Sicherheitskommunikation für mobile Hilfsorganisationen
Sicherheitskommunikation für mobile Hilfsorganisationen
Sicherheitskommunikation für mobile Hilfsorganisationen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Sicherheitskommunikation</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />
<strong>Sicherheitskommunikation</strong> <strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />
Tina Siegfried<br />
Next Generation E-Government <strong>für</strong> die<br />
innere Sicherheit und den Bevölkerungsschutz<br />
Klaus Lenk<br />
Informations- und Kommunikationsstrategien des<br />
Bundesamtes <strong>für</strong> Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)<br />
Christoph Unger<br />
Notfallmanagement am Beispiel des<br />
routenflexiblen Störfallmanagements im ÖV<br />
Stefan Tritschler<br />
Das EU-Projekt SHARE –<br />
Datenfunkgestütztes multimodales Informationsmanagement<br />
<strong>für</strong> die Einsatzleitung bei Großschadensereignissen<br />
Rainer Koch, Bo-Sik Lee, Rüdiger Harnasch, Jobst Löffler, Joachim Köhler<br />
Sicherheit im Geoinformationsmanagement mit offenen Standards<br />
und Geodateninfrastrukturen<br />
Markus Müller<br />
Anforderungen an <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />
aus der Sicht des Deutschen Roten Kreuzes<br />
Johannes Richert<br />
Die Kommunikation der BOS – Organisatorische und technische Aspekte<br />
Albrecht Broemme<br />
Anforderungen an das Informations- und Kommunikationsmanagement<br />
in der Gefahrenabwehr am Beispiel der Brandbekämpfung<br />
Wolf R. Dombrowsky<br />
Anforderungen an Informations- und Kommunikationsmanagement<br />
Gerhard Weisschnur<br />
Hochschulkolleg E-Government<br />
Stiftungsreihe<br />
66
Impressum<br />
Stiftungs-Reihe<br />
Redaktion<br />
Dr. Dieter Klumpp<br />
(Leitung)<br />
Petra Bonnet M.A.<br />
Renate Förstner<br />
Tina Siegfried<br />
Druck der Br oschüre<br />
DCC Kästl GmbH & Co. KG<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
Alcatel SEL Stiftung<br />
© 2005<br />
Postadresse<br />
Alcatel SEL Stiftung<br />
Postfach 40 07 49<br />
70407 Stuttgart<br />
Telefon (0711) 821-45002<br />
Telefax (0711) 821-42253<br />
E-mail sel.stiftung@alcatel.de<br />
www.stiftungaktuell.de<br />
ISSN 0932-156x<br />
<strong>Sicherheitskommunikation</strong> <strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />
Tagungsdokumentation, Berlin, 3. Februar 2005<br />
Seite 1<br />
Inhaltsverzeichnis Seite<br />
<strong>Sicherheitskommunikation</strong> <strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong> 3<br />
Tina Siegfried<br />
Next Generation E-Government <strong>für</strong> die<br />
innere Sicherheit und den Bevölkerungsschutz 6<br />
Klaus Lenk<br />
Informations- und Kommunikationsstrategien<br />
des Bundesamtes <strong>für</strong> Bevölkerungsschutz und<br />
Katastrophenhilfe (BBK) 10<br />
Christoph Unger<br />
Notfallmanagement am Beispiel des<br />
routenflexiblen Störfallmanagements im ÖV 16<br />
Stefan Tritschler<br />
Das EU-Projekt SHARE –<br />
Datenfunkgestütztes multimodales Informationsmanagement<br />
<strong>für</strong> die Einsatzleitung bei Großschadensereignissen 26<br />
Rainer Koch, Bo-Sik Lee, Rüdiger Harnasch,<br />
Jobst Löffler, Joachim Köhler<br />
Sicherheit im Geoinformationsmanagement<br />
mit offenen Standards und Geodateninfrastrukturen 42<br />
Markus Müller<br />
Anforderungen an <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />
aus der Sicht des Deutschen Roten Kreuzes 51<br />
Johannes Richert<br />
Die Kommunikation der BOS –<br />
Organisatorische und technische Aspekte 56<br />
Albrecht Broemme<br />
Anforderungen an das Informations- und<br />
Kommunikationsmanagement in der Gefahrenabwehr<br />
am Beispiel der Brandbekämpfung 59<br />
Wolf R. Dombrowsky<br />
Anforderungen an<br />
Informations- und Kommunikationsmanagement 63<br />
Gerhard Weisschnur
Seite 2
Seite 3<br />
<strong>Sicherheitskommunikation</strong> <strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />
Tina Siegfried<br />
Der Umstellungsprozess hin zur "Next Generation<br />
E-Government" bietet eine große Chance<br />
<strong>für</strong> alle Organisationen mit Sicherheitsaufgaben,<br />
neue technische Infrastrukturen mit<br />
gänzlich neuen Prozessen der Kommunikation<br />
und der Organisation zu verwirklichen.<br />
Wie die Polizeien, Feuerwehren, Zollfahnder<br />
und Katastrophenschützer sind alle technischen<br />
Hilfswerke, <strong>mobile</strong> sanitäre Dienste<br />
wie Notärzte, Abschlepp- und Bergungsunternehmen,<br />
Versicherungen sowie nicht zuletzt<br />
Gefahrgutlogistiker auf schnelle und zuverlässige<br />
Kommunikationsabläufe angewiesen.<br />
Da<strong>für</strong> stehen zwar aus technischer Sicht<br />
Lösungsmöglichkeiten beispielsweise <strong>für</strong> <strong>mobile</strong><br />
Breitbandkommunikation zur Verfügung.<br />
Die genauen Anforderungen an die Technik<br />
und ihre Einsatzmöglichkeiten müssen allerdings<br />
noch aus Sicht der Praktiker formuliert<br />
werden. Neue Herausforderungen wie Großunfälle<br />
und Attentate brauchen eine entsprechende<br />
Verfügbarkeit einer "<strong>Sicherheitskommunikation</strong>",<br />
die weit mehr ist als bloße<br />
Technik.<br />
Der Begriff <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />
umfasst dabei weit mehr als den Austausch<br />
von Informationen zwischen Behörden mit<br />
Sicherheitsaufgaben und Einheiten des Notfall-<br />
und Rettungswesens über gesicherte Kanäle.<br />
Gerade in diesem Bereich ist ein Informationsmanagement<br />
unabdingbar, das die<br />
technischen Möglichkeiten nutzt, um alle beteiligten<br />
Akteure mit den <strong>für</strong> sie wichtigen<br />
und spezifischen Informationen zu versorgen.<br />
Neben der Schaffung der technischen und infrastrukturellen<br />
Voraussetzungen bedarf es zusätzlich<br />
auch organisatorischer Maßnahmen,<br />
um die Kommunikation zwischen Behörden,<br />
Einsatzleitern und Kräften vor Ort zu gewährleisten.<br />
In den ersten zwei Workshops der Alcatel<br />
Stiftung zu diesem Thema (Hamburg, August<br />
2004 und Bremen, November 2004) wurden<br />
technische und organisatorische Fragen <strong>für</strong><br />
den Bereich der Polizei sowie <strong>für</strong> Feuerwehr<br />
und Katastrophenschutz diskutiert. Dabei<br />
konnten wir feststellen, dass es nicht nur eine<br />
Vielzahl neuer technischer Möglichkeiten<br />
gibt, sondern dass auch bereits viele technische<br />
Lösungen praktisch erprobt werden. Beispiele<br />
da<strong>für</strong> sind die Möglichkeiten des Einsatzes<br />
von Sensoren bei der Brandbekämpfung<br />
bei der Feuerwehr, die Nutzung von<br />
Geoinformationssystemen im Katastrophenschutz<br />
oder der Einsatz von Vorgangsbearbeitungssystemen<br />
bei der Polizei. Im Verlaufe<br />
der Diskussionen stellte sich ziemlich schnell<br />
heraus, dass kritische Punkte zwar in der Frage<br />
der technischen Ausstattung oder in den<br />
nicht immer im gewünschten Maße zur Verfügung<br />
stehenden Infrastrukturen liegen, dass<br />
andererseits aber auch in organisatorischer<br />
Hinsicht Probleme bestehen, vor allem bei der<br />
Koordination und Kooperation der Akteure,<br />
die in einem Schadensfall schnell und effektiv<br />
zusammenwirken müssen.<br />
Die Veranstaltung „<strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong>“ am<br />
3. Februar 2005 in Berlin verfolgte ausgehend<br />
von den Erfahrungen aus den ersten beiden<br />
Workshops zwei Ziele. Zum einen sollten<br />
Technikpotenziale aufgezeigt werden, um<br />
Abschätzungen zu ermöglichen, was Technik<br />
leisten kann - und was nicht. Beiträge zu Geoinformationssystemen,<br />
Störfallmanagement<br />
oder Notfallwarnsystemen <strong>für</strong> die Bevölkerung<br />
beleuchteten diesen Aspekt. Zum zweiten<br />
bot die Veranstaltung ein Forum, auf dem<br />
die These diskutiert wurde, dass Kommunikation<br />
zwar auch technikabhängig ist, aber auch
Seite 4<br />
entscheidend von den Beziehungen der beteiligten<br />
Akteure abhängt. Neben Information<br />
und Kommunikation liegt ein nicht zu vernachlässigendes<br />
Moment auch in der Gestaltung<br />
von Kooperation und in der Koordination<br />
von Einsatzkräften. Eine Podiumsdiskussion<br />
am Nachmittag zum Thema Anforderungen<br />
an Informations- und Kommunikationsmanage-ment<br />
rundete diesen Themenbereich<br />
ab.<br />
Zum Auftakt der Veranstaltung führte Dr.<br />
Klumpp von der Alcatel Stiftung in den Begriff<br />
<strong>Sicherheitskommunikation</strong> ein und wies<br />
darauf hin, dass <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />
sowohl Organisation als auch Infrastrukturen<br />
betreffe, also weit mehr als technische Fragen<br />
berühre. Professor Lenk von der Universität<br />
Oldenburg problematisierte ebenfalls in seinem<br />
Beitrag den Begriff <strong>Sicherheitskommunikation</strong>,<br />
der als zu technisch empfunden<br />
werden könne, obwohl doch gerade auch<br />
Kommunikation und organisatorische Fragen<br />
darunter fallen würden. Er plädierte außerdem<br />
in Anlehnung an die Gesetzesfolgenabschätzung<br />
<strong>für</strong> die Einführung einer Innovationsfolgenabschätzung.<br />
Diese solle nicht nur die<br />
technischen Fragen betrachten, sondern auch<br />
das Feld Sicherheitspolitik als Ganzes betrachten<br />
und darüber hinaus eine soziotechnische<br />
Sichtweise einnehmen, bei der das<br />
Zusammenwirken von Mensch und Technik<br />
im Gesamtzusammenhang gesehen wird.<br />
Dr. Kalcher von der Steiermärkischen<br />
Landesregierung unterstrich die Bedeutung<br />
von Kooperation als Basis des Katastrophenschutzes<br />
und berichtete in seinem Vortrag über<br />
entsprechende Maßnahmen der Steiermärkischen<br />
Landesregierung. Der Präsident<br />
des Bundesamtes <strong>für</strong> Bevölkerungsschutz und<br />
Katastrophenhilfe, Christoph Unger, informierte<br />
die Teilnehmer über die aktuelle Informations-<br />
und Kommunikationsstrategie des<br />
Bundesamtes, die sich dem Leitmotiv der<br />
Vernetzung verschrieben habe, und bei der<br />
verbesserte Kooperation, Information und<br />
Kommunikation als Schlüsselkriterien <strong>für</strong> eine<br />
Optimierung des Gefahren- und Krisenmanagements<br />
sowohl bei klassischen Katastrophen<br />
als auch bei außergewöhnlichen Gefahren<br />
und Schadenslagen betrachtet werden.<br />
Stefan Tritschler von der Universität Stuttgart<br />
erläuterte im Anschluss daran das Thema edvgestütztes<br />
Notfallmanagement am Beispiel<br />
des Störungsfallmanagements im öffentlichen<br />
Personennahverkehr. Das EU-Projekt SHARE<br />
wurde von Dr. Löffler (Fraunhofer IMK) und<br />
Professor Koch (Universität Paderborn) vorgestellt.<br />
Bei diesem wird zusammen mit europäischen<br />
Projektpartnern ein innovatives<br />
Kommunikationssystem entwickelt, das Feuerwehren<br />
und Rettungsdienste bei größeren<br />
Schadenslagen und beim Katastrophenmanagement<br />
unterstützen kann. Sicherheit im Geoinformationsmanagement<br />
lautete der Titel des<br />
Beitrags von Herrn Müller (lat/lon GmbH<br />
Hamburg), der das Thema Geodateninfrastrukturen<br />
als adäquates Mittel zum Management<br />
von verteilten und raumbezogenen Datenbeständen<br />
vorstellte. Über Notfallwarnsysteme<br />
<strong>für</strong> die Bevölkerung berichtete anschließend<br />
Dr. Gollnick von eMessage, und Dr.<br />
Richert vom Deutschen Roten Kreuz befasste<br />
sich in seinem Beitrag mit der Frage, welche<br />
Anforderungen an <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />
aus Sicht der <strong>Hilfsorganisationen</strong> gestellt werden<br />
müssten. Schließlich ging Landesbranddirektor<br />
Broemme (Feuerwehr Berlin) in seinem<br />
Vortrag auf die Frage ein, welche organisatorischen<br />
und technischen Aspekte bei der<br />
Kommunikation in Sicherheitsbehörden eine<br />
Rolle spielen. In der Podiumsdiskussion wurden<br />
Statements vorgetragen von Wolf Dombrowsky<br />
(Katastrophenforschungsstelle Kiel),<br />
Daniel Holweg (Fraunhofer IGD), Gerhard<br />
Weisschnur (Innenbehörde Hamburg) und<br />
Professor Lenk (Uni Oldenburg). Als Ergebnis<br />
der Diskussion lässt sich zusammenfassen,<br />
dass die IuK-Technik genügend Potenziale
ietet und oft bereits bei Feuerwehren und<br />
anderen Rettungsorganisationen eingeführt<br />
ist, dass aber die Anforderungen an die Technik<br />
mit den Anwendern gemeinsam entwickelt<br />
werden sollten. Darüber hinaus wurde<br />
festgehalten, dass die informationstechnische<br />
Vernetzung genauso wie die Kommunikation<br />
der Akteure verbesserungsfähig ist. Gefragt<br />
sind hierbei Initiativen und Institutionen, die<br />
diesen Austausch fördern, um die organisatorischen<br />
wie auch die Kommunikationsprobleme<br />
im Bereich Katastrophenschutz zu überwinden.<br />
Die hiermit vorgelegte Dokumentation der<br />
Beiträge spiegelt den Verlauf der Tagung wider<br />
und soll es allen Interessierten ermöglichen,<br />
sich durch die Schriftfassungen der<br />
Weitere Titel aus der Stiftungsreihe zum<br />
Thema E-Government:<br />
BürgerServiceNetz – bürgerfreundliche Angebote<br />
mit neuen Technologen, Tagungsdokumentation,<br />
Branenburg 2004 (SR65)<br />
Next Generation E-Government <strong>für</strong> die Innere Sicherheit<br />
– Erfahrungen, Praxisberichte und Visionen,<br />
Tagungsdokumentation, Hamburg 2004, mit<br />
Beiträgen u.a. von Klaus Lenk, Lothar Mühlbach<br />
und Peter Schaar (SR 62)<br />
Informationsbrücken <strong>für</strong> Electronic Government.<br />
Transferkonferenz St. Petersburg 2004, mit Beiträgen<br />
u.a. von Jörg Tauss, Helmut Krcmar, Michael<br />
Zinke, Barbara Zimmers (SR 60)<br />
Führung, Organisation und Kultur im Electronic<br />
Government, Beiträge von Gerhard Banner, Hermann<br />
Hill, Helmut Krcmar, Willy Landsberg und<br />
Klaus Lenk (SR59)<br />
Grenzenlose Kooperationen <strong>für</strong> E-Government?<br />
Tagungsdokumentation Winsen/Luhe 2002, mit<br />
Beiträgen u.a. von Herbert Kubicek, Helmut<br />
Bäumler, Henning Lühr, Shahab Behjat, Martin<br />
Eifert (SR 55)<br />
Seite 5<br />
Vorträge über die verschiedenen Aspekte von<br />
<strong>Sicherheitskommunikation</strong> zu informieren.<br />
Ich danke allen Referenten herzlich <strong>für</strong> ihre<br />
Vorträge während der Tagung und <strong>für</strong> die<br />
ausgearbeiteten Fassungen ihrer Beiträge. Besonderer<br />
Dank gilt Herrn Dr. Klumpp und<br />
Herrn Professor Lenk, die die Tagung initiiert<br />
und inhaltlich mit Anregungen unterstützt und<br />
damit wesentlich zum Erfolg beigetragen haben.<br />
Tina Siegfried ist Projektassistentin der<br />
Alcatel SEL Stiftung <strong>für</strong> Kommunikationsforschung.<br />
Bürgernetze und Sicherheit im E-Government,<br />
Tagungsdokumentation Freiburg 2002, mit Beiträgen<br />
u.a. von Oscar W. Gabriel, Wolfgang Vöhringer,<br />
Werner Brettreich-Teichmann und Ulrich<br />
Winchenbach (SR46)<br />
Weitere Stiftungspublikationen zum Thema<br />
(erhältlich im Buchhandel):<br />
Lenk, Klaus (2004): Verwaltungsinformatik als<br />
Modernisierungschance. Strategien – Modelle –<br />
Erfahrungen. Aufsätze 1988-2003. Berlin<br />
Lenk, Klaus (2004): Der Staat am Draht. Electronic<br />
Government und die Zukunft der öffentlichen<br />
Verwaltung – eine Einführung. Berlin<br />
Neue Lernkulturen im virtuellen Rathaus (2004).<br />
Beiträge u.a. von Petra Bonnet, Andreas Kraft. In:<br />
Roters, Turecek, Klingler (Hrsg.): eLearning.<br />
Trends und Entwicklungen. Schriftenreihe Baden-<br />
Badener Sommerakademie. Band 4. Berlin
Seite 6<br />
Next Generation E-Government <strong>für</strong> die<br />
innere Sicherheit und den Bevölkerungsschutz<br />
Einführung in das Projekt der Alcatel SEL Stiftung <strong>für</strong> Kommunikationsforschung<br />
Klaus Lenk<br />
Die Workshop-Reihe der Alcatel SEL Stiftung<br />
<strong>für</strong> Kommunikationsforschung hat sich<br />
zum Ziel gesetzt, die Nutzung der Informationstechnik<br />
<strong>für</strong> die Arbeit von Behörden und<br />
Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (im<br />
Folgenden als BOS abgekürzt) zu fördern und<br />
zu strukturieren. Sie ist damit Teil eines längerfristig<br />
angelegten Forschungsprojekts des<br />
von der Stiftung gegründeten Hochschulkollegs<br />
E-Government.<br />
Worum geht es bei diesem Forschungsprojekt?<br />
Die Chancen, die eine Weiterentwicklung<br />
des informationstechnischen Instrumentariums<br />
<strong>für</strong> eine Effektivierung, Qualitätsverbesserung<br />
und Effizienzsteigerung bietet, sind in<br />
ihrer Tragweite nur einem kleinen Kreis von<br />
Kennern der Technik wirklich bewusst. Die<br />
gegenwärtige Modewelle des E-Government<br />
hat die Polizeiarbeit („e-policing“) und das<br />
Umgehen mit Schadenslagen („e-emergency“)<br />
noch nicht wirklich erreicht. In einem<br />
engen Verständnis von E-Government können<br />
Internetpräsenz der Polizei wie auch Beschaffungssysteme<br />
oder die Anzeigenaufnahme online<br />
erwähnt werden, und im Hinblick auf den<br />
Bevölkerungsschutz zeigen sich seit dem<br />
11. September 2001 und der Flutkatastrophe<br />
2002 gewisse Ansätze. Diese sind jedoch häufig<br />
dadurch geprägt, dass „aus gegebenem<br />
Anlass“ technische Lösungen <strong>für</strong> Probleme<br />
vorgeschlagen werden, ohne dass deren Einbettung<br />
in die Handlungspraxis der beteiligten<br />
Institutionen bedacht würde.<br />
Wenn Besorgnis über einen Missstand akut<br />
wird oder – wie so häufig bei den Organisati-<br />
onen des Katastrophenschutzes – der letzte<br />
verlorene Krieg künftig gewonnen werden<br />
soll, dann wird regelmäßig eine gerade fertige<br />
oder halbfertige Technikanwendung als Problemlösung<br />
dargestellt und mit der Behauptung<br />
angeboten, mit ihr seien alle Probleme gelöst.<br />
Ein Beispiel <strong>für</strong> diese kurzschlüssige Argumentationskette<br />
liefert die Personenidentifikation.<br />
Hier werden gegenwärtig Biometriepässe<br />
als Lösung gehandelt, mit der alle Probleme<br />
beseitigt werden könnten. Es scheint so,<br />
als ob manche Technikanwendungen geradezu<br />
darauf warten, dass die in der Praxis auftauchenden<br />
Probleme so definiert werden,<br />
dass der Einsatz fertiger technischer Konzepte<br />
als sinnvolle Lösung erscheint.<br />
Diese Argumentation greift zu kurz. Verkannt<br />
wird, dass technische Systeme eingebettet<br />
sind in organisatorische Strukturen und<br />
Praktiken sowie in ein gesellschaftliches Umfeld.<br />
Damit technische Neuerungen tatsächlich<br />
zu Innovationen in organisatorischer und<br />
gesellschaftlicher Hinsicht führen, kommt es<br />
darauf an, dass sich Verhalten, Prozesse,<br />
Strukturen verändern. Nicht die technische<br />
Innovation, sondern die technisch ermöglichte<br />
Innovation in der Praxis ist der entscheidende<br />
Umstand.<br />
Um Fehlentwicklungen zuvorzukommen,<br />
aber auch um die vielfältigen Chancen besser<br />
zu erfassen, geht das Forschungsvorhaben des<br />
Hochschulkollegs E-Government grundsätzlicher<br />
vor. Mit ihm werden die drei großen<br />
Themen in eine systematische Verbindung<br />
gebracht, welche gegenwärtig die Debatten<br />
über Polizei, innere Sicherheit, Rettungs-
dienste und Katastrophenschutz (einschließlich<br />
Zivilschutz) beherrschen. Diese drei<br />
Themen sind:<br />
1. Neue Herausforderungen <strong>für</strong> die Gewährleistung<br />
innerer Sicherheit und an die staatliche<br />
Risikovorsorge durch neue Bedrohungslagen<br />
( vor allem riskantes Umgehen<br />
mit der Natur, Missbrauch des technischen<br />
Potenzials, Planen und Auslösen von Gefährdungen<br />
über große Entfernungen hinweg).<br />
2. Neue Chancen und Formen des Technikeinsatzes<br />
bei der Herstellung von Sicherheit<br />
bzw. bei der Risikoabwehr, z.B. durch<br />
Schaffung von Infrastrukturen wie dem<br />
BOS-Digitalfunk und IT-Einsatz in Geschäftsprozessen<br />
bei Polizei und anderen<br />
BOS.<br />
3. Neue organisatorische Arrangements<br />
(Einführung von New Public Management<br />
bei der Polizei, Zusammenarbeit öffentlicher<br />
mit privaten Sicherheitskräften, gemeinsame<br />
Einsatzleitstellen).<br />
Das Zusammenführen dieser drei Themenstränge<br />
erfordert eine Sichtweise, die sich von<br />
der punktuell-problemorientierten Sicht der<br />
Öffentlichkeit und der Politik abhebt. Innovationen<br />
von Dauer lassen sich – wenn sie nicht<br />
pure Zufallsergebnisse bleiben sollen – nur<br />
dadurch erreichen, dass man sie in einem Zusammenhang<br />
plant und dabei <strong>für</strong> neue Chancen<br />
und Entwicklungen offen bleibt. Diese<br />
Planung ist möglich, wenn drei Sichtweisen<br />
verbunden werden.<br />
Es sind dies:<br />
• Systembetrachtung,<br />
• Sozio-technische Sicht,<br />
• Prozessbetrachtung.<br />
In diesen Sichtweisen, welche gegenwärtig<br />
erst in Ansätzen die Politik der inneren Sicherheit<br />
durchdringen, konkretisiert sich der<br />
Seite 7<br />
Konnex zwischen technischem und menschlichem<br />
Handeln, zwischen Herausforderung<br />
und passender Antwort. In ihrer Kombination<br />
können diese drei Sichtweisen im gesamten<br />
Feld der inneren Sicherheit und des Katastrophenschutzes<br />
zu einer Erneuerung führen,<br />
welche nicht kurzlebige Erfolge durch isolierte<br />
Technikanwendungen, sondern grundlegende<br />
Veränderungen anzielt.<br />
So ist die Systemsicht geeignet, die Sicherheitsproblematik<br />
ganzheitlich zu erfassen,<br />
ohne dabei ins Uferlose zu geraten. Systemsicht<br />
zeichnet sich dadurch aus, dass der Betrachter<br />
die Grenzen des jeweils zu untersuchenden<br />
bzw. zu verbessernden Systems absteckt,<br />
dabei dessen Umgebung nicht aus den<br />
Augen verliert und Wechselwirkungen bedenkt.<br />
Damit kann gewährleistet werden, dass<br />
denkbare oder verfügbare Lösungen nicht die<br />
Wahrnehmung der Probleme einfärben. Technik<br />
erscheint nicht mehr als Allheilmittel,<br />
sondern ihr Einsatz kann in einem weiteren<br />
Kontext betrachtet werden.<br />
Somit kann unter anderem auch sichergestellt<br />
werden, dass Innovationen möglichst<br />
bald spürbaren Nutzen bringen (Aspekt der<br />
Wirtschaftlichkeit); ferner, dass Probleme<br />
nicht auf die Nutzer abgewälzt werden (Aspekt<br />
der usability),<br />
Ergänzt wird der Systemansatz durch eine<br />
sozio-technische Sicht, welche von vornherein<br />
das Zusammenwirken von Mensch und<br />
Technik in Handlungssystemen thematisiert.<br />
Die Einsicht, dass Nutzung der Informationstechnik<br />
in menschlichen Handlungssystemen<br />
immer ein Zusammenspiel unterschiedlicher<br />
Arbeitsbeiträge bedeutet, wurde mit dem Leitprogramm<br />
einer sozio-technischen Systemgestaltung<br />
schon vor über drei Jahrzehnten formuliert.<br />
Sie wird in der Praxis der Systementwicklung<br />
aber immer wieder zugunsten einer<br />
Gestaltungspraxis hintangestellt, welche allein<br />
die technischen Anteile des zu schaffenden<br />
Systems plant. So dominiert regelmäßig
Seite 8<br />
eine Anforderungserhebung, welche Anforderungen<br />
an die Software zusammenträgt und es<br />
dann letztlich der Praxis überlässt, ob die neu<br />
entwickelte oder angepasste Software von den<br />
Menschen, die mit ihr umgehen müssen verstanden<br />
und akzeptiert wird. Eine ganzheitliche<br />
Planung von Arbeitssystemen würde hingegen<br />
von vornherein sicherstellen, dass die<br />
Mensch-Computer-Interaktion gelingt und arbeitswissenschaftlichen<br />
Grundsätzen entspricht.<br />
Die Geschäftsprozesssicht als dritte Sicht<br />
ist die einer konsequenten Betrachtung von<br />
Handlungszusammenhängen, von Arbeit und<br />
von Kommunikation, als in der Zeit ablaufende<br />
Geschäftsprozesse, die ein festes Ziel haben.<br />
Diese Betrachtung beginnt sich z.B. bei<br />
der Polizei erst jetzt durchzusetzen. Das mag<br />
damit zu tun haben, dass die Prozesse der Polizeiarbeit<br />
ja oftmals nicht zum Ziel haben, irgendwelche<br />
Dinge zu produzieren oder umzugestalten.<br />
Geht es zum Beispiel darum, einen<br />
Streit zu schlichten oder durch Präsenz<br />
potenzielle Straftäter abzuschrecken, so ist ihr<br />
Handeln nicht produktiv in einem engen Sinne,<br />
sondern reaktiv-stabilisierend. Gleichwohl<br />
ist die Prozesssicht auch hier sehr nützlich,<br />
um dieses Handeln zu analysieren.<br />
Die Prozesssicht einzunehmen bedeutet<br />
nicht, sich den verbreiteten Werkzeugen zur<br />
Analyse und Gestaltung von IT-gestützten<br />
Prozessen auszuliefern. Wie gesagt sind diese<br />
darauf ausgerichtet, Anforderungen an die<br />
Softwaregestaltung zu erheben, nicht jedoch<br />
darauf, ganzheitlich das sozio-technische System<br />
zu gestalten, in welchem die Technik ihre<br />
Wirkungen entfaltet. Diese Gestaltung setzt<br />
Prozessverständnis voraus; dieses Verständnis<br />
kann erreicht werden, ohne dass – wie meistens<br />
bei der Prozessanalyse – Standardisierung<br />
oder gar Automatisierung ganzer Prozesse<br />
das Ziel ist.<br />
Ein Vorteil einer auf Verständnis ausgerichteten<br />
Prozessbetrachtung ist es, dass sie<br />
Kernprozesse aus dem Systemzusammenhang<br />
heraus zu definieren vermag. Damit wird die<br />
Aufmerksamkeit von Nebensächlichkeiten abgelenkt.<br />
Weiterhin ermöglicht die konsequente Prozesssicht<br />
eine Modularisierung von Prozessen,<br />
was Effizienzvorteile bringen kann, aber<br />
auch neue Möglichkeiten der sozio-technischen<br />
Gestaltung eröffnet. Damit kann systematisches,<br />
zielbezogenes Vorgehen bei der<br />
Prozess-Reorganisation angeleitet werden.<br />
Leistungsprozesse können über Organisationsgrenzen<br />
und Verwaltungsebenen hinweg<br />
völlig neu gestaltet werden. Für die entstehenden<br />
Module kommen unterschiedliche<br />
Leistungsproduzenten in Betracht: neben öffentlichen<br />
Einrichtungen auch gemeinnützige<br />
oder private Anbieter. Hierdurch können Spezialisierungsvorteile<br />
ausgeschöpft werden, die<br />
bei herkömmlicher Arbeitsweise nicht möglich<br />
sind. Am Ende dieses Transformationsprozesses<br />
können verantwortlich gesteuerte<br />
öffentliche Leistungsnetzwerke stehen, in denen<br />
jeder das produziert, was er am besten<br />
kann.<br />
Ein nicht zu unterschätzender Nutzen einer<br />
auf Leistungsnetzwerke ausgerichteten Prozessbetrachtung<br />
liegt darin, dass sie über<br />
schlichte Alternativen im Sinne vollständiger<br />
Privatisierung oder gar der Abschaffung von<br />
Aufgaben hinausführt. Modularisierte Leistungsprozesse<br />
sind eine Alternative zu<br />
„Make“, „Buy“ oder „Give up“. Einige Tätigkeiten<br />
bleiben sinnvollerweise in öffentlicher<br />
Hand – andere können besser privat erledigt<br />
werden. Die Prozessbetrachtung hilft, diese<br />
Tätigkeiten zu erkennen.<br />
Angesichts der Faszination rein technischer<br />
Innovationen ist es nicht einfach, dieser<br />
kombinierten Betrachtung der Problematik<br />
von drei Sichtweisen her zum Durchbruch zu<br />
verhelfen. Der Druck der Technikhersteller,<br />
welche selbst oder auf dem Umweg über große<br />
Beratungsfirmen die Politik im Sinne des
Kaufs ihrer technischen Lösungen zu beeinflussen<br />
suchen, ist groß. Sie können darauf<br />
verweisen, dass mit der Einführung ihrer Systeme<br />
noch weitere positive Wirkungen erzeugt<br />
werden können, z.B. solche wirtschafts-<br />
und arbeitspolitischer Art, und dass international<br />
andere Akteure mit der Einführung der<br />
Systeme schon weiter „fortgeschritten“ sind.<br />
Die Faszination technischer Neuerungen lässt<br />
die Notwendigkeit ihrer Einbettung in eine<br />
organisch gewachsene Handlungspraxis übersehen.<br />
Der Blick <strong>für</strong> das ingenieurmäßig<br />
Machbare wird getrübt.<br />
Dem will das Forschungsprojekt gegensteuern.<br />
Ergebnis der Kombination dieser<br />
drei Sichtweisen sollen robuste und handhabbare<br />
Verfahren sein, welche Akteuren in der<br />
Praxis dabei Hilfestellung bieten, neue innovative<br />
Systeme der Sicherheitsgewährleistung<br />
und des Bevölkerungsschutzes zu entwickeln.<br />
Ein solches Verfahren kann als Innovation<br />
Impact Assessment bezeichnet werden. So<br />
ähnlich wie die inzwischen akzeptierte Gesetzesfolgenabschätzung<br />
soll dieses Verfahren<br />
vor Einführung eines neuen Systems die<br />
mutmaßlichen Folgen klären und die Frage<br />
beantworten, ob die Einführung den erwarteten<br />
Nutzen bringt (vgl. Lenk 2004). Dies bedeutet<br />
mehr als bloße Technikfolgenabschätzung:<br />
es geht um vorausschauende Bewertung<br />
neuer sozio-technischer Arbeits- und Kommunikationszusammenhänge.<br />
Insgesamt geht es mithin darum, soziotechnische<br />
ganzheitliche Planung an die Stelle<br />
rein technischer Innovation treten zu lassen.<br />
Das Schicksal vieler primär von der technischen<br />
Seite her geplanten Großprojekte – genannt<br />
sei hier nur INPOL-neu – zeigt, wie<br />
sehr ein solcher Ansatz noch fehlt.<br />
Betrachtet man das Handlungsfeld von einem<br />
wünschenswerten Zielszenario „Sicher-<br />
Seite 9<br />
heit / Bevölkerungsschutz 2015“ her, so könnte<br />
man zu folgenden Annahmen gelangen:<br />
• unkontrollierte Techniknutzung, akute und<br />
schleichende Katastrophen haben zu einer<br />
Aufwertung des Handelns der öffentlichen<br />
Verwaltung geführt,<br />
• menschliches und technisches Handeln<br />
sind eng verwoben, ohne dass menschliche<br />
Verantwortung aufgegeben wird,<br />
• sozio-technische (ganzheitliche) Planung<br />
von Arbeit und Kommunikation ist an die<br />
Stelle rein technischer Innovation getreten.<br />
Zu erwarten ist – mit Horizont 2015 –<br />
nicht, dass die Bedrohungen und Schutznotwendigkeiten<br />
geringer werden. Wohl aber<br />
kann unsere Fähigkeit, diesen Bedrohungen<br />
zu begegnen, noch erheblich gesteigert werden.<br />
Ein Weg hierzu wird im Projekt des<br />
Hochschulkollegs E-Government der Alcatel<br />
SEL Stiftung gewiesen.<br />
Literaturnachweis<br />
Lenk 2004: Klaus Lenk, Next-Generation E-<br />
Government <strong>für</strong> die Innere Sicherheit: Chancen<br />
der multimedialen Mobilkommunikation<br />
<strong>für</strong> Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben,<br />
in: Next Generation E-Government<br />
<strong>für</strong> die Innere Sicherheit, Tagungsdokumentation,<br />
Hamburg, 10. August 2004, Alcatel<br />
SEL Stiftung <strong>für</strong> Kommunikationsforschung,<br />
Stuttgart 2004, S.13-34 (Stiftungsreihe,<br />
Bd. 62)<br />
Prof. em. Dr. Klaus Lenk war Lehrstuhlinhaber<br />
<strong>für</strong> Verwaltungswissenschaft an der Universität<br />
Oldenburg, Fellow der Alcatel SEL<br />
Stiftung am IZKT der Universität Stuttgart<br />
sowie Kollegiat des Hochschulkollegs E-Government<br />
der Alcatel SEL Stiftung.
