. Eintritt der Gesundheitsstörung<br />
und Tod fallen nicht nur zusammen, wenn<br />
beide Ereignisse im selben Augenblick eintreten. Dies ist<br />
vielmehr auch dann der Fall, wenn die Gesundheitsstörung<br />
in so rascher Entwicklung zum Tode führt,<br />
dass bei natürlicher Betrachtungsweise Eintritt der<br />
Gesundheitsstörung und Tod einen einheitlichen<br />
Vorgang darstellen.<br />
Gesundheitsstörungen, die erst in der Zukunft zu erwarten<br />
sind, sind bei der GdB/MdE-Beurteilung nicht zu berück-<br />
Foto: Volker Oertel, Calenberger Zeitung<br />
Teilnehmer des Seminars „Gesprächsführung und<br />
Kommunikationstraining“ im Mai 2005 in Gehrden.<br />
44<br />
sichtigen. Die Notwendigkeit des Abwartens einer<br />
Heilungsbewährung bei Gesundheitsstörungen, die zu<br />
Rezidiven neigen, stellt eine andere Situation dar; während<br />
der Zeit des Abwartens einer Heilungsbewährung ist<br />
ein höherer GdB/MdE-Wert, als er sich aus dem festgestellten<br />
Schaden ergibt, gerechtfertigt.<br />
Weiterführende Links<br />
Weitere Informationen zum Thema „Schwerbehinderung“<br />
und „GdB“ finden Sie im Internet, beispielsweise<br />
unter<br />
http://anhaltspunkte.vsbinfo.de/<br />
http://www.medizinfo.de/pflege/behinderung/<br />
gutachten.shtml<br />
http://www.sozialgesetzbuch.de/gesetze/<br />
Foto: Markus Hugo<br />
KAI MIELKE<br />
JUSTIZIAR DES BUNDESVERBANDES PROSTATA-<br />
KREBS SELBSTHILFE E. V.<br />
Bundesverteidigungsminister Peter Struck nutzte seinen Besuch in<br />
Gehrden, sich von Wolfgang Petter über die Arbeit des <strong>Bundesverband</strong>es<br />
<strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> e. V. informieren zu lassen.
WAHL-PRÜFSTEINE DER<br />
BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT<br />
KREBSSELBSTHILFE<br />
Red.: Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft Krebsselbsthilfe<br />
(<strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> –<br />
<strong>Bundesverband</strong> Deutsche Hirntumorhilfe – <strong>Bundesverband</strong><br />
"Deutsche ILCO" – <strong>Bundesverband</strong> "Frauenselbsthilfe<br />
nach Krebs" – <strong>Bundesverband</strong> der Kehlkopflosen<br />
und Kehlkopfoperierten – <strong>Bundesverband</strong><br />
"Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe (DLH)" – Arbeitskreis<br />
der Pankreatektomierten) zusammengeschlossenen<br />
<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen haben zur Bundestagswahl<br />
am 18. September 2005 einen Fragenkatalog<br />
erarbeitet, der den Parteien zur Stellungnahme<br />
zugestellt worden ist.<br />
1. Welche Maßnahmen will Ihre Partei ergreifen,<br />
damit medizinische Neuentwicklungen und neue<br />
Erkenntnisse (d. h. Medikamente und Verfahren)<br />
unverzüglich den betroffenen Krebspatienten zur<br />
Verfügung stehen?<br />
(Das Zulassungsverfahren in Deutschland für neue<br />
Medikamente und Verfahren – deren Nutzen gesichert<br />
ist – muss beschleunigt werden. Neue<br />
Medikamente werden in der Regel zunächst in den<br />
USA und in der Schweiz zugelassen. Die deutsche<br />
Arzneimittelzulassungsbehörde, das Bundesinstitut für<br />
Arzneimittel und Medizinprodukte, hinkt in der Regel<br />
hinterher. Für neue Verfahren – deren Nutzen gesichert<br />
ist – wie z.B. im Bereich der Stammzelltransplantation,<br />
müssen zeitnah angemessene Fallpauschalen<br />
eingeführt werden.)<br />
2. Wie gedenkt Ihre Partei das sog. "Off-labeluse"-Problem<br />
zu lösen?<br />
(Ein hoher Anteil der Krebsbehandlungen findet statt,<br />
ohne dass es für das eingesetzte Medikament für<br />
diese besondere Krankheitssituation des Patienten<br />
zugelassen ist. Wenn aber tatsächlich im Wesentlichen<br />
nur Medikamente angewendet bzw. finanziert<br />
(!) werden dürfen, für die es eine enge Zulas-<br />
sung gibt (BSG-Urteil vom 19. März 2002), würde sich<br />
für viele Krebspatienten (aber auch für viele andere<br />
Patienten, insbesondere Kinder!) die Versorgung<br />
drastisch verschlechtern. Mögliche Studien werden<br />
oft nicht durchgeführt. Die Alternative zum "Off-labeluse"<br />
kann nicht "gar keine Behandlung" bzw.<br />
"schlechtere Behandlung" sein!)<br />
3. Welche Vorstellungen hat Ihre Partei zur Finanzierung<br />
der sog. Therapieoptimierungsstudien?<br />
(Nur mit Hilfe dieser Studien können über einen längeren<br />
Zeitraum die Therapieergebnisse systematisch<br />
verbessert werden.)<br />
4. Wie will Ihre Partei die Versorgungsqualität in<br />
Früherkennung, Diagnostik und Therapie krebserkrankter<br />
Menschen verbessern?<br />
(Krebserkrankte Menschen in Deutschland werden<br />
zurzeit nicht durchgängig flächendeckend nach der<br />
besten internationalen Evidenz behandelt.)<br />
5. Wie gedenkt Ihre Partei, die Krebsregistrierung<br />
und Ursachenforschung zu verbessern und die<br />
Krebsregistrierung bundeseinheitlich zu gestalten?<br />
(Es ist besser, vorzubeugen und Krebserkrankungen<br />
zu verhindern, als zu behandeln. Durch die verschiedenen<br />
