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5 Jahre Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. Herzlichen ...

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Magazin2/2005<br />

Informationen für <strong>Prostatakrebs</strong>erkrankte und Angehörige<br />

5 <strong>Jahre</strong><br />

<strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> e.V.<br />

<strong>Herzlichen</strong> Glückwunsch!


INHALTSVERZEICHNIS<br />

Heft 2, September 2005<br />

Tag der <strong>Selbsthilfe</strong>..........................................................................................................................................1<br />

Früherkennung:<br />

Prävention von <strong>Prostatakrebs</strong> in neuem Licht ..............................................................................................................3<br />

Screening/Früherkennung des Prostatakarzinoms........................................................................................................5<br />

Initiative Männergesundheit ........................................................................................................................................7<br />

Erfolg für Aufklärungskampagne zum Thema <strong>Prostatakrebs</strong>........................................................................................9<br />

Diagnose und Therapie:<br />

Neue Entwicklungen in der pathologischen Diagnostik des Prostatakarzinoms ........................................................10<br />

Prognostische und therapeutische Bedeutung der DNA-Zytometrie beim Prostatakarzinom ....................................19<br />

Läßt sich kein Prostata-Tumor finden, sorgt PET/CT für Klarheit ..................................................................................21<br />

Intensitätsmodulierte Strahlentherapie ......................................................................................................................23<br />

Langfristige Linderung bei Knochenschmerzen ......................................................................................................26<br />

Zum Urologen oder zum Onkologen? ......................................................................................................................29<br />

Nachsorge ................................................................................................................................................................32<br />

Multidisziplinäres <strong>Prostatakrebs</strong> Symposium – Teil 1 ..................................................................................................47<br />

Inkontinenz:<br />

<strong>Prostatakrebs</strong> und Inkontinenz ................................................................................................................................33<br />

ProAct – Ballonsphinkter bei männlicher Inkontinenz ................................................................................................36<br />

Verschiedenes:<br />

Das Deutsche <strong>Prostatakrebs</strong> Konsortium stellt sich vor ..............................................................................................39<br />

<strong>Prostatakrebs</strong> und Schwerbehindertenrecht ..............................................................................................................40<br />

Wahl-Prüfsteine der Bundesarbeitsgemeinschaft Krebsselbsthilfe..............................................................................45<br />

Foto Titelseite: von links Franz Stadlbauer, PROCAS, <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe Regensburg<br />

Rudolf Drummer, <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe Südbaden-Oberschwaben<br />

Impressum:<br />

Verantwortlich sind im Auftrage des Vorstandes<br />

Marlene Kühlechner und Wolfgang Petter.<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> e.V.<br />

Alte Straße 4, 30989 Gehrden<br />

Postfach 10 11 25, 30983 Gehrden<br />

Telefon: (0 5108) 92 66 46<br />

Fax: (0 5108) 92 66 47<br />

E-Mail: info@prostatakrebs-bps.de<br />

Internet: www.prostatakrebs-bps.de<br />

Erscheinungsweise: 3 x jährlich<br />

Bankverbindung:<br />

Sparkasse Hannover: Konto-Nummer 70 20 100<br />

Bankleitzahl 250 501 80<br />

Spendenkonto:<br />

Sparkasse Hannover: Konto-Nummer 70 20 621<br />

Bankleitzahl 250 501 80<br />

Eingetragen im Vereinsregister Bonn: VR-Nr. 7824<br />

Gemeinnützigkeit durch FA Hannover-Land I: 23/200/46792<br />

Der <strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> e.V. wird unterstützt<br />

durch die Deutsche Krebshilfe. Er finanziert seine Arbeit<br />

darüber hinaus durch Spenden. Die Spenden sind abzugsfähig<br />

im Sinne des § 10 des Einkommensteuergesetzes.


16. NOVEMBER 2005 –<br />

TAG DER KREBS-SELBSTHILFE<br />

Deutsche Krebshilfe fordert Ärzte zur engeren<br />

Zusammenarbeit auf<br />

Bonn (ct) – Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen geben<br />

wichtige Impulse und helfen, Defizite in der Versorgung<br />

von Krebs-Patienten zu erkennen und abzubauen.<br />

Doch viele Ärzte stehen der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong><br />

und den Patientenvertretern immer noch skeptisch<br />

gegenüber. Um ihre Akzeptanz insbesondere in der<br />

Ärzteschaft zu erhöhen und ihren Stellenwert im Gesundheitssystem<br />

weiter zu entwickeln und sichern, ruft<br />

die Deutsche Krebshilfe gemeinsam mit allen Krebs-<br />

<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen den ’Tag der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>’<br />

ins Leben. Zudem errichten die Organisationen<br />

gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe im Frühjahr<br />

nächsten <strong>Jahre</strong>s das ’Haus der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>’ in<br />

Bonn.<br />

„Berufspatienten sind eines der Grundübel dieses<br />

Gesundheitssystems. Professionelle Patientenvertretungen<br />

fordern stets neue Leistungen, tragen aber nichts<br />

zur Diskussion über notwendige Streichungen bei.“ Diese<br />

und ähnliche Vorbehalte gegenüber aufgeklärten<br />

Patienten haben immer noch viele Ärzte. Gemeinsam<br />

mit allen Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen will die<br />

Deutsche Krebshilfe diesen Vorbehalten massiv entgegentreten.<br />

Am 16. November 2005 wird der Patientenbeirat der<br />

Deutschen Krebshilfe daher in der Bonner „La Redoute“<br />

mit Repräsentanten und Entscheidungsträgern des Gesundheitswesens<br />

sowie Multiplikatoren und „<strong>Selbsthilfe</strong>-<br />

Managern“ über die große Bedeutung von Krebs-<br />

<strong>Selbsthilfe</strong> und Patientenvertretung diskutieren, Defizite in<br />

der Patientenversorgung benennen und Verbesserungsvorschläge<br />

machen. „Mit dem ’Tag der Krebs-<br />

<strong>Selbsthilfe</strong>’ wollen wir wichtige Impulse setzen und den<br />

Patientenvertretern Gehör und Akzeptanz verschaffen“,<br />

so Professor Dr. Dagmar Schipanski, Präsidentin der<br />

Deutschen Krebshilfe am 6. Juni 2005 in Bonn.<br />

Im Frühjahr nächsten <strong>Jahre</strong>s wird außerdem das ’Haus<br />

der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>’ in Bonn eröffnet. „Die Zusammenführung<br />

aller Bundesverbände der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen<br />

unter einem Dach ist ein wichtiger<br />

Schritt: Es können gemeinsame Strukturen und Synergien<br />

genutzt werden“, sagt Gerd Nettekoven, Geschäftsführer<br />

der Deutschen Krebshilfe. Alle Bundesverbände<br />

haben bereits ihre Bereitschaft erklärt, nach Bonn zu<br />

ziehen – zumindest mit einem Teil ihrer Geschäftsstellen.<br />

„Die Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong> will – unabhängig von der Pharmaindustrie<br />

und frei von parteipolitischen Interessen – die<br />

Anliegen krebskranker Menschen vertreten und ihre Versorgung<br />

verbessern“, konstatiert Klaus Dörrie, Vorsitzender<br />

des Patientenbeirates der Deutschen Krebshilfe.<br />

Die Deutsche Krebshilfe arbeitet seit fast 30 <strong>Jahre</strong>n eng<br />

mit den Bundesverbänden der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong> zusammen<br />

und unterstützt diese maßgeblich finanziell.<br />

Außerdem gehören Vertreter aller großen Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen<br />

dem Patientenbeirat der Deutschen<br />

Krebshilfe an. Dieser Beirat versteht sich als Anwalt krebskranker<br />

Menschen und erarbeitet beispielsweise<br />

Konzepte zum Abbau von Defiziten in der Versorgung.<br />

Darüber hinaus setzt sich die Deutsche Krebshilfe für die<br />

Profilierung der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong> ein. Dazu gehört auch<br />

ein qualitätsgesichertes Schulungsangebot.<br />

Beim Informations- und Beratungsdienst der Deutschen<br />

Krebshilfe erhalten Betroffene und Interessierte Adressen<br />

von Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>gruppen. Die Organisation verteilt<br />

außerdem kostenfrei Patientenbroschüren, die allgemeinverständlich<br />

und anschaulich über die verschiedenen<br />

Krebsarten informieren und das Gespräch mit dem<br />

Arzt unterstützen. Dazu gehört auch die Broschüre<br />

„Teamwork: Krebs-Patienten und Ärzte als Partner“.<br />

1


Folgende Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen sind im Patientenbeirat der Deutschen Krebshilfe vertreten:<br />

-Frauenselbsthilfe nach Krebs e.V., B6 10/11, 68159 Mannheim, Tel.: 0621/24434, Fax: 0621/154877, Internet:<br />

www.frauenselbsthilfe.de, E-Mail: kontakt@frauenselbsthilfe.de<br />

- Deutsche ILCO e.V., Vereinigung für Stomaträger und Menschen mit Darmkrebs, Landshuter Straße 30, 85356<br />

Freising, Tel.: 08161/934301, Fax: 08161/934304, Internet: www.ilco.de, E-Mail: info@ilco.de<br />

- <strong>Bundesverband</strong> der Kehlkopflosen e.V., Annaberger Str. 231, 09120 Chemnitz, Tel.: 0371/221118,<br />

Fax: 0371/221125, Internet: www.kehlkopflosenbundesverband.de,<br />

E-Mail: info@kehlkopflosenbundesverband.de<br />

- Arbeitskreis der Pankreatektomierten e.V., Krefelder Str. 3, 41539 Dormagen, Tel.: 02133/42329,<br />

Fax: 02133/42691 Internet: www.adp-dormagen.de, E-Mail: adp-dormagen@t-online.de<br />

- Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe, <strong>Bundesverband</strong> der <strong>Selbsthilfe</strong>organisationen zur Unterstützung von<br />

Erwachsenen mit Leukämien und Lymphomen e.V., Thomas-Mann-Str. 40, 53111 Bonn, Tel.: 0228/39040,<br />

Fax: 0228/3904422 Internet: www.leukaemie-hilfe.de, E-Mail: info@leukaemie-hilfe.de<br />

- <strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> e.V. BPS, Alte Straße 4, 30989 Gehrden, Tel.: 05108/926646,<br />

Fax: 05108/926647, Internet: www.prostatakrebs-bps.de, E-Mail: info@prostatakrebs-bps.de<br />

- Deutsche Hirntumorhilfe e.V., Karl-Heine-Straße 27, 04229 Leipzig, Tel.: 03437/702700, Fax: 03437/702727,<br />

Internet: www.hirntumorhilfe.de, E-Mail: info@hirntumorhilfe.de<br />

2<br />

Pressemitteilung, Deutsche Krebshilfe, Juni 2005<br />

5 JAHRE BUNDESVERBAND PROSTATAKREBS<br />

SELBSTHILFE E.V.<br />

Red.: Am 15. September 2000 fand im Haus der<br />

Deutschen Krebshilfe in Bonn die Gründungsversammlung<br />

statt. Heute gehören dem <strong>Bundesverband</strong><br />

<strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> mehr als 150 <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen<br />

bundesweit an.<br />

Mit einem Festakt am 2. Dezember 2005 in Bad Wildungen<br />

werden die <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen und Wegbegleiter<br />

diesen Geburtstag feierlich begehen.<br />

Gleichzeitig wird eine Jubiläumsbroschüre erscheinen,<br />

die Sie bei Interesse gerne in der Geschäftstelle abrufen<br />

können (ab Dezember 2005).<br />

Vereinsinterne Ankündigung:<br />

Mitgliederversammlung<br />

3. Dezember 2005<br />

in Bad Wildungen


PRÄVENTION VON PROSTATAKREBS<br />

IN NEUEM LICHT<br />

Finasterid senkt nicht nur das Risiko für gutartige, sondern<br />

möglicherweise auch für aggressive Prostata-Karzinome<br />

von Helmut Schneider und Thomas Müller<br />

Als vor knapp zwei <strong>Jahre</strong>n die Ergebnisse einer großen<br />

Studie zur Chemoprävention von <strong>Prostatakrebs</strong> veröffentlicht<br />

wurden, hätten die Studienautoren eigentlich<br />

Grund zum Feiern gehabt: Erstmals konnte in einer<br />

Untersuchung gezeigt werden, dass eine Substanz die<br />

Inzidenz (Auftreten) von <strong>Prostatakrebs</strong> deutlich reduziert.<br />

Doch leider gab es einen Wermutstropfen: Zwar war<br />

die Krebsrate bei Männern, die in der PCPT-Studie sieben<br />

<strong>Jahre</strong> lang Finasterid einnahmen, insgesamt erniedrigt,<br />

doch die Rate für fortgeschrittene Tumoren war<br />

erhöht. Irgendwie ließ sich darauf kein Reim machen.<br />

Das Rätsel um das paradoxe Studien-Ergebnis hat<br />

offenbar auch dem Studienleiter schlaflose Nächte<br />

bereitet. Akribisch hat der US-Urologe Professor Ian<br />

Thompson aus San Antonio die Daten der PCPT-Studie<br />

noch einmal analysiert. Mit den Resultaten dieser<br />

Analyse hat er bereits für eine Überraschung beim<br />

Europäischen Urologenkongress in Istanbul gesorgt.<br />

Jetzt hat er auch beim US-Urologenkongress in San<br />

Antonio darüber berichtet. Seine Schlussfolgerung:<br />

Finasterid senkt die Rate aller Prostata-Tumoren – die<br />

erhöhte Rate aggressiver Tumoren in der Studie war nur<br />

ein Artefakt.<br />

In kleiner Prostata findet man eher<br />

per Biopsie einen Tumor<br />

Thompson nannte dafür mehrere Gründe: Die<br />

Prostatae der Männer in der Finasterid-Gruppe waren<br />

im Mittel um fast ein Viertel kleiner als in der Placebo-<br />

Gruppe. Eine solche Verkleinerung der Prostata ist eines<br />

der Therapieziele bei Männern mit BPH (Gutartiger<br />

Prostata Vergrößerung). Bei einer kleineren Prostata ist<br />

jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Biopsie<br />

der Tumor getroffen wird, höher als bei einer großen<br />

Prostata, sagte Thompson auf einer Veranstaltung des<br />

Unternehmens MSD in Istanbul.<br />

Mehr noch: Eine kleinere Prostata bedingt auch, dass<br />

die Tumoren eher als aggressiv eingestuft werden. Dies<br />

liegt an der Beurteilung des Tumors mit dem Gleason-<br />

Wert. Der Wert setzt sich zusammen aus einem<br />

Punktwert für den Tumorzelltyp, der am häufigsten in<br />

der Probe gefunden wird, plus einem Punktwert für den<br />

nächst häufigen Zelltyp.<br />

Für noch gut differenzierte Zellen gibt es einen Punkt, für<br />

undifferenzierte, also hoch maligne Zellen, fünf Punkte.<br />

Besteht ein Tumor hauptsächlich aus schwach malignen<br />

Zellen (drei Punkte) und einem kleinen Teil stark<br />

maligner Zellen (fünf Punkte), so ist die Chance bei<br />

Biopsie einer großen Prostata auch größer, nur<br />

schwach maligne Zellen zu finden (der Gleason-Wert<br />

wärte dann 3+3, also 6).<br />

Hingegen ist bei einer kleineren Prostata die Chance<br />

größer, bei einer Biopsie auch einige der hoch-malignen<br />

Zellen zu erwischen – der Gleason-Wert wäre dann<br />

3+5, also 8. Der Unterschied führt zu einer anderen<br />

Einteilung: Ab einem Wert von 7 Punkten gilt der Tumor<br />

als aggressiv, nicht so bei einem Wert von 6. Konkret<br />

heißt das: Mit Finasterid liefert die Biopsie ein genaueres<br />

Ergebnis, ohne Finasterid werden aggressive<br />

Tumoren eher übersehen.<br />

3


Bestätigt wird diese Annahme durch histologische<br />

Untersuchungen bei 464 Teilnehmern der PCPT-Studie,<br />

bei denen im Anschluss an eine Biopsie eine<br />

Prostatektomie gemacht worden ist. Dabei wurde der<br />

Tumor in der entfernten Drüse genauestens untersucht<br />

und die Einteilung des Tumors mit der aus der Biopsie<br />

verglichen.<br />

Das Ergebnis: In der Placebogruppe war der tatsächliche<br />

Gleason-Wert – und damit die Aggressivität des<br />

Tumors – oft weitaus höher als in der Biopsie ermittelt.<br />

So lag die Sensitivität der Biopsie, einen höhergradigen<br />

Tumor nachzuweisen, mit Finasterid bei 70 Prozent, mit<br />

Placebo nur bei 50 Prozent. Wurden nun Prostatavolumen<br />

und Zahl der Stanzbiopsien pro Fläche bei<br />

der Analyse der PCPT-Daten berücksichtigt, ergab sich<br />

mit Finasterid kein erhöhtes Risiko mehr für höhergradige<br />

Tumoren.<br />

Zudem war die Rate hochgradiger Tumoren mit<br />

Finasterid nur bei den Männer erhöht, die aufgrund von<br />

Auffälligkeiten während der Therapie eine Biopsie<br />

erhielten, etwa weil der PSA-Wert stark anstieg, nicht<br />

aber bei den Männern am Ende der Studie. Hätte<br />

Finasterid höhergradige Tumoren induziert, dann wäre<br />

deren Rate im Laufe der Therapie mit Finasterid stetig<br />

angestiegen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen,<br />

sagte Thompson.<br />

4<br />

Stichwort<br />

PCPT-Studie<br />

Der PSA-Test funktioniert mit<br />

Finasterid besser<br />

Ein weiterer Punkt: Der PSA-Test als Indikator für ein Prostata-Ca<br />

funktioniert mit Finasterid besser, so Thompson.<br />

Der Grund: Bei einer gesunden Prostata halbiert eine<br />

Finasterid-Therapie den PSA-Wert. Entsprechend galt in<br />

der PCPT-Studie ein PSA-Grenzwert von 4 ng/ml für<br />

Männer in der Placebogruppe und für 2 ng/ml in der<br />

Finasterid-Gruppe. Ein Wert darüber war Grund für eine<br />

Biopsie während der Studie.<br />

Finasterid senkt jedoch nicht die PSA-Produktion von<br />

malignem Gewebe. Steigt der PSA-Wert aufgrund eines<br />

malignen Tumors, so gilt die Regel nicht mehr, dass<br />

Finasterid den Wert halbiert. Der Grenzwert von 2 ng/ml<br />

wird dann eher überschritten als der von 4 ng/ml in der<br />

Placebogruppe. In der Finasterid-Gruppe kam es daher<br />

früher zu Biopsien aufgrund eines fortgeschrittenen<br />

Karzinoms.<br />

Der Urologe zieht deshalb diesen Schluss: Es gibt keine<br />

Hinweise dafür, dass Finasterid höhergradige Tumoren<br />

induzieren kann. Durch eine Therapie von hundert<br />

Patienten mit dem 5-alpha-Reduktase-Hemmer könnten<br />

hingegen viele <strong>Prostatakrebs</strong>-Erkrankungen verhindert<br />

werden.<br />

An der PCPT-Studie (Prostate Cancer Prevention Trial) nahmen knapp 19.000 gesunde Männer im Alter ab<br />

55 <strong>Jahre</strong>n teil. Die Männer hatten weder erhöhte PSA-Werte noch Auffälligkeiten bei der digital-rektalen<br />

Untersuchung. Sie erhielten sieben <strong>Jahre</strong> lang täglich entweder Placebo oder 5 mg des 5-Alpha-<br />

Reduktase-Hemmer Finasterid (Proscar®). Die Männer wurden jährlich per Palpation und PSA-Test untersucht.<br />

Bei Auffälligkeiten und erhöhten PSA-Werten wurde eine Biopsie vorgenommen, bei den übrigen<br />

Teilnehmern wurde zum Studienende eine Biopsie gemacht, unabhängig von PSA-Wert und Tastbefund.<br />

Im Verlauf der Therapie entdeckten die Ärzte bei 18 Prozent der Männer mit Finasterid ein Prostata-Ca, mit<br />

Placebo waren es 24 Prozent. Erhöht war mit Finasterid allerdings die Rate fortgeschrittener Tumoren mit<br />

einem Gleason-Wert zwischen sieben und zehn (6,4 Prozent versus 5,1 Prozent mit Placebo). Die Studie<br />

wurde vom National Cancer Institute der USA finanziert und im Juli 2003 publiziert (NEJM 562, 2003, 833).<br />

ÄRZTE ZEITUNG, 24.05.2005


SCREENING/FRÜHERKENNUNG DES<br />

PROSTATAKARZINOMS<br />

Aktuelles von der <strong>Jahre</strong>stagung der<br />

American Urological Association (AUA) 2005<br />

von Professor Dr. Peter Effert<br />

Die große Zahl der Beiträge zu diesem Thema erfordeten<br />

naturgemäß eine starke Selektierung, es handelt sich<br />

aber bei diesen Daten um die Besten, die derzeit verfügbar<br />

sind. Sie stammen einerseits aus dem „Prostate<br />

Cancer Prevention Trial“ (Quelle: Ian Thompson und<br />

Mitarbeiter – unter anderem New England Journal of<br />

Medicine 2003: 349, 213-222), dessen Daten im Verlauf<br />

immer wieder aktualisiert werden und zum anderen aus<br />

den Daten der PSA-Screening-Studie von Dr. William J.<br />

Catalona (Urological Research Foundation) und<br />

Mitarbeitern (ca. 26.000 in die Studie eingeschlossene<br />

Patienten/Männer!).<br />

Beim „Prostate Cancer Prevention Trial“ (untersucht die<br />

Wirkung von Finasterid auf die Prävention des Prostatakarzinoms)<br />

wurden knapp 10.000 Männer in der<br />

Placebogruppe beobachtet und allen wurde am Ende<br />

der Studie empfohlen, eine Biopsie durchführen zu lassen<br />

– unabhängig vom PSA. Dies haben immerhin<br />

knapp 6.000 getan. Aus dieser Studie kann man nun<br />

auch erstmals verlässliche Daten zur Inzidenz des<br />

Prostatakarzinoms in niedrigen bzw. sehr niedrigen PSA-<br />

Bereichen machen. (Red.: Sehen Sie hierzu den ausführlichen<br />

Bericht auf den vorhergehenden Seiten.)<br />

In der Screening-Studie von Catalona (26.000 Männer)<br />

wurde eine Biopsie ab einem PSA von 2,5 ng/ml empfohlen.<br />

Anhand dieser beiden Studien konnten nun eine Vielzahl<br />

von Fragen untersucht werden. Unter anderem handelt<br />

es sich dabei um Folgende:<br />

1. Wie hoch ist der mediane PSA-Wert bei 40-50jährigen,<br />

bei 50-60-jährigen und bei Männern<br />

> 60 <strong>Jahre</strong> ?<br />

2. Wie hoch ist das Risiko eines Mannes ein<br />

Prostatakarzinom zu entwickeln, wenn sein PSA<br />

unter bzw. gleich dem medianen PSA ist oder<br />

wenn er oberhalb dieses für seine Altersgruppe<br />

medianen PSA-Wertes liegt ?<br />

3. Welcher PSA-Wert ist der optimale Schwellenwert<br />

für die Empfehlung zur Biopsie?<br />

4. Wie hoch ist die Inzidenz von Prostatakarzinomen<br />

in niedrigen PSA-Bereichen ?<br />

5. Wann sollte man auch bei niedrigem PSA-Wert<br />

eine Biopsie empfehlen?<br />

6. Welchen Männern sollte bei negativer<br />

Erstbiopsie in jedem Fall eine Re-Biopsie empfohlen<br />

werden?<br />

7. Stellen die Unterformen des PSA eine Verbesserung/weitere<br />

Entscheidungshilfe dar?<br />

Hier nun die Antworten:<br />

zu 1. und 2.: Mediane PSA-Werte:<br />

40-50-jährige: Median-PSA 0,7 ng/ml<br />

50-60-jährige: Median-PSA 0,9 ng/ml<br />

> 60-jährige: Median-PSA 1,4 ng/ml<br />

In der Screening-Studie wurden Prostatakarzinome<br />

(PCa) nur in sehr geringer Zahl im weiteren Verlauf<br />

(nämlich 0,2%, 0,7% bzw. 2,7% PCa-Diagnosen)<br />

bei Einhaltung dieser Mediane festgestellt.<br />

Signifikanter Anstieg der PCa-Wahrscheinlichkeit<br />

bei Erhöhung auf Werte zwischen Median und<br />

5


6<br />

2,5 ng/ml und noch weiter bei Erhöhung auf<br />

2,5-4 ng/ml.<br />

zu 3.: PSA-Schwellenwert für die Empfehlung zur<br />

Biopsie:<br />

Optimal wäre ein Schwellenwert für die Indikation<br />

zur Biopsie von 1ng/ml. Dies ist aber nicht praktikabel,<br />

da nur in 4% Karzinomnachweis!<br />

Für die Praxis sinnvoll:<br />

Grenzwert von 2,5 ng/ml bei Männern ≤ 60 <strong>Jahre</strong>.<br />

(30% PCa-Nachweis)!<br />

Grenzwert von 3,4-4 ng/ml bei Männern im Alter<br />

von 60-70 <strong>Jahre</strong>n.<br />

Grenzwert von 4 ng/ml bei Männern > 70 <strong>Jahre</strong>.<br />

zu 4.: Prostatakarzinome mit niedrigem PSA:<br />

Bei PSA-Werten zwischen 1-1,99 ng/ml werden<br />

13% aller PCa bereits high grade-Karzinome<br />

(Gleason ≥ 7) sein. Quelle: Catalona-Daten und<br />

Tiroler-Studie. – (Red.: In Tirol ist das PSA-Screening<br />

seit 1993 kostenlos. Mindestens 85 Prozent aller<br />

Tiroler Männer zwischen 45 und 75 <strong>Jahre</strong>n hätten<br />

sich in den vergangenen zehn <strong>Jahre</strong>n am<br />

Screening beteiligt. Die Mortalitätsrate liege in Tirol<br />

seit 1999 um 20 Prozent niedriger als im übrigen<br />

Österreich. Allerdings kommen diese Daten nicht<br />

aus einer randomisierten Studie.)<br />

zu 5.: Wann sollte auch bei niedrigem PSA eine<br />

Biopsieempfehlung erfolgen?<br />

Hilfreich ist hier die „PSA-Velocity“ (PSAV), d.h. der<br />

Verlauf des PSA-Wertes über einen Zeitraum von<br />

einem Jahr:<br />

Bisher wurde eine PSAV von 0,75 ng/ml/Jahr als<br />

Schwellenwert für die Biopsieempfehlung angegeben<br />

(Quelle: Carter (JAMA 1994) und AUA-guidelines).<br />

Catalona hat anhand seiner Screeningdaten festgestellt,<br />

dass auch bei einer niedrigeren PSAV von<br />

0,5 ng/ml/Jahr in 45% PCa-Diagnosen bei der<br />

Biopsie zu erwarten sind (J Urol 2005).<br />

➙ Optimaler Schwellenwert für Biopsieindikation:<br />

PSAV >0,5 ng/ml/Jahr<br />

zu 6.: Empfehlung für Re-Biopsie bei negativer<br />

Erstbiopsie:<br />

Bei Patienten bei denen histopathologisch in der<br />

Biopsie eine High grade-PIN (prostatische, intraepitheliale<br />

Neoplasie) nachgewiesen wurde, sollten<br />

erneut biopsiert werden. Ebenso sollte bei Patienten<br />

mit einer PSAV ≥ 0,3 nach der Erstbiopsie eine<br />

erneute Biopsie empfohlen werden.<br />

Sicher sollte eine Rebiopsie bei Patienten erfolgen,<br />

bei denen histopathologisch eine sog.<br />

„atyp. zellul. Hyperplasie“ im Rahmen der<br />

Erstbiopsie beschrieben wurde. Sie haben ein<br />

50-60%-iges PCa-Risiko!<br />

zu 7.: Unterformen des PSA<br />

Freies PSA (fPSA) und komplexiertes PSA (cPSA)<br />

haben gegenüber dem Gesamt-PSA anhand der<br />

bisher vorliegenden Daten keine weitere Verbesserung<br />

in der Diagnostik erbringen können.<br />

Catalona wies darauf hin, dass möglicherweise<br />

das pPSA, eine Unterform des freien PSA, weiterhelfen<br />

kann. Die ersten Daten diesbezüglich seien<br />

vielversprechend.<br />

Was war sonst noch interessant?<br />

- der Basis- PSA-Wert!<br />

Der Basis-PSA-Wert ist der Ausgangswert, der idealerweise<br />

bereits bei 40-45-jährigen Männern<br />

bestimmt wird.<br />

Wenn ein <strong>Prostatakrebs</strong> entdeckt<br />

worden ist, dann dienen die<br />

Aufzeichnungen im Teil B dazu,<br />

dass Ihr Arzt eine sorgfältige Diagnose<br />

erstellen und anhand der<br />

Aufzeichnungen in Teil C und D in<br />

Zusammenarbeit mit Ihnen und<br />

möglichst auch mit Ihrem Partner<br />

jeweils die für Sie angemessenste<br />

Therapie vorschlagen kann.<br />

Sie können den Prostata-Pass<br />

über Ihre örtliche <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />

oder direkt von der<br />

Geschäftsstelle beziehen.<br />

Falls dieser Basis PSA < 0,6 ng/ml beträgt, ist nur in<br />

0,4% mit PCa-Diagnosen im weiteren Verlauf zu<br />

rechnen.<br />

Liegt der Basis PSA höher (zwischen 0,6-2,5 ng/ml)<br />

so erhöht sich die Anzahl der PCa-Diagnosen im<br />

Verlauf um das 10-fache.<br />

- Die PSA-Screening-Intervalle sollten 1 Jahr nicht<br />

überschreiten, da gerade aggressive Karzinome<br />

in kurzer Zeit zum PSA-Anstieg führen.<br />

- Regelmäßiges Screening senkt die krebsspezif.<br />

Mortalität um 40% (nach 1-5 <strong>Jahre</strong>n Screening)!!<br />

(Quelle: Catalona, Tiroler Studie).