Seite 10<br />
Informations- und Kommunikationsstrategien des<br />
Bundesamtes <strong>für</strong> Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />
Christoph Unger<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
ich freue mich, dass ich heute auf dieser Veranstaltung,<br />
die sich im Rahmen des Generalthemas<br />
„Next Generation E-Government <strong>für</strong><br />
die Innere Sicherheit“ mit der <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />
beschäftigt, einige strategische Überlegungen<br />
des Bundesamtes <strong>für</strong> Bevölkerungsschutz<br />
und Katastrophenhilfe (BBK) zur<br />
Ausgestaltung des IuK-Managements vorstellen<br />
darf. Ich möchte dabei bewusst anknüpfen<br />
an Ihre Veranstaltung im August des vergangenen<br />
Jahres, die sich mit den Erfahrungen,<br />
Praxisberichten und Visionen der Next Generation<br />
E-Government beschäftigte. Es gab<br />
damals ein Statement zur Frage während des<br />
Podiumsgespräches: Welche Anforderungen<br />
bestehen aus Sicht des Katastrophenschutzes<br />
an die IT und wie sieht die Informationstechnik<br />
im Jahr 2014 aus? Dieses Statement wurde<br />
zwischenzeitlich in der Ausgabe 4/2004<br />
des Bevölkerungschutz-Magazins wieder abgedruckt.<br />
Der Autor bemängelte, dass das Potenzial<br />
des E-Governments mit seinen Möglichkeiten<br />
der elektronischen Information und<br />
Kommunikation sowie vor allem auch der elektronischen<br />
Transaktion über das Internet<br />
heute zu wenig genutzt wird. Er sah aber<br />
schon mit der Entwicklung des Deutschen<br />
Notfallvorsorge-Informationssystems (deNIS)<br />
einen ersten positiven Ansatz auf der Stufe<br />
der elektronischen Information. Zu Recht<br />
verwies der Autor überdies auf die „Neue<br />
Strategie“, auf die sich der Bund und die Länder<br />
Mitte des Jahres 2002 geeinigt haben.<br />
Diese Strategie, die letztlich eine Neuordnung<br />
der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge und<br />
deren Integration in eine internationale Sicherheitsarchitektur<br />
vorsieht, hebt hervor,<br />
dass im Zivil- und Katastrophenschutz die ernormen<br />
Fortschritte von Wissenschaft, Forschung<br />
und Technik auch im Bereich der Information-<br />
und Kommunikationstechnik berücksichtigt<br />
werden sollen. Da diese „Neue<br />
Strategie“ Grundlage der Gestaltung einer<br />
neuen Sicherheitsarchitektur ist, die sich dem<br />
Leitmotiv der Vernetzung <strong>für</strong> den Prozess der<br />
Transformation des Bevölkerungsschutzes<br />
verschrieben hat, ist sie Ausgangspunkt <strong>für</strong><br />
die Orientierung im Bereich des IuK-<br />
Managements.<br />
Damit leite ich schon über zum ersten<br />
Punkt meiner Ausführungen, der sich mit der<br />
Frage beschäftigt, warum eine Neuorientierung<br />
bezüglich des Einsatzes von IuK-Technologie<br />
erforderlich ist. Ich werde bei der Beantwortung<br />
dieser Frage an die schlimmen<br />
Ereignisse der jüngsten Vergangenheit anknüpfen,<br />
die Auslöser <strong>für</strong> eine strategische<br />
Neuorientierung im Bevölkerungsschutz waren.<br />
Im weiteren Verlauf meines Vortrages<br />
werde ich dann auf die bisherigen Beiträge<br />
des BKK zur Ausgestaltung des IuK-<br />
Managements eingehen. Nach einer kurzen<br />
Beschreibung der Zielvorstellung <strong>für</strong> das IuK-<br />
Management werde ich zum Schluss auf die<br />
strategischen Überlegungen des BBK eingehen,<br />
soweit sie sich in den vergangenen Jahren<br />
schon herauskristallisiert haben. Dabei<br />
lasse ich mich von der Frage leiten, welche<br />
Möglichkeiten sich <strong>für</strong> die strategische Ausgestaltung<br />
des IuK-Managements bieten.
1. Warum ist eine Neuorientierung bzgl.<br />
des Einsatzes von IuK-Technologie erforderlich?<br />
Schon in den Grundsatzüberlegungen <strong>für</strong> eine<br />
neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung<br />
im Jahre 2002 wurden eine verbesserte Kooperation,<br />
Information und Kommunikation<br />
als Schlüsselkriterien <strong>für</strong> eine Optimierung<br />
des Gefahren-/Krisenmanagements sowohl<br />
bei klassischen Katastrophen als auch bei außergewöhnlichen<br />
Gefahren und Schadenlagen<br />
unterhalb der Katastrophenschwelle hervorgehoben.<br />
Der Hintergrund <strong>für</strong> diese Forderung war<br />
• die analytische Betrachtung des deutschen<br />
Zivil- und Katastrophenschutzsystems im<br />
Lichte der Ereignisse des 11. September<br />
2001, die Lücken bei der Vernetzung der<br />
Akteure erkennen ließ.<br />
• die praktischen Erfahrungen im Rahmen<br />
der Bewältigung der Sommer-Hochwasser<br />
2002 an Donau und Elbe. In allen Erfahrungsberichten<br />
wurden Defizite festgestellt,<br />
vor allen in den Bereichen<br />
o Führung,<br />
o Ressourcenmanagement,<br />
o IuK.<br />
• Herausforderungen durch neue Bedrohungen.<br />
Vor allem komplexe Gefahrenlagen,<br />
die durch Bio- oder Strahlengefährdung<br />
sowie durch terroristische, extremistische<br />
oder kriminelle Anschläge/Sabotage entstehen,<br />
bedingen eine lange vor den Ereignissen<br />
aufgebaute Kommunikations- und<br />
Informationsstruktur zwischen den beteiligten<br />
Behörden und eine sensible Kommunikation<br />
mit den Medien und der Bevölkerung.<br />
Deshalb wird es bei der Entwicklung moderner<br />
IuK-Systeme darum gehen, die in der<br />
Vergangenheit diagnostizierten Mängel der<br />
IuK-Infrastruktur einsatzbezogener Führungsorganisation<br />
zu beseitigen:<br />
Seite 11<br />
• fehlende Durchgängigkeit des Informationsflusses,<br />
• fehlendes organisationsübergreifendes<br />
Meldewesen,<br />
• Unkenntnis über Lage- und Lageentwicklung,<br />
• mangelnde Koordination zwischen den<br />
Organisationen,<br />
• fehlende Kenntnis über Personal und Material.<br />
Vor diesem Hintergrund sind die Ziele, die<br />
man in Zukunft mit modernster Technologie<br />
erreichen möchte, zunächst relativ einfach zu<br />
beschreiben:<br />
• zentrale Einsatzplanung und -leitung, wobei<br />
die Führungsebene zu beachten ist;<br />
• grafische Lagedarstellung und dynamisches<br />
Update der Lagen;<br />
• Datenaustausch zwischen den beteiligten<br />
Organisationen;<br />
• Anbindung existierender Systeme zur Informationsversorgung<br />
(z.B. Datenbanken);<br />
• Zugriff auf logistische Information.<br />
Mit dem Aufbau entsprechender organisatorischer<br />
Strukturen und mit der Entwicklung<br />
und dem Einsatz moderner Kommunikationstechnologien<br />
hat man zwischenzeitlich begonnen.<br />
In diesem Zusammenhang nenne ich<br />
aus meinem Verantwortungsbereich z.B. das<br />
„Gemeinsame Lage- und Meldezentrum“ des<br />
Bundes und der Länder in Verbindung mit<br />
dem Deutschen Notfallvorsorge-Informationssystem<br />
deNIS II und die Einführung des<br />
satellitengestützten Warnsystems SatWas.<br />
In den kommenden Jahren müssen die weiteren<br />
organisatorischen, technischen, rechtlichen<br />
und finanziellen Voraussetzungen <strong>für</strong><br />
den Ausbau der horizontalen und vertikalen<br />
IuK-Vernetzung aller Teilsysteme des integrierten<br />
Hilfeleistungssystems geschaffen werden.
Seite 12<br />
2. Wie sieht der derzeitige Stand des IuK-<br />
Konzeptes des BBK aus?<br />
Das BBK fördert derzeit im Rahmen seiner<br />
zentralen Zuständigkeit im Netzwerk der Sicherheit<br />
die Entwicklung der Next Generation<br />
E-Government <strong>für</strong> die Innere Sicherheit. Die<br />
Mitwirkung an der Gestaltung eines umfassenden<br />
Krisenmanagement-Systems hat zum<br />
Ziel, die Leistungsfähigkeit des vernetzten<br />
Krisenmanagements bzgl. der Kooperation<br />
und Interoperabilität zwischen Personen, Behörden<br />
und Organisationen zu erhöhen.<br />
Ich möchte an dieser Stelle auf zwei Beiträge<br />
des BBK <strong>für</strong> die Next Generation E-<br />
Government im Bereich der Inneren Sicherheit<br />
eingehen, auf das satellitengestützte<br />
Warnsystem SatWas und auf das Deutsche<br />
Notfallvorsorge-Informationssystem deNIS II.<br />
Beide Systeme befinden sich nach unserem<br />
Verständnis - obwohl bereits operativ eingesetzt<br />
- in der Frühphase ihrer Leistungsentwicklung<br />
und können sich als mächtige Instrumente<br />
des E-Governments positionieren.<br />
Das Satellitengestützte Warnsystem<br />
(SatWaS)<br />
Innerhalb des neuen Warnsystems bildet die<br />
Warnung über den Rundfunk die Möglichkeit,<br />
nicht nur Gefahren anzukündigen, sondern<br />
auch Verhaltensregeln an die Bevölkerung<br />
weiterzugeben.<br />
Da eine Warnung vor Angriffen mit Flugzeugen<br />
oder Raketen zeitkritisch ist, wurden<br />
im Rahmen der Zivilschutz-Überlegungen zu<br />
einem neuen Warnsystem Kommunikationsmittel<br />
gesucht, die in der Lage sind, Warndurchsagen<br />
an den Rundfunk möglichst<br />
schnell zu übermitteln. Hierbei fiel die Entscheidung<br />
auf ein satellitengestütztes Kommunikationssystem,<br />
das im Bereich der kommerziellen<br />
Übertragung von Agenturmeldun-<br />
gen an alle bekannten Rundfunkanstalten und<br />
andere Medien seit Jahren täglich im Einsatz<br />
ist.<br />
Da die einzelnen Meldungen in diesem<br />
kommerziellen System zeitgleich bundesweit<br />
über einen Satelliten versandt werden, ergeben<br />
sich Übertragungszeiten praktisch in<br />
Echtzeit. Darüber hinaus bietet das System<br />
die Möglichkeit, Meldungen mit hoher Priorität<br />
zu versenden.<br />
Es wurde im Jahr 2001 bereits begonnen,<br />
die Zivilschutzverbindungsstellen sowie die<br />
Warnzentrale in Bonn mit entsprechenden<br />
Übertragungs-/Empfangssystemen auszustatten.<br />
Darüber hinaus wurden das Lagezentrum<br />
im BMI sowie die Lagezentren der Innenministerien<br />
der Länder mit Empfangssystemen<br />
ausgestattet, damit sie über veranlasste<br />
Warnmaßnahmen sofort unterrichtet werden.<br />
Bei den Rundfunkanstalten und den privaten<br />
Rundfunkbetreibern wurden SatWaS-<br />
Empfangsschnittstellen eingerichtet. Da die<br />
Satellitenempfangsgeräte bei den Medien bereits<br />
überwiegend vorhanden waren, konnten<br />
hier erhebliche Investitionskosten eingespart<br />
werden.<br />
Die Warndurchsagen der Zivilschutzverbindungsstellen<br />
oder der Warnzentrale in<br />
Bonn werden mit höchster Priorität an den<br />
Rundfunk übertragen. Die Warndurchsage beinhaltet<br />
die Aufforderung an den Redakteur,<br />
die laufende Sendung zu unterbrechen und<br />
den Text der Warndurchsage sofort über den<br />
Sender weiterzugeben.<br />
Die erste Aufbauphase wurde im Oktober<br />
2001 abgeschlossen. In einer weiteren Ausbauphase<br />
wurden bis Ende 2002 die Lagezentren<br />
der Innenministerien der Länder auch<br />
mit Sendesystemen ausgestattet, damit sie ebenfalls<br />
in der Lage sind, schnell und zeitgleich<br />
amtliche Gefahrendurchsagen <strong>für</strong> ihre<br />
Landesbereiche an den Rundfunk weiterzugeben.
Darüber hinaus wurden ab 2002 nach erfolgtem<br />
Anschluss der öffentlich/rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten auch die privaten Rundfunkanbieter<br />
in dieses Warnsystem einbezogen.<br />
Heute sind alle wesentlichen privaten<br />
Rundfunkbetreiber an das SatWaS angeschlossen,<br />
ebenso wurden große Presseagenturen<br />
an das System angeschlossen, die dann<br />
wiederum die Amtlichen Gefahrendurchsagen<br />
an Ihre Medien- und Pressekunden weiterleiten.<br />
deNIS II<br />
Ziel dieses Informationssystems ist es, ein<br />
Netzwerk im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />
aufzubauen, um das Krisenmanagement<br />
bei außergewöhnlichen Gefahren-<br />
und Schadenslagen zu unterstützen. deNIS II<br />
richtet sich an die obere und oberste Verwaltungsebene<br />
des Bundes und der Länder. Es<br />
dient der Beurteilung der Lage und der Feststellung,<br />
welche Maßnahmen zum Schutz der<br />
Bevölkerung eingeleitet werden müssen und<br />
ob weitere Ressourcen aus benachbarten<br />
Bundesländern, vom Bund oder aus dem Ausland<br />
anzufordern sind. Dazu werden Daten<br />
von Bundesressorts, Ländern, Instituten und<br />
internationalen Institutionen zentral zusammengefasst,<br />
aufbereitet und berechtigten Bedarfsträgern<br />
bei einer großflächigen Gefahrenlage<br />
zur Verfügung gestellt. Die Daten von<br />
deNIS II werden auf einer interaktiven Lagekarte<br />
dargestellt. Das Schadensereignis, die<br />
Hilfeleistungspotenziale sowie die Standorte<br />
risikobehafteter Anlagen können als Layer<br />
aufgerufen und als Symbole vor einem kartographischen<br />
Hintergrund georeferenziert dargestellt<br />
werden. Darüber hinaus werden auch<br />
textbasierte Informationen (Hintergrundinformationen<br />
wie z.B. Richtlinien, Merkblätter,<br />
Gefahrstoffdatenbanken usw.) in deNIS II<br />
angeboten. Durch einen Anschluss des Deut-<br />
Seite 13<br />
schen Wetterdienstes können aktuelle Wetterberichte,<br />
Vorhersagen aber auch Unwetterwarnungen<br />
in deNIS II abgerufen werden.<br />
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit,<br />
Satellitenbilder oder Luftbilder in das Lagebild<br />
zu integrieren. Geplant ist ein Anschluss<br />
des Deutschen Fernerkundungs-Datenzentrums<br />
des Deutschen Zentrums <strong>für</strong> Luft- und<br />
Raumfahrt (DLR), das in einer Krisensituation<br />
aktuelle Satellitenbilder zur Verfügung<br />
stellen kann.<br />
3. Welche Forderungen werden an ein<br />
zukünftiges IuK-Management gestellt?<br />
Information und Kommunikation sind die<br />
wichtigsten Grundlagen und Voraussetzung<br />
<strong>für</strong> jegliches gezielt erfolgreiche Handeln.<br />
Dies gilt umso mehr, weil heute aufgrund<br />
veränderter Bedrohungserwartungen neue Anforderung<br />
an die Einsatz- und Krisenbewältigung<br />
und damit auch an das Informations-<br />
und Kommunikationsmanagement gestellt<br />
werden.<br />
Dazu zählen:<br />
• schnelles Erkennen verteilt auftretender<br />
Bedrohungen und deren Zusammenführung;<br />
• zeitkritische Abstimmung von Sicherheitsbehörden<br />
(z.B. bei Bedrohung durch ein<br />
Flugzeug);<br />
• schneller und sicherer Informationsaustausch<br />
zwischen den an einem Einsatz beteiligten<br />
Organisationen;<br />
• bundes- und europaweite Informationszusammenführung<br />
(z.B. bei Auftreten von<br />
Krankheitssymptomen, frühzeitige Erkennung<br />
von B/C–Terroranschlägen);<br />
• koordinierter Einsatz von Landes- und<br />
Bundesressourcen (z.B. Bewältigung von<br />
Naturkatastrophen oder Anschlägen);<br />
• gemeinsamer Einsatz ziviler Organisationen<br />
zusammen mit der Bundeswehr (Zu-
Seite 14<br />
sammenwirken von innerer und äußerer<br />
Sicherheit);<br />
• Schutz kritischer Infrastrukturen vor Information<br />
Warfare Attacken als neue Aufgabenstellung.<br />
Schaut man sich im Überblick die Vielzahl<br />
der beteiligten Akteure und Bereiche an, die<br />
auf den verschiedenen Ebenen des Krisenmanagement<br />
(lokal, regional, national, europäisch)<br />
miteinander vernetzt sein müssen, bekommt<br />
man eine ungefähre Vorstellung von<br />
der Komplexität und der Infrastruktur des<br />
Netzwerkes, die es auch unter dem Aspekt der<br />
IT- und Abhörsicherheit technisch in den<br />
Griff zu kriegen gilt.<br />
4. Welche Möglichkeiten <strong>für</strong> die strategische<br />
Ausgestaltung eines Informations-<br />
und Kommunikationsmanagements bieten<br />
sich unter Berücksichtigung der<br />
vorhandenen Optimierungszwänge?<br />
Da die Ausgestaltung eines Systems der vernetzten<br />
Sicherheit Teil des an der „Neuen<br />
Strategie“ orientierten Transformationsprozesses<br />
des Bevölkerungsschutzes ist, bedarf<br />
der Bereich IuK-Technologie ebenfalls der<br />
strategischen Ausrichtung, um Insellösungen<br />
und damit spätere Probleme z.B. der Kompatibilität<br />
und der Koordination zu vermeiden.<br />
Ich möchte zunächst an dieser Stelle einen<br />
Blick werfen auf IuK-Entwicklungen im militärischen<br />
Bereich. Hier hat man der Notwendigkeit<br />
einer Weiterentwicklung des Einsatzes<br />
von IuK-Technologie zum Zweck der Vernetzung<br />
der Akteure mit dem Konzept der „Vernetzten<br />
Operationsführung“ in Anlehnung an<br />
den „Network Centric Warfare“ – Ansatz der<br />
Amerikaner Rechnung getragen.<br />
Vernetzte Operationsführung bedeutet<br />
Führung und Einsatz von Streitkräften auf der<br />
Grundlage eines streitkräftegemeinsamen,<br />
führungsebenenübergreifenden und interoperablen<br />
Informations- und Kommunikationsverbund,<br />
der alle beteiligten Personen, Stellen,<br />
Truppenteile und Einrichtungen sowie<br />
Sensoren und Effektoren miteinander verbindet.<br />
Network-Centric Warfare ist ein auf Informationsüberlegenheit<br />
basierendes Grobkonzept,<br />
das durch den Verbund von Sensoren,<br />
Entscheidungsträgern und Effektoren (im<br />
zivilen Bereich wären dies Einsatzsysteme)<br />
mittels gemeinsamer Lagedarstellung und gesteigerter<br />
Geschwindigkeit der Führungsprozesses<br />
die Wirksamkeit im Einsatz verbessern<br />
soll.<br />
Es deutet alles darauf hin, dass dieser Ansatz<br />
- auf zivile Belange modifiziert - auch in<br />
den Bevölkerungsschutz Einzug halten wird.<br />
Diese Vermutung liegt deshalb nahe, weil die<br />
Forschungsnehmer europäischer Forschungsprojekte<br />
zur Weiterentwicklung von Krisenmanagement-Systemen<br />
zumindest teilweise<br />
eine starke Affinität zum militärischen Bereich<br />
haben und ihre Erfahrung in der Entwicklung<br />
militärischer IuK-Produkte jetzt <strong>für</strong><br />
die zivile Seite nutzen möchten.<br />
Es gibt noch einen weiteren Grund <strong>für</strong> die<br />
Orientierung am NCW-Ansatz: Im Bevölkerungsschutz<br />
gibt es eine ähnliche Problematik<br />
des Informationsmanagements wie im militärischen<br />
Bereich. Auch hier ist die Qualität der<br />
Vernetzung der Entscheidungs- und Handlungsträger<br />
abhängig von der bedarfsgerechten,<br />
schnellen Verfügbarkeit der auf der jeweiligen<br />
Führungsebene benötigten Information<br />
z.B. als Voraussetzung <strong>für</strong> ein umfassendes<br />
und angemessenes Lagebild. Durch die<br />
rasche Entwicklung der Computer- und Internettechnologie<br />
wie auch der Kommunikationstechnologie<br />
ist nun eine schneller und zuverlässiger<br />
Daten- und Informationsaustausch<br />
Wirklichkeit geworden. Dies ermöglicht, die<br />
auch strategisch gewollte und taktischoperativ<br />
zwingend erforderliche Vernetzung<br />
der Akteure im Bevölkerungsschutz vor dem
Hintergrund neuer Herausforderungen technisch<br />
zu realisieren. Dazu bedarf es eines Gesamtansatzes,<br />
der Insellösungen vermeiden<br />
hilft. Orientierungshilfe kann dabei der NCW-<br />
Ansatz insofern leisten, weil er als bisher einziges<br />
Grobkonzept eine einsatzbezogene Philosophie<br />
<strong>für</strong> eine technische Vernetzung liefert.<br />
Alle bisher entwickelten technischen Lösungen<br />
lassen sich vor diesem Hintergrund als<br />
Teilrealisationen eines umfassenden Informations-<br />
und Kommunikationssystems begreifen,<br />
das es unter der Maßgabe der Einsatznotwendigkeiten<br />
und unter Berücksichtigung<br />
technologischer Modernisierung aufzubauen<br />
gilt. Die Bemühungen um die Einführung des<br />
Digitalfunks im Bereich BOS gehören zu diesen<br />
Innovationsbestrebungen. Sie zeigen aber<br />
auch die finanziellen Dimensionen des gesamten<br />
Unternehmens auf.<br />
Lassen Sie mich an dieser Stelle auf eine<br />
weitere strategische Leitlinie des BBK zu<br />
sprechen kommen. Es ist so, dass an einer<br />
solchen Gesamtkonzeption wie eben beschrieben<br />
schon gearbeitet wird. Im Rahmen<br />
europäischer Forschungsprojekte sollen die<br />
Grundlagen <strong>für</strong> ein umfassendes Krisenmanagementsystem<br />
geschaffen werden, das den<br />
Führungsprozess in allen Phasen und auf allen<br />
Führungsebenen sowie in nationalen und internationalen<br />
Kooperationen unterstützen soll.<br />
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden in ganz<br />
Europa schon Recherchen durchgeführt, die<br />
den aktuellen State-of-the-Art im Bereich<br />
IuK-Technologie, soweit er im Bereich des<br />
Bevölkerungsschutzes Eingang gefunden hat,<br />
ermitteln sollen. Leider ist es so, dass die Forschungsnehmer<br />
von IuK-Projekten nur bedingt<br />
voneinander Kenntnis haben. Das liegt<br />
vor allem daran, dass kommerziell ausgerichtete<br />
Projektnehmer z. B. von EU-Projekten<br />
Seite 15<br />
natürlich daran interessiert sind, den Zuschlag<br />
<strong>für</strong> die Durchführung eines Projektes zu erhalten.<br />
Dies erfordert eine gewisse Zurückhaltung<br />
in der Informationspolitik im Bewerbungsverfahren<br />
und auch eine Abgrenzung zu<br />
anderen Bewerbern.<br />
Zwischenzeitlich gibt es aber so viele Projekte,<br />
die ähnliche oder sich ergänzende Aufgabenstellungen<br />
haben, dass ein intensiverer<br />
Austausch der Entwickler und Anwender im<br />
Rahmen der schon laufenden Forschungs- und<br />
Entwicklungstätigkeit als bisher erforderlich<br />
ist. Es muss verhindert werden, dass Forschungsgelder<br />
<strong>für</strong> Doppelentwicklungen ausgegeben<br />
werden. Das BBK bemüht sich daher<br />
auch, den direkten Kontakt aller an der Entwicklung<br />
Beteiligten zu fördern.<br />
Zum Abschluss meine Rede möchte ich<br />
noch kurz auf einen strategischen Aspekt eingehen,<br />
der sich direkt aus der Neuen Strategie<br />
ergibt. Bund und Länder haben sich bei der<br />
Festlegung auf die neue Strategie darauf geeinigt,<br />
partnerschaftlich bei der Einführung<br />
neuer Koordinierungsinstrumente und insbesondere<br />
im Bereich des Informations- und<br />
Kommunikationsmanagement zusammen zu<br />
wirken. In die Entwicklung der Produkte<br />
müssen daher die Bedürfnisse des Bundes und<br />
der Länder gleichermaßen einfließen, wenn<br />
die Entwicklung in Richtung Vernetzung erfolgreich<br />
sein soll. Gemeinsam die Entwicklung<br />
im IuK- Bereich vorantreiben – das muss<br />
die Losung sein <strong>für</strong> die Zusammenarbeit zwischen<br />
Bund und Ländern.<br />
Ich danke Ihnen <strong>für</strong> Ihre Aufmerksamkeit.<br />
Christoph Unger ist Präsident des Bundesamts<br />
<strong>für</strong> Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />
(BBK), Bonn.