Länderkrebsregistergesetze gleicht Deutschland<br />
in Sachen Krebs einem "epidemiologischen<br />
Flickenteppich".)<br />
6. Wie will Ihre Partei die Krebs-Früherkennung<br />
zukünftig mehr fördern?<br />
(Bei den meisten Krebserkrankungen gilt: Je früher<br />
Krebs erkannt wird, desto höher sind die Heilungschancen.)<br />
7. Wird Ihre Partei die vor einiger Zeit vom<br />
Bundesrat eingebrachte und bisher abgelehnte<br />
Initiative wieder aufgreifen, dass der PSA-Test zur<br />
Früherkennung des <strong>Prostatakrebs</strong>es im Routinefall<br />
45
eingeführt wird und die Kosten dafür von den<br />
Krankenkassen übernommen werden?<br />
(Deutschland ist die einzige negative Ausnahme<br />
innerhalb der industrialisierten Länder.)<br />
8. Wie soll die zügige Umsetzung eines bundesweiten,<br />
flächendeckenden Mammographie-<br />
Screenings nach EU-Leitlinien zur Brustkrebsfrüherkennung<br />
aussehen? Mit welchen Maßnahmen<br />
will Ihre Partei „graues“ Mammographie-<br />
Screening und falsche Befunde verhindern?<br />
(Die Festschreibung des bundesweiten, flächendekkenden<br />
Mammographie-Screenings für 50 – 69jährige<br />
Frauen alleine ist keine Garantie für eine EU-<br />
Leitlinien gerechte Umsetzung. Außerdem muss<br />
sichergestellt werden, dass zur Abklärung eines<br />
Befundes auch Frauen unter 50 <strong>Jahre</strong>n eine qualitätsgesicherte<br />
Mammographie zugute kommt.)<br />
9. Welche Einstellung hat Ihre Partei zu den<br />
Chroniker-Programmen (= Disease Management<br />
Programme, kurz DMPs)?<br />
(Die DMPs sind ein notwendiger Schritt der Verbesserung,<br />
es sind allerdings bezüglich der medizinischen<br />
Inhalte, Dokumentation und Patienteninformation<br />
Nachbesserungen erforderlich.)<br />
10. Wie will Ihre Partei negativen Auswirkungen<br />
der Fallpauschalen (= Diagnosis Related Groups,<br />
kurz DRGs; = neues Abrechnungssystem im stationären<br />
Bereich) auf die onkologische Versorgung<br />
entgegenwirken?<br />
(Die Vielfalt der Therapieschemata in der Behandlung<br />
von Krebserkrankungen ist sehr groß. Eine<br />
differenzierte Darstellung der Tagesfälle ist dringend<br />
erforderlich, ein Chemotherapie-DRG-Tagesfall z. B.<br />
kann nicht alles abdecken. Teure Medikamente<br />
müssten mit Zusatzentgelten bezahlt werden.<br />
Decken die gebildeten Gruppen wirklich alles ab?<br />
Sind sie sinnvoll? Fehlen Gruppen? Sollten mehrzeitige<br />
Behandlungen besonders finanziert werden?<br />
Sollten Tumorzentren grundsätzlich einen Zuschlag<br />
erhalten? Wie kann verhindert werden, dass<br />
Patienten in Zukunft zu früh entlassen werden?<br />
Patientenbezogene Informationen fehlen.)<br />
11. Was beabsichtigt Ihre Partei zu unternehmen,<br />
um die in Deutschland im Vergleich zu anderen<br />
46<br />
EU-Ländern weit überhöhten Arzneimittelpreise zu<br />
senken?<br />
(In Deutschland sind die Arzneimittelpreise um bis zu<br />
100% teurer als in benachbarten EU-Ländern! Dies ist<br />
vor allem auf gesetzliche Vorschriften: Preisbindung,<br />
feste Handelsspannen laut Arzneimittelverordnung<br />
und die hohe Mehrwertsteuer von 16% zurückzuführen.<br />
Die Senkung der Mehrwertsteuer bei Arzneimitteln<br />
von 16% auf 7% (wie bei Lebensmitteln)<br />
könnte Einsparungen im Gesundheitswesen von bis<br />
zu 5 Milliarden Euro ergeben!)<br />
12. Wie lautet die Entscheidung Ihrer Partei zu<br />
den Zuzahlungen in der medizinischen Versorgung?<br />
(Die finanziellen Belastungen von Krebspatienten<br />
sind auch ohne Zuzahlungen schon sehr hoch.)<br />
13. Was wird Ihre Partei tun, um die gesetzlichen<br />
Krankenkassen zu verpflichten, Zahnersatz als<br />
Folge von Krebserkrankungen (z.B. bei Kehlkopfkrebs<br />
und nach Stammzelltransplantationen)<br />
in voller Höhe zu übernehmen?<br />
(Krebspatienten, bei denen Zahnersatz notwendig<br />
wird, müssen, genau wie alle anderen Patienten,<br />
Zuzahlungen leisten. Dies ist nicht gerechtfertigt,<br />
denn die Zahnbehandlung in Folge einer<br />
Krebsbehandlung wird nicht aufgrund von nachlässiger<br />
Zahnpflege notwendig.)<br />
14. Was wird Ihre Partei tun, um die gesetzliche<br />
Krankenversicherung in ihrer bewährten Form als<br />
Solidarversicherung zu erhalten?<br />
(Die Aufkündigung der solidarischen Finanzierung<br />
sowie die Einführung von Grund- und Wahlleistungen<br />
sind keine Lösung und träfen nur die schwächsten<br />
Beteiligten in der Versorgungskette.)<br />
15. Wie wird Ihre Partei dafür sorgen, dass die<br />
Beteiligung der Bundesverbände der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen<br />
an Entscheidungen im Gesundheitswesen<br />
weiterentwickelt wird?<br />
(Verbesserungen in der Versorgung sind ohne systematische<br />
Mitwirkung der Patientenvertreter nicht<br />
möglich, da nur sie die Erfahrungen und Kenntnisse<br />
mit der gesamten Versorgungskette haben – die<br />
Bespiele anderer Länder mit strukturell verankerter<br />
Patientenbeteiligung belegen das eindrucksvoll.)
