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Sicherheitskommunikation für mobile Hilfsorganisationen

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<strong>Sicherheitskommunikation</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />

<strong>Sicherheitskommunikation</strong> <strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />

Tina Siegfried<br />

Next Generation E-Government <strong>für</strong> die<br />

innere Sicherheit und den Bevölkerungsschutz<br />

Klaus Lenk<br />

Informations- und Kommunikationsstrategien des<br />

Bundesamtes <strong>für</strong> Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)<br />

Christoph Unger<br />

Notfallmanagement am Beispiel des<br />

routenflexiblen Störfallmanagements im ÖV<br />

Stefan Tritschler<br />

Das EU-Projekt SHARE –<br />

Datenfunkgestütztes multimodales Informationsmanagement<br />

<strong>für</strong> die Einsatzleitung bei Großschadensereignissen<br />

Rainer Koch, Bo-Sik Lee, Rüdiger Harnasch, Jobst Löffler, Joachim Köhler<br />

Sicherheit im Geoinformationsmanagement mit offenen Standards<br />

und Geodateninfrastrukturen<br />

Markus Müller<br />

Anforderungen an <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />

aus der Sicht des Deutschen Roten Kreuzes<br />

Johannes Richert<br />

Die Kommunikation der BOS – Organisatorische und technische Aspekte<br />

Albrecht Broemme<br />

Anforderungen an das Informations- und Kommunikationsmanagement<br />

in der Gefahrenabwehr am Beispiel der Brandbekämpfung<br />

Wolf R. Dombrowsky<br />

Anforderungen an Informations- und Kommunikationsmanagement<br />

Gerhard Weisschnur<br />

Hochschulkolleg E-Government<br />

Stiftungsreihe<br />

66


Impressum<br />

Stiftungs-Reihe<br />

Redaktion<br />

Dr. Dieter Klumpp<br />

(Leitung)<br />

Petra Bonnet M.A.<br />

Renate Förstner<br />

Tina Siegfried<br />

Druck der Br oschüre<br />

DCC Kästl GmbH & Co. KG<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

Alcatel SEL Stiftung<br />

© 2005<br />

Postadresse<br />

Alcatel SEL Stiftung<br />

Postfach 40 07 49<br />

70407 Stuttgart<br />

Telefon (0711) 821-45002<br />

Telefax (0711) 821-42253<br />

E-mail sel.stiftung@alcatel.de<br />

www.stiftungaktuell.de<br />

ISSN 0932-156x<br />

<strong>Sicherheitskommunikation</strong> <strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />

Tagungsdokumentation, Berlin, 3. Februar 2005<br />

Seite 1<br />

Inhaltsverzeichnis Seite<br />

<strong>Sicherheitskommunikation</strong> <strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong> 3<br />

Tina Siegfried<br />

Next Generation E-Government <strong>für</strong> die<br />

innere Sicherheit und den Bevölkerungsschutz 6<br />

Klaus Lenk<br />

Informations- und Kommunikationsstrategien<br />

des Bundesamtes <strong>für</strong> Bevölkerungsschutz und<br />

Katastrophenhilfe (BBK) 10<br />

Christoph Unger<br />

Notfallmanagement am Beispiel des<br />

routenflexiblen Störfallmanagements im ÖV 16<br />

Stefan Tritschler<br />

Das EU-Projekt SHARE –<br />

Datenfunkgestütztes multimodales Informationsmanagement<br />

<strong>für</strong> die Einsatzleitung bei Großschadensereignissen 26<br />

Rainer Koch, Bo-Sik Lee, Rüdiger Harnasch,<br />

Jobst Löffler, Joachim Köhler<br />

Sicherheit im Geoinformationsmanagement<br />

mit offenen Standards und Geodateninfrastrukturen 42<br />

Markus Müller<br />

Anforderungen an <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />

aus der Sicht des Deutschen Roten Kreuzes 51<br />

Johannes Richert<br />

Die Kommunikation der BOS –<br />

Organisatorische und technische Aspekte 56<br />

Albrecht Broemme<br />

Anforderungen an das Informations- und<br />

Kommunikationsmanagement in der Gefahrenabwehr<br />

am Beispiel der Brandbekämpfung 59<br />

Wolf R. Dombrowsky<br />

Anforderungen an<br />

Informations- und Kommunikationsmanagement 63<br />

Gerhard Weisschnur


Seite 2


Seite 3<br />

<strong>Sicherheitskommunikation</strong> <strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />

Tina Siegfried<br />

Der Umstellungsprozess hin zur "Next Generation<br />

E-Government" bietet eine große Chance<br />

<strong>für</strong> alle Organisationen mit Sicherheitsaufgaben,<br />

neue technische Infrastrukturen mit<br />

gänzlich neuen Prozessen der Kommunikation<br />

und der Organisation zu verwirklichen.<br />

Wie die Polizeien, Feuerwehren, Zollfahnder<br />

und Katastrophenschützer sind alle technischen<br />

Hilfswerke, <strong>mobile</strong> sanitäre Dienste<br />

wie Notärzte, Abschlepp- und Bergungsunternehmen,<br />

Versicherungen sowie nicht zuletzt<br />

Gefahrgutlogistiker auf schnelle und zuverlässige<br />

Kommunikationsabläufe angewiesen.<br />

Da<strong>für</strong> stehen zwar aus technischer Sicht<br />

Lösungsmöglichkeiten beispielsweise <strong>für</strong> <strong>mobile</strong><br />

Breitbandkommunikation zur Verfügung.<br />

Die genauen Anforderungen an die Technik<br />

und ihre Einsatzmöglichkeiten müssen allerdings<br />

noch aus Sicht der Praktiker formuliert<br />

werden. Neue Herausforderungen wie Großunfälle<br />

und Attentate brauchen eine entsprechende<br />

Verfügbarkeit einer "<strong>Sicherheitskommunikation</strong>",<br />

die weit mehr ist als bloße<br />

Technik.<br />

Der Begriff <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />

umfasst dabei weit mehr als den Austausch<br />

von Informationen zwischen Behörden mit<br />

Sicherheitsaufgaben und Einheiten des Notfall-<br />

und Rettungswesens über gesicherte Kanäle.<br />

Gerade in diesem Bereich ist ein Informationsmanagement<br />

unabdingbar, das die<br />

technischen Möglichkeiten nutzt, um alle beteiligten<br />

Akteure mit den <strong>für</strong> sie wichtigen<br />

und spezifischen Informationen zu versorgen.<br />

Neben der Schaffung der technischen und infrastrukturellen<br />

Voraussetzungen bedarf es zusätzlich<br />

auch organisatorischer Maßnahmen,<br />

um die Kommunikation zwischen Behörden,<br />

Einsatzleitern und Kräften vor Ort zu gewährleisten.<br />

In den ersten zwei Workshops der Alcatel<br />

Stiftung zu diesem Thema (Hamburg, August<br />

2004 und Bremen, November 2004) wurden<br />

technische und organisatorische Fragen <strong>für</strong><br />

den Bereich der Polizei sowie <strong>für</strong> Feuerwehr<br />

und Katastrophenschutz diskutiert. Dabei<br />

konnten wir feststellen, dass es nicht nur eine<br />

Vielzahl neuer technischer Möglichkeiten<br />

gibt, sondern dass auch bereits viele technische<br />

Lösungen praktisch erprobt werden. Beispiele<br />

da<strong>für</strong> sind die Möglichkeiten des Einsatzes<br />

von Sensoren bei der Brandbekämpfung<br />

bei der Feuerwehr, die Nutzung von<br />

Geoinformationssystemen im Katastrophenschutz<br />

oder der Einsatz von Vorgangsbearbeitungssystemen<br />

bei der Polizei. Im Verlaufe<br />

der Diskussionen stellte sich ziemlich schnell<br />

heraus, dass kritische Punkte zwar in der Frage<br />

der technischen Ausstattung oder in den<br />

nicht immer im gewünschten Maße zur Verfügung<br />

stehenden Infrastrukturen liegen, dass<br />

andererseits aber auch in organisatorischer<br />

Hinsicht Probleme bestehen, vor allem bei der<br />

Koordination und Kooperation der Akteure,<br />

die in einem Schadensfall schnell und effektiv<br />

zusammenwirken müssen.<br />

Die Veranstaltung „<strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong>“ am<br />

3. Februar 2005 in Berlin verfolgte ausgehend<br />

von den Erfahrungen aus den ersten beiden<br />

Workshops zwei Ziele. Zum einen sollten<br />

Technikpotenziale aufgezeigt werden, um<br />

Abschätzungen zu ermöglichen, was Technik<br />

leisten kann - und was nicht. Beiträge zu Geoinformationssystemen,<br />

Störfallmanagement<br />

oder Notfallwarnsystemen <strong>für</strong> die Bevölkerung<br />

beleuchteten diesen Aspekt. Zum zweiten<br />

bot die Veranstaltung ein Forum, auf dem<br />

die These diskutiert wurde, dass Kommunikation<br />

zwar auch technikabhängig ist, aber auch


Seite 4<br />

entscheidend von den Beziehungen der beteiligten<br />

Akteure abhängt. Neben Information<br />

und Kommunikation liegt ein nicht zu vernachlässigendes<br />

Moment auch in der Gestaltung<br />

von Kooperation und in der Koordination<br />

von Einsatzkräften. Eine Podiumsdiskussion<br />

am Nachmittag zum Thema Anforderungen<br />

an Informations- und Kommunikationsmanage-ment<br />

rundete diesen Themenbereich<br />

ab.<br />

Zum Auftakt der Veranstaltung führte Dr.<br />

Klumpp von der Alcatel Stiftung in den Begriff<br />

<strong>Sicherheitskommunikation</strong> ein und wies<br />

darauf hin, dass <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />

sowohl Organisation als auch Infrastrukturen<br />

betreffe, also weit mehr als technische Fragen<br />

berühre. Professor Lenk von der Universität<br />

Oldenburg problematisierte ebenfalls in seinem<br />

Beitrag den Begriff <strong>Sicherheitskommunikation</strong>,<br />

der als zu technisch empfunden<br />

werden könne, obwohl doch gerade auch<br />

Kommunikation und organisatorische Fragen<br />

darunter fallen würden. Er plädierte außerdem<br />

in Anlehnung an die Gesetzesfolgenabschätzung<br />

<strong>für</strong> die Einführung einer Innovationsfolgenabschätzung.<br />

Diese solle nicht nur die<br />

technischen Fragen betrachten, sondern auch<br />

das Feld Sicherheitspolitik als Ganzes betrachten<br />

und darüber hinaus eine soziotechnische<br />

Sichtweise einnehmen, bei der das<br />

Zusammenwirken von Mensch und Technik<br />

im Gesamtzusammenhang gesehen wird.<br />

Dr. Kalcher von der Steiermärkischen<br />

Landesregierung unterstrich die Bedeutung<br />

von Kooperation als Basis des Katastrophenschutzes<br />

und berichtete in seinem Vortrag über<br />

entsprechende Maßnahmen der Steiermärkischen<br />

Landesregierung. Der Präsident<br />

des Bundesamtes <strong>für</strong> Bevölkerungsschutz und<br />

Katastrophenhilfe, Christoph Unger, informierte<br />

die Teilnehmer über die aktuelle Informations-<br />

und Kommunikationsstrategie des<br />

Bundesamtes, die sich dem Leitmotiv der<br />

Vernetzung verschrieben habe, und bei der<br />

verbesserte Kooperation, Information und<br />

Kommunikation als Schlüsselkriterien <strong>für</strong> eine<br />

Optimierung des Gefahren- und Krisenmanagements<br />

sowohl bei klassischen Katastrophen<br />

als auch bei außergewöhnlichen Gefahren<br />

und Schadenslagen betrachtet werden.<br />

Stefan Tritschler von der Universität Stuttgart<br />

erläuterte im Anschluss daran das Thema edvgestütztes<br />

Notfallmanagement am Beispiel<br />

des Störungsfallmanagements im öffentlichen<br />

Personennahverkehr. Das EU-Projekt SHARE<br />

wurde von Dr. Löffler (Fraunhofer IMK) und<br />

Professor Koch (Universität Paderborn) vorgestellt.<br />

Bei diesem wird zusammen mit europäischen<br />

Projektpartnern ein innovatives<br />

Kommunikationssystem entwickelt, das Feuerwehren<br />

und Rettungsdienste bei größeren<br />

Schadenslagen und beim Katastrophenmanagement<br />

unterstützen kann. Sicherheit im Geoinformationsmanagement<br />

lautete der Titel des<br />

Beitrags von Herrn Müller (lat/lon GmbH<br />

Hamburg), der das Thema Geodateninfrastrukturen<br />

als adäquates Mittel zum Management<br />

von verteilten und raumbezogenen Datenbeständen<br />

vorstellte. Über Notfallwarnsysteme<br />

<strong>für</strong> die Bevölkerung berichtete anschließend<br />

Dr. Gollnick von eMessage, und Dr.<br />

Richert vom Deutschen Roten Kreuz befasste<br />

sich in seinem Beitrag mit der Frage, welche<br />

Anforderungen an <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />

aus Sicht der <strong>Hilfsorganisationen</strong> gestellt werden<br />

müssten. Schließlich ging Landesbranddirektor<br />

Broemme (Feuerwehr Berlin) in seinem<br />

Vortrag auf die Frage ein, welche organisatorischen<br />

und technischen Aspekte bei der<br />

Kommunikation in Sicherheitsbehörden eine<br />

Rolle spielen. In der Podiumsdiskussion wurden<br />

Statements vorgetragen von Wolf Dombrowsky<br />

(Katastrophenforschungsstelle Kiel),<br />

Daniel Holweg (Fraunhofer IGD), Gerhard<br />

Weisschnur (Innenbehörde Hamburg) und<br />

Professor Lenk (Uni Oldenburg). Als Ergebnis<br />

der Diskussion lässt sich zusammenfassen,<br />

dass die IuK-Technik genügend Potenziale


ietet und oft bereits bei Feuerwehren und<br />

anderen Rettungsorganisationen eingeführt<br />

ist, dass aber die Anforderungen an die Technik<br />

mit den Anwendern gemeinsam entwickelt<br />

werden sollten. Darüber hinaus wurde<br />

festgehalten, dass die informationstechnische<br />

Vernetzung genauso wie die Kommunikation<br />

der Akteure verbesserungsfähig ist. Gefragt<br />

sind hierbei Initiativen und Institutionen, die<br />

diesen Austausch fördern, um die organisatorischen<br />

wie auch die Kommunikationsprobleme<br />

im Bereich Katastrophenschutz zu überwinden.<br />

Die hiermit vorgelegte Dokumentation der<br />

Beiträge spiegelt den Verlauf der Tagung wider<br />

und soll es allen Interessierten ermöglichen,<br />

sich durch die Schriftfassungen der<br />

Weitere Titel aus der Stiftungsreihe zum<br />

Thema E-Government:<br />

BürgerServiceNetz – bürgerfreundliche Angebote<br />

mit neuen Technologen, Tagungsdokumentation,<br />

Branenburg 2004 (SR65)<br />

Next Generation E-Government <strong>für</strong> die Innere Sicherheit<br />

– Erfahrungen, Praxisberichte und Visionen,<br />

Tagungsdokumentation, Hamburg 2004, mit<br />

Beiträgen u.a. von Klaus Lenk, Lothar Mühlbach<br />

und Peter Schaar (SR 62)<br />

Informationsbrücken <strong>für</strong> Electronic Government.<br />

Transferkonferenz St. Petersburg 2004, mit Beiträgen<br />

u.a. von Jörg Tauss, Helmut Krcmar, Michael<br />

Zinke, Barbara Zimmers (SR 60)<br />

Führung, Organisation und Kultur im Electronic<br />

Government, Beiträge von Gerhard Banner, Hermann<br />

Hill, Helmut Krcmar, Willy Landsberg und<br />

Klaus Lenk (SR59)<br />

Grenzenlose Kooperationen <strong>für</strong> E-Government?<br />

Tagungsdokumentation Winsen/Luhe 2002, mit<br />

Beiträgen u.a. von Herbert Kubicek, Helmut<br />

Bäumler, Henning Lühr, Shahab Behjat, Martin<br />

Eifert (SR 55)<br />

Seite 5<br />

Vorträge über die verschiedenen Aspekte von<br />

<strong>Sicherheitskommunikation</strong> zu informieren.<br />

Ich danke allen Referenten herzlich <strong>für</strong> ihre<br />

Vorträge während der Tagung und <strong>für</strong> die<br />

ausgearbeiteten Fassungen ihrer Beiträge. Besonderer<br />

Dank gilt Herrn Dr. Klumpp und<br />

Herrn Professor Lenk, die die Tagung initiiert<br />

und inhaltlich mit Anregungen unterstützt und<br />

damit wesentlich zum Erfolg beigetragen haben.<br />

Tina Siegfried ist Projektassistentin der<br />

Alcatel SEL Stiftung <strong>für</strong> Kommunikationsforschung.<br />

Bürgernetze und Sicherheit im E-Government,<br />

Tagungsdokumentation Freiburg 2002, mit Beiträgen<br />

u.a. von Oscar W. Gabriel, Wolfgang Vöhringer,<br />

Werner Brettreich-Teichmann und Ulrich<br />

Winchenbach (SR46)<br />

Weitere Stiftungspublikationen zum Thema<br />

(erhältlich im Buchhandel):<br />

Lenk, Klaus (2004): Verwaltungsinformatik als<br />

Modernisierungschance. Strategien – Modelle –<br />

Erfahrungen. Aufsätze 1988-2003. Berlin<br />

Lenk, Klaus (2004): Der Staat am Draht. Electronic<br />

Government und die Zukunft der öffentlichen<br />

Verwaltung – eine Einführung. Berlin<br />

Neue Lernkulturen im virtuellen Rathaus (2004).<br />

Beiträge u.a. von Petra Bonnet, Andreas Kraft. In:<br />

Roters, Turecek, Klingler (Hrsg.): eLearning.<br />

Trends und Entwicklungen. Schriftenreihe Baden-<br />

Badener Sommerakademie. Band 4. Berlin


Seite 6<br />

Next Generation E-Government <strong>für</strong> die<br />

innere Sicherheit und den Bevölkerungsschutz<br />

Einführung in das Projekt der Alcatel SEL Stiftung <strong>für</strong> Kommunikationsforschung<br />