Kommentar:<br />

Zusammenfassend kann man feststellen, dass die sog.<br />

PSA-Normalbereiche gemäß dieser Daten völlig neu<br />

definiert werden müssen. Natürlich bedürfen sie der weiteren<br />

Bestätigung. Ob sich die Daten aus der US-<br />

Bevölkerung 1:1 auf unsere Verhältnisse übertragen lassen,<br />

kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Es<br />

spricht allerdings viel dafür, da wir ebenso wie die USA<br />

international ein relativ hohes PCa-Risiko aufweisen.<br />

Ursächlich liegen vermutlich ähnliche Lebens- und<br />

Ernährungsgewohnheiten zugrunde. Besonders wichtig<br />

erscheint die PSA-Velocity für die Verbesserung der<br />

Früherkennung in kleineren Tumorstadien und auch für<br />

die Erkennung der Tumoraggressivität.<br />

Hinweisen muss man auch darauf, dass bei einem<br />

Prostatavolumen > 40 ml der PSA-Wert allein nicht sehr<br />

aussagekräftig ist. In diesen Fällen sollte die PSA-density<br />

(PSA: Prostatavolumen) unbedingt bestimmt werden.<br />

Insgesamt ist zu hoffen, dass diese neu definierten PSA-<br />

Grenzbereiche die Rate der Karzinomerkennung in wirklich<br />

heilbaren Krankheitsstadien deutlich verbessern<br />

werden. Dies wird sicherlich auch zu einer sachlicheren<br />

Diskussion über Sinn/Unsinn der Früherkennung beitragen.<br />

Wichtig und hilfreich erscheint auch die Identifikation<br />

zusätzlicher Prognosefaktoren, um dem individuellen<br />

Patienten nach einer PCa-Diagnose eine gute<br />

INITIATIVE MÄNNERGESUNDHEIT<br />

von Ludwig Pabst<br />

Vom 8. bis 11. Juni 2005 fanden rund um den Urolisken<br />

auf dem Bremer Marktplatz, in der Bremischen Bürgerschaft<br />

und in der unteren Rathaushalle auf Initiative der<br />

Bremer und Bremerhavener Urologen aus Klinik und<br />

Praxis mit Unterstützung der <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen<br />

aus Bremen, Verden und Diepholz unter der<br />

Schirmherrschaft des Bremer Bürgermeisters, Dr. Henning<br />

Scherf, Männergesundheitstage statt.<br />

Bei der Auftaktveranstaltung im Festsaal der Bremischen<br />

Bürgerschaft wurde unter dem Motto „Männergesund-<br />

Therapieempfehlung (von abwartendem Beobachten<br />

bis hin zu kurativen Therapieverfahren) geben zu können.<br />

Als derzeit bester Prognosefaktor neben dem Gleason-<br />

Grad hat sich die PSA-Verdopplungszeit vor Diagnose<br />

(< 3 Monate vs. 3-9 Monate vs. 9-15 Monate) herausgestellt.<br />

Abschließend kann man feststellen, dass der PSA-Wert<br />

kein optimales aber das derzeit beste verfügbare<br />

Instrument zur Früherkennung darstellt. Der Einsatz des<br />

PSA-Wertes anhand der o.g. Kriterien wird seine Wertigkeit<br />

sicher weiter verbessern.<br />

Als Ausblick in die Zukunft wurde beim AUA auch auf das<br />

Potential in der Entwicklung befindlicher diagnostischer<br />

Verfahren hingewiesen. Dabei handelt es sich um<br />

Verfahren, die Immunreaktionen gegenüber Krebsantigenen<br />

im Blut des Patienten/Mannes nachweisen<br />

können. Die ersten Daten versprechen eine drastisch<br />

verbesserte Sensitivität und Spezifität gegenüber dem<br />

PSA. Bis zu ihrem routinemässigen Einsatz wird aber vermutlich<br />

noch einige Zeit vergehen.<br />

heit – rund um den<br />

Roland, Soll Man(n)<br />

oder soll Man(n) nicht<br />

...“ lebhaft zwischen den<br />

Teilnehmern (u. a. Dr.<br />

Henning Scherf, Prof. Dr.<br />

Annelie Keil, Oswald<br />

Kolle, Christian Ligensa<br />

und niedergelassene<br />

Ärzte) darüber diskutiert,<br />

PROFESSOR DR. MED. PETER EFFERT<br />

Trierer Str. 176 - 178<br />

52078 Aachen<br />

Tel: (02 41) 584 64<br />

Fax: (02 41) 57 34 16<br />

E-Mail: urologie-ac@t-online.de<br />

7


soll man nun zur Vorsorge oder besser gesagt<br />

zur Krebs-Früherkennung gehen oder nicht und<br />

welchen Nutzen und welche Gefahren, wegen seiner<br />

bekannten Mängel, hat dabei der PSA-Test. Es war<br />

eine gelungene Auftaktveranstaltung, sie war gut<br />

besucht, der Festsaal war fast bis auf den letzten Platz<br />

gefüllt.<br />

Am Freitag und am Sonnabend konnten sich interessierte<br />

Männer aber auch Frauen in Vorträgen, Informationen<br />

und individuellen Beratungsgesprächen mit<br />

Ärzten, Experten und Betroffenen über Themen aus<br />

dem Spektrum der Männergesundheit, insbesondere<br />

über Krankheiten der Prostata, Diagnose und Therapien<br />

des <strong>Prostatakrebs</strong>es, informieren. Die <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen<br />

der Region, Gerhard Zieseniß und Günter Meusel von<br />

der <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe <strong>Prostatakrebs</strong> Verden, Erwin Riebe<br />

und Herr Gogolin von der SHG <strong>Prostatakrebs</strong> Diepholz<br />

sowie Ludwig Pabst und Johann Würdenmann der<br />

SHG „Treffpunkt <strong>Prostatakrebs</strong> Bremen“ waren mit einem<br />

Informationsstand in der unteren Rathaushalle vertreten<br />

und hatten regen Zulauf. Insbesondere wurden von<br />

Männern und sehr oft auch von ihren Frauen die Fragen<br />

gestellt, „Was ist nun, wenn der PSA-Wert hoch ist? Wie<br />

oft sollte der Mann ab welchem Alter zur Früherkennung<br />

gehen? Welche Probleme können bei den<br />

einzelnen Therapien auftreten und wie beeinträchtigen<br />

sie die Lebensqualität? etc.“ Mit unseren Erfahrungen<br />

aus der <strong>Selbsthilfe</strong>gruppenarbeit sowie mit Hilfe der<br />

Informationsbroschüren des BPS konnten wir dabei<br />

viele Informationen und damit den Ratsuchenden Hilfe<br />

geben. Immer wieder mussten wir die Fragenden<br />

auf die Probleme bei der Diagnostik des Prostatakarzinoms<br />

mittels PSA-Test hinweisen, wie z.B. weitere<br />

Einflüsse auf die PSA-Messung und dass ein einzelner<br />

PSA-Wert noch lange keinen Hinweis auf ein Prostatakarzinom<br />

geben muss, dass es sicherer ist, den zeitlichen<br />

Verlauf des PSA zu überwachen mittels mindestens 3<br />

aufeinander folgender Tests mit ein und dem selben<br />

Testverfahren.<br />

Besonders großes Interesse fanden die von Günter<br />

Meusel und Gerhard Zieseniß von der <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />

<strong>Prostatakrebs</strong> Verden ausgestellten speziellen Fahrradsättel<br />

und Vorlagen sowie weitere Hilfsmittel bei<br />

Inkontinenz. Es zeigte, dass dieses Thema oft unterschätzt<br />

wird, insbesondere von Ärzten.<br />

8<br />

Udo Ehrmann von der Bremer <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> für<br />

Lebensqualität war an beiden Tagen mit Vorträgen und<br />

Diskussionsrunden im Einsatz.<br />

Am Sonnabend wurde Männern, die das wünschten<br />

und die nachweisen konnten, dass sie sich in den angebotenen<br />

Informationsveranstaltungen informiert haben<br />

(allen sich informierenden Männern wurde in den<br />

Veranstaltungen bzw. in den individuellen Gesprächen<br />

mit einem Urologen ein Ticket ausgehändigt), sowie<br />

nach schriftlicher Einwilligungserklärung ein kostenloser<br />

PSA-Test angeboten. Dies war in der Vorbereitung der<br />

Initiative Männergesundheit in Bremen durch die<br />

<strong>Selbsthilfe</strong>gruppen eingefordert worden. Insbesondere<br />

Udo Ehrmann hatte die Veranstalter auf den Inhalt ihrer<br />

eigenen Leitlinie hingewiesen, in welcher eine ausführliche<br />

Information der Vor- und Nachteile des PSA-Testes<br />

vor diesem gefordert wird.<br />

Die Veranstaltung war aus meiner Sicht, als Sprecher der<br />

SHG „Treffpunkt <strong>Prostatakrebs</strong> Bremen“, eine gute<br />

Gelegenheit auch die Interessen des BPS in Bezug auf<br />

die Früherkennung des Prostatakarzinoms zu vertreten,<br />

was wir am Info-Stand auch ausgiebig wahrgenommen<br />

haben.<br />

LUDWIG PABST<br />

Sprecher der SHG „Treffpunkt <strong>Prostatakrebs</strong> Bremen“


ERFOLG FÜR AUFKLÄRUNGSKAMPAGNE ZUM<br />

THEMA PROSTATAKREBS<br />

Die Auftaktveranstaltung „<strong>Prostatakrebs</strong> – Männerkrebs<br />

erkennen, verstehen, behandeln“ zog viele Interessenten an<br />

Red. (kp): Roland Teichert von der <strong>Prostatakrebs</strong><br />

<strong>Selbsthilfe</strong>gruppe Schönebeck begrüßte für den BPS am<br />

9. Juli 2005 in Dessau ca. 90 Teilnehmer, die ins Gemeinde-<br />

und Diakoniezentrum St. Georg kamen, um<br />

sich von renommierten Experten über die Erkrankung,<br />

die möglichen Folgeerscheinungen, wie z. B. Knochenmetastasen,<br />

und die Behandlungsmöglichkeiten des<br />

<strong>Prostatakrebs</strong>es zu informieren. „Jährlich erkranken ca.<br />

41.000 Männer neu an dieser heimtückischen Krankheit“,<br />

erläuterte Teichert. Er appellierte an seine Zuhörer,<br />

nicht nur regelmäßig die Vorsorgeleistung, die digital<br />

rektale Tastuntersuchung, in Anspruch zu nehmen, sondern<br />

zusätzlich auch den PSA-Wert (Prostata-<br />

Spezifisches Antigen) messen zu lassen. Der BPS setzt<br />

sich dafür ein, dass diese Untersuchung in die gesetzliche<br />

Kassenleistung aufgenommen wird. Damit ist eine<br />

frühzeitige Diagnose möglich. Denn: Wird der<br />

<strong>Prostatakrebs</strong> früh diagnostiziert, sind die Heilungschancen<br />

gut.<br />

Dr. Hugo Plate, niedergelassener Urologe aus Dessau<br />

sprach über die Ursachen der Erkrankung, den Verlauf<br />

und mögliche Therapieoptionen. „Ist der Tumor noch<br />

lokal auf die Prostata begrenzt“, so der Experte, „kann er<br />

meist operativ entfernt werden.“ Dabei erläuterte er ausführlich<br />

die derzeitigen operativen Möglichkeiten sowie<br />

die Optionen der Strahlentherapie.<br />

Doch was passiert, wenn der Tumor bereits gestreut hat?<br />

„Eine häufige Folge des fortgeschrittenen <strong>Prostatakrebs</strong><br />

ist die Metastasierung in den Knochen“, erklärte Professor<br />

Dr. Hans Heynemann, leitender Oberarzt der Klinik für<br />

Urologie der Martin-Luther-Universität in Halle. Etwa zwei<br />

Drittel der Betroffenen in diesem Stadium leiden an<br />

Knochenmetastasen. Hier liege der Therapieschwerpunkt<br />

vor allem darauf, den Patienten schmerzfrei zu<br />

halten und die Lebensqualität zu verbessern. Die Folgen<br />

von Knochenmetastasen können Skelettkomplikationen,<br />

z. B. Knochenbrüche oder Schmerzen sein, die laut<br />

Heynemann vor allem durch moderne Bisphosphonate<br />

wie Zoledronat erfolgreich behandelt werden können. Er<br />

erläuterte den Zuhörern, dass sich diese Substanz in zahlreichen<br />

Studien als die wirksamste erwiesen hat, um den<br />

durch Metastasen angegriffenen Knochen wieder zu<br />

stabilisieren. Über mindestens 15 Minuten kann sie alle<br />

drei bis vier Wochen als Infusion ambulant verabreicht<br />

werden.<br />

Doch nicht nur die Medizin bringt Hilfe. Die mentale<br />

Einstellung und die sanfte Bewegung sind weitere<br />

Schlüssel in der Krebstherapie. „Das M3–Konzept bietet<br />

hier gute Ansätze, um Körper und Geist in Einklang zu<br />

bringen“, erklärte die Physiotherapeutin Kerstin Buschmann<br />

vom Klinikum Dessau. Buschmann riet unter professioneller<br />

Anleitung zu lernen, wie man sich mental<br />

9


stärken kann, sei es z. B. durch Imaginationsübungen<br />

oder Autogenes Training. Eine Übung zum gezielten<br />

Muskeltraining mit dem Theraband gab sie den Zuhörern<br />

abschließend noch mit auf den<br />

Weg.<br />

Im Anschluss an die Vorträge nutzen<br />

viele Zuhörer die Gelegenheit,<br />

um sich bei den Spezialisten<br />

„schlau“ zu machen und gezielte<br />

Fragen zu stellen. Insbesondere<br />

die PSA-Untersuchung, aber auch<br />

verschiedene neue Möglichkeiten<br />

der Diagnostik und unterschiedliche<br />

Therapieformen standen im<br />

Mittelpunkt der Veranstaltung.<br />

10<br />

Der BPS nutzte die Veranstaltung, um eine neue <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />

im Raum Dessau zu gründen. Dies stieß auf<br />

reges Interesse bei den Patienten. 16 Betroffene hatten<br />

sich bereits an diesem Tag dafür<br />

eingeschrieben.<br />

Für die Veranstalter war die<br />

Patientenfortbildung ein voller<br />

Erfolg: die Informationsmaterialien<br />

fanden reißenden Absatz und die<br />

positiven Rückmeldungen der<br />

Besucher selbst motivieren für die<br />

noch anstehenden Veranstaltungen<br />

in Göttingen (3. September<br />

2005) und Potsdam (22. Oktober<br />

2005).<br />

NEUE ENTWICKLUNGEN IN DER PATHOLOGISCHEN<br />

DIAGNOSTIK DES PROSTATAKARZINOMS<br />

von Professor Dr. Helmut Bonkhoff<br />

Der histopathologische Stanzbefund ist trotz der Fortschritte<br />

in der klinischen Diagnostik des Prostatakarzinoms<br />

für die Diagnose, Prognose und die Therapieentscheidung<br />

von zentraler Bedeutung. In der Prostatapathologie<br />

geht es schon lange nicht mehr darum, klinisch<br />

eindeutige Befunde zu bestätigen, sondern subklinische<br />

Stadien des Prostatakarzinoms zu diagnostizieren<br />

und dem Urologen Parameter an die Hand zu geben,<br />

die ihm erlauben, seinen Patienten adäquat zu therapieren.<br />

Im Rahmen der primären Diagnostik stehen die folgenden<br />

Fragen im Vordergrund:<br />

• liegt ein Prostatakarzinom vor oder nicht? Wenn<br />

nein, finden sich in den Stanzbiopsien andere<br />

Ursachen für den erhöhten PSA-Wert oder einen<br />

suspekten Tastbefund?<br />

• macht der Stanzbefund eine Rebiopsie erforderlich?<br />

• welche Konsequenzen ergeben sich aus einem<br />

positiven Stanzbefund im Hinblick auf die verschiedenen<br />

therapeutischen Optionen bei Prostatakarzinompatienten<br />

(watchful waiting, radikale oder nervschonende<br />

(potenzerhaltende) Prostatektomie, externe Bestrahlung,<br />

Brachytherapie, Androgenentzug, etc.) ?<br />

• welche prognostische Parameter und therapeutische<br />

Konsequenzen ergeben sich aus dem postoperativen<br />

Grading und Staging?<br />

Entkräftung des klinischen<br />

Verdachtes auf ein Prostatakarzinom<br />

Der klinische Verdacht auf ein Prostatakarzinom basiert<br />

heute überwiegend auf einem erhöhten PSA-Wert und<br />

seltener auf einem suspekten Tastbefund. Diese<br />

Parameter sind aber keineswegs beweisend für das


Vorliegen eines Karzinoms. Es gibt eine Reihe von benignen<br />

(gutartigen) Stanzbefunden bzw. Veränderungen,<br />

die einen erhöhten PSA-Wert oder einen suspekten rektalen<br />

Befund hervorrufen bzw. erklären können. Im<br />

Vordergrund stehen hier die häufigen entzündlichen<br />

Veränderungen der Prostata, die oftmals asymptomatisch<br />

verlaufen und erst in der Stanzbiopsie entdeckt werden.<br />

Derartige Entzündungen (Prostatitis) können je nach<br />

Ausdehnung und Intensität erhebliche PSA-Erhöhungen<br />

verursachen, ohne dass ein Prostatakarzinom vorliegt.<br />

PSA-Werte >10 ng/ml sind bei ausgedehnten Formen<br />

der Prostatitis keine Seltenheit. PSA-relevant sind vor<br />

allem die Entzündungen, die das Prostataepithel zerstörten.<br />

Ein erfahrener Prostatapathologe ist durchaus in der<br />

Lage abzuschätzen, ob sich in tumorfreien Stanzbiopsien<br />

eine ausreichende Erklärung für den klinisch<br />

angegebenen PSA-Wert findet oder nicht. Voraussetzung<br />

ist natürlich, dass ihm der Urologe den PSA-Wert auch<br />

mitteilt. Durch eine PSA-Verlaufskontrolle nach antibiotischer<br />

Therapie kann dann geklärt werden, in welchen<br />

Umfang die PSA-Erhöhung tatsächlich entzündlich<br />

bedingt ist.<br />

Copyright: Bernd Fleißner<br />

Ähnlich verhält es sich mit dem suspekten Tastbefund.<br />

Eine Reihe von benignen (gutartigen) Prostataveränderungen<br />

kann bei der rektalen Untersuchung einen<br />

malignen (bösartigen) Befund vortäuschen. An erster<br />

Stelle ist hier, neben der granulomatösen Prostatitis, die<br />

postatrophische Hyperplasie zu nennen. Diese Läsion<br />

entsteht typischerweise in den kapselnahen Abschnitten<br />

der Prostata und ist bei entsprechender Ausdehnung<br />

von einem Karzinom palpatorisch nicht zu unterscheiden.<br />

Wenn größere Herde einer postatrophischen<br />

Hyperplasie in Stanzbiopsien erfasst werden, dann ist<br />

dies durchaus ein adäquates Korrelat für einen suspek-<br />

ten Tastbefund. Eine PSA-Erhöhung erklärt dieser Befund<br />

jedoch nicht.<br />

In der modernen Diagnostik des Prostatakarzinoms ist ein<br />

histopathologischer Befund, der lediglich den fehlenden<br />

Nachweis eines Tumors mitteilt, nicht mehr ausreichend.<br />

Gefordert wird eine Stellungnahme bezüglich der<br />

Repräsentativität des Materials in Bezug auf den klinischen<br />

Befund, damit der Urologe das weitere Procedere<br />

mit seinem Patienten besprechen kann. Wenn sich in<br />

Stanzbiopsien für die klinisch angegebenen PSA-Werte<br />

oder für den Tastbefund keine hinreichende Erklärung<br />

findet, ist eine Rebiopsie erforderlich.<br />

Neue diagnostische Marker in<br />

tumorfreien Stanzbiopsien<br />

Eine neue Klasse von Marker zielt auf die Erfassung von<br />

prämalignen Prostataveränderungen, die unterhalb der<br />

Detektionsgrenze der Lichtmikroskopie liegen. Zu diesem<br />

Marker gehört EPCA (early prostate cancer antigen), ein<br />

Gen, das nicht nur im Prostatakarzinom, sondern auch<br />

im histologisch unauffälligen Drüsengewebe von<br />

Prostatakarzinompatienten überexprimiert und nachgewiesen<br />

wird. Das Interessante an diesem Marker ist<br />

jedoch, dass EPCA im Prostatagewebe von sicher<br />

tumorfreien Prostatae von Organspendern keine oder<br />

nur schwache Expression aufweist. Demzufolge erfasst<br />

EPCA frühe prämaligne Prostataveränderungen, die<br />

lichtmikroskopisch noch nicht erkennbar sind. Ein potentieller<br />

Anwendungsbereich des EPCA-Tests ist die tumorfreie<br />

Prostatastanzbiopsie. Der immunhistochemische<br />

Nachweis einer starken Expression von EPCA in unauffälligen<br />

Prostatadrüsen ist Ausdruck einer Felderkrankung<br />

und eines erhöhten Krebsrisikos. Werden bei derartigen<br />

Patienten Rebiopsien durchgeführt, dann finden sich in<br />

einem hohen Prozentsatz histologisch zweifelsfreie<br />

Prostatakarzinome. Nach den bislang veröffentlichten<br />

Daten liegt die Sensitivität und Spezifizität des EPCA-Tests<br />

bei 84% bzw. 85%.<br />

Bedeutung des Gleason Grading für<br />

die Prognose und Wahl der Therapie<br />

Bei klinisch organbegrenzten Prostatakarzinomen stehen<br />

heute neben der konventionellen radikalen Prosta-<br />

11


tektomie eine Reihe von anderen therapeutischen<br />

Optionen (watchful waiting, nervschonende Prostatektomie,<br />

externe Bestrahlung, Brachytherapie, Hormonblockade)<br />

zur Verfügung, wobei der Gleason Grad<br />

als Selektionskriterium immer mehr in den Vordergrund<br />

rückt. Der Gleason Grad korreliert u. a. mit<br />

• dem präoperativen PSA<br />

• dem pT-Stadium und Tumorvolumen<br />

• dem Lymphknotenstatus<br />

• anderen Prognosefaktoren, z.B. Ploidiestatus,<br />

Angiogenese, ect.<br />

• der Rezidiv- und Überlebensrate<br />

Gleason unterscheidet fünf verschiedene Grade von 1<br />

bis 5. Der Gleason-Score (Gleason Summe) ergibt sich<br />

aus der Addition der zwei häufigsten Gleason Grade, die<br />

in einem Tumor vertreten sind, und reicht von 2 (1+1) bis<br />

10 (5+5). Die Aggressivität eines Prostatakarzinom ist bei<br />

einem Gleason Grad 1 und 2 sehr gering, bei Gleason<br />

Grad 3 intermediär und bei Gleason Grad 4 und 5<br />

hoch.<br />

In Prostatastanzbiopsien sind neben dem erfassten<br />

Tumorvolumen (Tumormasse) der prozentuelle Anteil an<br />

den primären Gleason Grade 4 und 5 die wichtigsten<br />

Prognosefaktoren überhaupt. Dies gilt natürlich nur unter<br />

der Vorraussetzung, dass der angegebene Gleason<br />

Grad auch stimmt.<br />

Ein großes Problem beim Gleason Grading ist die<br />

Reproduzierbarkeit, d.h., dass ein und derselbe Tumor<br />

von verschiedenen Pathologen unterschiedlich bewertet<br />

wird. Die exakte Reproduzierbarkeit des Gleason-Score<br />

ist im internationalen Vergleich unbefriedigend und liegt<br />

je nach Studie zwischen 36% und 78%. Eine Verbesserung<br />

dieser Situation lässt sich nur durch eine<br />

gezielte Fortbildung erwarten. Entsprechende Schulungsprogramme<br />

sind im Internet frei zugänglich<br />

(www.prostapath.de; www.pathology.jhu.edu/prostate)<br />

und können für die ärztliche Fortbildung genutzt werden.<br />

Die Verlässlichkeit und prognostische Aussagekraft des<br />

Gleason Grading ist wesentlich abhängig von der persönlichen<br />

Erfahrung des untersuchenden Pathologen.<br />

Der häufigste und schwerwiegendste Gradingfehler ist<br />

die Untergraduierung in Stanzbiopsien. Herdförmig erfasste<br />

Tumorausläufer werden häufig als Gleason Grad 1<br />

oder 2 fehl interpretiert. Der Gleason Grad 3 bzw. der<br />

12<br />

Gleason-Score 3+3=6 ist der niedrigste Grad oder<br />

Score, den man verlässlich in Stanzbiopsien diagnostizieren<br />

kann. Ein weiteres Problem ist, dass die prognostische<br />

Bedeutung der Drüsenfusion (Gleason Grad 4)<br />

nicht erkannt wird. Die daraus resultierende Untergraduierung<br />

kann zu einer nicht stadiengerechten<br />

Therapieentscheidung führen. Gerade von den<br />

Betroffenen und <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen wird die Einholung<br />

einer Zweitmeinung gefordert, wenn der Gleason Grad<br />

maßgeblich die Wahl der Therapie entscheidet. Bei<br />

einem Gleason-Score ≤ 6 in Stanzbiopsien besteht, in<br />

Abhängigkeit vom Alter des Patienten, seiner Lebenserwartung,<br />

der Tumorausdehnung und der PSA-<br />

Diagnostik (PSA-Verdopplungszeit, PSA-Dichte), eine<br />

watchful waiting Option. Eine Brachytherapie ist in der<br />

Regel nur bei einem Gleason-Score ≤ 6 indiziert. Bei<br />

einem Gleason-Score 7 entscheidet der prozentuelle<br />

Anteil des primären Gleason Grades 4, ob eine Potenzerhaltende<br />

Prostatektomie aus onkologischer Sicht vertretbar<br />

ist oder nicht. Bei einem Gleason-Score > 7 wird<br />

heute zunehmend der externen Bestrahlung der Vorzug<br />

gegeben.<br />

Individuelle Risikoabschätzung<br />

vor der Therapie<br />

Die Partin Tabellen sind Nomogramme, die im Internet<br />

frei zur Verfügung stehen (http://prostate.urol.jhu.<br />

edu/Partin_tables/). Sie ermitteln das Risiko einer extraprostatische<br />

Tumorerkrankung und Metastasierung<br />

(pT3a, pT3b, pN1). Die Variablen sind der Gleason Grad<br />

in der Biopsie, der PSA-Wert und das klinische Stadium<br />

(T-Kategorie). Die Daten der Partin Tabellen beruhen auf<br />

Gleason Grade, die von namhaften Prostatapathologen<br />

ermittelt wurden und somit als verlässlich eingestuft werden<br />

können. Wenn der Gleason Grad nicht stimmt, verlieren<br />

die Partin Tabellen ihren Wert und liefern falsche<br />

Prognosen.<br />

Wann ist ein Prostatakarzinom<br />

klinisch unbedeutend<br />

Diese Frage lässt sich prinzipiell erst dann beantworten,<br />

wenn die gesamte Prostata zur histologischen Untersuchung<br />

zur Verfügung steht. Unter einem klinisch insignifikanten<br />

Prostatakarzinom versteht man einen strikt


organbegrenzten Tumor (pT2) mit einem Tumorvolumen<br />

< 0.5 ccm und einem Gleason Score ≤ 6.<br />

Kann man einen derartigen unbedeutenden Tumor<br />

auch in der Stanzbiopsie diagnostizieren? Jonathan<br />

Epstein (Johns Hopkins` University School of Medicine)<br />

zeigt, dass bei nur einer befallenen Stanzbiopsie mit<br />

einer Tumorausdehnung < 1mm und einer PSA-Dichte<br />

(PSA/ Prostatavolumen) ≤ 0.15 ccm in 83% der Fälle ein<br />

klinisch insignifikantes Prostatakarzinom in der radikalen<br />

Prostatektomie vorliegt. Bei einer solchen Befundkonstellation<br />

wäre, in Abhängigkeit des Alters des<br />

Patienten, eine abwartende Haltung (watchful waiting)<br />

zu vertreten. Dies gilt freilich nur für die Fälle mit einer<br />

standardisierten Biopsieentnahme und einem validierten<br />

Gleason Grad.<br />

Stellenwert der zytologischen<br />

Prostatadiagnostik<br />

Die Feinnadelaspiraton (FNA) der Prostata gilt zwar als<br />

nebenwirkungsärmer als die Stanzbiopsie, ist jedoch in<br />

ihrer diagnostischen Aussagekraft der histologischen<br />

Untersuchung von Stanzbiopsien unterlegen. Der zytologische<br />

Befund ist z.B. nicht in der Lage zwischen einem<br />

Vorläufer des Prostatakarzinoms (high grade intraepithelial<br />

neoplasia, kurz HGPIN) und einem Prostatakarzinom zu<br />

NEU:<br />

Die Prostatastanzbiopsie<br />

Gewebeentnahme aus<br />

der Prostata<br />

von Dr. med. Gerald Pühse<br />

PD Dr. med. Axel Semjonow<br />

Die Prostatabiopsie ein wichtiger Schritt in der<br />

Diagnostik und die Chance, so früh wie möglich eine<br />

für Sie passende Therapie zu beginnen. Der<br />

Leitfaden dient der Information und der Vorbereitung<br />

auf das Gespräch mit Ihrem Arzt.<br />

Sie erhalten die Broschüre über Ihre örtliche <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />

oder durch die Geschäftsstelle.<br />

unterscheiden. Da HGPIN auch in tumorfreien Prostata<br />

relativ häufig vorkommen, ist die FNA alleine schon aus<br />

diesem Grund gegenüber der Stanzbiopsie nicht mehr<br />

zeitgemäß und obsolet. Darüber hinaus können wichtige<br />

prognostische Parameter (Gleason Grad, Tumorausdehnung,<br />

Tumorlokalisation, extraprostatische Tumorausdehnung,<br />

zystische Nervenscheideninvasionen, intraduktale<br />

Tumorausdehnung, Lymph- und Blutgefäßinvasionen)<br />

durch den zytologischen Befund naturgemäß nicht ermittelt<br />

werden. Die zytologische Prostatadiagnostik konnte<br />

sich deshalb, auch wenn sie mit der Ploidiebestimmung<br />

kombiniert wird, international nicht durchsetzen.<br />

Postoperatives Staging und Grading<br />

des Prostatakarzinoms<br />

Die Aufarbeitung des Prostatektomiepräparates durch<br />

den Pathologen liefert dem Urologen und seinen<br />

Patienten die wichtigsten Parameter für das weitere<br />

therapeutische Vorgehen und für die Prognose überhaupt.<br />

Organbegrenzten Tumoren (≥ pT2c) mit einem<br />

Gleason-Score < 7 und negativen Schnitträndern<br />

(Margins) haben sehr hohe Heilungsraten. Alle organüberschreitenden<br />

Tumoren (≥ pT3a, b, pN1) und<br />

Tumoren mit einem Gleason-Score ≥7 mit positiven<br />

Margins haben ein hohes Progressionsrisiko und bedürfen<br />

einer weiteren Therapie. Unabdingbare Voraussetzung<br />

für ein exaktes Staging und Grading ist allerdings<br />

die optimale Aufarbeitung des Operationspräparates.<br />

Das Prostatakarzinom ist makroskopisch nicht eindeutig<br />

abgrenzbar, so dass bei einer lediglich partiellen Einbettung<br />

und histopathologischen Untersuchung des<br />

Operationspräparates relevante Tumorherde übersehen<br />

werden und das Grading und Staging dadurch verfälscht<br />

werden. Verlässliche Aussagen über die Tumorausbreitung<br />

und -differenzierung lassen sich nur dann<br />

machen, wenn das Präparat vollständig und standardisiert<br />

eingebettet wird. Dies resultiert in einer Vielzahl von<br />

Schnittpräparaten für jede radikale Prostatektomie und<br />

in einem erheblichen Aufwand, der in keinster Weise<br />

adäquat vergütet wird. Im Interesse des Patienten sollte<br />

jedoch die vollständige Aufarbeitung der partiellen Einbettung<br />

vorgezogen werden.<br />

Neben dem Grading und Staging sind das Tumorvolumen<br />

und die Absetzungsränder (Marginstatus) wichtige<br />

Prognosefaktoren. Positive Margins liegen vor, wenn<br />

13


Tumorverbände die tuschemarkierten Absetzungsränder<br />

des Operationspräparates erreichen, und werden mit<br />

dem Symbol R1 (histologisch Resttumor) gekennzeichnet.<br />

Der R1-Befund ist allerdings nicht gleichbedeutend oder<br />

beweisend für ein kapselüberschreitendes Tumorwachstum<br />

bzw. für ein pT3a-Stadium! Der Marginstatus<br />

hat bei Patienten mit einer eindeutigen extraprostatischen<br />

Tumorausdehnung (pT3) bezüglich des PSA-<br />

Rezidives eine signifikante prognostische Bedeutung. Es<br />

gibt allerdings zurzeit keinen Konsens über die Notwendigkeit<br />

einer postoperativen Strahlentherapie im Stadium<br />

pT2 bei positiven Margins. Dies muss noch in prospektiven<br />

randomisierten Studien ermittelt werden. Solange dies<br />

noch nicht abschließend geklärt ist, sollte man gerade<br />

bei organbegrenzten Prostatakarzinomen (pT2) mit dem<br />

Begriff R-1 Resektion vorsichtig umgehen, weil dieser<br />

Befund u. U. therapeutische Konsequenzen nach sich<br />

ziehen kann. Viele organbegrenzte Prostatakarzinome<br />

zeigen fokal positive Margins und bedürfen nicht unbedingt<br />

einer adjuvanten Therapie in Form einer Bestrahlung.<br />

Ob eine echte R-1 Situation vorliegt muss im Einzelfall<br />

sehr kritisch geprüft werden. Fokal positive Margins in<br />

einem organbegrenzten, Gleason-Score 6 Tumor sind<br />

prognostisch ganz anders zu werten als ausgedehnt<br />

positive Margins in einem aggressiven Karzinom mit<br />

einem Gleason-Score ≥ 7. Im ersten Fall würde unkommentiert<br />

nie von einer R-1 Resektion gesprochen, weil<br />

dieser Tumor keiner adjuvanten Bestrahlung bedarf. Im<br />

zweiten Fall liegt jedoch sicher eine R-1 Resektion vor, die<br />

eine adjuvante Therapie nötig macht. Anderseits gibt es<br />

Prostatakarzinome, die auch bei einer R-0 Resektion (im<br />

Gesunden) ein erhöhtes Rezidivrisiko besitzen, z.B. wenn<br />

unmittelbar am Margin mehrere Nervenscheideninvasionen<br />

nachweisbar sind. Im Befundbericht sollte<br />

prinzipiell der Marginstatus ausführlich dokumentiert und<br />

kommentiert werden. Dazu gehören:<br />

• die Ausdehnung des Befundes (fokal oder ausgedehnt,<br />

ggf. Größenangabe)<br />

• die Lokalisation (Apex, Basis, etc.)<br />

• pT-Stadium (pT2, pT3a, pT3b) am Margin<br />

• primäre Gleason Grad am Margin<br />

• Nervenscheideninvasionen am Margin<br />

Eine epikritische Wertung bezüglich des R-Status und des<br />

individuellen Progressionsrisikos hilft dem Urologen bei<br />

14<br />

seiner Entscheidung über eine eventuelle adjuvante<br />

Strahlentherapie.<br />

Neben den vier klassischen Prognosefaktoren (PSA,<br />

pTNM, Gleason-Score, Margins) gibt es eine Reihe von<br />

neuen Risikofaktoren für das PSA-Rezidiv. Dazu gehören:<br />

• der prozentuelle Anteil der primären Gleason<br />

Grade 4 und 5<br />

• der Volumenanteil der intraduktalen<br />

Tumorausdehnung<br />

• die Tiefe und Breite der Kapselinfiltration<br />

• der Durchmesser der Nervenscheideninvasion<br />

Der prozentuelle Anteil der primären Gleason Grade 4<br />

und 5 ist ein wichtiges Maß für die Aggressivität des<br />

Prostatakarzinoms und ist ein unabhängiger Risikofaktor<br />

für das PSA-Rezidiv nach Prostatektomie. Intraduktale<br />

Prostatakarzinome breiten sich vorzugsweise im Gangsystem<br />

der Prostata aus und gehören ebenfalls zu den<br />

aggressiven Tumoren. Das Ausmaß der intraduktalen<br />

Tumorausbreitung korreliert mit anderen wichtigen<br />

Prognosefaktoren (hoher Gleason Grad, Samenblaseninfiltration)<br />

und ist ein unabhängiger Risikofaktor für das<br />

PSA-Rezidiv. Diese intraduktalen Prostatakarzinome werden<br />

aber häufig nicht diagnostiziert, weil viele Pathologen<br />

das intraduktale Prostatakarzinom unter dem<br />

Begriff HGPIN subsumieren. HGPIN (high grade prostatic<br />

intraepithelial neoplasia) ist ein potentiell rückbildungsfähiger<br />

Vorläufer des Prostatakarzinoms, der keiner<br />

Therapie bedarf. Das intraduktale Prostatakarzinom ist<br />

dagegen ein high grade Tumor, der schlecht auf die<br />

Hormontherapie anspricht und oft nach mehrmonatiger<br />

Androgenblockade persistiert. Das Rezidiv- und Progressionsrisiko<br />

des Prostatakarzinoms hängt entscheidend<br />

auch davon, ab wie ausgedehnt der Tumor die<br />

Organkapsel infiltriert oder durchbrochen hat (Abb.).<br />

Substaging des Prostatakarzinoms<br />

TNM pT2 / pT3<br />

Abb.: Bezug des Prostatakarzinoms zur Organkapsel und<br />

progrnostische Gruppen.


Bei Prostatakarzinomen, die die Organkapsel noch<br />

nicht infiltriert haben (L0, L1), sind selbst bei großen<br />

Tumorvolumina und geringer Differenzierung (Gleason-<br />

Score ≥ 7) keine PSA-Rezidive innerhalb der ersten fünf<br />

<strong>Jahre</strong> zu erwarten. Organbegrenzte Karzinome mit<br />

Kapselinfiltration (L2) verhalten sich dagegen prognostisch<br />

schlechter. Hier sind PSA-Rezidive innerhalb der<br />

ersten fünf <strong>Jahre</strong> in etwa 15% der Fälle zu erwarten. Im<br />

pT3-Stadium ist es wichtig zwischen der fokalen und der<br />

ausgedehnten extraprostatischen Tumorausbreitung zu<br />

unterscheiden. Die Tumoren mit einer fokalen extraprostatischen<br />

Ausdehnung verhalten sich prognostisch ähnlich<br />

wie die organbegrenzten (pT2) Tumoren im Level 2.<br />

Erst bei der eindeutigen oder ausgedehnten extraprostatischen<br />

Tumorausdehnung verschlechtert sich die<br />

Prognose deutlich. Mehr als 85% der Patienten mit einer<br />

Samenblaseninfiltration (pT3b) erleiden in den ersten fünf<br />

<strong>Jahre</strong>n nach der Operation ein PSA-Rezidiv. Im Stadium<br />

pT3b erhöht sich auch sprunghaft das Risiko für eine<br />

Metastasierung.<br />

Prognostische Marker und molekulares<br />

Staging des Prostatakarzinoms<br />

Trotz der gut etablierten klinischen und pathologischen<br />

Parameter besteht nach wie vor ein großer Bedarf nach<br />

neuen Prognosefaktoren, die den individuellen Krankheitsverlauf<br />

besser vorhersehen. Dazu gehört eine Reihe<br />

von Marker, die in Abhängigkeit von der klinischen Konstellation,<br />

des pathologischen Befundes und den therapeutischen<br />

Optionen zusätzliche Informationen liefern<br />

können:<br />

• MIB-1 (Proliferationsmarker): cut-off 7% oder 10%<br />

positive Zellen<br />

• P 27 (Zellzyklusinhibitor): cut-off 50%<br />

positive Zellen<br />

• Bcl-2 (Apoptosensupressor): cut-off Foci mit >20%<br />

positive Zellen<br />

• P53: (Oncogen): cut-off positiv oder<br />

negativ<br />

• Chromogranin A (neuroendokrine Differenzierung):<br />

cut-off Foci mit >20%<br />

positive Zellen<br />

• MUC1/ AZGP1<br />

• EZH2/ E- cadherin<br />

• Östrogenrezeptoren<br />

•Progesteronrezeptoren<br />

•Ploidiestatus: peridiploid, peritetraploid, aneuploid<br />

x-ploid und multiploid)<br />

Zellzyklus- und Apoptosen-<br />

Regulatoren und andere Marker<br />

Neben den klassischen Prognosefaktoren (Gleason<br />

Grad, Tumorvolumen, pT-Stadium, Marginstatus und<br />

PSA-Wert) gewinnen zunehmend immunhistochemische<br />

Marker an Bedeutung, die zur individuellen Abschätzung<br />

der Prognose oder des Ansprechens auf eine bestimmte<br />

Therapie herangezogen werden. Dem Einsatz dieser<br />

Marker in Stanzbiopsien oder Prostatektomiepräparaten<br />

unterliegen unterschiedliche Fragestellungen:<br />

In Prostatastanzbiopsien geht es im Wesentlichen um<br />

die Präzisierung des prätherapeutischen Staging im<br />

Hinblick auf die Wahl der Therapie. Hohe MIB-1 Indices<br />

sind unabhängige Marker für das Überleben nach<br />

Prostatektomie, externer Bestrahlung und im Rahmen<br />

einer watchful waiting Strategie. Mehrere Studien belegen,<br />

dass der MIB-1-Index (>7 %), BCL-2 und P53 neben<br />

den klassischen Prognosefaktoren unabhängige prognostische<br />

Marker für das PSA-Rezidiv, das Auftreten von<br />

Metastasen und das Tumorspezifische Überleben nach<br />

externer Bestrahlung darstellen. Bei Unstimmigkeiten im<br />

Grading oder echten Grenzfällen (z.B. Gleason Grad 3<br />

versus 4) kann der MIB-1-Index hilfreich sein, um festzulegen,<br />

ob ein intermediärer oder hoher Malignitätsgrad<br />

vorliegt. Der Nachweis einer neuroendokrinen Differenzierung<br />

mit Chromogranin A empfiehlt sich dann, wenn<br />

die Option auf eine primäre Bestrahlung oder eine<br />

Hormontherapie besteht. Falls sich mit Chromogranin A<br />

eine multifokale oder bedeutende neuroendokrine<br />

Differenzierung nachweisen lässt, sollte Chromogranin A<br />

mit in die Liste der Serummarker aufgenommen, um<br />

den Verlauf bzw. den Erfolg der Therapie zu objektivieren.<br />

Das gleiche gilt für die Prostatakarzinome mit relativ niedrigen<br />

PSA-Werten, bei denen zwischen dem erfassten<br />

Tumorvolumen und dem Gleason Grad einerseits und<br />

der Höhe des PSA-Wertes andererseits eine auffällige<br />

15


Diskrepanz besteht. Bei gering differenzierten Prostatakarzinomen<br />

mit niedrigen PSA-Werten ist PSA kein verlässlicher<br />

Marker für die Prognose und den Verlauf der<br />

Erkrankung.<br />

In der Prostatektomie geht es mehr um die Abschätzung<br />

des PSA-Rezidivrisikos im Hinblick auf die<br />

Dringlichkeit einer adjuvanten Therapie. Dabei können<br />

die folgenden Marker zum Einsatz kommen. Der Zyklinabhängige<br />

Kinaseinhibitor P27, der den Eintritt von Zellen<br />

in den Zellzyklus verhindert, ist bei einer verminderten<br />

Expression (10%) sind<br />

vor allem bei Überexpression von BCL-2 ein unabhängiger<br />

Marker für ein PSA-Rezidiv und das Überleben nach<br />

RP. Niedrige MIB-1-Indices (7) sollte geprüft werden,<br />

ob eine signifikante neuroendokrine Differenzierung<br />

vorliegt (s. u).<br />

Mit Hilfe der neuen Microarray Technologie wurden<br />

unter Tausenden von Genen charakteristische Genexpressionsmuster<br />

im Prostatakarzinom entdeckt, die mit<br />

den verschiedenen klinischen Krankheitsverläufen korrelieren.<br />

Die Überexpression von MUC1 z.B. ist charakteristisch<br />

für den aggressiven Tumortyp, während die<br />

Expression von AZPG1 mit einer deutlich besseren Prognose<br />

einhergeht. Der MUC1- und AZPG1-Status im<br />

Tumorgewebe des Patienten ist, unabhängig von den<br />

klassischen Prognosefaktoren (Gleason Grad, Tumorstadium<br />

und präoperative PSA-Wert), ein aussagekräftiger<br />

Risikofaktor für das Tumorrezidiv. Nach radikaler<br />

Prostatektomie lassen sich nach ersten Untersuchungen<br />

durch die Kombination beider Marker drei klinische Verläufe<br />

mit einem geringen, intermediären und hohen<br />

Rezidivrisiko beschreiben. Eine ähnlich prognostische<br />

Bedeutung hat das Markerpaar EZH2/E-cadherin.<br />

Patienten mit hohen Expressionsraten des Transkriptionsfaktors<br />

EZH2 haben bei gleichzeitigem Verlust<br />

von E-cadherin ein hohes Rezidivrisiko.<br />

Marker der Androgenresistenz<br />

Eines der größten Probleme in der Behandlung des<br />

Prostatakarzinoms ist nach wie vor die Entstehung der<br />

16<br />

Androgenresistenz. Dies ist ein multifaktorieller Krankheitsprozess,<br />

in dem der Androgenrezeptor (AR) im Vordergrund<br />

steht. In etwa 30% der Androgen-insensitiven<br />

Prostatakarzinome liegt das Androgenrezeptorgen nicht<br />

in einfacher, sondern in mehrfacher Kopie vor. Diesen<br />

Tumoren stehen somit deutlich mehr AR zur Verfügung<br />

als den Androgen- abhängigen Tumoren. Man spricht<br />

auch von einem überempfindlichen (hypersensitiven)<br />

AR, der unter Androgenentzugstherapie selbst noch<br />

geringe Mengen an Androgenen für das Tumorwachstum<br />

nutzen kann. Patienten, bei denen mit der FISH-<br />

Technik derartige AR Veränderungen im Tumorgewebe<br />

nachweisbar sind, profitieren von einer totalen Androgenblockade.<br />

Damit wird sichergestellt, dass dem<br />

überempfindlichen (hypersensitiven) AR auch wirklich<br />

alle Androgene entzogen werden.<br />

Ein anderer Marker für die Androgenresistenz ist die neuroendokrine<br />

Differenzierung, die man mit Chromogranin<br />

A (ChrA) im Serum und im Tumorgewebe nachweisen<br />

kann. Die ChrA positiven Prostatakarzinomzellen besitzen<br />

keinen Androgenrezeptor! Diese Tumorzellen sind somit<br />

in allen Stadien der Erkrankung Androgen-insensitiv.<br />

Weitere Informationen liefert der DNA-Gehalt der<br />

Tumorzellen. Aneuploide Prostatakarzinome haben ein<br />

höheres Risiko einer Androgen- und Strahlenresistenz und<br />

haben eine deutlich schlechtere Prognose als peritetraploide<br />

und peridiploide Tumoren. Prostatakarzinome mit<br />

einem peritetraploiden DNA-Befund entwickeln schneller<br />

eine Androgenresistenz als peridiploide Tumoren. Die<br />

DNA-Ploidie korreliert oft, aber nicht immer mit dem<br />

Gleason Grad und liefert deshalb im Einzelfall zusätzliche<br />

prognostische Informationen.<br />

Weitere Marker, die typischerweise erst im Androgeninsensitiven<br />

Tumorstadium vermehrt nachgewiesen werden,<br />

sind P53, Bcl-2, EGF-R1 und EGF-R2 (HER2/neu).<br />

HER2/neu z.B. ist in der Lage den Androgenrezeptor<br />

auch in Abwesenheit von Androgenen zu aktivieren, d.h.<br />

der AR funktioniert auch ohne Androgene. Der Nachweis<br />

einer starken Expression von HER2/neu in einem<br />

Prostatakarzinom spricht somit dafür, dass dem Tumor<br />

Mittel zur Verfügung stehen, die ihm erlauben auch unter<br />

Androgenentzug den Androgenrezeptor weiterhin für<br />

sein Wachstum zu nutzen. Die Untersuchung dieser<br />

Marker in primären Prostatakarzinomen liefert somit<br />

zusätzliche Informationen über die Aggressivität und


eine eventuelle Androgenresistenz eines bestimmten<br />

Tumors. Entsprechende monoklonale Antikörper gegen<br />

diese Substanzen wie z.B. Cetuximab (EGF-R1), Herzeptin<br />

(HER2/neu), Bevacizumab (VEGF-R) sind zurzeit<br />

Gegenstand gentherapeutischer Studien in der klinischen<br />

Erprobung.<br />

Es gibt auch Hinweise, dass Östrogene und ihre Rezeptoren<br />

an der Entstehung der Androgenresistenz beteiligt<br />

sind. Im Gegensatz zum Brustkrebs und anderen Östrogen-abhängigen<br />

Tumoren ist der klassische Östrogenrezeptor<br />

� (ER�) im Prostatakarzinom in der Regel erst in<br />

Metastasen und im Androgen-insensitiven Tumorstadium<br />

nachweisbar. Wenn dieser neu entdeckte Rezeptor im<br />

fortgeschrittenen <strong>Prostatakrebs</strong> funktionell aktiv und therapeutisch<br />

beeinflussbar ist, dann müsste man erwarten,<br />

dass in diesen Tumoren auch ER�–regulierte Gene<br />

exprimiert werden. Ein solches Gen ist der Progesteronrezeptor<br />

(PR), einer der wichtigsten Marker für das Ansprechen<br />

des Brustkrebses auf eine Antiöstrogentherapie.<br />

In den metastasierten und Androgen-insensitiven<br />

Prostatakarzinomen ist eine signifikante Expression<br />

des PR in ca. 30% der Fälle nachweisbar, was dafür<br />

spricht, dass diese Tumoren Östrogene und Progesterone<br />

(Gestagene) für ihr Wachstum nutzen. Experimentelle<br />

Studien belegen bereits die Effizienz von Antiöstrogenen<br />

und Antigestagenen in Androgen-insensitiven<br />

Prostatakarzinomzelllinien. Klinische Studien für diesen<br />

neuen therapeutischen Ansatz stehen jedoch noch aus.<br />

Stellenwert der DNA-Ploidie<br />

Peridiploide Prostatakarzinome haben zweifelsohne eine<br />

bessere Prognose als peritetraploide und aneuploide<br />

Karzinome. Den peridiploiden DNA-Befund jedoch mit<br />

einem geringen Progressionsrisiko oder einem sog.<br />

Haustierkrebs gleichsetzen zu wollen, ist unzulässig. Ob<br />

bei einem Prostatakarzinompatient eine abwartende<br />

Haltung (watchful waiting) aus onkologischer Sicht vertretbar<br />

ist, hängt vielmehr vom Gleason Grad, von dem<br />

in den Stanzbiopsien erfassten Tumorvolumen, der PSA-<br />

Kinetik (PSA-Verdopplungszeit, PSA-Dichte), dem Alter und<br />

der persönlichen Lebenserwartung (z.B. kardiovaskuläres<br />

Risiko) ab.<br />

Auch bei einem aneuploiden DNA-Befund, der für den<br />

Patienten wegen der schlechten Prognose enorme<br />

Auswirkung auf die Therapieentscheidung haben kann,<br />

ist Vorsicht angesagt: Prämaligne Prostataveränderungen<br />

vom Typ HGPIN, die bei Männern über 50 <strong>Jahre</strong>n<br />

mit oder ohne Karzinom häufig vorkommen, sind oftmals<br />

aneuploid. Da die zytologische Prostatadiagnostik<br />

nach Feinnadelaspiration nicht in der Lage ist, zwischen<br />

HGPIN und einem Prostatakarzinom zu unterscheiden,<br />

kann man prinzipiell nie ausschließen, dass HGPIN und<br />

nicht das Karzinom für den aneuploiden DNA-Befund<br />

verantwortlich sind. DNA-Messungen sollten deshalb<br />

stets an Stanzbiopsien durchgeführt werden, die im<br />

Hinblick auf HGPIN überprüft wurden, um HGPIN-assoziierte<br />

(falsch-positive) aneuploide Befunde zu vermeiden.<br />

Die Beobachtung, dass bei einem peritetraploiden DNA-<br />

Befund ein erhöhtes Risiko für die Entstehung der<br />

Androgenresistenz besteht, basiert überwiegend auf Studien<br />

aus den 80er und 90er <strong>Jahre</strong>n, wobei damals die<br />

beidseitige Orchiektomie als Standard der Androgenentzugstherapie<br />

galt. Über die prognostische<br />

Bedeutung des peritetraploiden DNA-Befundes im<br />

Rahmen der modernen, zeitlich limitierten, dreifachen<br />

Androgenblockade gibt es bislang überhaupt keine<br />

Daten. Einem Patienten auf Grund eines peritetraploiden<br />

Histogrammes generell von der Hormontherapie<br />

abzuraten, ist daher nicht zulässig. Ob ein Prostatakarzinom<br />

auf eine Androgenentzugstherapie anspricht<br />

oder nicht, hängt letztlich davon ab, ob innerhalb eines<br />

<strong>Jahre</strong>s der PSA-Nadir von 0.05 mg/ml erreicht wird oder<br />

nicht. Dagegen sind Verlaufskontrollen, die an Hand von<br />

sukzessiven DNA-Bestimmungen am aspirierten Material<br />

den Therapieerfolg zu ermitteln versuchen, im Zeitalter<br />

der modernen PSA-Diagnostik obsolet.<br />

Die verlässlichsten Aussagen über die DNA-Ploidie erhält<br />

man in der Prostatektomie, bei der der ganze Tumor zur<br />

Untersuchung zur Verfügung steht. Der prognostische<br />

Wert der DNA-Analyse in der Stanzbiopsie ist dagegen<br />

umstritten, da der biologisch relevante Tumorherd nicht<br />

unbedingt in der Stanzbiopsie erfasst sein muss. In der<br />

letzten Ausgabe „Tumors of the Prostate Gland“ (2000)<br />

des Armed Forces Institute of Pathology (AFIP), ein weltweit<br />

anerkanntes Zentrum für Tumorpathologie, wird ausdrücklich<br />

darauf hingewiesen, dass die prognostische<br />

Aussagekraft der DNA-Ploidie in der Stanzbiopsie wegen<br />

des Sampling Errors fraglich ist. Ähnlich kritisch äußert<br />

sich auch Jonathan Epstein, einer der bekanntesten<br />

Prostatapathologen (Johns Hopkins` University School of<br />

17


Medicine). In einem kürzlich im „Lancet“ erschienenen<br />

Beitrag liefert nach seiner Erfahrung die Ploidiebestimmung<br />

in der Stanzbiopsie keine zusätzlichen prognostischen<br />

Informationen für das pathologische Staging,<br />

wenn der Gleason Grad korrekt ermittelt wurde.<br />

Fazit<br />

Der histopathologische Befund ist für die Früherkennung,<br />

Diagnose und stadiengerechte Therapie des Prostatakarzinoms<br />

von zentraler Bedeutung. Unabdingbare<br />

Vorraussetzung ist eine sachgerechte Aufarbeitung und<br />

verlässliche Befundung. Viele Urologen sehen im<br />

Gleason Grad und anderen pathologischen Befunden<br />

lediglich Laborwerte, auf die man zwar die Therapieentscheidung<br />

stützt, ansonsten aber wenig hinterfragt.<br />

Beim <strong>Prostatakrebs</strong> hängt Vieles von der Diagnostik ab,<br />

die ein hohes Maß an Erfahrung und Qualität erfordert.<br />

Die verschiedenen klinischen Verläufe zeigen, dass wir es<br />

mit einer sehr heterogenen Erkrankung zu tun haben.<br />

Einfache Lösungen für komplizierte Fragen existieren<br />

nicht und sind auch in naher Zukunft trotz aller Fortschritte<br />

nicht zu erwarten.<br />

Die Prostatadiagnostik lässt sich langfristig nur dann verbessern,<br />

wenn die folgenden Vorraussetzung geschaffen<br />

werden:<br />

18<br />

• Hohe Spezialisierung seitens der Urologen,<br />

Radiologen und Pathologen<br />

• Intensivierung der interdisziplinären<br />

Zusammenarbeit und Kommunikation mit<br />

Austausch von Daten und Informationen<br />

• Qualitätssicherung auf hohem Niveau<br />

RÄTSEL: WEM GEHÖRT DER FISCH<br />

Gehören Sie zu den 2 % der intelligentesten Personen<br />

der Welt? Es gibt keinen Trick bei diesem Rätsel, nur pure<br />

Logik.<br />

Also: Viel Glück und geben Sie nicht auf!<br />

1. Es gibt 5 Häuser mit je einer anderen Farbe.<br />

2. In jedem Haus wohnt eine Person mit einer anderen<br />

Nationalität.<br />

3. Jeder Hausbewohner bevorzugt ein bestimmtes<br />

Getränk, raucht eine bestimmte Zigarettenmarke<br />

und hält ein bestimmtes Haustier.<br />

4. Keine der 5 Personen trinkt das gleiche Getränk,<br />

raucht die gleichen Zigaretten oder hält das gleiche<br />

Tier wie sein Nachbar.<br />

Frage: Wem gehört der Fisch?<br />

Ihre Hinweise:<br />

• Der Brite lebt im roten Haus<br />

• Der Schwede hält einen Hund<br />

• Umsetzung neuer Erkenntnisse aus der<br />

Grundlagenforschung in die klinische Diagnostik<br />

Diese Anforderungen lassen sich am besten in Kompetenzzentren<br />

realisieren, wo ausgewiesene Spezialisten<br />

der verschiedenen Fachrichtungen in der Patientenversorgung<br />

zusammenarbeiten. Die Knüpfung solcher<br />

Netzwerke ist heute im Zeitalter der elektronischen<br />

Datenübermittelung nicht mehr ortsgebunden, sondern<br />

kann auch auf nationaler und internationaler Ebene<br />

umgesetzt werden.<br />

Literatur beim Verfasser<br />

PROFESSOR DR. MED. HELMUT BONKHOFF<br />

Facharztpraxis für Pathologie<br />

12203 Berlin Tietzenweg 129<br />

Postfach 45 02 11, 12172 Berlin<br />

Tel. 030/ 84 31 78 82<br />

E-Mail: info@prostapath.de<br />

Homepage: www.prostapath.de<br />

• Der Däne trinkt gerne Tee<br />

• Das grüne Haus steht links vom weißen Haus<br />

• Der Besitzer des grünen Hauses trinkt Kaffee<br />

• Die Person, die Pallmall raucht, hält einen Vogel<br />

• Der Mann, der im mittleren Haus wohnt, trinkt Milch<br />

• Der Besitzer des gelben Hauses raucht Dunhill<br />

• Der Norweger wohnt im ersten Haus<br />

• Der Marlboro-Raucher wohnt neben dem, der eine<br />

Katze hält<br />

• Der Mann, der ein Pferd hält, wohnt neben dem, der<br />

Dunhill raucht<br />

• Der Winfield-Raucher trinkt gerne Bier<br />

• Der Norweger wohnt neben dem blauen Haus<br />

• Der Deutsche raucht Rothmanns<br />

• Der Marlboro-Raucher hat einen Nachbarn, der<br />

Wasser trinkt<br />

Die Auflösung finden Sie auf Seite 28.