Seite 16<br />
Zusammenfassung<br />
Wenn es im ÖPNV durch externe oder interne<br />
Faktoren (z. B. Unfall oder Fahrzeugdefekt)<br />
zu Störungen kommt, muss möglichst schnell<br />
reagiert werden. Dies ist die Aufgabe der<br />
Disponenten in der Leitzentrale des Verkehrsbetriebs.<br />
Dabei stehen die Unterstützung<br />
<strong>für</strong> den Fahrer am Störungsort (z. B. Verständigung<br />
von Polizei, Notarzt oder Werkstatt)<br />
sowie die dispositiven Entscheidungen im<br />
Netz im Vordergrund, um den ÖPNV-Betrieb<br />
weiterhin möglichst störungsfrei aufrecht zu<br />
halten. Gerade in den ersten Minuten nach<br />
Eintreffen der Störungsmeldung muss der<br />
Disponent daher rasch sehr viele Entscheidungen<br />
treffen und diese selektiv an die Beteiligten<br />
weiterleiten.<br />
Dabei steht nach dem Treffen der Entscheidung<br />
die Kommunikation im Vordergrund.<br />
Ein großer Teil der Informationsweitergabe<br />
erfolgt zur Zeit über Sprechfunk und<br />
Telefon, andere Informationen werden in externe<br />
Systeme eingegeben und von diesen<br />
weitergegeben (zum Beispiel zu Anzeigemedien<br />
<strong>für</strong> die Fahrgastinformation an Haltestellen).<br />
Diese zeitraubenden Tätigkeiten können<br />
deutlich vereinfacht werden, wenn dem<br />
Disponenten geeignete elektronische Hilfssysteme<br />
zur Seite gestellt werden.<br />
Die Leitzentralen der Verkehrsbetriebe haben<br />
sich daher in den letzten Jahrzehnten zu<br />
rechnergestützten Betriebsleitzentralen (RBL)<br />
weiterentwickelt. Das Institut <strong>für</strong> Eisenbahn-<br />
und Verkehrswesen der Universität Stuttgart<br />
(IEV) entwickelt mit Partnern im Rahmen eines<br />
Forschungsprojekts Erweiterungen und<br />
neue Dienste <strong>für</strong> diese RBLs. Durch die Integration<br />
von Geodaten in eine RBL und die<br />
Notfallmanagement am Beispiel des<br />
routenflexiblen Störfallmanagements im ÖV<br />
Stefan Tritschler<br />
satellitengestützte Ortung der ÖPNV-<br />
Fahrzeuge kann z. B. der Disponent die Fahrzeuge<br />
jederzeit auf einer digitalen Karte am<br />
Bildschirm verfolgen. Auch das Störfallmanagement<br />
wurde deutlich verbessert, so kann<br />
der Disponent auf der Karte einen Straßenabschnitt<br />
als gesperrt markieren und nach einer<br />
Auswahl vorgeschlagener Umleitungsrouten<br />
läuft die Kommunikation mit den Fahrzeugen<br />
sowie die Information der Fahrgäste ohne<br />
weiteres Zutun des Disponenten ab, der dadurch<br />
in der Notfallsituation Zeit <strong>für</strong> weitere<br />
wichtige Arbeiten gewinnt.<br />
Die Erkenntnisse des Projekts sind eingebettet<br />
in weitere ähnliche Forschungen des<br />
IEV. So wird auch <strong>für</strong> den schienengebundenen<br />
Verkehr an einer automatischen Dispositionsunterstützung<br />
gearbeitet, die die Fahrdienstleiter<br />
in ähnlicher Weise wie die Disponenten<br />
entlasten soll. Für das komplexe<br />
System Bahn müssen dabei aber wesentlich<br />
mehr Randbedingungen beachtet werden.<br />
Dennoch konnten auch in diesem Bereich erste<br />
Software-Lösungen als Prototyp realisiert<br />
werden. Sowohl das routenflexible Störfallmanagement<br />
<strong>für</strong> den ÖPNV als auch eine automatisierte<br />
Dispositionsunterstützung im<br />
Schienenverkehr lassen sich in ein Gesamtkonzept<br />
eines umfassenden und übergreifenden<br />
Notfallmanagements im öffentlichen<br />
Verkehr integrieren.<br />
Betrieb im ÖPNV<br />
Um einen pünktlichen und zuverlässigen Betrieb<br />
im öffentlichen Personennahverkehr<br />
(ÖPNV) zu ermöglichen, ist <strong>für</strong> die Verkehrsunternehmen<br />
die Kenntnis über die aktuelle
Betriebslage notwendig. Um dies zu erreichen,<br />
ist es notwendig zu wissen, wo sich<br />
zurzeit die eigenen Fahrzeuge befinden. Zusammen<br />
mit der Zeitinformation ist dann ein<br />
Vergleich mit dem geplanten Standort laut<br />
Fahrplan möglich. Durch diesen Vergleich<br />
können Abweichungen wie Verspätungen ermittelt<br />
und Gegenmaßnahmen ergriffen werden.<br />
Für diese Aufgaben bietet sich eine EDV-<br />
Unterstützung an. Daher wurden in den letzten<br />
Jahrzehnten rechnergestützte bzw. rechnergesteuerte<br />
Betriebsleitsysteme (RBL) entwickelt,<br />
welche in den Leitzentralen der Verkehrsunternehmen<br />
im Einsatz sind. Die dort<br />
zur Überwachung und Steuerung der Betriebslage<br />
eingesetzten Disponenten werden<br />
in ihrer Arbeit durch ein RBL unterstützt.<br />
Die technische Entwicklung machte immer<br />
weitere Einsatzmöglichkeiten der RBL möglich.<br />
Hinzugekommen sind z. B. Aufgaben<br />
wie Anschlusssicherung, Daten- und Flottenmanagement,<br />
Dynamische Fahrgastinformation<br />
oder Beschleunigung von ÖPNV-<br />
Fahrzeugen durch Lichtsignalbeeinflussung.<br />
Möglich wurden diese Weiterentwicklungen<br />
vor allem durch immer leistungsfähigere<br />
Kommunikationstechnik. Vom Festnetz-<br />
Telefon über Sprechfunk bis zum Datenfunk<br />
reichen die bisher eingesetzten Kommunikationsmittel.<br />
Mit der besseren Verfügbarkeit<br />
und der steigenden Bandbreite des digitalen<br />
Datenfunks sind zukünftig weitere Funktionalitäten<br />
der RBL zu erwarten.<br />
Störfallmanagement im ÖPNV<br />
Der Betrieb im öffentlichen Verkehr (ÖV)<br />
läuft trotz aller Bemühungen der beteiligten<br />
Verkehrsunternehmen leider nicht immer störungsfrei<br />
ab. Dies gilt sowohl <strong>für</strong> den schienengebundenen<br />
als auch <strong>für</strong> den straßengebundenen<br />
ÖV. Am Institut <strong>für</strong> Eisenbahn- und<br />
Seite 17<br />
Verkehrswesen (IEV) der Universität Stuttgart<br />
wird <strong>für</strong> beide Teilbereiche des ÖVs an<br />
Verfahren gearbeitet, die eine automatisierte<br />
und damit schnellere Reaktion auf solche Störungen<br />
ermöglichen. Dieser Beitrag beschränkt<br />
sich auf die Forschungsergebnisse<br />
des IEV im straßengebundenen ÖPNV.<br />
Bei Störungen im ÖPNV-Betrieb wird die<br />
Leitzentrale des Verkehrsunternehmens informiert;<br />
diese entscheidet, ob Maßnahmen<br />
einzuleiten sind. Solche Störfalle können externe<br />
oder interne Faktoren haben und ergeben<br />
sich aus:<br />
• zeitlichen Verzögerungen aufgrund erhöhten<br />
Verkehrsaufkommens (Staus),<br />
• Problemen durch nicht passierbare Straßen<br />
aufgrund von Unfällen, Bauarbeiten,<br />
Veranstaltungen, Witterungsproblemen<br />
usw.<br />
• Schwierigkeiten durch technische Probleme,<br />
z. B. bei Unfällen oder Ausfall des<br />
ÖPNV-Fahrzeugs,<br />
• Personalengpässen durch erkrankte oder<br />
verspätete Fahrer, die deswegen nicht ihren<br />
geplanten Dienst antreten können.<br />
Obwohl alle Störfälle den Verkehrsunternehmen<br />
Probleme bereiten, sind im Hinblick<br />
auf die Betriebsqualität des ÖPNV Störfälle<br />
mit kundenrelevanten Auswirkungen von besonderem<br />
Interesse. Hierzu zählen vor allem<br />
Sperrungen von Straßen in Folge von Unfällen<br />
oder anderen Behinderungen sowie der<br />
vollständige oder zeitweise Ausfall von Fahrzeugen<br />
im Linienbetrieb. Eine Kundenrelevanz<br />
kann insbesondere bei der Umleitung<br />
von Linien, bei größeren Verspätungen oder<br />
dem Ausfall ganzer Kurse angenommen werden.<br />
Kommt es zu Störungen, muss der zuständige<br />
Disponent in der Leitzentrale möglichst<br />
schnell adäquate Maßnahmen anordnen. Neben<br />
der Verständigung von externen Diensten<br />
(z. B. Polizei, Notarzt, Krankenwagen, Feu-
Seite 18<br />
Datenmanagement<br />
Lichtsignal -<br />
Beeinflussung<br />
Funktionen einer modernen RBL<br />
Flotten - und Fahrzeugmanagement<br />
Betriebsleitzentrale<br />
erwehr, Verkehrsmeister, Werkstatt ...) muss<br />
der Disponent möglichst schnell mit der betrieblichen<br />
Disposition im Netz, die als Folge<br />
der lokalen Störung notwendig wird, beginnen:<br />
• Schnelle Reduzierung der Ausbreitung<br />
von Störungen durch betriebliche Isolation<br />
des gestörten Abschnitts<br />
• Umleiten von Fahrzeugen und Linien<br />
• Betriebliche Ersatzangebote (Folgekurse,<br />
Umsteigelinien, Einsatzwagen, Schienenersatzverkehr<br />
...)<br />
• Schnelle Information über Störung und<br />
Ersatzangebote (Art und Dauer der Störung,<br />
Empfehlungen an Fahrgäste ...)<br />
Fahrzeugortung<br />
(Ordometer, GPS<br />
oder Baken)<br />
Die Disponenten in der Leitzentrale werden<br />
heute durch ein RBL zwar im Regelbetrieb<br />
gut unterstützt, im Bereich des Störfallmanagements<br />
existiert allerdings noch keine<br />
optimale Unterstützung.<br />
Entwicklung der GeoRBL<br />
Individuelle<br />
Auskunft<br />
(Handy &<br />
Internet)<br />
Kommunikation<br />
(Sprache<br />
& Daten )<br />
Dynamische<br />
Fahrgast -<br />
Information<br />
(Haltestellen<br />
& Fahrzeuge )<br />
Um den Disponenten auch bei den beschriebenen<br />
Störfallsituationen besser zu unterstützen<br />
und zu entlasten, wurde am IEV in den<br />
letzten Jahren im Rahmen des Forschungsprojektes<br />
„RUDY“ des Bundesministeriums <strong>für</strong><br />
Bildung und Forschung zusammen mit weiteren<br />
Projektpartnern an der Realisierung eines
EDV-gestützten routenflexiblen Störfallmanagements<br />
im ÖPNV gearbeitet. Damit <strong>für</strong><br />
die Forschung nicht der reale Betriebsablauf<br />
in der Projektstadt Ulm gestört wurde, entstand<br />
am IEV eine eigenständige Forschungs-<br />
RBL-Zentrale. Wegen der integrierten geographischen<br />
Informationen (Verzicht auf ortsfeste<br />
Ortungseinrichtungen durch eine kartenbasierte<br />
Ortung der Fahrzeuge sowie einem<br />
integrierten Navigations- und Fahrerleitsystem)<br />
wird diese RBL als „GeoRBL“ bezeichnet.<br />
Für die Integration neuer innovativer<br />
Dienste in die GeoRBL waren zwei wichtige<br />
Voraussetzungen zu erfüllen:<br />
• Durch eine georeferenzierte Eigenortung<br />
ermittelt der Bordrechner mit einem hohen<br />
Genauigkeitsgrad (±5m) den aktuellen<br />
Standort des Fahrzeugs.<br />
Oberfläche der GeoRBL<br />
Seite 19<br />
• Durch die permanente Kommunikation<br />
zwischen Bordrechner und RBL über<br />
GPRS (auch andere Kommunikationsverfahren<br />
sind möglich) ist auch die Leitzentrale<br />
immer über die exakte Fahrzeugposition<br />
informiert.<br />
Mit diesen Grundlagen konnten neue<br />
Dienste in die GeoRBL integriert werden:<br />
• Bei einem Störfall ermittelt die GeoRBL<br />
selbstständig die betroffenen Fahrzeuge<br />
und teilt dies in der Reihenfolge der<br />
Dringlichkeit dem Disponenten mit.<br />
• Mittels eines kartenbasierten Dispositionssystems<br />
kann der Disponent schnell<br />
eine neue Route <strong>für</strong> das Fahrzeuge durch<br />
einfaches "Klicken" auf der Karte erstellen.
Seite 20<br />
• Der Disponent erhält eine Dispositionsunterstützung,<br />
da die GeoRBL geeignete<br />
Umleitungen <strong>für</strong> die betroffenen Busse<br />
vorschlägt.<br />
• Die geänderten Kurse werden automatisch<br />
an die Fahrzeuge übermittelt und den Fahrern<br />
auf dem Navigationssystem angezeigt.<br />
Eine manuelle Fahrer-Information<br />
über Sprechfunk ist dann nicht mehr notwendig.<br />
• Die GeoRBL stellt selbständig Informationen<br />
<strong>für</strong> die dynamische Fahrgastinformation<br />
zur Verfügung, ein manuelles<br />
Eingeben in externe DFI-Software entfällt<br />
dadurch.<br />
• Die umgeleiteten Fahrzeuge fallen durch<br />
die georeferenzierte Ortung auch auf sonst<br />
nicht befahrenen Umfahrungsrouten nicht<br />
aus der Ortung und können vom Disponenten<br />
weiterhin auf der Geo-Oberfläche<br />
überwacht werden.<br />
• Die GeoRBL protokolliert und archiviert<br />
selbständig alle Maßnahmen des Stör-<br />
Geo-Oberfläche der GeoRBL<br />
fallmanagements, damit entfällt <strong>für</strong> den<br />
Disponenten die Notwendigkeit, einen separaten<br />
Störfallreport zu erstellen.<br />
• Durch die Erweiterungen eignet sich die<br />
GeoRBL auch zur Abwicklung routenflexibler<br />
Rufbus-Verkehre. Die neuen Kommunikationswege<br />
ermöglichen nun auch<br />
im ländlichen Raum Angebote, die bisher<br />
städtischen Bereichen vorbehalten waren.<br />
Störfallmanagement mit der GeoRBL<br />
Der Disponent kann mit Hilfe der GeoRBL<br />
im Fall von Störungen effizienter als bisher<br />
arbeiten und sich auf seine Kernaufgabe – das<br />
Treffen von Entscheidungen – konzentrieren.<br />
Der Ablauf des Störfallmanagements stellt<br />
sich folgendermaßen dar:
Störfalleingabe und -editierung<br />
Die Meldung über einen Störfall geht von außen<br />
in der Leitzentrale ein, sei es von einem<br />
betroffenen Busfahrer oder von einer externen<br />
Behörde oder Organisation mit Sicherheitsaufgaben.<br />
Der Disponent gibt den Störfall auf<br />
der Geo-Oberfläche ein, anschließend identifiziert<br />
die GeoRBL automatisch alle betroffenen<br />
Linien sowie die im Zulauf auf die Störung<br />
betroffenen Fahrzeuge und sendet an das<br />
Bordgerät dieser Busse eine kurze „Vorwarnung“<br />
bezüglich des Störfalls.<br />
Dispositionsvorbereitung<br />
Umleitungsvorschlag (dunkle dicke Linie) <strong>für</strong> einen Kursverlauf (dünnere Linie)<br />
Seite 21<br />
Die GeoRBL ermittelt automatisch die zu<br />
disponierenden Fahrzeuge und gibt diese sequentiell<br />
an den Disponenten zur Bearbeitung<br />
weiter. Der Kurs mit dem kürzesten zeitlichen<br />
Abstand zur Störstelle erhält dabei die höchste<br />
Priorität. Die GeoRBL sucht nach zu diesem<br />
Kurs und diesem Störfall passenden Umleitungsvorschlägen,<br />
sortiert diese nach ihrer<br />
Eignung und schlägt die Bestvarianten dem<br />
Disponenten vor.
Seite 22<br />
Dispositionsentscheidung<br />
Nachdem alle Voraussetzungen zeitnah durch<br />
die GeoRBL geschaffen wurden, erhält der<br />
Disponent alle zur Entscheidungsfindung relevanten<br />
Informationen und kann eine qualifizierte<br />
Entscheidung treffen. Je nachdem, ob<br />
die GeoRBL ihm einen Umleitungsvorschlag<br />
macht oder nicht, ergeben sich <strong>für</strong> ihn zwei<br />
mögliche Situationen:<br />
• Wenn keine Umleitungsroute vorgeschlagen<br />
wurde, muss der Disponent selbst eine<br />
neue Umleitungstrecke erzeugen. Diese<br />
erstellt er mittels Klicks auf die Karte<br />
der Geo-Oberfläche.<br />
• Existieren bereits passende Umleitungsrouten,<br />
schlägt ihm das System die Bestvarianten<br />
davon vor. Der Disponent kann<br />
diese auswählen und bestätigen. Sagt ihm<br />
keiner der Vorschläge zu, können interaktiv<br />
auch neue Umleitungen anlegen werden.<br />
Bei beiden vorangegangen Fällen hat der<br />
Disponent stets die Möglichkeit, die ursprüngliche<br />
Linienführung <strong>für</strong> ein Fahrzeug<br />
beizubehalten. In diesem Fall fährt das Fahrzeug<br />
auf dem regulären Linienweg weiter und<br />
wartet an der Störungsstelle auf die Beendigung<br />
der Störung. Nach dem Treffen der Entscheidung<br />
ist die Aufgabe des Disponenten<br />
erfüllt und er kann sich dem nächsten zu disponierenden<br />
Kurs zuwenden, alle weiteren<br />
Schritte werden vom System übernommen.<br />
Dispositionsverarbeitung<br />
Nach der Entscheidung durch den Disponenten<br />
informiert die GeoRBL das Fahrzeug und<br />
die Fahrgäste von der getroffenen Maßnahme.<br />
Der Bordrechner des Fahrzeugs erhält nach<br />
einer Ankündigung den neuen veränderten<br />
Kursverlauf. Dieser wird in das Navigationssystem<br />
des Busses geladen; damit stehen dem<br />
Fahrer auch auf <strong>für</strong> ihn unbekannten Wegen<br />
alle notwendigen Informationen zum weiteren<br />
Fahrtverlauf zur Verfügung.<br />
Gleichzeitig mit der Information des Fahrzeugs<br />
werden von der GeoRBL die Daten zur<br />
Fahrgastinformation weitergeleitet. Dies betrifft<br />
zum einen die Information der Fahrgäste<br />
in den betroffenen Fahrzeugen, zum anderen<br />
die Information an den Haltestellen durch Ansprache<br />
der dynamischen Fahrgastinformationsmedien<br />
(DFI). Darüber hinaus kann eine<br />
Meldung ins Internet abgesetzt werden, sofern<br />
eine entsprechende Informationsseite des<br />
Verkehrsbetriebes oder der Kommune vorhanden<br />
ist.<br />
Wie die Abbildung zeigt, werden die Aufgaben<br />
zwischen Eingabe und Löschen eines<br />
Störfalles in der Regel mehrfach durchlaufen:<br />
Ende des Störfalls<br />
Wird die Leitstelle über das Ende der Störfallsituation<br />
informiert, löscht der Disponent den<br />
Störfall auf der Geo-Oberfläche. Dadurch<br />
wird das Störfallmanagement in der GeoRBL<br />
beendet, weitere Fahrzeuge werden nicht<br />
mehr zur Disposition vorgelegt. Über die Medien<br />
der dynamischen Fahrgastinformation<br />
werden auch die Fahrgäste in den Fahrzeugen<br />
und an den Haltestellen vom Ende der Störung<br />
informiert. Die GeoRBL erstellt abschließend<br />
einen ausführlichen Bericht, der<br />
neben dem Störfall auch alle getroffenen<br />
Maßnahmen protokolliert. Damit stehen <strong>für</strong><br />
eine nachträgliche Auswertung deutlich mehr<br />
Informationen als bei den heute üblichen Verfahren<br />
zur Verfügung.
Normalbetrieb<br />
Störfallbetrieb<br />
Dispositionsvorbereitung<br />
nächster Kurs<br />
Dispositionsverarbeitung<br />
Normalbetrieb<br />
Störfalleingabe<br />
Dynamische Fahrgastinformation<br />
Schleife<br />
Dispositionsentscheidung<br />
Störfallende<br />
Zeitlicher Ablauf des Störfallmanagements<br />
zeitlicher Verlauf<br />
Die reine Betriebsdurchführung und die Störungsdisposition<br />
sind nicht die einzigen Aufgaben<br />
einer RBL. Ein wichtiger Punkt <strong>für</strong> die<br />
Akzeptanz eines Störfallmanagements ist die<br />
ausreichende und zeitgerechte Information der<br />
Fahrgäste in den Fahrzeugen sowie der an den<br />
Haltestellen wartenden Personen. Ohne die<br />
zeitnahe Weitergabe der aktuellen Betriebslage<br />
und der Dispositionsentscheidungen an die<br />
Kunden eines Verkehrsbetriebes können sich<br />
diese nicht auf die neue Lage einstellen und<br />
werden unzufrieden reagieren. Für die umfassende<br />
Information der Fahrgäste eignet sich<br />
vor allem eine dynamische Fahrgastinformation<br />
(DFI). Diese kann über von der Leitzentrale<br />
angesteuerte LED- oder TFT-Anzeigen<br />
im Gegensatz zu statischen Medien (z. B.<br />
veröffentlichter Fahrplan oder Haltestellenaushänge)<br />
auch aktuelle Informationen darstellen.<br />
So ist nicht nur die Anzeige der<br />
nächsten abgehenden und ankommenden<br />
Fahrzeuge möglich, sondern auch die Visualisierung<br />
von Verspätungen sowie die Information<br />
über Umleitungen, Maßnahmen zur Anschlusssicherung<br />
und weitere aktuelle Ereignisse.<br />
Da die GeoRBL beim Störfallmanagement<br />
sehr genaue Daten über die getroffenen Maßnahmen<br />
enthält, können fast alle Informatio-<br />
Seite 23<br />
nen und Meldungen zur Fahrgastinformation<br />
selbst generiert und an die Anzeigemedien<br />
gesendet werden. Eine manuelle Eingabe<br />
durch den Disponenten ist dabei nicht erforderlich.<br />
Besonders zukunftsträchtig ist die Weitergabe<br />
von DFI über <strong>mobile</strong> Endgeräte (z. B.<br />
Mobiltelefon, PDA ...). Damit ist der Kunde<br />
auf seiner gesamten Reisekette erreichbar.<br />
Dies bietet die Möglichkeit selektiver, personalisierter<br />
und permanenter Informationen<br />
über das Verkehrsgeschehen:<br />
• Übermittlung einfach verständlicher und<br />
einfach zu erreichender Informationen auf<br />
der persönlichen <strong>mobile</strong>n Informationsplattform<br />
(z .B. ÖV-Verbindungen ab aktuellem<br />
Standort).<br />
• Wichtigste Informationen können <strong>für</strong> besondere<br />
Kundengruppen (z. B. fremdsprachliche,<br />
behinderte ...) zielgruppengerecht<br />
aufbereitet werden.<br />
• Schnelle Information bei Störungen und<br />
Änderungen im Betriebsablauf (z. B. geänderte<br />
Linienwege) sind möglich.<br />
• Der Kunde kann Art und Tiefe der Information<br />
auf seiner persönlichen Informationsplattform<br />
frei wählen und erhält dadurch<br />
nur die Informationen, die er wirklich<br />
benötigt.<br />
Auch in den Fahrzeugen können die Fahrgäste<br />
dank den von der GeoRBL aufbereiteten<br />
Informationen umfassender als bisher informiert<br />
werden. So kann nicht nur der reguläre<br />
Kurs angezeigt werden, sondern auch die Änderungen,<br />
die sich durch das Störfallmanagement<br />
ergeben.<br />
Zukunft der GeoRBL<br />
Eine Vervollständigung der GeoRBL bis zur<br />
Marktreife ist nicht Gegenstand des Forschungen<br />
des IEV, da die GeoRBL ausdrücklich<br />
nur die wichtigsten Teilaspekte einer
Seite 24<br />
DFI im Fahrzeug im Störfall<br />
DFI im Fahrzeug im Störfall
RBL abdeckt und viele weitere Funktionen<br />
einer am Markt erhältlichen RBL nicht enthält.<br />
Seit Anfang März 2005 ist die GeoRBL in<br />
der Region Ulm <strong>für</strong> neun Monate im Einsatz,<br />
um routenflexible Bedienformen des regionalen<br />
ÖPNV zu steuern. Für diese Tätigkeit<br />
werden die gleichen Grundfunktionen wie im<br />
Störfallmanagement genutzt, es gilt aber nicht<br />
auf Störfälle zu reagieren, sondern auf die<br />
Buchung von Fahrgästen, die einen Ruf-Bus<br />
über das Internet bestellen. Diese Buchungen<br />
lösen – sofern sie erfolgen, wenn der Bus bereits<br />
unterwegs ist – ebenfalls Kursänderungen<br />
aus, die den Fahrzeugen über die GeoRBL<br />
mitgeteilt werden.<br />
Die Forschungsergebnisse des IEV, die<br />
sich in den beschriebenen neuen Dienste äu-<br />
Seite 25<br />
ßern, haben bereits das Interesse mehrerer<br />
Verkehrsunternehmen geweckt und werden<br />
sicherlich in den nächsten Jahren auch in die<br />
Systeme der professionellen RBL-Anbieter<br />
Einzug halten. Einige Teilergebnisse der Forschung<br />
(z. B. georeferenzierte Ortung und<br />
Verfolgung von Fahrzeugen, effiziente Kommunikation<br />
zwischen der Zentrale und den<br />
<strong>mobile</strong>n ÖPNV-Fahrzeugen ...) sind sicherlich<br />
auch außerhalb des Verkehrswesens <strong>für</strong><br />
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />
von Interesse<br />
Dipl.-Wi.-Ing. Stefan Tritschler ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Institut <strong>für</strong> Eisenbahn-<br />
und Verkehrswesen der Universität<br />
Stuttgart.