16. Wie gedenkt Ihre Partei, die gesetzlichen<br />
Krankenkassen dazu zu bewegen, die <strong>Selbsthilfe</strong><br />
endlich mit den im § 20 SGB V genannten 54 Cent<br />
zu fördern?<br />
(Bisher liegt der Betrag bei ca. 39 Cent und damit<br />
deutlich unter der Soll-Förderung.)<br />
17. Wie können – nach den Vorstellungen Ihrer<br />
Partei – die Arbeitsbedingungen für Ärzte und<br />
Pflegekräfte im Krankenhaus und in der Praxis so<br />
verbessert werden, dass eine flächendeckende<br />
Versorgung gewährleistet wird und dass endlich<br />
wieder genügend Zeit für das Gespräch zwischen<br />
Patient/Angehörigem/Arzt zur Verfügung steht?<br />
(Ärzte werden mit immer mehr Bürokratie belastet –<br />
darunter leidet die Versorgung der Patienten. Dabei<br />
ist mittlerweile erwiesen, dass durch die menschliche<br />
Zuwendung und verständliche Informationen des<br />
Arztes oftmals unnötige medikamentöse Behandlungen<br />
am Patienten eingespart werden können.)<br />
Die Antworten der Parteien werden in Heft 3/2005<br />
veröffentlicht.<br />
MULTIDISZIPLINÄRES PROSTATAKREBS SYMPOSIUM<br />
17. BIS 19. FEBRUAR 2005, IN ORLANDO, FLORIDA<br />
Derzeitiger Stand und zukünftige Entwicklungslinien zur<br />
Verhinderung und zum Management der Behandlung des<br />
<strong>Prostatakrebs</strong>es<br />
von Christian Ligensa<br />
Zum ersten Mal haben die „Amerikanische Gesellschaft<br />
für Klinische Onkologie (ASCO)”, die „Amerikanische<br />
Gesellschaft für Therapeutische Radiologie und Onkologie<br />
(ASTRO)“, die „<strong>Prostatakrebs</strong> Stiftung (PCF)“ und die<br />
„Gesellschaft für Urologische Onkologie (SUO)“ sich<br />
zusammengefunden und ein dreitägiges multidisziplinäres<br />
klinisches Symposium zum <strong>Prostatakrebs</strong> durchgeführt.<br />
Die Veranstaltung bot ein optimales Umfeld zur<br />
Darstellung von Forschungsergebnissen für den Austausch<br />
von Wissenschaftlern sowie für Information und<br />
Fortbildung für Kliniker und Wissenschaftler mit einem<br />
Interesse am <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />
Es wurden 12 Themenkreise behandelt:<br />
I . Risikofaktoren und Epidemiologie<br />
II. Prävention<br />
III. Screening und Diagnose<br />
IV. Ergebnisse – wie kann man sie messen?<br />
V. Risikobewertung und Staging (Einordnung nach<br />
Schweregrad) der lokalisierten Krankheit<br />
VI. Behandlung der lokalisierten Krankheit – deren<br />
Fortschreiten und Ergebnisse<br />
VII. Behandlung der Krankheit mit hohem Risiko und<br />
lokal fortgeschrittenem Krebs<br />
VIII. Steigende PSA-Werte bei hormonunsensiblen und<br />
therapieresistenten Patienten<br />
IX. Optimierung der Androgen Entzugstherapien<br />
X. Überleben, unterstützende Behandlung und Komplikationen<br />
von Therapien<br />
XI. Therapien in der Entwicklung<br />
XII. Der hormonrefraktäre <strong>Prostatakrebs</strong><br />
Da es sich hierbei um mehr als 300 Berichte und zwar<br />
sowohl mündliche Vorträge als auch Poster-Präsentationen<br />
handelt, muss ich mich bei der Darstellung nur<br />
auf einige wenige interessante Präsentationen beschränken,<br />
zumal der verfügbare Platz im BPS-Magazin<br />
auch nur eine kleine Auswahl zulässt. Dabei werde ich<br />
mich im Wesentlichen auf die Fragestellung und die<br />
Ergebnisse mit deren Bedeutung für Patienten konzentrieren.<br />
Es geht hier also nicht um eine wissenschaftlich<br />
vollständige Darstellung der Studienergebnisse, viel<br />
mehr ist es nur eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen<br />
Angaben von durchgeführten Studien mit<br />
47
einer Bewertung der Bedeutung für unsere Patienten und<br />
andere Leser des BPS-Magazins. Wer ausführlichere<br />
Informationen mit den Namen und Instituten der die<br />
Studien durchführenden Wissenschaftler haben möchte,<br />
wende sich bitte an mich oder kann auch aus dem<br />
Internet unter www.asco.org die ausführlicheren Berichte,<br />
teilweise sogar die Stimme des Vortragenden mit<br />
den entsprechenden Bildern des Vortrages hören und<br />
sehen oder die Zusammenfassungen herunterladen.<br />
Diese Zusammenfassungen werden in zwei Teilen im<br />
BPS-Magazin erscheinen. In dieser Ausgabe erscheint<br />
Teil I, die Themenkreise I bis VI; Teil zwei, die Themenkreise<br />
VII bis XII, werden in der nächsten Ausgabe erscheinen.<br />
Teil I:<br />
Ausgewählte Berichte aus den Themenkreisen I bis VI<br />
1. Fettleibigkeit/Übergewicht und <strong>Prostatakrebs</strong>: eine<br />
21 <strong>Jahre</strong> lange Analyse des Überlebens im Rahmen<br />
einer Gesundheitsstudie.<br />
• Hintergrund und Methode: Fettleibigkeit und Übergewicht<br />
wurden als Risikofaktoren für PK Sterblichkeit in<br />
einer Gruppe von Männern angenommen. Fettleibigkeit<br />