Klaus Lenk<br />

Die Workshop-Reihe der Alcatel SEL Stiftung<br />

<strong>für</strong> Kommunikationsforschung hat sich<br />

zum Ziel gesetzt, die Nutzung der Informationstechnik<br />

<strong>für</strong> die Arbeit von Behörden und<br />

Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (im<br />

Folgenden als BOS abgekürzt) zu fördern und<br />

zu strukturieren. Sie ist damit Teil eines längerfristig<br />

angelegten Forschungsprojekts des<br />

von der Stiftung gegründeten Hochschulkollegs<br />

E-Government.<br />

Worum geht es bei diesem Forschungsprojekt?<br />

Die Chancen, die eine Weiterentwicklung<br />

des informationstechnischen Instrumentariums<br />

<strong>für</strong> eine Effektivierung, Qualitätsverbesserung<br />

und Effizienzsteigerung bietet, sind in<br />

ihrer Tragweite nur einem kleinen Kreis von<br />

Kennern der Technik wirklich bewusst. Die<br />

gegenwärtige Modewelle des E-Government<br />

hat die Polizeiarbeit („e-policing“) und das<br />

Umgehen mit Schadenslagen („e-emergency“)<br />

noch nicht wirklich erreicht. In einem<br />

engen Verständnis von E-Government können<br />

Internetpräsenz der Polizei wie auch Beschaffungssysteme<br />

oder die Anzeigenaufnahme online<br />

erwähnt werden, und im Hinblick auf den<br />

Bevölkerungsschutz zeigen sich seit dem<br />

11. September 2001 und der Flutkatastrophe<br />

2002 gewisse Ansätze. Diese sind jedoch häufig<br />

dadurch geprägt, dass „aus gegebenem<br />

Anlass“ technische Lösungen <strong>für</strong> Probleme<br />

vorgeschlagen werden, ohne dass deren Einbettung<br />

in die Handlungspraxis der beteiligten<br />

Institutionen bedacht würde.<br />

Wenn Besorgnis über einen Missstand akut<br />

wird oder – wie so häufig bei den Organisati-<br />

onen des Katastrophenschutzes – der letzte<br />

verlorene Krieg künftig gewonnen werden<br />

soll, dann wird regelmäßig eine gerade fertige<br />

oder halbfertige Technikanwendung als Problemlösung<br />

dargestellt und mit der Behauptung<br />

angeboten, mit ihr seien alle Probleme gelöst.<br />

Ein Beispiel <strong>für</strong> diese kurzschlüssige Argumentationskette<br />

liefert die Personenidentifikation.<br />

Hier werden gegenwärtig Biometriepässe<br />

als Lösung gehandelt, mit der alle Probleme<br />

beseitigt werden könnten. Es scheint so,<br />

als ob manche Technikanwendungen geradezu<br />

darauf warten, dass die in der Praxis auftauchenden<br />

Probleme so definiert werden,<br />

dass der Einsatz fertiger technischer Konzepte<br />

als sinnvolle Lösung erscheint.<br />

Diese Argumentation greift zu kurz. Verkannt<br />

wird, dass technische Systeme eingebettet<br />

sind in organisatorische Strukturen und<br />

Praktiken sowie in ein gesellschaftliches Umfeld.<br />

Damit technische Neuerungen tatsächlich<br />

zu Innovationen in organisatorischer und<br />

gesellschaftlicher Hinsicht führen, kommt es<br />

darauf an, dass sich Verhalten, Prozesse,<br />

Strukturen verändern. Nicht die technische<br />

Innovation, sondern die technisch ermöglichte<br />

Innovation in der Praxis ist der entscheidende<br />

Umstand.<br />

Um Fehlentwicklungen zuvorzukommen,<br />

aber auch um die vielfältigen Chancen besser<br />

zu erfassen, geht das Forschungsvorhaben des<br />

Hochschulkollegs E-Government grundsätzlicher<br />

vor. Mit ihm werden die drei großen<br />

Themen in eine systematische Verbindung<br />

gebracht, welche gegenwärtig die Debatten<br />

über Polizei, innere Sicherheit, Rettungs-


dienste und Katastrophenschutz (einschließlich<br />

Zivilschutz) beherrschen. Diese drei<br />

Themen sind:<br />

1. Neue Herausforderungen <strong>für</strong> die Gewährleistung<br />

innerer Sicherheit und an die staatliche<br />

Risikovorsorge durch neue Bedrohungslagen<br />

( vor allem riskantes Umgehen<br />

mit der Natur, Missbrauch des technischen<br />

Potenzials, Planen und Auslösen von Gefährdungen<br />

über große Entfernungen hinweg).<br />

2. Neue Chancen und Formen des Technikeinsatzes<br />

bei der Herstellung von Sicherheit<br />

bzw. bei der Risikoabwehr, z.B. durch<br />

Schaffung von Infrastrukturen wie dem<br />

BOS-Digitalfunk und IT-Einsatz in Geschäftsprozessen<br />

bei Polizei und anderen<br />

BOS.<br />

3. Neue organisatorische Arrangements<br />

(Einführung von New Public Management<br />

bei der Polizei, Zusammenarbeit öffentlicher<br />

mit privaten Sicherheitskräften, gemeinsame<br />

Einsatzleitstellen).<br />

Das Zusammenführen dieser drei Themenstränge<br />

erfordert eine Sichtweise, die sich von<br />

der punktuell-problemorientierten Sicht der<br />

Öffentlichkeit und der Politik abhebt. Innovationen<br />

von Dauer lassen sich – wenn sie nicht<br />

pure Zufallsergebnisse bleiben sollen – nur<br />

dadurch erreichen, dass man sie in einem Zusammenhang<br />

plant und dabei <strong>für</strong> neue Chancen<br />

und Entwicklungen offen bleibt. Diese<br />

Planung ist möglich, wenn drei Sichtweisen<br />

verbunden werden.<br />

Es sind dies:<br />

• Systembetrachtung,<br />

• Sozio-technische Sicht,<br />

• Prozessbetrachtung.<br />

In diesen Sichtweisen, welche gegenwärtig<br />

erst in Ansätzen die Politik der inneren Sicherheit<br />

durchdringen, konkretisiert sich der<br />

Seite 7<br />

Konnex zwischen technischem und menschlichem<br />

Handeln, zwischen Herausforderung<br />

und passender Antwort. In ihrer Kombination<br />

können diese drei Sichtweisen im gesamten<br />

Feld der inneren Sicherheit und des Katastrophenschutzes<br />

zu einer Erneuerung führen,<br />

welche nicht kurzlebige Erfolge durch isolierte<br />

Technikanwendungen, sondern grundlegende<br />

Veränderungen anzielt.<br />

So ist die Systemsicht geeignet, die Sicherheitsproblematik<br />

ganzheitlich zu erfassen,<br />

ohne dabei ins Uferlose zu geraten. Systemsicht<br />

zeichnet sich dadurch aus, dass der Betrachter<br />

die Grenzen des jeweils zu untersuchenden<br />

bzw. zu verbessernden Systems absteckt,<br />

dabei dessen Umgebung nicht aus den<br />

Augen verliert und Wechselwirkungen bedenkt.<br />

Damit kann gewährleistet werden, dass<br />

denkbare oder verfügbare Lösungen nicht die<br />

Wahrnehmung der Probleme einfärben. Technik<br />

erscheint nicht mehr als Allheilmittel,<br />

sondern ihr Einsatz kann in einem weiteren<br />

Kontext betrachtet werden.<br />

Somit kann unter anderem auch sichergestellt<br />

werden, dass Innovationen möglichst<br />

bald spürbaren Nutzen bringen (Aspekt der<br />

Wirtschaftlichkeit); ferner, dass Probleme<br />

nicht auf die Nutzer abgewälzt werden (Aspekt<br />

der usability),<br />

Ergänzt wird der Systemansatz durch eine<br />

sozio-technische Sicht, welche von vornherein<br />

das Zusammenwirken von Mensch und<br />

Technik in Handlungssystemen thematisiert.<br />

Die Einsicht, dass Nutzung der Informationstechnik<br />

in menschlichen Handlungssystemen<br />

immer ein Zusammenspiel unterschiedlicher<br />

Arbeitsbeiträge bedeutet, wurde mit dem Leitprogramm<br />

einer sozio-technischen Systemgestaltung<br />

schon vor über drei Jahrzehnten formuliert.<br />

Sie wird in der Praxis der Systementwicklung<br />

aber immer wieder zugunsten einer<br />

Gestaltungspraxis hintangestellt, welche allein<br />

die technischen Anteile des zu schaffenden<br />

Systems plant. So dominiert regelmäßig


Seite 8<br />

eine Anforderungserhebung, welche Anforderungen<br />

an die Software zusammenträgt und es<br />

dann letztlich der Praxis überlässt, ob die neu<br />

entwickelte oder angepasste Software von den<br />

Menschen, die mit ihr umgehen müssen verstanden<br />

und akzeptiert wird. Eine ganzheitliche<br />

Planung von Arbeitssystemen würde hingegen<br />

von vornherein sicherstellen, dass die<br />

Mensch-Computer-Interaktion gelingt und arbeitswissenschaftlichen<br />

Grundsätzen entspricht.<br />

Die Geschäftsprozesssicht als dritte Sicht<br />

ist die einer konsequenten Betrachtung von<br />

Handlungszusammenhängen, von Arbeit und<br />

von Kommunikation, als in der Zeit ablaufende<br />

Geschäftsprozesse, die ein festes Ziel haben.<br />

Diese Betrachtung beginnt sich z.B. bei<br />

der Polizei erst jetzt durchzusetzen. Das mag<br />

damit zu tun haben, dass die Prozesse der Polizeiarbeit<br />

ja oftmals nicht zum Ziel haben, irgendwelche<br />

Dinge zu produzieren oder umzugestalten.<br />

Geht es zum Beispiel darum, einen<br />

Streit zu schlichten oder durch Präsenz<br />

potenzielle Straftäter abzuschrecken, so ist ihr<br />

Handeln nicht produktiv in einem engen Sinne,<br />

sondern reaktiv-stabilisierend. Gleichwohl<br />

ist die Prozesssicht auch hier sehr nützlich,<br />

um dieses Handeln zu analysieren.<br />

Die Prozesssicht einzunehmen bedeutet<br />

nicht, sich den verbreiteten Werkzeugen zur<br />

Analyse und Gestaltung von IT-gestützten<br />

Prozessen auszuliefern. Wie gesagt sind diese<br />

darauf ausgerichtet, Anforderungen an die<br />

Softwaregestaltung zu erheben, nicht jedoch<br />

darauf, ganzheitlich das sozio-technische System<br />

zu gestalten, in welchem die Technik ihre<br />

Wirkungen entfaltet. Diese Gestaltung setzt<br />

Prozessverständnis voraus; dieses Verständnis<br />

kann erreicht werden, ohne dass – wie meistens<br />

bei der Prozessanalyse – Standardisierung<br />

oder gar Automatisierung ganzer Prozesse<br />

das Ziel ist.<br />

Ein Vorteil einer auf Verständnis ausgerichteten<br />

Prozessbetrachtung ist es, dass sie<br />

Kernprozesse aus dem Systemzusammenhang<br />

heraus zu definieren vermag. Damit wird die<br />

Aufmerksamkeit von Nebensächlichkeiten abgelenkt.<br />

Weiterhin ermöglicht die konsequente Prozesssicht<br />

eine Modularisierung von Prozessen,<br />

was Effizienzvorteile bringen kann, aber<br />

auch neue Möglichkeiten der sozio-technischen<br />

Gestaltung eröffnet. Damit kann systematisches,<br />

zielbezogenes Vorgehen bei der<br />

Prozess-Reorganisation angeleitet werden.<br />

Leistungsprozesse können über Organisationsgrenzen<br />

und Verwaltungsebenen hinweg<br />

völlig neu gestaltet werden. Für die entstehenden<br />

Module kommen unterschiedliche<br />

Leistungsproduzenten in Betracht: neben öffentlichen<br />

Einrichtungen auch gemeinnützige<br />

oder private Anbieter. Hierdurch können Spezialisierungsvorteile<br />

ausgeschöpft werden, die<br />

bei herkömmlicher Arbeitsweise nicht möglich<br />

sind. Am Ende dieses Transformationsprozesses<br />

können verantwortlich gesteuerte<br />

öffentliche Leistungsnetzwerke stehen, in denen<br />

jeder das produziert, was er am besten<br />

kann.<br />

Ein nicht zu unterschätzender Nutzen einer<br />

auf Leistungsnetzwerke ausgerichteten Prozessbetrachtung<br />

liegt darin, dass sie über<br />

schlichte Alternativen im Sinne vollständiger<br />

Privatisierung oder gar der Abschaffung von<br />

Aufgaben hinausführt. Modularisierte Leistungsprozesse<br />

sind eine Alternative zu<br />

„Make“, „Buy“ oder „Give up“. Einige Tätigkeiten<br />

bleiben sinnvollerweise in öffentlicher<br />

Hand – andere können besser privat erledigt<br />

werden. Die Prozessbetrachtung hilft, diese<br />

Tätigkeiten zu erkennen.<br />

Angesichts der Faszination rein technischer<br />

Innovationen ist es nicht einfach, dieser<br />

kombinierten Betrachtung der Problematik<br />

von drei Sichtweisen her zum Durchbruch zu<br />

verhelfen. Der Druck der Technikhersteller,<br />

welche selbst oder auf dem Umweg über große<br />

Beratungsfirmen die Politik im Sinne des


Kaufs ihrer technischen Lösungen zu beeinflussen<br />

suchen, ist groß. Sie können darauf<br />

verweisen, dass mit der Einführung ihrer Systeme<br />

noch weitere positive Wirkungen erzeugt<br />

werden können, z.B. solche wirtschafts-<br />

und arbeitspolitischer Art, und dass international<br />

andere Akteure mit der Einführung der<br />

Systeme schon weiter „fortgeschritten“ sind.<br />

Die Faszination technischer Neuerungen lässt<br />

die Notwendigkeit ihrer Einbettung in eine<br />

organisch gewachsene Handlungspraxis übersehen.<br />

Der Blick <strong>für</strong> das ingenieurmäßig<br />

Machbare wird getrübt.<br />

Dem will das Forschungsprojekt gegensteuern.<br />

Ergebnis der Kombination dieser<br />

drei Sichtweisen sollen robuste und handhabbare<br />

Verfahren sein, welche Akteuren in der<br />

Praxis dabei Hilfestellung bieten, neue innovative<br />

Systeme der Sicherheitsgewährleistung<br />

und des Bevölkerungsschutzes zu entwickeln.<br />

Ein solches Verfahren kann als Innovation<br />

Impact Assessment bezeichnet werden. So<br />

ähnlich wie die inzwischen akzeptierte Gesetzesfolgenabschätzung<br />

soll dieses Verfahren<br />

vor Einführung eines neuen Systems die<br />

mutmaßlichen Folgen klären und die Frage<br />

beantworten, ob die Einführung den erwarteten<br />

Nutzen bringt (vgl. Lenk 2004). Dies bedeutet<br />

mehr als bloße Technikfolgenabschätzung:<br />

es geht um vorausschauende Bewertung<br />

neuer sozio-technischer Arbeits- und Kommunikationszusammenhänge.<br />

Insgesamt geht es mithin darum, soziotechnische<br />

ganzheitliche Planung an die Stelle<br />

rein technischer Innovation treten zu lassen.<br />

Das Schicksal vieler primär von der technischen<br />

Seite her geplanten Großprojekte – genannt<br />

sei hier nur INPOL-neu – zeigt, wie<br />

sehr ein solcher Ansatz noch fehlt.<br />

Betrachtet man das Handlungsfeld von einem<br />

wünschenswerten Zielszenario „Sicher-<br />

Seite 9<br />

heit / Bevölkerungsschutz 2015“ her, so könnte<br />

man zu folgenden Annahmen gelangen:<br />

• unkontrollierte Techniknutzung, akute und<br />

schleichende Katastrophen haben zu einer<br />

Aufwertung des Handelns der öffentlichen<br />

Verwaltung geführt,<br />

• menschliches und technisches Handeln<br />

sind eng verwoben, ohne dass menschliche<br />

Verantwortung aufgegeben wird,<br />

• sozio-technische (ganzheitliche) Planung<br />

von Arbeit und Kommunikation ist an die<br />

Stelle rein technischer Innovation getreten.<br />

Zu erwarten ist – mit Horizont 2015 –<br />

nicht, dass die Bedrohungen und Schutznotwendigkeiten<br />

geringer werden. Wohl aber<br />

kann unsere Fähigkeit, diesen Bedrohungen<br />

zu begegnen, noch erheblich gesteigert werden.<br />

Ein Weg hierzu wird im Projekt des<br />

Hochschulkollegs E-Government der Alcatel<br />

SEL Stiftung gewiesen.<br />

Literaturnachweis<br />

Lenk 2004: Klaus Lenk, Next-Generation E-<br />

Government <strong>für</strong> die Innere Sicherheit: Chancen<br />

der multimedialen Mobilkommunikation<br />

<strong>für</strong> Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben,<br />

in: Next Generation E-Government<br />

<strong>für</strong> die Innere Sicherheit, Tagungsdokumentation,<br />

Hamburg, 10. August 2004, Alcatel<br />

SEL Stiftung <strong>für</strong> Kommunikationsforschung,<br />

Stuttgart 2004, S.13-34 (Stiftungsreihe,<br />

Bd. 62)<br />

Prof. em. Dr. Klaus Lenk war Lehrstuhlinhaber<br />

<strong>für</strong> Verwaltungswissenschaft an der Universität<br />

Oldenburg, Fellow der Alcatel SEL<br />

Stiftung am IZKT der Universität Stuttgart<br />

sowie Kollegiat des Hochschulkollegs E-Government<br />

der Alcatel SEL Stiftung.


Seite 10<br />

Informations- und Kommunikationsstrategien des<br />

Bundesamtes <strong>für</strong> Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

Christoph Unger<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

ich freue mich, dass ich heute auf dieser Veranstaltung,<br />

die sich im Rahmen des Generalthemas<br />

„Next Generation E-Government <strong>für</strong><br />

die Innere Sicherheit“ mit der <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />

beschäftigt, einige strategische Überlegungen<br />

des Bundesamtes <strong>für</strong> Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe (BBK) zur<br />

Ausgestaltung des IuK-Managements vorstellen<br />

darf. Ich möchte dabei bewusst anknüpfen<br />

an Ihre Veranstaltung im August des vergangenen<br />

Jahres, die sich mit den Erfahrungen,<br />

Praxisberichten und Visionen der Next Generation<br />

E-Government beschäftigte. Es gab<br />

damals ein Statement zur Frage während des<br />

Podiumsgespräches: Welche Anforderungen<br />

bestehen aus Sicht des Katastrophenschutzes<br />

an die IT und wie sieht die Informationstechnik<br />

im Jahr 2014 aus? Dieses Statement wurde<br />

zwischenzeitlich in der Ausgabe 4/2004<br />

des Bevölkerungschutz-Magazins wieder abgedruckt.<br />

Der Autor bemängelte, dass das Potenzial<br />

des E-Governments mit seinen Möglichkeiten<br />

der elektronischen Information und<br />

Kommunikation sowie vor allem auch der elektronischen<br />

Transaktion über das Internet<br />

heute zu wenig genutzt wird. Er sah aber<br />

schon mit der Entwicklung des Deutschen<br />

Notfallvorsorge-Informationssystems (deNIS)<br />

einen ersten positiven Ansatz auf der Stufe<br />

der elektronischen Information. Zu Recht<br />

verwies der Autor überdies auf die „Neue<br />

Strategie“, auf die sich der Bund und die Länder<br />

Mitte des Jahres 2002 geeinigt haben.<br />

Diese Strategie, die letztlich eine Neuordnung<br />

der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge und<br />

deren Integration in eine internationale Sicherheitsarchitektur<br />

vorsieht, hebt hervor,<br />

dass im Zivil- und Katastrophenschutz die ernormen<br />

Fortschritte von Wissenschaft, Forschung<br />

und Technik auch im Bereich der Information-<br />

und Kommunikationstechnik berücksichtigt<br />

werden sollen. Da diese „Neue<br />

Strategie“ Grundlage der Gestaltung einer<br />

neuen Sicherheitsarchitektur ist, die sich dem<br />

Leitmotiv der Vernetzung <strong>für</strong> den Prozess der<br />

Transformation des Bevölkerungsschutzes<br />

verschrieben hat, ist sie Ausgangspunkt <strong>für</strong><br />

die Orientierung im Bereich des IuK-<br />

Managements.<br />

Damit leite ich schon über zum ersten<br />

Punkt meiner Ausführungen, der sich mit der<br />

Frage beschäftigt, warum eine Neuorientierung<br />

bezüglich des Einsatzes von IuK-Technologie<br />

erforderlich ist. Ich werde bei der Beantwortung<br />

dieser Frage an die schlimmen<br />

Ereignisse der jüngsten Vergangenheit anknüpfen,<br />

die Auslöser <strong>für</strong> eine strategische<br />

Neuorientierung im Bevölkerungsschutz waren.<br />

Im weiteren Verlauf meines Vortrages<br />

werde ich dann auf die bisherigen Beiträge<br />

des BKK zur Ausgestaltung des IuK-<br />

Managements eingehen. Nach einer kurzen<br />

Beschreibung der Zielvorstellung <strong>für</strong> das IuK-<br />

Management werde ich zum Schluss auf die<br />

strategischen Überlegungen des BBK eingehen,<br />

soweit sie sich in den vergangenen Jahren<br />

schon herauskristallisiert haben. Dabei<br />

lasse ich mich von der Frage leiten, welche<br />

Möglichkeiten sich <strong>für</strong> die strategische Ausgestaltung<br />

des IuK-Managements bieten.