Seite 26<br />
Das EU-Projekt SHARE –<br />
Datenfunkgestütztes multimodales Informationsmanagement<br />
<strong>für</strong> die Einsatzleitung bei Großschadensereignissen<br />
Rainer Koch, Bo-Sik Lee, Rüdiger Harnasch, Jobst Löffler, Joachim Köhler<br />
Kurzfassung<br />
Innerhalb des SHARE-Projektes wird ein innovatives<br />
<strong>mobile</strong>s Push-to-Share-Kommunikationssystem<br />
entwickelt, das eine multimodale<br />
Kommunikations- und Dokumentationsunterstützung<br />
<strong>für</strong> Feuerwehren und Rettungsdienste<br />
bei größeren Schadenslagen und beim<br />
Katastrophenmanagement bietet. Das Share-<br />
System wird mit europäischen Projektpartnern<br />
entwickelt und von der EU mit 2,86 Mio.<br />
Euro gefördert. Als deutsche Partner sind die<br />
Feuerwehr Dortmund, das Fraunhofer-Institut<br />
IMK in St. Augustin, Siemens AG in<br />
München und das Fachgebiet C.I.K. der Universität<br />
Paderborn sowie Partner aus Belgien<br />
(Tele Atlas), Frankreich (Telisma S.A.), Griechenland<br />
(Aristoteles-Universität Thessaloniki<br />
und Nationales Zentrum <strong>für</strong> Wissenschaftliche<br />
Forschung "Demokritos") und Italien<br />
(Loquendo SpA) beteiligt [1].<br />
1. Einleitung<br />
Die ersten Feuerwehren wurden in Deutschland<br />
vor ca. 150 Jahren gegründet. Ihre<br />
Hauptaufgabe bestand in der Bekämpfung<br />
von Bränden. Im Laufe der Zeit hat sich jedoch<br />
die Feuerwehr von einer reinen Institution<br />
zur Brandbekämpfung, zu einem „Mädchen<br />
<strong>für</strong> alles“ gewandelt. Dazu gekommen<br />
sind Hilfeleistungseinsätze, wie z. B. nach<br />
Verkehrsunfällen, Naturereignissen oder Gefahrgutunfällen.<br />
Diese Einsätze sind sehr vielseitig<br />
und stellen hohe Anforderungen an<br />
Qualifikation, Erfahrung und einsatztaktische<br />
Informationen.<br />
Für einen reibungslosen Einsatzablauf ist<br />
eine funktionierende Kommunikation zwischen<br />
den Einsatzkräften notwendig. Seit<br />
mehreren Jahrzehnten existiert ein flächendeckendes<br />
Funknetz <strong>für</strong> polizeiliche und nichtpolizeiliche<br />
Behörden und Organisationen mit<br />
Sicherheitsaufgaben, kurz BOS, eingeführt<br />
[2][3]. Zu den nichtpolizeilichen BOS gehören<br />
auch die Feuerwehren. Der BOS-Funk<br />
wird zur Alarmierung der Einsatzkräfte,<br />
Einsatzführung und Übermittlung von Informationen<br />
verwendet. Mit Hilfe der Funktechnik<br />
ist eine drahtlose Kommunikation über<br />
eine größere Entfernung und an Einsatzstellen<br />
möglich. Allerdings dient der Funk nur der<br />
Übermittlung von Sprachen und nicht von<br />
Daten. Daher stößt der Sprechfunk bei komplexen<br />
und/oder großflächigen Schadensereignissen<br />
bzw. Einsatzstellen an seine Grenzen,<br />
wie z. B. bei dem ICE-Unfall von Eschede<br />
1998 und dem Hochwasser der Elbe 2002.<br />
An solchen Einsatzstellen wird von der Feuerwehr<br />
ein Führungsmittel benötigt, was in<br />
der Lage ist, viele verschiedene Informationen<br />
schnell zu verarbeiten und an den notwendigen<br />
Stellen sicher zur Verfügung zu stellen.<br />
An Einsatzstellen herrscht häufig Lärm<br />
und die Einsatzkräfte sind Stress und vielfältigen<br />
Belastungen ausgesetzt. In diesen Situationen<br />
kann es zu Informationsverlusten,<br />
Missverständnissen und Verwechselungen<br />
kommen.<br />
Die benötigten Einsatzunterlagen, wie<br />
Alarm-, Feuerwehr- und Hydrantenpläne,<br />
werden auf den Einsatzleitfahrzeugen überwiegend<br />
in Papierform mitgeführt, was zu einem<br />
erheblichen Aufwand bei der Aktualisierung<br />
führt. Meldungen oder Einsatzbefehle
müssen von Sprechfunkern oder auf Meldevordrucken<br />
weitergeleitet werden.<br />
Werden Einheiten im Rahmen der überörtlichen<br />
Hilfe, in <strong>für</strong> sie unbekannten Gebieten<br />
eingesetzt, müssen sie über den Sprechfunk<br />
von der dortigen Leitstelle oder von Lotsen<br />
eingewiesen werden. Diese Einweisungen belasten<br />
den Funk an der Einsatzstelle zusätzlich.<br />
Die Zielsetzung des Share-Projektes ist nun,<br />
ein prototypisches Kommunikationssystem zu<br />
realisieren, das folgenden Anforderungen genügen<br />
soll.<br />
• Schnelle und situationsgerechte Informationen<br />
• Den Führungsebenen entsprechende Informationsbereitstellung<br />
• Einsatzunterstützung durch verbesserte<br />
und/oder neue Kommunikationsmöglichkeiten<br />
• Praxisorientierte Benutzungsschnittstelle<br />
• Optimierte Informationsaufbereitung durch<br />
Multimodaltechnik<br />
• Verbesserte Ergonomie durch einsatzgerechte<br />
und übersichtliche Systemfunktionen<br />
Feuerwehr<br />
Einheit oder Einrichtung der Führung<br />
Einheit, Verband, Dienststelle<br />
fortentwickelter Brand<br />
Person<br />
Trupp<br />
Gruppe<br />
Zug<br />
Verband<br />
Bezeichnung der Führungskräfte<br />
links: Einsatzleiter; rechts: Gruppenführer<br />
Landgebundenes Kraftfahrzeug,<br />
geländefähig<br />
Seite 27<br />
2. Führungsorganisation am Beispiel der<br />
Feuerwehr-Dienstvorschrift 100<br />
Die Führungsebenen lassen sich nach der taktischen<br />
Gliederung der Kräfte in folgende Ebenen<br />
einteilen:<br />
• Ebene der Taktischen Einheiten „Trupp“,<br />
„Staffel“ und Gruppe“;<br />
• Ebene der taktischen Einheit „Zug“;<br />
• Ebene der Verbände, die je nach Lage und<br />
Bedarf zur Erfüllung eines bestimmten<br />
Auftrages aufgestellt werden. [5]<br />
Die Führungsebenen ergeben sich aus der<br />
Gliederung der Einheiten und aus den Erfordernissen<br />
der Lage. Bei der Organisation der<br />
Führungsebenen ist darauf zu achten, dass alle<br />
Führungskräfte mit vergleichbarem Zuständigkeits-<br />
und Verantwortungsbereich und<br />
gleichem Unterstellungsverhältnis eine Führungsebene<br />
bilden. Dabei sind den jeweiligen<br />
Führungsebenen in der Regel nicht mehr als<br />
drei Trupps, zwei Gruppen beziehungsweise<br />
drei bis fünf Züge oder Verbände zuzuordnen.<br />
[5] Die Beschreibung der Führungsebene<br />
erfolgt mit Hilfe von taktischen Zeichen. Weitere<br />
taktische Zeichen sind in [6] erläutert.<br />
Abbildung 1: Taktische Zeichen [6]
Seite 28<br />
Abschnitt 1<br />
1. LZ<br />
Einsatzleiter<br />
Die Verwendung von taktischen Zeichen<br />
bietet sich besonders in den Fällen an, wenn<br />
eine Schadenslage den Einsatz von mehreren<br />
Einheiten erfordert. Mit Hilfe der organisations-<br />
und länderübergreifenden Kennzeichnung<br />
erfolgt eine rasche und ausführliche Lagedarstellung.<br />
Die Taktischen Zeichen leisten<br />
einen wesentlichen Beitrag zur Informationsverarbeitung<br />
unter den einzelnen Führungspositionen<br />
[6].<br />
Zur Abwicklung des Gesamteinsatzes steht<br />
dem Einsatzleiter neben der personellen<br />
(Stab) und technischen Unterstützung (z. B.<br />
ELW3) zur Verfügung. Die Einsatzleitung<br />
wird um das Sachgebiet „Presse“ erweitert, da<br />
der sachgerechten Information der Öffentlichkeit<br />
eine wachsende Bedeutung zukommt.<br />
Die aufgeführten Organisationsstrukturen<br />
großer Feuerwehren (Abbildung 2, BF Dortmund)<br />
sind im Bereich der Einsatzvorbereitung<br />
entstanden und sollen im Einsatzfall eine<br />
Einsatzleitstelle<br />
Einsatzleitung<br />
Abschnitt 2<br />
B-Dienst B-Dienst<br />
EAL1<br />
2. LZ 3. LZ<br />
Kanal A Kanal B Kanal C<br />
Abbildung 2: Führungsstruktur (3. Alarm) bei BF Dortmund<br />
Kanal X<br />
EAL2<br />
Bereitstellungsraum<br />
Abschnitt 3-RD<br />
BD-RD<br />
Kanal D<br />
4m Funkbereich<br />
LNA<br />
klare und verständliche Gliederungen der Befehlskette<br />
und eindeutige Aufgabenverteilung<br />
gewährleisten.<br />
3. Kommunikation in der Feuerwehr<br />
Für die Kommunikation der Leitstelle mit den<br />
Einsatzkräften oder der Einsatzkräfte untereinander<br />
stehen Funknetze im 4m-Band, im<br />
2m-Band und dem noch seltenen 70cm-Band<br />
zur Verfügung. Es steht eine Vielzahl von<br />
Kanälen im 4m- und 2m-Band zur Verfügung,<br />
diese wurden von der Aufsichtsbehörde (Bezirksregierung,<br />
Innenministerium) an Feuerwehren<br />
und <strong>Hilfsorganisationen</strong> so verteilt,<br />
dass eine gegenseitige Störung weitgehend<br />
vermieden wird.<br />
Auf dem 4 m-Band wird der Funkverkehr<br />
zwischen Feststationen z. B. der Leitstelle<br />
und Feuerwachen und Einsatzstellen bzw.<br />
Or<br />
2m Funkbereich
Einsatzfahrzeugen abgewickelt. Der Frequenzbereich<br />
liegt zwischen 74,215 und<br />
87,255 MHz und ist in Kanäle (347 bis 510)<br />
aufgeteilt. Von der Fernmeldebehörde wird<br />
<strong>für</strong> jede Funkstelle ein eindeutiger und unverwechselbarer<br />
Funkrufname verlangt. Der<br />
Funkrufname der nichtpolizeilichen BOS besteht<br />
aus dem bundeseinheitlichen und organisationsbezogenen<br />
Kennwort, dem Namen<br />
des Einsatzbereiches (Stadt, Gemeinde oder<br />
Landkreis) und einer Ziffernfolge unterteilt in<br />
zwei oder drei Teilkennzahlen (TKZ) [3].<br />
Im Jahr 1979 wurde ein bundeseinheitliches<br />
Schema erarbeitet und den Ländern zur Einführung<br />
empfohlen. Der Funkrufname setzt<br />
sich demnach wie folgt zusammen:<br />
• 1. TKZ: Standort (Feuerwache, Gerätehaus,<br />
Abteilung, Einheit), sie wird nur dort<br />
notwendig, wo im Einsatzbereich mehr als<br />
eine Feuerwache (kreisfreie Stadt) oder<br />
Feuerwehr (kreisangehörige Stadt) vorhanden<br />
sind.<br />
• 2. TKZ: Art der Funkanlage oder des Fahrzeuges<br />
• 3. TKZ: Laufende Nummer der Fahrzeuge<br />
gleicher Art. Sie ist allerdings nur notwendig<br />
wenn mehr als ein Fahrzeug gleicher<br />
Art vorhanden ist.<br />
Die Tabelle 1 zeigt am Funkrufnamen des<br />
Löschgruppenfahrzeugs LF 8 beispielhaft den<br />
Aufbau des Funkrufnamen.<br />
Florian<br />
BOS-<br />
Kennwort<br />
Paderborn<br />
Einsatzbereich<br />
1 2 - 4 1 - 0 2<br />
Standort<br />
Funktions-träger/<br />
Fahrzeugart<br />
Laufende<br />
Nummer<br />
Tabelle 1: Aufbau des Funkrufnamen im 4m-Band [2]<br />
Das 4m-Band wird auch <strong>für</strong> die analoge<br />
Alarmierung und zur Verwendung des Funkmeldesystems<br />
benötigt. Vereinzelt wird das<br />
4m-Band auch zur Datenübertragung von<br />
z. B. Bildern verwendet [7]. Im 2m-Band erfolgt<br />
während der Anfahrt die Fahrzeugkommunikation<br />
z. B. im Zugverband und an<br />
Seite 29<br />
Einsatzstellen die Kommunikation zwischen<br />
Einsatz- bzw. Führungskräften. Der Frequenzbereich<br />
liegt zwischen 165,210 MHz<br />
und 173,980 MHz Für das 2m-Band gibt es<br />
außer dem organisationsbezogenen Kennwort<br />
keine Regelung <strong>für</strong> ein einheitliches Funkrufnamenschema.<br />
Das 2m-Band wird auch zur<br />
digitalen Alarmierung, <strong>für</strong> die Übertragung<br />
von Notsignalen (Feuerwehrnotsignalanlagen)<br />
und Datenübertragung z. B. von Bildern eingesetzt<br />
[7].<br />
4. Systemkonzept<br />
Derzeit benutzen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste<br />
die analoge Sprechfunktechnologie<br />
im Halbduplexmodus mit einfacher<br />
Push-To-Talk-Sprachkommunikation. Die gesamten<br />
Lageinformationen, Berichte und Dokumentationen<br />
zur Entscheidungsunterstützung<br />
werden weitgehend manuell bearbeitet.<br />
Der Prototyp des Share-Systems soll <strong>für</strong><br />
die Einsatzleitungen multimodale Arbeitsweisen<br />
und Online- und On-site-Zugänge zu Datendienstleistungen<br />
ermöglichen, die aktuelle<br />
Lageinformationen einschließlich Audio, Video,<br />
Text, Graphik ebenso wie Details zum<br />
Notfall, zum Standort und zur Umgebung zur<br />
Entscheidungsunterstützung bereitstellen.<br />
Durch das digitale Führungsunterstützungssystem<br />
kann der gesamte Kommunikationsverkehr<br />
aufgezeichnet und in einer Datenbank<br />
hinterlegt werden. Der Sprachverkehr (Telefon<br />
oder Funk) wird mittels Spracherkennung<br />
in Text umgewandelt und dem Empfänger<br />
gleichzeitig zur Sprachausgabe auf dem Endgerät<br />
anzeigt. Unter anderem könnte so die<br />
Gefahr des Informationsverlustes vermieden,<br />
Verständigungsprobleme, wie z. B. durch<br />
Lärm, beseitigt und mehrere Funksprüche, die<br />
zur gleichen Zeit eintreffen, nacheinander abgearbeitet<br />
werden.
Seite 30<br />
Der Inhalt der Datenbank kann von den<br />
einzelnen Ebenen, je nach Zuständigkeit aufgerufen<br />
werden. Die Ablage der Daten erfolgt<br />
chronologisch unter Angabe von Schlüsselwörtern<br />
und Funkrufnamen. Die so gesammelten<br />
Informationen würden sich auch <strong>für</strong><br />
die Einsatzdokumentation nutzen lassen.<br />
Der Nachrichtenvordruck, der <strong>für</strong> die Übermittlung<br />
von Befehlen, Meldungen und Informationen<br />
innerhalb eines Führungsstabes,<br />
zur Leitstelle und/oder zu unterstellten Einheiten<br />
verwendet wird [4], soll als digitales<br />
Formular in das Führungsunterstützungssystem<br />
übernommen werden. Die so verfassten<br />
Nachrichten können per Datenübertragung<br />
den einzelnen Führungsebenen übermittelt<br />
und dokumentiert werden. Eine Überlastung<br />
des Sprechfunkverkehrs und das Übergehen<br />
einzelner Führungsebenen kann vermieden<br />
werden. Zusätzlich sollte es möglich sein<br />
Skizzen, Bild- und Videoinformationen, z. B.<br />
von einer Wärmebildkamera, direkt von der<br />
Einsatzstelle zum Einsatz- bzw. Abschnittsleiter<br />
zu übermitteln, um so eine direkte und aktuelle<br />
Lageübersicht zu ermöglichen.<br />
Das SHARE-Konzept soll in eine auf<br />
2,5G-, 3G- (UMTS-)-Datenfunkkommunikation<br />
und <strong>mobile</strong>m W-LAN basierte Kommunikations-Infrastruktur<br />
integriert werden. Einzelne<br />
Aspekte, die im SHARE-Projekt entwickelt<br />
werden, beziehen sich auf:<br />
Technologie-Innovationen<br />
• Impulse und neue Anwendungen <strong>für</strong> den<br />
im Aufbau befindlichen Digital-Funk <strong>für</strong><br />
Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste<br />
• Weiterentwicklung der multimodalen<br />
Push-to-Share-Technologie<br />
• Höhere Benutzungsfreundlichkeit durch<br />
<strong>mobile</strong> Geräte<br />
• Intelligente digitale Landkarten, die Standort-basierte<br />
Dienstleistungen und Informationen<br />
beinhalten<br />
• Semantische Indexierung von Multimediadaten<br />
• Effiziente Sprach- und Bildverarbeitungsalgorithmen<br />
Anwendung und Nutzen<br />
• Vereinfachung von Kommunikation und<br />
Dokumentation bei großen Schadenslagen<br />
• Unterstützung <strong>für</strong> Rettungskräfte, die typisch<br />
auf praktische Fähigkeiten fokussiert<br />
sind und wenig Fremdsprachenkenntnisse<br />
haben<br />
• Bessere Zusammenarbeit zwischen Rettungsorganisationen<br />
in Europa<br />
• Koordination von internationalen Rettungsmannschaften<br />
(zum Beispiel Erdbeben<br />
im Iran der Mangel an Kommunikation<br />
und Koordination von internationalen<br />
Mannschaften wurde ausdrücklich in den<br />
bezogenen Nachrichten und Berichten erwähnt)<br />
• Multimediales europäisches Einsatztool <strong>für</strong><br />
Rettungskräfte
Abbildung 3: Abschnittbildung und geografische Einteilung<br />
Anwendungsbeispiel<br />
Das System gibt automatisch die Informationen<br />
aus, wann und welche Einsatzkräfte<br />
eingetroffen sind. Somit kann der Einsatzleiter<br />
je nach Schadenslage die Einsatzkräfte<br />
leicht einteilen und effektiv einsetzen. Die<br />
Abschnittsbildung (Einteilung der Einsatzkräfte)<br />
geschieht per „drag und drop“. So dass<br />
die betroffenen Einsatzkräfte automatisch die<br />
spezifischen Informationen erhalten.<br />
Da sich der Einsatzleiter durch die Videoübertragung<br />
ständig über die Einsatzlage informieren<br />
kann, können viele Meldungen ge-<br />
Seite 31<br />
spart und die wichtigen Entscheidungen<br />
schneller getroffen werden.<br />
Zur Auswertung von Wärmebildern kann<br />
eine Bilderkennung eingesetzt werden. Diese<br />
kann beim Auffinden und Erkennen von Personen<br />
und Gegenständen unterstützen. Die<br />
farblichen Temperaturangaben des Bildes<br />
können ausgewertet werden.<br />
Der Sprachverkehr (Telefon oder Funk)<br />
wird mittels Spracherkennung in Text umgewandelt<br />
und dem Empfänger gleichzeitig zur<br />
Sprachausgabe auf dem Endgerät anzeigt. Unter<br />
anderem kann so die Gefahr des Informationsverlustes<br />
vermieden, Verständigungs-
Seite 32<br />
Abbildung 4: Integrierte SAFeR Datenbank<br />
probleme beseitigt und parallele Funksprüche<br />
nacheinander abgearbeitet werden.<br />
Das System bietet außerdem die Möglichkeit,<br />
vorhandene Informationsquellen zu integrieren.<br />
Ein Beispiel ist die Integration des<br />
SAFeR-Systems. Das durch BMBF geförderte<br />
Projekt SAFeR (Strategische und Ablaufunterstützende<br />
Einsatzinformationen <strong>für</strong> Feuerwehr<br />
und Rettungsdienst) kann mit Hilfe von<br />
<strong>mobile</strong>n Informationsverarbeitenden Instrumenten<br />
den Einsatzkräften allgemeine Daten<br />
und darüber hinaus erweiterte Informationen<br />
bzw. Spezialwissen bereitstellen, um den Ablauf<br />
von Notfalleinsätzen zu unterstützen und<br />
zu verbessern.<br />
5. Multimodale Datendienste <strong>für</strong> den<br />
Rettungseinsatz<br />
Im SHARE-Projekt werden zwei technische<br />
Konzepte kombiniert, um neben <strong>mobile</strong>n digitalen<br />
Kommunikationsdiensten weitere wichtige<br />
Datendienste einzuführen, die die Einsatzleitung<br />
unterstützen sollen. Bei den beiden<br />
Basiskonzepten handelt es sich einerseits<br />
um die Push-to-Talk-over-Cellular (PoC)<br />
Technologie, die den analogen Walkie-Talkie-Funk<br />
ersetzen soll, und andererseits um<br />
das Konzept der Multimodalität.<br />
PoC erlaubt neben der direkten digitalen<br />
Mobilkommunikation per Knopfdruck am<br />
Endgerät außerdem die Kommunikation in<br />
konfigurierbaren Gruppen. Auch eine Erweiterung<br />
auf Full-duplex-Betrieb ist möglich.