wurde auch in Verbindung gebracht mit hohen PK<br />
Graden und einem höheren Risiko eines PSA-Wiederauftretens<br />
nach radikaler Prostatektomie. Männer mit<br />
einem „Body Mass Index“ (BMI) von 25 bis 29 wurden<br />
als übergewichtig betrachtet und Männer mit einem<br />
BMI höher als 30 wurden als fettleibig eingeordnet.<br />
Erläuterung: BMI – ist das Körpergewicht (kg) geteilt<br />
durch Körpergröße (m) ins Quadrat gesetzt.<br />
• Ergebnis: die Wissenschaftler analysierten die Beziehung<br />
zwischen dem ursprünglichen BMI, dem Krebsstadium<br />
und dem Überleben von 2144 Männern im<br />
Alter zwischen 40 und 84, die alle <strong>Prostatakrebs</strong> entwickelt<br />
hatten. Bei einer Nachbeobachtungszeit von<br />
21 <strong>Jahre</strong>n starben 233 Männer am <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />
Nachdem andere Risikofaktoren (z. b. Rauchen) mit<br />
einkalkuliert worden waren, ergab sich, dass Männer<br />
mit Übergewicht eine 30% höhere Wahrscheinlichkeit<br />
haben, an <strong>Prostatakrebs</strong> zu sterben, als normalgewichtige<br />
Männer. Fettleibige Männer haben mit mehr<br />
als doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen,<br />
dass sie an PK sterben. Darüber hinaus haben fettleibige<br />
Männer eine zweimal höhere Wahrscheinlichkeit<br />
bereits mit metastatischem <strong>Prostatakrebs</strong> diagnostiziert<br />
zu werden gegenüber übergewichtigen und nor-<br />
48<br />
malgewichtigen Männern. Auch bei weniger fortgeschrittenem<br />
Krebs bei der Erstdiagnose war das Risiko<br />
an PK zu sterben bei übergewichtigen und fettleibigen<br />
Männern doppelt so hoch.<br />
• Bedeutung für Patienten: Diese Ergebnisse lassen darauf<br />
schließen, dass das Risiko einer Entwicklung von<br />
<strong>Prostatakrebs</strong> oder daran zu sterben, gemindert werden<br />
kann, wenn ein normales Gewicht gehalten wird.<br />
Die Wissenschaftler wissen nicht, wie Fettleibigkeit den<br />
<strong>Prostatakrebs</strong> beeinflusst. Sehr dick zu sein, könnte die<br />
Diagnose von <strong>Prostatakrebs</strong> verzögern oder Übergewicht<br />
und Fettleibigkeit könnte mit einer biologisch aktiveren<br />
Form des <strong>Prostatakrebs</strong>es zusammen hängen.<br />
2. Auswirkungen des Rauchens auf Überlebenszeit und<br />
Tumorprogression beim <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />
• Hintergrund und Methode: Es wurde angenommen,<br />
dass aktuelles oder auch früheres Rauchen mit einem<br />
fortgeschritteneren <strong>Prostatakrebs</strong> zum Zeitpunkt der<br />
Diagnose zusammenhängt. Um diesen Effekt zu<br />
untersuchen, wurden in 1787 Fällen drei verschieden<br />
Endpunkte gewählt: ständige Raucher, ehemalige<br />
Raucher und Nicht-Raucher.<br />
• Ergebnis: Nach 5 <strong>Jahre</strong>n waren noch 75% der ehemaligen<br />
und der Nicht-Raucher am Leben, jedoch<br />
nur 65% der Raucher. Faktoren, die das Risiko verringerten,<br />
waren Operation, Bestrahlung und Hormonblockade.<br />
Nach 10 <strong>Jahre</strong>n Beobachtungszeit konnte<br />
Rezidivfreiheit (bzw. frei von neuem <strong>Prostatakrebs</strong>) bei<br />
90% der Nichtraucher aber nur bei 78% der derzeitigen<br />
und der ehemaligen Raucher festgestellt werden.<br />
• Bedeutung für Patienten: Rauchen verkürzt die Überlebenszeit,<br />
kann den Krankheitsfortschritt befördern<br />
und erhöht das Risiko eines wieder Auftretens von<br />
<strong>Prostatakrebs</strong>.<br />
3. Bestimmung des Risikos für <strong>Prostatakrebs</strong> bei der<br />
Biopsie durch genetische Marker.<br />
• Hintergrund und Methode: Es besteht ein großes Interesse,<br />
neue Marker zu finden, die das Risiko eines<br />
<strong>Prostatakrebs</strong>es klar identifizieren. Viele Untersuchungen<br />
sind bisher zum <strong>Prostatakrebs</strong> durchgeführt worden.<br />
Wir haben eine große Anzahl von polymorphen<br />
Genen (13) untersucht im Hinblick auf die Aussage<br />
eines <strong>Prostatakrebs</strong>es nach der Biopsie bei Männern,<br />
die sich einem PSA-Screening unterzogen hatten.<br />
• Ergebnis: von 2088 Männern hatten 996 (47%)<br />
<strong>Prostatakrebs</strong>. Unter den 13 untersuchten Genen fan-
den wir 4, die mit <strong>Prostatakrebs</strong> in einen positiven<br />
Zusammenhang gebracht werden konnten.<br />
• Bedeutung für Patienten: Bei einer Kombination aller<br />
4 Gene war die Wahrscheinlichkeit der Wahrhaftigkeit<br />
der Aussage sehr hoch (Odds Ratio = 9). Diese<br />
Ergebnisse werden die Methoden und den Algorithmus<br />
zur Entdeckung des <strong>Prostatakrebs</strong>es bereichern.<br />
• Anmerkung des Verfassers: Es gab mehrere Präsentationen,<br />
die noch weitere potentielle Tumormarker<br />
untersucht haben. Eine klare Aussage, welcher der<br />