1. Warum ist eine Neuorientierung bzgl.<br />

des Einsatzes von IuK-Technologie erforderlich?<br />

Schon in den Grundsatzüberlegungen <strong>für</strong> eine<br />

neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung<br />

im Jahre 2002 wurden eine verbesserte Kooperation,<br />

Information und Kommunikation<br />

als Schlüsselkriterien <strong>für</strong> eine Optimierung<br />

des Gefahren-/Krisenmanagements sowohl<br />

bei klassischen Katastrophen als auch bei außergewöhnlichen<br />

Gefahren und Schadenlagen<br />

unterhalb der Katastrophenschwelle hervorgehoben.<br />

Der Hintergrund <strong>für</strong> diese Forderung war<br />

• die analytische Betrachtung des deutschen<br />

Zivil- und Katastrophenschutzsystems im<br />

Lichte der Ereignisse des 11. September<br />

2001, die Lücken bei der Vernetzung der<br />

Akteure erkennen ließ.<br />

• die praktischen Erfahrungen im Rahmen<br />

der Bewältigung der Sommer-Hochwasser<br />

2002 an Donau und Elbe. In allen Erfahrungsberichten<br />

wurden Defizite festgestellt,<br />

vor allen in den Bereichen<br />

o Führung,<br />

o Ressourcenmanagement,<br />

o IuK.<br />

• Herausforderungen durch neue Bedrohungen.<br />

Vor allem komplexe Gefahrenlagen,<br />

die durch Bio- oder Strahlengefährdung<br />

sowie durch terroristische, extremistische<br />

oder kriminelle Anschläge/Sabotage entstehen,<br />

bedingen eine lange vor den Ereignissen<br />

aufgebaute Kommunikations- und<br />

Informationsstruktur zwischen den beteiligten<br />

Behörden und eine sensible Kommunikation<br />

mit den Medien und der Bevölkerung.<br />

Deshalb wird es bei der Entwicklung moderner<br />

IuK-Systeme darum gehen, die in der<br />

Vergangenheit diagnostizierten Mängel der<br />

IuK-Infrastruktur einsatzbezogener Führungsorganisation<br />

zu beseitigen:<br />

Seite 11<br />

• fehlende Durchgängigkeit des Informationsflusses,<br />

• fehlendes organisationsübergreifendes<br />

Meldewesen,<br />

• Unkenntnis über Lage- und Lageentwicklung,<br />

• mangelnde Koordination zwischen den<br />

Organisationen,<br />

• fehlende Kenntnis über Personal und Material.<br />

Vor diesem Hintergrund sind die Ziele, die<br />

man in Zukunft mit modernster Technologie<br />

erreichen möchte, zunächst relativ einfach zu<br />

beschreiben:<br />

• zentrale Einsatzplanung und -leitung, wobei<br />

die Führungsebene zu beachten ist;<br />

• grafische Lagedarstellung und dynamisches<br />

Update der Lagen;<br />

• Datenaustausch zwischen den beteiligten<br />

Organisationen;<br />

• Anbindung existierender Systeme zur Informationsversorgung<br />

(z.B. Datenbanken);<br />

• Zugriff auf logistische Information.<br />

Mit dem Aufbau entsprechender organisatorischer<br />

Strukturen und mit der Entwicklung<br />

und dem Einsatz moderner Kommunikationstechnologien<br />

hat man zwischenzeitlich begonnen.<br />

In diesem Zusammenhang nenne ich<br />

aus meinem Verantwortungsbereich z.B. das<br />

„Gemeinsame Lage- und Meldezentrum“ des<br />

Bundes und der Länder in Verbindung mit<br />

dem Deutschen Notfallvorsorge-Informationssystem<br />

deNIS II und die Einführung des<br />

satellitengestützten Warnsystems SatWas.<br />

In den kommenden Jahren müssen die weiteren<br />

organisatorischen, technischen, rechtlichen<br />

und finanziellen Voraussetzungen <strong>für</strong><br />

den Ausbau der horizontalen und vertikalen<br />

IuK-Vernetzung aller Teilsysteme des integrierten<br />

Hilfeleistungssystems geschaffen werden.


Seite 12<br />

2. Wie sieht der derzeitige Stand des IuK-<br />

Konzeptes des BBK aus?<br />

Das BBK fördert derzeit im Rahmen seiner<br />

zentralen Zuständigkeit im Netzwerk der Sicherheit<br />

die Entwicklung der Next Generation<br />

E-Government <strong>für</strong> die Innere Sicherheit. Die<br />

Mitwirkung an der Gestaltung eines umfassenden<br />

Krisenmanagement-Systems hat zum<br />

Ziel, die Leistungsfähigkeit des vernetzten<br />

Krisenmanagements bzgl. der Kooperation<br />

und Interoperabilität zwischen Personen, Behörden<br />

und Organisationen zu erhöhen.<br />

Ich möchte an dieser Stelle auf zwei Beiträge<br />

des BBK <strong>für</strong> die Next Generation E-<br />

Government im Bereich der Inneren Sicherheit<br />

eingehen, auf das satellitengestützte<br />

Warnsystem SatWas und auf das Deutsche<br />

Notfallvorsorge-Informationssystem deNIS II.<br />

Beide Systeme befinden sich nach unserem<br />

Verständnis - obwohl bereits operativ eingesetzt<br />

- in der Frühphase ihrer Leistungsentwicklung<br />

und können sich als mächtige Instrumente<br />

des E-Governments positionieren.<br />

Das Satellitengestützte Warnsystem<br />

(SatWaS)<br />

Innerhalb des neuen Warnsystems bildet die<br />

Warnung über den Rundfunk die Möglichkeit,<br />

nicht nur Gefahren anzukündigen, sondern<br />

auch Verhaltensregeln an die Bevölkerung<br />

weiterzugeben.<br />

Da eine Warnung vor Angriffen mit Flugzeugen<br />

oder Raketen zeitkritisch ist, wurden<br />

im Rahmen der Zivilschutz-Überlegungen zu<br />

einem neuen Warnsystem Kommunikationsmittel<br />

gesucht, die in der Lage sind, Warndurchsagen<br />

an den Rundfunk möglichst<br />

schnell zu übermitteln. Hierbei fiel die Entscheidung<br />

auf ein satellitengestütztes Kommunikationssystem,<br />

das im Bereich der kommerziellen<br />

Übertragung von Agenturmeldun-<br />

gen an alle bekannten Rundfunkanstalten und<br />

andere Medien seit Jahren täglich im Einsatz<br />

ist.<br />

Da die einzelnen Meldungen in diesem<br />

kommerziellen System zeitgleich bundesweit<br />

über einen Satelliten versandt werden, ergeben<br />

sich Übertragungszeiten praktisch in<br />

Echtzeit. Darüber hinaus bietet das System<br />

die Möglichkeit, Meldungen mit hoher Priorität<br />

zu versenden.<br />

Es wurde im Jahr 2001 bereits begonnen,<br />

die Zivilschutzverbindungsstellen sowie die<br />

Warnzentrale in Bonn mit entsprechenden<br />

Übertragungs-/Empfangssystemen auszustatten.<br />

Darüber hinaus wurden das Lagezentrum<br />

im BMI sowie die Lagezentren der Innenministerien<br />

der Länder mit Empfangssystemen<br />

ausgestattet, damit sie über veranlasste<br />

Warnmaßnahmen sofort unterrichtet werden.<br />

Bei den Rundfunkanstalten und den privaten<br />

Rundfunkbetreibern wurden SatWaS-<br />

Empfangsschnittstellen eingerichtet. Da die<br />

Satellitenempfangsgeräte bei den Medien bereits<br />

überwiegend vorhanden waren, konnten<br />

hier erhebliche Investitionskosten eingespart<br />

werden.<br />

Die Warndurchsagen der Zivilschutzverbindungsstellen<br />

oder der Warnzentrale in<br />

Bonn werden mit höchster Priorität an den<br />

Rundfunk übertragen. Die Warndurchsage beinhaltet<br />

die Aufforderung an den Redakteur,<br />

die laufende Sendung zu unterbrechen und<br />

den Text der Warndurchsage sofort über den<br />

Sender weiterzugeben.<br />

Die erste Aufbauphase wurde im Oktober<br />

2001 abgeschlossen. In einer weiteren Ausbauphase<br />

wurden bis Ende 2002 die Lagezentren<br />

der Innenministerien der Länder auch<br />

mit Sendesystemen ausgestattet, damit sie ebenfalls<br />

in der Lage sind, schnell und zeitgleich<br />

amtliche Gefahrendurchsagen <strong>für</strong> ihre<br />

Landesbereiche an den Rundfunk weiterzugeben.


Darüber hinaus wurden ab 2002 nach erfolgtem<br />

Anschluss der öffentlich/rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten auch die privaten Rundfunkanbieter<br />

in dieses Warnsystem einbezogen.<br />

Heute sind alle wesentlichen privaten<br />

Rundfunkbetreiber an das SatWaS angeschlossen,<br />

ebenso wurden große Presseagenturen<br />

an das System angeschlossen, die dann<br />

wiederum die Amtlichen Gefahrendurchsagen<br />

an Ihre Medien- und Pressekunden weiterleiten.<br />

deNIS II<br />

Ziel dieses Informationssystems ist es, ein<br />

Netzwerk im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />

aufzubauen, um das Krisenmanagement<br />

bei außergewöhnlichen Gefahren-<br />

und Schadenslagen zu unterstützen. deNIS II<br />

richtet sich an die obere und oberste Verwaltungsebene<br />

des Bundes und der Länder. Es<br />

dient der Beurteilung der Lage und der Feststellung,<br />

welche Maßnahmen zum Schutz der<br />

Bevölkerung eingeleitet werden müssen und<br />

ob weitere Ressourcen aus benachbarten<br />

Bundesländern, vom Bund oder aus dem Ausland<br />

anzufordern sind. Dazu werden Daten<br />

von Bundesressorts, Ländern, Instituten und<br />

internationalen Institutionen zentral zusammengefasst,<br />

aufbereitet und berechtigten Bedarfsträgern<br />

bei einer großflächigen Gefahrenlage<br />

zur Verfügung gestellt. Die Daten von<br />

deNIS II werden auf einer interaktiven Lagekarte<br />

dargestellt. Das Schadensereignis, die<br />

Hilfeleistungspotenziale sowie die Standorte<br />

risikobehafteter Anlagen können als Layer<br />

aufgerufen und als Symbole vor einem kartographischen<br />

Hintergrund georeferenziert dargestellt<br />

werden. Darüber hinaus werden auch<br />

textbasierte Informationen (Hintergrundinformationen<br />

wie z.B. Richtlinien, Merkblätter,<br />

Gefahrstoffdatenbanken usw.) in deNIS II<br />

angeboten. Durch einen Anschluss des Deut-<br />

Seite 13<br />

schen Wetterdienstes können aktuelle Wetterberichte,<br />

Vorhersagen aber auch Unwetterwarnungen<br />

in deNIS II abgerufen werden.<br />

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit,<br />

Satellitenbilder oder Luftbilder in das Lagebild<br />

zu integrieren. Geplant ist ein Anschluss<br />

des Deutschen Fernerkundungs-Datenzentrums<br />

des Deutschen Zentrums <strong>für</strong> Luft- und<br />

Raumfahrt (DLR), das in einer Krisensituation<br />

aktuelle Satellitenbilder zur Verfügung<br />

stellen kann.<br />

3. Welche Forderungen werden an ein<br />

zukünftiges IuK-Management gestellt?<br />

Information und Kommunikation sind die<br />

wichtigsten Grundlagen und Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> jegliches gezielt erfolgreiche Handeln.<br />

Dies gilt umso mehr, weil heute aufgrund<br />

veränderter Bedrohungserwartungen neue Anforderung<br />

an die Einsatz- und Krisenbewältigung<br />

und damit auch an das Informations-<br />

und Kommunikationsmanagement gestellt<br />

werden.<br />

Dazu zählen:<br />

• schnelles Erkennen verteilt auftretender<br />

Bedrohungen und deren Zusammenführung;<br />

• zeitkritische Abstimmung von Sicherheitsbehörden<br />

(z.B. bei Bedrohung durch ein<br />

Flugzeug);<br />

• schneller und sicherer Informationsaustausch<br />

zwischen den an einem Einsatz beteiligten<br />

Organisationen;<br />

• bundes- und europaweite Informationszusammenführung<br />

(z.B. bei Auftreten von<br />

Krankheitssymptomen, frühzeitige Erkennung<br />

von B/C–Terroranschlägen);<br />

• koordinierter Einsatz von Landes- und<br />

Bundesressourcen (z.B. Bewältigung von<br />

Naturkatastrophen oder Anschlägen);<br />

• gemeinsamer Einsatz ziviler Organisationen<br />

zusammen mit der Bundeswehr (Zu-


Seite 14<br />

sammenwirken von innerer und äußerer<br />

Sicherheit);<br />

• Schutz kritischer Infrastrukturen vor Information<br />

Warfare Attacken als neue Aufgabenstellung.<br />

Schaut man sich im Überblick die Vielzahl<br />

der beteiligten Akteure und Bereiche an, die<br />

auf den verschiedenen Ebenen des Krisenmanagement<br />

(lokal, regional, national, europäisch)<br />

miteinander vernetzt sein müssen, bekommt<br />

man eine ungefähre Vorstellung von<br />

der Komplexität und der Infrastruktur des<br />

Netzwerkes, die es auch unter dem Aspekt der<br />

IT- und Abhörsicherheit technisch in den<br />

Griff zu kriegen gilt.<br />

4. Welche Möglichkeiten <strong>für</strong> die strategische<br />

Ausgestaltung eines Informations-<br />

und Kommunikationsmanagements bieten<br />

sich unter Berücksichtigung der<br />

vorhandenen Optimierungszwänge?<br />

Da die Ausgestaltung eines Systems der vernetzten<br />

Sicherheit Teil des an der „Neuen<br />

Strategie“ orientierten Transformationsprozesses<br />

des Bevölkerungsschutzes ist, bedarf<br />

der Bereich IuK-Technologie ebenfalls der<br />

strategischen Ausrichtung, um Insellösungen<br />

und damit spätere Probleme z.B. der Kompatibilität<br />

und der Koordination zu vermeiden.<br />

Ich möchte zunächst an dieser Stelle einen<br />

Blick werfen auf IuK-Entwicklungen im militärischen<br />

Bereich. Hier hat man der Notwendigkeit<br />

einer Weiterentwicklung des Einsatzes<br />

von IuK-Technologie zum Zweck der Vernetzung<br />

der Akteure mit dem Konzept der „Vernetzten<br />

Operationsführung“ in Anlehnung an<br />

den „Network Centric Warfare“ – Ansatz der<br />

Amerikaner Rechnung getragen.<br />

Vernetzte Operationsführung bedeutet<br />

Führung und Einsatz von Streitkräften auf der<br />

Grundlage eines streitkräftegemeinsamen,<br />

führungsebenenübergreifenden und interoperablen<br />

Informations- und Kommunikationsverbund,<br />

der alle beteiligten Personen, Stellen,<br />

Truppenteile und Einrichtungen sowie<br />

Sensoren und Effektoren miteinander verbindet.<br />

Network-Centric Warfare ist ein auf Informationsüberlegenheit<br />

basierendes Grobkonzept,<br />

das durch den Verbund von Sensoren,<br />

Entscheidungsträgern und Effektoren (im<br />

zivilen Bereich wären dies Einsatzsysteme)<br />

mittels gemeinsamer Lagedarstellung und gesteigerter<br />

Geschwindigkeit der Führungsprozesses<br />

die Wirksamkeit im Einsatz verbessern<br />

soll.<br />

Es deutet alles darauf hin, dass dieser Ansatz<br />

- auf zivile Belange modifiziert - auch in<br />

den Bevölkerungsschutz Einzug halten wird.<br />

Diese Vermutung liegt deshalb nahe, weil die<br />

Forschungsnehmer europäischer Forschungsprojekte<br />

zur Weiterentwicklung von Krisenmanagement-Systemen<br />

zumindest teilweise<br />

eine starke Affinität zum militärischen Bereich<br />

haben und ihre Erfahrung in der Entwicklung<br />

militärischer IuK-Produkte jetzt <strong>für</strong><br />

die zivile Seite nutzen möchten.<br />

Es gibt noch einen weiteren Grund <strong>für</strong> die<br />

Orientierung am NCW-Ansatz: Im Bevölkerungsschutz<br />

gibt es eine ähnliche Problematik<br />

des Informationsmanagements wie im militärischen<br />

Bereich. Auch hier ist die Qualität der<br />

Vernetzung der Entscheidungs- und Handlungsträger<br />

abhängig von der bedarfsgerechten,<br />

schnellen Verfügbarkeit der auf der jeweiligen<br />

Führungsebene benötigten Information<br />

z.B. als Voraussetzung <strong>für</strong> ein umfassendes<br />

und angemessenes Lagebild. Durch die<br />

rasche Entwicklung der Computer- und Internettechnologie<br />

wie auch der Kommunikationstechnologie<br />

ist nun eine schneller und zuverlässiger<br />

Daten- und Informationsaustausch<br />

Wirklichkeit geworden. Dies ermöglicht, die<br />

auch strategisch gewollte und taktischoperativ<br />

zwingend erforderliche Vernetzung<br />

der Akteure im Bevölkerungsschutz vor dem


Hintergrund neuer Herausforderungen technisch<br />

zu realisieren. Dazu bedarf es eines Gesamtansatzes,<br />

der Insellösungen vermeiden<br />

hilft. Orientierungshilfe kann dabei der NCW-<br />

Ansatz insofern leisten, weil er als bisher einziges<br />

Grobkonzept eine einsatzbezogene Philosophie<br />

<strong>für</strong> eine technische Vernetzung liefert.<br />

Alle bisher entwickelten technischen Lösungen<br />

lassen sich vor diesem Hintergrund als<br />

Teilrealisationen eines umfassenden Informations-<br />

und Kommunikationssystems begreifen,<br />

das es unter der Maßgabe der Einsatznotwendigkeiten<br />

und unter Berücksichtigung<br />

technologischer Modernisierung aufzubauen<br />

gilt. Die Bemühungen um die Einführung des<br />

Digitalfunks im Bereich BOS gehören zu diesen<br />

Innovationsbestrebungen. Sie zeigen aber<br />

auch die finanziellen Dimensionen des gesamten<br />

Unternehmens auf.<br />

Lassen Sie mich an dieser Stelle auf eine<br />

weitere strategische Leitlinie des BBK zu<br />

sprechen kommen. Es ist so, dass an einer<br />

solchen Gesamtkonzeption wie eben beschrieben<br />

schon gearbeitet wird. Im Rahmen<br />

europäischer Forschungsprojekte sollen die<br />

Grundlagen <strong>für</strong> ein umfassendes Krisenmanagementsystem<br />

geschaffen werden, das den<br />

Führungsprozess in allen Phasen und auf allen<br />

Führungsebenen sowie in nationalen und internationalen<br />

Kooperationen unterstützen soll.<br />

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden in ganz<br />

Europa schon Recherchen durchgeführt, die<br />

den aktuellen State-of-the-Art im Bereich<br />

IuK-Technologie, soweit er im Bereich des<br />

Bevölkerungsschutzes Eingang gefunden hat,<br />

ermitteln sollen. Leider ist es so, dass die Forschungsnehmer<br />

von IuK-Projekten nur bedingt<br />

voneinander Kenntnis haben. Das liegt<br />

vor allem daran, dass kommerziell ausgerichtete<br />

Projektnehmer z. B. von EU-Projekten<br />

Seite 15<br />

natürlich daran interessiert sind, den Zuschlag<br />

<strong>für</strong> die Durchführung eines Projektes zu erhalten.<br />

Dies erfordert eine gewisse Zurückhaltung<br />

in der Informationspolitik im Bewerbungsverfahren<br />

und auch eine Abgrenzung zu<br />

anderen Bewerbern.<br />

Zwischenzeitlich gibt es aber so viele Projekte,<br />

die ähnliche oder sich ergänzende Aufgabenstellungen<br />

haben, dass ein intensiverer<br />

Austausch der Entwickler und Anwender im<br />

Rahmen der schon laufenden Forschungs- und<br />

Entwicklungstätigkeit als bisher erforderlich<br />

ist. Es muss verhindert werden, dass Forschungsgelder<br />

<strong>für</strong> Doppelentwicklungen ausgegeben<br />

werden. Das BBK bemüht sich daher<br />

auch, den direkten Kontakt aller an der Entwicklung<br />

Beteiligten zu fördern.<br />

Zum Abschluss meine Rede möchte ich<br />

noch kurz auf einen strategischen Aspekt eingehen,<br />

der sich direkt aus der Neuen Strategie<br />

ergibt. Bund und Länder haben sich bei der<br />

Festlegung auf die neue Strategie darauf geeinigt,<br />

partnerschaftlich bei der Einführung<br />

neuer Koordinierungsinstrumente und insbesondere<br />

im Bereich des Informations- und<br />

Kommunikationsmanagement zusammen zu<br />

wirken. In die Entwicklung der Produkte<br />

müssen daher die Bedürfnisse des Bundes und<br />

der Länder gleichermaßen einfließen, wenn<br />

die Entwicklung in Richtung Vernetzung erfolgreich<br />

sein soll. Gemeinsam die Entwicklung<br />

im IuK- Bereich vorantreiben – das muss<br />

die Losung sein <strong>für</strong> die Zusammenarbeit zwischen<br />

Bund und Ländern.<br />

Ich danke Ihnen <strong>für</strong> Ihre Aufmerksamkeit.<br />

Christoph Unger ist Präsident des Bundesamts<br />

<strong>für</strong> Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

(BBK), Bonn.