Da verschiedene Netzinfrastrukturen genutzt<br />
werden können, ist es jederzeit möglich ein<br />
lokale Kommunikationsinfrastruktur aufzubauen<br />
oder das Mobilfunknetz kommerzieller<br />
bzw. öffentlicher Anbieter zu nutzen. So wird<br />
auch das Problem begrenzter Reichweiten der<br />
Walkie-Talkie-Kommunikation gelöst.<br />
Multimodale Informationsdienste erlauben<br />
die Interaktion mit einem technischen System<br />
über verschiedene Modalitäten, wie Sprache,<br />
Gesten oder Tastatureingaben. Dabei werden<br />
z. B. gleichzeitige Benutzereingaben über<br />
Sprache und Zeicheneingabe auf einem<br />
Touchscreen vom System als zusammengehörig<br />
interpretiert und entsprechend ausgeführt.<br />
Die Spracheingabe „Zeige mir alle Hydranten<br />
in diesem Gebiet“ zusammen mit einer Ge-<br />
Multimodality<br />
Network<br />
Voice+Data<br />
GPS/Galileo<br />
Multimodal<br />
Push-To-Share<br />
Framework<br />
Push-To-Share<br />
Data Server:<br />
• Ontologies<br />
• Digital Maps<br />
• Voice and Video<br />
Data<br />
Access<br />
Point<br />
Abbildung 5: Einsatzszenario mit Push-to-Share-Service<br />
Sub-Section<br />
Leader<br />
Seite 33<br />
bietsmarkierung in einer digitalen Karte auf<br />
dem Display führt z. B. zur Markierung der<br />
Hydranten mit Symbolen in der Karte. Das<br />
Ziel der Multimodalität ist eine möglichst optimale<br />
Unterstützung des Benutzers bei der<br />
Interaktion mit einem Informationssystem.<br />
Das System reagiert, indem es multimediale<br />
Informationen aus einer Datenbank als Antwort<br />
auf die Anfrage in aufbereiteter Form<br />
zurückliefert.<br />
Das in Abbildung 5 dargestellte Einsatzszenario<br />
<strong>für</strong> die Push-to-Share-Systemarchitektur<br />
(PTS) beinhaltet neben den <strong>mobile</strong>n digitalen<br />
Kommunikationsdiensten weitere multimodale<br />
Datendienste. Die drei zentralen Datendienste<br />
im SHARE-Projekt sind: erstens<br />
die Indexierung, Archivierung und Durch-<br />
Sect. 1<br />
Cam<br />
Views<br />
Top-<br />
Views<br />
SHARE<br />
3<br />
Tactic<br />
Plan<br />
Casualty<br />
Data<br />
Voice<br />
Records<br />
Radio<br />
Sketcher<br />
Messages<br />
Lo<br />
ss<br />
Push-To-Share Client: Rugged<br />
Tablet PC with detailled views<br />
(e.g. Digital Map, Tactical Figures)<br />
Officer-in-Charge<br />
Section Leader<br />
RD<br />
CAM-Views
Seite 34<br />
suchbarkeit der laufenden Audiokommunikation,<br />
zweitens die Möglichkeit, mit digitalen<br />
Karten zu interagieren, und drittens die Bereitstellung<br />
von Ontologien. Eine Ontologie<br />
beinhaltet z. B. eine Modellierung der Begriffswelt,<br />
wie sie bei Rettungseinsätzen verwendet<br />
wird. Die genannten Datendienste sollen<br />
nun näher beschrieben werden.<br />
5.1 Interaktive digitale Karten<br />
Digitale Karten werden im SHARE-Projekt<br />
zur Navigation zum und am Einsatzort genutzt.<br />
Außerdem wird eine interaktive Lagekarte<br />
angelegt, die Informationen und Symbole<br />
über den aktuellen Stand des Einsatzes enthält.<br />
In Abbildung 6 sind digitale Karten (Quell:<br />
Fa. TeleAtlas) eines Einsatzortes mit verschiedenen<br />
Zusatzinformationen dargestellt.<br />
So sind unter anderem Informationen über die<br />
Landnutzung (Feld, Wald, Industriegebiet),<br />
über Straßentypen (Autobahn, Landstrasse)<br />
und über die Verkehrsführung visuell zugänglich.<br />
Durch Anklicken von Bereichen und<br />
Symbolen können zusätzliche multimediale<br />
Informationen abgerufen werden.<br />
Die Abschnittsbildung als Anwendungsfall<br />
(Use-Case) wird wie folgt unterstützt. In der<br />
Lagekarte kann der Einsatzleiter räumliche<br />
Abschnitte eintragen und mit weiteren Zusatzinformationen<br />
versehen. Durch Anklicken eines<br />
Abschnitts in der Karte werden dann alle<br />
dort sich im Einsatz befindlichen Fahrzeuge<br />
aufgelistet oder die vorhandenen Hydranten<br />
Abbildung 6: Digitale Karten mit Informationen zu Landnutzung, Straßentyp und Verkehrsführung<br />
(Quelle: Fa. TeleAtlas)
markiert. Die aktuelle Version des Lageplanes<br />
wird regelmäßig auf alle Endgeräte übertragen,<br />
die eine entsprechende Darstellungsmöglichkeit<br />
bieten. So kann unter anderem ein<br />
Abschnittsleiter jederzeit mittels seines PDA<br />
einen Überblick über seinen eigenen Abschnitt<br />
und ggf. die Gesamtlage erhalten. Neben<br />
der graphischen Darstellung der Abschnitte<br />
ist auch immer eine textuelle Beschreibung<br />
vorhanden („Abschnitt 1 wird von<br />
Straße B54 und Bahnlinie XY begrenzt“).<br />
Durch Abfahren der Grenzen des Abschnitts<br />
mit dem Mauszeiger wird diese Beschreibung<br />
sowohl als Text, als auch als gesprochene<br />
Audionachricht erzeugt und der Datenstruktur<br />
des Abschnitts im Informationssystem zugeordnet.<br />
Da<strong>für</strong> werden einerseits die Geoinformationen<br />
der Kartendatenbank verwendet<br />
und weiterhin ein Text-to-Speech-System<br />
(TTS), das die Straßennamen als Audionachricht<br />
synthetisiert.<br />
Viele weitere Use-Cases <strong>für</strong> digitale Karten<br />
sind vorstellbar und werden im Laufe des<br />
Projektes realisiert werden. Unter anderem<br />
wird durch Verschieben von Fahrzeugsymbolen<br />
aus einer Liste, die alle Fahrzeuge im Bereiststellungsraum<br />
enthält, in einen Abschnitt<br />
die Besatzung direkt in die Kommunikationsgruppe<br />
des Abschnitts aufgenommen. Auch<br />
die genaue Position der am Einsatz beteiligten<br />
Fahrzeuge wird jederzeit in der Karte sichtbar<br />
sein.<br />
5.2 Indexierung der Audiokommunikation<br />
Durch die indizierte Archivierung der Audiokommunikation<br />
wird der direkte Zugriff auf<br />
die gesamte Kommunikation während des<br />
Einsatzes in strukturierter Form möglich. Alle<br />
Audionachrichten werden mit einem Zeitstempel<br />
und den GPS-Koordinaten des Endgerätes<br />
versehen und in einer zentralen Kommunikationsdatenbank<br />
abgelegt. Diese Da-<br />
Seite 35<br />
tenbank enthält neben den Audionachrichten<br />
außerdem Videonachrichten von entsprechenden<br />
Kameras am Einsatzort und Textnachrichten,<br />
die den Inhalt der in digitalisierter<br />
Form vorliegenden Meldeformulare beschreiben.<br />
Bei der Indexierung werden die einlaufenden<br />
Audionachrichten im ersten Schritt in statistisch<br />
homogene Segmente zerlegt (siehe<br />
Abbildung 7). Dann werden <strong>für</strong> jedes Segment<br />
Informationen über den jeweiligen<br />
Sprecher extrahiert. So können zeitlich nacheinander<br />
einlaufende Nachrichten, z. B. eines<br />
Dialoges, den Sprechern zugeordnet werden.<br />
Über die Anfangs gesendete Kennung (z. B.<br />
„Florian Dortmund 12-44-1“) wird so eine<br />
Sprecheridentifizierung <strong>für</strong> jedes Audiosegment<br />
möglich. Für die gesprochene Kennung,<br />
die einer vorgegebenen Struktur folgt, kann<br />
durch Verwendung von Audioerkennungsverfahren<br />
eine textuelle Beschreibung erzeugt<br />
werden. Als Suchparameter in der Datenbank<br />
können dann Zeiträume, Kennungen, aber<br />
auch Stichworte verwendet werden. Das Audioerkennungssystem<br />
erhält als Lexikon eine<br />
Anzahl der wichtigsten Begriffe im Feuerwehreinsatz,<br />
wie z. B. „Wasserversorgung“,<br />
„Chemieunfall“ oder „Nachschub“. Die Begriffe<br />
im Lexikon werden automatisch im Audiostrom<br />
erkannt und über Zeitmarken den<br />
Audiosegmenten zugeordnet. Dies bedeutet<br />
außerdem, dass sobald eine Person den Begriff<br />
„Chemieunfall“ über das Kommunikationssystem<br />
ausspricht, ein vordefiniertes Verhalten<br />
des Informationssystems ausgelöst<br />
werden kann (z. B. wird eine visuelle Warnung<br />
auf dem Display des Endgerätes des<br />
Einsatzleiters angezeigt).<br />
Zur Audioindexierung wird das am Fraunhofer<br />
Institut <strong>für</strong> Medienkommunikation entwickelte<br />
Medienanalysesystem iFinderSDK<br />
verwendet [9]. Das iFinder Software-Develop-ment-Kit<br />
ermöglicht eine automatische<br />
Erzeugung von Metadaten <strong>für</strong> Audio/Vi-deo-
Seite 36<br />
daten. Im Audiobereich werden Module zur<br />
Segmentierung, Sprache/nicht-Sprache-Klassifizierung,<br />
Sprecherzuordnung und Freitexterzeugung<br />
angeboten. Im Videobereich ist<br />
die Erkennung von Schnitten und eine Identifizierung<br />
von Gesichtern und Logos möglich.<br />
Die folgenden Beispiele zur Erklärung des<br />
Systems stammen aus einem Projekt, das sich<br />
mit dem Audio/Videoarchiv des Deutschen<br />
Bundestages befasst. Für das SHARE-Projekt<br />
wird das iFinder-System an die Erfordernisse<br />
von Rettungseinsätzen angepasst.<br />
In Abbildung 7 sind die grundlegenden<br />
Schritte der Audioverarbeitung gezeigt. Nach<br />
der Segmentierung und Erkennung werden<br />
die erzeugten Metadaten im MPEG-7-Format<br />
abgelegt. MPEG-7 ist ein internationaler<br />
Standard zur Beschreibung von multimedialen<br />
Daten durch definierte Metadaten, die<br />
durch ein XML-Schema festgelegt sind.<br />
AV- Segmen- Erken<br />
Abbildung 7: Metadaten-Extraktionsprozess<br />
Abbildung 8 zeigt eine Metadatendatei <strong>für</strong><br />
eine Rede im Deutschen Bundestag. Über den<br />
MediaLocator wird auf das eigentliche Audiodokument<br />
verwiesen. Dann folgt eine Sequenz<br />
von Audiosegmenten, die Informationen<br />
über Startzeitpunkt und Dauer enthalten,<br />
aber auch den in diesem Zeitraum gesprochenen<br />
Text enthalten. Auf diese Weise lässt sich<br />
ein umfangreiches Audiodokument sehr effizient<br />
beschreiben. In der Regel beträgt das<br />
Größenverhältnis in Byte zwischen Audiodokument<br />
und Metadatendatei ungefähr 1000:1.<br />
Suche im Kommunikationsarchiv<br />
Meta-<br />
daten<br />
Das iFinder System stellt eine verteilte Umgebung<br />
zur Suche in Audio/Videoarchiven<br />
zur Verfügung, die als Client/Server-Architektur<br />
realisiert ist [8]. Das verteilte Design<br />
erlaubt es mehreren Benutzern auf eine Vielzahl<br />
von Multimedia-Archiven, die audiovisuelle<br />
Daten und ihre jeweiligen Metadaten<br />
enthalten, in einer verteilten Umgebung zuzugreifen.<br />
Das Gesamtsystem umfasst folgende<br />
Hauptkomponenten (siehe Abb. 9): die oben<br />
beschriebene Metadaten-Produktionsumgebung<br />
iFinderSDK, den iFinder Server<br />
mit einer XML-Datenbank und die iFinder<br />
Client-Anwendung. Weiterhin wird ein Streaming-Server<br />
verwendet, um ein Browsing <strong>für</strong><br />
umfangreiche Audio/Videodaten zu ermöglichen.<br />
Diese Systemarchitektur ist z. B. <strong>für</strong><br />
das folgende Szenario einer Online-Recherche<br />
am Einsatzort gut geeignet. Der Führer eines<br />
neu am Einsatzort ankommenden Zuges recherchiert<br />
schon während der Anfahrt, welche<br />
wichtigen Ereignisse in der vorhergehenden<br />
Audiokommunikation in seinem neuen Abschnitt<br />
genannt wurden. Er kann sich so über<br />
die Stichworte der Audionachrichten und<br />
auch durch Abhören einzelner Nachrichten<br />
ein Bild der Lage in diesem Abschnitt machen.<br />
Komponenten des verteilten iFinder<br />
Systems<br />
Das Extraktionsmodul erzeugt, wie oben beschrieben,<br />
automatisch alle <strong>für</strong> die weiteren<br />
Archivierungs- und Suchprozesse benötigten<br />
Metadaten. Diese Metadaten entsprechen einem<br />
vorher festgelegten Schema, das eine<br />
Untermenge des gesamten MPEG-7-Schemas<br />
ist. Nachdem die Metadaten in die XML-<br />
Datenbank importiert wurden, können sie über<br />
das iFinder-Retrieval-System gesucht<br />
werden. Die Datenbank und der iFinder Client<br />
sind über CORBA-Schnittstellen mit dem i-<br />
Finder Server verbunden. Dies hat den Vorteil,<br />
dass mehrere Client-Anwendungen
Abbildung 8: Ausschnitt aus einer MPEG-7-Beschreibung <strong>für</strong> den Audiobereich<br />
Abbildung 9: Verteilte Systemarchitektur des iFinder<br />
gleichzeitig über einen oder viele Server arbeiten<br />
können, wobei ebenfalls mehrere Archive<br />
durchsucht werden können. Die<br />
CORBA-Middleware sorgt automatisch <strong>für</strong><br />
eine Verteilung der Bearbeitungslast auf die<br />
beteiligten Server. Ein Nameservice ermöglicht<br />
die Ortstransparenz beim Zugriff, sodass<br />
Seite 37<br />
alle Komponenten beliebig im weltweiten<br />
Netz verteilt sein können. Durch Verwendung<br />
eines Servlet-fähigen Web-Servers und der<br />
Java Web-Service-Technologie kann der Benutzer<br />
auch über einen Web-Browser mit dem<br />
System arbeiten. Ein iFinder Dienst zum
Seite 38<br />
Zugriff über Mobiltelefon und PDA ist ebenfalls<br />
prototypisch realisiert.<br />
Zugriff auf die XML-Datenbank<br />
Der iFinder-Server nimmt Anfragen von den<br />
Benutzern entgegen und bereitet eine Datenbankanfrage<br />
in der Abfragesprache XPath<br />
(W3C) vor, die dann an das Datenbanksystem<br />
gesendet wird. Die Liste von Suchergebnissen<br />
wird im Server aufbereitet, wobei die<br />
Ergebnisse nach ihrer Relevanz bezüglich der<br />
Suchparameter sortiert werden. Jedes Suchergebnis<br />
wird mit Datum, Namen des Sprechers,<br />
einem Keyframe des Videos und mit<br />
den relevanten Schlüsselworten dargestellt<br />
(siehe Abb. 10). Basierend auf diesen Informationen<br />
kann der Benutzer entscheiden, ob<br />
das Ergebnis von Interesse ist, ohne das Vi-<br />
Abbildung 10: Ergebnisliste einer Datenbankabfrage<br />
deo vorher abspielen zu müssen. Ein ausgewähltes<br />
Ergebnis kann nun im Text/Video-<br />
Browser der Client-Anwendung interaktiv<br />
dargestellt werden.<br />
Der Text/Video-Browser<br />
Der Text/Video Browser (siehe Abb. 11, Beispiel<br />
einer Bundestagsrede) ist ein Visualisierungswerkzeug<br />
<strong>für</strong> Audio/Videodokumente,<br />
das eine synchrone Darstellung von gesprochenem<br />
Text und dem Audio/Videostrom ermöglicht.<br />
Der Text/Video-Browser ist Teil<br />
der iFinder-Client-Anwendung und arbeitet<br />
als MPEG-7-Terminal, da er die Metadaten<br />
als MPEG-7-konformes XML-Dokument<br />
vom Server erhält und zur Visualisierung<br />
nutzt.
Sobald der Benutzer auf ein Suchergebnis<br />
klickt, wird der Text/Video Browser geöffnet.<br />
Das Video spielt von der entsprechenden, relevanten<br />
Stelle ab und die entsprechende Passage<br />
in der Redemitschrift wird farblich hervorgehoben.<br />
Der Benutzer kann wortgenau<br />
jede Stelle im Text markieren, die ihn interessiert,<br />
behält aber dabei immer den Überblick<br />
über die ganze Sitzung. Sobald ein Wort aus<br />
dem Redeprotokoll vom Benutzer angeklickt<br />
wird, wird der Videostrom sofort auf die entsprechende<br />
Stelle in der Debatte positioniert.<br />
Alternativ kann man durch Verschieben des<br />
Fortschrittsbalkens im Videoplayer zu jedem<br />
beliebigen Zeitpunkt der Rede navigieren -<br />
die dazu korrespondierende Textpassage im<br />
Protokoll wird zentriert dargestellt und die<br />
augenblickliche Stelle in der Rede farblich<br />
hervorgehoben. Lässt man das Video nun<br />
weiter abspielen, wird im Text immer die ge-<br />
Abbildung 11: iFinder Text/Video-Browser<br />
Seite 39<br />
rade gesprochene Textpassage hervorgehoben.<br />
Automatisch erkannte relevante Schlüsselwörter,<br />
Ländernamen, oder Namen von Politikern<br />
(s.g. named entities) können farblich<br />
im Text hervorgehoben werden, aber auch<br />
eine freie Textsuche in dem Protokoll der Rede<br />
ist möglich. Informationen, wie z. B. die<br />
Parameter der Anfrage, die augenblickliche<br />
Zeit, der Name und die Partei des Sprechers<br />
und seine Homepage, werden ebenfalls visualisiert.<br />
Eine Uhr veranschaulicht dabei den<br />
augenblicklichen Zeitpunkt innerhalb der Rede<br />
des Politikers an dem Tag, die Dauer der<br />
Rede, die Dauer der Sitzung und die zeitliche<br />
Position dieser Rede innerhalb der Sitzung.<br />
Auch ist es möglich, direkt ohne erneute<br />
Suchanfrage direkt zur nächsten oder vorhergehende<br />
Rede zu springen und so durch die<br />
Reden zu navigieren.
Seite 40<br />
5.3 Ontologien zum Wissensmanagement<br />
Ontologien erlauben unter anderem, eine<br />
Großschadenslage durch Entitäten (Begriffe)<br />
und Relationen zwischen ihnen abzubilden<br />
(siehe Abbildung 12) und damit ein Informations-<br />
und Kommunikationssystem (IuK-<br />
System) optimal an die Bedürfnisse bei der<br />
Einsatzplanung anzupassen. Das technische<br />
System enthält damit von vorneherein ein<br />
Wissen, das sonst nur durch die am Einsatz<br />
beteiligten Menschen eingebracht werden<br />
könnte.<br />
Im SHARE-Projekt werden Ontologien<br />
benutzt, um <strong>für</strong> Rettungseinsätze spezifisches<br />
Wissen im IuK-System zugänglich zu machen<br />
und um eine Schnittstelle zwischen den Datendiensten<br />
und dem Kommunikationssystem<br />
zu schaffen. Spezifisches Wissen kann hier<br />
die Beschreibung des Verhaltens im Fall eines<br />
besonderen Unfallstyps sein (Chemieunfall).<br />
Abbildung 12: Ontologiebeispiel <strong>für</strong> Großschadenslage<br />
Für Rettungseinsätze im Ausland kann eine<br />
Zuordnung von bekannten Begriffen auf die<br />
in der jeweiligen Landessprache verwendeten<br />
sehr hilfreich sein („Bereitstellungsraum“ –<br />
„Assembly Area“). Eine Ontologie kann diese<br />
Online-Zuordnung auf dem Display des Endgerätes<br />
sichtbar machen.<br />
Ontologien als Schnittstelle zum Kommunikationssystem<br />
sind dann nützlich, wenn<br />
z. B. ein Löschzug neu in einen Abschnitt<br />
aufgenommen wird. Wie oben beschrieben,<br />
verschiebt der Einsatzleiter in diesem Fall ein<br />
Symbol aus einer Liste in den Abschnitt auf<br />
der digitalen Karte. Da in der verwendeten<br />
Ontologie ein Abschnitt mit einer Push-To-<br />
Share-Kommunikationsgruppe verbunden ist,<br />
wird der Löschzug automatisch in diese<br />
Gruppe aufgenommen.
6. Zusammenfassung<br />
Im vorliegenden Beitrag wurde das SHARE-<br />
Projekt einerseits aus Sicht der Feuerwehr beschrieben,<br />
die das resultierende IuK-System<br />
in der Praxis nutzen wird. Andererseits wurde<br />
auch die eher technisch geprägte Sichtweise<br />
der an der Realisierung beteiligten Projektpartner<br />
dargestellt. Um ein nützliches technisches<br />
System zur Planung von Rettungseinsätze<br />
der Feuerwehr zu entwickeln, sind beide<br />
Sichtweisen wichtig und müssen ausreichend<br />
berücksichtigt werden. Von besonderer Bedeutung<br />
ist aber die Zusammenführung der<br />
beiden Sichtweisen in einer umfassenden Gesamtsicht,<br />
die erst eine optimale technische<br />
Unterstützung der Organisationsstruktur ermöglicht.<br />
Es wird Teil des SHARE-Projektes<br />
sein, diesen wichtigen Schritt der Zusammenführung<br />
von Technik und Organisation möglichst<br />
erfolgreich zu gehen. Die beteiligten<br />
Partner aus Praxis, Forschung und Industrie<br />
bieten eine gute Grundlage <strong>für</strong> dieses Vorhaben.<br />
Aus technischer Sicht wurden die grundlegenden<br />
technischen Konzepte, Push-to-Share-<br />
Technologie und Multimodalität, beschrieben.<br />
Die auf diese Konzepte aufbauenden Datendienste<br />
zur Indexierung der Audiokommunikation,<br />
der Interaktion mit digitalen Karten<br />
und des Wissensmanagements mit Hilfe von<br />
Ontologien wurden teilweise im Detail dargestellt.<br />
Wichtig <strong>für</strong> das Design praxisnaher Datendienste<br />
sind die so genannten Use-Cases<br />
aus Sicht der Feuerwehr, die <strong>für</strong> jeden Dienst<br />
anhand von Beispielen beschrieben wurden.<br />
Da das SHARE-Projekt noch am Anfang<br />
steht, konnte hier nur ein Überblick über die<br />
geplanten Systemfunktionen und bereist vorhandene<br />
Technologiekomponenten gegeben<br />
werden. Im Laufe der weiteren Projektphasen<br />
werden aktuelle Ergebnisse <strong>für</strong> die interessierte<br />
Öffentlichkeit zugänglich gemacht.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Seite 41<br />
[1] Projektantrag „SHARE“: „Mobile support<br />
for rescue forces, integrating multiple<br />
modes of interaction“; EU-Projekt,<br />
2003.<br />
[2] Marten, Michael; „BOS-Funk – Handbuch<br />
<strong>für</strong> den Funkdienst bei den Behörden<br />
und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />
(BOS) in Deutschland Band 1“;<br />
Meckenheim: Siebel Verlag, 1998, 4. überarbeitete<br />
Auflage.<br />
[3] Geisel, Heinz-Otto: „Feuerwehr-Sprechfunk“;<br />
Stuttgart: Kohlhammer, 1997, 6.<br />
überarbeitete Auflage.<br />
[4] N.N.: „Lehrunterlage 1.2/18 – Nachrichtenvordruck“;<br />
Münster Landesfeuerwehrschule<br />
(heute: Institut der Feuerwehr)<br />
NRW, 1996.<br />
[5] N.N.: „Feuerwehr-Dienstvorschrift 100<br />
– Führung und Leitung im Einsatz“;<br />
Stuttgart: Kohlhammer, 1999.<br />
[6] N. N.: „Ausbildungs- und Gebrauchsanleitung<br />
– Taktische Zeichen“; 2002.<br />
[7] Cimolino, Ulrich; Hußmann, Thomas;<br />
Kronenberg, Horst; Schneider, Siegfried:<br />
„Einsatzstellen-Kommunikation“, Landsberg:<br />
ecomed Sicherheit, 2000<br />
[8] Löffler, J., Biatov, K., Eckes, Ch., Köhler,<br />
J.: iFinder: An MPEG-7-based Retrieval<br />
System for Distributed Multimedia<br />
Content, ACM Multimedia Conference<br />
2002, 431-435, 2000<br />
[9] Löffler, J., Biatov, K., Köhler, J.: Automatic<br />
Extraction of MPEG-7 Audio<br />
Metadata Using the Media Asset Management<br />
System iFinder, AES 25th International<br />
Conference: Metadata for Audio,<br />
London, UK, June 17-19, 2004<br />
Prof. Dr. Rainer Koch, Bo-Sik Lee, Rüdiger<br />
Harnasch, Universität Paderborn; Dr. Jobst<br />
Löffler, Dr. Joachim Köhler, Fraunhofer Institut<br />
<strong>für</strong> Medienkommunikation
Seite 42<br />
Zusammenfassung<br />
Sicherheit im Geoinformationsmanagement<br />
mit offenen Standards und Geodateninfrastrukturen<br />
Markus Müller<br />
<strong>Sicherheitskommunikation</strong>, also das Management<br />
von Informationen, die zwischen Organisationen<br />
ausgetauscht werden, die Sicherheitsaufgaben<br />
wahrnehmen, umfasst eine<br />
große Spannbreite von Anwendungsgebieten,<br />
die sich aber durch eine Reihe von Gemeinsamkeiten<br />
auszeichnen. Insbesondere sind<br />
dies die verteilte Zuständigkeit und Speicherung<br />
der Daten, und der Raumbezug vieler<br />
benötigter Informationen. Das Mittel der<br />
Wahl zum Management von verteilten und<br />
raumbezogenen Datenbeständen sind Geodateninfrastrukturen<br />
Auf technischer Ebene<br />
zeichnen sich Geodateninfrastrukturen dadurch<br />
aus, dass sie über normierte Web-<br />
Services raumbezogene Metadaten, Karten,<br />
Geodaten oder auch 3D-Sichten austauschen.<br />
Der Key Player bei der Standardisierung dieser<br />
Web-Services ist das Open Geospatial<br />
Consortium (OGC), ein Industriekonsortium,<br />
das aus über 250 Organisationen der Geoinformationsbranche<br />
besteht. <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />
benötigt möglichst aktuelle Informationen,<br />
so dass der Einsatz dieser OGC<br />
Web Services (OWS) einen großen Vorteil<br />
darstellen kann. Für bestimmte Informationen<br />
ist es natürlich nicht immer gewünscht, dass<br />
Daten <strong>für</strong> jeden zur Verfügung stehen, was<br />
bei standardisierten Web-Services im Internet<br />
zumindest prinzipiell der Fall ist. Aus diesem<br />
Grund ist es notwendig, den Zugriff auf solche<br />
Dienste zu kontrollieren, ohne dass die<br />
Interoperabilität eingeschränkt wird. Ein Ansatz<br />
hierzu stellt der deegree owsProxy dar,<br />
der Teil des Freie Software / Open Source<br />
Projektes deegree ist. Der Ansatz hier ist, auf<br />
den Standards aufbauend, bzw. diese ergän-<br />
zend sichere Kommunikation herzustellen,<br />
ohne generell Interoperabilität einzuschränken.<br />
Szenario: das Pallas-Unglück<br />
Um die weiteren Ausführung etwas besser zu<br />
motivieren, wurde die Havarie des Holzfrachters<br />
Pallas gewählt, um anhand diesen Beispiels<br />
zu zeigen, wo die Einsatzmöglichkeiten<br />
und Vorteile von standardbasierten Geodateninfrastrukturen<br />
bei der <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />
liegen.<br />
Am 25. Oktober 1998 geriet die Fracht des<br />
Holzfrachters Pallas vor der dänischen Küste<br />
in Brand. Da der Brand von der Besatzung<br />
nicht gelöscht werden konnte, wurde die<br />
Mannschaft evakuiert, aber keine weiteren<br />
Maßnahmen zu Bergung des Schiffes von<br />
Seiten der dänischen Stellen unternommen.<br />
Die Pallas trieb daraufhin führerlos in die<br />
deutsche Wirtschaftszone in Richtung Sylt<br />
(Abbildung 1). Sowohl der Versuch den<br />
Brand an Bord zu löschen, als auch mehrere<br />
Versuche den Frachter abzuschleppen scheiterten,<br />
letzteres aufgrund der schlechten Wetterlage.<br />
Am 30.10. trat erstmals Öl aus dem<br />
Schiffsrumpf aus, was den Vorfall in die Zuständigkeit<br />
der Einsatzleitgruppe zur Bekämpfung<br />
von Meeresverschmutzungen<br />
brachte (siehe Abbildung 2). Erst am<br />
23.11.1998 konnte das Feuer an Bord der Pallas<br />
endgültig gelöscht werden, am 10.1.1999<br />
wurden die Bergungsarbeiten beendet. Ende<br />
August 1999 wurden die Versiegelungsarbeiten<br />
am Schiffsrumpf beendet. Die Gesamtkosten<br />
der Bergungs-, Sicherungs- und Ölbekämpfungsmaßnahmen<br />
beliefen sich auf 25
Abb. 1: Die Irrfahrt der „Pallas“ (Quelle: Reineking, W. 1999)<br />
Seite 43
Seite 44<br />
Millionen Euro, ein Menschenleben war zu<br />
beklagen (Der Vorsitzende der unabhängigen<br />
Expertenkommission „Havarie Pallas“, 2000).<br />
Im gerade zitierten Bericht wurden mehrere<br />
Empfehlungen ausgesprochen, die zur Verbesserung<br />
des bestehenden Notfallmanagement<br />
führen sollen. Da das Thema des vorliegenden<br />
Aufsatzes „Geoinformationsverarbeitung“<br />
ist wird im Folgenden Empfehlung 8<br />
des Berichtes aufgegriffen, die das Thema IT-<br />
Systeme diskutiert. Die <strong>für</strong> dieses Thema relevanten<br />
Teile sind durch Unterstreichen hervorgehoben.<br />
„Empfehlung Nr. 8<br />
Die Expertenkommission empfiehlt, Transpondertechnik<br />
<strong>für</strong> die Fahrzeuge der Seewache<br />
einzuführen. Die Daten sind beim Havariekommando<br />
zusammen mit der Radarüberwachung<br />
zu einem elektronischen Positionsbild<br />
zusammenzufassen. Die Softwaresysteme<br />
zum Krisenmanagement sind zu verbessern.<br />
Begründung:<br />
Die technische Ausrüstung <strong>für</strong> die Beurteilung<br />
der aktuellen Lage im Zentralen Meldekopf<br />
bzw. den Küstenwachzentren ist nicht<br />
ausreichend und auch nicht auf dem technisch<br />
möglichen und notwendigen Stand. Es ist keine<br />
wirklich aktuelle Lageerfassung und -darstellung<br />
vorhanden: Die potentiell <strong>für</strong> die<br />
Notfallbekämpfung eingesetzten Schiffe werden<br />
nicht automatisch erfasst und in einem<br />
Lagedisplay dargestellt, sondern müssen mit<br />
der Hand manuell erfasst und laufend nachgeführt<br />
werden. Zur Erfassung der Positionen<br />
und anderer wichtiger Daten der beteiligten<br />
Schiffen müssen die Behördenschiffe und Notfallschlepper<br />
mindestens mit AIS-Transpondern<br />
(Automatisches Identifikationssystem)<br />
ausgerüstet wrden. Sinnvoll wäre eine Anlehnung<br />
an das System der schwedischen Küstenwache,<br />
das ständig ein vollständiges Lagebild<br />
der gesamten Küste ermöglicht.<br />
Abb. 2: Aufnahme der leckgeschlagenen Pallas, eine Ölsperre ist erkennbar (Quelle: http://www.pollutioncontrol.de/htm/Pallas/)
Zur Verbesserung des Krisenmanagements<br />
soll ein Software-System <strong>für</strong> die Unterstützung<br />
des Havariekommandos bereitgestellt<br />
werden, welches <strong>für</strong> das gesamte Notfallmanagement<br />
eine Hilfe bei der Entscheidungsfindung<br />
bietet, vor allem auch schon in der<br />
wichtigen ersten Phase gleich nach dem Eintreten<br />
eines Unfalles. Das vorhandene Software-System<br />
REMUS bietet bis jetzt nur eine<br />
Hilfe nach einem Schadstoffaustritt und konnte<br />
im Fall „Pallas“ nicht in der erwartete<br />
Weise benutzt werden.“<br />
Es lässt sich also zusammenfassend feststellen,<br />
dass die integrierte Darstellung von<br />
raumbezogenen Informationen in Form einer<br />
aktuellen Lagedarstellung eine absolute Notwendigkeit<br />
darstellt. Weiterhin kann festgestellt<br />
werden, dass diese Anforderung bislang<br />
nicht erfüllt wird.<br />
Die Daten, die zur adäquaten Reaktion auf<br />
ein Unglück, das vergleichbar mit den gerade<br />
beschriebenen Vorfällen ist, zeichnen sich<br />
durch die folgenden Eigenschaften aus:<br />
Raumbezug<br />
Da die Beurteilung der Lage nur möglich ist<br />
mit Hilfe von graphischen Darstellungen der<br />
Situation, also im einfachsten Fall Karten, ist<br />
die Notwendigkeit von Geodaten bereits gegeben.<br />
Fast alle Daten, die zur Beurteilung<br />
der Lage notwendig sind, sind von ihrer Natur<br />
her Geodaten, allerdings heißt das noch nicht,<br />
dass alle diese Daten auch automatisiert mit<br />
einem Raumbezug versehen werden. Ein gutes<br />
Beispiel hier<strong>für</strong> sind die in der zitierten<br />
Empfehlung beschriebenen Transponder <strong>für</strong><br />
die Fahrzeuge der Seewache.<br />
Räumliche und organisatorische<br />
Verteilung<br />
Seite 45<br />
Die benötigten Daten sind an unterschiedlichen<br />
Orten gespeichert, bzw. werden an unterschiedliche<br />
Stellen gemeldet. Dies bezieht<br />
sich sowohl auf die räumliche Verteilung als<br />
auch – was das Problem stark verkompliziert<br />
– was die zuständigen Organisationen angeht.<br />
Diese verteilte Zuständigkeit bezieht sich vor<br />
allem auf die verschiedenen Ressorts, die relevante<br />
Daten haben. Die Zusammenführung<br />
dieser Daten ist zur vollständigen Beurteilung<br />
der Lage notwendig. Darüber hinaus nehmen<br />
Vorfälle, die das Katastrophen- oder Notfallmanagement<br />
auf den Plan rufen, keine Rücksicht<br />
auf Verwaltungsgrenzen. Das Pallas-<br />
Szenario zeigt, dass Datenaustausch über<br />
Staatengrenzen hinweg notwendig gewesen<br />
wäre. Aber auch im innerdeutschen Gebiet<br />
tauchen diese Problem auf, da Katastrophenmanagement<br />
keine hoheitliche Aufgabe des<br />
Bundes ist und somit ein über Länder- und<br />
Kommunalgrenzen hinweg wirksames Informationsmanagement<br />
benötigt.<br />
Aktualität<br />
Zur Beurteilung der Situation müssen die Daten<br />
hochaktuell sein. Diese Anforderung ist<br />
sonst in wohl keinem Anwendungsfall von<br />
Geoinformation von so großer Bedeutung.<br />
Veraltete Informationen können zu Fehleinschätzungen<br />
der Lage führen und somit zu fatalen<br />
Folgen . Das Sammeln und Spiegeln von<br />
Datenbeständen, die der ständigen Aktualisierung<br />
unterliegen ist deshalb unter allen möglichen<br />
Umständen zu vermeiden.