beste Tumormarker zur Entdeckung des <strong>Prostatakrebs</strong>es<br />
sei, wurde nicht gemacht. Es besteht jedoch<br />
die große Wahrscheinlichkeit, dass in Kürze ein neuer<br />
Tumormarker einsatzreif ist.<br />
4. Patienten mit lokalisiertem PK bewerteten die Veränderungen<br />
der sexuellen Funktionen nach externer<br />
Bestrahlung, Brachytherapie und Prostatektomie mit<br />
und ohne begleitende Hormonblockade.<br />
• Hintergrund und Methode: Die Wahrscheinlichkeit,<br />
sexuelle Funktionen nach einer lokalen Therapie beibehalten<br />
zu können prägen wesentlich die Therapieentscheidung<br />
von Patienten. In dieser Studie wurden<br />
alle üblichen Behandlungen lokaler Therapien (nervschonende<br />
Operation, Brachy- und externe Strahlentherapie,<br />
mit und ohne Hormonblockade etc.) hinsichtlich<br />
deren Beeinträchtigung der sexuellen<br />
Funktionen beurteilt und untereinander verglichen.<br />
2903 Männer mit dem Tumorstadium T1 bis T3a, No,<br />
Mo wurden in die Untersuchung einbezogen.<br />
• Ergebnis: Es konnten klare Hierarchien hinsichtlich der<br />
Auswirkung auf die sexuellen Funktionen (SF) erkannt<br />
werden: Ohne HB ist die Strahlentherapie günstiger<br />
gegenüber der Prostatektomie. SF ist relativ günstiger<br />
nach Brachytherapie gegenüber anderen Formen<br />
der Strahlentherapie. SF nach Brachytherapie und<br />
externer Strahlentherapie ist 2 <strong>Jahre</strong> lang günstiger<br />
gegenüber mit und ohne nervschonender OP. Bei<br />
den Strahlentherapien waren jeweils nach 2 oder 4<br />
<strong>Jahre</strong>n abgestufte Veränderungen festzustellen.<br />
• Bedeutung für Patienten: Alle derzeitigen lokalen Behandlungsmethoden<br />
haben negative Auswirkungen<br />
auf die sexuellen Funktionen. Bei externer Strahlentherapie<br />
und Brachytherapie wurden in den ersten 4<br />
<strong>Jahre</strong>n bessere Ergebnisse bei den sexuellen<br />
Funktionen (SF) nachgewiesen als bei der Prostatektomie.<br />
Androgenblockade hat anfänglich einen<br />
ungünstigeren Einfluss auf die SF, dies hat sich aber<br />
nach 4 <strong>Jahre</strong>n wieder ausgeglichen. Unseres Wissens<br />
nach ist dies die am ausführlichsten berichtete Bewertung<br />
einer unabhängigen vergleichenden Untersuchung<br />
jeder dieser Therapien.<br />
5. PSA Verdoppelungszeit dient zur Vorhersage eines<br />
aggressiven <strong>Prostatakrebs</strong>es nach wiederholter<br />
Prostatabiopsie.<br />
• Hintergrund und Methode: Prostatabiopsien haben<br />
ein hohes Risiko einer falsch-negativen Aussage.<br />
Das Vorhandensein eines hochgradig aggressiven<br />
Tumors ist aber einer der stärksten Vorhersagefaktoren<br />
hinsichtlich der Gesamtüberlebenszeit. Daher wären<br />
solche Männer sinnvolle Kandidaten für eine häufig<br />
wiederholte Biopsie. Wir versuchten einen Risikofaktor<br />
zu identifizieren und ein klinisch nutzbares<br />
Verfahren zu entwickeln, um die Anwesenheit eines<br />
okkulten aggressiven <strong>Prostatakrebs</strong>es (Gleason Score<br />
≥ 7) bei Männern mit negativen Biopsien vorhersagen<br />
zu können. Alle bisher bekannten und verfügbaren<br />
diagnostischen Faktoren wurden bei 406 Männern<br />
zusammengetragen, deren Biopsien bisher negativ<br />
waren. Insgesamt wurden 1059 Biopsien durchgeführt.<br />
• Ergebnis: PSA-Verdoppelungszeit und PSA-Dichte,<br />
zwei unabhängige prognostische Faktoren, wurden<br />
bei den verschiedenen Gruppen identifiziert und bewertet.<br />
Es wurden drei Gruppen zusammengestellt: je<br />
eine hohe, mittlere und geringe Risikogruppe. Dabei<br />
stellte sich heraus, dass die PSA-Verdoppelungszeit als<br />
alleiniger Faktor zur Identifizierung der Anwesenheit<br />
eines aggressiven Tumors ausreicht. Nach einer Gesamtbeobachtungszeit<br />
von 3,3 <strong>Jahre</strong>n wurde schließlich<br />
bei 41 dieser Männer (10.1%) ein aggressiver<br />
Krebs festgestellt.<br />
• Bedeutung für Patienten: PSA-Verdoppelungszeit<br />
(PSADT) allein reicht aus, um den Patienten in eine klinisch<br />
sinnvolle Gruppe z.B. mit hohem Risiko einordnen<br />
zu können. Dabei sind PSADT von weniger als zwei<br />
<strong>Jahre</strong>n ein wesentliches Merkmal dieser Zuordnung.<br />
Hier sind also wiederholte Biopsien angezeigt. Männer<br />
mit einer PSADT von 2 bis 5 <strong>Jahre</strong>n sind der Gruppe<br />
mit mittlerem Risiko und mit einer PSADT von mehr als<br />
5 <strong>Jahre</strong>n der Gruppe mit geringem Risiko zuzuordnen.<br />
Im letzteren Fall können zwischen Biopsiewiederholungen<br />
längere Pausen liegen. Durch eine solche<br />
49
Einteilung können unnötige Biopsien vermieden und<br />
eine Übertherapie verhindert werden.<br />
6. Untersuchung der Lebensqualität im Vergleich zwischen<br />