Seite 16<br />

Zusammenfassung<br />

Wenn es im ÖPNV durch externe oder interne<br />

Faktoren (z. B. Unfall oder Fahrzeugdefekt)<br />

zu Störungen kommt, muss möglichst schnell<br />

reagiert werden. Dies ist die Aufgabe der<br />

Disponenten in der Leitzentrale des Verkehrsbetriebs.<br />

Dabei stehen die Unterstützung<br />

<strong>für</strong> den Fahrer am Störungsort (z. B. Verständigung<br />

von Polizei, Notarzt oder Werkstatt)<br />

sowie die dispositiven Entscheidungen im<br />

Netz im Vordergrund, um den ÖPNV-Betrieb<br />

weiterhin möglichst störungsfrei aufrecht zu<br />

halten. Gerade in den ersten Minuten nach<br />

Eintreffen der Störungsmeldung muss der<br />

Disponent daher rasch sehr viele Entscheidungen<br />

treffen und diese selektiv an die Beteiligten<br />

weiterleiten.<br />

Dabei steht nach dem Treffen der Entscheidung<br />

die Kommunikation im Vordergrund.<br />

Ein großer Teil der Informationsweitergabe<br />

erfolgt zur Zeit über Sprechfunk und<br />

Telefon, andere Informationen werden in externe<br />

Systeme eingegeben und von diesen<br />

weitergegeben (zum Beispiel zu Anzeigemedien<br />

<strong>für</strong> die Fahrgastinformation an Haltestellen).<br />

Diese zeitraubenden Tätigkeiten können<br />

deutlich vereinfacht werden, wenn dem<br />

Disponenten geeignete elektronische Hilfssysteme<br />

zur Seite gestellt werden.<br />

Die Leitzentralen der Verkehrsbetriebe haben<br />

sich daher in den letzten Jahrzehnten zu<br />

rechnergestützten Betriebsleitzentralen (RBL)<br />

weiterentwickelt. Das Institut <strong>für</strong> Eisenbahn-<br />

und Verkehrswesen der Universität Stuttgart<br />

(IEV) entwickelt mit Partnern im Rahmen eines<br />

Forschungsprojekts Erweiterungen und<br />

neue Dienste <strong>für</strong> diese RBLs. Durch die Integration<br />

von Geodaten in eine RBL und die<br />

Notfallmanagement am Beispiel des<br />

routenflexiblen Störfallmanagements im ÖV<br />

Stefan Tritschler<br />

satellitengestützte Ortung der ÖPNV-<br />

Fahrzeuge kann z. B. der Disponent die Fahrzeuge<br />

jederzeit auf einer digitalen Karte am<br />

Bildschirm verfolgen. Auch das Störfallmanagement<br />

wurde deutlich verbessert, so kann<br />

der Disponent auf der Karte einen Straßenabschnitt<br />

als gesperrt markieren und nach einer<br />

Auswahl vorgeschlagener Umleitungsrouten<br />

läuft die Kommunikation mit den Fahrzeugen<br />

sowie die Information der Fahrgäste ohne<br />

weiteres Zutun des Disponenten ab, der dadurch<br />

in der Notfallsituation Zeit <strong>für</strong> weitere<br />

wichtige Arbeiten gewinnt.<br />

Die Erkenntnisse des Projekts sind eingebettet<br />

in weitere ähnliche Forschungen des<br />

IEV. So wird auch <strong>für</strong> den schienengebundenen<br />

Verkehr an einer automatischen Dispositionsunterstützung<br />

gearbeitet, die die Fahrdienstleiter<br />

in ähnlicher Weise wie die Disponenten<br />

entlasten soll. Für das komplexe<br />

System Bahn müssen dabei aber wesentlich<br />

mehr Randbedingungen beachtet werden.<br />

Dennoch konnten auch in diesem Bereich erste<br />

Software-Lösungen als Prototyp realisiert<br />

werden. Sowohl das routenflexible Störfallmanagement<br />

<strong>für</strong> den ÖPNV als auch eine automatisierte<br />

Dispositionsunterstützung im<br />

Schienenverkehr lassen sich in ein Gesamtkonzept<br />

eines umfassenden und übergreifenden<br />

Notfallmanagements im öffentlichen<br />

Verkehr integrieren.<br />

Betrieb im ÖPNV<br />

Um einen pünktlichen und zuverlässigen Betrieb<br />

im öffentlichen Personennahverkehr<br />

(ÖPNV) zu ermöglichen, ist <strong>für</strong> die Verkehrsunternehmen<br />

die Kenntnis über die aktuelle


Betriebslage notwendig. Um dies zu erreichen,<br />

ist es notwendig zu wissen, wo sich<br />

zurzeit die eigenen Fahrzeuge befinden. Zusammen<br />

mit der Zeitinformation ist dann ein<br />

Vergleich mit dem geplanten Standort laut<br />

Fahrplan möglich. Durch diesen Vergleich<br />

können Abweichungen wie Verspätungen ermittelt<br />

und Gegenmaßnahmen ergriffen werden.<br />

Für diese Aufgaben bietet sich eine EDV-<br />

Unterstützung an. Daher wurden in den letzten<br />

Jahrzehnten rechnergestützte bzw. rechnergesteuerte<br />

Betriebsleitsysteme (RBL) entwickelt,<br />

welche in den Leitzentralen der Verkehrsunternehmen<br />

im Einsatz sind. Die dort<br />

zur Überwachung und Steuerung der Betriebslage<br />

eingesetzten Disponenten werden<br />

in ihrer Arbeit durch ein RBL unterstützt.<br />

Die technische Entwicklung machte immer<br />

weitere Einsatzmöglichkeiten der RBL möglich.<br />

Hinzugekommen sind z. B. Aufgaben<br />

wie Anschlusssicherung, Daten- und Flottenmanagement,<br />

Dynamische Fahrgastinformation<br />

oder Beschleunigung von ÖPNV-<br />

Fahrzeugen durch Lichtsignalbeeinflussung.<br />

Möglich wurden diese Weiterentwicklungen<br />

vor allem durch immer leistungsfähigere<br />

Kommunikationstechnik. Vom Festnetz-<br />

Telefon über Sprechfunk bis zum Datenfunk<br />

reichen die bisher eingesetzten Kommunikationsmittel.<br />

Mit der besseren Verfügbarkeit<br />

und der steigenden Bandbreite des digitalen<br />

Datenfunks sind zukünftig weitere Funktionalitäten<br />

der RBL zu erwarten.<br />

Störfallmanagement im ÖPNV<br />

Der Betrieb im öffentlichen Verkehr (ÖV)<br />

läuft trotz aller Bemühungen der beteiligten<br />

Verkehrsunternehmen leider nicht immer störungsfrei<br />

ab. Dies gilt sowohl <strong>für</strong> den schienengebundenen<br />

als auch <strong>für</strong> den straßengebundenen<br />

ÖV. Am Institut <strong>für</strong> Eisenbahn- und<br />

Seite 17<br />

Verkehrswesen (IEV) der Universität Stuttgart<br />

wird <strong>für</strong> beide Teilbereiche des ÖVs an<br />

Verfahren gearbeitet, die eine automatisierte<br />

und damit schnellere Reaktion auf solche Störungen<br />

ermöglichen. Dieser Beitrag beschränkt<br />

sich auf die Forschungsergebnisse<br />

des IEV im straßengebundenen ÖPNV.<br />

Bei Störungen im ÖPNV-Betrieb wird die<br />

Leitzentrale des Verkehrsunternehmens informiert;<br />

diese entscheidet, ob Maßnahmen<br />

einzuleiten sind. Solche Störfalle können externe<br />

oder interne Faktoren haben und ergeben<br />

sich aus:<br />

• zeitlichen Verzögerungen aufgrund erhöhten<br />

Verkehrsaufkommens (Staus),<br />

• Problemen durch nicht passierbare Straßen<br />

aufgrund von Unfällen, Bauarbeiten,<br />

Veranstaltungen, Witterungsproblemen<br />

usw.<br />

• Schwierigkeiten durch technische Probleme,<br />

z. B. bei Unfällen oder Ausfall des<br />

ÖPNV-Fahrzeugs,<br />

• Personalengpässen durch erkrankte oder<br />

verspätete Fahrer, die deswegen nicht ihren<br />

geplanten Dienst antreten können.<br />

Obwohl alle Störfälle den Verkehrsunternehmen<br />

Probleme bereiten, sind im Hinblick<br />

auf die Betriebsqualität des ÖPNV Störfälle<br />

mit kundenrelevanten Auswirkungen von besonderem<br />

Interesse. Hierzu zählen vor allem<br />

Sperrungen von Straßen in Folge von Unfällen<br />

oder anderen Behinderungen sowie der<br />

vollständige oder zeitweise Ausfall von Fahrzeugen<br />

im Linienbetrieb. Eine Kundenrelevanz<br />

kann insbesondere bei der Umleitung<br />

von Linien, bei größeren Verspätungen oder<br />

dem Ausfall ganzer Kurse angenommen werden.<br />

Kommt es zu Störungen, muss der zuständige<br />

Disponent in der Leitzentrale möglichst<br />

schnell adäquate Maßnahmen anordnen. Neben<br />

der Verständigung von externen Diensten<br />

(z. B. Polizei, Notarzt, Krankenwagen, Feu-


Seite 18<br />

Datenmanagement<br />

Lichtsignal -<br />

Beeinflussung<br />

Funktionen einer modernen RBL<br />

Flotten - und Fahrzeugmanagement<br />

Betriebsleitzentrale<br />

erwehr, Verkehrsmeister, Werkstatt ...) muss<br />

der Disponent möglichst schnell mit der betrieblichen<br />

Disposition im Netz, die als Folge<br />

der lokalen Störung notwendig wird, beginnen:<br />

• Schnelle Reduzierung der Ausbreitung<br />

von Störungen durch betriebliche Isolation<br />

des gestörten Abschnitts<br />

• Umleiten von Fahrzeugen und Linien<br />

• Betriebliche Ersatzangebote (Folgekurse,<br />

Umsteigelinien, Einsatzwagen, Schienenersatzverkehr<br />

...)<br />

• Schnelle Information über Störung und<br />

Ersatzangebote (Art und Dauer der Störung,<br />

Empfehlungen an Fahrgäste ...)<br />

Fahrzeugortung<br />

(Ordometer, GPS<br />

oder Baken)<br />

Die Disponenten in der Leitzentrale werden<br />

heute durch ein RBL zwar im Regelbetrieb<br />

gut unterstützt, im Bereich des Störfallmanagements<br />

existiert allerdings noch keine<br />

optimale Unterstützung.<br />

Entwicklung der GeoRBL<br />

Individuelle<br />

Auskunft<br />

(Handy &<br />

Internet)<br />

Kommunikation<br />

(Sprache<br />

& Daten )<br />

Dynamische<br />

Fahrgast -<br />

Information<br />

(Haltestellen<br />

& Fahrzeuge )<br />

Um den Disponenten auch bei den beschriebenen<br />

Störfallsituationen besser zu unterstützen<br />

und zu entlasten, wurde am IEV in den<br />

letzten Jahren im Rahmen des Forschungsprojektes<br />

„RUDY“ des Bundesministeriums <strong>für</strong><br />

Bildung und Forschung zusammen mit weiteren<br />

Projektpartnern an der Realisierung eines


EDV-gestützten routenflexiblen Störfallmanagements<br />

im ÖPNV gearbeitet. Damit <strong>für</strong><br />

die Forschung nicht der reale Betriebsablauf<br />

in der Projektstadt Ulm gestört wurde, entstand<br />

am IEV eine eigenständige Forschungs-<br />

RBL-Zentrale. Wegen der integrierten geographischen<br />

Informationen (Verzicht auf ortsfeste<br />

Ortungseinrichtungen durch eine kartenbasierte<br />

Ortung der Fahrzeuge sowie einem<br />

integrierten Navigations- und Fahrerleitsystem)<br />

wird diese RBL als „GeoRBL“ bezeichnet.<br />

Für die Integration neuer innovativer<br />

Dienste in die GeoRBL waren zwei wichtige<br />

Voraussetzungen zu erfüllen:<br />

• Durch eine georeferenzierte Eigenortung<br />

ermittelt der Bordrechner mit einem hohen<br />

Genauigkeitsgrad (±5m) den aktuellen<br />

Standort des Fahrzeugs.<br />

Oberfläche der GeoRBL<br />

Seite 19<br />

• Durch die permanente Kommunikation<br />

zwischen Bordrechner und RBL über<br />

GPRS (auch andere Kommunikationsverfahren<br />

sind möglich) ist auch die Leitzentrale<br />

immer über die exakte Fahrzeugposition<br />

informiert.<br />

Mit diesen Grundlagen konnten neue<br />

Dienste in die GeoRBL integriert werden:<br />

• Bei einem Störfall ermittelt die GeoRBL<br />

selbstständig die betroffenen Fahrzeuge<br />

und teilt dies in der Reihenfolge der<br />

Dringlichkeit dem Disponenten mit.<br />

• Mittels eines kartenbasierten Dispositionssystems<br />

kann der Disponent schnell<br />

eine neue Route <strong>für</strong> das Fahrzeuge durch<br />

einfaches "Klicken" auf der Karte erstellen.


Seite 20<br />

• Der Disponent erhält eine Dispositionsunterstützung,<br />

da die GeoRBL geeignete<br />

Umleitungen <strong>für</strong> die betroffenen Busse<br />

vorschlägt.<br />

• Die geänderten Kurse werden automatisch<br />

an die Fahrzeuge übermittelt und den Fahrern<br />

auf dem Navigationssystem angezeigt.<br />

Eine manuelle Fahrer-Information<br />

über Sprechfunk ist dann nicht mehr notwendig.<br />

• Die GeoRBL stellt selbständig Informationen<br />

<strong>für</strong> die dynamische Fahrgastinformation<br />

zur Verfügung, ein manuelles<br />

Eingeben in externe DFI-Software entfällt<br />

dadurch.<br />

• Die umgeleiteten Fahrzeuge fallen durch<br />

die georeferenzierte Ortung auch auf sonst<br />

nicht befahrenen Umfahrungsrouten nicht<br />

aus der Ortung und können vom Disponenten<br />

weiterhin auf der Geo-Oberfläche<br />

überwacht werden.<br />

• Die GeoRBL protokolliert und archiviert<br />

selbständig alle Maßnahmen des Stör-<br />

Geo-Oberfläche der GeoRBL<br />

fallmanagements, damit entfällt <strong>für</strong> den<br />

Disponenten die Notwendigkeit, einen separaten<br />

Störfallreport zu erstellen.<br />

• Durch die Erweiterungen eignet sich die<br />

GeoRBL auch zur Abwicklung routenflexibler<br />

Rufbus-Verkehre. Die neuen Kommunikationswege<br />

ermöglichen nun auch<br />

im ländlichen Raum Angebote, die bisher<br />

städtischen Bereichen vorbehalten waren.<br />

Störfallmanagement mit der GeoRBL<br />

Der Disponent kann mit Hilfe der GeoRBL<br />

im Fall von Störungen effizienter als bisher<br />

arbeiten und sich auf seine Kernaufgabe – das<br />

Treffen von Entscheidungen – konzentrieren.<br />

Der Ablauf des Störfallmanagements stellt<br />

sich folgendermaßen dar:


Störfalleingabe und -editierung<br />

Die Meldung über einen Störfall geht von außen<br />

in der Leitzentrale ein, sei es von einem<br />

betroffenen Busfahrer oder von einer externen<br />

Behörde oder Organisation mit Sicherheitsaufgaben.<br />

Der Disponent gibt den Störfall auf<br />

der Geo-Oberfläche ein, anschließend identifiziert<br />

die GeoRBL automatisch alle betroffenen<br />

Linien sowie die im Zulauf auf die Störung<br />

betroffenen Fahrzeuge und sendet an das<br />

Bordgerät dieser Busse eine kurze „Vorwarnung“<br />

bezüglich des Störfalls.<br />

Dispositionsvorbereitung<br />

Umleitungsvorschlag (dunkle dicke Linie) <strong>für</strong> einen Kursverlauf (dünnere Linie)<br />

Seite 21<br />

Die GeoRBL ermittelt automatisch die zu<br />

disponierenden Fahrzeuge und gibt diese sequentiell<br />

an den Disponenten zur Bearbeitung<br />

weiter. Der Kurs mit dem kürzesten zeitlichen<br />

Abstand zur Störstelle erhält dabei die höchste<br />

Priorität. Die GeoRBL sucht nach zu diesem<br />

Kurs und diesem Störfall passenden Umleitungsvorschlägen,<br />

sortiert diese nach ihrer<br />

Eignung und schlägt die Bestvarianten dem<br />

Disponenten vor.


Seite 22<br />

Dispositionsentscheidung<br />

Nachdem alle Voraussetzungen zeitnah durch<br />

die GeoRBL geschaffen wurden, erhält der<br />

Disponent alle zur Entscheidungsfindung relevanten<br />

Informationen und kann eine qualifizierte<br />

Entscheidung treffen. Je nachdem, ob<br />

die GeoRBL ihm einen Umleitungsvorschlag<br />

macht oder nicht, ergeben sich <strong>für</strong> ihn zwei<br />

mögliche Situationen:<br />

• Wenn keine Umleitungsroute vorgeschlagen<br />

wurde, muss der Disponent selbst eine<br />

neue Umleitungstrecke erzeugen. Diese<br />

erstellt er mittels Klicks auf die Karte<br />

der Geo-Oberfläche.<br />

• Existieren bereits passende Umleitungsrouten,<br />

schlägt ihm das System die Bestvarianten<br />

davon vor. Der Disponent kann<br />

diese auswählen und bestätigen. Sagt ihm<br />

keiner der Vorschläge zu, können interaktiv<br />

auch neue Umleitungen anlegen werden.<br />

Bei beiden vorangegangen Fällen hat der<br />

Disponent stets die Möglichkeit, die ursprüngliche<br />

Linienführung <strong>für</strong> ein Fahrzeug<br />

beizubehalten. In diesem Fall fährt das Fahrzeug<br />

auf dem regulären Linienweg weiter und<br />

wartet an der Störungsstelle auf die Beendigung<br />

der Störung. Nach dem Treffen der Entscheidung<br />

ist die Aufgabe des Disponenten<br />

erfüllt und er kann sich dem nächsten zu disponierenden<br />

Kurs zuwenden, alle weiteren<br />

Schritte werden vom System übernommen.<br />

Dispositionsverarbeitung<br />

Nach der Entscheidung durch den Disponenten<br />

informiert die GeoRBL das Fahrzeug und<br />

die Fahrgäste von der getroffenen Maßnahme.<br />

Der Bordrechner des Fahrzeugs erhält nach<br />

einer Ankündigung den neuen veränderten<br />

Kursverlauf. Dieser wird in das Navigationssystem<br />

des Busses geladen; damit stehen dem<br />

Fahrer auch auf <strong>für</strong> ihn unbekannten Wegen<br />

alle notwendigen Informationen zum weiteren<br />

Fahrtverlauf zur Verfügung.<br />

Gleichzeitig mit der Information des Fahrzeugs<br />

werden von der GeoRBL die Daten zur<br />

Fahrgastinformation weitergeleitet. Dies betrifft<br />

zum einen die Information der Fahrgäste<br />

in den betroffenen Fahrzeugen, zum anderen<br />

die Information an den Haltestellen durch Ansprache<br />

der dynamischen Fahrgastinformationsmedien<br />

(DFI). Darüber hinaus kann eine<br />

Meldung ins Internet abgesetzt werden, sofern<br />

eine entsprechende Informationsseite des<br />

Verkehrsbetriebes oder der Kommune vorhanden<br />

ist.<br />

Wie die Abbildung zeigt, werden die Aufgaben<br />

zwischen Eingabe und Löschen eines<br />

Störfalles in der Regel mehrfach durchlaufen:<br />

Ende des Störfalls<br />

Wird die Leitstelle über das Ende der Störfallsituation<br />

informiert, löscht der Disponent den<br />

Störfall auf der Geo-Oberfläche. Dadurch<br />

wird das Störfallmanagement in der GeoRBL<br />

beendet, weitere Fahrzeuge werden nicht<br />

mehr zur Disposition vorgelegt. Über die Medien<br />

der dynamischen Fahrgastinformation<br />

werden auch die Fahrgäste in den Fahrzeugen<br />

und an den Haltestellen vom Ende der Störung<br />

informiert. Die GeoRBL erstellt abschließend<br />

einen ausführlichen Bericht, der<br />

neben dem Störfall auch alle getroffenen<br />

Maßnahmen protokolliert. Damit stehen <strong>für</strong><br />

eine nachträgliche Auswertung deutlich mehr<br />

Informationen als bei den heute üblichen Verfahren<br />

zur Verfügung.