Seite 46<br />
Integration<br />
Die verteilten Daten müssen unbedingt zusammengeführt<br />
werden, um die integrative<br />
und interdisziplinäre Analyse zur ermöglichen.<br />
Dies umfasst sowohl, dass die Datenformate<br />
übertragbar bzw. kombinierbar sind,<br />
als auch dass die Georeferenz zusammengeführt<br />
werden kann, also dass die Daten entweder<br />
in einem einheitlichen Koordinaten-<br />
Referenzsystem vorliegen oder dass die integrierende<br />
Software die Möglichkeit hat, eine<br />
entsprechende Umrechnung vorzunehmen.<br />
Zugriffskontrolle<br />
Die benötigten Daten sollen nicht alle <strong>für</strong> jedermann<br />
zur Verfügung stehen. Gerade beim<br />
Katastrophenmanagement muss gewährleistet<br />
sein, dass Daten nicht an den falschen Empfänger<br />
geraten, um unkontrollierte Informationsverbreitung<br />
zu vermeiden. Bei Anwendungsfällen<br />
der Terrorbekämpfung ist diese<br />
Anforderung von besonderer Wichtigkeit.<br />
Dies macht es notwendig ein abgestuftes Zugriffskonzept<br />
zu benutzen, dass verschiedene<br />
Informationsstufen zur Verfügung stellt, die<br />
bestimmten Rollen zugeordnet werden.<br />
Geodateninfrastrukturen<br />
Die Mittel der Wahl zur Lösung der beschriebenen<br />
Probleme stellen Geodateninfrastrukturen<br />
dar. Sie können verstanden werden als<br />
„ein offenes Geodatennetz, das Geodatenproduzenten,<br />
Geodatenverarbeiter und -veredler<br />
sowie Geodatennutzer verbindet und so den<br />
Zugang zu allen verfügbaren Geodaten ermöglicht.<br />
Insbesondere soll ein problemloser<br />
Zugang zur Nutzung und marktwirtschaftlichen<br />
Wertschöpfung auf der Basis von behördlichen<br />
und privaten Geodaten (z. B. zu<br />
Umweltschutz, Abfallwirtschaft, Straßennetz,<br />
Gebäudeeigentum, Telekommunikation) gewährt<br />
werden“ (Altmaier und Müller 2002).<br />
Das derzeitige Wissen über Geodateninfrastrukturen<br />
ist in Bernard/Fitzke/Wagner<br />
(2004) zusammengefasst, sowohl in technischer<br />
als auch organisatorischer Hinsicht.<br />
Die Entwicklung von Geodateninfrastrukturen<br />
stellt einen Paradigmenwechsel in der<br />
raumbezogenen Informationsverarbeitung dar.<br />
Waren raumbezogene Informationssystem<br />
(GIS), auch im Katastrophen- und Notfallmanagement,<br />
in der Vergangenheit dadurch gekennzeichnet,<br />
dass sie sehr komplex, abgeschlossen<br />
und nur von Experten bedienbar<br />
waren – man spricht hier auch von monolithischen<br />
Systemen – sind Geodateninfrastrukturen<br />
verteilt, offen, webbasiert und stellen Benutzerschnittstellen<br />
zur Verfügung, die von<br />
jedem bedienbar sind. Geodateninfrastrukturen<br />
sind standardisiert und Internet-basiert.<br />
Was uns zu der Rolle des Open Geospatial<br />
Consortium (OGC) bringt.
Abb. 3: Zusammenspiel von OGC Komponenten, schematisch (Quelle: OGC -Folie)<br />
Bedeutung des Open Geospatial<br />
Consortium<br />
Das OGC stellt – in enger Zusammenarbeit<br />
mit dem Technical Committee 211 der International<br />
Standardisation Organisation, ISO;<br />
den Key Player im Bereich Standardisierung<br />
raumbezogener Informationssysteme dar. Das<br />
OGC verfolgt zwei Ziele:<br />
1. ... die kommerzielle Herstellung interoperabler<br />
Software zur Verarbeitung raumbezogener<br />
Informationen fördern und<br />
2. die breite Integration dieser Software in<br />
Standard-IT-Verfahren voranzutreiben.<br />
Schematisch wird das Zusammenspiel der<br />
durch das OGC standardisierten Komponenten<br />
in Abb. 3 dargestellt. Das Framework of<br />
OpenGIS Interfaces, wird durch Software-<br />
Seite 47<br />
komponenten ausgefüllt, die von verschiedenen<br />
Herstellern oder Forschungseinrichtungen<br />
implementiert werden. Möchte man nun eine<br />
spezielle Anwendung aufbauen, kann man die<br />
Komponenten zusammenstellen und erhält so<br />
das gewünschte System.<br />
Die ersten Spezifikationen des OGC benutzten<br />
verschiedene Protokolle, um Schnittstellen<br />
zu definieren, so unter anderem<br />
CORBA, SQL/JDBC, COM und HTTP. Ein<br />
sehr erfolgreiches Ergebnis der Arbeit in den<br />
frühen Jahren des OGC stellte die Simple<br />
Features Specification for SQL (Ryden 1999)<br />
dar, die Geodatenbanken wie Oracle Spatial,<br />
Postgres/PostGIS oder mySQL erst ermöglichte.<br />
Davon abgesehen müssen fast alle<br />
Spezifikationen, die nicht Internet-basiert sind<br />
(also auf HTTP aufbauen) als gescheitert an-
Seite 48<br />
gesehen werden, da sie kaum umgesetzt wurden.<br />
Web Services und damit das HTTP -<br />
Protokoll haben sich zwischenzeitlich als<br />
Plattform zu Entwicklung verteilter Systeme<br />
durchgesetzt. Aus diesem Grund sind alle<br />
neueren Standards HTTP-basiert, man spricht<br />
hierbei von OGC Web Services (OWS).<br />
OGC Web Services<br />
Web Services kommunizieren im Allgemeinen<br />
über HTTP, das Protokoll des Internet.<br />
Das OGC spezifiziert eine große Menge von<br />
Web Services zur Abfrage, Verarbeitung und<br />
Präsentation raumbezogener Daten. Eine<br />
(nicht vollständige) Übersicht über die OGC<br />
Web Services gibt Abb. 4.<br />
Die Spannbreite der Möglichkeiten, die<br />
diese Dienste zur Verfügung stellen ist groß.<br />
Ohne im Einzelnen auf sie einzugehen, sollen<br />
die Aufgaben der Wichtigsten erläutert werden<br />
(von links nach rechts):<br />
• Web Coordinate Transformation Service:<br />
Transformation von Geokoordinaten<br />
Abb. 4: Übersicht der OGC Web Services<br />
• Web Map Service (WMS): Produktion von<br />
Karten; beim Styled Layer Descriptor<br />
WMS kann der Client Einfluss auf die<br />
Darstellungsvorschriften nehmen.<br />
• Web Feature Service (WFS): Abfrage von<br />
Vektor-Geodaten. Ein Gazetteer Service<br />
dient als Spezialisierung dazu Raumbezugsbezeichner<br />
wie Ortsnamen zu georeferenzieren;<br />
ein Transactional WFS erlaubt<br />
es dem Client die Daten zu modifizieren<br />
oder neue anzulegen.<br />
• Web Coverage Service: Abfrage von feldbasierten<br />
(Raster-)Geodaten<br />
• Web Terrain Service: Darstellung von<br />
Sichten auf 3D-Daten und Karten<br />
• Sensor Collection Service: Abfrage von<br />
Messdaten und Zeitreihen wie sie von allen<br />
Arten von Sensoren erzeugt werden.<br />
Die Vielfalt der Funktionalitäten zeigt die<br />
Flexibilität, die beim Einsatz von OWS gewährleistet<br />
ist. Die große Bandbreite der<br />
Dienste macht es möglich Systeme des Katastrophen-<br />
und Notfallmanagements auf diesen<br />
aufzubauen.
Offenheit versus Kontrolle über den<br />
Datenfluss<br />
Das Ziel, das man mit der Definition offener<br />
Standards erreichen will ist Interoperabilität<br />
zwischen Softwarekomponenten. Dies hat zur<br />
Folge, dass jeder, der einen entsprechenden<br />
Standard-Client besitzt, auf alle Daten zugreifen<br />
kann, die ein passender Service zur Verfügung<br />
stellt. Dies bedeutet im Umkehrschluss<br />
natürlich auch, dass die Daten auch<br />
<strong>für</strong> jene Personen abfragbar sind, die nicht ursprünglich<br />
als die eigentlichen Empfänger<br />
vorgesehen waren. In der <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />
möchte man diesen Effekt natürlich<br />
vermeiden. Sender und Empfänger sind bekannt<br />
und es ist Kontrolle über den Datenfluss<br />
notwendig.<br />
Was sich auf den ersten Blick als ein Widerspruch<br />
darstellt ist bei näherer Betrachtung<br />
keiner, denn letztendlich geht es nur darum,<br />
offene Standards mit Sicherheitsmechanismen<br />
auszustatten. Das OGC hat diese Notwendigkeit<br />
zwischenzeitlich erkannt und Ende des<br />
Jahres 2004 eine neue Arbeitsgruppe mit dem<br />
Namen Geo Digital Rights Management Working<br />
Group (GeoDRM WG) ins Leben gerufen.<br />
Diese befasst sich mit allen Fragen der<br />
Sicherheit und des Rechtemanagements bezogen<br />
auf OGC Standards, insbesondere OGC<br />
Web Services. Auch wenn die Arbeitsgruppe<br />
erst seit kurzem besteht und verabschiedete<br />
Standards noch einige Zeit auf sich warten<br />
lassen werden, zeichnen sich schon einige<br />
grundsätzliche Ergebnisse ab. Die bislang<br />
vorhandenen Standards werden nicht samt<br />
und sonders überarbeitet und um GeoDRM<br />
Mechanismen erweitert werden, sondern diese<br />
werden die vorhandenen Standards benutzen<br />
und um diese herum Sicherheitsmechanismen<br />
implementieren. Dies hat insbesondere zur<br />
Folge, dass auch in Zukunft die schon vorhandenen<br />
Standard-Clients und Services eingesetzt<br />
werden können.<br />
Seite 49<br />
Für die Übergangszeit müssen somit Lösungen<br />
gefunden werden, die auf gleiche<br />
Weise funktionieren; sie müssen sichere<br />
Kommunikationsflüsse gewährleisten und die<br />
Interoperabilität nur zu einem Mindestmaß<br />
einschränken. Ein Ansatz zur Lösung dieses<br />
Problems stellt das im Folgenden diskutierte<br />
Open Source-Paket deegree owsProxy dar.<br />
deegree owsProxy<br />
Der deegree owsProxy stellt eine Komponente<br />
dar, die als Teil des Open Source Projektes<br />
deegree entwickelt wurde (Fitzke et al. 2002).<br />
deegree stellt die zum derzeitigen Augenblick<br />
umfangreichste Umsetzung von OGC-Standards<br />
in einem Open Source Projekt dar.<br />
deegree stellt Implementierungen von OWS<br />
als auch die entsprechenden Clients zur Verfügung.<br />
Die Idee, auf der deegree owsProxy basiert<br />
ist, dass.ein Stellvertreter (Proxy) vor dem eigentlichen<br />
OWS verhält sich wie der entsprechende<br />
OWS selbst, bietet aber zusätzliche<br />
Filtermöglichkeiten <strong>für</strong> Ein- und Ausgabe an,<br />
beispielsweise:<br />
• Es werden mehrere Sichten auf einen OWS<br />
eingerichtet. Unterschiedliche Nutzer haben<br />
jeweils nur Zugriff auf eine Teilmenge<br />
dieser Sichten (Kartenservice 1 <strong>für</strong> Planungsdaten,<br />
Kartenservice 2 <strong>für</strong> Topographie,<br />
Kartenservice 3 <strong>für</strong> Gewässerdaten<br />
etc.).<br />
• In einem OWS-Proxy können verschiedene<br />
Nutzer nur auf bestimmte Layer zugreifen.<br />
• Der Zugriff kann darüber hinaus räumlich<br />
eingeschränkt sein, also z.B. nur <strong>für</strong> ein<br />
bestimmtes Stadtviertel, einen Baublock<br />
etc.<br />
• Die Ausgabe kann gefiltert werden, beispielsweise<br />
die Qualität der Ausgabe, die<br />
Kartengröße oder auch abgeleitete Parameter<br />
wie die Auflösung der Karte.
Seite 50<br />
• Ferner kann die Ausgabe abhängig von den<br />
Zugriffsrechten auch modifiziert werden,<br />
z.B. Filtern der Capabilities, der GetFeatureInfo<br />
response oder Einblenden eines<br />
Wasserzeichens in eine Karte.<br />
Diese Einschränkungen können <strong>für</strong> die verschiedenen<br />
Operationen eines OWS (z.B.<br />
GetCapabilities, GetMap, GetFeatureInfo,<br />
GetFeature) einzeln gesteuert werden. Das<br />
Paket deegree owsProxy besteht aus einer<br />
Rechtedatenbank, dem owsProxy selbst und<br />
einem Policies-Repository, in dem instanzweite<br />
Sicherheitsrichtlinien definiert sind.<br />
Es ist mit dieser Lösung möglich, sichere<br />
Datenflüsse zu gewährleisten und dabei trotzdem<br />
Interoperabilität nur im ungedingt notwendigen<br />
Umfang einzuschränken. Wird beispielsweise<br />
mit einem Standard-Client auf einen<br />
durch owsProxy gekapselten Dienst<br />
zuzugreifen, wird dieser einfach alle Daten<br />
zur Verfügung gestellt bekommen, die frei<br />
verfügbar sind, der Nutzer wird nicht einmal<br />
auf die Idee kommen, dass ihm Daten vorenthalten<br />
werden.<br />
Ausblick<br />
Katastrophen und Unfallmanagement stellt<br />
einen Anwendungsfall par excellence dar, was<br />
die Einsatzmöglichkeiten von Geodateninfrastrukturen<br />
und offenen Standards betrifft. Insbesondere<br />
die Forderungen des integrierten<br />
Zugriffs auf verteilte Geodatenbestände und<br />
die graphische Darstellung hochaktueller Lageinformation<br />
können mit anderen Mitteln<br />
nicht erreicht werden. Die Anforderungen an<br />
sichere Kommunikationsströme werden in<br />
Zukunft durch spezielle Standards zum Management<br />
von Zugriffsrechten und der Datensicherheit<br />
des OGC erfüllt werden. In der Übergangszeit<br />
sind Lösungen notwendig, die<br />
unter Benutzung der existierenden Standards<br />
und deren Implementierungen Sicherheit ge-<br />
währleisten. Der deegree owsProxy stellt eine<br />
entsprechende Lösung dar.<br />
Literatur<br />
Altmaier, A. und Müller, M. (2002): Geodateninfrastruktur.<br />
In: STANDORT Zeitschrift<br />
<strong>für</strong> Angewandte Geographie 26.<br />
Jahrgang., Heft 3/2002, S. 103-106.<br />
Bernard, L., Fitzke, J. und Wagner, R. (Hrsg.)<br />
(2004): Geodateninfrastruktur. Grundlagen<br />
und Anwendungen.<br />
Der Vorsitzende der unabhängigen Expertenkommission<br />
„Havarie Pallas“ (2000): Bericht<br />
Fitzke, J., Greve, K., Müller, M und Poth, A.<br />
(2003): deegree – ein Open Source Projekt<br />
zum Aufbau von Geodateninfrastrukturen<br />
auf der Basis aktueller OGC- und ISO-<br />
Standards. In: Geo-Informationssysteme<br />
16, Heft 9, S. 10-16.<br />
Fitzke, J., Müller, M. und Greve, K. (2002):<br />
Environmental Data Infrastructures. In:<br />
Pillmann W. und Tochtermann K. (Hrsg.):<br />
Environmental Communication in the Information<br />
Society. Beiträge zum 16. internationalen<br />
Symposium Informatics for Environmental<br />
Protection, Wien 2002, S.<br />
605-610.<br />
Reineking, B., 1999: The Pallas Accident.<br />
Wadden Sea Newsletter 1999-1 (S. 22-25).<br />
Available from http://www.waddenseasecretariat.org/news/publications/<br />
Wsnl/-<br />
Wsnl99-1/articles/09-reineking.pdf.<br />
Ryden, K. (Hrsg.)(1999): OpenGIS specification<br />
Simple Features for SQL. OpenGIS<br />
Project Document 99-049. http://www.opengis.org/specs/?page=specs<br />
Markus Müller, lat/lon GmbH, Hamburg.
Das Deutsche Rote Kreuz hilft Älteren, Kranken,<br />
Behinderten, Notleidenden, Jugendlichen<br />
Familien, und das alles auch international.<br />
Wesentliche Faktoren <strong>für</strong> alle Hilfsmaßnahmen<br />
sind die Dringlichkeit und zuverlässige<br />
Kommunikation.<br />
• Dringlichkeit<br />
o Zeitkritische Notfälle<br />
o Zeitunkritische Hilfeersuchen<br />
• Zuverlässige Kommunikation<br />
o Einheitliche Notrufnummern<br />
o Moderne Alarmierungs- und Kommunikationstechnik<br />
o Sichere Navigation und Mobilfunkmöglichkeiten<br />
o Telemetrische Verfahren am Notfallort<br />
o Zuverlässige Kommunikation mit Kliniken<br />
u.a.<br />
Entscheidendes Kriterium <strong>für</strong> den Einsatzablauf<br />
ist die Frage nach der Dringlichkeit.<br />
Zeitkritische Notfälle bedürfen unverzüglicher<br />
Maßnahmen. Hierzu ist eine "<strong>Sicherheitskommunikation</strong>"<br />
notwendig. Zeitunkritische<br />
Hilfeersuchen können über die üblichen<br />
Kommunikationswege (Telefon, Fax, persönliches<br />
Gespräch, Brief u.s.w.) abgearbeitet<br />
werden.<br />
Die erfolgreiche Klärung einer notfallmedizinischen<br />
Situation ist von zwei Komponenten<br />
entscheidend abhängig. Zum einen vom<br />
Funktionieren der Rettungskette „Sofortmaßnahmen,<br />
Notruf, Erste Hilfe, Rettungsdienst,<br />
Krankenhaus“ und zum zweiten von der<br />
schnellen und zuverlässigen Kommunikation<br />
zwischen und innerhalb der einzelnen Glieder<br />
dieser Kette<br />
• durch vielfältige Notrufmöglichkeiten<br />
durch den Patienten oder dessen Umfeld,<br />
Seite 51<br />
Anforderungen an <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />
aus der Sicht des Deutschen Roten Kreuzes<br />
Johannes Richert<br />
• durch schnelle und moderne Alarmierungs-<br />
und Kommunikationstechnik in den Rettungsleitstellen,<br />
• durch sichere Navigation und Mobilfunkmöglichkeiten<br />
in den Rettungsmitteln,<br />
• durch telemetrische Verfahren am Notfallort,<br />
• durch die schnelle und zuverlässige <strong>mobile</strong><br />
Kommunikation mit geeigneten Zielkliniken<br />
und<br />
• durch moderne und flexible innerklinische<br />
Ansprache-, Alarmierungs- und Kommunikationswege.<br />
An einem Werktag gehen bundesweit<br />
durchschnittlich rund 30.400 Hilfeersuchen in<br />
den Rettungsleitstellen ein, an einem Sonntag<br />
sind es immerhin noch durchschnittlich<br />
17.800. Die determinierende Stellgröße <strong>für</strong><br />
einen erfolgreichen Einsatz ist der Faktor Zeit<br />
innerhalb und zwischen den Gliedern der Rettungskette.<br />
Kurze Kommunikations- und Informationswege<br />
sind hierbei unerlässlich.<br />
Einzelne Bundesländer haben in ihren Rettungsdienstgesetzen<br />
sogenannte Hilfsfristen<br />
festgeschrieben, die zwischen 10-15 Minuten<br />
liegen. Das bedeutet, innerhalb dieser Spanne<br />
muss nach Eingang des Alarms in der Rettungsleitstelle<br />
ein Rettungsmittel den Notfallort<br />
erreichen.<br />
Die Bundesanstalt <strong>für</strong> Straßenwesen weist<br />
in ihrem Bericht aus 1999 eine Dispositions-<br />
und Alarmierungszeit in Rettungsleitstellen<br />
von 1,2 Minuten aus. Diese Werte sind nur<br />
mit hochmoderner Kommunikationstechnik<br />
zu erreichen. Für Notfalleinsätze errechnete<br />
sich insgesamt eine mittlere Hilfsfrist von 7,8<br />
Minuten, wobei 95% der Notfälle innerhalb<br />
von 16 Minuten erreicht wurden. Unter den
Seite 52<br />
Aspekten Effektivität und Qualität der medizinischen<br />
Versorgung muss der Zeitraum zwischen<br />
dem schädigenden Ereignis und dem<br />
Beginn der notfallmedizinischen Versorgung<br />
– dem sogenannten therapiefreien Intervall –<br />
so kurz wie möglich sein.<br />
Die Minimierung des therapiefreien Intervalls<br />
hat in den letzten 15 Jahren <strong>für</strong> das Outcome<br />
der Notfallpatienten besonders beim<br />
Herz-Kreislaufstillstand, aber auch beim akuten<br />
Coronarsyndrom bzw. Herzinfarkt, bei der<br />
hypertensiven Krise, beim Schlaganfall und<br />
bei schweren Traumen zunehmend an Bedeutung<br />
gewonnen. Zerlegt man die Gesamtzeit<br />
eines Einsatzes in Einzelkomponenten, stellt<br />
man fest, dass fast alle Teilzeiten eines rettungsdienstlichen<br />
Einsatzes etwas mit Kommunikation<br />
zu tun haben und technisch beeinflussbar<br />
sind.<br />
Nun zu den Mobilfunkanwendungen. Bei<br />
Notrufen hat das Handy gegenüber beispielsweise<br />
den Notrufsäulen einen deutlichen Zuwachs<br />
erfahren. Jeder zweite Verkehrsunfall<br />
wird bereits heute per Handy gemeldet. In den<br />
Alpen ist der Handyanteil bei Notrufen anläßlich<br />
von Bergunfällen entsprechend. Eine<br />
Studie in der Schweiz ergab, dass die durchschnittliche<br />
Zeit vom Unfall in den Bergen bis<br />
zur Alarmierung der Rettungsmannschaften<br />
durch das Handy von einer Stunde auf etwa<br />
fünf Minuten sank.<br />
Rettungsleitstellen sind heutzutage immer<br />
häufiger integrierte Leitstellen, d.h., sie koordinieren<br />
den Rettungsdienst und die Feuerwehr.<br />
So hat die Leitstelle direkten Zugriff<br />
auf die boden- und luftgebundenen Rettungsmittel,<br />
die an Rettungswachen stationiert sind.<br />
Darüber hinaus steht sie mit Polizei, THW,<br />
sonstigen Behörden, benachbarten Leitstellen,<br />
Giftzentralen, Luftrettung, Bergrettung, Seerettung,<br />
Katastrophenschutz und Kliniken in<br />
Verbindung. Der Zuständigkeitsradius einer<br />
Leitstelle kann durchaus 40 km und mehr<br />
betragen.<br />
Die <strong>mobile</strong> Kommunikation <strong>für</strong> Behörden<br />
und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />
(BOS) erfolgt seit den 70er Jahren per<br />
Sprechfunk auf der Basis analoger Vierkanaltechnik.<br />
BOS-Funkverkehr bedeutet im Gegensatz<br />
zum Mobilfunk-Telefonverkehr<br />
• Verkehr von Endgerät zu Endgerät mit/<br />
ohne Zwischenschaltung einer Leitstelle,<br />
• Verkehr von Leitstellen zu einer Vielzahl<br />
von Endgeräten,<br />
• schneller Wechsel der Verkehrsbeziehungen<br />
zwischen Leitstelle und Endgeräten,<br />
• permantes Mithören des Endgeräte-<br />
Verkehrs durch die Leitstellen.<br />
Die BOS-Technik ist hoffnungslos überaltert<br />
und genügt den technischen, taktischen<br />
und datenschutzrechtlichen Anforderungen<br />
nicht mehr. Insbesondere besteht keine Abhörsicherheit<br />
sowie rauschende Sprachqualität.<br />
Es fehlen Telefonie-Funktionen sowie<br />
Standards <strong>für</strong> eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit.<br />
Abhilfe sollen digitale Sprech-<br />
und Datenfunksysteme schaffen. Diese sind<br />
wie zum Beispiel die digitalen Bündelfunksysteme<br />
Tetra 25 oder Tetrapol als möglicher<br />
EU-Standard in der Erprobung.<br />
Neben der Verbesserung beim grenzüberschreitenden<br />
Rettungsdienst ergeben sich aber<br />
auch folgende Vorteile:<br />
• Mobile Nutzung neuer Medien wie Intranet/Internet,<br />
• <strong>mobile</strong>r Zugriff auf Gefahrgutdaten, Objektdaten<br />
oder Landeplatzdaten <strong>für</strong> die<br />
Luftrettung,<br />
• Übertragung von Telemetriedaten zum<br />
Schutz von in Gefahrenbereichen tätigen<br />
Einsatzkräften,<br />
• Übertragung medizinischer Daten vom Unfallort,<br />
• Gleichzeitigkeit der Übertragung von Sprache<br />
und Daten,<br />
• Möglichkeit des dynamischen Gruppenrufs,<br />
durch den Einsatzkräfte kurzfristig
und ereignisorientiert zu eigenen Funkkreisen<br />
zusammengeschaltet werden können<br />
(z.B. alle Rettungshubschrauber bei einem<br />
Großschadensereignis sowie<br />
• komfortable Übertragungsmöglichkeiten<br />
zu Fest- und Mobilfunktelefonnetzen.<br />
In vielen Rettungsmitteln finden sich heute<br />
Mobilfunktelefone. Sie nehmen Ersatz- oder<br />
Ergänzungsfunktionen <strong>für</strong> die BOS-<br />
Kommunikation wahr. Beispiele sind:<br />
• Die Alarmierung und der Einsatz von First<br />
Respondern. Dies sind Ersthelfer aus den<br />
Kreisen von Rettungsdienst und Feuerwehr.<br />
Diese werden von Leitstellen gezielt<br />
zu meist entfernteren Einsatzorten voralarmiert,<br />
um das therapiefreie Intervall zu<br />
verkürzen und ggf. Maßnahmen der Frühdefibrillation<br />
einzuleiten.<br />
• Übertragung von medizinischen Daten zu<br />
therapeutischen Zwecken in Kliniken.<br />
• Kommunikation außerhalb des BOS-<br />
Funkbereiches. Dieses kommt vor allem<br />
im Interhospitaltransfer über lange Distanzen<br />
und bei Repatriierungseinsätzen aus<br />
dem Ausland vor.<br />
• Koordinierung überregionaler Einsätze von<br />
rettungsdienstlichen Spezialdiensten wie<br />
Kriseninterventionsteams, Höhlenrettung,<br />
Bergrettung etc.<br />
Doch es gibt auch noch eine Reihe offener<br />
Fragen:<br />
• Beim Massenanfall von Verletzten sind<br />
BOS- und Mobilfunknetze hoffnungslos<br />
überlastet.<br />
• In der Luftrettung – die wegen ihrer überregionalen<br />
Funktion besonders auf Mobilfunk<br />
angewiesen ist – funktioniert GSM<br />
nur in niedrigen Höhen zuverlässig. Eine<br />
Alternative ist das teure Satellitentelefon.<br />
Zudem muss die Besatzung eines Hubschraubers<br />
oftmals zwei oder drei Frequenzen<br />
gleichzeitig abhören.<br />
Seite 53<br />
• Die Störanfälligkeit von medizinischtechnischen<br />
Geräten durch Mobilfunk ist<br />
groß. Eine Untersuchung der Universität<br />
Gießen zeigte bei 18 Beatmungsgeräten<br />
Störungen an 12 Geräten durch Mobiltelefone.<br />
Bei anderen Gerätetypen waren ebenfalls<br />
deutliche Störungen zu verzeichnen.<br />
Hier müssen entsprechende Normierungen<br />
bei den Medizingeräteherstellern <strong>für</strong> Abhilfe<br />
sorgen.<br />
Probleme<br />
Das Handy kann auch zur Belastung in einer<br />
Leitstelle werden. Nehmen wir als Beispiel<br />
die integrierte Leitstelle der Berufsfeuerwehr<br />
Aachen, die ein Einzugsgebiet von 250.000<br />
Einwohnern zu betreuen hat. Dort gehen im<br />
Tagesschnitt 64% aller Notrufe per Mobiltelefon<br />
ein. Von diesen wiederum 65 % sind<br />
missbräuchliche Anrufe. Dies ist eine erhebliche<br />
Quote, die auch mit ähnlichen Prozentsätzen<br />
in anderen Städten – auch Großstädten zu<br />
verzeichnen ist. Dieser Missbrauch wird begünstigt<br />
durch die Möglichkeit, auch ohne<br />
Identifikationskarte einen Notruf per Handy<br />
tätigen zu können.<br />
Bereits heute arbeiten Leitstellen in zunehmendem<br />
Maße mit moderner Technik. So<br />
sind Rechner zu finden, die Geodaten von<br />
Einsatzorten mit der Alarmierung auf Meldeempfänger<br />
und in die Einsatzfahrzeuge übertragen.<br />
In Verbindung mit Navigationssystemen<br />
können die Rettungsmittel optimal geführt<br />
und auch lokalisiert werden. Das<br />
Mobilfunktelefon ist in diesen Prozessablauf<br />
bisher allerdings nur sporadisch und allenfalls<br />
als Ergänzung der BOS-Kommunikation eingebunden.<br />
So hat beispielsweise die integrierte<br />
Leitstelle des Kreises Zollernalb in Balingen<br />
diverse Funkschatten. Dort schalten Fahrzeuge<br />
und Leitstelle automatisch auf Mobilfunktelefone<br />
um. Über ein SMS-Center
Seite 54<br />
werden dann Informationen bevorrechtigt<br />
vermittelt.<br />
Für die Rettungsdienste ist die präzise Angabe<br />
des Notfallortes von besonderer Wichtigkeit.<br />
Ein Notfallpatient ist meist nicht in<br />
der Lage, sich in Notsituationen zu orientieren,<br />
die Begleitpersonen sind oft viel zu aufgeregt<br />
<strong>für</strong> präzise Ortsangaben. Hier helfen<br />
Telematikdienste, die auf Knopfdruck oder<br />
per Crashsender eine SOS-Verbindung zu einem<br />
Call Center herstellen, welches nach einer<br />
präzisen Standortermittlung den Notruf<br />
zur nächsten Rettungsleitstelle weiterleiten.<br />
Bereits hier sei die Forderung angebracht,<br />
dass alle Notrufsysteme zu Rettungsleitstellen<br />
geschaltet werden müssen und diese direkt<br />
Standortbestimmungen durchführen.<br />
Die Standortbestimmung via Handys bietet<br />
in Verbindung mit einfachen Meldesystemen<br />
vielfältige Sicherheit. Sei es <strong>für</strong> den Waldarbeiter<br />
in unwegsamem Gelände, sei es <strong>für</strong> den<br />
Freizeitsportler, den vorgeschädigten Herzpatienten<br />
oder den alten Menschen.<br />
Auch das schnelle Erkennen erster Symptome<br />
sowie die schnelle Alarmierung des<br />
Rettungsdienstes beeinflussen die Prognose<br />
erheblich. Dementsprechend wird in der Untersuchung<br />
auf die Bedeutung des rechtzeitigen<br />
Notrufes und bekannter Notrufwege, hier<br />
insbesondere die Notrufnummer 112, hingewiesen.<br />
Es gibt in Deutschland zwei „echte“ Notrufnummern:<br />
110 <strong>für</strong> die Polizei und 112, der<br />
so genannte Feuerwehrruf. Diese Nummer ist<br />
identisch mit dem europäischen Notruf 112.<br />
Hinter diesen Nummern verbergen sich echte<br />
Notruftechnik und Sonderfunktionen, z.B.<br />
• Anrufnummernanzeige (auch bei gesperrter<br />
Rufnummernerkennung)<br />
• Anrufrückverfolgbarkeit („Fangen“)<br />
• die Möglichkeit, einen Anrufer in der<br />
Leitung zu halten („Halten“)<br />
• die Möglichkeit, einen Anrufer aus der<br />
Leitung zu werfen („Trennen“)<br />
• die redundante Ausführung der Übertragungs-<br />
und Vermittlungstechnik (= höhere<br />
(Ausfall-)Sicherheit)<br />
Forderungen<br />
Einheitliche Rufnummer<br />
(Rettungs-) Leitstellen müssen unter einer<br />
einheitlichen Rufnummer erreichbar sein. Wie<br />
schon im Workshop ‚Maria Laach‘ festgelegt,<br />
soll dies die europaweite Notrufnummer 112<br />
sein. Diese verfügt auch über die nötigen<br />
technischen Sonderfunktionen eines „echten“<br />
Notrufs. Daneben sollen aber ggf. zusätzliche<br />
vorhandene Rufnummern beibehalten werden.<br />
Auf keinen Fall darf die eventuell regionale<br />
Rufnummer 19 222 zugunsten der 112 wegfallen,<br />
da die Bevölkerung hieran zum einen<br />
gewöhnt ist, zum anderen diese Nummer als<br />
Ausweichrufnummer im Bedarfsfall genutzt<br />
werden kann. Nicht umsonst wird in vielen<br />
(Rettungs-) Leitstellen die Rufnummer 19 222<br />
neu eingerichtet, wobei sie dort primär als<br />
Rufnummer <strong>für</strong> den Krankentransport Verwendung<br />
findet.<br />
Ausreichende Dimensionierung der<br />
Leitstelle<br />
Wichtig ist zudem die ausreichende Dimensionierung<br />
der (Rettungs-) Leitstelle, d.h., es<br />
darf nicht schon beim „normalen“ Tagesgeschäft<br />
zur Überlastung kommen. Es müssen<br />
auch Ablaufanalysen mit Blick auf eine optimale<br />
Aufgabenerfüllung der gesamten Leitstelle<br />
inklusive der Technik durchgeführt werden,<br />
um einen möglichst reibungslosen Ablauf<br />
in der (Rettungs-) Leitstelle zu erzielen -<br />
auch im Sinne einer optimalen Ressourcennutzung.<br />
Schließlich muss eine Ausfallorganisation<br />
bestehen, die bei Sonderfällen greift.