radikaler Prostatektomie (RP) und externer Bestrahlung<br />
(EBRT) bei Männern mit lokalisiertem <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />
• Hintergrund und Methode: Die allgemeine und<br />
krankheitsspezifische Lebensqualität sollte im Rahmen<br />
einer randomisierten (durch Zufall ausgewählte<br />
Patienten) Studie im Vergleich zwischen RP und EBRT<br />
untersucht werden.<br />
Ergebnisse: 137 Patienten wurden randomisiert aufgeteilt<br />
in eine Gruppe mit RP (70 Männer) und mit EBRT<br />
(67 Männer) und nach jeweils festgelegten Zeiträumen<br />
untersucht, sowie deren Aussagen bewertet.<br />
Wesentliche Faktoren waren dabei Urin- und Stuhlinkontinenz<br />
und sexuelle Funktionen.<br />
• Ergebnis: Während nach den ersten Monaten die<br />
Männer mit RP über stärkere negative Auswirkungen<br />
auf die allgemeine Lebensqualität gegenüber denen<br />
mit EBRT beklagten, glichen sich die Daten nach etwa<br />
12 Monaten einander an. Im Anfang waren bei den<br />
Männern mit RP stärkere Probleme mit Urininkontinenz<br />
gegenüber denen mit EBRT (10,6% gegenüber 2,9%<br />
noch nach 2 <strong>Jahre</strong>n inkontinent) feststellbar, die sich<br />
jedoch später verbesserten. Stuhlinkontinenz war bei<br />
den Männern mit EBRT während der gesamten<br />
Untersuchungszeit ein größeres Problem als bei<br />
denen mit RP (26% gegenüber 6,1%). Sexuelle<br />
Funktionen waren deutlich besser bei Männern mit<br />
EBRT gegenüber RP, jedoch konnte festgestellt werden,<br />
dass mit andauernder Untersuchung diese Funktionen<br />
bei Männern mit EBRT sich ungünstiger<br />
entwickelten, während bei einigen Männern mit RP<br />
eine Verbesserung im Lauf der Zeit festgestellt werden<br />
konnte.<br />
• Bedeutung für Patienten: Während eine stärkere<br />
Absenkung der allgemeinen Lebensqualität lediglich<br />
in den ersten Monaten nach einer RP gegenüber<br />
denen mit ERBT festgestellt worden ist, haben Männer<br />
mit RP langfristig jedoch eher mit Problemen der<br />
Urininkontinenz als mit der Stuhlinkontinenz gegenüber<br />
denen mit einer EBRT zu tun. In beiden Fällen muß<br />
eine langfristige Einschränkung der Lebensqualität<br />
hinsichtlich der sexuellen Funktionen in Kauf genommen<br />
werden.<br />
50<br />
7. <strong>Prostatakrebs</strong>, der ursprünglich nach einer Biopsie<br />
mit Gleason Score (GS) 6 bewertet worden ist, muß<br />
häufig nach einer radikalen Prostatektomie mit GS 7<br />
bewertet werden. Auswirkungen und Ergebnisse.<br />
• Hintergrund und Methode: Die Unterscheidung zwischen<br />
einem GS 6 und 7 hat eine besondere<br />
Bedeutung bei der Therapieentscheidung, vor allem<br />
wenn es um ein beobachtendes Abwarten geht. Ein<br />
GS 6 nach einer Biopsie ist keine Garantie, dass dies<br />
auch tatsächlich der Aggressivität des <strong>Prostatakrebs</strong>es<br />
entspricht. In der Untersuchung wurden die Häufigkeit,<br />
die Charakteristika und die Ergebnisse untersucht,<br />
wenn der Tumor bei der Biopsie 6 geblieben ist, oder<br />
nach einer folgenden Operation dann auf höher<br />
bewertet werden musste, oder bei 7 geblieben ist. Es<br />
gab also 3 Untergruppen.<br />
• Ergebnisse: In 38,2% der Fälle wurde bei Biopsie und<br />
RP Übereinstimmung, in 50,3% der Fälle jedoch ein<br />
Unterschied festgestellt. In der Gruppe der GS 7<br />
Bewertungen stimmten 81,4% der Bewertungen überein.<br />
Es wurden jeweils die PSA-Verläufe, die Prozent<br />
befallenen Gewebes, positive Schnittränder, Samenblasenbefall<br />
und Tumorausdehnung in Beziehung zu<br />
den ursprünglichen Befundungen gebracht. Mehr als<br />
50% der Gleason Score ausgehend vom GS 6 mussten<br />
bei der Bewertung nach der Operation höher<br />
eingestuft werden.<br />
• Bedeutung für Patienten: Die Patienten mit dem<br />
höher eingestuften Gleason Score haben natürlich<br />
die gleichen Bedingungen (Prognose, Rezidive etc.)<br />
zu erwarten, wie die ursprünglich gleich hoch eingestuften<br />
Patienten.<br />
Anmerkung: Bei 50% Unterbewertung beim Gleason<br />
Score 6 nach einer Biopsie kann diese Angabe nicht<br />
als eine solide Datenvoraussetzung für die anstehende<br />
Therapieentscheidung akzeptiert werden. Bei jeder<br />
Therapieentscheidung, aber insbesondere bei einer<br />
anderen Therapieentscheidung als die der radikalen<br />
Prostatektomie, ist es daher häufig sehr wichtig, eine<br />
Zweitmeinung eines pathologischen Institutes einzuholen,<br />
das ausreichend Erfahrung im Umgang mit<br />
<strong>Prostatakrebs</strong>gewebe hat.<br />
8. Primärtherapie einer Dreifachen Androgenblokkade<br />
(DHB) gefolgt von einer Finasterid-Erhaltungstherapie<br />
für den lokal begrenzten <strong>Prostatakrebs</strong>: Langzeitergebnisse<br />
unter Einbeziehung der Lebensqualität.