Normalbetrieb<br />

Störfallbetrieb<br />

Dispositionsvorbereitung<br />

nächster Kurs<br />

Dispositionsverarbeitung<br />

Normalbetrieb<br />

Störfalleingabe<br />

Dynamische Fahrgastinformation<br />

Schleife<br />

Dispositionsentscheidung<br />

Störfallende<br />

Zeitlicher Ablauf des Störfallmanagements<br />

zeitlicher Verlauf<br />

Die reine Betriebsdurchführung und die Störungsdisposition<br />

sind nicht die einzigen Aufgaben<br />

einer RBL. Ein wichtiger Punkt <strong>für</strong> die<br />

Akzeptanz eines Störfallmanagements ist die<br />

ausreichende und zeitgerechte Information der<br />

Fahrgäste in den Fahrzeugen sowie der an den<br />

Haltestellen wartenden Personen. Ohne die<br />

zeitnahe Weitergabe der aktuellen Betriebslage<br />

und der Dispositionsentscheidungen an die<br />

Kunden eines Verkehrsbetriebes können sich<br />

diese nicht auf die neue Lage einstellen und<br />

werden unzufrieden reagieren. Für die umfassende<br />

Information der Fahrgäste eignet sich<br />

vor allem eine dynamische Fahrgastinformation<br />

(DFI). Diese kann über von der Leitzentrale<br />

angesteuerte LED- oder TFT-Anzeigen<br />

im Gegensatz zu statischen Medien (z. B.<br />

veröffentlichter Fahrplan oder Haltestellenaushänge)<br />

auch aktuelle Informationen darstellen.<br />

So ist nicht nur die Anzeige der<br />

nächsten abgehenden und ankommenden<br />

Fahrzeuge möglich, sondern auch die Visualisierung<br />

von Verspätungen sowie die Information<br />

über Umleitungen, Maßnahmen zur Anschlusssicherung<br />

und weitere aktuelle Ereignisse.<br />

Da die GeoRBL beim Störfallmanagement<br />

sehr genaue Daten über die getroffenen Maßnahmen<br />

enthält, können fast alle Informatio-<br />

Seite 23<br />

nen und Meldungen zur Fahrgastinformation<br />

selbst generiert und an die Anzeigemedien<br />

gesendet werden. Eine manuelle Eingabe<br />

durch den Disponenten ist dabei nicht erforderlich.<br />

Besonders zukunftsträchtig ist die Weitergabe<br />

von DFI über <strong>mobile</strong> Endgeräte (z. B.<br />

Mobiltelefon, PDA ...). Damit ist der Kunde<br />

auf seiner gesamten Reisekette erreichbar.<br />

Dies bietet die Möglichkeit selektiver, personalisierter<br />

und permanenter Informationen<br />

über das Verkehrsgeschehen:<br />

• Übermittlung einfach verständlicher und<br />

einfach zu erreichender Informationen auf<br />

der persönlichen <strong>mobile</strong>n Informationsplattform<br />

(z .B. ÖV-Verbindungen ab aktuellem<br />

Standort).<br />

• Wichtigste Informationen können <strong>für</strong> besondere<br />

Kundengruppen (z. B. fremdsprachliche,<br />

behinderte ...) zielgruppengerecht<br />

aufbereitet werden.<br />

• Schnelle Information bei Störungen und<br />

Änderungen im Betriebsablauf (z. B. geänderte<br />

Linienwege) sind möglich.<br />

• Der Kunde kann Art und Tiefe der Information<br />

auf seiner persönlichen Informationsplattform<br />

frei wählen und erhält dadurch<br />

nur die Informationen, die er wirklich<br />

benötigt.<br />

Auch in den Fahrzeugen können die Fahrgäste<br />

dank den von der GeoRBL aufbereiteten<br />

Informationen umfassender als bisher informiert<br />

werden. So kann nicht nur der reguläre<br />

Kurs angezeigt werden, sondern auch die Änderungen,<br />

die sich durch das Störfallmanagement<br />

ergeben.<br />

Zukunft der GeoRBL<br />

Eine Vervollständigung der GeoRBL bis zur<br />

Marktreife ist nicht Gegenstand des Forschungen<br />

des IEV, da die GeoRBL ausdrücklich<br />

nur die wichtigsten Teilaspekte einer


Seite 24<br />

DFI im Fahrzeug im Störfall<br />

DFI im Fahrzeug im Störfall


RBL abdeckt und viele weitere Funktionen<br />

einer am Markt erhältlichen RBL nicht enthält.<br />

Seit Anfang März 2005 ist die GeoRBL in<br />

der Region Ulm <strong>für</strong> neun Monate im Einsatz,<br />

um routenflexible Bedienformen des regionalen<br />

ÖPNV zu steuern. Für diese Tätigkeit<br />

werden die gleichen Grundfunktionen wie im<br />

Störfallmanagement genutzt, es gilt aber nicht<br />

auf Störfälle zu reagieren, sondern auf die<br />

Buchung von Fahrgästen, die einen Ruf-Bus<br />

über das Internet bestellen. Diese Buchungen<br />

lösen – sofern sie erfolgen, wenn der Bus bereits<br />

unterwegs ist – ebenfalls Kursänderungen<br />

aus, die den Fahrzeugen über die GeoRBL<br />

mitgeteilt werden.<br />

Die Forschungsergebnisse des IEV, die<br />

sich in den beschriebenen neuen Dienste äu-<br />

Seite 25<br />

ßern, haben bereits das Interesse mehrerer<br />

Verkehrsunternehmen geweckt und werden<br />

sicherlich in den nächsten Jahren auch in die<br />

Systeme der professionellen RBL-Anbieter<br />

Einzug halten. Einige Teilergebnisse der Forschung<br />

(z. B. georeferenzierte Ortung und<br />

Verfolgung von Fahrzeugen, effiziente Kommunikation<br />

zwischen der Zentrale und den<br />

<strong>mobile</strong>n ÖPNV-Fahrzeugen ...) sind sicherlich<br />

auch außerhalb des Verkehrswesens <strong>für</strong><br />

Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />

von Interesse<br />

Dipl.-Wi.-Ing. Stefan Tritschler ist wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Institut <strong>für</strong> Eisenbahn-<br />

und Verkehrswesen der Universität<br />

Stuttgart.


Seite 26<br />

Das EU-Projekt SHARE –<br />

Datenfunkgestütztes multimodales Informationsmanagement<br />

<strong>für</strong> die Einsatzleitung bei Großschadensereignissen<br />

Rainer Koch, Bo-Sik Lee, Rüdiger Harnasch, Jobst Löffler, Joachim Köhler<br />

Kurzfassung<br />

Innerhalb des SHARE-Projektes wird ein innovatives<br />

<strong>mobile</strong>s Push-to-Share-Kommunikationssystem<br />

entwickelt, das eine multimodale<br />

Kommunikations- und Dokumentationsunterstützung<br />

<strong>für</strong> Feuerwehren und Rettungsdienste<br />

bei größeren Schadenslagen und beim<br />

Katastrophenmanagement bietet. Das Share-<br />

System wird mit europäischen Projektpartnern<br />

entwickelt und von der EU mit 2,86 Mio.<br />

Euro gefördert. Als deutsche Partner sind die<br />

Feuerwehr Dortmund, das Fraunhofer-Institut<br />

IMK in St. Augustin, Siemens AG in<br />

München und das Fachgebiet C.I.K. der Universität<br />

Paderborn sowie Partner aus Belgien<br />

(Tele Atlas), Frankreich (Telisma S.A.), Griechenland<br />

(Aristoteles-Universität Thessaloniki<br />

und Nationales Zentrum <strong>für</strong> Wissenschaftliche<br />

Forschung "Demokritos") und Italien<br />

(Loquendo SpA) beteiligt [1].<br />

1. Einleitung<br />

Die ersten Feuerwehren wurden in Deutschland<br />

vor ca. 150 Jahren gegründet. Ihre<br />

Hauptaufgabe bestand in der Bekämpfung<br />

von Bränden. Im Laufe der Zeit hat sich jedoch<br />

die Feuerwehr von einer reinen Institution<br />

zur Brandbekämpfung, zu einem „Mädchen<br />

<strong>für</strong> alles“ gewandelt. Dazu gekommen<br />

sind Hilfeleistungseinsätze, wie z. B. nach<br />

Verkehrsunfällen, Naturereignissen oder Gefahrgutunfällen.<br />

Diese Einsätze sind sehr vielseitig<br />

und stellen hohe Anforderungen an<br />

Qualifikation, Erfahrung und einsatztaktische<br />

Informationen.<br />

Für einen reibungslosen Einsatzablauf ist<br />

eine funktionierende Kommunikation zwischen<br />

den Einsatzkräften notwendig. Seit<br />

mehreren Jahrzehnten existiert ein flächendeckendes<br />

Funknetz <strong>für</strong> polizeiliche und nichtpolizeiliche<br />

Behörden und Organisationen mit<br />

Sicherheitsaufgaben, kurz BOS, eingeführt<br />

[2][3]. Zu den nichtpolizeilichen BOS gehören<br />

auch die Feuerwehren. Der BOS-Funk<br />

wird zur Alarmierung der Einsatzkräfte,<br />

Einsatzführung und Übermittlung von Informationen<br />

verwendet. Mit Hilfe der Funktechnik<br />

ist eine drahtlose Kommunikation über<br />

eine größere Entfernung und an Einsatzstellen<br />

möglich. Allerdings dient der Funk nur der<br />

Übermittlung von Sprachen und nicht von<br />

Daten. Daher stößt der Sprechfunk bei komplexen<br />

und/oder großflächigen Schadensereignissen<br />

bzw. Einsatzstellen an seine Grenzen,<br />

wie z. B. bei dem ICE-Unfall von Eschede<br />

1998 und dem Hochwasser der Elbe 2002.<br />

An solchen Einsatzstellen wird von der Feuerwehr<br />

ein Führungsmittel benötigt, was in<br />

der Lage ist, viele verschiedene Informationen<br />

schnell zu verarbeiten und an den notwendigen<br />

Stellen sicher zur Verfügung zu stellen.<br />

An Einsatzstellen herrscht häufig Lärm<br />

und die Einsatzkräfte sind Stress und vielfältigen<br />

Belastungen ausgesetzt. In diesen Situationen<br />

kann es zu Informationsverlusten,<br />

Missverständnissen und Verwechselungen<br />

kommen.<br />

Die benötigten Einsatzunterlagen, wie<br />

Alarm-, Feuerwehr- und Hydrantenpläne,<br />

werden auf den Einsatzleitfahrzeugen überwiegend<br />

in Papierform mitgeführt, was zu einem<br />

erheblichen Aufwand bei der Aktualisierung<br />

führt. Meldungen oder Einsatzbefehle


müssen von Sprechfunkern oder auf Meldevordrucken<br />

weitergeleitet werden.<br />

Werden Einheiten im Rahmen der überörtlichen<br />

Hilfe, in <strong>für</strong> sie unbekannten Gebieten<br />

eingesetzt, müssen sie über den Sprechfunk<br />

von der dortigen Leitstelle oder von Lotsen<br />

eingewiesen werden. Diese Einweisungen belasten<br />

den Funk an der Einsatzstelle zusätzlich.<br />

Die Zielsetzung des Share-Projektes ist nun,<br />

ein prototypisches Kommunikationssystem zu<br />

realisieren, das folgenden Anforderungen genügen<br />

soll.<br />

• Schnelle und situationsgerechte Informationen<br />

• Den Führungsebenen entsprechende Informationsbereitstellung<br />

• Einsatzunterstützung durch verbesserte<br />

und/oder neue Kommunikationsmöglichkeiten<br />

• Praxisorientierte Benutzungsschnittstelle<br />

• Optimierte Informationsaufbereitung durch<br />

Multimodaltechnik<br />

• Verbesserte Ergonomie durch einsatzgerechte<br />

und übersichtliche Systemfunktionen<br />

Feuerwehr<br />

Einheit oder Einrichtung der Führung<br />

Einheit, Verband, Dienststelle<br />

fortentwickelter Brand<br />

Person<br />

Trupp<br />

Gruppe<br />

Zug<br />

Verband<br />

Bezeichnung der Führungskräfte<br />

links: Einsatzleiter; rechts: Gruppenführer<br />

Landgebundenes Kraftfahrzeug,<br />

geländefähig<br />

Seite 27<br />

2. Führungsorganisation am Beispiel der<br />

Feuerwehr-Dienstvorschrift 100<br />

Die Führungsebenen lassen sich nach der taktischen<br />

Gliederung der Kräfte in folgende Ebenen<br />

einteilen:<br />

• Ebene der Taktischen Einheiten „Trupp“,<br />

„Staffel“ und Gruppe“;<br />

• Ebene der taktischen Einheit „Zug“;<br />

• Ebene der Verbände, die je nach Lage und<br />

Bedarf zur Erfüllung eines bestimmten<br />

Auftrages aufgestellt werden. [5]<br />

Die Führungsebenen ergeben sich aus der<br />

Gliederung der Einheiten und aus den Erfordernissen<br />

der Lage. Bei der Organisation der<br />

Führungsebenen ist darauf zu achten, dass alle<br />

Führungskräfte mit vergleichbarem Zuständigkeits-<br />

und Verantwortungsbereich und<br />

gleichem Unterstellungsverhältnis eine Führungsebene<br />

bilden. Dabei sind den jeweiligen<br />

Führungsebenen in der Regel nicht mehr als<br />

drei Trupps, zwei Gruppen beziehungsweise<br />

drei bis fünf Züge oder Verbände zuzuordnen.<br />

[5] Die Beschreibung der Führungsebene<br />

erfolgt mit Hilfe von taktischen Zeichen. Weitere<br />

taktische Zeichen sind in [6] erläutert.<br />

Abbildung 1: Taktische Zeichen [6]


Seite 28<br />

Abschnitt 1<br />

1. LZ<br />

Einsatzleiter<br />

Die Verwendung von taktischen Zeichen<br />

bietet sich besonders in den Fällen an, wenn<br />

eine Schadenslage den Einsatz von mehreren<br />

Einheiten erfordert. Mit Hilfe der organisations-<br />

und länderübergreifenden Kennzeichnung<br />

erfolgt eine rasche und ausführliche Lagedarstellung.<br />

Die Taktischen Zeichen leisten<br />

einen wesentlichen Beitrag zur Informationsverarbeitung<br />

unter den einzelnen Führungspositionen<br />

[6].<br />

Zur Abwicklung des Gesamteinsatzes steht<br />

dem Einsatzleiter neben der personellen<br />

(Stab) und technischen Unterstützung (z. B.<br />

ELW3) zur Verfügung. Die Einsatzleitung<br />

wird um das Sachgebiet „Presse“ erweitert, da<br />

der sachgerechten Information der Öffentlichkeit<br />

eine wachsende Bedeutung zukommt.<br />

Die aufgeführten Organisationsstrukturen<br />

großer Feuerwehren (Abbildung 2, BF Dortmund)<br />

sind im Bereich der Einsatzvorbereitung<br />

entstanden und sollen im Einsatzfall eine<br />

Einsatzleitstelle<br />

Einsatzleitung<br />

Abschnitt 2<br />

B-Dienst B-Dienst<br />

EAL1<br />

2. LZ 3. LZ<br />

Kanal A Kanal B Kanal C<br />

Abbildung 2: Führungsstruktur (3. Alarm) bei BF Dortmund<br />

Kanal X<br />

EAL2<br />

Bereitstellungsraum<br />

Abschnitt 3-RD<br />

BD-RD<br />

Kanal D<br />

4m Funkbereich<br />

LNA<br />

klare und verständliche Gliederungen der Befehlskette<br />

und eindeutige Aufgabenverteilung<br />

gewährleisten.<br />

3. Kommunikation in der Feuerwehr<br />

Für die Kommunikation der Leitstelle mit den<br />

Einsatzkräften oder der Einsatzkräfte untereinander<br />

stehen Funknetze im 4m-Band, im<br />

2m-Band und dem noch seltenen 70cm-Band<br />

zur Verfügung. Es steht eine Vielzahl von<br />

Kanälen im 4m- und 2m-Band zur Verfügung,<br />

diese wurden von der Aufsichtsbehörde (Bezirksregierung,<br />

Innenministerium) an Feuerwehren<br />

und <strong>Hilfsorganisationen</strong> so verteilt,<br />

dass eine gegenseitige Störung weitgehend<br />

vermieden wird.<br />

Auf dem 4 m-Band wird der Funkverkehr<br />

zwischen Feststationen z. B. der Leitstelle<br />

und Feuerwachen und Einsatzstellen bzw.<br />

Or<br />

2m Funkbereich


Einsatzfahrzeugen abgewickelt. Der Frequenzbereich<br />

liegt zwischen 74,215 und<br />

87,255 MHz und ist in Kanäle (347 bis 510)<br />

aufgeteilt. Von der Fernmeldebehörde wird<br />

<strong>für</strong> jede Funkstelle ein eindeutiger und unverwechselbarer<br />

Funkrufname verlangt. Der<br />

Funkrufname der nichtpolizeilichen BOS besteht<br />

aus dem bundeseinheitlichen und organisationsbezogenen<br />

Kennwort, dem Namen<br />

des Einsatzbereiches (Stadt, Gemeinde oder<br />

Landkreis) und einer Ziffernfolge unterteilt in<br />

zwei oder drei Teilkennzahlen (TKZ) [3].<br />

Im Jahr 1979 wurde ein bundeseinheitliches<br />

Schema erarbeitet und den Ländern zur Einführung<br />

empfohlen. Der Funkrufname setzt<br />

sich demnach wie folgt zusammen:<br />

• 1. TKZ: Standort (Feuerwache, Gerätehaus,<br />

Abteilung, Einheit), sie wird nur dort<br />

notwendig, wo im Einsatzbereich mehr als<br />

eine Feuerwache (kreisfreie Stadt) oder<br />

Feuerwehr (kreisangehörige Stadt) vorhanden<br />

sind.<br />

• 2. TKZ: Art der Funkanlage oder des Fahrzeuges<br />

• 3. TKZ: Laufende Nummer der Fahrzeuge<br />

gleicher Art. Sie ist allerdings nur notwendig<br />

wenn mehr als ein Fahrzeug gleicher<br />

Art vorhanden ist.<br />

Die Tabelle 1 zeigt am Funkrufnamen des<br />

Löschgruppenfahrzeugs LF 8 beispielhaft den<br />

Aufbau des Funkrufnamen.<br />

Florian<br />

BOS-<br />

Kennwort<br />

Paderborn<br />

Einsatzbereich<br />

1 2 - 4 1 - 0 2<br />

Standort<br />

Funktions-träger/<br />

Fahrzeugart<br />

Laufende<br />

Nummer<br />

Tabelle 1: Aufbau des Funkrufnamen im 4m-Band [2]<br />

Das 4m-Band wird auch <strong>für</strong> die analoge<br />

Alarmierung und zur Verwendung des Funkmeldesystems<br />

benötigt. Vereinzelt wird das<br />

4m-Band auch zur Datenübertragung von<br />

z. B. Bildern verwendet [7]. Im 2m-Band erfolgt<br />

während der Anfahrt die Fahrzeugkommunikation<br />

z. B. im Zugverband und an<br />

Seite 29<br />

Einsatzstellen die Kommunikation zwischen<br />

Einsatz- bzw. Führungskräften. Der Frequenzbereich<br />

liegt zwischen 165,210 MHz<br />

und 173,980 MHz Für das 2m-Band gibt es<br />

außer dem organisationsbezogenen Kennwort<br />

keine Regelung <strong>für</strong> ein einheitliches Funkrufnamenschema.<br />

Das 2m-Band wird auch zur<br />

digitalen Alarmierung, <strong>für</strong> die Übertragung<br />

von Notsignalen (Feuerwehrnotsignalanlagen)<br />

und Datenübertragung z. B. von Bildern eingesetzt<br />

[7].<br />

4. Systemkonzept<br />

Derzeit benutzen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste<br />

die analoge Sprechfunktechnologie<br />

im Halbduplexmodus mit einfacher<br />

Push-To-Talk-Sprachkommunikation. Die gesamten<br />

Lageinformationen, Berichte und Dokumentationen<br />

zur Entscheidungsunterstützung<br />

werden weitgehend manuell bearbeitet.<br />

Der Prototyp des Share-Systems soll <strong>für</strong><br />

die Einsatzleitungen multimodale Arbeitsweisen<br />

und Online- und On-site-Zugänge zu Datendienstleistungen<br />

ermöglichen, die aktuelle<br />

Lageinformationen einschließlich Audio, Video,<br />

Text, Graphik ebenso wie Details zum<br />

Notfall, zum Standort und zur Umgebung zur<br />

Entscheidungsunterstützung bereitstellen.<br />

Durch das digitale Führungsunterstützungssystem<br />

kann der gesamte Kommunikationsverkehr<br />

aufgezeichnet und in einer Datenbank<br />

hinterlegt werden. Der Sprachverkehr (Telefon<br />

oder Funk) wird mittels Spracherkennung<br />

in Text umgewandelt und dem Empfänger<br />

gleichzeitig zur Sprachausgabe auf dem Endgerät<br />

anzeigt. Unter anderem könnte so die<br />

Gefahr des Informationsverlustes vermieden,<br />

Verständigungsprobleme, wie z. B. durch<br />

Lärm, beseitigt und mehrere Funksprüche, die<br />

zur gleichen Zeit eintreffen, nacheinander abgearbeitet<br />

werden.