Glossar<br />

• Apoptose: programmierter Zelltod<br />

• Apikal: Spitze, dem Beckenboden zugewandte Seite der Prostata<br />

• Basal: Basis, der Harnblase zugewandte Seite der Prostata<br />

• Dignität: Gutartigkeit (benigne) oder Bösartigkeit (maligne) eines Tumors<br />

• Extraprostatisch: außerhalb der Organgrenze der Prostata<br />

• FISH (Fluoreszenz-in-situ- Hybridisierung): Methode zum Nachweis eines bestimmten Gens in einer Zelle<br />

• HGPIN (high grade prostatic intraepithelial neoplasia) ist ein Vorläufer des Prostatakarzinoms<br />

• Immunhistochemie: Darstellung eines Proteins im Gewebe oder Zelle mit einem spezifischen Antikörper<br />

• Intraduktale Prostatakarzinome: breiten sich vorzugsweise im Gangsystem der Prostata aus<br />

• Margin: mit Tusche markierte Absetzungsränder des Operationspräparates<br />

• Neuroendokrin: Eigenschaft von Zellen Hormone zu bilden, die lokal oder systemisch wirken können<br />

• Nervenscheideninvasion: in die Prostata strahlen von außen zahlreiche Nerven ein. Das Prostatakarzinom<br />

nutzt diese Nervenäste als Leitschiene, um die Organgrenze zu durchbrechen<br />

• Ploidie: ist ein Maß für den DNA- Gehalt von Zellen und wird durch die optische Dichte der Zellkerne<br />

gemessen. Normale Zellen haben einen doppelten Chromosomensatz und werden als diploid (2c)<br />

bezeichnet. Peridiploide oder peritetraploide (4c) Tumorzellen haben somit den gleichen oder den doppelten<br />

(4c) DNA- Gehalt im Vergleich zu normalen Referenzzellen. Aneuploide Tumorzellen zeigen gegenüber<br />

normalen Referenzzellen eine ungerade Zunahme des DNA- Gehaltes. Aneuploide Verteilungsmuster<br />

können in einer (x-ploid) oder mehreren Stammlinien (multiploid) auftreten.<br />

• Präkanzerose/ prämaligne: maligne Transformation des Prostataepithels, Vorläufer des Prostatakarzinoms<br />

(HGPIN)<br />

• Rebiopsie: erneute stanzbioptische Abklärung<br />

• Radiatio: Bestrahlung<br />

• Staging: Feststellung des Tumorstadiums durch TNM<br />

• TNM: Lokale Tumorausdehnung (T), Lymphknotenstatus (N), Fernmetastasen (M)<br />

• Watchful waiting: abwartende, kontrollierte Haltung im Hinblick auf die Therapie<br />

In Kürze erscheint das „Kleine<br />

Wörterbuch für den <strong>Prostatakrebs</strong><br />

Patienten“ mit ca. 200 Fachausdrücken<br />

zum <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />

Sie können das Wörterbuch über<br />

Ihre örtliche <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe oder<br />

direkt von der Geschäftsstelle beziehen.<br />

19


PROGNOSTISCHE UND THERAPEUTISCHE<br />

BEDEUTUNG DER DNA-ZYTOMETRIE<br />

BEIM PROSTATAKARZINOM<br />

Am 12.5.05 fand im Zentrum für Sozialpolitik der Universität<br />

Bremen mit finanzieller Unterstützung der „Gmünder<br />

Ersatzkasse (GEK)“ ein Experten-Symposium zum Thema<br />

<strong>Prostatakrebs</strong> statt. Diskutiert wurden Diagnoseverfahren,<br />

die eine möglichst genaue Einschätzung der Aggressivität<br />

des Tumors (sog. Tumor-Grading) ermöglichen. Bei<br />

der DNA-Zytometrie handelt es sich um ein bewährtes,<br />

standardisiertes, objektives Messverfahren, das mit der<br />

optischen Mengenmessung der Erbsubstanz der Krebszellen<br />

eine genaue Bewertung des Tumors in dieser<br />

Richtung zulässt. Die unterschiedliche Malignität des<br />

Tumors ergibt sich über die sich verändernde Erbsubstanzmenge<br />

in den Krebszellen, die sich mit der Zeit bei<br />

der Entwicklung des Tumors sich verändert oder verändern<br />

kann. Leider ist dieses wichtige und aussagekräftige<br />

Verfahren in Deutschland wenig bekannt und verbreitet,<br />

obwohl es eine reguläre Leistung der gesetzlichen Krankenkassen<br />

ist und überdies sehr kosten günstig.<br />

Bei den Teilnehmern des Symposiums im Zentrum für<br />

Sozialpolitik handelte es sich um wissenschaftliche<br />

Experten auf dem Gebiet des <strong>Prostatakrebs</strong>es aus<br />

Deutschland, den USA und Schweden, die sich größtenteils<br />

durch langjährige wissenschaftliche Arbeit mit dieser<br />

Methode und auch anderen Diagnoseverfahren (wie<br />

z.B. Gleason-Score) ausweisen. Grundlagenreferate zum<br />

Mechanismus der Entwicklung des Malignitätsgrades<br />

des <strong>Prostatakrebs</strong>es wurden ebenso auf der Veranstaltung<br />

diskutiert wie methodische Fragen und epidemiologische<br />

Daten zu der Erkrankung, die über mittlerweile<br />

20 und mehr <strong>Jahre</strong> vorliegen. Z.B. wurde durch<br />

deutsche und schwedische epidemiologische Forschung<br />

nachgewiesen, dass ältere Männer mit einer<br />

statistischen Lebenserwartung von unter 25 <strong>Jahre</strong>n beim<br />

Vorliegen eines bestimmten und sogar recht häufigen<br />

Krebstypus (sog. peridiploide Karzinome) eine Therapie<br />

keinen Überlebensvorteil für die Betroffenen bringt. Die<br />

von einem solchen (recht harmlosen) Krebs betroffenen<br />

Männer zeigen die gleiche Lebenserwartung wie Gleichaltrige<br />

ohne <strong>Prostatakrebs</strong>. Ein kontrollierendes Abwarten<br />

20<br />

wäre danach mit den<br />

Betroffenen zu diskutieren.<br />

Weiterhin wurde deutlich,<br />

dass eine Hormontherapie<br />

in bestimmten Fällen sogar<br />

zu einer Verkürzung der Lebenserwartung führt und deshalb<br />

für die Betroffenen keinerlei Nutzen hat. Aber nicht<br />

nur zur Diagnose beim <strong>Prostatakrebs</strong> sollte die DNA-<br />

Zytometrie nach Meinung der Experten unbedingt für<br />

eine sinnvolle Therapieplanung durchgeführt werden<br />

sondern auch bei Kontrolluntersuchungen liefert sie wertvolle<br />

Hinweise über die Entwicklung des Tumors und/oder<br />

über den (Miss-)Erfolg bei einer bestimmten Therapie.<br />

Das entsprechend notwendige Untersuchungsmaterial<br />

kann durch eine den Patienten wenig belastende und<br />

im Vergleich zur Stanzenbiopsie deutlich nebenwirkungsärmeren<br />

sog. Feinnadelaspirationsbiopsie aus der<br />

Prostata gewonnen werden.<br />

Die Veranstaltung schloss mit einem Konsensuspapier<br />

der Wissenschaftler, in dem in insgesamt 15 Punkten die<br />

Bedeutung der DNA-Zytometrie bei der Diagnostik des<br />

<strong>Prostatakrebs</strong>es und seiner Verlaufskontrolle mit oder<br />

ohne Therapie dokumentiert wurde. Darin finden sich<br />

Aussagen zu den Grundlagen der Methode und seiner<br />

Durchführung sowie ihres hohen Aussagewertes bei der<br />

Diagnose, Therapieplanung und ihrer Bedeutung bei der<br />

Verlaufskontrolle. Es wurde ausdrücklich betont, dass die<br />

DNA-Zytometrie beim <strong>Prostatakrebs</strong> zusätzlich zu den in<br />

Deutschland üblichen Diagnoseverfahren unbedingt<br />

wichtige Zusatzinformationen liefert, um belastende<br />

Übertherapien oder Fehltherapien (z.B. Hormontherapie<br />

in bestimmten Fällen) zu vermeiden. Die Referate und<br />

Diskussionsinhalte werden in einem Symposiumsberichtsband<br />

publiziert werden.<br />

Referenzadresse: DR. MED. WALTER SAMSEL<br />

Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen<br />

Postfach 290121<br />

27531 Bremerhaven<br />

Tel.: +49 471-7004427<br />

Fax: +49 471-3007655<br />

e-mail: samsel@nord-com.net


LÄSST SICH KEIN PROSTATA-TUMOR FINDEN,<br />

SORGT PET/CT FÜR KLARHEIT<br />

Positronen-Emissions-plus Computertomographie wesentlich<br />

sensitiver als CT und Szintigraphie / Indikation bei bis<br />

zu 15 Prozent der Männer<br />

BERLIN (mut). Mit CT und Szintigraphie ist<br />

bei manchen Männern mit Verdacht auf<br />

Prostata-Ca oder Tumorrezidiv kein Tumor<br />

lokalisierbar. Für sie käme eine PET/CT<br />

infrage.<br />

Doch die Positronen-Emissionstomographie<br />

plus Computertomographie (PET/CT) wird<br />

von der GKV in der ambulanten Diagnostik<br />

bisher nicht erstattet. Stattdessen bleibt<br />

Männern mit Prostata-Ca oft nichts anderes<br />

übrig, als zu warten, bis Tumor oder<br />

Metastasen so groß sind, dass sie mit herkömmlichen<br />

Verfahren erfasst werden können,<br />

sagte der Nuklearmediziner Professor<br />

Wolfgang Mohnike aus Berlin zur "Ärzte Zeitung".<br />

Steigt etwa der PSA-Wert nach einer Prostata-Karzinom-<br />

Operation wieder an, besteht Verdacht auf ein Rezidiv.<br />

"Mit CT kann man einen Tumor in der operierten Region<br />

jedoch oft nicht erkennen, weil diese durch Narben verändert<br />

ist", sagte Mohnike. Auch ein Lymphknotenbefall<br />

lasse sich damit häufig erst sehr spät nachweisen, da<br />

Lymphknoten unter einem Durchmesser von 10 mm als<br />

unauffällig gelten.<br />

Und mit der Skelett-Szintigraphie könne man Knochen-<br />

Metastasen erst ab einer Größe von etwa 12 bis 15 mm<br />

nachweisen, mit der PET dagegen bereits ab 3 mm. Bei<br />

Metastasen ist jedoch eine andere Therapie nötig als<br />

bei einem Lokalrezidiv. Aber auch bei einem Lokalrezidiv<br />

muss man genau wissen wo es liegt.<br />

Mohnike: "Wird mit CT und Szintigraphie nichts gefunden,<br />

wird bisher einfach blind die OP-Region bestrahlt."<br />

Eine genaue Tumor-Ortung mit PET/CT ermöglicht<br />

jedoch eine gezielte Bestrahlung – mit weniger Risiken<br />

Ein Patient wird für PET/CT-Aufnahmen vorbereitet.<br />

Foto: Siemens<br />

für strahlenempfindliche Regionen wie Rektum und<br />

Blase.<br />

Von der PET/CT profitieren auch unbehandelte Männer<br />

mit hochmalignen Tumoren (Gleason-Wert über 6) und<br />

PSA-Werten über 10 ng/ml. Solche Männer haben ein<br />

hohes Risiko für Metastasen – die sich nur mit PET/CT gut<br />

nachweisen lassen. Und es gibt Männer, bei denen<br />

bioptisch trotz hoher PSA-Werte kein Tumor gefunden<br />

wird. Bei ihnen wird bisher gewartet, bis der Tumor mit<br />

klassischen Verfahren nachweisbar ist. Eine PET/CT kann<br />

dagegen sofort Klarheit schaffen. Insgesamt schätzt<br />

Mohnike den Anteil von Prostata-Ca-Patienten, denen<br />

die PET/CT nützt, auf etwa 10 bis 15 Prozent.<br />

Die Kosten für das Verfahren liegen bei etwa 1000 bis<br />

1300 Euro. In einer Studie mit 200 Bronchial-Ca-<br />

Patienten war die PET/CT langfristig jedoch günstiger als<br />

die CT alleine, da Mehrfachuntersuchungen vermieden<br />

wurden und gleich die richtige Therapieentscheidung<br />

getroffen werden konnte.<br />

ÄRZTE ZEITUNG, 06.06.2005<br />

21


Red.: In seinem Grußwort wies Wolfgang<br />

Petter, der die Schirmherrschaft beim<br />

Symposium „Aktuelle Entwicklungen bei<br />

der Diagnostik (PET, PET/CT) und Therapie<br />

des Prostatakarzinoms“ übernommen<br />

hatte, darauf hin, dass <strong>Prostatakrebs</strong><br />

heilbar sei, wenn er nur früh genug<br />

erkannt würde. Deswegen unterstützt<br />

der <strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong><br />

<strong>Selbsthilfe</strong> (BPS), effektive Möglichkeiten<br />

für eine frühzeitige und exakte<br />

Diagnostik, wie z.B. mit PET/CT. Gerade<br />

bei den heilbaren Tumorerkrankungen<br />

ist die Qualität der Diagnostik von existenzieller<br />

Bedeutung. Der BPS hat es<br />

sich zur Aufgabe gemacht, für Aufklärung<br />

bei der Diagnostik und den<br />

Therapiemöglichkeiten zu sorgen sowie<br />

Betroffenen Hilfe zu leisten.<br />

Bis heute gibt es leider in Deutschland keine einheitlichen<br />

Standards für die Diagnostik des <strong>Prostatakrebs</strong>. Die Folge:<br />

Therapien werden häufig viel zu spät angesetzt. Das kos-<br />

22<br />

tet Männern Lebensqualität und das<br />

Leben! Wenn man also ein sinnvolles<br />

und bereits geprüftes Diagnostikverfahren<br />

hat, muss es auch von den Gesetzlichen<br />

Krankenversicherungen erstattet<br />

werden. Denn nur wenige Patienten können<br />

aus eigener Tasche teure Untersuchungen<br />

und Behandlungen finanzieren.<br />

Der BPS wird dafür auf gesellschaftlicher<br />

und auf politischer Ebene kämpfen.<br />

Der BPS setzt sich dafür ein, dass<br />

wirklich alle Patienten unabhängig von<br />

ihrem Einkommen die optimale Diagnostik<br />

und Behandlung bekommen.<br />

Die Forderungen des BPS werden unterstützt<br />

durch Hans-Olaf Henkel, Präsident<br />

der Leibniz-Gemeinschaft, sowie Wolfgang<br />

Zöller, Stellvertretender Vorsitzender<br />

der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,<br />

die darauf hinweisen, dass die Diagnostik mit PET in allen<br />

westlichen Ländern anerkannt und auch von den sozialen<br />

Gesundheitssystemen erstattet wird.<br />

Europa im Vergleich: PET in der Onkologie<br />

Wo und für welche Indikationen wird PET von den<br />

Gesetzlichen Krankenkassen im ambulanten Bereich bezahlt?<br />

B NL F GB I DK FIN CH E PL D<br />

Lungenkarzinom 1) � D St Re � � � � � � � � �<br />

Kolorektales Karzinom � Re � � � � � � � Re � �<br />

Kopf-Hals-Tumor � Re � � � � � � � �<br />

Lymphom � St Re � � � � � � � � �<br />

Melanom � St Re � � � � � � � � �<br />

Ösophaguskarzinom � St � � � � � � � �<br />

Pankreaskarzinom � D St Re � � � � � � �<br />

Ovarialkarzinom � Re � � � � �<br />

Mammakarzinom � � � � � � � � �<br />

Hodenkarzinom � � � � � �<br />

Schilddrüsenkarzinom � � � � � � �<br />

Hirntumoren � Re � � � � � � � �<br />

Unbek. Primärtumor � � � � � � � �<br />

� PET wird vergütet (Von GKV akzept. Indikation) 1) Nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom<br />

� PET ist Standarduntersuchung! D Diagnose benigne/maligne<br />

� Priorität bei Bewertung von Effektivität und Outcome St Prätherapeutisches Staging<br />

� Akzeptierte Indikation Re Nachweis eines Rezidives oder Restaging<br />

� Akzeptierte, aber selten nachgefragte Indikation<br />

Entwicklungsland �<br />

PET nur für<br />

Privatpatienten


INTENSITÄTSMODULIERTE STRAHLENTHERAPIE<br />

Eine Alternative zur Operation<br />

Erfahrungsbericht von Helmut Illini<br />

Vorwort<br />

Vom 19.10.04 bis 14.12.04 war ich im Deutschen<br />

Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg zur<br />

Durchführung einer intensitätsmodulierten Strahlentherapie<br />

(IMRT) bei <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />

Bereits in der Vorbereitung hatte ich mich intensiv mit<br />

dem Thema beschäftigt und nachfolgend an Ort und<br />

Stelle bemüht, mein Verständnis durch Literatur,<br />

Arztgespräche und Erfahrungsaustausch zu vertiefen.<br />

Ich bin beeindruckt von der Leistung, welche hier in<br />

Forschung und Entwicklung erbracht wurde und in der<br />

klinischen Anwendung umgesetzt wird. Dies hat mich<br />

veranlasst, einen ausführlichen Bericht zu schreiben, um<br />

meine Eindrücke und Erkenntnisse auch anderen<br />

Interessierten vermitteln zu können. Er enthält Informationen<br />

über Entwicklung, Technik und Ergebnisse,<br />

sowie eine Schilderung meiner persönlichen Erfahrungen<br />

und Eindrücke bei der Durchführung.<br />

Es ist mir ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass die<br />

IMRT bei entsprechender Indikation eine höchst interessante<br />

Alternative zur Operation darstellt und bei mindestens<br />

gleichwertigen Erfolgs-Chancen ein deutlich geringeres<br />

Risiko für bleibende Nebenwirkungen mit sich<br />

bringt.<br />

Ausgangs-Situation<br />

Knapp drei <strong>Jahre</strong> nach Beendigung einer Dreifachen<br />

Hormonblockade sah ich mich durch steigende PSA-<br />

Werte (zuletzt 6.7 unter Proscar) zu erneutem Handeln<br />

veranlasst. Eine endorektale MRT erbrachte den<br />

Verdacht der Kapsel-Infiltration, eine erneute Biopsie die<br />

Bestätigung von Tumor-Aktivität. 5 von 10 Stanzen waren<br />

positiv, die Befundung durch Prof. Bonkhoff ergab einen<br />

GS von 3+4, ohne neuroendokrine Differenzierung.<br />

Nach einer langen und schwierigen Informations-Phase<br />

entschied ich mich für die IMRT im DKFZ Heidelberg.<br />

Meine intensive Suche, das Sammeln von Informationen,<br />

Berichten und Ergebnissen, die geführten<br />

Gespräche und Korrespondenz bestärkten mich in der<br />

Überzeugung, dass diese Therapie in meiner Situation<br />

ein Maximum an Chancen mit einem Minimum an<br />

Risiken verbindet. Ich gewann auch zunehmend den<br />

Eindruck, dass die erforderlichen Kriterien Geräteausstattung,<br />

ausreichende Erfahrung, präzise Planung<br />

und geschultes Personal im DKFZ in optimaler Form<br />

erfüllt sind. So fuhr ich nach Heidelberg mit der<br />

Zuversicht, dort die beste, bundesweit (vielleicht sogar<br />

europaweit) verfügbare Strahlentherapie zu erhalten.<br />

Entwicklung<br />

Bereits in den <strong>Jahre</strong>n 1980-90 wurde im DKFZ ein<br />

Verfahren entwickelt, welches die Bestrahlung wesentlich<br />

verbesserte: Die dreidimensionale Strahlentherapie-<br />

Planung.<br />

Ein relativ junges Forscherteam um Prof. Schlegel entwickelte<br />

anschließend die äußerst komplexe Software<br />

für die Planung und Durchführung einer Strahlentherapie,<br />

welche es möglich macht, durch computergesteuerte<br />

Strahlenblenden ein bestimmtes Zielgebiet nicht nur<br />

dreidimensional zu erfassen, sondern auch Teilbereiche<br />

desselben mit unterschiedlicher Intensität zu bestrahlen,<br />

oder diese auszusparen.<br />

Durch diese neue Technik wurde es möglich, auch kompliziert<br />

geformte Tumoren in hochsensiblen Bereichen zu<br />

bestrahlen und gleichzeitig benachbarte Risikoorgane<br />

und Gewebestrukturen deutlich besser zu schonen.<br />

Sie wurde zunächst vom Memorial Sloan Kettering<br />

Cancer Center in New York übernommen und 1996<br />

weltweit erstmals klinisch eingesetzt. In einer nachfolgenden<br />

klinischen Studie mit über 700 Patienten mit<br />

Prostata-Karzinom wurde gezeigt, dass das krankheitsfreie<br />

Überleben wesentlich gesteigert werden konnte<br />

und die Nebenwirkungen trotz höherer Dosis deutlich<br />

23


eduziert wurden. Damit wurden operationsidentische<br />

Heilungsquoten erreicht bzw. noch übertroffen.<br />

In Europa wurden 1997 die ersten Patienten im DKFZ in<br />

Heidelberg mit der IMRT behandelt. Inzwischen wird<br />

diese Technik an verschiedenen Standorten angeboten;<br />

neben Heidelberg dürften die Charite in Berlin und das<br />

Südharzkrankenhaus in Nordhausen die meiste Erfahrung<br />

haben. Ein flächendeckender Einsatz scheitert<br />

noch an den erforderlichen hohen Investitionen für<br />

Hard- und Software sowie am Mangel entsprechend<br />

ausgebildeter Fachkräfte. Hier ist vor allem eine intensive<br />

Zusammenarbeit zwischen Strahlentherapeuten und<br />

Physikern gefordert.<br />

Therapie<br />

Bestrahlt wird mit einer Dosis von insgesamt 76 Gy in 38<br />

Fraktionen à 2 Gy. Diese finden von Montag bis Freitag<br />

täglich statt (ausgenommen Wartungs- u. Feiertage).<br />

Durch die intensitätsmodulierte Strahlentherapie lässt<br />

sich eine deutliche Verbesserung der Dosisverteilung<br />

erreichen. Mit ihr ist es möglich, die Intensität der<br />

Strahlendosis innerhalb eines Bestrahlungsfeldes zu verändern<br />

(modulieren). Das Feld wird in viele kleine<br />

Teilbereiche zerlegt, die mit jeweils unterschiedlicher<br />

Intensität bestrahlt werden.<br />

Durch die Überlagerung mehrerer aus verschiedenen<br />

Richtungen eingestrahlter Felder wird es ermöglicht, an<br />

jedem Punkt durch Überschneidung der Strahlenbündel<br />

und Addition ihrer Intensitäten die vorausberechnete<br />

Dosis zu erreichen. In anderen Bereichen ergibt sich<br />

durch Abblenden eine deutlich geringere Dosis; dies<br />

ermöglicht eine weitgehende Schonung der Risiko-<br />

Organe. So wird es möglich, auch komplex geformte<br />

Körperregionen durch viele einzelne Felder aus verschiedenen<br />

Richtungen zu bestrahlen.<br />

Durch CT wird wöchentlich überprüft, dass sich an der<br />

Lagerung des Patienten sowie an der Form der Prostata<br />

nichts verändert hat. Hierfür wurde ein System entwickelt<br />

welches es ermöglicht, den Patienten auf dem<br />

Bestrahlungstisch liegend durch einen Computer-<br />

Tomographen, der sich auf Hochpräzisionsschienen<br />

bewegt, zu untersuchen. Dieses Hybrid- System "Primatom"<br />

von Siemens im DKFZ war das erste System seiner<br />

Art in Europa.<br />

24<br />

Strahlenschäden können teils neutralisiert, teils repariert<br />

werden. Erholungs- und Reparaturprozesse laufen<br />

sowohl in Normal- wie auch in Tumorzellen ab. Die<br />

Erholungsfähigkeit von Normal- und Tumorgewebe ist<br />

jedoch ganz unterschiedlich; sie ist für Normalgewebe<br />

bedeutend größer und läuft schneller ab als im<br />

Tumorgewebe.<br />

Diese Unterschiede macht man sich für die Therapie<br />

zunutze; sie sind die Begründung dafür, dass die verordnete<br />

Dosis in viele Einzelfraktionen unterteilt wird. In den<br />

Bestrahlungs-Intervallen kann sich das gesunde<br />

Normalgewebe erholen und aufgetretene Schäden<br />

reparieren.<br />

Eine entscheidende Voraussetzung für eine hohe<br />

Zielgenauigkeit der Strahlentherapie ist die präzise (Re-)<br />

Positionierung des Patienten unter der Strahlenquelle. Zur<br />

Erreichung dieses Ziels wird ein enormer Aufwand betrieben.<br />

Es wird eine passgenaue steife Hohlform für Rumpf<br />

und Kopf gefertigt und fixiert, welche eine gleichbleibende<br />

Lagerung während der Bestrahlung ermöglicht.<br />

Das Untergestell lässt sich auf einem computergesteuerten<br />

Schlitten in die richtige Position bringen, welche<br />

durch Laser-Koordinaten zusätzlich überprüft wird.<br />

Die akuten Nebenwirkungen hielten sich insgesamt in<br />

erfreulichen Grenzen.<br />

Etwa ab der 3. Woche stellte sich ein verstärkter Harndrang<br />

ein, der sich in der nachfolgenden Zeit noch steigerte.<br />

Eine weitere Folge war verstärkte Müdigkeit, die<br />

häufig berichtet wird und wohl durch die Überschwemmung<br />

des Stoffwechsels mit Zellabbau-Produkten erklärbar<br />

ist. Eine leichte Hautreizung im bestrahlten Gebiet<br />

wurde mit Puder behandelt und machte keine nennenswerten<br />

Beschwerden. Mit dem Darm hatte ich keinerlei<br />

Schwierigkeiten, Appetit und Schlaf waren hervorragend.<br />

Nachsorge<br />

Knapp sechs Monate nach Abschluss der Therapie kann<br />

ich nur Positives berichten.<br />

Eine Kontroll-Untersuchung zeigte einen "unauffälligen<br />

poststrahlentherapeutischen Verlauf mit einem regelrechten<br />

MRT-Befund". Das Allgemeinbefinden ist größtenteils<br />

sehr zufriedenstellend. Kleine Einbrüche<br />

(Müdigkeit, reduzierte Belastbarkeit) können noch leichte


Nachwirkungen sein, sind aber auch altersbedingt<br />

denkbar (ich bin 75). Der Harndrang hat sich normalisiert;<br />

die Blase war nur in den letzten Monaten noch<br />

etwas empfindlich gegen Kältereize. Appetit, Verdauung<br />

und Schlaf sind unverändert gut und ich nehme keinerlei<br />

Medikamente.<br />

Die erste PSA-Kontroll-Messung soll frühestens 3 Monate<br />

nach Therapie-Ende vorgenommen werden und dann<br />

einen Wert ergeben, der höchstens die Hälfte des<br />

Ausgangswertes beträgt. Dieser Wert lag bei 1.24, der<br />

Ausgangswert (unter Proscar!) bei 6.7. Bis zum Erreichen<br />

des Tiefst-Wertes können bis zu 2 <strong>Jahre</strong> vergehen.<br />

Fazit<br />

Die hohen Erwartungen, mit denen ich nach Heidelberg<br />

fuhr, wurden nicht nur erfüllt, sondern noch übertroffen.<br />

Dies betrifft sowohl die Durchführung der Therapie wie<br />

auch die Atmosphäre im DKFZ.<br />

Ob in der Beratung durch die Ärzte, im Gespräch mit<br />

den MTAs oder sonstigen Hilfskräften, selbst bei der<br />

Anmeldung spürte man Kompetenz, Freundlichkeit und<br />

eine hervorragende Organisation. Die Gesprächspartner<br />

waren konzentriert, aufmerksam und informationsbereit.<br />

Man gewann den wohltuenden Eindruck, als<br />

Patient ernst genommen zu werden.<br />

Der gute Ruf des DKFZ und die Chancen der IMRT werden<br />

wohl durch die Tatsache bestätigt, dass ich seit kurzem<br />

mit einem Betroffenen Kontakt habe, der sich derzeit<br />

in Heidelberg zur Durchführung der Therapie aufhält<br />

und zu diesem Zweck aus Australien nach Deutschland<br />

kam!<br />

So glaube ich, eine gute Entscheidung getroffen zu haben,<br />

die auch zu einem befriedigenden Ergebnis führt.<br />

Der Bericht ist unter www.prostatakrebse.de "Texte" (Nr.<br />

22) abrufbar. Betroffene, welche keinen Internet-Zugang<br />

haben, können eine Druckversion auch direkt bei mir<br />

anfordern. (Kostenbeteiligung erbeten).<br />

Tel. u. Fax 0911/605042, e-Mail helmut@illini.de<br />

HELMUT ILLINI, Mai 2005<br />

Anmerkung<br />

Helmut hatte mit seinem Gleason Score 3+4=7 einen<br />

Faktor im mittleren Risikobereich und einen im höheren<br />

Risikobereich, da nicht weniger als 50% der Stanzen seiner<br />

Biopsie befallen waren. Damit war ein Auf und Ab<br />

des PSA-Wertes mit steigender Tendenz nach Absetzen<br />

der DHB mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten (wie<br />

bei mir persönlich auch). Dr. Leibowitz empfiehlt in einer<br />

solchen Situation, die Nerven zu behalten und gegebenenfalls<br />

auch höhere PSA-Werte zuzulassen, die auch<br />

wieder fallen können. Das bedarf aber einer ständigen<br />

Beobachtung und Kontrolle. Wenn es denn notwendig<br />

ist, empfiehlt er als nächsten Schritt den antiangiogenen<br />

Cocktail oder gegebenenfalls einen zweiten Zyklus der<br />

DHB, jedoch mit Ketokonazole als Antiandrogen zusammen<br />

mit einer gering dosierten Chemotherapie.<br />

Helmut war fast 3 <strong>Jahre</strong> abgesetzt von der DHB.<br />

Da es leider in Deutschland keine Ärzte mit Erfahrungen<br />

nach Absetzen der DHB gibt, der alle individuellen<br />

Faktoren unter diesem Gesichtspunkt zu einer weiteren<br />

Empfehlung zusammenfassen kann – eine große<br />

Schwierigkeit hier in Deutschland –, ist es nun mal die<br />

ganz persönliche Entscheidung des Patienten, welche<br />

Maßnahmen er in dieser Situation für sich als richtig<br />

ansieht. Das kann ich nachvollziehen. Helmut hat damit<br />

wieder die für ihn richtige Entscheidung getroffen. Wir<br />

stellen seinen positiven Bericht über die IMRT in<br />

Heidelberg als eine subjektive individuelle Patientenerfahrung<br />

allen Lesern gern zur Verfügung und wünschen<br />

ihm einen sehr langen Zeitraum mit verschwindend<br />

geringen PSA-Werten.<br />

CHRISTIAN LIGENSA,<br />

STELLVERTRETENDER VORSITZENDER<br />

BUNDESVERBAND PROSTATAKREBS SELBSTHILFE<br />

25


FITNESS TROTZ FATIGUE - BEWEGUNG UND SPORT<br />

BEI TUMORBEDIGTEM MÜDIGKEITSSYNDROM<br />

Neuer Ratgeber der Deutschen Fatigue Gesellschaft<br />

Da über das Fatigue-Syndrom und<br />

seine Ursachen noch wenig bekannt<br />

ist, gibt es bislang auch nur<br />

wenig gesicherte und erfolgversprechende<br />

Therapien. Belegt ist<br />

hingegen in zahlreichen Studien,<br />

dass Bewegung und Sport helfen,<br />

chronische Müdigkeitszustände zu<br />

verbessern. Sportwissenschaftler<br />

der Freien Universität Berlin etwa<br />

haben Krebspatienten während<br />

der Behandlung ein Fahrradergometer<br />

ans Bett gestellt und sie<br />

regelmäßig – je nach individueller<br />

Leistungsfähigkeit – trainieren lassen.<br />

Verblüffend: Die Patienten hatten<br />

weniger Schmerzen, waren<br />

weniger erschöpft, hatten bessere<br />

Blutwerte, benötigten weniger be-<br />

LANGFRISTIGE LINDERUNG BEI<br />

KNOCHENSCHMERZEN<br />

Red. (gk): Wenn Krebspatienten zu Schmerzpatienten<br />

werden, sind dafür häufig Tochtergeschwülste des<br />

eigentlichen Tumors im Knochengerüst verantwortlich.<br />

Wie genau die Schmerzen entstehen, ist noch nicht eindeutig<br />

geklärt. Sicher spielen mehrere Faktoren eine<br />

Rolle, z. B. mechanische und chemische Einflüsse, wenn<br />

die Krebsgeschwulst in den Knochen hineinwächst, Freisetzung<br />

von Schmerzstoffen, direkte Nervenreizungen<br />

durch den Tumor oder Stoffwechselveränderungen im<br />

Tumorgewebe.<br />

Viele Patienten erhalten gegen diesen durch den Tumor<br />

verursachten Knochenschmerz stark wirksame Medi-<br />

26<br />

kamente (z.B. Opiate), die häufig mit zahlreichen<br />

Nebenwirkungen einhergehen. Als wirksame und sehr<br />

gut verträgliche alternative Behandlungsmöglichkeit ist<br />

seit <strong>Jahre</strong>n auch die sogenannte Radionuklidtherapie in<br />

Deutschland eingeführt und bewährt.<br />

Wie funktioniert die<br />

Radionuklidtherapie?<br />

gleitende Medikamente und konnten<br />

schneller das Krankenhaus verlassen.<br />

Die Deutsche Fatigue Gesellschaft<br />

hat jetzt einen Ratgeber<br />

im DIN-A-5-Format herausgegeben,<br />

der zahlreiche Tipps und<br />

Informationen rund um das Thema<br />

„Bewegung und Sport bei tumorbedingtem<br />

Müdigkeitssyndrom“ gibt.<br />

Die Broschüre enthält zahlreiche<br />

Schaubilder mit gymnastischen<br />

Übungen, ein Trainingstagebuch<br />

sowie ausführliche Anleitungen zu<br />

Nordic Walking und Entspannungsverfahren.<br />

Sie können sie<br />

kostenfrei bei der Deutschen<br />

Fatigue Gesellschaft beziehen<br />

(Tel.: 0221 – 93 115 96 oder Fax:<br />

0221– 93 115 97).<br />

In vielen Tochtergeschwülsten im Skelett ist die Stoffwechselaktivität<br />

(der Stoffumsatz) gegenüber dem<br />

umliegenden gesunden Knochengewebe stark erhöht.