• Hintergrund und Methode: Kurative Behandlungsstrategien<br />
für den klinisch lokalisierten <strong>Prostatakrebs</strong><br />
werden in zunehmendem Maße kontrovers diskutiert<br />
und sind üblicherweise verbunden mit einem langzeitigen<br />
Verlust der Lebensqualität. Neuerdings wird<br />
vermehrt über den Einsatz der Androgenunterdrückung<br />
bei einem lokalisierten <strong>Prostatakrebs</strong><br />
berichtet. Hier geht es um den Bericht über die<br />
Langzeitergebnisse eines einmaligen Zyklus von 13<br />
Monaten einer dreifachen Hormonblockade mit<br />
anschließender Erhaltungstherapie mit Finasterid.<br />
Inzwischen wurden 183 Männer mit lokalisiertem <strong>Prostatakrebs</strong>,<br />
die eine radikale lokale Therapie ablehnten,<br />
mit diesem Protokoll prospektiv behandelt. Sie<br />
erhielten eine LH-RH-Analogon Depotspritze und täglich<br />
Antiandrogene (Flutamid oder Bicalutamid) plus 5<br />
mg Finasterid. Im Anschluss daran erhielten sie weiter<br />
die Finasterid-Erhaltungstherapie. Physikalischer,<br />
psychologischer und funktioneller Status wie auch die<br />
Gesamtlebensqualität wurde mit den in der Wissenschaft<br />
üblichen symptombasierten Validierungskriterien<br />
gemessen.<br />
• Ergebnisse: Ausgangswerte bei den Patienten in der<br />
Untersuchung: durchschnittliches Alter war 67 <strong>Jahre</strong>,<br />
mittlerer Anfangs-PSA-Wert war 11,1 (Bereich 0,39 bis<br />
59,8), mittlerer Gleason Score war 7 (Bereich 4 bis 10).<br />
Hochrisikofaktoren (aPSA > 20 ng/ml, Gleason Score<br />
> 7, oder T3 Stadium) wurden bei 59 (32%) der 183<br />
Patienten festgestellt. Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit<br />
von 75 Monaten (Bereich 48 – 156<br />
Monate) ist der mittlere PSA-Wert 3,3 ng/ml. Ein zweiter<br />
Zyklus wurde bei 14 Patienten eingeleitet. Alle 14<br />
Patienten hatten Hochrisikofaktoren. Einer der Männer<br />
starb an einem progressiven resistenten PK. Keiner der<br />
Männer mit niedrigen oder mittleren Risikofaktoren<br />
musste einen zweiten Zyklus beginnen. 5 Männer haben<br />
sich nach 3 bis 6 <strong>Jahre</strong>n für eine lokale Therapie<br />
entschieden. Damit ist das krankheitsspezifische Überleben<br />
mit 99,4% anzugeben. Alle Patienten erfuhren<br />
typische und zu erwartende Nebenwirkungen während<br />
der Hormonblockade, alle Nebenwirkungen<br />
waren reversibel nach Absetzen der HB.<br />
• Bedeutung für Patienten: Ein einmaliger Zyklus der<br />
DHB mit anschließender Erhaltungstherapie ermöglicht<br />
eine ausgezeichnete Langzeitkontrolle und<br />
Management eines lokalisierten <strong>Prostatakrebs</strong>es.<br />
Noch immer gibt es keinen prospektiven randomisierten<br />
(durch Zufall ausgewählte Patienten) Studiennachweis,<br />
dass irgendeine Form einer der radikalen lokalen<br />
Therapien das Leben verlängern kann. Nachweise<br />
gibt es lediglich, dass solche radikalen lokalen<br />
Therapien häufig erhebliche und oft permanente<br />
Auswirkungen hinsichtlich der Potenz, der Kontinenz<br />
und auch der fäkalen Funktionen haben können. Mit<br />
der Akzeptanz dieser Präsentation auf diesem Symposium<br />
wird auch seitens der wissenschaftlichen Szene<br />
von dieser neueren Möglichkeit des Umgangs mit<br />
dem <strong>Prostatakrebs</strong> Kenntnis genommen.<br />
9. Kombination einer permanenten Seed-Brachytherapie<br />
mit einer externen Bestrahlung bei <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />
Gibt es dabei zusätzliche Probleme im Harntrakt<br />
(urinary morbidity)?<br />
• Hintergrund und Methode: Die Methode der Kombination<br />
von Brachytherapie und externer Bestrahlung<br />
wird hauptsächlich bei Männern mit mittelschweren<br />
prognostischen Faktoren eingesetzt. Die Frage, ob<br />
dadurch zusätzliche Probleme beim Wasserlassen<br />
verbunden sind, wird häufig diskutiert, ohne dass es<br />
hierzu fundierte wissenschaftliche Daten gibt, die dies<br />
bestätigen oder auch das Gegenteil beweisen. Zur<br />
Klärung dieser Frage wurde eine prospektive Studie<br />
durchgeführt. 56 Männer mit <strong>Prostatakrebs</strong> und einem<br />
Gleason Score 7 erhielten eine Kombination von<br />
Brachytherapie und externer Bestrahlung, während<br />
das gleiche Team von Wissenschaftlern weitere 425<br />
Männer mit einem Gleason Score kleiner als 7 nur mit<br />
einer Brachytherapie behandelte. Alle Männer füllten<br />
dann die standardisierten Fragebögen zu Kontinenzproblemen<br />
bis 24 Monate nach der Therapie aus.<br />
• Ergebnisse: Beide Gruppen hatten zunächst vergleichbare<br />
Ausgangsdaten. In der Gruppe mit kombinierter<br />
Therapie wurden nach 6 und nach 12<br />
Monaten signifikant schlechtere Werte gegenüber der<br />
Monotherapie festgestellt. Nach 24 Monaten stellte<br />
sich jedoch in beiden Gruppen wieder die<br />
Problemsituation der Ausgangslage ein. Keiner der<br />
Patienten musste einen Katheter tragen. Keiner der<br />
Patienten aus beiden Gruppen berichtete über<br />
Komplikationen des Schweregrades 4.<br />
• Bedeutung für Patienten: Zeitlich begrenzte Verschlechterung<br />
der unteren Urintrakt Symptome stellten<br />