Seite 30<br />

Der Inhalt der Datenbank kann von den<br />

einzelnen Ebenen, je nach Zuständigkeit aufgerufen<br />

werden. Die Ablage der Daten erfolgt<br />

chronologisch unter Angabe von Schlüsselwörtern<br />

und Funkrufnamen. Die so gesammelten<br />

Informationen würden sich auch <strong>für</strong><br />

die Einsatzdokumentation nutzen lassen.<br />

Der Nachrichtenvordruck, der <strong>für</strong> die Übermittlung<br />

von Befehlen, Meldungen und Informationen<br />

innerhalb eines Führungsstabes,<br />

zur Leitstelle und/oder zu unterstellten Einheiten<br />

verwendet wird [4], soll als digitales<br />

Formular in das Führungsunterstützungssystem<br />

übernommen werden. Die so verfassten<br />

Nachrichten können per Datenübertragung<br />

den einzelnen Führungsebenen übermittelt<br />

und dokumentiert werden. Eine Überlastung<br />

des Sprechfunkverkehrs und das Übergehen<br />

einzelner Führungsebenen kann vermieden<br />

werden. Zusätzlich sollte es möglich sein<br />

Skizzen, Bild- und Videoinformationen, z. B.<br />

von einer Wärmebildkamera, direkt von der<br />

Einsatzstelle zum Einsatz- bzw. Abschnittsleiter<br />

zu übermitteln, um so eine direkte und aktuelle<br />

Lageübersicht zu ermöglichen.<br />

Das SHARE-Konzept soll in eine auf<br />

2,5G-, 3G- (UMTS-)-Datenfunkkommunikation<br />

und <strong>mobile</strong>m W-LAN basierte Kommunikations-Infrastruktur<br />

integriert werden. Einzelne<br />

Aspekte, die im SHARE-Projekt entwickelt<br />

werden, beziehen sich auf:<br />

Technologie-Innovationen<br />

• Impulse und neue Anwendungen <strong>für</strong> den<br />

im Aufbau befindlichen Digital-Funk <strong>für</strong><br />

Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste<br />

• Weiterentwicklung der multimodalen<br />

Push-to-Share-Technologie<br />

• Höhere Benutzungsfreundlichkeit durch<br />

<strong>mobile</strong> Geräte<br />

• Intelligente digitale Landkarten, die Standort-basierte<br />

Dienstleistungen und Informationen<br />

beinhalten<br />

• Semantische Indexierung von Multimediadaten<br />

• Effiziente Sprach- und Bildverarbeitungsalgorithmen<br />

Anwendung und Nutzen<br />

• Vereinfachung von Kommunikation und<br />

Dokumentation bei großen Schadenslagen<br />

• Unterstützung <strong>für</strong> Rettungskräfte, die typisch<br />

auf praktische Fähigkeiten fokussiert<br />

sind und wenig Fremdsprachenkenntnisse<br />

haben<br />

• Bessere Zusammenarbeit zwischen Rettungsorganisationen<br />

in Europa<br />

• Koordination von internationalen Rettungsmannschaften<br />

(zum Beispiel Erdbeben<br />

im Iran der Mangel an Kommunikation<br />

und Koordination von internationalen<br />

Mannschaften wurde ausdrücklich in den<br />

bezogenen Nachrichten und Berichten erwähnt)<br />

• Multimediales europäisches Einsatztool <strong>für</strong><br />

Rettungskräfte


Abbildung 3: Abschnittbildung und geografische Einteilung<br />

Anwendungsbeispiel<br />

Das System gibt automatisch die Informationen<br />

aus, wann und welche Einsatzkräfte<br />

eingetroffen sind. Somit kann der Einsatzleiter<br />

je nach Schadenslage die Einsatzkräfte<br />

leicht einteilen und effektiv einsetzen. Die<br />

Abschnittsbildung (Einteilung der Einsatzkräfte)<br />

geschieht per „drag und drop“. So dass<br />

die betroffenen Einsatzkräfte automatisch die<br />

spezifischen Informationen erhalten.<br />

Da sich der Einsatzleiter durch die Videoübertragung<br />

ständig über die Einsatzlage informieren<br />

kann, können viele Meldungen ge-<br />

Seite 31<br />

spart und die wichtigen Entscheidungen<br />

schneller getroffen werden.<br />

Zur Auswertung von Wärmebildern kann<br />

eine Bilderkennung eingesetzt werden. Diese<br />

kann beim Auffinden und Erkennen von Personen<br />

und Gegenständen unterstützen. Die<br />

farblichen Temperaturangaben des Bildes<br />

können ausgewertet werden.<br />

Der Sprachverkehr (Telefon oder Funk)<br />

wird mittels Spracherkennung in Text umgewandelt<br />

und dem Empfänger gleichzeitig zur<br />

Sprachausgabe auf dem Endgerät anzeigt. Unter<br />

anderem kann so die Gefahr des Informationsverlustes<br />

vermieden, Verständigungs-


Seite 32<br />

Abbildung 4: Integrierte SAFeR Datenbank<br />

probleme beseitigt und parallele Funksprüche<br />

nacheinander abgearbeitet werden.<br />

Das System bietet außerdem die Möglichkeit,<br />

vorhandene Informationsquellen zu integrieren.<br />

Ein Beispiel ist die Integration des<br />

SAFeR-Systems. Das durch BMBF geförderte<br />

Projekt SAFeR (Strategische und Ablaufunterstützende<br />

Einsatzinformationen <strong>für</strong> Feuerwehr<br />

und Rettungsdienst) kann mit Hilfe von<br />

<strong>mobile</strong>n Informationsverarbeitenden Instrumenten<br />

den Einsatzkräften allgemeine Daten<br />

und darüber hinaus erweiterte Informationen<br />

bzw. Spezialwissen bereitstellen, um den Ablauf<br />

von Notfalleinsätzen zu unterstützen und<br />

zu verbessern.<br />

5. Multimodale Datendienste <strong>für</strong> den<br />

Rettungseinsatz<br />

Im SHARE-Projekt werden zwei technische<br />

Konzepte kombiniert, um neben <strong>mobile</strong>n digitalen<br />

Kommunikationsdiensten weitere wichtige<br />

Datendienste einzuführen, die die Einsatzleitung<br />

unterstützen sollen. Bei den beiden<br />

Basiskonzepten handelt es sich einerseits<br />

um die Push-to-Talk-over-Cellular (PoC)<br />

Technologie, die den analogen Walkie-Talkie-Funk<br />

ersetzen soll, und andererseits um<br />

das Konzept der Multimodalität.<br />

PoC erlaubt neben der direkten digitalen<br />

Mobilkommunikation per Knopfdruck am<br />

Endgerät außerdem die Kommunikation in<br />

konfigurierbaren Gruppen. Auch eine Erweiterung<br />

auf Full-duplex-Betrieb ist möglich.


Da verschiedene Netzinfrastrukturen genutzt<br />

werden können, ist es jederzeit möglich ein<br />

lokale Kommunikationsinfrastruktur aufzubauen<br />

oder das Mobilfunknetz kommerzieller<br />

bzw. öffentlicher Anbieter zu nutzen. So wird<br />

auch das Problem begrenzter Reichweiten der<br />

Walkie-Talkie-Kommunikation gelöst.<br />

Multimodale Informationsdienste erlauben<br />

die Interaktion mit einem technischen System<br />

über verschiedene Modalitäten, wie Sprache,<br />

Gesten oder Tastatureingaben. Dabei werden<br />

z. B. gleichzeitige Benutzereingaben über<br />

Sprache und Zeicheneingabe auf einem<br />

Touchscreen vom System als zusammengehörig<br />

interpretiert und entsprechend ausgeführt.<br />

Die Spracheingabe „Zeige mir alle Hydranten<br />

in diesem Gebiet“ zusammen mit einer Ge-<br />

Multimodality<br />

Network<br />

Voice+Data<br />

GPS/Galileo<br />

Multimodal<br />

Push-To-Share<br />

Framework<br />

Push-To-Share<br />

Data Server:<br />

• Ontologies<br />

• Digital Maps<br />

• Voice and Video<br />

Data<br />

Access<br />

Point<br />

Abbildung 5: Einsatzszenario mit Push-to-Share-Service<br />

Sub-Section<br />

Leader<br />

Seite 33<br />

bietsmarkierung in einer digitalen Karte auf<br />

dem Display führt z. B. zur Markierung der<br />

Hydranten mit Symbolen in der Karte. Das<br />

Ziel der Multimodalität ist eine möglichst optimale<br />

Unterstützung des Benutzers bei der<br />

Interaktion mit einem Informationssystem.<br />

Das System reagiert, indem es multimediale<br />

Informationen aus einer Datenbank als Antwort<br />

auf die Anfrage in aufbereiteter Form<br />

zurückliefert.<br />

Das in Abbildung 5 dargestellte Einsatzszenario<br />

<strong>für</strong> die Push-to-Share-Systemarchitektur<br />

(PTS) beinhaltet neben den <strong>mobile</strong>n digitalen<br />

Kommunikationsdiensten weitere multimodale<br />

Datendienste. Die drei zentralen Datendienste<br />

im SHARE-Projekt sind: erstens<br />

die Indexierung, Archivierung und Durch-<br />

Sect. 1<br />

Cam<br />

Views<br />

Top-<br />

Views<br />

SHARE<br />

3<br />

Tactic<br />

Plan<br />

Casualty<br />

Data<br />

Voice<br />

Records<br />

Radio<br />

Sketcher<br />

Messages<br />

Lo<br />

ss<br />

Push-To-Share Client: Rugged<br />

Tablet PC with detailled views<br />

(e.g. Digital Map, Tactical Figures)<br />

Officer-in-Charge<br />

Section Leader<br />

RD<br />

CAM-Views


Seite 34<br />

suchbarkeit der laufenden Audiokommunikation,<br />

zweitens die Möglichkeit, mit digitalen<br />

Karten zu interagieren, und drittens die Bereitstellung<br />

von Ontologien. Eine Ontologie<br />

beinhaltet z. B. eine Modellierung der Begriffswelt,<br />

wie sie bei Rettungseinsätzen verwendet<br />

wird. Die genannten Datendienste sollen<br />

nun näher beschrieben werden.<br />

5.1 Interaktive digitale Karten<br />

Digitale Karten werden im SHARE-Projekt<br />

zur Navigation zum und am Einsatzort genutzt.<br />

Außerdem wird eine interaktive Lagekarte<br />

angelegt, die Informationen und Symbole<br />

über den aktuellen Stand des Einsatzes enthält.<br />

In Abbildung 6 sind digitale Karten (Quell:<br />

Fa. TeleAtlas) eines Einsatzortes mit verschiedenen<br />

Zusatzinformationen dargestellt.<br />

So sind unter anderem Informationen über die<br />

Landnutzung (Feld, Wald, Industriegebiet),<br />

über Straßentypen (Autobahn, Landstrasse)<br />

und über die Verkehrsführung visuell zugänglich.<br />

Durch Anklicken von Bereichen und<br />

Symbolen können zusätzliche multimediale<br />

Informationen abgerufen werden.<br />

Die Abschnittsbildung als Anwendungsfall<br />

(Use-Case) wird wie folgt unterstützt. In der<br />

Lagekarte kann der Einsatzleiter räumliche<br />

Abschnitte eintragen und mit weiteren Zusatzinformationen<br />

versehen. Durch Anklicken eines<br />

Abschnitts in der Karte werden dann alle<br />

dort sich im Einsatz befindlichen Fahrzeuge<br />

aufgelistet oder die vorhandenen Hydranten<br />

Abbildung 6: Digitale Karten mit Informationen zu Landnutzung, Straßentyp und Verkehrsführung<br />

(Quelle: Fa. TeleAtlas)