Dies macht man sich bei der Radionuklidtherapie zunutze,<br />

bei der Substanzen zum Einsatz kommen, die sich<br />

um so stärker im Knochengewebe anreichern, je höher<br />

die Stoffwechselaktivität ist. Man kann so die Wirkstoffe<br />

gezielt an die Krebszellen heranbringen - sogar an<br />

Tochtergeschwülste, die bisher noch nicht diagnostiziert<br />

werden konnten.<br />

Bei den Radionukliden (zum Beispiel Samarium-153-<br />

Lexidronam) handelt es sich überwiegend um sogenannte<br />

Beta-Strahler. Die Strahlung hat im Körpergewebe<br />

nur eine Reichweite von wenigen Millimetern.<br />

Hat sich der „Strahler" an das betroffene Knochengewebe<br />

angelagert, wirkt er nur im Bereich der Krebszellen,<br />

während das umliegende, gesunde Gewebe weitestgehend<br />

geschont wird.<br />

Reichert sich nun ein Radionuklid in einer Tochtergeschwulst<br />

im Knochen an, so kommt es durch die Bestrahlung<br />

des Tumors bei etwa 80 Prozent der Patienten<br />

zu einer deutlichen Verringerung der Schmerzen in den<br />

betroffenen Gebieten. Üblicherweise können dann die<br />

Schmerzmedikamente in einer geringeren Dosis eingenommen<br />

oder sogar vorübergehend ganz abgesetzt<br />

werden. Eine Heilung von der Krebserkrankung ist allerdings<br />

nicht zu erwarten.<br />

Was sollte vor der Behandlung<br />

geschehen?<br />

Vor der Behandlung sollte eine sogenannte Skelettszintigraphie<br />

– eine Untersuchung des Knochengerüstes<br />

zum Nachweis von Metastasen – durchgeführt werden.<br />

Da die Radionuklidtherapie nicht bei allen Krebsformen<br />

wirksam ist, wird mit dieser Untersuchung sichergestellt,<br />

dass die befallenen Knochen die Wirksubstanz auch<br />

wirklich anreichern. Gut abgeklärt werden müssen vor<br />

der Behandlung auch größere Tochtergeschwülste im<br />

Bereich der Wirbelsäule. Im ungünstigsten Fall kann die<br />

Therapie eine sogenannte Rückenmarkkompression verstärken,<br />

bei der wichtige Nerven in Mitleidenschaft<br />

gezogen werden können.<br />

Zusätzlich wird der behandelnde Arzt ein Blutbild erstellen,<br />

um sicherzugehen, dass ausreichend weiße<br />

Blutkörperchen und -plättchen vorhanden sind. Wurde<br />

bei Patienten zuvor eine Chemotherapie oder eine<br />

Strahlentherapie durchgeführt, so muss sich das Blutbild<br />

<strong>Prostatakrebs</strong>-Patient mit Befall des Skeletts.<br />

Nach der Injektion wird im Skelettszintigramm<br />

deutlich sichtbar, dass sich das Radionuklid<br />

an das betroffene Gewebe angelagert hat.<br />

wieder normalisiert haben, bevor die Radionuklidtherapie<br />

durchgeführt werden kann (nach etwa acht<br />

Wochen).<br />

Die Nierenfunktion des zu behandelnden Patienten sollte<br />

ausreichend gut sein; auch sollte er keine Probleme<br />

beim Wasserlassen haben. Dies ist wichtig, da nicht<br />

angelagerte Radio-nuklidreste innerhalb weniger Stunden<br />

mit dem Harn ausgeschieden werden. Schwangere<br />

und stillende Frauen dürfen nicht behandelt werden.<br />

Wie läuft die Behandlung ab?<br />

Der Ablauf der Radionuklidtherapie ist denkbar unkompliziert:<br />

Der Wirkstoff wird über die Armvene in den<br />

Blutkreislauf gespritzt. Ein hoher Prozentsatz lagert sich an<br />

den Tochtergeschwülsten an, der Rest wird über die<br />

Nieren ausgeschieden. Um diesen Ausscheidungsprozess<br />

zu unterstützen, sollten die Patienten vor und nach<br />

der Injektion viel Flüssigkeit trinken und anschließend so<br />

27


oft wie möglich auf die Toilette gehen, damit das nicht<br />

angelagerte Radionuklid möglichst schnell wieder ausgeschieden<br />

wird.<br />

Außerdem sollte in den ersten zwei bis drei Tagen nach<br />

der Radionuklidinjektion der enge Körperkontakt mit<br />

Schwangeren und Kleinkindern vermieden werden.<br />

Wie wirkt die Radionuklidtherapie? Die Wirkung der<br />

Radionuklidtherapie setzt normalerweise drei bis sieben<br />

Tage nach der Injektion ein. Es ist daher sehr wichtig,<br />

dass anfänglich die bis dahin übliche (Schmerz-)<br />

Medikation aufrechterhalten wird. In wenigen Fällen<br />

kann es bis etwa drei Tage nach der Injektion sogar zu<br />

einer kurzfristigen Verstärkung der Schmerzen kommen,<br />

bevor dann bei bis zu 80 Prozent der behandelten Patienten<br />

die Schmerzlinderung eintritt. Erst dann sollte in<br />

enger Absprache mit dem behandelnden Arzt die<br />

Einnahme der Schmerzmittel verringert werden. Die<br />

Wirkungsdauer der Radionuklidtherapie beträgt bis zu<br />

vier Monate, in Einzelfällen auch länger.<br />

Auflösung des Rätsels von Seite 18:<br />

28<br />

Welche Nebenwirkungen<br />

können auftreten?<br />

Die Radionuklidtherapie führt zu einer vorübergehenden<br />

Veränderung des Blutbildes: Weiße Blutkörperchen und<br />

Blutplättchen verringern sich. Spätestens nach acht<br />

Wochen ist jedoch normalerweise der Ausgangswert<br />

wieder erreicht. Aus diesem Grunde soll das Blutbild<br />

nach der Therapie acht Wochen lang kontrolliert werden.<br />

War das Blutbild vor der Behandlung normal, sind<br />

ernste Komplikationen nicht zu erwarten. Das Knochenmark,<br />

dass die Blutzellen bildet, erholt sich schnell.<br />

Darüber hinaus ist die Radionuklidtherapie sehr gut verträglich<br />

und kann problemlos mehrfach wiederholt werden,<br />

sobald sich das Blutbild jeweils wieder normalisiert<br />

hat.<br />

Weitere Informationen erfragen Sie bitte bei Ihrem<br />

behandelnden Arzt.<br />

Tel. 06221 - 42 2000<br />

Mo-Fr 12-16 Uhr<br />

Informationsdienst<br />

Krebsschmerz<br />

➾ Kompetente und bedarfsorientierte Informationen für Patienten und Angehörige<br />

➾ Vermittlung wohnortnaher Adressen von Einrichtungen, die auf die Behandlung<br />

von Krebsschmerzpatienten spezialisiert sind<br />

➾ Kostenloses Informationsmaterial<br />

Sie können die „Patienteninformation – Dokumentation –<br />

Symptome, Diagnostik und Behandlung von Knochenmetastasen“<br />

mit beiliegender Bestellkarte bei der Geschäftsstelle anfordern.<br />

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Der Fisch gehört dem Deutschen!


ZUM UROLOGEN ODER ZUM ONKOLOGEN?<br />

Welchem Arzt vertraue ich mich an,<br />

wenn mein Krebs refraktär wird?<br />

von Gerd Unterstenhöfer<br />

Im Juli diesen <strong>Jahre</strong>s konnte ich<br />

mein 10-jähriges <strong>Prostatakrebs</strong>jubiläum<br />

feiern (vor zehn<br />

<strong>Jahre</strong>n war mein Ausgangs-<br />

PSA-Wert 82; mein Krebs hatte<br />

die Kapsel bereits verlassen<br />

und war so tief in die Blase eingedrungen,<br />

dass nicht nur die<br />

Prostata sondern auch ein<br />

Drittel der Blase entfernt werden<br />

mussten; Schnittränder waren positiv; mein Krebs besaß<br />

den höchstmöglichen Malignitätsgrad G III b und die<br />

Gleasonsumme wäre 10 gewesen, wenn man sie<br />

damals schon festgestellt hätte.)<br />

Mit der intermittierenden Hormonblockade und mehreren<br />

auf meine Psyche gerichteten Aktivitäten konnte ich<br />

meinen Krebs acht <strong>Jahre</strong> lang kontrollieren, aber dann<br />

fing der PSA-Wert unter der Hormonblockade an, nachhaltig<br />

zu steigen. Als er bei 77 war, konnte ich mich der<br />

Einsicht nicht mehr entziehen, dass mein Krebs refraktär<br />

war, und ich wechselte vom Urologen zum Onkologen.<br />

– Der Grund für diesen Wechsel war folgende Überlegung:<br />

Das Fachgebiet des Urologen ist der Urogenitaltrakt,<br />

und da mein Krebs spätestens jetzt systemisch<br />

war, hatte er das genannte Fachgebiet verlassen. Von<br />

den Onkologen/Hämatologen wusste ich, dass sie in<br />

aller Regel Internisten sind, also sehr viel vom gesamten<br />

Körper, sämtlichen Organen, vom Blut und von Wechselwirkungen<br />

verstehen und darüber hinaus eine mehrjährige<br />

Fachausbildung in Spezialkliniken für Onkologie/Hämatologie<br />

erhalten.<br />

Unter der Therapie meiner Onkologin hat sich mein PSA-<br />

Wert seit einem halben Jahr auf einem Plateau von etwa<br />

13 ng/ml stabilisiert, und bildgebende Verfahren bestätigen,<br />

dass meine osteoblastischen Metastasen nicht nur<br />

– wie seit <strong>Jahre</strong>n – inaktiv sind, sondern sogar eine leichte<br />

Tendenz zur Rückbildung zeigen. Ich halte meine Ent-<br />

scheidung, den Arzt zu wechseln, also für uneingeschränkt<br />

richtig.<br />

Nun habe ich seit fast zwei <strong>Jahre</strong>n die Aufgabe übernommen,<br />

eine der ältesten und größten <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen<br />

für <strong>Prostatakrebs</strong>kranke zu leiten (SHG <strong>Prostatakrebs</strong><br />

Uwe Peters, Rhein-Main). Und in unserer SHG hören<br />

wir Äußerungen von Urologen, die mich nachdenklich<br />

machen. Im Originalton heißt es dann auf die entsprechende<br />

Frage etwa: „Aber selbstverständlich kann der<br />

Urologe auch Chemotherapie machen. – Meine Herren,<br />

Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, was ein<br />

Urologe alles lernt und kann.“ Oder, wie uns neulich ein<br />

Professor Dr. med., Chefarzt der Urologie ..., der eine<br />

hervorragende Öffentlichkeitsarbeit betreibt, belehrte:<br />

„Ja, was soll denn ein Onkologe können, was der<br />

Urologe nicht ebenfalls kann?“<br />

Als Betroffener stelle ich mir daher die Frage: „Gibt es<br />

objektive Daten und Kriterien, die für die Entscheidung<br />

hilfreich sind, ob wir mit unserem refraktären <strong>Prostatakrebs</strong><br />

weiter beim Urologen bleiben oder uns besser<br />

einem kompetenten Onkologen anvertrauen?“<br />

Zur richtigen Antwort auf diese Frage besinne ich mich<br />

auf meine eigene Berufserfahrung. Ich war ein Experte<br />

der Lerntechnologie und habe im Auftrag großer Industrieunternehmen<br />

und öffentlicher Auftraggeber unter<br />

anderem vorhandene Ausbildungssysteme evaluiert. –<br />

Es liegt also nahe, die Ausbildungsgänge samt ihren<br />

Zugangsvoraussetzungen und die Abschlüsse der infragestehenden<br />

Ärztegruppen in allen notwendigen Einzelheiten<br />

zu untersuchen, damit sie für uns <strong>Prostatakrebs</strong>kranke<br />

miteinander vergleichbar werden und jeder von<br />

uns eine klare Entscheidungsgrundlage bekommt, welchem<br />

Arzt er sich im Fall der Fälle anvertraut.<br />

Zuerst habe ich mich deshalb mit der Aus- und Weiterbildung<br />

der Onkologen vertraut gemacht. Ich bitte den<br />

Leser um Nachsicht, wenn ich ihm aus Gründen der<br />

29


Schwerpunkt Hämatologie<br />

und Internistische Onkologie<br />

Korrektheit einige Wortungetüme zumute: Im offiziellen<br />

Sprachgebrauch sind es Ärzte für Innere Medizin, die von<br />

der zuständigen Landesärztekammer „die Anerkennung<br />

zum Führen der Teilgebietsbezeichnung im Schwerpunkt<br />

„Hämatologie und Internistische Onkologie““ erhalten<br />

haben. Die dazu notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten<br />

erwirbt der zukünftige Onkologe an einer „Weiterbildungsstätte<br />

gem. § 8 Abs.1“, die unter der Leitung<br />

eines Universitätsprofessors steht, der im oben genannten<br />

Fachbereich die „volle Aus- und Weiterbildungsberechtigung“<br />

der Landesärztekammer besitzt.<br />

Zu deutsch: Der Arzt, der in der Regel bereits Internist ist,<br />

lernt und arbeitet hauptberuflich zwei <strong>Jahre</strong> an einer<br />

30<br />

Inhalt und Ziel der Weiterbildung:<br />

Vermittlung, Erwerb und Nachweis besonderer Kenntnisse<br />

und Erfahrungen in der Physiologie und Pathophysiologie<br />

der Blutbildung, des Blutabbaus, der Blutgerinnung und der<br />

Fibrinolyse, der Ätiologie, Pathogenese, Symptomatologie,<br />

Diagnostik und Therapie der primären und sekundären<br />

Erkrankungen des Blutes, der blutbildenden Organe, des<br />

lymphatischen Systems und der malignen Tumoren, humoraler<br />

und zellulärer Immundefekte sowie der hämorrhagischen<br />

Diathesen und Hyperkoagulopathien.<br />

Hierzu gehören im Schwerpunkt Hämatologie und<br />

Internistische Onkologie:<br />

Besondere Kenntnisse und Erfahrungen in<br />

•Prophylaxe, Ätiologie, Pathogenese, Pathophysiologie,<br />

Symptomatologie, Diagnostik und Differentialdiagnostik<br />

sowie Stadieneinteilungen der Erkrankungen des Blutes,<br />

der blutbildenden Organe und des lymphatischen<br />

Systems einschließlich maligner Systemerkrankungen,<br />

humoraler und zellulärer Immundefekte sowie hämorrhagischer<br />

Diathesen und Hyperkoagulopathien sowie der<br />

systemischen chemotherapeutischen Behandlung der<br />

Methodik und Durchführung der speziellen Laboruntersuchungen<br />

sowie der Bewertung der Befunde<br />

• der Durchführung von Punktionen und Biopsien<br />

• der Beurteilung der Blutungs- und Thromboemboliegefährdung<br />

bei Patienten mit Erkrankungen des Schwerpunktes<br />

sowie die Festlegung der klinischen Stadien bei<br />

hämatologischen Systemerkrankungen und Tumorerkrankungen<br />

einschließlich deren Prophylaxe und Therapie<br />

• Indikationsstellung, Durchführung und Beurteilung hämostaseologischer<br />

Untersuchungen<br />

• sonographischen Untersuchungen des Schwerpunktes<br />

• der Beurteilung schwerpunktspezifischer radiologischer<br />

und nuklearmedizinischer Untersuchungen<br />

• der Therapie und Rehabilitation der zum Schwerpunkt<br />

gehörenden Gesundheitsstörungen einschließlich der<br />

theoretischen Grundlagen und der praktischen Anwendung<br />

der medikamentösen Therapie und ihrer Nebenwirkungen<br />

sowie der Indikationsstellung zu weiterführenden<br />

Behandlungen<br />

• den theoretischen Grundlagen und der praktischen<br />

Anwendung der zytostatischen Therapie bei Tumorerkrankungen<br />

einschließlich der supportiven Therapie und<br />

der Intensivbehandlung akut lebensbedrohlicher Störungen<br />

• interdisziplinärer Indikationsstellung und prognostischer<br />

Beurteilung chirurgischer, strahlentherapeutischer und<br />

nuklearmedizinischer Behandlungsverfahren des Schwerpunktes<br />

• Behandlung und Rehabilitation angeborener oder erworbener<br />

hämorrhagischer Diathesen<br />

• Nachsorge, psychosozialer Behandlung und Rehabilitation<br />

von Patienten mit Tumorerkrankungen<br />

• Diagnostik des Ernährungsverhaltens und des Ernährungszustandes,<br />

Grundlagen der Ernährungsberatung und<br />

Ernährungstherapie, insbesondere enterale und parenterale<br />

Ernährung<br />

• den Zusammenhangsfragen zwischen Erkrankungen des<br />

Schwerpunktes und externen Schädigungsfaktoren.<br />

Fachklinik für Onkologie und erwirbt dabei die seinem<br />

Berufsbild entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten.<br />

Die Ausbildung erfolgt an Zentren, an denen verschiedene<br />

Tumoren therapiert werden. Das gibt dem Auszubildenden<br />

die Chance, eine breite Zahl verschiedener<br />

Chemotherapeutika kennenzulernen, so dass er genügend<br />

Erfahrungen mit Chemotherapeutika sammelt,<br />

die er dann auch beim <strong>Prostatakrebs</strong>patienten anwendet.<br />

– Wir können uns diesen Lern- und Arbeitsprozess<br />

veranschaulichen, wenn wir ihn bezüglich seiner Didaktik<br />

mit der Handwerkslehre vergleichen; denn auch dort<br />

lernt der Lehrling in Theorie und Praxis von seinem Lehrmeister<br />

und er besucht parallel dazu die Berufsschule.


Der interessierte Leser findet im Kasten auf dieser Seite<br />

Auszüge aus dem Lernzielkatalog für die Onkologenausbildung,<br />

die fachlich offensichtlich sehr breit und tief<br />

ist. Der Auszubildende wird während des Lernprozesses<br />

mit einer wachsenden Anzahl von Krankheitsbildern konfrontiert<br />

– es gibt heute mehr als 130 verschiedene<br />

Krebsarten. – Leider kam es schon vor, dass einzelne<br />

Absolventen keine ausreichenden Kenntnisse der all diesen<br />

zugrunde liegenden Grunderkrankungen mehr<br />

erwarben und dieser Mangel in der an sich strengen<br />

Abschlussprüfung nicht festgestellt wurde. – Nur so wird<br />

es verständlich, dass kürzlich ein Onkologe einem <strong>Prostatakrebs</strong>kranken,<br />

der mit seinem erhöhten PSA-Wert<br />

direkt vom Hausarzt kam, prompt eine Chemotherapie<br />

verordnete, ohne zu merken, dass der Patient noch<br />

keine Hormontherapie erhalten hatte (das geschah übrigens<br />

nicht im Rhein-Main-Gebiet.)<br />

Dass diese Zusammenhänge aber sehr wohl Ausbildungsgegenstand<br />

sind, zeigt das Schaubild „Stadiengerechte<br />

Behandlung des Prostatakarzinoms“, das dem<br />

Lehrbuch „Hämatologie und internistische Onkologie“<br />

von D. P. Berger et al. entnommen ist.<br />

Anschließend habe ich die onkologische Aus- und Fortbildung<br />

des Urologen untersucht und zwar mit folgendem<br />

Ergebnis:<br />

Während beim Onkologen der zweijährige Ausbildungsprozess<br />

auf einer Facharztbildung aufbaut, ist die onkologische<br />

Ausbildung des Urologen lediglich Teil seiner<br />

Ausbildung zum Facharzt für Urologie. Der Hauptausbildungsgegenstand<br />

ist die urologische Chirurgie.<br />

Neben diesem Fach gibt es Nebenfächer, zu denen<br />

auch die Onkologie zählt. Einen Lernzielkatalog im Fach<br />

Onkologie gibt es bei der Aus- und Fortbildung der<br />

Urologen nicht und kann deshalb auch nicht in einem<br />

Kasten zum Vergleich mit den Onkologen wiedergegeben<br />

werden.<br />

Es hängt nun in hohem Maße von der Klinik und ihrem<br />

sog. Patientengut ab, in der der zukünftige Urologe seine<br />

Facharztausbildung absolviert, in welchem Maße und in<br />

welcher Qualität er Teile des Fachs Onkologie lernt.<br />

„Gemacht wird das, was reinkommt“, war der diesbezügliche<br />

Kommentar eines niedergelassenen Urologen.<br />

Damit wollte er ausdrücken, dass die onkologische<br />

Ausbildung unter anderem davon abhängt, welche<br />

Stadiengerechte Behandlung des Prostatakarzinoms<br />

Stadium 0<br />

inzidenteller<br />

Tumor<br />

pT1a pN0 M0,<br />

G1<br />

OP TUR +<br />

ggf.<br />

Nachresektion<br />

Beobachtung,<br />

Metastasenausschluss<br />

Stadium I - III<br />

lokal fortgeschrittener Tumor<br />

Patient operabel,<br />

70<strong>Jahre</strong>,<br />

AZ reduziert<br />

Radiotherapie<br />

Hormontherapie,<br />

gegebenfalls zusätzlich Chemotherapie<br />

TUR transurethrale Resektion, PLA pelvine Lymphadenektomie<br />

Stadium IV<br />

metastasierter<br />

Tumor<br />

T4 oder N2-3<br />

oder M1<br />

onkologischen Krankheitsbilder mit welcher Häufigkeit in<br />

seiner Ausbildungsklinik tatsächlich behandelt werden<br />

und damit Lerngegenstand werden können.<br />

Sowohl während der urologischen Facharztausbildung<br />

als auch nach deren Abschluss kann der Urologe auf<br />

freiwilliger Basis dem örtlichen AOU, dem „Arbeitskreis<br />

Onkologische Urologie“ beitreten. In diesem interdisziplinären<br />

Arbeitskreis trifft man sich zumeist einmal monatlich<br />

für etwa zwei Stunden, um Fachvorträge wie beispielsweise<br />

„Aktuelle Chemotherapiekonzepte beim hormonrefraktären<br />

Prostata-Carcinom – Grenzen und<br />

Möglichkeiten der ambulanten Therapie“ oder „Neue<br />

Ansätze in der Vakzinationstherapie beim PCA“ zu hören.<br />

Es finden weder praktische Übungen noch eine<br />

Lernkontrolle statt, wohl aber ein „urologisches<br />

Abendessen“ – was immer das sein mag – „im<br />

Restaurant des Hotels ... Plaza“, ... „ Weiter heißt es dann<br />

in der entsprechenden Einladung: „Die Veranstaltung<br />

wird freundlicherweise unterstützt von den Firmen....“.<br />

Genannt werden Pharmafirmen, die sich offensichtlich<br />

nicht nur durch ihre Pharmareferenten und Beipackzettel<br />

um die fachliche Qualifikation der „Uro-Onkologen“<br />

bemühen, sondern auch um deren leibliches Wohl. –<br />

Schließlich trägt die Einladung zur Sitzung noch den<br />

Hinweis: „Anerkannte Veranstaltung als Fortbildungsseminar<br />

der Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung im<br />

Bereich der LÄK Hessen und als AIP-Fortbildungsseminar<br />

gem. § 34c ÄappO. (CME)“.<br />

31


Trotzdem gibt es sie, die Urologen, die zumindest, was<br />

das Prostatakarzinom angeht, auch professionelle<br />

Onkologen sind (in unserem Forum gibt es gleich zwei<br />

mit einer solchen Qualifikation.) Sie sind jedoch mehr die<br />

Ausnahme als die Regel, und ihre Professionalität ist<br />

nicht das Ergebnis geplanter systematischer und zeitlich<br />

aufwendiger Ausbildung durch Kliniken und Ärztekammern,<br />

sondern die Folge hoher Eigeninitiative und<br />

Lernmotivation sowie ausgeprägter autodidaktischer<br />

Fähigkeiten, die ihnen geholfen haben, sich fundierte<br />

Kenntnisse und Fertigkeiten in diesem Teilgebiet der<br />

Onkologie anzueignen.<br />

Nachdem uns, den vom <strong>Prostatakrebs</strong> Betroffenen, nun<br />

ausreichend klar ist, wo, was und wie Onkologen und<br />

Urologen das onkologische Fach lernen, bleibt uns noch<br />

die Frage: „Wie finde ich denn den onkologisch hoch<br />

qualifizierten Arzt, dem ich mich anvertrauen kann,<br />

nachdem mein Krebs refraktär geworden ist?“<br />

NACHSORGE<br />

Ziel der Nachsorge beim kurativ therapierten Patienten<br />

ist die frühzeitige Erkennung von Rezidiven oder<br />

Metastasen. Beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom<br />

steht die Kontrolle und gegebenenfalls eine Umstellung<br />

der Therapie im Vordergrund.<br />

1. Nachsorgeuntersuchungen<br />

Zu der Nachsorgeuntersuchung gehören:<br />

• Anamnese und körperliche Untersuchung<br />

•Labor: Blutbild, Serumprofil<br />

• PSA: Nach radikaler Prostatektomie ist der PSA-Anstieg<br />

ein absolut zuverlässiger Hinweis auf ein Rezidiv oder<br />

eine Metastasierung. Auch der Erfolg der Radio-<br />

32<br />

Diese Frage ist relativ leicht zu beantworten: „Wenden Sie<br />

sich mit dieser Fragestellung an den Leiter der örtlichen<br />

SHG. Er weiß aus eigener Erfahrung und den Erfahrungen<br />

seiner Mitglieder, welchen Arzt er ihnen empfehlen<br />

kann, weil sich dessen Können in der Therapie<br />

anderer Betroffener überzeugend bewährt hat.“<br />

GERD UNTERSTENHÖFER<br />

SHG <strong>Prostatakrebs</strong> Uwe Peters, Rhein-Main<br />

therapie wird anhand des PSA-Wertes abgeschätzt.<br />

Da die PSA-Expression durch Androgene direkt stimuliert<br />

wird, ist PSA unter antiandrogener Therapie als<br />

Marker nicht so zuverlässig. Es ist davon auszugehen,<br />

dass ca. 20% von ausgedehnt metastasierten<br />

Tumoren nur geringe PSA-Serumkonzentrationen aufweisen.<br />

Trotzdem sollte das PSA zur Verlaufskontrolle<br />

unter antiandrogener Therapie eingesetzt werden, da<br />

kein anderer Marker von entsprechender Sensitivität<br />

vorhanden ist.<br />

• Sonographie<br />

•Fakultativ (bei PSA-Erhöhung oder Symptomen):<br />

Skelettszintigraphie, CT oder Röntgen Thorax.