sich bei allen Männern ein, wobei zunächst schwierige-<br />
51
e Probleme bei den Männern mit einer Kombinationstherapie<br />
festgestellt werden mussten. Nach zwei <strong>Jahre</strong>n<br />
besserten sich jedoch die Symptome und es stellte<br />
sich die ursprüngliche Problemsituation wieder ein. Die<br />
Annahme, dass eine Kombinationstherapie schwerere<br />
Probleme beim Wasserlassen zur Folge haben könnte,<br />
wurde nach dieser Erfahrung nicht bestätigt.<br />
10. Brachytherapie gegenüber radikaler Prostatektomie<br />
beim lokalisierten <strong>Prostatakrebs</strong>: Erfahrungswerte<br />
aus 12 <strong>Jahre</strong>n.<br />
• Hintergrund und Methode: In einer Bemühung, mehr<br />
Klarheit in die ständige Diskussion, welches die beste<br />
Therapie für den Patienten mit lokalisiertem <strong>Prostatakrebs</strong><br />
sei, zu bringen, wurde eine retrospektive Überprüfung<br />
von Patienten aus einer urologischen Praxis<br />
durchgeführt. Die Berichte von 1707 Patienten, die<br />
zwischen 1992 und 2004 behandelt worden waren,<br />
wurden ausgewertet. Die Patienten wurden jeweils in<br />
Risikogruppen entsprechend ihrem Ausgangs-PSA<br />
und dem Gleason Score eingeteilt. Wir nutzten die Zeit<br />
bis zu einem wieder auftretenden PSA-Anstieg als<br />
Indikator für eine Kontrolle des Tumors bzw. für Heilung.<br />
• Ergebnisse: Die Brachytherapie, ausschließlich mit<br />
Palladium 103, und die retropubische radikale Prostatektomie<br />
zeigten etwa gleiche Ergebnisse bei Männern<br />
in der geringen Risikogruppe. Bei der mittleren und der<br />
höheren Risikogruppe war eine bessere Kontrolle der<br />
Erkrankung in der Brachytherapiegruppe feststellbar.<br />
Die zusätzliche Anwendung von externer Bestrahlung<br />
mit oder ohne vorheriger begleitender Hormonblockade<br />
verbesserte die biochemische Kontrollrate<br />
bei der mittleren und höheren Risikogruppe. Dabei<br />
wurde „Kontrolle“ definiert als ein PSA < 0,4 ng/ml bei<br />
der radikalen Prostatektomie und die ASTRO-Definition<br />
(weniger als 3 aufeinander folgende Anstiege des<br />
PSA-Wertes) bei den Patienten mit Brachytherapie.<br />
• Bedeutung für Patienten: Beide Therapien, Brachytherapie<br />
und radikale Prostatektomie, sollten gleichwertig,<br />
ohne jegliche Bevorzugung der einen oder<br />
anderen Therapie, von den Ärzten den Patienten mit<br />
einem Stadium T1 und T2 Tumor einer organbegrenzten<br />
<strong>Prostatakrebs</strong>erkrankung angeboten werden.<br />
11. Konformale Strahlentherapie mit Protonen.<br />
• Hintergrund und Methode: In einer neuen Studie<br />
wurde herausgefunden, dass höhere Dosen einer konformalen<br />
Strahlentherapie, die jedoch anders als in<br />
52<br />
der üblichen Art der Strahlentherapie eingebracht<br />
wurde, das Wachstum des <strong>Prostatakrebs</strong>es verlangsamen<br />
können, ohne dass dadurch unerwünschte Nebenwirkungen<br />
in stärkerem Maße auftreten. Konventionelle<br />
Strahlentherapie setzt Röntgenstrahlen ein,<br />
während bei dieser konformalen Strahlung subatomische<br />
Partikel, die man Protonen nennt, eingebracht<br />
werden, damit höhere Dosen an die Prostata herangebracht<br />
werden können. Diese konformale Strahlentherapie<br />
erlaubt dem Therapeuten, die Bestrahlung<br />
viel präziser einzubringen und damit den Schaden an<br />
gesunden Zellen minimieren zu können. Das Ziel dieser<br />
Studie war es, durch Einbringen einer höheren<br />
Strahlendosis zu ermitteln, ob geringere PSA-Werte und<br />
bessere Überlebenschancen erreicht werden können.<br />
In dieser Studie analysierten die Wissenschaftler 393<br />
Männer mit lokalisiertem <strong>Prostatakrebs</strong>. Die Hälfte der<br />
Männer erhielt die übliche Dosis einer dreidimensionalen<br />
konformalen Strahlentherapie und die andere<br />
Hälfte erhielt eine höhere Dosis dieser neuen dreidimensionalen<br />
konformalen Bestrahlung.<br />
• Ergebnis: Nach 5 <strong>Jahre</strong>n Nachbeobachtungszeit war<br />
der PSA-Level bei den Männern, die eine höhere Dosis<br />
erhalten hatten, um 19,1% angestiegen, während er<br />
bei den Männern mit der üblichen Strahlendosis um<br />
37,3% angestiegen war. Mehr als 90% der Männer in<br />
beiden Gruppen waren noch am Leben und die<br />
unerwünschten Nebenwirkungen waren gering (2%<br />
oder weniger) in beiden Gruppen.<br />
• Bedeutung für Patienten: Diese Studie belegt, dass<br />
eine höhere Dosis der konformalen Strahlentherapie<br />
den Entwicklungsprozess des <strong>Prostatakrebs</strong>es verlangsamen<br />
und dabei die Schädigung von gesunden<br />
Zellen eingegrenzt werden kann. Die Überlebenszeit<br />
nach 5 <strong>Jahre</strong>n Nachbeobachtung war jedoch in beiden<br />
Gruppen ähnlich, was man bei Männern mit lokalisiertem<br />
<strong>Prostatakrebs</strong> auch erwarten kann. Daher ist<br />
eine längere Nachbeobachtungszeit erforderlich, um<br />
zu erkennen, ob auch ein Unterschied im Langzeitüberleben<br />
in den beiden Gruppen erkannt werden<br />
kann. Zur Zeit ist diese Therapietechnik noch nicht<br />
überall verfügbar.<br />
CHRISTIAN LIGENSA<br />
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