markiert. Die aktuelle Version des Lageplanes<br />

wird regelmäßig auf alle Endgeräte übertragen,<br />

die eine entsprechende Darstellungsmöglichkeit<br />

bieten. So kann unter anderem ein<br />

Abschnittsleiter jederzeit mittels seines PDA<br />

einen Überblick über seinen eigenen Abschnitt<br />

und ggf. die Gesamtlage erhalten. Neben<br />

der graphischen Darstellung der Abschnitte<br />

ist auch immer eine textuelle Beschreibung<br />

vorhanden („Abschnitt 1 wird von<br />

Straße B54 und Bahnlinie XY begrenzt“).<br />

Durch Abfahren der Grenzen des Abschnitts<br />

mit dem Mauszeiger wird diese Beschreibung<br />

sowohl als Text, als auch als gesprochene<br />

Audionachricht erzeugt und der Datenstruktur<br />

des Abschnitts im Informationssystem zugeordnet.<br />

Da<strong>für</strong> werden einerseits die Geoinformationen<br />

der Kartendatenbank verwendet<br />

und weiterhin ein Text-to-Speech-System<br />

(TTS), das die Straßennamen als Audionachricht<br />

synthetisiert.<br />

Viele weitere Use-Cases <strong>für</strong> digitale Karten<br />

sind vorstellbar und werden im Laufe des<br />

Projektes realisiert werden. Unter anderem<br />

wird durch Verschieben von Fahrzeugsymbolen<br />

aus einer Liste, die alle Fahrzeuge im Bereiststellungsraum<br />

enthält, in einen Abschnitt<br />

die Besatzung direkt in die Kommunikationsgruppe<br />

des Abschnitts aufgenommen. Auch<br />

die genaue Position der am Einsatz beteiligten<br />

Fahrzeuge wird jederzeit in der Karte sichtbar<br />

sein.<br />

5.2 Indexierung der Audiokommunikation<br />

Durch die indizierte Archivierung der Audiokommunikation<br />

wird der direkte Zugriff auf<br />

die gesamte Kommunikation während des<br />

Einsatzes in strukturierter Form möglich. Alle<br />

Audionachrichten werden mit einem Zeitstempel<br />

und den GPS-Koordinaten des Endgerätes<br />

versehen und in einer zentralen Kommunikationsdatenbank<br />

abgelegt. Diese Da-<br />

Seite 35<br />

tenbank enthält neben den Audionachrichten<br />

außerdem Videonachrichten von entsprechenden<br />

Kameras am Einsatzort und Textnachrichten,<br />

die den Inhalt der in digitalisierter<br />

Form vorliegenden Meldeformulare beschreiben.<br />

Bei der Indexierung werden die einlaufenden<br />

Audionachrichten im ersten Schritt in statistisch<br />

homogene Segmente zerlegt (siehe<br />

Abbildung 7). Dann werden <strong>für</strong> jedes Segment<br />

Informationen über den jeweiligen<br />

Sprecher extrahiert. So können zeitlich nacheinander<br />

einlaufende Nachrichten, z. B. eines<br />

Dialoges, den Sprechern zugeordnet werden.<br />

Über die Anfangs gesendete Kennung (z. B.<br />

„Florian Dortmund 12-44-1“) wird so eine<br />

Sprecheridentifizierung <strong>für</strong> jedes Audiosegment<br />

möglich. Für die gesprochene Kennung,<br />

die einer vorgegebenen Struktur folgt, kann<br />

durch Verwendung von Audioerkennungsverfahren<br />

eine textuelle Beschreibung erzeugt<br />

werden. Als Suchparameter in der Datenbank<br />

können dann Zeiträume, Kennungen, aber<br />

auch Stichworte verwendet werden. Das Audioerkennungssystem<br />

erhält als Lexikon eine<br />

Anzahl der wichtigsten Begriffe im Feuerwehreinsatz,<br />

wie z. B. „Wasserversorgung“,<br />

„Chemieunfall“ oder „Nachschub“. Die Begriffe<br />

im Lexikon werden automatisch im Audiostrom<br />

erkannt und über Zeitmarken den<br />

Audiosegmenten zugeordnet. Dies bedeutet<br />

außerdem, dass sobald eine Person den Begriff<br />

„Chemieunfall“ über das Kommunikationssystem<br />

ausspricht, ein vordefiniertes Verhalten<br />

des Informationssystems ausgelöst<br />

werden kann (z. B. wird eine visuelle Warnung<br />

auf dem Display des Endgerätes des<br />

Einsatzleiters angezeigt).<br />

Zur Audioindexierung wird das am Fraunhofer<br />

Institut <strong>für</strong> Medienkommunikation entwickelte<br />

Medienanalysesystem iFinderSDK<br />

verwendet [9]. Das iFinder Software-Develop-ment-Kit<br />

ermöglicht eine automatische<br />

Erzeugung von Metadaten <strong>für</strong> Audio/Vi-deo-


Seite 36<br />

daten. Im Audiobereich werden Module zur<br />

Segmentierung, Sprache/nicht-Sprache-Klassifizierung,<br />

Sprecherzuordnung und Freitexterzeugung<br />

angeboten. Im Videobereich ist<br />

die Erkennung von Schnitten und eine Identifizierung<br />

von Gesichtern und Logos möglich.<br />

Die folgenden Beispiele zur Erklärung des<br />

Systems stammen aus einem Projekt, das sich<br />

mit dem Audio/Videoarchiv des Deutschen<br />

Bundestages befasst. Für das SHARE-Projekt<br />

wird das iFinder-System an die Erfordernisse<br />

von Rettungseinsätzen angepasst.<br />

In Abbildung 7 sind die grundlegenden<br />

Schritte der Audioverarbeitung gezeigt. Nach<br />

der Segmentierung und Erkennung werden<br />

die erzeugten Metadaten im MPEG-7-Format<br />

abgelegt. MPEG-7 ist ein internationaler<br />

Standard zur Beschreibung von multimedialen<br />

Daten durch definierte Metadaten, die<br />

durch ein XML-Schema festgelegt sind.<br />

AV- Segmen- Erken<br />

Abbildung 7: Metadaten-Extraktionsprozess<br />

Abbildung 8 zeigt eine Metadatendatei <strong>für</strong><br />

eine Rede im Deutschen Bundestag. Über den<br />

MediaLocator wird auf das eigentliche Audiodokument<br />

verwiesen. Dann folgt eine Sequenz<br />

von Audiosegmenten, die Informationen<br />

über Startzeitpunkt und Dauer enthalten,<br />

aber auch den in diesem Zeitraum gesprochenen<br />

Text enthalten. Auf diese Weise lässt sich<br />

ein umfangreiches Audiodokument sehr effizient<br />

beschreiben. In der Regel beträgt das<br />

Größenverhältnis in Byte zwischen Audiodokument<br />

und Metadatendatei ungefähr 1000:1.<br />

Suche im Kommunikationsarchiv<br />

Meta-<br />

daten<br />

Das iFinder System stellt eine verteilte Umgebung<br />

zur Suche in Audio/Videoarchiven<br />

zur Verfügung, die als Client/Server-Architektur<br />

realisiert ist [8]. Das verteilte Design<br />

erlaubt es mehreren Benutzern auf eine Vielzahl<br />

von Multimedia-Archiven, die audiovisuelle<br />

Daten und ihre jeweiligen Metadaten<br />

enthalten, in einer verteilten Umgebung zuzugreifen.<br />

Das Gesamtsystem umfasst folgende<br />

Hauptkomponenten (siehe Abb. 9): die oben<br />

beschriebene Metadaten-Produktionsumgebung<br />

iFinderSDK, den iFinder Server<br />

mit einer XML-Datenbank und die iFinder<br />

Client-Anwendung. Weiterhin wird ein Streaming-Server<br />

verwendet, um ein Browsing <strong>für</strong><br />

umfangreiche Audio/Videodaten zu ermöglichen.<br />

Diese Systemarchitektur ist z. B. <strong>für</strong><br />

das folgende Szenario einer Online-Recherche<br />

am Einsatzort gut geeignet. Der Führer eines<br />

neu am Einsatzort ankommenden Zuges recherchiert<br />

schon während der Anfahrt, welche<br />

wichtigen Ereignisse in der vorhergehenden<br />

Audiokommunikation in seinem neuen Abschnitt<br />

genannt wurden. Er kann sich so über<br />

die Stichworte der Audionachrichten und<br />

auch durch Abhören einzelner Nachrichten<br />

ein Bild der Lage in diesem Abschnitt machen.<br />

Komponenten des verteilten iFinder<br />

Systems<br />

Das Extraktionsmodul erzeugt, wie oben beschrieben,<br />

automatisch alle <strong>für</strong> die weiteren<br />

Archivierungs- und Suchprozesse benötigten<br />

Metadaten. Diese Metadaten entsprechen einem<br />

vorher festgelegten Schema, das eine<br />

Untermenge des gesamten MPEG-7-Schemas<br />

ist. Nachdem die Metadaten in die XML-<br />

Datenbank importiert wurden, können sie über<br />

das iFinder-Retrieval-System gesucht<br />

werden. Die Datenbank und der iFinder Client<br />

sind über CORBA-Schnittstellen mit dem i-<br />

Finder Server verbunden. Dies hat den Vorteil,<br />

dass mehrere Client-Anwendungen


Abbildung 8: Ausschnitt aus einer MPEG-7-Beschreibung <strong>für</strong> den Audiobereich<br />

Abbildung 9: Verteilte Systemarchitektur des iFinder<br />

gleichzeitig über einen oder viele Server arbeiten<br />

können, wobei ebenfalls mehrere Archive<br />

durchsucht werden können. Die<br />

CORBA-Middleware sorgt automatisch <strong>für</strong><br />

eine Verteilung der Bearbeitungslast auf die<br />

beteiligten Server. Ein Nameservice ermöglicht<br />

die Ortstransparenz beim Zugriff, sodass<br />

Seite 37<br />

alle Komponenten beliebig im weltweiten<br />

Netz verteilt sein können. Durch Verwendung<br />

eines Servlet-fähigen Web-Servers und der<br />

Java Web-Service-Technologie kann der Benutzer<br />

auch über einen Web-Browser mit dem<br />

System arbeiten. Ein iFinder Dienst zum


Seite 38<br />

Zugriff über Mobiltelefon und PDA ist ebenfalls<br />

prototypisch realisiert.<br />

Zugriff auf die XML-Datenbank<br />

Der iFinder-Server nimmt Anfragen von den<br />

Benutzern entgegen und bereitet eine Datenbankanfrage<br />

in der Abfragesprache XPath<br />

(W3C) vor, die dann an das Datenbanksystem<br />

gesendet wird. Die Liste von Suchergebnissen<br />

wird im Server aufbereitet, wobei die<br />

Ergebnisse nach ihrer Relevanz bezüglich der<br />

Suchparameter sortiert werden. Jedes Suchergebnis<br />

wird mit Datum, Namen des Sprechers,<br />

einem Keyframe des Videos und mit<br />

den relevanten Schlüsselworten dargestellt<br />

(siehe Abb. 10). Basierend auf diesen Informationen<br />

kann der Benutzer entscheiden, ob<br />

das Ergebnis von Interesse ist, ohne das Vi-<br />

Abbildung 10: Ergebnisliste einer Datenbankabfrage<br />

deo vorher abspielen zu müssen. Ein ausgewähltes<br />

Ergebnis kann nun im Text/Video-<br />

Browser der Client-Anwendung interaktiv<br />

dargestellt werden.<br />

Der Text/Video-Browser<br />

Der Text/Video Browser (siehe Abb. 11, Beispiel<br />

einer Bundestagsrede) ist ein Visualisierungswerkzeug<br />

<strong>für</strong> Audio/Videodokumente,<br />

das eine synchrone Darstellung von gesprochenem<br />

Text und dem Audio/Videostrom ermöglicht.<br />

Der Text/Video-Browser ist Teil<br />

der iFinder-Client-Anwendung und arbeitet<br />

als MPEG-7-Terminal, da er die Metadaten<br />

als MPEG-7-konformes XML-Dokument<br />

vom Server erhält und zur Visualisierung<br />

nutzt.


Sobald der Benutzer auf ein Suchergebnis<br />

klickt, wird der Text/Video Browser geöffnet.<br />

Das Video spielt von der entsprechenden, relevanten<br />

Stelle ab und die entsprechende Passage<br />

in der Redemitschrift wird farblich hervorgehoben.<br />

Der Benutzer kann wortgenau<br />

jede Stelle im Text markieren, die ihn interessiert,<br />

behält aber dabei immer den Überblick<br />

über die ganze Sitzung. Sobald ein Wort aus<br />

dem Redeprotokoll vom Benutzer angeklickt<br />

wird, wird der Videostrom sofort auf die entsprechende<br />

Stelle in der Debatte positioniert.<br />

Alternativ kann man durch Verschieben des<br />

Fortschrittsbalkens im Videoplayer zu jedem<br />

beliebigen Zeitpunkt der Rede navigieren -<br />

die dazu korrespondierende Textpassage im<br />

Protokoll wird zentriert dargestellt und die<br />

augenblickliche Stelle in der Rede farblich<br />

hervorgehoben. Lässt man das Video nun<br />

weiter abspielen, wird im Text immer die ge-<br />

Abbildung 11: iFinder Text/Video-Browser<br />

Seite 39<br />

rade gesprochene Textpassage hervorgehoben.<br />

Automatisch erkannte relevante Schlüsselwörter,<br />

Ländernamen, oder Namen von Politikern<br />

(s.g. named entities) können farblich<br />

im Text hervorgehoben werden, aber auch<br />

eine freie Textsuche in dem Protokoll der Rede<br />

ist möglich. Informationen, wie z. B. die<br />

Parameter der Anfrage, die augenblickliche<br />

Zeit, der Name und die Partei des Sprechers<br />

und seine Homepage, werden ebenfalls visualisiert.<br />

Eine Uhr veranschaulicht dabei den<br />

augenblicklichen Zeitpunkt innerhalb der Rede<br />

des Politikers an dem Tag, die Dauer der<br />

Rede, die Dauer der Sitzung und die zeitliche<br />

Position dieser Rede innerhalb der Sitzung.<br />

Auch ist es möglich, direkt ohne erneute<br />

Suchanfrage direkt zur nächsten oder vorhergehende<br />

Rede zu springen und so durch die<br />

Reden zu navigieren.


Seite 40<br />

5.3 Ontologien zum Wissensmanagement<br />

Ontologien erlauben unter anderem, eine<br />

Großschadenslage durch Entitäten (Begriffe)<br />

und Relationen zwischen ihnen abzubilden<br />

(siehe Abbildung 12) und damit ein Informations-<br />

und Kommunikationssystem (IuK-<br />

System) optimal an die Bedürfnisse bei der<br />

Einsatzplanung anzupassen. Das technische<br />

System enthält damit von vorneherein ein<br />

Wissen, das sonst nur durch die am Einsatz<br />

beteiligten Menschen eingebracht werden<br />

könnte.<br />

Im SHARE-Projekt werden Ontologien<br />

benutzt, um <strong>für</strong> Rettungseinsätze spezifisches<br />

Wissen im IuK-System zugänglich zu machen<br />

und um eine Schnittstelle zwischen den Datendiensten<br />

und dem Kommunikationssystem<br />

zu schaffen. Spezifisches Wissen kann hier<br />

die Beschreibung des Verhaltens im Fall eines<br />

besonderen Unfallstyps sein (Chemieunfall).<br />

Abbildung 12: Ontologiebeispiel <strong>für</strong> Großschadenslage<br />

Für Rettungseinsätze im Ausland kann eine<br />

Zuordnung von bekannten Begriffen auf die<br />

in der jeweiligen Landessprache verwendeten<br />

sehr hilfreich sein („Bereitstellungsraum“ –<br />

„Assembly Area“). Eine Ontologie kann diese<br />

Online-Zuordnung auf dem Display des Endgerätes<br />

sichtbar machen.<br />

Ontologien als Schnittstelle zum Kommunikationssystem<br />

sind dann nützlich, wenn<br />

z. B. ein Löschzug neu in einen Abschnitt<br />

aufgenommen wird. Wie oben beschrieben,<br />

verschiebt der Einsatzleiter in diesem Fall ein<br />

Symbol aus einer Liste in den Abschnitt auf<br />

der digitalen Karte. Da in der verwendeten<br />

Ontologie ein Abschnitt mit einer Push-To-<br />

Share-Kommunikationsgruppe verbunden ist,<br />

wird der Löschzug automatisch in diese<br />

Gruppe aufgenommen.


6. Zusammenfassung<br />

Im vorliegenden Beitrag wurde das SHARE-<br />

Projekt einerseits aus Sicht der Feuerwehr beschrieben,<br />

die das resultierende IuK-System<br />

in der Praxis nutzen wird. Andererseits wurde<br />

auch die eher technisch geprägte Sichtweise<br />

der an der Realisierung beteiligten Projektpartner<br />

dargestellt. Um ein nützliches technisches<br />

System zur Planung von Rettungseinsätze<br />

der Feuerwehr zu entwickeln, sind beide<br />

Sichtweisen wichtig und müssen ausreichend<br />

berücksichtigt werden. Von besonderer Bedeutung<br />

ist aber die Zusammenführung der<br />

beiden Sichtweisen in einer umfassenden Gesamtsicht,<br />

die erst eine optimale technische<br />

Unterstützung der Organisationsstruktur ermöglicht.<br />

Es wird Teil des SHARE-Projektes<br />

sein, diesen wichtigen Schritt der Zusammenführung<br />

von Technik und Organisation möglichst<br />

erfolgreich zu gehen. Die beteiligten<br />

Partner aus Praxis, Forschung und Industrie<br />

bieten eine gute Grundlage <strong>für</strong> dieses Vorhaben.<br />

Aus technischer Sicht wurden die grundlegenden<br />

technischen Konzepte, Push-to-Share-<br />

Technologie und Multimodalität, beschrieben.<br />

Die auf diese Konzepte aufbauenden Datendienste<br />

zur Indexierung der Audiokommunikation,<br />

der Interaktion mit digitalen Karten<br />

und des Wissensmanagements mit Hilfe von<br />

Ontologien wurden teilweise im Detail dargestellt.<br />

Wichtig <strong>für</strong> das Design praxisnaher Datendienste<br />

sind die so genannten Use-Cases<br />

aus Sicht der Feuerwehr, die <strong>für</strong> jeden Dienst<br />

anhand von Beispielen beschrieben wurden.<br />

Da das SHARE-Projekt noch am Anfang<br />

steht, konnte hier nur ein Überblick über die<br />

geplanten Systemfunktionen und bereist vorhandene<br />

Technologiekomponenten gegeben<br />

werden. Im Laufe der weiteren Projektphasen<br />

werden aktuelle Ergebnisse <strong>für</strong> die interessierte<br />

Öffentlichkeit zugänglich gemacht.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Seite 41<br />

[1] Projektantrag „SHARE“: „Mobile support<br />

for rescue forces, integrating multiple<br />

modes of interaction“; EU-Projekt,<br />

2003.<br />

[2] Marten, Michael; „BOS-Funk – Handbuch<br />

<strong>für</strong> den Funkdienst bei den Behörden<br />

und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />

(BOS) in Deutschland Band 1“;<br />

Meckenheim: Siebel Verlag, 1998, 4. überarbeitete<br />

Auflage.<br />

[3] Geisel, Heinz-Otto: „Feuerwehr-Sprechfunk“;<br />

Stuttgart: Kohlhammer, 1997, 6.<br />

überarbeitete Auflage.<br />

[4] N.N.: „Lehrunterlage 1.2/18 – Nachrichtenvordruck“;<br />

Münster Landesfeuerwehrschule<br />

(heute: Institut der Feuerwehr)<br />

NRW, 1996.<br />

[5] N.N.: „Feuerwehr-Dienstvorschrift 100<br />

– Führung und Leitung im Einsatz“;<br />

Stuttgart: Kohlhammer, 1999.<br />

[6] N. N.: „Ausbildungs- und Gebrauchsanleitung<br />

– Taktische Zeichen“; 2002.<br />

[7] Cimolino, Ulrich; Hußmann, Thomas;<br />

Kronenberg, Horst; Schneider, Siegfried:<br />

„Einsatzstellen-Kommunikation“, Landsberg:<br />

ecomed Sicherheit, 2000<br />

[8] Löffler, J., Biatov, K., Eckes, Ch., Köhler,<br />

J.: iFinder: An MPEG-7-based Retrieval<br />

System for Distributed Multimedia<br />

Content, ACM Multimedia Conference<br />

2002, 431-435, 2000<br />

[9] Löffler, J., Biatov, K., Köhler, J.: Automatic<br />

Extraction of MPEG-7 Audio<br />

Metadata Using the Media Asset Management<br />

System iFinder, AES 25th International<br />

Conference: Metadata for Audio,<br />

London, UK, June 17-19, 2004<br />

Prof. Dr. Rainer Koch, Bo-Sik Lee, Rüdiger<br />

Harnasch, Universität Paderborn; Dr. Jobst<br />

Löffler, Dr. Joachim Köhler, Fraunhofer Institut<br />

<strong>für</strong> Medienkommunikation


Seite 42<br />

Zusammenfassung<br />

Sicherheit im Geoinformationsmanagement<br />

mit offenen Standards und Geodateninfrastrukturen<br />

Markus Müller<br />

<strong>Sicherheitskommunikation</strong>, also das Management<br />

von Informationen, die zwischen Organisationen<br />

ausgetauscht werden, die Sicherheitsaufgaben<br />

wahrnehmen, umfasst eine<br />

große Spannbreite von Anwendungsgebieten,<br />

die sich aber durch eine Reihe von Gemeinsamkeiten<br />

auszeichnen. Insbesondere sind<br />

dies die verteilte Zuständigkeit und Speicherung<br />

der Daten, und der Raumbezug vieler<br />

benötigter Informationen. Das Mittel der<br />

Wahl zum Management von verteilten und<br />

raumbezogenen Datenbeständen sind Geodateninfrastrukturen<br />

Auf technischer Ebene<br />

zeichnen sich Geodateninfrastrukturen dadurch<br />

aus, dass sie über normierte Web-<br />

Services raumbezogene Metadaten, Karten,<br />

Geodaten oder auch 3D-Sichten austauschen.<br />

Der Key Player bei der Standardisierung dieser<br />

Web-Services ist das Open Geospatial<br />

Consortium (OGC), ein Industriekonsortium,<br />

das aus über 250 Organisationen der Geoinformationsbranche<br />

besteht. <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />

benötigt möglichst aktuelle Informationen,<br />

so dass der Einsatz dieser OGC<br />

Web Services (OWS) einen großen Vorteil<br />

darstellen kann. Für bestimmte Informationen<br />

ist es natürlich nicht immer gewünscht, dass<br />

Daten <strong>für</strong> jeden zur Verfügung stehen, was<br />

bei standardisierten Web-Services im Internet<br />

zumindest prinzipiell der Fall ist. Aus diesem<br />

Grund ist es notwendig, den Zugriff auf solche<br />

Dienste zu kontrollieren, ohne dass die<br />

Interoperabilität eingeschränkt wird. Ein Ansatz<br />

hierzu stellt der deegree owsProxy dar,<br />

der Teil des Freie Software / Open Source<br />

Projektes deegree ist. Der Ansatz hier ist, auf<br />

den Standards aufbauend, bzw. diese ergän-<br />

zend sichere Kommunikation herzustellen,<br />

ohne generell Interoperabilität einzuschränken.<br />

Szenario: das Pallas-Unglück<br />

Um die weiteren Ausführung etwas besser zu<br />

motivieren, wurde die Havarie des Holzfrachters<br />

Pallas gewählt, um anhand diesen Beispiels<br />

zu zeigen, wo die Einsatzmöglichkeiten<br />

und Vorteile von standardbasierten Geodateninfrastrukturen<br />

bei der <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />

liegen.<br />

Am 25. Oktober 1998 geriet die Fracht des<br />

Holzfrachters Pallas vor der dänischen Küste<br />

in Brand. Da der Brand von der Besatzung<br />

nicht gelöscht werden konnte, wurde die<br />

Mannschaft evakuiert, aber keine weiteren<br />

Maßnahmen zu Bergung des Schiffes von<br />

Seiten der dänischen Stellen unternommen.<br />

Die Pallas trieb daraufhin führerlos in die<br />

deutsche Wirtschaftszone in Richtung Sylt<br />

(Abbildung 1). Sowohl der Versuch den<br />

Brand an Bord zu löschen, als auch mehrere<br />

Versuche den Frachter abzuschleppen scheiterten,<br />

letzteres aufgrund der schlechten Wetterlage.<br />

Am 30.10. trat erstmals Öl aus dem<br />

Schiffsrumpf aus, was den Vorfall in die Zuständigkeit<br />

der Einsatzleitgruppe zur Bekämpfung<br />

von Meeresverschmutzungen<br />

brachte (siehe Abbildung 2). Erst am<br />

23.11.1998 konnte das Feuer an Bord der Pallas<br />

endgültig gelöscht werden, am 10.1.1999<br />

wurden die Bergungsarbeiten beendet. Ende<br />

August 1999 wurden die Versiegelungsarbeiten<br />

am Schiffsrumpf beendet. Die Gesamtkosten<br />

der Bergungs-, Sicherungs- und Ölbekämpfungsmaßnahmen<br />

beliefen sich auf 25


Abb. 1: Die Irrfahrt der „Pallas“ (Quelle: Reineking, W. 1999)<br />

Seite 43


Seite 44<br />

Millionen Euro, ein Menschenleben war zu<br />

beklagen (Der Vorsitzende der unabhängigen<br />

Expertenkommission „Havarie Pallas“, 2000).<br />

Im gerade zitierten Bericht wurden mehrere<br />

Empfehlungen ausgesprochen, die zur Verbesserung<br />

des bestehenden Notfallmanagement<br />

führen sollen. Da das Thema des vorliegenden<br />

Aufsatzes „Geoinformationsverarbeitung“<br />

ist wird im Folgenden Empfehlung 8<br />

des Berichtes aufgegriffen, die das Thema IT-<br />

Systeme diskutiert. Die <strong>für</strong> dieses Thema relevanten<br />

Teile sind durch Unterstreichen hervorgehoben.<br />

„Empfehlung Nr. 8<br />

Die Expertenkommission empfiehlt, Transpondertechnik<br />

<strong>für</strong> die Fahrzeuge der Seewache<br />

einzuführen. Die Daten sind beim Havariekommando<br />

zusammen mit der Radarüberwachung<br />

zu einem elektronischen Positionsbild<br />

zusammenzufassen. Die Softwaresysteme<br />

zum Krisenmanagement sind zu verbessern.<br />

Begründung:<br />

Die technische Ausrüstung <strong>für</strong> die Beurteilung<br />

der aktuellen Lage im Zentralen Meldekopf<br />

bzw. den Küstenwachzentren ist nicht<br />

ausreichend und auch nicht auf dem technisch<br />

möglichen und notwendigen Stand. Es ist keine<br />

wirklich aktuelle Lageerfassung und -darstellung<br />

vorhanden: Die potentiell <strong>für</strong> die<br />

Notfallbekämpfung eingesetzten Schiffe werden<br />

nicht automatisch erfasst und in einem<br />

Lagedisplay dargestellt, sondern müssen mit<br />

der Hand manuell erfasst und laufend nachgeführt<br />

werden. Zur Erfassung der Positionen<br />

und anderer wichtiger Daten der beteiligten<br />

Schiffen müssen die Behördenschiffe und Notfallschlepper<br />

mindestens mit AIS-Transpondern<br />

(Automatisches Identifikationssystem)<br />

ausgerüstet wrden. Sinnvoll wäre eine Anlehnung<br />

an das System der schwedischen Küstenwache,<br />

das ständig ein vollständiges Lagebild<br />

der gesamten Küste ermöglicht.<br />

Abb. 2: Aufnahme der leckgeschlagenen Pallas, eine Ölsperre ist erkennbar (Quelle: http://www.pollutioncontrol.de/htm/Pallas/)