PROSTATAKREBS UND INKONTINENZ<br />

Wege aus der Isolation – Aufklärung und <strong>Selbsthilfe</strong><br />

von Friedhelm Klingen<br />

Aufgrund meiner Vorerkrankung<br />

und der damit verbundenen<br />

Asthmaanfälle verbrachte ich<br />

nach meiner Prostatektomie<br />

fast vier Wochen mit einem<br />

Harnröhrenkatheder im Krankenhaus.<br />

Dieses hatte zur<br />

Folge, dass der Schließmuskel<br />

derart geschädigt wurde, dass<br />

eine dauernde Inkontinenz<br />

blieb. Mit Depressionen, Impotenz und Inkontinenz<br />

wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen.<br />

Die nun folgenden Wochen und Monate waren für mich<br />

das Schlimmste, was man sich vorstellen konnte. Ständig<br />

nässte ich mich ein, die mir verordneten Vorlagen waren<br />

nach wenigen Minuten durchnässt und mussten dann<br />

immer wieder gewechselt werden. Ständige Angst und<br />

Scham ließen mich in immer stärkere Depressionen verfallen.<br />

Unsere Freunde und Bekannten entfernten sich<br />

zunehmend. Ich kündigte die Mitgliedschaft in allen<br />

Vereinen und zog mich ganz in unsere vier Wände<br />

zurück. Die einzige, die zu mir hielt, mich immer wieder<br />

aufbaute und mir Trost spendete, war meine Familie. Die<br />

depressiven Phasen stellten sich immer häufiger und<br />

stärker ein. Mein Lebensmut war auf einen absoluten<br />

Nullpunkt gesunken.<br />

Auf ärztlichen Rat konsultierte ich wegen der<br />

Depressionen einen Psychologen. Neben dem täglichen<br />

Gang zu meinem Urologen wegen Beckenbodentrainings,<br />

begab ich mich auch noch zwei Mal<br />

pro Woche ins ca. 30 Km entfernte Krefeld zum<br />

Psychologen. Ohne die Hilfe meiner Frau wäre dieses<br />

alles unmöglich gewesen.<br />

Langsam gelang es meiner Familie und den wenigen<br />

noch verbliebenen Freunden mich wieder aufzubauen.<br />

Nach Monaten der Trübseligkeit und von Depressionen<br />

überredeten mich meine Frau und die noch verbliebenen<br />

Freunde, an einer mehrtägigen Reise an die deut-<br />

sche Nordsee teilzunehmen. Dem stimmte ich zu, in der<br />

Hoffnung, wieder am öffentlichen Leben teilhaben zu<br />

können. Aber es kam anders! Nach einer kurzen Radtour<br />

vom Anleger der Fähre bis in den Ortskern von<br />

Norderney kehrten wir zum Mittagessen in einem<br />

Speiselokal ein. Es war strahlend blauer Himmel, und die<br />

Temperaturen waren angenehm. Alle waren bester<br />

Laune. Da passierte das Missgeschick. Mein Urinalkondom<br />

versagte seinen Dienst, und ich saß mitten im<br />

Lokal mit nasser Hose. Die gepolsterte Sitzgelegenheit<br />

war mit Urin durchtränkt. Dass mir diese Angelegenheit<br />

äußerst peinlich war, ist verständlich. Die Urlaubslaune<br />

war dahin. Zudem musste ich noch mit nasser Hose per<br />

Rad bis zum Fähranleger und von dort mit der Fähre<br />

zum Festland. Meine ganze Hoffnung auf eine weitere<br />

Teilnahme an solchen Unternehmungen war restlos vorbei.<br />

Wir brachen unseren Urlaub ab und fuhren nach<br />

Hause.<br />

Hier verschanzte ich<br />

mich wieder in meinen<br />

vier Wänden.<br />

Die Depressionen<br />

wurden schlimmer,<br />

und ich wollte unter<br />

diesen Umständen<br />

nicht mehr weiter<br />

leben. Mit vielen<br />

Überredungskünsten von Seiten meiner Familie und des<br />

Psychologen gelang es schließlich nach mehreren<br />

Monaten, meine frühere Kämpfernatur wieder zu erwekken.<br />

Durch die andauernde Erinnerung an meine frühere<br />

Tätigkeiten, bei denen doch so manche schwierige<br />

Situation gemeistert werden musste, hatte man mich an<br />

einem Punkt erwischt, wo es plötzlich klick machte und<br />

meinen Lebensmut wider aufflammen ließ. Von nun an<br />

ging’s bergauf. Fortan telefonierte ich mit<br />

Pharmaunternehmen, Ärzten, Therapeuten und schloss<br />

mich einer Psychosozialen Krebsnachsorge-<strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />

an.<br />

33


Allen erzählte ich von meiner Krankheit und von meinen<br />

Missgeschicken. Bis eines Tages ein Pharmaunternehmen<br />

mich zu einer Ausstellung in unserer Nähe einlud.<br />

Spezialisten für die Entwicklung von Inkontinenz-<br />

Artikeln nahmen sich meiner Sache an und klärten auf.<br />

Nun wurde festgestellt, dass ich die falsche Versorgung<br />

erfahren hatte und dass es vielfältige andere Möglichkeiten<br />

gab, von denen ich bisher nichts wusste.<br />

Mit Hilfe einer Stomatherapeutin wurde für mich in<br />

wochenlanger Arbeit die in Frage kommende Versorgung<br />

gefunden.<br />

Dies alles gab mir neuen Lebensmut, ich konnte wieder<br />

am öffentlichen Leben teilnehmen, Konzerte, Theater<br />

und Kino besuchen, durch unsere wunderschöne<br />

niederrheinische Landschaft radeln. Ich war einfach<br />

glücklich. Hierfür möchte ich mich nochmals bei allen,<br />

die mir in meiner großen Not geholfen haben, von<br />

Herzen bedanken. Ihnen allen ein herzliches vergelt’s<br />

Gott!<br />

Die <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />

Mir war nun soviel Gutes<br />

widerfahren. So kam mir in<br />

einem Gespräch mit meiner<br />

Stomatherapeutin der<br />

Gedanke, eine <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />

für Prostataerkrankte<br />

zu gründen. Not<br />

und Qualen, die ich durch<br />

meine Krankheit erfahren<br />

musste, sollten anderen<br />

Männern erspart bleiben.<br />

Und dazu konnte ich nach<br />

allen gemachten Erfahrungen<br />

und den Möglichkeiten einer <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe<br />

beitragen.<br />

Seit Sommer 2001 trafen wir, die Stomatherapeutin, ein<br />

Betroffener und ich uns regelmäßig einmal monatlich<br />

bei mir zu Hause und tauschten Gedanken und<br />

Erfahrungen aus. Doch die erhoffte Teilnahme weiterer<br />

Betroffener blieb zunächst aus. Überall, wo wir auch nur<br />

Betroffene zu mobilisieren suchten, erhielten wir die<br />

Antwort: „wir nicht“. Diese Haltung dauerte an, bis wir<br />

34<br />

erkennen mussten, dass das Thema „Prostataleiden“ bei<br />

uns hier auf dem flachen Land noch ein großes „Tabu“<br />

war und darüber nicht geredet wurde. Ich erkannte<br />

meine eigene frühere Haltung, meine depressive<br />

Zurückgezogenheit und Verschwiegenheit in der Haltung<br />

der Angesprochenen wieder. Also, habe ich mir zur<br />

Aufgabe gemacht, etwas zu tun, um dieses Tabu zu brechen.<br />

Die Presse wurde eingeschaltet. Nach einem Pressebericht<br />

in der lokalen Zeitung, der unter dem etwas<br />

ungewöhnlichen Titel „Beinbeutel und Co“, und mit<br />

einem deftigen Text erschien, bekamen wir, zwar immer<br />

noch etwas zögernd, doch ständig mehr Anfragen.<br />

Im Herbst 2001 trafen sich monatlich bereits 6 betroffene<br />

mutige Männer. Unser Wohnzimmer wurde nun zu<br />

klein, und so beschlossen wir, eine <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe zu<br />

gründen. Auf Anfrage bei unserer Pfarrgemeinde wegen<br />

geeigneter Räumlichkeiten wurde uns das hiesige<br />

Pfarrheim angeboten, dazu noch kostenlos. Hier etablierten<br />

wir uns und gründeten am 27. November 2001<br />

eine Prostata-<strong>Selbsthilfe</strong>-Gruppe nach dem Motto „Hilfe<br />

zur <strong>Selbsthilfe</strong>“.<br />

Nun war ich in meinem<br />

Element, ich war wieder zu<br />

etwas nütze, ich wusste,<br />

ich werde wieder gebraucht<br />

und mein Selbstwertgefühl<br />

baute sich von<br />

Tag zu Tag weiter auf.<br />

Meine Aktivitäten mehrten<br />

sich. Ich verhandelte mit<br />

Professoren, Ärzten, insbesondere<br />

mit Urologen, um<br />

Vorträge in dieser <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe.<br />

Bei der Pharmaindustrie<br />

bat ich um Unterrichtung über neueste<br />

Erkenntnisse zu Hilfsmitteln. Dann endlich erfuhr ich, dass<br />

es einen <strong>Bundesverband</strong> für Prostataerkrankte gibt, dem<br />

wir natürlich sofort beitraten. Vom <strong>Bundesverband</strong> erhielten<br />

wir die nötige Unterstützung, von der Deutschen<br />

Krebshilfe die nötigen Broschüren. Mit all unserem<br />

Informationsmaterial, insbesondere mit den monatlichen<br />

Vorträgen gingen wir wieder an die Presse.<br />

Hiernach löste sich das Tabu etwas, und immer mehr<br />

Männer trauten sich bei uns mitzumachen. Wir sprachen


auch die Ehefrauen an „Wollt ihr gesunde Männer“,<br />

dann kommt zu uns in die Gruppenstunde, die wir nun<br />

regelmäßig jeden 3. Mittwoch im Monat von 15.00 bis<br />

18.00 Uhr im Pfarrheim in Wankum abhielten. Wir richteten<br />

auch eine Internetseite ein. Von nun an kam immer<br />

mehr Zuspruch, auch dass Einzugsgebiet wurde immer<br />

größer. Bald hatte sich die Gruppe auf 25 Mitglieder vergrößert.<br />

Die erste gemeinsame Weihnachtsfeier im Dezember<br />

2002 wurde ein voller Erfolg. Hierbei erlebten wir praktisch,<br />

dass nicht nur die Gespräche und Informationen<br />

über die Erkrankung wichtig sind, sondern dass die persönlichen<br />

Kontakte mit Nichtbetroffenen und die<br />

Teilnahme am öffentlichen Leben genau so wertvoll<br />

sind. So berichteten Ehepaare, von denen der Ehemann<br />

bereits seit längerem von der Krankheit betroffen war,<br />

dass sie durch unsere Veranstaltung endlich wieder<br />

nach vielen <strong>Jahre</strong>n öffentliche Veranstaltungen zu besuchen<br />

den Mut gefunden hatten und endlich wieder einmal<br />

tanzen gingen.<br />

Im Mai 2003 veranstalteten wir den 1. Wankumer<br />

Männergesundheitstag, der uns einen großen Erfolg<br />

bescherte. Unser Einzugsgebiet breitete sich immer<br />

Deutsche Kontinenz Gesellschaft startet Hotline<br />

mehr aus. Dank unserer Homepage kamen nun vermehrt<br />

Anfragen aus ganz Deutschland und den benachbarten<br />

Niederlanden. Wegen der nun mehr anfallenden<br />

Arbeiten musste ein Büro eingerichtet werden.<br />

Mehrere ehrenamtliche Helfer stehen mir nun zur Seite.<br />

Ständig wächst die Zahl unserer Mitglieder.<br />

Nachdem wir das 48. Mitglied begrüßen durften,<br />

beschlossen wir, im August 2004, unsere Gruppe in<br />

einen eingetragenen gemeinnützigen Verein umzuwandeln.<br />

Nun war der Vollzeit-Job (allerdings selbstverständlich<br />

ehrenamtlich) perfekt. Im Juni 2005 konnten wir<br />

unseren 2. Wankumer-Männergesundheitstag wieder<br />

mit einem tollen Erfolg durchführen.<br />

Alles dies hat meine kühnsten Erwartungen übertroffen,<br />

ich habe eine neue Aufgabe gefunden und hoffe, noch<br />

vielen Betroffenen helfen zu können.<br />

FRIEDHELM KLINGEN<br />

Prostata-<strong>Selbsthilfe</strong>-Gruppe Wachtendonk-Wankum e.V.<br />

Interessierten und Betroffenen steht eine Hotline zum Thema Kontinenz zur Verfügung. Die Deutsche<br />

Kontinenz Gesellschaft e.V. klärt dort über Funktionsstörungen der Kontinenz bei Männern, Frauen und<br />

Kindern auf. Außerdem gibt sie Adressen von Beratungsstellen und Kontinenzzentren weiter.<br />

Die Hotline ist von montags bis freitags, jeweils 15 bis 20 Uhr, unter der Nummer 01805 233440<br />

(EUR 0,12 pro Minute) erreichbar.<br />

35


PROACT - BALLONSPHINKTER BEI<br />

MÄNNLICHER INKONTINENZ<br />

Red. (se): In Deutschland müssen sich jedes Jahr ca.<br />

25.000 Männer infolge eines Krebsleidens einer radikalen<br />

Prostata-Entfernung unterziehen. Verbesserte Operationstechniken<br />

haben zwar zu einem deutlichen Rückgang<br />

der Komplikationsraten geführt, dennoch sehen sich in 5<br />

bis 15% der Fälle die operierten Männer mit einer Belastungsinkontinenz<br />

konfrontiert. Das heißt beim Husten, Niesen,<br />

Treppensteigen oder beim Heben schwerer Gegenstände<br />

kommt es zu einem unwillkürlichen Harnverlust.<br />

Obwohl sich der künstliche Blasenschließmuskel (Scott-<br />

Sphinkter) als Standardtherapie für die männliche<br />

Inkontinenz bewährt hat, ist sein Einsatz durch folgende<br />

Faktoren limitiert: hohe Kosten, mechanischer Verschleiß;<br />

Druckschädigung der Harnröhre mit Einwanderung<br />

des Sphinkters in die Harnröhre und nachfolgende<br />

Infektion; keine Nachjustierung des Manschettendruckes<br />

möglich, Eignung nur für manuell geschickte<br />

Patienten sowie aufwändige Operation.<br />

Andere Verfahren, wie z.B. die Unterspritzung der Harnröhre,<br />

konnten sich nicht durchsetzen, weil in vielen<br />

Fällen nur eine kurzfristige Leidensverbesserung erzielt<br />

werden konnte und Wiederholungsinjektionen die Restfunktionalität<br />

von Harnröhre und Verschlussapparat der<br />

Blase gefährden.<br />

„Mit der nachjustierbaren ProACT-Therapie steht nunmehr<br />

eine minimal invasive Alternative zur Verfügung, welche<br />

die oben genannten Nachteile vermeidet und sich in<br />

der Mehrzahl der Fälle als Eingriff der ersten Wahl eignet“,<br />

erläutert Dr. Hampel von der Universitätsklinik Mainz,<br />

welche in Deutschland über die größte Erfahrung mit<br />

der ProACT-Implantation verfügt und als überregionales<br />

ProACT-Referenzzentrum der Deutschen Kontinenzgesellschaft<br />

gilt.<br />

Bei der ProACT-Therapie werden zwei mit Kontrastmittel<br />

gefüllte Ballons am Blasenausgang dauerhaft implantiert,<br />

um den Blasenausgang einzuengen und somit den<br />

unwillkürlichen Harnverlust zu verhindern (siehe Abb. 1).<br />

Völlig neu an diesem Behandlungskonzept ist, dass die<br />

Flüssigkeitsmenge und damit das Volumen der Ballons<br />

post-operativ jederzeit an die individuelle Situation des<br />

36<br />

Abb. 1: Funktionsweise von ProACT<br />

Patienten angepasst werden kann. Deshalb wird dieses<br />

Verfahren auch als nachjustierbare Kontinenztherapie<br />

(Englisch: ACT) bezeichnet. Die Kompression der Harnröhre<br />

durch die beiden Ballons wird derart eingestellt,<br />

dass sowohl ausreichende Kontinenz als auch restharnfreie<br />

Blasenentleerung wiederhergestellt werden. Wenn<br />

die Blase voll ist, kann die Blase im Idealfall vollständig<br />

entleert werden, da die Kontraktionskraft des Blasenmuskels<br />

während des Wasserlassens den Druck in der<br />

Blase über den konstanten Auslasswiderstand des<br />

ProACT-Implantates hebt. Manchmal kann oder muss<br />

der Patient auch durch zusätzliches Bauchpressen die<br />

Blasenentleerung erleichtern.<br />

Dieses viel versprechende Behandlungskonzept wird seit<br />

mehr als 4 <strong>Jahre</strong>n in der klinischen Praxis angewendet.<br />

Inzwischen wurden mehr als 2000 Patienten nach dieser<br />

Methode operiert. Die ProACT-Therapie eignet sich auch<br />

für schwere Inkontinenzgrade, die Behandlungserfolge<br />

werden in der wissenschaftlichen Literatur mit 74 bis 86%<br />

angegeben.<br />

Im Verlauf der Operation werden die beiden leeren<br />

Ballons über einen zwei Zentimeter langen Hautschnitt<br />

unterhalb des Hodensackes mit Hilfe eines Spezialbesteckes<br />

eingeführt und am Blasenhals positioniert. Diese<br />

Positionierung wird unter Röntgenkontrolle vorgenommen<br />

und mittels kontinuierlicher Harnröhren- und Blasenspiegelung<br />

kontrolliert. Die beiden Ballons werden an die<br />

Stelle der entfernten Prostata platziert, also links und


echts der Harnröhre unterhalb der Einmündung der<br />

Blase. Dann werden die Ballons mit etwa 1 bis 2 ml einer<br />

isotonischen Kontrastmittelmischung gefüllt, so dass die<br />

Lage der beiden Ballons jederzeit röntgenologisch kontrolliert<br />

werden kann.<br />

Schließlich wird die Schlauchverbindung des ProACT-<br />

Implantates (siehe Abb. 2) direkt unter die Haut des<br />

Hodensackes verlegt, so dass den Ballons mit Hilfe einer<br />

Spritze über den Zugangsport (Durchstichmembrane)<br />

durch die Haut jederzeit Flüssigkeit<br />

zugeführt oder entnommen<br />

werden kann. Die Ballonvolumina<br />

lassen sich in einem<br />

weiten Bereich (0-8ml) variieren,<br />

so dass diese Therapie für<br />

sehr unterschiedliche Patientenprofile<br />

geeignet ist.<br />

Typischerweise sind vier Nachjustierungen<br />

nötig, bis ein<br />

zufriedenstellender Behandlungserfolg<br />

erzielt wird.<br />

Abb. 2: ProACT Implantate<br />

Termine 2005<br />

Die ProACT-Therapie stößt auf große Akzeptanz bei den<br />

Patienten, weil dieses Verfahren für den Patienten wenig<br />

belastend und mit entsprechender Erfahrung problemlos<br />

durchzuführen ist. Mögliche Komplikationen sind gut<br />

beherrschbar und nur von vorübergehender Dauer. Die<br />

Operation dauert insgesamt nur ca. 15 bis 30 Minuten.<br />

Selbst wenn die Therapie ohne Erfolg bleiben sollte, können<br />

die beiden Silikonballons in einem kleinen Eingriff in<br />

Minutenschnelle wieder entfernt werden, ohne dass eine<br />

alternative Inkontinenzoperation<br />

dadurch beeinträchtigt<br />

oder unmöglich würde. So ist<br />

z.B. bei einem ProACT-Versagen<br />

die Ballonentfernung und<br />

der Einbau eines Scott-<br />

Sphinkters in gleicher Sitzung<br />

durchaus möglich.<br />

10. September Tag der <strong>Selbsthilfe</strong> Münster<br />

15. September Europäischer Tag der Prostata Berlin<br />

17. September Patiententag Rostock<br />

21. – 24. September 57. Kongress der Deutschen<br />

Gesellschaft für Urologie<br />

Düsseldorf<br />

24. – 25. September Onkologisches Forum Frankfurt<br />

01. Oktober DGHO-Patiententag Hannover<br />

08. Oktober Onkologisches Forum Leipzig<br />

21. Oktober Informationsveranstaltung Worms<br />

22. Oktober Patiententag Potsdam<br />

22. Oktober 1. Schleswig-Holsteinischer<br />

Krebsinformationstag Damp<br />

29. Oktober Krebsinformationstag Herne<br />

16. November Tag der <strong>Selbsthilfe</strong> Bonn<br />

02. Dezember Festakt zum fünfjährigen<br />

Bestehen des BPS Bad Wildungen<br />

03. Dezember Mitgliederversammlung des BPS Bad Wildungen<br />

Nähere Angaben entnehmen Sie bitte der örtlichen Presse!<br />

Die Kosten für die ProACT-Therapie<br />

werden i.A. im Rahmen<br />

einer stationären Versorgung<br />

übernommen.<br />

37


„INITIATIVE MÄNNERSACHE“<br />

In München startete<br />

die bundesweiteAufklärungsaktion<br />

zur<br />

Krebsfrüherkennung.<br />

Denn<br />

noch immer<br />

nehmen deutsche<br />

Männer eines viel zu leicht: Gesundheitsvorsorge.<br />

Nicht einmal jeder fünfte Mann im entsprechenden Alter<br />

nutzt das Krebsfrüherkennungsprogramm. Die Folgen<br />

dieser Vernachlässigung können fatal sein.<br />

Rund 12.000 Männer sterben jährlich in der Bundesrepublik<br />

an <strong>Prostatakrebs</strong>, obwohl bei einer Früherkennung<br />

die Heilungsrate bei über 80 Prozent liegt.<br />

"Männer, geht zur Früherkennungsuntersuchung", fordert<br />

deshalb der Berufsverband der Deutschen Urologen<br />

e. V. mit seiner "Initiative Männersache" auf, die wissen-<br />

38<br />

schaftlich durch die Deutsche Gesellschaft für Urologie<br />

e. V. (DGU) unterstützt wird.<br />

In München wurden 300.000 Aufklärungsbroschüren verschickt,<br />

die alle wichtigen Informationen rund um das<br />

Thema Prostataerkrankung, Testkarten sowie eine Liste<br />

von "Uropower"-Messstationen enthalten, die in gastronomischen<br />

Betrieben, in Vereinslokalen und öffentlichen<br />

Einrichtungen installiert werden. An diesen Stationen<br />

haben Männer die Möglichkeit, die Kraft ihres Harnstrahls<br />

mit sofortiger Auswertung zu testen. Der so genannte<br />

"Uroflow" kann in abgeschwächter Form einer von mehreren<br />

Hinweisen auf eine weitere, diesmal gutartige,<br />

Veränderung der Prostata sein. Diese Störungen haben<br />

mit dem gefürchteten <strong>Prostatakrebs</strong> nichts zu tun.<br />

Dennoch: Auch diese Erkrankung macht vielen Männern<br />

zu schaffen und sollte frühzeitig behandelt werden.<br />

Quelle: Presseinformation DGU/BDU, Juni 2005<br />

Timmendorfer <strong>Prostatakrebs</strong> Gespräche<br />

29. und 30. April 2005<br />

Die Aufzeichnungen der Vorträge finden<br />

Sie im Internet unter:<br />

www.prostatakrebs-bps.de/ im AV-Archiv.


DAS DEUTSCHE PROSTATAKARZINOMKONSORTIUM<br />

(DPKK) E.V. STELLT SICH VOR<br />

von Professor Dr. Bernd Wullich<br />

Das Deutsche Prostatakarzinomkonsortium (DPKK) e.V.<br />

wurde am 26. Februar 2003 von 17 Experten aus Urologie,<br />

Pathologie, Genetik, klinischer Chemie und der<br />

Grundlagenforschung aus der Taufe gehoben. Heute<br />

zählt das Konsortium über 40 Mitglieder. Dadurch, dass<br />

zwischenzeitlich auch Patienten und der BPS selbst dem<br />

DPKK angehören, stellt es eine ideale Plattform für Gespräche<br />

zwischen Betroffenen und Experten dar und ist<br />

als solches einzigartig in Deutschland.<br />

Dass Männer mit einem Prostatakarzinom häufig mit und<br />

nicht an ihrem Tumor sterben, ist eine schon seit langem<br />

bekannte Tatsache. Dennoch dürfen die Gefahren, die<br />

von diesem Tumor ausgehen können, nicht unterschätzt<br />

werden. Die Bestimmung des prostataspezifischen<br />

Antigens, kurz PSA, aus Blut hat die Früherkennung des<br />

Prostatakarzinoms überhaupt erst möglich gemacht.<br />

Doch warum vergleichbare Tumoren bei einem Teil der<br />

Patienten kaum fortschreiten und sich bei einem anderen<br />

wesentlich schneller entwickeln und ausbreiten, ist<br />

nach wie vor ein Rätsel für die an der Diagnostik,<br />

Therapie und Forschung beteiligten Experten. Für die<br />

Entstehung des Prostatakarzinoms spielen wahrscheinlich<br />

sowohl genetische Anlagen als auch Umwelteinflüsse<br />

eine Rolle, wobei offen ist, welche Faktoren im<br />

einzelnen und in welchem Ausmaß wirksam sind.<br />

Das DPKK will mit dem Zusammenschluss von klinisch<br />

tätigen und grundlagenwissenschaftlich arbeitenden<br />

Experten aus den verschiedensten Fachbereichen einer<br />

Lösung dieser und anderer Fragen über das Prostatakarzinom<br />

näher kommen. Regelmäßige Workshops und<br />

Treffen des DPKK, zuletzt im Oktober 2004 auf dem<br />

Bonner Petersberg, dienen neben dem Austausch<br />

aktueller Forschungsergebnisse vor allem der Diskussion<br />

gemeinsamer Forschungsziele für die nächsten <strong>Jahre</strong>.<br />

Neben der Frage nach prädisponierenden Genen für<br />

die Entstehung dieses Tumors beschäftigen sich DPKK-<br />

Teilnehmer mit der Frage, welche Veränderungen in<br />

Vorstadien des Karzinoms auftreten, wie sich Krebszellen<br />

den Einflüssen männlicher Hormone entziehen können<br />

und dadurch schwerer therapierbar werden und wie<br />

sich die Kommunikation zwischen den Krebszellen und<br />

dem Bindegewebe in ihrer Umgebung auf das Verhalten<br />

des Tumors auswirken können.<br />

Antworten auf diese und ähnliche Fragen können heute<br />

in Anbetracht der erforderlichen Methodenvielfalt in der<br />

Forschung kaum noch von einzelnen Gruppen von<br />

Wissenschaftlern erarbeitet werden. Daher suchen die<br />

beteiligten Disziplinen den Fortschritt auf diesem Gebiet<br />

in der Zusammenarbeit. Durch eine stringente Standardisierungsstrategie<br />

und die Bündelung der Forschungsaktivitäten<br />

mehrerer Standorte sowohl klinischer<br />

wie grundlagenwissenschaftlicher Arbeitsgruppen stellt<br />

das DPKK damit die einmalige Chance einer neuen<br />

Dimension der Prostataforschung in Deutschland dar.<br />

Zentraler Schwerpunkt des DPKK bildet folgerichtig der<br />

Aufbau einer Prostatagewebebank, die allen beteiligten<br />

Forschergruppen zu Verfügung steht. In intensiver<br />

Zusammenarbeit zwischen operierenden Urologen,<br />

Pathologen und Grundlagenwissenschaftlern wurden<br />

Standards für eine an allen Zentren einheitliche Technik<br />

der Gewebeprobenentnahme, Aufarbeitung, Archivierung<br />

und Dokumentation geschaffen. Standardisierte<br />

Gewebebanken von Frischgewebe und Paraffin-<br />

Material stellen heute die Grundlage für überregionale<br />

wissenschaftliche Untersuchungen dar. Nur durch sie ist<br />

gewährleistet, dass Gewebeproben unterschiedlicher<br />

Herkunft für überregionale Studien verwendbar sind.<br />

Dabei ist selbstverständlich, dass die Gewebeproben<br />

ausschließlich aus Gewebepräparaten entnommen<br />

werden, die im Rahmen von Untersuchungen oder<br />

Behandlungen gewonnen werden. Es ist sichergestellt,<br />

dass durch ihre Entnahme weder Diagnostik noch<br />

Behandlung der Erkrankung negativ beeinflusst werden.<br />

Von einer solchen Standardisierung der eingesetzten<br />

Methoden und der nachfolgenden Datenerhebung<br />

können aber umgekehrt mögliche Erfolge der Zukunft<br />

39


abhängen. Sie könnten beispielsweise zur Entdeckung<br />

neuer Biomarker führen, die aber zuverlässigere<br />

Aussagen als die bisher verfügbaren Marker wie dem<br />

PSA über das Verhalten des Prostatakarzinoms beim einzelnen<br />

Patienten ermöglichen. „Es wäre ein immenser<br />

Fortschritt vorhersagen zu können, wie sich ein Tumor<br />

beim individuellen Patienten verhalten wird, anstatt sich<br />

auf Aussagen in Prozentzahlen beschränken zu müssen,<br />

die für den Einzelnen mit einer erheblichen Unsicherheit<br />

verbunden sind“, skizziert Prof. Dr. med. Nicolas Wernert,<br />

Pathologe an der Bonner Universitätsklinik, der das<br />

Konsortium als zweiter Vorsitzender zusammen mit dem<br />

Urologen Prof. Dr. med. Michael Stöckle von der<br />

Universitätsklinik Homburg/Saar vertritt.<br />

40<br />

Informationen über die Arbeiten und Aktivitäten des DPKK<br />

erhalten Sie online über www.dpkk.de. Für spezielle<br />

Fragen steht Ihnen gerne die Geschäftsstelle in<br />

Homburg/Saar zur Verfügung, die Sie jederzeit unter der<br />

E-Mail-Adresse info@dpkk.de erreichen können.<br />

Mitarbeiter der Geschäftsstelle werden die Fragen an die<br />

entsprechenden Experten zur Beantwortung weiterleiten<br />

und sich kurzfristig erneut mit Ihnen in Verbindung setzen.<br />

Referenzadresse:<br />

PROFESSOR DR. MED. BERND WULLICH<br />

Klinik für Urologie und Kinderurologie<br />

Universitätsklinikum des Saarlandes<br />

66421 Homburg/Saar<br />

– Schriftführer des DPKK e.V. –<br />

PROSTATAKREBS UND SCHWERBEHINDERTENRECHT<br />

von Kai Mielke<br />

Nach landläufiger Meinung gilt als schwerbehindert, wer<br />

im Rollstuhl sitzt oder unter einer geistigen Behinderung<br />

leidet. Tatsächlich liegt eine Schwerbehinderung jedoch<br />

– zumindest im juristischen Sinne – auch bei zahlreichen<br />

anderen psychischen oder physischen Funktionsbeeinträchtigungen<br />

vor, unter anderem bei <strong>Prostatakrebs</strong>. Da<br />

vielen Betroffenen dieser rechtliche Aspekt ihrer Erkrankung<br />

nicht bewusst ist, erscheinen ein paar Informationen<br />

zu diesem Thema angebracht.<br />

Allgemeine Informationen<br />

Juristischer Dreh- und Angelpunkt des Schwerbehindertenrechts<br />

ist das neunte Buch des Sozialgesetzbuches<br />

(SGB IX), das sich mit der Rehabilitation und Teilhabe<br />

behinderter Menschen am sozialen und wirtschaftlichen<br />

Leben befasst.<br />

Insbesondere Personen mit einem Grad der Behinderung<br />

(GdB) von mindestens 50 (näheres hierzu weiter<br />

unten) stehen danach unter besonderem gesetzlichen<br />

Schutz. Sie genießen beispielsweise einen besonderen<br />

Kündigungsschutz im Arbeitsrecht und haben Anspruch<br />

auf zusätzlichen bezahlten Urlaub (in der Regel fünf<br />

Arbeitstage im Jahr). Zur Sicherung eines angemessenen<br />

Platzes im Arbeitsleben können im Einzelfall neben<br />

berufsfördernden Rehabilitationsleistungen auch besondere<br />

Hilfen für Schwerbehinderte notwendig sein (z.B. die<br />

behinderungsgerechte Umrüstung einer Maschine),<br />

wofür besondere Geldleistungen der Bundesagentur für<br />

Arbeit sowie der Hauptfürsorgestellen vorgesehen sind.<br />

Ferner haben Schwerbehinderte – je nach Art ihrer<br />

gesundheitlichen Beeinträchtigung – auch Anspruch auf<br />

einen sogenannten „Nachteilsausgleich“, z.B. in Form<br />

von Steuererleichterungen (Behinderten-Pauschbetrag),<br />

unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr,<br />

Vergünstigungen bei der Kraftfahrzeugsteuer,<br />

Parkerleichterungen und die Befreiung von der<br />

Rundfunkgebührenpflicht.<br />

Zum Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft wird<br />

von den örtlichen Versorgungsämtern auf Antrag ein<br />

Schwerbehindertenausweis ausgestellt. In diesen werden<br />

ggf. auch sogenannte Merkzeichen eingetragen,<br />

die einen Anspruch auf bestimmte Nachteilsausgleiche<br />

verbriefen. Detaillierte Informationen zum Antrags-


verfahren und den einzelnen Merkzeichen erhält man<br />

über die örtlichen Versorgungsämter oder online unter<br />

http://www.thueringen.de/imperia/md/content/lasf/behiausw1.pdf<br />

http://www.bezreg-muenster.nrw.de/service/Download_<br />

Publikationen/Ratgeber.pdf<br />

http://www.soziales.niedersachsen.de/master/C8063739<br />

_N2098264_L20_D0_I1740859.html<br />

Personen mit einem Grad der Behinderung von weniger<br />

als 50, aber mindestens 30 können Schwerbehinderten<br />

gleichgestellt werden, wenn sie ohne die Gleichstellung<br />

keinen Arbeitsplatz erhalten oder ihren jetzigen Arbeitsplatz<br />

nicht behalten können. Über die Gleichstellung<br />

entscheidet die Agentur für Arbeit. Gleichgestellte können<br />

für die Eingliederung in das Arbeitsleben die gleichen<br />

Hilfen in Anspruch nehmen wie Schwerbehinderte.<br />

Ausgeschlossen sind jedoch Zusatzurlaub und unentgeltliche<br />

Beförderung.<br />

Ein Großteil der Streitfälle aus dem Schwerbehindertenrecht<br />

kreist um die Frage, wie hoch der Grad der Behinderung<br />

im Einzelfall ist, bzw. ob einem Schwerbehinderten<br />

(infolgedessen) ein bestimmter Nachteilsausgleich<br />

zusteht oder nicht.<br />

Grad der Behinderung (GdB) und<br />

Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)<br />

Von dem Grad der Behinderung (GdB) ist die ebenfalls in<br />

Gradzahlen zu bemessende sogenannte Minderung<br />

der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu unterscheiden. MdE ist ein<br />