Ein Sonderfall ist beispielsweise der Massenanfall<br />
von Verletzten, auf den wir im Folgenden<br />
eingehen und dort diese Problematik noch<br />
vertiefend besprechen.<br />
Nutzung der modernen Techniken<br />
Die Leitstelle wird künftig mehr Leistungen<br />
der Gesundheits<strong>für</strong>sorge und Gefahrenabwehr<br />
in Verbindung mit einem höheren Informationsbedürfnis<br />
zu koordinieren haben. Dies ist<br />
bedingt durch die Integration mehrerer Dienste<br />
bei gleichzeitiger Reduktion der Leitstellenzahl.<br />
Die Einführung von Fallpauschalen<br />
(desease related groups) und die damit verbundene<br />
Spezialisierung der Krankenhäuser<br />
wird einen erhöhten Transportbedarf über<br />
längere Strecken nach sich ziehen. Der grenz-<br />
Seite 55<br />
überschreitende europäische Rettungsdienst<br />
muss aus seinen Kinderschuhen herauskommen.<br />
Und schließlich wird der Repatriierungseinsatz<br />
mehr komfortable Diagnostik<br />
über lange Distanzen benötigen.<br />
Dies alles ist ohne Mobilfunk völlig undenkbar.<br />
Neue Alarmierungswege <strong>für</strong> Notfallpatienten,<br />
neue Kommunikationsnetze, die<br />
Online-Nutzung der Informationsnetze sowie<br />
in der Folge verbesserte Diagnose- und Therapiewege<br />
beschreiben die Chancen der Zukunft<br />
<strong>für</strong> den Rettungsdienst. Der Notfallpatient<br />
wird es danken. Denn Mobilfunk rettet<br />
Leben.<br />
Dr. Johannes Richert ist Bereichsleiter Internationale<br />
Hilfe beim Deutschen Roten Kreuz,<br />
Berlin.
Seite 56<br />
Die „Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />
(BOS)“ in Deutschland<br />
sind die 18 Polizeien des Bundes und der<br />
Länder, Zoll, die Berufs- und die Freiwilligen<br />
Feuerwehren, das Technisches Hilfswerk<br />
(THW), die <strong>Hilfsorganisationen</strong> Arbeiter Samariter<br />
Bund (ASB), Deutsches Rotes Kreuz<br />
(DRK), Johanniter Unfallhilfe (JUH), Malteser<br />
Hilfsdienst (MHD) sowie die Deutsche<br />
Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Bei den<br />
BOS sind insgesamt rund 2 Millionen haupt-<br />
und ehrenamtliche Einsatzkräfte organisiert,<br />
den Hauptteil stellen die Freiwilligen Feuerwehren<br />
mit rund 1,1 Millionen Aktiven der<br />
22.500 kommunalen Feuerwehren. Der ASB<br />
hat 7.000 Aktive, die DLRG 45.000, das DRK<br />
305.000, die JUH 24.000, der MHD 31.000<br />
und das THW 60.000.<br />
Wie ist die Kommunikation der BOS organisiert?<br />
Betrachten wir zunächst die Leitstellen:<br />
2004 gab es in Deutschland schätzungsweise<br />
rund 1.200 Polizei-Leitstellen. Mit der<br />
Polizeireform in einigen Ländern wird die<br />
Anzahl grundsätzlich reduziert. Der Rettungsdienst<br />
ist Aufgabe der 323 Landkreise<br />
und der 117 kreisfreien Städte. Bisher betreibt<br />
fast jede Gebietskörperschaft ihre eigene Leitstelle.<br />
In den 117 Städten und 14.300 Gemeinden<br />
gibt es insgesamt 23.400 Feuerwehren,<br />
die von rund 400 Leitstellen alarmiert<br />
und geführt werden (100 Berufsfeuerwehren,<br />
870 Werkfeuerwehren und 22.400 Freiwillige<br />
Feuerwehren).<br />
Eine Leitstelle ist eine ständig besetzte<br />
Einrichtung zur Annahme von Notrufen und<br />
sonstigen Meldungen sowie zum Alarmieren,<br />
zum Koordinieren und zum Lenken von<br />
Einsatzkräften. Es gibt verschiedene Arten<br />
von Leitstellen: Polizei- und BGS-Leitstellen<br />
Die Kommunikation der BOS –<br />
Organisatorische und technische Aspekte<br />
Albrecht Broemme<br />
Feuerwehr-Leitstellen, Rettungsdienst-Leitstellen,<br />
Krankentransport-Leitstellen, Leitstellen<br />
der kassenärztlichen Vereinigung, Katastrophenschutz-Leitstellen,<br />
„Gemeinsame Leitstellen“<br />
(Feuerwehr und Rettungsdienst) sowie<br />
„Integrierte Leitstellen“. Ministerien der<br />
Länder und des Bundes, Regierungspräsidien,<br />
<strong>Hilfsorganisationen</strong> und das THW betreiben<br />
<strong>für</strong> ihre Zuständigkeitsbereiche eigene Leitstellen.<br />
Damit jedermann in Europa Hilfe herbeiholen<br />
kann, wurde bereits 1991 europaweit<br />
als Notruf die „112“ eingeführt, die in<br />
Deutschland bislang nur <strong>für</strong> die Feuerwehr<br />
verwendet wurde. Die technische Einführung<br />
des europaweit einheitlichen Notrufs erfolgte<br />
ab 1998. Ein praktisches Problem sind die 16<br />
Sprachen, die von keiner Leitstelle beherrscht<br />
werden können. Die Feuerwehr Aachen hat<br />
hierzu ein EU-Projekt initiiert, um ein Lernprogramm<br />
zu entwickeln, mit dem Leitstellenpersonal<br />
Grundkenntnisse <strong>für</strong> das Notrufgespräch<br />
in den Amtssprachen lernen kann<br />
(Informationen unter www.sos112.info).<br />
Das Anrufaufkommen in den Leitstellen ist<br />
beträchtlich: In der 3,5-Millionen-Metropole<br />
Berlin gibt es jährlich über 12 Mio. Anrufe,<br />
davon 10 Mio. bei der Polizei, eine Mio. <strong>für</strong><br />
Krankentransporte und -fahrten, 500.000<br />
beim Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst<br />
und 500.000 bei der Feuerwehr.<br />
Die Aufgaben einer klassischen Leitstelle<br />
umfassen die Verarbeitung von Meldungen<br />
(Notrufe), die Verarbeitung und die Bereithaltung<br />
von Informationen aller Art, die Steuerung<br />
von Einsätzen, die Kontrolle der Einsätze,<br />
die Abrechnung von Einsätzen sowie die<br />
Erhebung statistischer Daten. Leitstellen müssen<br />
alltägliche Einsätze, Großschäden und
Katastrophen bewältigen. Während im Rettungsdienst<br />
das übliche Einsatzaufkommen<br />
der Tages- und Wochenganglinien folgt, können<br />
schwere Unglücke oder Großschadenslagen<br />
jederzeit und überall eintreten. Hierbei<br />
sind Leitstellen, die nachts nur mit ein oder<br />
zwei Personen besetzt sind, schnell hoffnungslos<br />
überfordert.<br />
Ich vertrete daher die Vorstellung, dass<br />
weniger Leitstellen mit überregionaler Vernetzung<br />
und guter technischer Ausstattung<br />
mehr Sicherheit bieten. Das setzt voraus, dass<br />
ein Leitstellenbereich nicht automatisch durch<br />
die üblichen Verwaltungsgrenzen bestimmt<br />
wird, sondern nach taktischen Aspekten gebildet<br />
wird. Digitale Karten, GPS, usw. ersetzen<br />
Ortskenntnisse. Hierbei würde auch die<br />
Steuerung von Spezialmitteln und Reserven<br />
besser möglich sein. Zweifellos ist eine Leitstelle<br />
derzeit auch ein Statussymbol, denn es<br />
gibt bei der Zusammenlegung von Leitstellen<br />
kontroverse Debatten, auch in der Öffentlichkeit.<br />
In Berlin gibt es seit mehreren Jahren eine<br />
sehr bewährte Regelung, die „Gemeinsame<br />
Einsatzleitung“. Hierunter versteht man die<br />
interdisziplinäre Zusammensetzung in Abhängigkeit<br />
von der Schadenslage. Dieses Verfahren,<br />
Entscheidungen abgestimmt und möglichst<br />
einvernehmlich zu treffen, ist in Berlin<br />
alltägliche Praxis, z.B. bei Verkehrsunfällen,<br />
wo Feuerwehr und Polizei ihre Maßnahmen<br />
formlos abstimmen. Wichtig sind nicht nur<br />
abgestimmte Einsatzmaßnahmen, sondern<br />
auch die abgestimmte Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Teilnehmer einer „GELtg“ sind z.B. Feuerwehr,<br />
Polizei (Schutzpolizei, Kriminalpolizei),<br />
Beauftragter Arzt (Gesundheitssenator),<br />
betroffene Senatsverwaltungen, betroffene<br />
Bezirksämter, sonstige Dienststellen und Betriebe,<br />
THW und <strong>Hilfsorganisationen</strong>.<br />
Es wird unterschieden zwischen der GeLtg<br />
– Stufe A (Örtliches Schadensereignis, Anzahl<br />
der betroffenen Behörden/Stellen gering,<br />
Seite 57<br />
Koordinierung am Schadensort ohne besonderen<br />
Aufwand, Unterbringung in einem<br />
Einsatzfahrzeug von Feuerwehr oder Polizei)<br />
der GELtg Stufe B (Schadensereignis örtlich<br />
begrenzt, aber viele Behörden / Stellen betroffen,<br />
Koordinierung erfordert personellen, materiellen<br />
oder organisatorischen Aufwand,<br />
Unterbringung in <strong>mobile</strong>r Befehlsstelle von<br />
Feuerwehr oder Polizei, ggf. in Räumen), der<br />
GELtg Stufe C (Schadensereignis in größeren<br />
Teilen Berlins oder mehrere parallele Großschadensereignisse,<br />
je nach Lage mehrere<br />
GELtg A oder B im Einsatz, Koordinierung<br />
erfordert größeren Aufwand, Unterbringung<br />
in organisatorisch-technisch vorbereiteten<br />
Räumen) sowie dem Krisenstab (Großflächiges<br />
Schadensereignis, örtliche Behörden überfordert,<br />
Katastrophenalarm ausgelöst, Unterbringung<br />
in Stabsräumen der Senatsverwaltung<br />
<strong>für</strong> Inneres). Sofern die Berliner<br />
Feuerwehr überwiegend fachlich zuständig,<br />
übernimmt der Einsatzleiter der Feuerwehr<br />
die Organisation der Zusammenarbeit und<br />
damit die Moderation der GELtg.<br />
Das neue gemeinsame Krisen-Management<br />
von Bund und Ländern besteht aus der „Koordinierungsstelle<br />
<strong>für</strong> großflächige Gefahrenlagen<br />
(KoSt)“, der Geschäftsstelle der interministeriellen<br />
Koordinierungsgruppe im BMI<br />
(ZfZ) und vor allem aus der Gemeinsamen<br />
Melde- und Alarmzentrale des Bundes und<br />
der Länder (GMLZ).<br />
In Berlin wurde vor mehreren Jahren damit<br />
begonnen, eine Kräftemittel-Datenbank<br />
(KMD) aufzubauen, um ressortübergreifende<br />
Informationen über Einsatzmittel und Spezialkräfte<br />
von Organisationen, Bundes- und<br />
Landesbehörden abrufen zu können. Ziel ist<br />
es, Einsatzmittel oder Kräfte schneller zum<br />
Einsatz bringen. Bemerkenswert ist, dass hier<br />
Bundeswehr, Bundesgrenzschutz, Landespolizei,<br />
Feuerwehr, THW, <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />
und weitere Bereiche unbürokratisch zusammenarbeiten.<br />
Die Kräfte und Mittel sind be-
Seite 58<br />
sonderen Schadensereignissen zugeordnet.<br />
Unter Fachaufsicht der Innenverwaltung wird<br />
die Datenbank regelmäßig von den beteiligten<br />
Bereichen aktualisiert<br />
Neben organisatorischen Fragen spielen<br />
selbstverständlich auch technische Fragen eine<br />
wesentliche Rolle. Polizeiliche Anwender<br />
und nicht-polizeiliche Anwender haben prinzipiell<br />
dieselben Anforderungen an ein modernes<br />
Funksystem: Übertragungssicherheit,<br />
Übertragungsqualität über weite Feldstärkenbereiche,<br />
gute Reichweiten, örtliche und zeitliche<br />
Verfügbarkeit, keine überlasteten Funkkanäle,<br />
flexible Prioritäten, abhörsichere Verbindungen,<br />
Sprach-, Signal- und Bildübertragung,<br />
Direktwahl in das Telefonnetz, Einzel-<br />
und Gruppenruf, Steuerung von Einzelgeräten<br />
durch die Netzverwaltung, kein Verbindungsabbruch<br />
bei Zellenwechsel.<br />
Die Feuerwehr legt Wert auf schnellen<br />
Verbindungsaufbau, DMO-Betrieb als sichere<br />
Rückfallebene, die Funkalarmierung (Paging)<br />
mit Einzel-, Gruppen- und Sammelruf (2.000<br />
Empfänger in max. 15 Minuten) sowie Pager<br />
(Meldeempfänger passiv oder mit Quittungsmöglichkeit).<br />
Dass die Umstellung auf den ein modernes<br />
Funksystem – neben dem Netzaufbau und<br />
dem Netzbetrieb – beträchtliche Kosten verursacht,<br />
zeigt der Gerätebestand der BOS:<br />
450.000 Funkgeräte der Feuerwehren und der<br />
<strong>Hilfsorganisationen</strong>, 300.000 Funkgeräte der<br />
Polizei sowie 300.000 Funkalarmempfänger.<br />
Zu erwähnen ist, dass zahllose GSM-Handys<br />
(auch Private) ebenfalls benutzt werden.<br />
Fazit: die organisatorischen Voraussetzungen<br />
zur zweckmäßigen Kommunikation können<br />
sowohl beim – inzwischen veralteten Analogfunk<br />
– geschaffen werden als auch im<br />
zukünftigen Digitalfunk. Die Leistungsfähigkeit<br />
und die Einsatzmöglichkeiten eines modernen<br />
Funksystems eröffnen jedoch neue<br />
Möglichkeiten, die dringend realisiert werden<br />
müssen.<br />
Albrecht Broemme ist Vizepräsident des<br />
Deutschen Feuerwehrverbandes.
Seite 59<br />
Anforderungen an das Informations- und<br />
Kommunikationsmanagement in der Gefahrenabwehr<br />
am Beispiel der Brandbekämpfung<br />
Wolf R. Dombrowsky<br />
Bundesweit stehen die Freiwilligen Feuerwehren<br />
vor dem Problem, während der allgemeinen<br />
Arbeitszeiten nicht über die volle<br />
Stärke und die bestmögliche Qualifikation ihrer<br />
Einsatzkräfte verfügen zu können. Technisch<br />
bestünde eine da<strong>für</strong> angemessene Lösung<br />
in einer IT-basierten Optimierung nach<br />
individueller Verfügbarkeit in Relation zu<br />
fachlicher Qualifikation und Weglängen: Je<br />
nach Einsatzerfordernissen werden jene Feuerwehrmitglieder<br />
alarmiert, die unter der Bedingung<br />
von Fachkenntnis und Ausbildung,<br />
zeitlicher Verfügbarkeit (zumeist Freistellung<br />
durch Arbeitgeber) und räumlicher Nähe beorderbar<br />
sind. Erfolgt innerhalb eines Alarmierungsintervalls<br />
keine positive Quittierung,<br />
alarmiert das System das nächste Feuerwehrmitglied,<br />
wobei, je nach Optimierungsalgorithmus,<br />
in der Regel die Entfernung zum<br />
Einsatzort oder zur Feuerwache zu- und unter<br />
bestimmten Erfordernissen die fachliche Eignung<br />
abnehmen kann.<br />
Die Voraussetzung eines solchen Systems<br />
besteht in der Verfügbarkeit und Aktualität<br />
personenbezogener Daten; Personaldaten,<br />
Aufenthaltsdaten sowie einsatzrelevante Daten<br />
über die personellen und materiellen Ressourcen,<br />
die Einsatzbedingungen und die<br />
räumlichen Gegebenheiten. Technische Lösungen<br />
zur Integration heterogener Daten einschließlich<br />
Geo-Daten sind längst verfügbar.<br />
Dass eine Integration dennoch nicht gelingt<br />
resultiert aus sozialen Bedingungen.<br />
Im konkreten Beispielfall gelingt die Integration<br />
nicht, weil Feuerwehr eine kommunale<br />
Einrichtung ist. Weder der Einsatz noch die<br />
Mobilisierung über Gemeinde- und Kreis-<br />
grenzen hinweg sind vorgesehen, schon gar<br />
kein „Patchworking“, bei dem eine Einsatzeinheit<br />
jeweils auf der Basis von Ereignisart,<br />
Ereignis-, Wohn-, Arbeitsort und Feuerwache<br />
sowie optimal verrechneten Entfernungen und<br />
Qualifikationen entsteht. Neben Verwaltungs-<br />
und Einsatzgebietsgrenzen werden zwei weitere<br />
Einwände geltend gemacht: Die kommunale<br />
Finanzierung der Feuerwehr, die ein<br />
funktionales Patchworking nicht erlaube und<br />
der Datenschutz, der den über alle traditionalen<br />
Grenzen hinweg notwendigen Datenaustausch<br />
verbiete. Dass derartige Argumente nur<br />
vorgeschoben sind und vor allem „Datenschutz“<br />
zu einem dysfunktionalen Verhinderungsinstrument<br />
entwerten, zeigt sich, sobald<br />
man fragt, wie dann große Unternehmen ihren<br />
Außendienst organisieren, wie Ölfirmen ihre<br />
weltweit operierenden Tankerflotten koordinieren<br />
oder wie der Airbus über Ländergrenzen<br />
hinweg zu einem flugfähigen Gerät werden<br />
kann.<br />
Tatsächlich fehlt es weder an technischen<br />
Systemen noch an rationalen Instrumenten,<br />
um das technisch Mögliche im Tagesbetrieb<br />
funktional anwenden zu können. Was fehlt,<br />
ist vielmehr die Bereitschaft einzusehen, dass<br />
zwischen „Problem“ und „Lösung“ ein sehr<br />
spezifischer, folgenschwerer Zusammenhang<br />
besteht. Im konkreten Beispielfall wird die<br />
Lösung des Problems (Mangel an qualifizierten<br />
Einsatzkräften) unmöglich, weil weder die<br />
Bedingungen, die zu diesem Problem führten,<br />
verändert werden sollen, noch ein Interesse an<br />
einer Lösung besteht, die traditionale Macht-<br />
und Einflussressourcen zugunsten anderer,<br />
noch nicht wirklich absehbarer Macht- und
Seite 60<br />
Ressourcenverteilungen ablösen wird. Darin<br />
gründet zu einem gut Teil Argwohn und Ablehnung<br />
gegenüber Wandel.<br />
Die Analyse des Zusammenhangs von<br />
Problem und Lösung eröffnet einen systemischen<br />
Zugang selbst <strong>für</strong> sehr komplexe Wirkungsgefüge.<br />
Sehr abstrakt lässt sich zwischen<br />
technischer Funktionslogik und sozialer<br />
Handlungslogik unterscheiden. Heute wird<br />
die Implementation einer neuen Funktionslogik<br />
durch die Handlungslogik verhindert, die<br />
ursprünglich zur bestehenden Funktionslogik<br />
von Feuerwehr führte. Die technische Funktionslogik<br />
des Systems „Freiwillige Feuerwehr“<br />
entwickelte sich aus den Bedingungen<br />
der sozialen Handlungslogik, wie sie sich zur<br />
Gründungszeit der Feuerwehren stellte. Doch<br />
mit jeder Innovation, die den Löschangriff beschleunigte<br />
und intensivierte, bedurfte es immer<br />
weniger unqualifizierter Hände und mit<br />
jeder Brandschutzerkenntnis reduzierten sich<br />
die brennbaren Inventare und Brände. Heute<br />
dient die Feuerwehr überwiegend der so genannten<br />
Technischen Hilfe, nimmt nur noch<br />
ein Bruchteil der Feuerwehrmitglieder aktiv<br />
am Einsatzgeschehen teil. Ein radikal funktionales<br />
„Patchwork-System“ führte dazu, dass<br />
sich Feuerwehr auf ein optimiertes Einsatzinstrument<br />
reduzierte und all seine historischen,<br />
traditional gewachsenen sozialen Funktionen<br />
verlöre, zumindest aber in ihrem Verhältnis<br />
zum optimierten Funktionsnutzen transparent<br />
machte. Das bestehende Feuerwehrwesen<br />
könnte unter derartigen Funktionsbedingungen<br />
keinen Bestand haben.<br />
Gleiches gilt <strong>für</strong> den bestehenden Katastrophenschutz.<br />
Seine technische Funktionslogik<br />
entstammt einerseits dem Luftschutz<br />
und andererseits den mechanischen und thermischen<br />
Schadensformen der frühen Industrialisierung.<br />
Seine daraus abgeleitete soziale<br />
Handlungslogik besteht in polizei- und ordnungsrechtlichen<br />
Regelungen und der „Entsatz-Philosophie“<br />
<strong>für</strong> kurzfristige Überbrü-<br />
ckungsleistungen bei Ausfällen von Versorgung,<br />
Infrastruktur und Produktion. Moderne,<br />
global vernetzte Gesellschaften mit Input-<br />
Output optimierten Versorgungsketten sind<br />
im Ausfall weder mit solchen Regelungen<br />
noch mit solchen Überbrückungsleistungen zu<br />
regenerieren. Technisch angemessene Systeme<br />
wären auch hier verfügbar, doch stoßen<br />
sie an überkommene, unangemessene Handlungslogiken<br />
aus dem 18. und 19. Jahrhundert.<br />
Von der Sache her wissen längst alle Beteiligten,<br />
dass man ein über hunderttausende<br />
Quadratkilometer und viele Staaten verzweigtes<br />
Flusseinzugsgebiet mittels eines untereinander<br />
abgestimmten Nutzenmanagements<br />
bewirtschaften müsste. Statt dessen konkurrieren<br />
Ober- gegen Unterlieger, Industrieansiedelung<br />
gegen Ökologie, Gewerbesteuer<br />
gegen Hochwasserschutz, Schweiz gegen<br />
Holland, Deutschland gegen Frankreich, sofern<br />
man den Rhein, Polen gegen Tschechien,<br />
sofern man die Oder betrachtet.<br />
Moderne Gefahrenmanagement- und Entscheidungsunterstützungssysteme<br />
(deNIS II;<br />
DISMA) kommen nicht zum Einsatz, weil die<br />
Daten nicht gepflegt oder aus Eigensinn und<br />
Kompetenzgerangel nicht zur Verfügung gestellt<br />
werden, vor allem aber nicht, weil derartige<br />
Systeme einer grundlegend anderen Logik<br />
folgen, als sie die soziale Handlungslogik<br />
von Gefahrenabwehr und die technische<br />
Funktionslogik des bestehenden Katastrophenschutzes<br />
erlaubt. Die Handlungslogik ist<br />
interventionistisch und ordnungsrechtlich. Sie<br />
greift erst, nachdem ein Schaden eingetreten<br />
ist und die laut Gesetz vorgehaltenen Einheiten<br />
und Einrichtungen unter einer einheitlichen<br />
Leitung erforderlich werden. Die Funktionslogik<br />
ist auf kurzfristige Überbrückungshilfe<br />
ausgelegt, mithin auf Zelte, Decken,<br />
Nahrung, Kleidung, medizinische Versorgung<br />
und Betreuung. Längst jedoch bedürfte es<br />
präventiver Gefahrenabwehr und hochtechnologischer<br />
Ausfallsicherung und -überbrüc-
kung. Schon die Erfassung von Gefährdungen,<br />
die so genannten Gefahrenanalysen, erfordern<br />
geographische Informationssysteme<br />
sowie moderne Instrumente des Monitoring<br />
und der Fernüberwachung. Die Gefahrenpotenziale<br />
moderner Industriegesellschaften<br />
müssen kontrolliert und vor ihrem Ausbruch<br />
korrigiert werden, wenn man Millionenschäden<br />
(vor allem auch sekundärer und tertiärer<br />
Ordnung, wie Kobe belegte) und menschliche<br />
Opfer vermeiden will. Doch genau dazu werden<br />
die unteren Katastrophenschutzbehörden<br />
gar nicht befähigt. Ein vorbeugender, analytischer,<br />
planerischer Katastrophenschutz ist<br />
nicht Aufgabe der dort Tätigen. Und weil es<br />
nicht zum Aufgabenbereich gehört, wird es<br />
nicht gemacht. Folglich scheitert die mögliche,<br />
bessere technische Lösung an der Borniertheit<br />
von Entscheidungsträgern, <strong>für</strong> die<br />
Gefahrenabwehr nicht präventiv und nicht<br />
Bestandteil des eigenen Kompetenzbereichs<br />
ist. Statt endlich alle auf Gefahrenabwehr<br />
ausgerichteten Ressortbereiche, Gesetze und<br />
Vorschriften zu harmonisieren und aus Natur-<br />
, Umwelt-, Arbeits-, Gesundheits-, Gewässer-,<br />
Strahlen-, Küsten- und Katastrophenschutz<br />
ein einheitliches Schutzrecht zu entwickeln,<br />
rangeln lieber die Bundesländer gegeneinander<br />
bei der Ablehnung bestehender Lösungen<br />
und der Mittelverschwendung <strong>für</strong> die Entwicklung<br />
ganz eigener „Lösungen“ (z.B.<br />
NRW bei einem Katastrophenmanagementsystem).<br />
Ereignisse wie Eschede, die Oder-<br />
und Elbeflut oder die Havarie der „Pallas“<br />
zeigen dann, dass diese Konkurrenz um<br />
scheinbare Lösungen gar nichts gelöst, sondern<br />
alles nur verschlimmert hat, weil jede<br />
vorgebliche Lösungen zwar einer inneren<br />
Funktionslogik folgt, aber vollkommen unberücksichtigt<br />
lässt, dass es vor allem harmonisierter<br />
Handlungslogiken bedarf, damit die<br />
Funktionslogiken auch funktionieren können.<br />
An dieser Stelle entspringt ein weiteres<br />
Problem des viel zu selten geklärten Zusam-<br />
Seite 61<br />
menhangs von Funktions- und Handlungslogik.<br />
Moderne IT-Lösungen sind selbst so<br />
kompliziert, dass sie spezialisierter Entwickler<br />
bedürfen, die viel von der Funktionslogik<br />
von IT-Systemen, weit weniger von der Funktionslogik<br />
der abzubildenden Systeme und<br />
noch weniger von der dort vorherrschenden<br />
Handlungslogik verstehen. Ein Moment des<br />
Zusammenhangs von Funktions- und Handlungslogik<br />
in der Gefahrenabwehr konnte von<br />
uns empirisch aufgeklärt werden. Im Allgemeinen<br />
glauben die Verantwortlichen, dass<br />
im Katastrophenfall so verfahren wird, wie es<br />
Gesetze, Vorschriften, Ausführungsbestimmungen<br />
und Erlasse dekretieren. Tatsächlich<br />
ist das Gegenteil der Fall. Die Akteure an der<br />
Basis überschauen den Regulierungswust<br />
längst nicht mehr. Sie haben stattdessen eigene<br />
Strategien entwickelt, wie sie operativ<br />
werden und operativ handeln. Ich nenne dies<br />
„Bypass-Wurschteln“, weil es buchstäblich<br />
ein „Ad-hoc-Durchwursteln“ zwischen Akteuren<br />
ist, die sich persönlich kennen und zur<br />
Not auch mit privaten Kommunikationsmitteln<br />
ein ganz eigenes Netzwerk bilden und<br />
bedienen. Zumeist geht durch diese „Privatisierung“<br />
des öffentlichen Handelns nicht nur<br />
die Lageerstellung verloren, sondern entfernen<br />
sich auch die Akteure an der Front kontinuierlich<br />
von ihren übergeordneten Stäben.<br />
Beide virtualisieren, weil Stäbe an Stäbe, vielleicht<br />
noch an TELs anschließen, aber nicht<br />
mehr an die wirkliche Lage vor Ort. Vor Ort<br />
wiederum werden lauter kleine Dienstwege<br />
etabliert und vernetzt, durch die einigermaßen<br />
erfolgreich operiert werden kann, die sich aber<br />
der übergeordneten Führung entziehen,<br />
auch bewusst entzogen werden. Geht es gut,<br />
sind nachträglich alle Sieger; geht es schief,<br />
hat eben Kommunikation nicht funktioniert.<br />
Eine Aussage, die wir seit Bestehen der Bundesrepublik<br />
erzählt bekommen und die jedes<br />
mal wieder zu neuen Beschaffungen führt,<br />
ohne dass sich die Lage bessert. Dies wird
Seite 62<br />
sich mit Einführung des digitalen BOS ebenso<br />
wenig ändern, wie mit der Einführung computergestützter<br />
Systeme. Je komplexer die Systeme<br />
werden, desto höher ist die Prämie, sich<br />
ihrer durch einfache Bypässe zu entledigen….<br />
Fragt man nun die Entwickler moderner<br />
Systeme, ob sie diese Bypass- und Entkoppelungsstrategien<br />
kennen und berücksichtigen,<br />
so ziehen sie sich zu Recht darauf zurück,<br />
dass sie nur abbilden und modellieren können,<br />
was sie von den Prozessanalysten der Auftraggeber<br />
gesagt bekommen. Doch was analysieren<br />
die Prozessanalysten? In der Regel die<br />
Regelwerke, von denen die Stäbe glauben,<br />
dass sie die Gefahrenabwehr regulieren…<br />
Was also in den meisten Fällen in Form eines<br />
aufwändigen IT-Programms abgebildet<br />
wird, ist keineswegs der wirkliche Prozess<br />
der tatsächlichen Gefahrenabwehr, sondern<br />
die Verwandlung papierner Planabläufe in elektronische<br />
Planabläufe. Wenn man Glück<br />
hat, verdoppelt sich nur der Aufwand. Was<br />
man früher mit Laufzetteln und Plottingboard<br />
machte, gibt man nun nochmals in den Computer<br />
ein. Wenn man Pech hat, suggeriert das<br />
Programm, man bekäme Hilfe und Unterstützung,<br />
um alsbald zu merken, dass man in einen<br />
Orkus blickt, der alle Daten verschlingt,<br />
ohne Erkenntnis zu generieren.<br />
Wo bleibt das Konstruktive? Im Prinzip ist<br />
es mehrfach gesagt. Wir brauchen <strong>für</strong> die inzwischen<br />
mögliche technische Funktionslogik<br />
eine entsprechend reformierte soziale Handlungslogik.<br />
Sie ist wichtiger, als neue Techniken.<br />
Sodann brauchen wir Prozessanalysen,<br />
die nicht nur die wirklichen Prozesse erfassen,<br />
sondern sie auch so abbilden, dass die technische<br />
Potenz der Funktionslogik als optimaler<br />
Support der sozialen Handlungslogik wirken<br />
kann und nicht als schlechte Verdoppelung<br />
einer nur technisierten schlechten Praxis.<br />
Dr. Wolf R. Dombrowsky ist Leiter der Katastrophenforschungsstelle<br />
der Universität<br />
Kiel.