Terminus aus der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

und hat Bedeutung für<br />

einen Anspruch auf Berufsunfähigkeits-,<br />

bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente. MdE und<br />

GdB werden zwar nach den gleichen<br />

Grundsätzen bemessen; sie unterscheiden<br />

sich jedoch dadurch, dass die MdE<br />

kausal (auf die Folgen einer bestimmten<br />

Schädigung bezogen) und der GdB final<br />

(auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig<br />

von ihrer Ursache bezogen) zu verstehen ist.<br />

Beide Begriffe haben die Auswirkungen von<br />

Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen<br />

und nicht nur die Einschränkung im allgemeinen<br />

Erwerbsleben zum Inhalt. Mit anderen Worten: MdE und<br />

GdB sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen<br />

und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung<br />

aufgrund eines Gesundheitsschadens.<br />

Zu beachten ist:<br />

• Aus dem GdB/MdE-Grad ist nicht auf das Ausmaß der<br />

Leistungsfähigkeit zu schließen. GdB und MdE sind<br />

grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder<br />

angestrebten Beruf zu beurteilen, es sei denn, dass bei<br />

Begutachtungen im sozialen Entschädigungsrecht ein<br />

besonderes berufliches Betroffensein berücksichtigt<br />

werden muss.<br />

• Die Anerkennung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit<br />

durch einen Rentenversicherungsträger, bzw. die Feststellung<br />

einer Dienst- oder Arbeitsunfähigkeit erlauben<br />

keine Rückschlüsse auf den GdB/MdE-Grad, wie umgekehrt<br />

aus dem GdB/MdE-Grad nicht ohne weiteres<br />

auf bestimmte Leistungsvoraussetzungen in anderen<br />

Rechtsgebieten geschlossen werden kann.<br />

Grundsätzliches zur Bemessung<br />

eines GdB/MdE-Grades<br />

GdB und MdE setzen stets eine regelwidrige Abweichung<br />

des körperlichen und seelischen (Funktions-)<br />

Zustandes von dem für das jeweilige Lebensalter typischen<br />

Zustand voraus. Altersbedingte physiologische<br />

Veränderungen sind daher bei der GdB/MdE-Beurteilung<br />

nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind<br />

die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen<br />

anzusehen, die sich im Alter regelhaft<br />

entwickeln, d.h. für das Alter nach ihrer<br />

Art und ihrem Umfang typisch sind.<br />

Hierzu gehören zum Beispiel: die<br />

allgemeine altersbedingte Verminderung<br />

der körperlichen Leistungsfähigkeit<br />

(weniger Kraft, Ausdauer,<br />

Belastbarkeit), die allgemeine Verminderung<br />

der Leistungsbreite des<br />

Herzens und der Lungen durch physiologische<br />

Gewebealterung, eine leichte<br />

Verminderung der Beweglichkeit der Gliedmaßen und<br />

der Wirbelsäule, das Nachlassen von Libido oder Potenz,<br />

das altersentsprechende Nachlassen des Gedächtnisses,<br />

der geistigen Beweglichkeit und der seelischen<br />

41


Belastbarkeit sowie die altersspezifischen Einschränkungen<br />

der Seh- und Hörfähigkeit.<br />

Demgegenüber sind pathologische Veränderungen,<br />

d.h. Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und<br />

nicht nur im Alter beobachtet werden können (z.B. Geschwülste;<br />

stärkere, nicht als altersentsprechend beurteilbare<br />

Bewegungseinschränkungen durch Arthrosen oder<br />

über das Alterstypische wesentlich hinausgehende hirnorganische<br />

Abbauerscheinungen) bei der MdE/GdB-<br />

Beurteilung zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann,<br />

wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als<br />

„Alterskrankheiten" (z.B. "Altersdiabetes", "Alters-Star")<br />

bezeichnet werden.<br />

Bemessung eines MdE/GdB-Grades<br />

im Einzelfall<br />

Der GdB wird in Zehnergraden, die MdE in einem bestimmten<br />

Vom-Hundert-Satz ausgedrückt. Dies erklärt<br />

sich daraus, dass GdB und MdE ihrer Natur nach nicht<br />

präzise, sondern stets nur annähernd bestimmt werden<br />

können. Eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung von GdB<br />

und MdE spielt die sogenannte GdB/MdE-Tabelle. Diese<br />

ist Bestandteil der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit<br />

im sozialen Entschädigungsrecht und<br />

nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) und beinhal-<br />

42<br />

Bezüglich <strong>Prostatakrebs</strong> heißt es unter Punkt 26.13. der AHP:<br />

Prostataadenom<br />

tet zahlreiche Krankheitsbilder, bzw. Funktionsstörungen<br />

mit entsprechend zugeordneten GdB/-MdE-Werten.<br />

Die AHP sind online abrufbar unter<br />

http://www.agsv.nrw.de/Service/Gutachterliche<br />

Anhaltspunkte/Download/anhaltspunkte.pdf<br />

Berücksichtigung von Schmerzen<br />

und seelischen Begleiterscheinungen<br />

Bei der GdB/MdE-Beurteilung sind auch seelische Begleiterscheinungen<br />

und Schmerzen zu berücksichtigen.<br />

Dabei sind übliche seelische Begleiterscheinungen (z.B.<br />

Entstellung des Gesichts, Verlust der weiblichen Brust) in<br />

den Graduierungen der GdB/MdE-Tabelle bereits mit<br />

enthalten. Gehen seelische Begleiterscheinungen jedoch<br />

erheblich über die dem Ausmaß der organischen<br />

Veränderungen entsprechenden „normalen“ seelischen<br />

Begleiterscheinungen hinaus, so ist eine höhere<br />

GdB/MdE-Bewertung vorzunehmen. Außergewöhnliche<br />

seelische Begleiterscheinungen in diesem Sinne sind in<br />

der Regel aber erst dann anzunehmen, wenn anhaltende<br />

psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung<br />

vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung<br />

dieser Störungen – insbesondere eine Psychotherapie<br />

– erforderlich ist.<br />

Der GdB/MdE-Grad richtet sich nach den Harnentleerungsstörungen und der Rückwirkung auf die Nierenfunktion.<br />

Nach Entfernung eines malignen Prostatatumors ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.<br />

GdB/MdE-Grad während einer Heilungsbewährung von zwei <strong>Jahre</strong>n<br />

- nach Entfernung im Stadium T1a NO MO (Grading G 1) ……………..............................…………....... 50<br />

GdB/MdE-Grad während einer Heilungsbewährung von fünf <strong>Jahre</strong>n<br />

- nach Entfernung in den Stadien T1a (Grading ab G 2) T1b-2 NO MO ….…................................……. 50<br />

- nach Entfernung in anderen Stadien …………................................……………………….. wenigstens 80<br />

Maligner Prostatatumor<br />

- ohne Notwendigkeit einer Behandlung ...........................……..………………………………………….. 50<br />

- auf Dauer hormonbehandelt ......................…...........……………………………………….. wenigstens 60


Ähnliches gilt für die Berücksichtigung von Schmerzen.<br />

Die in der GdB/MdE-Tabelle angegebenen Werte schließen<br />

die üblicherweise vorhandenen Schmerzen bereits<br />

mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß<br />

besonders schmerzhafte Zustände. In den Fällen, in<br />

denen nach dem Sitz und dem Ausmaß der pathologischen<br />

Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende<br />

– und eine spezielle ärztliche Behandlung<br />

erfordernde – Schmerzhaftigkeit anzunehmen ist, können<br />

höhere Werte angenommen werden. Dies gilt insbesondere<br />

bei Kausalgien und bei stark ausgeprägten<br />

Stumpfbeschwerden nach Amputationen (Stumpfnervenschmerzen,<br />

Phantomschmerzen); ein Phantomgefühl<br />

allein bedingt keine zusätzliche GdB/MdE-Bewertung.<br />

Mehrere Funktionsstörungen und<br />

Gesamt-GdB/MdE<br />

Liegen bei einer Person mehrere Funktionsbeeinträchtigungen<br />

vor, ist ein sogenannter „Gesamt-<br />

GdB/MdE-Grad“ zu bilden. In § 69 Absatz 3 SGB IX heißt<br />

es hierzu: „Liegen mehrere Beeinträchtigungen der<br />

Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der<br />

Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der<br />

Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung<br />

ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.<br />

[…]“<br />

Zu der Art und Weise, wie ein derartiger Gesamt-<br />

GdB/MdE-Grad zu ermitteln ist, heißt es unter Punkt 19<br />

der AHP:<br />

(1) Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so<br />

sind zwar […] Einzel-GdB/MdE-Grade anzugeben; bei<br />

der Ermittlung des Gesamt-GdB/MdE-Grades durch alle<br />

Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen<br />

Werte nicht addiert werden. Auch andere<br />

Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-<br />

GdB/MdE-Grades ungeeignet. Maßgebend sind die<br />

Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen<br />

in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer<br />

wechselseitigen Beziehungen zueinander.<br />

(2) Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen<br />

Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung<br />

aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche<br />

mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der<br />

Tabelle feste GdB/MdE Werte angegeben sind. […]<br />

(3) Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB/MdE-Grades ist<br />

in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen,<br />

die den höchsten Einzel-GdB/MdE-Grad bedingt,<br />

und dann im Hinblick auf alle weiteren<br />

Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit<br />

hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer<br />

wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen<br />

dem ersten GdB/MdE-Grad 10 oder 20<br />

oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der<br />

Behinderung insgesamt gerecht zu werden. […]<br />

(4) Von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit<br />

eines Ohres bei schwerer beidseitiger<br />

Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen<br />

zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen<br />

GdB/MdE-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer<br />

Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung,<br />

die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden<br />

könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte<br />

Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen.<br />

Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit<br />

einem GdB/MdE- Grad von 20 ist es vielfach nicht<br />

gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des<br />

Ausmaßes der Behinderung zu schließen.<br />

Geltungsdauer einer GdB/MdE-<br />

Feststellung<br />

GdB und MdE setzen eine nicht nur vorübergehende<br />

Gesundheitsstörung voraus, sondern eine, die sich über<br />

einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten erstreckt.<br />

Dementsprechend ist bei abklingenden Gesundheitsstörungen<br />

der Wert festzusetzen, der dem über sechs<br />

Monate hinaus verbliebenen – oder voraussichtlich verbleibenden<br />

– Schaden entspricht.<br />

Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem<br />

Leidensverlauf wird mit einem Durchschnittswert<br />

Rechnung getragen. Das bedeutet: Wenn bei einem<br />

Leiden – über einen Zeitraum von sechs Monaten nach<br />

Krankheitsbeginn hinaus – der Verlauf durch sich wiederholende<br />

Besserungen und Verschlechterungen des<br />

Gesundheitszustandes geprägt ist (Beispiele: Magengeschwürsleiden,<br />

chronische Bronchitis, Hautkrankheiten,<br />

Anfallsleiden), dann können die zeitweiligen Verschlechterungen<br />

im Hinblick auf die dann anhaltenden<br />

43


Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung nicht als<br />

vorübergehende Gesundheitsstörungen betrachtet werden.<br />

Dementsprechend muss in solchen Fällen bei der<br />

GdB/MdE-Beurteilung von dem „durchschnittlichen"<br />

Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden.<br />

Stirbt ein Antragsteller innerhalb von sechs Monaten<br />

nach Eintritt einer Gesundheitsstörung, so ist für diese<br />

Gesundheitsstörung der GdB/MdE-Grad anzusetzen, der<br />

nach ärztlicher Erfahrung nach Ablauf von sechs<br />

Monaten nach Eintritt der Gesundheitsstörung zu erwarten<br />

gewesen wäre. Fallen Eintritt der Gesundheitsstörung<br />

und Tod jedoch zusammen, kann ein GdB/MdE-Wert<br />

nicht angenommen werden. Eintritt der Gesundheitsstörung<br />

und Tod fallen nicht nur zusammen, wenn<br />

beide Ereignisse im selben Augenblick eintreten. Dies ist<br />

vielmehr auch dann der Fall, wenn die Gesundheitsstörung<br />

in so rascher Entwicklung zum Tode führt,<br />

dass bei natürlicher Betrachtungsweise Eintritt der<br />

Gesundheitsstörung und Tod einen einheitlichen<br />

Vorgang darstellen.<br />

Gesundheitsstörungen, die erst in der Zukunft zu erwarten<br />

sind, sind bei der GdB/MdE-Beurteilung nicht zu berück-<br />

Foto: Volker Oertel, Calenberger Zeitung<br />

Teilnehmer des Seminars „Gesprächsführung und<br />

Kommunikationstraining“ im Mai 2005 in Gehrden.<br />

44<br />

sichtigen. Die Notwendigkeit des Abwartens einer<br />

Heilungsbewährung bei Gesundheitsstörungen, die zu<br />

Rezidiven neigen, stellt eine andere Situation dar; während<br />

der Zeit des Abwartens einer Heilungsbewährung ist<br />

ein höherer GdB/MdE-Wert, als er sich aus dem festgestellten<br />

Schaden ergibt, gerechtfertigt.<br />

Weiterführende Links<br />

Weitere Informationen zum Thema „Schwerbehinderung“<br />

und „GdB“ finden Sie im Internet, beispielsweise<br />

unter<br />

http://anhaltspunkte.vsbinfo.de/<br />

http://www.medizinfo.de/pflege/behinderung/<br />

gutachten.shtml<br />

http://www.sozialgesetzbuch.de/gesetze/<br />

Foto: Markus Hugo<br />

KAI MIELKE<br />

JUSTIZIAR DES BUNDESVERBANDES PROSTATA-<br />

KREBS SELBSTHILFE E. V.<br />

Bundesverteidigungsminister Peter Struck nutzte seinen Besuch in<br />

Gehrden, sich von Wolfgang Petter über die Arbeit des <strong>Bundesverband</strong>es<br />

<strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> e. V. informieren zu lassen.


WAHL-PRÜFSTEINE DER<br />

BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT<br />

KREBSSELBSTHILFE<br />

Red.: Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft Krebsselbsthilfe<br />

(<strong>Bundesverband</strong> <strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> –<br />

<strong>Bundesverband</strong> Deutsche Hirntumorhilfe – <strong>Bundesverband</strong><br />

"Deutsche ILCO" – <strong>Bundesverband</strong> "Frauenselbsthilfe<br />

nach Krebs" – <strong>Bundesverband</strong> der Kehlkopflosen<br />

und Kehlkopfoperierten – <strong>Bundesverband</strong><br />

"Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe (DLH)" – Arbeitskreis<br />

der Pankreatektomierten) zusammengeschlossenen<br />

<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen haben zur Bundestagswahl<br />

am 18. September 2005 einen Fragenkatalog<br />

erarbeitet, der den Parteien zur Stellungnahme<br />

zugestellt worden ist.<br />

1. Welche Maßnahmen will Ihre Partei ergreifen,<br />

damit medizinische Neuentwicklungen und neue<br />

Erkenntnisse (d. h. Medikamente und Verfahren)<br />

unverzüglich den betroffenen Krebspatienten zur<br />

Verfügung stehen?<br />

(Das Zulassungsverfahren in Deutschland für neue<br />

Medikamente und Verfahren – deren Nutzen gesichert<br />

ist – muss beschleunigt werden. Neue<br />

Medikamente werden in der Regel zunächst in den<br />

USA und in der Schweiz zugelassen. Die deutsche<br />

Arzneimittelzulassungsbehörde, das Bundesinstitut für<br />

Arzneimittel und Medizinprodukte, hinkt in der Regel<br />

hinterher. Für neue Verfahren – deren Nutzen gesichert<br />

ist – wie z.B. im Bereich der Stammzelltransplantation,<br />

müssen zeitnah angemessene Fallpauschalen<br />

eingeführt werden.)<br />

2. Wie gedenkt Ihre Partei das sog. "Off-labeluse"-Problem<br />

zu lösen?<br />

(Ein hoher Anteil der Krebsbehandlungen findet statt,<br />

ohne dass es für das eingesetzte Medikament für<br />

diese besondere Krankheitssituation des Patienten<br />

zugelassen ist. Wenn aber tatsächlich im Wesentlichen<br />

nur Medikamente angewendet bzw. finanziert<br />

(!) werden dürfen, für die es eine enge Zulas-<br />

sung gibt (BSG-Urteil vom 19. März 2002), würde sich<br />

für viele Krebspatienten (aber auch für viele andere<br />

Patienten, insbesondere Kinder!) die Versorgung<br />

drastisch verschlechtern. Mögliche Studien werden<br />

oft nicht durchgeführt. Die Alternative zum "Off-labeluse"<br />

kann nicht "gar keine Behandlung" bzw.<br />

"schlechtere Behandlung" sein!)<br />

3. Welche Vorstellungen hat Ihre Partei zur Finanzierung<br />

der sog. Therapieoptimierungsstudien?<br />

(Nur mit Hilfe dieser Studien können über einen längeren<br />

Zeitraum die Therapieergebnisse systematisch<br />

verbessert werden.)<br />

4. Wie will Ihre Partei die Versorgungsqualität in<br />

Früherkennung, Diagnostik und Therapie krebserkrankter<br />

Menschen verbessern?<br />

(Krebserkrankte Menschen in Deutschland werden<br />

zurzeit nicht durchgängig flächendeckend nach der<br />

besten internationalen Evidenz behandelt.)<br />

5. Wie gedenkt Ihre Partei, die Krebsregistrierung<br />

und Ursachenforschung zu verbessern und die<br />

Krebsregistrierung bundeseinheitlich zu gestalten?<br />

(Es ist besser, vorzubeugen und Krebserkrankungen<br />

zu verhindern, als zu behandeln. Durch die verschiedenen<br />

Länderkrebsregistergesetze gleicht Deutschland<br />

in Sachen Krebs einem "epidemiologischen<br />

Flickenteppich".)<br />

6. Wie will Ihre Partei die Krebs-Früherkennung<br />

zukünftig mehr fördern?<br />

(Bei den meisten Krebserkrankungen gilt: Je früher<br />

Krebs erkannt wird, desto höher sind die Heilungschancen.)<br />

7. Wird Ihre Partei die vor einiger Zeit vom<br />

Bundesrat eingebrachte und bisher abgelehnte<br />

Initiative wieder aufgreifen, dass der PSA-Test zur<br />

Früherkennung des <strong>Prostatakrebs</strong>es im Routinefall<br />

45


eingeführt wird und die Kosten dafür von den<br />

Krankenkassen übernommen werden?<br />

(Deutschland ist die einzige negative Ausnahme<br />

innerhalb der industrialisierten Länder.)<br />

8. Wie soll die zügige Umsetzung eines bundesweiten,<br />

flächendeckenden Mammographie-<br />

Screenings nach EU-Leitlinien zur Brustkrebsfrüherkennung<br />

aussehen? Mit welchen Maßnahmen<br />

will Ihre Partei „graues“ Mammographie-<br />

Screening und falsche Befunde verhindern?<br />

(Die Festschreibung des bundesweiten, flächendekkenden<br />

Mammographie-Screenings für 50 – 69jährige<br />

Frauen alleine ist keine Garantie für eine EU-<br />

Leitlinien gerechte Umsetzung. Außerdem muss<br />

sichergestellt werden, dass zur Abklärung eines<br />

Befundes auch Frauen unter 50 <strong>Jahre</strong>n eine qualitätsgesicherte<br />

Mammographie zugute kommt.)<br />

9. Welche Einstellung hat Ihre Partei zu den<br />

Chroniker-Programmen (= Disease Management<br />

Programme, kurz DMPs)?<br />

(Die DMPs sind ein notwendiger Schritt der Verbesserung,<br />

es sind allerdings bezüglich der medizinischen<br />

Inhalte, Dokumentation und Patienteninformation<br />

Nachbesserungen erforderlich.)<br />

10. Wie will Ihre Partei negativen Auswirkungen<br />

der Fallpauschalen (= Diagnosis Related Groups,<br />

kurz DRGs; = neues Abrechnungssystem im stationären<br />

Bereich) auf die onkologische Versorgung<br />

entgegenwirken?<br />

(Die Vielfalt der Therapieschemata in der Behandlung<br />

von Krebserkrankungen ist sehr groß. Eine<br />

differenzierte Darstellung der Tagesfälle ist dringend<br />

erforderlich, ein Chemotherapie-DRG-Tagesfall z. B.<br />

kann nicht alles abdecken. Teure Medikamente<br />

müssten mit Zusatzentgelten bezahlt werden.<br />

Decken die gebildeten Gruppen wirklich alles ab?<br />

Sind sie sinnvoll? Fehlen Gruppen? Sollten mehrzeitige<br />

Behandlungen besonders finanziert werden?<br />

Sollten Tumorzentren grundsätzlich einen Zuschlag<br />

erhalten? Wie kann verhindert werden, dass<br />

Patienten in Zukunft zu früh entlassen werden?<br />

Patientenbezogene Informationen fehlen.)<br />

11. Was beabsichtigt Ihre Partei zu unternehmen,<br />

um die in Deutschland im Vergleich zu anderen<br />

46<br />

EU-Ländern weit überhöhten Arzneimittelpreise zu<br />

senken?<br />

(In Deutschland sind die Arzneimittelpreise um bis zu<br />

100% teurer als in benachbarten EU-Ländern! Dies ist<br />

vor allem auf gesetzliche Vorschriften: Preisbindung,<br />

feste Handelsspannen laut Arzneimittelverordnung<br />

und die hohe Mehrwertsteuer von 16% zurückzuführen.<br />

Die Senkung der Mehrwertsteuer bei Arzneimitteln<br />

von 16% auf 7% (wie bei Lebensmitteln)<br />

könnte Einsparungen im Gesundheitswesen von bis<br />

zu 5 Milliarden Euro ergeben!)<br />

12. Wie lautet die Entscheidung Ihrer Partei zu<br />

den Zuzahlungen in der medizinischen Versorgung?<br />

(Die finanziellen Belastungen von Krebspatienten<br />

sind auch ohne Zuzahlungen schon sehr hoch.)<br />

13. Was wird Ihre Partei tun, um die gesetzlichen<br />

Krankenkassen zu verpflichten, Zahnersatz als<br />

Folge von Krebserkrankungen (z.B. bei Kehlkopfkrebs<br />

und nach Stammzelltransplantationen)<br />

in voller Höhe zu übernehmen?<br />

(Krebspatienten, bei denen Zahnersatz notwendig<br />

wird, müssen, genau wie alle anderen Patienten,<br />

Zuzahlungen leisten. Dies ist nicht gerechtfertigt,<br />

denn die Zahnbehandlung in Folge einer<br />

Krebsbehandlung wird nicht aufgrund von nachlässiger<br />

Zahnpflege notwendig.)<br />

14. Was wird Ihre Partei tun, um die gesetzliche<br />

Krankenversicherung in ihrer bewährten Form als<br />

Solidarversicherung zu erhalten?<br />

(Die Aufkündigung der solidarischen Finanzierung<br />

sowie die Einführung von Grund- und Wahlleistungen<br />

sind keine Lösung und träfen nur die schwächsten<br />

Beteiligten in der Versorgungskette.)<br />

15. Wie wird Ihre Partei dafür sorgen, dass die<br />

Beteiligung der Bundesverbände der Krebs-<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen<br />

an Entscheidungen im Gesundheitswesen<br />

weiterentwickelt wird?<br />

(Verbesserungen in der Versorgung sind ohne systematische<br />

Mitwirkung der Patientenvertreter nicht<br />

möglich, da nur sie die Erfahrungen und Kenntnisse<br />

mit der gesamten Versorgungskette haben – die<br />

Bespiele anderer Länder mit strukturell verankerter<br />

Patientenbeteiligung belegen das eindrucksvoll.)


16. Wie gedenkt Ihre Partei, die gesetzlichen<br />

Krankenkassen dazu zu bewegen, die <strong>Selbsthilfe</strong><br />

endlich mit den im § 20 SGB V genannten 54 Cent<br />

zu fördern?<br />

(Bisher liegt der Betrag bei ca. 39 Cent und damit<br />

deutlich unter der Soll-Förderung.)<br />

17. Wie können – nach den Vorstellungen Ihrer<br />

Partei – die Arbeitsbedingungen für Ärzte und<br />

Pflegekräfte im Krankenhaus und in der Praxis so<br />

verbessert werden, dass eine flächendeckende<br />

Versorgung gewährleistet wird und dass endlich<br />

wieder genügend Zeit für das Gespräch zwischen<br />

Patient/Angehörigem/Arzt zur Verfügung steht?<br />

(Ärzte werden mit immer mehr Bürokratie belastet –<br />

darunter leidet die Versorgung der Patienten. Dabei<br />

ist mittlerweile erwiesen, dass durch die menschliche<br />

Zuwendung und verständliche Informationen des<br />

Arztes oftmals unnötige medikamentöse Behandlungen<br />

am Patienten eingespart werden können.)<br />

Die Antworten der Parteien werden in Heft 3/2005<br />

veröffentlicht.<br />

MULTIDISZIPLINÄRES PROSTATAKREBS SYMPOSIUM<br />

17. BIS 19. FEBRUAR 2005, IN ORLANDO, FLORIDA<br />

Derzeitiger Stand und zukünftige Entwicklungslinien zur<br />

Verhinderung und zum Management der Behandlung des<br />

<strong>Prostatakrebs</strong>es<br />

von Christian Ligensa<br />

Zum ersten Mal haben die „Amerikanische Gesellschaft<br />

für Klinische Onkologie (ASCO)”, die „Amerikanische<br />

Gesellschaft für Therapeutische Radiologie und Onkologie<br />

(ASTRO)“, die „<strong>Prostatakrebs</strong> Stiftung (PCF)“ und die<br />

„Gesellschaft für Urologische Onkologie (SUO)“ sich<br />

zusammengefunden und ein dreitägiges multidisziplinäres<br />

klinisches Symposium zum <strong>Prostatakrebs</strong> durchgeführt.<br />

Die Veranstaltung bot ein optimales Umfeld zur<br />

Darstellung von Forschungsergebnissen für den Austausch<br />

von Wissenschaftlern sowie für Information und<br />

Fortbildung für Kliniker und Wissenschaftler mit einem<br />

Interesse am <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />

Es wurden 12 Themenkreise behandelt:<br />

I . Risikofaktoren und Epidemiologie<br />

II. Prävention<br />

III. Screening und Diagnose<br />

IV. Ergebnisse – wie kann man sie messen?<br />

V. Risikobewertung und Staging (Einordnung nach<br />

Schweregrad) der lokalisierten Krankheit<br />

VI. Behandlung der lokalisierten Krankheit – deren<br />

Fortschreiten und Ergebnisse<br />

VII. Behandlung der Krankheit mit hohem Risiko und<br />

lokal fortgeschrittenem Krebs<br />

VIII. Steigende PSA-Werte bei hormonunsensiblen und<br />

therapieresistenten Patienten<br />

IX. Optimierung der Androgen Entzugstherapien<br />

X. Überleben, unterstützende Behandlung und Komplikationen<br />

von Therapien<br />

XI. Therapien in der Entwicklung<br />

XII. Der hormonrefraktäre <strong>Prostatakrebs</strong><br />

Da es sich hierbei um mehr als 300 Berichte und zwar<br />

sowohl mündliche Vorträge als auch Poster-Präsentationen<br />

handelt, muss ich mich bei der Darstellung nur<br />

auf einige wenige interessante Präsentationen beschränken,<br />

zumal der verfügbare Platz im BPS-Magazin<br />

auch nur eine kleine Auswahl zulässt. Dabei werde ich<br />

mich im Wesentlichen auf die Fragestellung und die<br />

Ergebnisse mit deren Bedeutung für Patienten konzentrieren.<br />

Es geht hier also nicht um eine wissenschaftlich<br />

vollständige Darstellung der Studienergebnisse, viel<br />

mehr ist es nur eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen<br />

Angaben von durchgeführten Studien mit<br />

47


einer Bewertung der Bedeutung für unsere Patienten und<br />

andere Leser des BPS-Magazins. Wer ausführlichere<br />

Informationen mit den Namen und Instituten der die<br />

Studien durchführenden Wissenschaftler haben möchte,<br />

wende sich bitte an mich oder kann auch aus dem<br />

Internet unter www.asco.org die ausführlicheren Berichte,<br />

teilweise sogar die Stimme des Vortragenden mit<br />

den entsprechenden Bildern des Vortrages hören und<br />

sehen oder die Zusammenfassungen herunterladen.<br />

Diese Zusammenfassungen werden in zwei Teilen im<br />

BPS-Magazin erscheinen. In dieser Ausgabe erscheint<br />

Teil I, die Themenkreise I bis VI; Teil zwei, die Themenkreise<br />

VII bis XII, werden in der nächsten Ausgabe erscheinen.<br />

Teil I:<br />

Ausgewählte Berichte aus den Themenkreisen I bis VI<br />

1. Fettleibigkeit/Übergewicht und <strong>Prostatakrebs</strong>: eine<br />

21 <strong>Jahre</strong> lange Analyse des Überlebens im Rahmen<br />

einer Gesundheitsstudie.<br />

• Hintergrund und Methode: Fettleibigkeit und Übergewicht<br />

wurden als Risikofaktoren für PK Sterblichkeit in<br />

einer Gruppe von Männern angenommen. Fettleibigkeit<br />

wurde auch in Verbindung gebracht mit hohen PK<br />

Graden und einem höheren Risiko eines PSA-Wiederauftretens<br />

nach radikaler Prostatektomie. Männer mit<br />

einem „Body Mass Index“ (BMI) von 25 bis 29 wurden<br />

als übergewichtig betrachtet und Männer mit einem<br />

BMI höher als 30 wurden als fettleibig eingeordnet.<br />

Erläuterung: BMI – ist das Körpergewicht (kg) geteilt<br />

durch Körpergröße (m) ins Quadrat gesetzt.<br />

• Ergebnis: die Wissenschaftler analysierten die Beziehung<br />

zwischen dem ursprünglichen BMI, dem Krebsstadium<br />

und dem Überleben von 2144 Männern im<br />

Alter zwischen 40 und 84, die alle <strong>Prostatakrebs</strong> entwickelt<br />

hatten. Bei einer Nachbeobachtungszeit von<br />

21 <strong>Jahre</strong>n starben 233 Männer am <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />

Nachdem andere Risikofaktoren (z. b. Rauchen) mit<br />

einkalkuliert worden waren, ergab sich, dass Männer<br />

mit Übergewicht eine 30% höhere Wahrscheinlichkeit<br />

haben, an <strong>Prostatakrebs</strong> zu sterben, als normalgewichtige<br />

Männer. Fettleibige Männer haben mit mehr<br />

als doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen,<br />

dass sie an PK sterben. Darüber hinaus haben fettleibige<br />

Männer eine zweimal höhere Wahrscheinlichkeit<br />

bereits mit metastatischem <strong>Prostatakrebs</strong> diagnostiziert<br />

zu werden gegenüber übergewichtigen und nor-<br />

48<br />

malgewichtigen Männern. Auch bei weniger fortgeschrittenem<br />

Krebs bei der Erstdiagnose war das Risiko<br />

an PK zu sterben bei übergewichtigen und fettleibigen<br />

Männern doppelt so hoch.<br />

• Bedeutung für Patienten: Diese Ergebnisse lassen darauf<br />

schließen, dass das Risiko einer Entwicklung von<br />

<strong>Prostatakrebs</strong> oder daran zu sterben, gemindert werden<br />

kann, wenn ein normales Gewicht gehalten wird.<br />

Die Wissenschaftler wissen nicht, wie Fettleibigkeit den<br />

<strong>Prostatakrebs</strong> beeinflusst. Sehr dick zu sein, könnte die<br />

Diagnose von <strong>Prostatakrebs</strong> verzögern oder Übergewicht<br />

und Fettleibigkeit könnte mit einer biologisch aktiveren<br />

Form des <strong>Prostatakrebs</strong>es zusammen hängen.<br />

2. Auswirkungen des Rauchens auf Überlebenszeit und<br />

Tumorprogression beim <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />

• Hintergrund und Methode: Es wurde angenommen,<br />

dass aktuelles oder auch früheres Rauchen mit einem<br />

fortgeschritteneren <strong>Prostatakrebs</strong> zum Zeitpunkt der<br />

Diagnose zusammenhängt. Um diesen Effekt zu<br />

untersuchen, wurden in 1787 Fällen drei verschieden<br />

Endpunkte gewählt: ständige Raucher, ehemalige<br />

Raucher und Nicht-Raucher.<br />

• Ergebnis: Nach 5 <strong>Jahre</strong>n waren noch 75% der ehemaligen<br />

und der Nicht-Raucher am Leben, jedoch<br />

nur 65% der Raucher. Faktoren, die das Risiko verringerten,<br />

waren Operation, Bestrahlung und Hormonblockade.<br />

Nach 10 <strong>Jahre</strong>n Beobachtungszeit konnte<br />

Rezidivfreiheit (bzw. frei von neuem <strong>Prostatakrebs</strong>) bei<br />

90% der Nichtraucher aber nur bei 78% der derzeitigen<br />

und der ehemaligen Raucher festgestellt werden.<br />

• Bedeutung für Patienten: Rauchen verkürzt die Überlebenszeit,<br />

kann den Krankheitsfortschritt befördern<br />

und erhöht das Risiko eines wieder Auftretens von<br />

<strong>Prostatakrebs</strong>.<br />

3. Bestimmung des Risikos für <strong>Prostatakrebs</strong> bei der<br />

Biopsie durch genetische Marker.<br />

• Hintergrund und Methode: Es besteht ein großes Interesse,<br />

neue Marker zu finden, die das Risiko eines<br />

<strong>Prostatakrebs</strong>es klar identifizieren. Viele Untersuchungen<br />

sind bisher zum <strong>Prostatakrebs</strong> durchgeführt worden.<br />

Wir haben eine große Anzahl von polymorphen<br />

Genen (13) untersucht im Hinblick auf die Aussage<br />

eines <strong>Prostatakrebs</strong>es nach der Biopsie bei Männern,<br />

die sich einem PSA-Screening unterzogen hatten.<br />

• Ergebnis: von 2088 Männern hatten 996 (47%)<br />

<strong>Prostatakrebs</strong>. Unter den 13 untersuchten Genen fan-


den wir 4, die mit <strong>Prostatakrebs</strong> in einen positiven<br />

Zusammenhang gebracht werden konnten.<br />

• Bedeutung für Patienten: Bei einer Kombination aller<br />

4 Gene war die Wahrscheinlichkeit der Wahrhaftigkeit<br />

der Aussage sehr hoch (Odds Ratio = 9). Diese<br />

Ergebnisse werden die Methoden und den Algorithmus<br />

zur Entdeckung des <strong>Prostatakrebs</strong>es bereichern.<br />

• Anmerkung des Verfassers: Es gab mehrere Präsentationen,<br />

die noch weitere potentielle Tumormarker<br />

untersucht haben. Eine klare Aussage, welcher der<br />

beste Tumormarker zur Entdeckung des <strong>Prostatakrebs</strong>es<br />

sei, wurde nicht gemacht. Es besteht jedoch<br />

die große Wahrscheinlichkeit, dass in Kürze ein neuer<br />

Tumormarker einsatzreif ist.<br />

4. Patienten mit lokalisiertem PK bewerteten die Veränderungen<br />

der sexuellen Funktionen nach externer<br />

Bestrahlung, Brachytherapie und Prostatektomie mit<br />

und ohne begleitende Hormonblockade.<br />

• Hintergrund und Methode: Die Wahrscheinlichkeit,<br />

sexuelle Funktionen nach einer lokalen Therapie beibehalten<br />

zu können prägen wesentlich die Therapieentscheidung<br />

von Patienten. In dieser Studie wurden<br />

alle üblichen Behandlungen lokaler Therapien (nervschonende<br />

Operation, Brachy- und externe Strahlentherapie,<br />

mit und ohne Hormonblockade etc.) hinsichtlich<br />

deren Beeinträchtigung der sexuellen<br />

Funktionen beurteilt und untereinander verglichen.<br />

2903 Männer mit dem Tumorstadium T1 bis T3a, No,<br />

Mo wurden in die Untersuchung einbezogen.<br />

• Ergebnis: Es konnten klare Hierarchien hinsichtlich der<br />

Auswirkung auf die sexuellen Funktionen (SF) erkannt<br />

werden: Ohne HB ist die Strahlentherapie günstiger<br />

gegenüber der Prostatektomie. SF ist relativ günstiger<br />

nach Brachytherapie gegenüber anderen Formen<br />

der Strahlentherapie. SF nach Brachytherapie und<br />

externer Strahlentherapie ist 2 <strong>Jahre</strong> lang günstiger<br />

gegenüber mit und ohne nervschonender OP. Bei<br />

den Strahlentherapien waren jeweils nach 2 oder 4<br />

<strong>Jahre</strong>n abgestufte Veränderungen festzustellen.<br />

• Bedeutung für Patienten: Alle derzeitigen lokalen Behandlungsmethoden<br />

haben negative Auswirkungen<br />

auf die sexuellen Funktionen. Bei externer Strahlentherapie<br />

und Brachytherapie wurden in den ersten 4<br />

<strong>Jahre</strong>n bessere Ergebnisse bei den sexuellen<br />

Funktionen (SF) nachgewiesen als bei der Prostatektomie.<br />

Androgenblockade hat anfänglich einen<br />

ungünstigeren Einfluss auf die SF, dies hat sich aber<br />

nach 4 <strong>Jahre</strong>n wieder ausgeglichen. Unseres Wissens<br />

nach ist dies die am ausführlichsten berichtete Bewertung<br />

einer unabhängigen vergleichenden Untersuchung<br />

jeder dieser Therapien.<br />

5. PSA Verdoppelungszeit dient zur Vorhersage eines<br />

aggressiven <strong>Prostatakrebs</strong>es nach wiederholter<br />

Prostatabiopsie.<br />

• Hintergrund und Methode: Prostatabiopsien haben<br />

ein hohes Risiko einer falsch-negativen Aussage.<br />

Das Vorhandensein eines hochgradig aggressiven<br />

Tumors ist aber einer der stärksten Vorhersagefaktoren<br />

hinsichtlich der Gesamtüberlebenszeit. Daher wären<br />

solche Männer sinnvolle Kandidaten für eine häufig<br />

wiederholte Biopsie. Wir versuchten einen Risikofaktor<br />

zu identifizieren und ein klinisch nutzbares<br />

Verfahren zu entwickeln, um die Anwesenheit eines<br />

okkulten aggressiven <strong>Prostatakrebs</strong>es (Gleason Score<br />

≥ 7) bei Männern mit negativen Biopsien vorhersagen<br />

zu können. Alle bisher bekannten und verfügbaren<br />

diagnostischen Faktoren wurden bei 406 Männern<br />

zusammengetragen, deren Biopsien bisher negativ<br />

waren. Insgesamt wurden 1059 Biopsien durchgeführt.<br />

• Ergebnis: PSA-Verdoppelungszeit und PSA-Dichte,<br />

zwei unabhängige prognostische Faktoren, wurden<br />

bei den verschiedenen Gruppen identifiziert und bewertet.<br />

Es wurden drei Gruppen zusammengestellt: je<br />

eine hohe, mittlere und geringe Risikogruppe. Dabei<br />

stellte sich heraus, dass die PSA-Verdoppelungszeit als<br />

alleiniger Faktor zur Identifizierung der Anwesenheit<br />

eines aggressiven Tumors ausreicht. Nach einer Gesamtbeobachtungszeit<br />

von 3,3 <strong>Jahre</strong>n wurde schließlich<br />

bei 41 dieser Männer (10.1%) ein aggressiver<br />

Krebs festgestellt.<br />

• Bedeutung für Patienten: PSA-Verdoppelungszeit<br />

(PSADT) allein reicht aus, um den Patienten in eine klinisch<br />

sinnvolle Gruppe z.B. mit hohem Risiko einordnen<br />

zu können. Dabei sind PSADT von weniger als zwei<br />

<strong>Jahre</strong>n ein wesentliches Merkmal dieser Zuordnung.<br />

Hier sind also wiederholte Biopsien angezeigt. Männer<br />

mit einer PSADT von 2 bis 5 <strong>Jahre</strong>n sind der Gruppe<br />

mit mittlerem Risiko und mit einer PSADT von mehr als<br />

5 <strong>Jahre</strong>n der Gruppe mit geringem Risiko zuzuordnen.<br />

Im letzteren Fall können zwischen Biopsiewiederholungen<br />

längere Pausen liegen. Durch eine solche<br />

49


Einteilung können unnötige Biopsien vermieden und<br />

eine Übertherapie verhindert werden.<br />

6. Untersuchung der Lebensqualität im Vergleich zwischen<br />

radikaler Prostatektomie (RP) und externer Bestrahlung<br />

(EBRT) bei Männern mit lokalisiertem <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />

• Hintergrund und Methode: Die allgemeine und<br />

krankheitsspezifische Lebensqualität sollte im Rahmen<br />

einer randomisierten (durch Zufall ausgewählte<br />

Patienten) Studie im Vergleich zwischen RP und EBRT<br />

untersucht werden.<br />

Ergebnisse: 137 Patienten wurden randomisiert aufgeteilt<br />

in eine Gruppe mit RP (70 Männer) und mit EBRT<br />

(67 Männer) und nach jeweils festgelegten Zeiträumen<br />

untersucht, sowie deren Aussagen bewertet.<br />

Wesentliche Faktoren waren dabei Urin- und Stuhlinkontinenz<br />

und sexuelle Funktionen.<br />

• Ergebnis: Während nach den ersten Monaten die<br />

Männer mit RP über stärkere negative Auswirkungen<br />

auf die allgemeine Lebensqualität gegenüber denen<br />

mit EBRT beklagten, glichen sich die Daten nach etwa<br />

12 Monaten einander an. Im Anfang waren bei den<br />

Männern mit RP stärkere Probleme mit Urininkontinenz<br />

gegenüber denen mit EBRT (10,6% gegenüber 2,9%<br />

noch nach 2 <strong>Jahre</strong>n inkontinent) feststellbar, die sich<br />

jedoch später verbesserten. Stuhlinkontinenz war bei<br />

den Männern mit EBRT während der gesamten<br />

Untersuchungszeit ein größeres Problem als bei<br />

denen mit RP (26% gegenüber 6,1%). Sexuelle<br />

Funktionen waren deutlich besser bei Männern mit<br />

EBRT gegenüber RP, jedoch konnte festgestellt werden,<br />

dass mit andauernder Untersuchung diese Funktionen<br />

bei Männern mit EBRT sich ungünstiger<br />

entwickelten, während bei einigen Männern mit RP<br />

eine Verbesserung im Lauf der Zeit festgestellt werden<br />

konnte.<br />

• Bedeutung für Patienten: Während eine stärkere<br />

Absenkung der allgemeinen Lebensqualität lediglich<br />

in den ersten Monaten nach einer RP gegenüber<br />

denen mit ERBT festgestellt worden ist, haben Männer<br />

mit RP langfristig jedoch eher mit Problemen der<br />

Urininkontinenz als mit der Stuhlinkontinenz gegenüber<br />

denen mit einer EBRT zu tun. In beiden Fällen muß<br />

eine langfristige Einschränkung der Lebensqualität<br />

hinsichtlich der sexuellen Funktionen in Kauf genommen<br />

werden.<br />

50<br />

7. <strong>Prostatakrebs</strong>, der ursprünglich nach einer Biopsie<br />

mit Gleason Score (GS) 6 bewertet worden ist, muß<br />

häufig nach einer radikalen Prostatektomie mit GS 7<br />

bewertet werden. Auswirkungen und Ergebnisse.<br />

• Hintergrund und Methode: Die Unterscheidung zwischen<br />

einem GS 6 und 7 hat eine besondere<br />

Bedeutung bei der Therapieentscheidung, vor allem<br />

wenn es um ein beobachtendes Abwarten geht. Ein<br />

GS 6 nach einer Biopsie ist keine Garantie, dass dies<br />

auch tatsächlich der Aggressivität des <strong>Prostatakrebs</strong>es<br />

entspricht. In der Untersuchung wurden die Häufigkeit,<br />

die Charakteristika und die Ergebnisse untersucht,<br />

wenn der Tumor bei der Biopsie 6 geblieben ist, oder<br />

nach einer folgenden Operation dann auf höher<br />

bewertet werden musste, oder bei 7 geblieben ist. Es<br />

gab also 3 Untergruppen.<br />

• Ergebnisse: In 38,2% der Fälle wurde bei Biopsie und<br />

RP Übereinstimmung, in 50,3% der Fälle jedoch ein<br />

Unterschied festgestellt. In der Gruppe der GS 7<br />

Bewertungen stimmten 81,4% der Bewertungen überein.<br />

Es wurden jeweils die PSA-Verläufe, die Prozent<br />

befallenen Gewebes, positive Schnittränder, Samenblasenbefall<br />

und Tumorausdehnung in Beziehung zu<br />

den ursprünglichen Befundungen gebracht. Mehr als<br />

50% der Gleason Score ausgehend vom GS 6 mussten<br />

bei der Bewertung nach der Operation höher<br />

eingestuft werden.<br />

• Bedeutung für Patienten: Die Patienten mit dem<br />

höher eingestuften Gleason Score haben natürlich<br />

die gleichen Bedingungen (Prognose, Rezidive etc.)<br />

zu erwarten, wie die ursprünglich gleich hoch eingestuften<br />

Patienten.<br />

Anmerkung: Bei 50% Unterbewertung beim Gleason<br />

Score 6 nach einer Biopsie kann diese Angabe nicht<br />

als eine solide Datenvoraussetzung für die anstehende<br />

Therapieentscheidung akzeptiert werden. Bei jeder<br />

Therapieentscheidung, aber insbesondere bei einer<br />

anderen Therapieentscheidung als die der radikalen<br />

Prostatektomie, ist es daher häufig sehr wichtig, eine<br />

Zweitmeinung eines pathologischen Institutes einzuholen,<br />

das ausreichend Erfahrung im Umgang mit<br />

<strong>Prostatakrebs</strong>gewebe hat.<br />

8. Primärtherapie einer Dreifachen Androgenblokkade<br />

(DHB) gefolgt von einer Finasterid-Erhaltungstherapie<br />

für den lokal begrenzten <strong>Prostatakrebs</strong>: Langzeitergebnisse<br />

unter Einbeziehung der Lebensqualität.


• Hintergrund und Methode: Kurative Behandlungsstrategien<br />

für den klinisch lokalisierten <strong>Prostatakrebs</strong><br />

werden in zunehmendem Maße kontrovers diskutiert<br />

und sind üblicherweise verbunden mit einem langzeitigen<br />

Verlust der Lebensqualität. Neuerdings wird<br />

vermehrt über den Einsatz der Androgenunterdrückung<br />

bei einem lokalisierten <strong>Prostatakrebs</strong><br />

berichtet. Hier geht es um den Bericht über die<br />

Langzeitergebnisse eines einmaligen Zyklus von 13<br />

Monaten einer dreifachen Hormonblockade mit<br />

anschließender Erhaltungstherapie mit Finasterid.<br />

Inzwischen wurden 183 Männer mit lokalisiertem <strong>Prostatakrebs</strong>,<br />

die eine radikale lokale Therapie ablehnten,<br />

mit diesem Protokoll prospektiv behandelt. Sie<br />

erhielten eine LH-RH-Analogon Depotspritze und täglich<br />

Antiandrogene (Flutamid oder Bicalutamid) plus 5<br />

mg Finasterid. Im Anschluss daran erhielten sie weiter<br />

die Finasterid-Erhaltungstherapie. Physikalischer,<br />

psychologischer und funktioneller Status wie auch die<br />

Gesamtlebensqualität wurde mit den in der Wissenschaft<br />

üblichen symptombasierten Validierungskriterien<br />

gemessen.<br />

• Ergebnisse: Ausgangswerte bei den Patienten in der<br />

Untersuchung: durchschnittliches Alter war 67 <strong>Jahre</strong>,<br />

mittlerer Anfangs-PSA-Wert war 11,1 (Bereich 0,39 bis<br />

59,8), mittlerer Gleason Score war 7 (Bereich 4 bis 10).<br />

Hochrisikofaktoren (aPSA > 20 ng/ml, Gleason Score<br />

> 7, oder T3 Stadium) wurden bei 59 (32%) der 183<br />

Patienten festgestellt. Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit<br />

von 75 Monaten (Bereich 48 – 156<br />

Monate) ist der mittlere PSA-Wert 3,3 ng/ml. Ein zweiter<br />

Zyklus wurde bei 14 Patienten eingeleitet. Alle 14<br />

Patienten hatten Hochrisikofaktoren. Einer der Männer<br />

starb an einem progressiven resistenten PK. Keiner der<br />

Männer mit niedrigen oder mittleren Risikofaktoren<br />

musste einen zweiten Zyklus beginnen. 5 Männer haben<br />

sich nach 3 bis 6 <strong>Jahre</strong>n für eine lokale Therapie<br />

entschieden. Damit ist das krankheitsspezifische Überleben<br />

mit 99,4% anzugeben. Alle Patienten erfuhren<br />

typische und zu erwartende Nebenwirkungen während<br />

der Hormonblockade, alle Nebenwirkungen<br />

waren reversibel nach Absetzen der HB.<br />

• Bedeutung für Patienten: Ein einmaliger Zyklus der<br />

DHB mit anschließender Erhaltungstherapie ermöglicht<br />

eine ausgezeichnete Langzeitkontrolle und<br />

Management eines lokalisierten <strong>Prostatakrebs</strong>es.<br />

Noch immer gibt es keinen prospektiven randomisierten<br />

(durch Zufall ausgewählte Patienten) Studiennachweis,<br />

dass irgendeine Form einer der radikalen lokalen<br />

Therapien das Leben verlängern kann. Nachweise<br />

gibt es lediglich, dass solche radikalen lokalen<br />

Therapien häufig erhebliche und oft permanente<br />

Auswirkungen hinsichtlich der Potenz, der Kontinenz<br />

und auch der fäkalen Funktionen haben können. Mit<br />

der Akzeptanz dieser Präsentation auf diesem Symposium<br />

wird auch seitens der wissenschaftlichen Szene<br />

von dieser neueren Möglichkeit des Umgangs mit<br />

dem <strong>Prostatakrebs</strong> Kenntnis genommen.<br />

9. Kombination einer permanenten Seed-Brachytherapie<br />

mit einer externen Bestrahlung bei <strong>Prostatakrebs</strong>.<br />

Gibt es dabei zusätzliche Probleme im Harntrakt<br />

(urinary morbidity)?<br />

• Hintergrund und Methode: Die Methode der Kombination<br />

von Brachytherapie und externer Bestrahlung<br />

wird hauptsächlich bei Männern mit mittelschweren<br />

prognostischen Faktoren eingesetzt. Die Frage, ob<br />

dadurch zusätzliche Probleme beim Wasserlassen<br />

verbunden sind, wird häufig diskutiert, ohne dass es<br />

hierzu fundierte wissenschaftliche Daten gibt, die dies<br />

bestätigen oder auch das Gegenteil beweisen. Zur<br />

Klärung dieser Frage wurde eine prospektive Studie<br />

durchgeführt. 56 Männer mit <strong>Prostatakrebs</strong> und einem<br />

Gleason Score 7 erhielten eine Kombination von<br />

Brachytherapie und externer Bestrahlung, während<br />

das gleiche Team von Wissenschaftlern weitere 425<br />

Männer mit einem Gleason Score kleiner als 7 nur mit<br />

einer Brachytherapie behandelte. Alle Männer füllten<br />

dann die standardisierten Fragebögen zu Kontinenzproblemen<br />

bis 24 Monate nach der Therapie aus.<br />

• Ergebnisse: Beide Gruppen hatten zunächst vergleichbare<br />

Ausgangsdaten. In der Gruppe mit kombinierter<br />

Therapie wurden nach 6 und nach 12<br />

Monaten signifikant schlechtere Werte gegenüber der<br />

Monotherapie festgestellt. Nach 24 Monaten stellte<br />

sich jedoch in beiden Gruppen wieder die<br />

Problemsituation der Ausgangslage ein. Keiner der<br />

Patienten musste einen Katheter tragen. Keiner der<br />

Patienten aus beiden Gruppen berichtete über<br />

Komplikationen des Schweregrades 4.<br />

• Bedeutung für Patienten: Zeitlich begrenzte Verschlechterung<br />

der unteren Urintrakt Symptome stellten<br />

sich bei allen Männern ein, wobei zunächst schwierige-<br />

51


e Probleme bei den Männern mit einer Kombinationstherapie<br />

festgestellt werden mussten. Nach zwei <strong>Jahre</strong>n<br />

besserten sich jedoch die Symptome und es stellte<br />

sich die ursprüngliche Problemsituation wieder ein. Die<br />

Annahme, dass eine Kombinationstherapie schwerere<br />

Probleme beim Wasserlassen zur Folge haben könnte,<br />

wurde nach dieser Erfahrung nicht bestätigt.<br />

10. Brachytherapie gegenüber radikaler Prostatektomie<br />

beim lokalisierten <strong>Prostatakrebs</strong>: Erfahrungswerte<br />

aus 12 <strong>Jahre</strong>n.<br />

• Hintergrund und Methode: In einer Bemühung, mehr<br />

Klarheit in die ständige Diskussion, welches die beste<br />

Therapie für den Patienten mit lokalisiertem <strong>Prostatakrebs</strong><br />

sei, zu bringen, wurde eine retrospektive Überprüfung<br />

von Patienten aus einer urologischen Praxis<br />

durchgeführt. Die Berichte von 1707 Patienten, die<br />

zwischen 1992 und 2004 behandelt worden waren,<br />

wurden ausgewertet. Die Patienten wurden jeweils in<br />

Risikogruppen entsprechend ihrem Ausgangs-PSA<br />

und dem Gleason Score eingeteilt. Wir nutzten die Zeit<br />

bis zu einem wieder auftretenden PSA-Anstieg als<br />

Indikator für eine Kontrolle des Tumors bzw. für Heilung.<br />

• Ergebnisse: Die Brachytherapie, ausschließlich mit<br />

Palladium 103, und die retropubische radikale Prostatektomie<br />

zeigten etwa gleiche Ergebnisse bei Männern<br />

in der geringen Risikogruppe. Bei der mittleren und der<br />

höheren Risikogruppe war eine bessere Kontrolle der<br />

Erkrankung in der Brachytherapiegruppe feststellbar.<br />

Die zusätzliche Anwendung von externer Bestrahlung<br />

mit oder ohne vorheriger begleitender Hormonblockade<br />

verbesserte die biochemische Kontrollrate<br />

bei der mittleren und höheren Risikogruppe. Dabei<br />

wurde „Kontrolle“ definiert als ein PSA < 0,4 ng/ml bei<br />

der radikalen Prostatektomie und die ASTRO-Definition<br />

(weniger als 3 aufeinander folgende Anstiege des<br />

PSA-Wertes) bei den Patienten mit Brachytherapie.<br />

• Bedeutung für Patienten: Beide Therapien, Brachytherapie<br />

und radikale Prostatektomie, sollten gleichwertig,<br />

ohne jegliche Bevorzugung der einen oder<br />

anderen Therapie, von den Ärzten den Patienten mit<br />

einem Stadium T1 und T2 Tumor einer organbegrenzten<br />

<strong>Prostatakrebs</strong>erkrankung angeboten werden.<br />

11. Konformale Strahlentherapie mit Protonen.<br />

• Hintergrund und Methode: In einer neuen Studie<br />

wurde herausgefunden, dass höhere Dosen einer konformalen<br />

Strahlentherapie, die jedoch anders als in<br />

52<br />

der üblichen Art der Strahlentherapie eingebracht<br />

wurde, das Wachstum des <strong>Prostatakrebs</strong>es verlangsamen<br />

können, ohne dass dadurch unerwünschte Nebenwirkungen<br />

in stärkerem Maße auftreten. Konventionelle<br />

Strahlentherapie setzt Röntgenstrahlen ein,<br />

während bei dieser konformalen Strahlung subatomische<br />

Partikel, die man Protonen nennt, eingebracht<br />

werden, damit höhere Dosen an die Prostata herangebracht<br />

werden können. Diese konformale Strahlentherapie<br />

erlaubt dem Therapeuten, die Bestrahlung<br />

viel präziser einzubringen und damit den Schaden an<br />

gesunden Zellen minimieren zu können. Das Ziel dieser<br />

Studie war es, durch Einbringen einer höheren<br />

Strahlendosis zu ermitteln, ob geringere PSA-Werte und<br />

bessere Überlebenschancen erreicht werden können.<br />

In dieser Studie analysierten die Wissenschaftler 393<br />

Männer mit lokalisiertem <strong>Prostatakrebs</strong>. Die Hälfte der<br />

Männer erhielt die übliche Dosis einer dreidimensionalen<br />

konformalen Strahlentherapie und die andere<br />

Hälfte erhielt eine höhere Dosis dieser neuen dreidimensionalen<br />

konformalen Bestrahlung.<br />

• Ergebnis: Nach 5 <strong>Jahre</strong>n Nachbeobachtungszeit war<br />

der PSA-Level bei den Männern, die eine höhere Dosis<br />

erhalten hatten, um 19,1% angestiegen, während er<br />

bei den Männern mit der üblichen Strahlendosis um<br />

37,3% angestiegen war. Mehr als 90% der Männer in<br />

beiden Gruppen waren noch am Leben und die<br />

unerwünschten Nebenwirkungen waren gering (2%<br />

oder weniger) in beiden Gruppen.<br />

• Bedeutung für Patienten: Diese Studie belegt, dass<br />

eine höhere Dosis der konformalen Strahlentherapie<br />

den Entwicklungsprozess des <strong>Prostatakrebs</strong>es verlangsamen<br />

und dabei die Schädigung von gesunden<br />

Zellen eingegrenzt werden kann. Die Überlebenszeit<br />

nach 5 <strong>Jahre</strong>n Nachbeobachtung war jedoch in beiden<br />

Gruppen ähnlich, was man bei Männern mit lokalisiertem<br />

<strong>Prostatakrebs</strong> auch erwarten kann. Daher ist<br />

eine längere Nachbeobachtungszeit erforderlich, um<br />

zu erkennen, ob auch ein Unterschied im Langzeitüberleben<br />

in den beiden Gruppen erkannt werden<br />

kann. Zur Zeit ist diese Therapietechnik noch nicht<br />

überall verfügbar.<br />

CHRISTIAN LIGENSA<br />

STELLVERTR. VORSITZENDER<br />

BUNDESVERBAND<br />

PROSTATAKREBS SELBSTHILFE E. V.


✂<br />

Informationsmaterial Heft 2/2005<br />

❑ Patientenbroschüre:<br />

Ich habe <strong>Prostatakrebs</strong> – Was nun?<br />

❑ <strong>Prostatakrebs</strong> – viel häufiger als<br />

man denkt<br />

❑ Prostata: Eine Männersache.<br />

Informationen zur Vorsorge und<br />

Diagnostik von <strong>Prostatakrebs</strong><br />

❑ Prostatastanzbiopsie<br />

❑ Prostata-Pass<br />

❑ Strahlentherapie<br />

❑ Krebsschmerzen wirksam bekämpfen<br />

❑ Wegweiser zu Sozialleistungen<br />

❑ Hilfen für Angehörige<br />

❑ Teamwork<br />

❑ Ernährung bei Krebs<br />

❑ Gesund bleiben<br />

❑ Gesunden Appetit<br />

❑ Wertvoll – Gesunde Ernährung<br />

❑ Krebsschmerz – Was tun?<br />

❑ Patienteninformation zu Symptomen,<br />

Diagnostik und Behandlung von<br />

Knochenmetastasen<br />

❑ Brachytherapie<br />

❑ Arzneimittelkosten-Vergleich<br />

❑ Musterbrief:<br />

Einsicht in die Krankenakten<br />

❑ Palliativmedizin<br />

❑ Fatigue<br />

❑ Radikaloperation der Prostata beim<br />

Prostatakarzinom<br />

❑ BPS-Magazin 1/2005


Diese Ausgabe erscheint mit freundlicher Unterstützung durch:<br />

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<strong>Bundesverband</strong><br />

<strong>Prostatakrebs</strong> <strong>Selbsthilfe</strong> e. V.<br />

Alte Straße 4<br />

30989 Gehrden<br />

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