Seite 63<br />
Anforderungen an<br />
Informations- und Kommunikationsmanagement<br />
Gerhard Weisschnur<br />
Das föderale System des Informations- und<br />
Kommunikationsmanagement in den Katastrophenschutzorganisationen<br />
der Bundesrepublik<br />
hat sich m.E. in den letzten Jahrzehnten<br />
auch in der Praxis grundsätzlich bewährt.<br />
Die neuen Herausforderungen durch weltweite<br />
terroristische Anschläge und asymmetrische<br />
Gefahren sowie die letzten Katastrophen<br />
in Europa haben aber gezeigt, dass u.a. auch<br />
die vorhandenen Informations- und Kommunikationssysteme<br />
auf den Prüfstand gestellt<br />
werden müssen, um das <strong>für</strong> dynamische Lagen<br />
erforderliche Informations- und Kommunikationsmanagement<br />
so anzupassen, dass<br />
damit die daraus resultierenden Herausforderungen<br />
professionell und erfolgreich bewältigt<br />
werden können.<br />
Katastrophenschutz darf dabei m.E. aber<br />
nicht zum Spielfeld unterschiedlicher politischer<br />
Interessen zwischen Föderalismus einerseits<br />
und Zentralismus andererseits werden.<br />
Wer derzeit die öffentliche Diskussion<br />
und Berichterstattung in dem Feld Zivil-<br />
/Katastrophenschutz aufmerksam beobachtet,<br />
kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass<br />
unter dem Mantel verschiedenster Interessenlagen<br />
oder der Beschreibung von Schreckensszenarien<br />
auch Säkularinteressen vertreten<br />
werden.<br />
Es ist eine Tatsache, dass sich nach dem<br />
11. September 2001 die globale Sicherheitslage<br />
und damit auch der Blickwinkel im Katastrophenschutz<br />
verändert haben. Ein bis dahin<br />
unvorstellbares Ereignis ist Realität geworden<br />
und andere Ereignisse bis hin zu<br />
Madrid folgten. Wir müssen aber aufpassen,<br />
dass wir deswegen nicht in Hysterie oder<br />
operative Hektik verfallen. Wer lediglich unreflektiert<br />
sich weltweit ereignende neue ter-<br />
roristische Ereignisse oder asymmetrische<br />
Gefährdungslagen aus anderen Ländern ohne<br />
belegbare Erkenntnisse in die Bundesrepublik<br />
projiziert und daraus undifferenziert Veränderungsnotwendigkeiten<br />
einfordert, spielt mit<br />
den Ängsten von Menschen in unserer Republik<br />
und stellt im Ergebnis volkswirtschaftlich<br />
unsinnige Forderungen.<br />
Um nicht missverstanden zu werden, die<br />
sog. Friedensdividende der 80er und 90er Jahre<br />
zu Lasten des Katastrophenschutzes in der<br />
Bundesrepublik, hat in vielen Bundesländern<br />
dazu geführt, dass bis dahin eine Vielzahl von<br />
bewährten Strukturen abgebaut und da<strong>für</strong> notwendige<br />
Mittel reduziert wurden. Insoweit ist<br />
es das Gebot der nächsten Jahre den Katastrophenschutz<br />
und hier insbesondere die Informations-<br />
und Kommunikationsstrukturen<br />
konsequent und mit dem notwendigen Augenmaß<br />
so zu organisieren, dass die Menschen<br />
sicher sein können, dass wir sie zwar<br />
nicht generell vor Großschadensereignissen<br />
und Katastrophen schützen können; sie aber<br />
sicher sein können, dass wir die Lagen professionell<br />
bewältigen. Da<strong>für</strong> benötigen auch<br />
Katastrophenschützer eine Informations- und<br />
Kommunikationsstruktur, die es uns ermöglicht<br />
in standardisierten Strukturen Informationen<br />
schnellstmöglich zu verarbeiten und auf<br />
gesicherten Kommunikationswegen zu übermitteln.<br />
Au der Basis dieser vorangestellten Bemerkungen<br />
bestehen die derzeitigen bundesweiten<br />
Defizite m. E. im Wesentlichen darin,<br />
dass:<br />
• detaillierte ortsbezogene Gefährdungsanalysen<br />
<strong>für</strong> komplexe Lagen noch in vielen<br />
Bereichen fehlen und diese Pläne in Da-
Seite 64<br />
tenbanken nicht oder nicht in genügendem<br />
Umfang abgerufen werden können,<br />
• die bestehenden Alarm- und Einsatzplanungen<br />
noch nicht in allen Bereichen den<br />
neuen Bedrohungsszenarien angepasst<br />
wurden,<br />
• die Sicherheitssysteme und das darauf basierende<br />
Informations- und Kommunikationsmanagement<br />
des Katastrophenschutzes<br />
nicht genügend vernetzt ist,<br />
• eine effiziente länderübergreifende Zusammenarbeit<br />
aller im Katastrophenschutz<br />
Beteiligten schon in der Vorplanung fehlt,<br />
• eine aktive Übungskultur nicht gelebt wird<br />
und<br />
• bestehende Lagezentren im Bereich des<br />
Katastrophenschutzes technisch nur bedingt<br />
zur Bewältigung komplexer Lagen<br />
ausgestattet sind.<br />
Vor diesem Hintergrund besteht m.E. <strong>für</strong><br />
ein effizientes Informations- und Kommunikationsmanagement<br />
folgender Änderungsbedarf:<br />
• Für Führungskräfte des Katastrophenschutzes<br />
brauchen wir eine von allen Ländern<br />
getragene eigene Bildungseinrichtung<br />
vergleichbar der Polizeiführungsakademie.<br />
Ein funktionierendes Informations- und<br />
Kommunikationsmanagement setzt nämlich<br />
m.E. voraus, dass man fachlich auch<br />
die gleiche Sprache spricht und durch gemeinsame<br />
bundesweite Ausbildung Netzwerke<br />
des Katastrophenschutzes gefördert<br />
werden.<br />
• Die Rolle des Bundes als Drehpunkt <strong>für</strong><br />
ein bundesweit einheitliches Informations-<br />
und Kommunikationsmanagement muss<br />
weiter intensiviert werden. Dabei ist zentrale<br />
Koordinierung denkbar, zentrale Führung<br />
hingegen ist nicht zielführend.<br />
• Die Katastrophenschutzorganisationen benötigen<br />
ein bundesweit vernetztes Informations-<br />
und Kommunikationssystem. Mit<br />
deNIS II ist da<strong>für</strong> der Grundstein gelegt.<br />
Föderale Einzelentwicklungen in vielen<br />
Ländern oder gar Kommunen führen in die<br />
falsche Richtung. Kein größeres bundesweit<br />
tätiges Untenehmen könnte sich ein<br />
Informations- und Kommunikationsmanagement<br />
leisten, wie wir dies derzeit im Katastrophenschutz<br />
betreiben.<br />
• Softwareprodukte die <strong>für</strong> taktisch operative<br />
Organisationen entwickelt wurden, decken<br />
die Bedarfe <strong>für</strong> politisch administrative<br />
Katastrophenschutzorganisationen nur ungenügend.<br />
Insoweit benötigen wir ein speziell<br />
auf die Bedarfe des Katastrophenschutzes<br />
entwickeltes Produkt, das sowohl<br />
die Bedarfe der taktischen Ebene wie auch<br />
die der administrativen Ebene abdeckt.<br />
• Daten in den Katastrophenschutzorganisationen<br />
müssen dort erfasst und abgegriffen<br />
werden, wo sie entstehen und aktuell gepflegt<br />
werden können. Insoweit benötigen<br />
die Katastrophenschutzorganisationen <strong>für</strong><br />
ein funktionierendes Informations- und<br />
Kommunikationssystem eine Software mit<br />
einem Kern von Grundfunktionalitäten und<br />
definierten Schnittstellen zu allen Ministerien/Behörden<br />
und Organisationen, die in<br />
der Bekämpfung von Katastrophen über<br />
Daten verfügen, die zur Lagebewältigung<br />
erforderlich sind.<br />
In Hamburg wollen wir vor diesem Hintergrund<br />
bis zur WM 2006 schrittweise zur Optimierung<br />
des Informations- und Kommunikationsmanagements<br />
folgende Änderungen<br />
durchführen:<br />
• Ämterübergreifende umfassende rechnergestützte<br />
grafische und dynamische Darstellung<br />
der Gesamtlage und der zur Verfügung<br />
stehenden Ressourcen <strong>für</strong> alle beteiligten<br />
Stabsorganisationen.
Ziele im Rahmen dieser Arbeit sind u.a. :<br />
o Anwenderorientierte Bedienung (Vom<br />
Experten- zum Usersystem);<br />
o Stabsabläufe werden elektronisch unterstützt<br />
(elektronische Lauf- und<br />
Meldezettel, Elektronische und physikalische<br />
Protokollierung, Nachverfolgung<br />
erteilter Aufträge);<br />
o vorhandene und noch zu erhebende<br />
Daten sollen auf einer grafischen Oberfläche<br />
verfügbar gemacht werden.<br />
(Ressourcendatenbank mit Soll/Ist-<br />
Abgleich, Einsatzplanungen sollen über<br />
Karte abrufbar und darstellbar<br />
sein, Bestandsverwaltung);<br />
o Entwickeln einer einheitlichen Oberfläche<br />
( web-basiert mit implementierter<br />
Zugriffshierarchie, Zugang <strong>für</strong> Externe<br />
muss möglich sein, Intuitive<br />
Nutzerführung);<br />
o dynamische Lagedarstellung (Entwicklungen<br />
müssen frei einfügbar sein<br />
– modulares System -, Taktische Zeichen,<br />
GPS-unterstützte Standortbestimmung,<br />
einfügen und übermitteln<br />
gegenseitig anderer Lagekarten muss<br />
möglich sein);<br />
o Benutzerverwaltung (Wer darf was<br />
und von welchem Platz);<br />
o hohe Betriebssicherheit (Stromversorgung,<br />
Daten, Software, Leitungswege<br />
und Redundanzen);<br />
o Standardschnittstellen zu verschiedenen<br />
Systemen (Datenbanken anderer<br />
Ministerien/Behörden, Alarmierungssystemen,<br />
Digitalfunk, Video, Telefon,<br />
Such- und Entscheidungsmaschine,<br />
Hinweise auf Objekte);<br />
o unmittelbarer Datenaustausch von einer<br />
zu einer anderen Datenbank im<br />
Rahmen definierter Rechte (Geodatawarehouse-Konzept);<br />
o Entwicklung eines Tools zur Datenerfassung<br />
und -verwaltung;<br />
Seite 65<br />
o Datensuche im Informationssystem<br />
über eine Suchmaschine (Ebay-Suchmaschine<br />
<strong>für</strong> den Katastrophenschutz);<br />
o Einbindung externer Programme durch<br />
ein standardisiertes Portal;<br />
o To-Do-Listen mit Statusverfolgung<br />
und Warnmeldung;<br />
o Rollenzuweisung über Aufgabenpakete;<br />
o Schulungsprogramm.<br />
• Auf der Basis der vorhandenen und eingestellten<br />
Daten in den Informationssystemen<br />
Vorschläge zu standardisierten Prüfrastern,<br />
um daraus Einsatzstrategien zu entwickeln<br />
und zu bewerten.<br />
• Anpassung der Stabsstruktur auf der Basis<br />
des veränderten Informations- und Kommunikationsmanagements.<br />
Gerhard Weisschnur ist Leitender Polizeidirektor,<br />
Behörde <strong>für</strong> Inneres, Amt <strong>für</strong> Innere<br />
Verwaltung und Planung, Abteilung <strong>für</strong> Katastrophen-,<br />
Brand- und Bevölkerungsschutz,<br />
Hamburg
Seite 66<br />
Stiftungstagung "Sicherhe itskommunikation <strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong>"<br />
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin, 3. Februar 2005<br />
Teilnehmende<br />
Heinrich Abendschein Weltjugendtagsbüro Köln<br />
Rainer Baier THALES Defence Deutschland GmbH Pforzheim<br />
Maria Belova St. Petersburg State University for Economics and Finance St. Petersburg<br />
Axel Birkholz T-Systems International GmbH Berlin<br />
Albrecht Broemme Berliner Feuerwehr Berlin<br />
Matthias Burba Landespolizeiverwaltung 3/Rechtsabteilung Hamburg<br />
Marcus Büttner IBM Deutschland GmbH Hannover<br />
Dr. phil. Michael Cebulla Technische Universität Berlin Berlin<br />
BrD Dipl.-Ing. Wolfgang Dähn Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern Schwerin<br />
Peter Damerau Motorola GmbH Berlin<br />
Dr. Wolf-R. Dombrowsky Katastrophenforschungsstelle (KFS) Kiel<br />
Peter Draffehn Berliner Feuerwehr Berlin<br />
Antje Engel DRK Berlin<br />
Dr. Helmut Euler Alcatel SEL AG Stuttgart<br />
Thomas Franke Malteser-Hilfsdienst Berlin Berlin<br />
Heinz Friedmann Asperg<br />
Frank Gießen PRO DV Software AG Dortmund<br />
Dietmar Gollnik e*message Berlin<br />
Christian Halbach FHTW Berlin Berlin<br />
Jörg Hirsch Ministerium des Innern Brandenburg Potsdam<br />
Daniel Holweg Fraunhofer-IGD Darmstadt<br />
Johannes Hübner FHTW Berlin Berlin<br />
Michael C. Jäger TU Berlin Berlin<br />
Dipl.-Phys. Günter Julga Feuerwehr Hamburg Hamburg<br />
Magdalene Kahlert ORACLE Deutschland GmbH Bonn<br />
Dr. Wolfgang Kaiser TÜV Industrie Service GmbH Berlin<br />
Dr. Kurt Kalcher Amt der Steiermärkischen Landesregierung Graz<br />
Dr. Dieter Klumpp Alcatel SEL Stiftung <strong>für</strong> Kommunikationsforschung Stuttgart<br />
Dipl. -Geogr. Petra Köhler GeoForschungsZentrum Potsdam Potsdam<br />
Martin Kupiek IBM Deutschland GmbH München<br />
Daniel Kurth Landkreis Barnim Eberswalde<br />
Prof. Dr. Klaus Lenk Universität Oldenburg Oldenburg<br />
Maren Lesche Jutta Rubach & Partner Berlin<br />
Stefan Löffler PSI Information Management GmbH Berlin<br />
Dr. Jobst Löffler Fraunhofer-IMK St. Augustin
Dipl.-Kfm Ernst Mäfers Polizeipräsidium Berlin<br />
Antje Matten Projektassistentin Berlin<br />
Markus Müller lat/lon GmbH Hamburg<br />
Gerd Munschke TÜV Industrie Service GmbH Berlin<br />
Seite 67<br />
Michael Naumann Fachhochschule Brandenburg Brandenburg<br />
Dipl.-Ing. Horst Neumayr T-Systems International GmbH Berlin<br />
Jens Ostmann Senatsverwaltung <strong>für</strong> Inneres Berlin<br />
Dr. jur. Falk Peters D21 LG E-Government Berlin<br />
Reinhard Quellmann Berliner Feuerwehr Berlin<br />
Prof. Dr. Klaus Rebensburg Technische Universität Berlin Berlin<br />
Hr. Rehfeld Regio iT Aachen Aachen<br />
Dr. Jörg Reichling Geschäftsstelle Kommission f. Geoinformationswirtschaft Hannover<br />
Dr. Johannes Richert Deutsches Rotes Kreuz Berlin<br />
Frank Rienas Polizeipräsidium Berlin Berlin<br />
Holger Schiecke BOS Digitalfunk Thüringen Erfurt<br />
Norbert Schmidt Senatsverwaltung <strong>für</strong> Inneres Berlin<br />
Harald Schottner Arbeiter Samariter Bund, Köln<br />
Prof. Dr. Jürgen Sieck FHTW Berlin Berlin<br />
Christine Siegfried Universität Potsdam Potsdam<br />
Stefan Simon Malteser Hilfsdienste e.V. Würzburg<br />
Arend Steenken Landesbetrieb <strong>für</strong> Datenverarbeitung Potsdam<br />
Dipl.-Ing. Helmut Strunk Bundesanstalt Technisches Hilfswerk Bonn<br />
Verena Such Berliner Feuerwehr Berlin<br />
Frank Thies Alcatel SEL AG Berlin<br />
Matthias Träger SCHERING AKTIENGESELLSCHAFT Berlin<br />
Stefan Tritschler Universität Stuttgart Stuttgart<br />
Christoph Unger Bundesamt f. Bevölkerungsschutz u. Katastrophenhilfe Bonn<br />
Gervino A. Walter EADS Deutschland GmbH Friedrichshafen<br />
Gerhard Weißschnur Behörde <strong>für</strong> Inneres Hamburg<br />
Thomas Werner Berliner Feuerwehr Berlin<br />
Jens Werner Landesschule <strong>für</strong> Brand- und Katastrophenschutz Malchow<br />
Volker Willms Feuerwehr- u. Katastrophenschutzschule Rheinland-Pfalz Koblenz<br />
Karsten Willsch PRO DV Software AG Dortmund<br />
Kirsten Wohlfahrt Behörden Spiegel Berlin<br />
Ray Wolf Alcatel Enterprise Solution Division Unterschleißheim
Seite 68
Alcatel SEL Stiftung<br />
Alcatel SEL Stiftung<br />
Hauptanliegen und Themenschwerpunkt der Alcatel SEL Stiftung <strong>für</strong> Kommunikationsforschung<br />
ist seit ihrem Bestehen die Förderung von herausragenden Forschungsarbeiten, die<br />
zum besseren Zusammenwirken von Mensch und Technik in Kommunikationssystemen<br />
beitragen. Damit ist eine übergreifende Schnittmenge der verschiedensten Disziplinen und<br />
Gruppen in Wissenschaft und Praxis angesprochen.<br />
Leistungsteile sind neben dem jährlichen „Forschungspreis Technische Kommunikation“ –<br />
einer der höchsten Einzelauszeichnungen <strong>für</strong> außerindustrielle Forschung – und den Dissertationsauszeichnungen<br />
<strong>für</strong> die besten wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten zum Themengebiet<br />
der Kommunikationstechnik derzeit mit jährlichen Zuschüssen vier eigenständige Stiftungskollegs<br />
an deutschen Hochschulen. An der Universität Stuttgart ist es das „Stiftungskolleg zur<br />
Förderung von Forschung und Lehre über Theorie und Anwendung der Kommunikation“ sowie<br />
das „Hochschulkolleg Electronic Government“, an der Technischen Universität Dresden das<br />
„Stiftungskolleg <strong>für</strong> interdisziplinäre Verkehrsforschung“, an der Technischen Universität<br />
Darmstadt das „Stiftungskolleg interdisziplinäre Studien“ sowie das Stiftungs-Verbundkolleg<br />
Informationsgesellschaft Berlin.<br />
Die 1979 eingerichtete gemeinnützige Stiftung unterstützt mit Veranstaltungen, Publikationen<br />
und Expertisen ein eng mit der Praxis verbundenes pluridisziplinäres wissenschaftliches<br />
Netzwerk, in dem wichtige Fragestellungen der Informations- und Wissensgesellschaft frühzeitig<br />
aufgenommen und behandelt werden.<br />
www.stiftungaktuell.de<br />
Hochschulkolleg Electronic Government<br />
Die Alcatel SEL Stiftung gründete 1986 gemeinsam mit der Universität Stuttgart das<br />
interdisziplinäre „Stiftungskolleg zur Förderung von Forschung und Lehre über Theorie und<br />
Anwendung der Kommunikation“. Impulse <strong>für</strong> eine verstärkte Forschung, Lehre und andere<br />
Wissensvermittlung zwischen den einzelnen Disziplinen durch Gastwissenschaftler, Symposien<br />
und sonstige Lehrveranstaltungen sollen helfen, eine menschengerechte Technik zu<br />
entwickeln. Im Vordergrund steht das Zusammenwirken von Mensch und Technik in<br />
Kommunikationssystemen.<br />
Im Rahmen der zwischenzeitlich zum Verbundkolleg Stuttgart gewandelten Einrichtung<br />
wurde 2001 das Hochschulkolleg Electronic Government gegründet. Mit Akteuren aus der<br />
Region, aber auch nationalen Experten auf diesem Gebiet wird das aktuelle Themenfeld<br />
interdisziplinär bearbeitet. Ringvorlesungen, Workshops und Seminare renommierter Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler sowie Praktiker werden unterschiedliche Aspekte des<br />
Electronic Government beleuchten und den Studierenden sowie der interessierten Fachöffentlichkeit<br />
aktuelle Ergebnisse vermitteln.
Kontakt<br />
Alcatel SEL Stiftung<br />
Lorenzstraße 10, 70435 Stuttgart<br />
Telefon 0711-821-45002<br />
Telefax 0711-821-42253<br />
E-mail sel.stiftung@alcatel.de<br />
URL http://www.stiftungaktuell.de