Zur Verbesserung des Krisenmanagements<br />

soll ein Software-System <strong>für</strong> die Unterstützung<br />

des Havariekommandos bereitgestellt<br />

werden, welches <strong>für</strong> das gesamte Notfallmanagement<br />

eine Hilfe bei der Entscheidungsfindung<br />

bietet, vor allem auch schon in der<br />

wichtigen ersten Phase gleich nach dem Eintreten<br />

eines Unfalles. Das vorhandene Software-System<br />

REMUS bietet bis jetzt nur eine<br />

Hilfe nach einem Schadstoffaustritt und konnte<br />

im Fall „Pallas“ nicht in der erwartete<br />

Weise benutzt werden.“<br />

Es lässt sich also zusammenfassend feststellen,<br />

dass die integrierte Darstellung von<br />

raumbezogenen Informationen in Form einer<br />

aktuellen Lagedarstellung eine absolute Notwendigkeit<br />

darstellt. Weiterhin kann festgestellt<br />

werden, dass diese Anforderung bislang<br />

nicht erfüllt wird.<br />

Die Daten, die zur adäquaten Reaktion auf<br />

ein Unglück, das vergleichbar mit den gerade<br />

beschriebenen Vorfällen ist, zeichnen sich<br />

durch die folgenden Eigenschaften aus:<br />

Raumbezug<br />

Da die Beurteilung der Lage nur möglich ist<br />

mit Hilfe von graphischen Darstellungen der<br />

Situation, also im einfachsten Fall Karten, ist<br />

die Notwendigkeit von Geodaten bereits gegeben.<br />

Fast alle Daten, die zur Beurteilung<br />

der Lage notwendig sind, sind von ihrer Natur<br />

her Geodaten, allerdings heißt das noch nicht,<br />

dass alle diese Daten auch automatisiert mit<br />

einem Raumbezug versehen werden. Ein gutes<br />

Beispiel hier<strong>für</strong> sind die in der zitierten<br />

Empfehlung beschriebenen Transponder <strong>für</strong><br />

die Fahrzeuge der Seewache.<br />

Räumliche und organisatorische<br />

Verteilung<br />

Seite 45<br />

Die benötigten Daten sind an unterschiedlichen<br />

Orten gespeichert, bzw. werden an unterschiedliche<br />

Stellen gemeldet. Dies bezieht<br />

sich sowohl auf die räumliche Verteilung als<br />

auch – was das Problem stark verkompliziert<br />

– was die zuständigen Organisationen angeht.<br />

Diese verteilte Zuständigkeit bezieht sich vor<br />

allem auf die verschiedenen Ressorts, die relevante<br />

Daten haben. Die Zusammenführung<br />

dieser Daten ist zur vollständigen Beurteilung<br />

der Lage notwendig. Darüber hinaus nehmen<br />

Vorfälle, die das Katastrophen- oder Notfallmanagement<br />

auf den Plan rufen, keine Rücksicht<br />

auf Verwaltungsgrenzen. Das Pallas-<br />

Szenario zeigt, dass Datenaustausch über<br />

Staatengrenzen hinweg notwendig gewesen<br />

wäre. Aber auch im innerdeutschen Gebiet<br />

tauchen diese Problem auf, da Katastrophenmanagement<br />

keine hoheitliche Aufgabe des<br />

Bundes ist und somit ein über Länder- und<br />

Kommunalgrenzen hinweg wirksames Informationsmanagement<br />

benötigt.<br />

Aktualität<br />

Zur Beurteilung der Situation müssen die Daten<br />

hochaktuell sein. Diese Anforderung ist<br />

sonst in wohl keinem Anwendungsfall von<br />

Geoinformation von so großer Bedeutung.<br />

Veraltete Informationen können zu Fehleinschätzungen<br />

der Lage führen und somit zu fatalen<br />

Folgen . Das Sammeln und Spiegeln von<br />

Datenbeständen, die der ständigen Aktualisierung<br />

unterliegen ist deshalb unter allen möglichen<br />

Umständen zu vermeiden.


Seite 46<br />

Integration<br />

Die verteilten Daten müssen unbedingt zusammengeführt<br />

werden, um die integrative<br />

und interdisziplinäre Analyse zur ermöglichen.<br />

Dies umfasst sowohl, dass die Datenformate<br />

übertragbar bzw. kombinierbar sind,<br />

als auch dass die Georeferenz zusammengeführt<br />

werden kann, also dass die Daten entweder<br />

in einem einheitlichen Koordinaten-<br />

Referenzsystem vorliegen oder dass die integrierende<br />

Software die Möglichkeit hat, eine<br />

entsprechende Umrechnung vorzunehmen.<br />

Zugriffskontrolle<br />

Die benötigten Daten sollen nicht alle <strong>für</strong> jedermann<br />

zur Verfügung stehen. Gerade beim<br />

Katastrophenmanagement muss gewährleistet<br />

sein, dass Daten nicht an den falschen Empfänger<br />

geraten, um unkontrollierte Informationsverbreitung<br />

zu vermeiden. Bei Anwendungsfällen<br />

der Terrorbekämpfung ist diese<br />

Anforderung von besonderer Wichtigkeit.<br />

Dies macht es notwendig ein abgestuftes Zugriffskonzept<br />

zu benutzen, dass verschiedene<br />

Informationsstufen zur Verfügung stellt, die<br />

bestimmten Rollen zugeordnet werden.<br />

Geodateninfrastrukturen<br />

Die Mittel der Wahl zur Lösung der beschriebenen<br />

Probleme stellen Geodateninfrastrukturen<br />

dar. Sie können verstanden werden als<br />

„ein offenes Geodatennetz, das Geodatenproduzenten,<br />

Geodatenverarbeiter und -veredler<br />

sowie Geodatennutzer verbindet und so den<br />

Zugang zu allen verfügbaren Geodaten ermöglicht.<br />

Insbesondere soll ein problemloser<br />

Zugang zur Nutzung und marktwirtschaftlichen<br />

Wertschöpfung auf der Basis von behördlichen<br />

und privaten Geodaten (z. B. zu<br />

Umweltschutz, Abfallwirtschaft, Straßennetz,<br />

Gebäudeeigentum, Telekommunikation) gewährt<br />

werden“ (Altmaier und Müller 2002).<br />

Das derzeitige Wissen über Geodateninfrastrukturen<br />

ist in Bernard/Fitzke/Wagner<br />

(2004) zusammengefasst, sowohl in technischer<br />

als auch organisatorischer Hinsicht.<br />

Die Entwicklung von Geodateninfrastrukturen<br />

stellt einen Paradigmenwechsel in der<br />

raumbezogenen Informationsverarbeitung dar.<br />

Waren raumbezogene Informationssystem<br />

(GIS), auch im Katastrophen- und Notfallmanagement,<br />

in der Vergangenheit dadurch gekennzeichnet,<br />

dass sie sehr komplex, abgeschlossen<br />

und nur von Experten bedienbar<br />

waren – man spricht hier auch von monolithischen<br />

Systemen – sind Geodateninfrastrukturen<br />

verteilt, offen, webbasiert und stellen Benutzerschnittstellen<br />

zur Verfügung, die von<br />

jedem bedienbar sind. Geodateninfrastrukturen<br />

sind standardisiert und Internet-basiert.<br />

Was uns zu der Rolle des Open Geospatial<br />

Consortium (OGC) bringt.


Abb. 3: Zusammenspiel von OGC Komponenten, schematisch (Quelle: OGC -Folie)<br />

Bedeutung des Open Geospatial<br />

Consortium<br />

Das OGC stellt – in enger Zusammenarbeit<br />

mit dem Technical Committee 211 der International<br />

Standardisation Organisation, ISO;<br />

den Key Player im Bereich Standardisierung<br />

raumbezogener Informationssysteme dar. Das<br />

OGC verfolgt zwei Ziele:<br />

1. ... die kommerzielle Herstellung interoperabler<br />

Software zur Verarbeitung raumbezogener<br />

Informationen fördern und<br />

2. die breite Integration dieser Software in<br />

Standard-IT-Verfahren voranzutreiben.<br />

Schematisch wird das Zusammenspiel der<br />

durch das OGC standardisierten Komponenten<br />

in Abb. 3 dargestellt. Das Framework of<br />

OpenGIS Interfaces, wird durch Software-<br />

Seite 47<br />

komponenten ausgefüllt, die von verschiedenen<br />

Herstellern oder Forschungseinrichtungen<br />

implementiert werden. Möchte man nun eine<br />

spezielle Anwendung aufbauen, kann man die<br />

Komponenten zusammenstellen und erhält so<br />

das gewünschte System.<br />

Die ersten Spezifikationen des OGC benutzten<br />

verschiedene Protokolle, um Schnittstellen<br />

zu definieren, so unter anderem<br />

CORBA, SQL/JDBC, COM und HTTP. Ein<br />

sehr erfolgreiches Ergebnis der Arbeit in den<br />

frühen Jahren des OGC stellte die Simple<br />

Features Specification for SQL (Ryden 1999)<br />

dar, die Geodatenbanken wie Oracle Spatial,<br />

Postgres/PostGIS oder mySQL erst ermöglichte.<br />

Davon abgesehen müssen fast alle<br />

Spezifikationen, die nicht Internet-basiert sind<br />

(also auf HTTP aufbauen) als gescheitert an-


Seite 48<br />

gesehen werden, da sie kaum umgesetzt wurden.<br />

Web Services und damit das HTTP -<br />

Protokoll haben sich zwischenzeitlich als<br />

Plattform zu Entwicklung verteilter Systeme<br />

durchgesetzt. Aus diesem Grund sind alle<br />

neueren Standards HTTP-basiert, man spricht<br />

hierbei von OGC Web Services (OWS).<br />

OGC Web Services<br />

Web Services kommunizieren im Allgemeinen<br />

über HTTP, das Protokoll des Internet.<br />

Das OGC spezifiziert eine große Menge von<br />

Web Services zur Abfrage, Verarbeitung und<br />

Präsentation raumbezogener Daten. Eine<br />

(nicht vollständige) Übersicht über die OGC<br />

Web Services gibt Abb. 4.<br />

Die Spannbreite der Möglichkeiten, die<br />

diese Dienste zur Verfügung stellen ist groß.<br />

Ohne im Einzelnen auf sie einzugehen, sollen<br />

die Aufgaben der Wichtigsten erläutert werden<br />

(von links nach rechts):<br />

• Web Coordinate Transformation Service:<br />

Transformation von Geokoordinaten<br />

Abb. 4: Übersicht der OGC Web Services<br />

• Web Map Service (WMS): Produktion von<br />

Karten; beim Styled Layer Descriptor<br />

WMS kann der Client Einfluss auf die<br />

Darstellungsvorschriften nehmen.<br />

• Web Feature Service (WFS): Abfrage von<br />

Vektor-Geodaten. Ein Gazetteer Service<br />

dient als Spezialisierung dazu Raumbezugsbezeichner<br />

wie Ortsnamen zu georeferenzieren;<br />

ein Transactional WFS erlaubt<br />

es dem Client die Daten zu modifizieren<br />

oder neue anzulegen.<br />

• Web Coverage Service: Abfrage von feldbasierten<br />

(Raster-)Geodaten<br />

• Web Terrain Service: Darstellung von<br />

Sichten auf 3D-Daten und Karten<br />

• Sensor Collection Service: Abfrage von<br />

Messdaten und Zeitreihen wie sie von allen<br />

Arten von Sensoren erzeugt werden.<br />

Die Vielfalt der Funktionalitäten zeigt die<br />

Flexibilität, die beim Einsatz von OWS gewährleistet<br />

ist. Die große Bandbreite der<br />

Dienste macht es möglich Systeme des Katastrophen-<br />

und Notfallmanagements auf diesen<br />

aufzubauen.


Offenheit versus Kontrolle über den<br />

Datenfluss<br />

Das Ziel, das man mit der Definition offener<br />

Standards erreichen will ist Interoperabilität<br />

zwischen Softwarekomponenten. Dies hat zur<br />

Folge, dass jeder, der einen entsprechenden<br />

Standard-Client besitzt, auf alle Daten zugreifen<br />

kann, die ein passender Service zur Verfügung<br />

stellt. Dies bedeutet im Umkehrschluss<br />

natürlich auch, dass die Daten auch<br />

<strong>für</strong> jene Personen abfragbar sind, die nicht ursprünglich<br />

als die eigentlichen Empfänger<br />

vorgesehen waren. In der <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />

möchte man diesen Effekt natürlich<br />

vermeiden. Sender und Empfänger sind bekannt<br />

und es ist Kontrolle über den Datenfluss<br />

notwendig.<br />

Was sich auf den ersten Blick als ein Widerspruch<br />

darstellt ist bei näherer Betrachtung<br />

keiner, denn letztendlich geht es nur darum,<br />

offene Standards mit Sicherheitsmechanismen<br />

auszustatten. Das OGC hat diese Notwendigkeit<br />

zwischenzeitlich erkannt und Ende des<br />

Jahres 2004 eine neue Arbeitsgruppe mit dem<br />

Namen Geo Digital Rights Management Working<br />

Group (GeoDRM WG) ins Leben gerufen.<br />

Diese befasst sich mit allen Fragen der<br />

Sicherheit und des Rechtemanagements bezogen<br />

auf OGC Standards, insbesondere OGC<br />

Web Services. Auch wenn die Arbeitsgruppe<br />

erst seit kurzem besteht und verabschiedete<br />

Standards noch einige Zeit auf sich warten<br />

lassen werden, zeichnen sich schon einige<br />

grundsätzliche Ergebnisse ab. Die bislang<br />

vorhandenen Standards werden nicht samt<br />

und sonders überarbeitet und um GeoDRM<br />

Mechanismen erweitert werden, sondern diese<br />

werden die vorhandenen Standards benutzen<br />

und um diese herum Sicherheitsmechanismen<br />

implementieren. Dies hat insbesondere zur<br />

Folge, dass auch in Zukunft die schon vorhandenen<br />

Standard-Clients und Services eingesetzt<br />

werden können.<br />

Seite 49<br />

Für die Übergangszeit müssen somit Lösungen<br />

gefunden werden, die auf gleiche<br />

Weise funktionieren; sie müssen sichere<br />

Kommunikationsflüsse gewährleisten und die<br />

Interoperabilität nur zu einem Mindestmaß<br />

einschränken. Ein Ansatz zur Lösung dieses<br />

Problems stellt das im Folgenden diskutierte<br />

Open Source-Paket deegree owsProxy dar.<br />

deegree owsProxy<br />

Der deegree owsProxy stellt eine Komponente<br />

dar, die als Teil des Open Source Projektes<br />

deegree entwickelt wurde (Fitzke et al. 2002).<br />

deegree stellt die zum derzeitigen Augenblick<br />

umfangreichste Umsetzung von OGC-Standards<br />

in einem Open Source Projekt dar.<br />

deegree stellt Implementierungen von OWS<br />

als auch die entsprechenden Clients zur Verfügung.<br />

Die Idee, auf der deegree owsProxy basiert<br />

ist, dass.ein Stellvertreter (Proxy) vor dem eigentlichen<br />

OWS verhält sich wie der entsprechende<br />

OWS selbst, bietet aber zusätzliche<br />

Filtermöglichkeiten <strong>für</strong> Ein- und Ausgabe an,<br />

beispielsweise:<br />

• Es werden mehrere Sichten auf einen OWS<br />

eingerichtet. Unterschiedliche Nutzer haben<br />

jeweils nur Zugriff auf eine Teilmenge<br />

dieser Sichten (Kartenservice 1 <strong>für</strong> Planungsdaten,<br />

Kartenservice 2 <strong>für</strong> Topographie,<br />

Kartenservice 3 <strong>für</strong> Gewässerdaten<br />

etc.).<br />

• In einem OWS-Proxy können verschiedene<br />

Nutzer nur auf bestimmte Layer zugreifen.<br />

• Der Zugriff kann darüber hinaus räumlich<br />

eingeschränkt sein, also z.B. nur <strong>für</strong> ein<br />

bestimmtes Stadtviertel, einen Baublock<br />

etc.<br />

• Die Ausgabe kann gefiltert werden, beispielsweise<br />

die Qualität der Ausgabe, die<br />

Kartengröße oder auch abgeleitete Parameter<br />

wie die Auflösung der Karte.


Seite 50<br />

• Ferner kann die Ausgabe abhängig von den<br />

Zugriffsrechten auch modifiziert werden,<br />

z.B. Filtern der Capabilities, der GetFeatureInfo<br />

response oder Einblenden eines<br />

Wasserzeichens in eine Karte.<br />

Diese Einschränkungen können <strong>für</strong> die verschiedenen<br />

Operationen eines OWS (z.B.<br />

GetCapabilities, GetMap, GetFeatureInfo,<br />

GetFeature) einzeln gesteuert werden. Das<br />

Paket deegree owsProxy besteht aus einer<br />

Rechtedatenbank, dem owsProxy selbst und<br />

einem Policies-Repository, in dem instanzweite<br />

Sicherheitsrichtlinien definiert sind.<br />

Es ist mit dieser Lösung möglich, sichere<br />

Datenflüsse zu gewährleisten und dabei trotzdem<br />

Interoperabilität nur im ungedingt notwendigen<br />

Umfang einzuschränken. Wird beispielsweise<br />

mit einem Standard-Client auf einen<br />

durch owsProxy gekapselten Dienst<br />

zuzugreifen, wird dieser einfach alle Daten<br />

zur Verfügung gestellt bekommen, die frei<br />

verfügbar sind, der Nutzer wird nicht einmal<br />

auf die Idee kommen, dass ihm Daten vorenthalten<br />

werden.<br />

Ausblick<br />

Katastrophen und Unfallmanagement stellt<br />

einen Anwendungsfall par excellence dar, was<br />

die Einsatzmöglichkeiten von Geodateninfrastrukturen<br />

und offenen Standards betrifft. Insbesondere<br />

die Forderungen des integrierten<br />

Zugriffs auf verteilte Geodatenbestände und<br />

die graphische Darstellung hochaktueller Lageinformation<br />

können mit anderen Mitteln<br />

nicht erreicht werden. Die Anforderungen an<br />

sichere Kommunikationsströme werden in<br />

Zukunft durch spezielle Standards zum Management<br />

von Zugriffsrechten und der Datensicherheit<br />

des OGC erfüllt werden. In der Übergangszeit<br />

sind Lösungen notwendig, die<br />

unter Benutzung der existierenden Standards<br />

und deren Implementierungen Sicherheit ge-<br />

währleisten. Der deegree owsProxy stellt eine<br />

entsprechende Lösung dar.<br />

Literatur<br />

Altmaier, A. und Müller, M. (2002): Geodateninfrastruktur.<br />

In: STANDORT Zeitschrift<br />

<strong>für</strong> Angewandte Geographie 26.<br />

Jahrgang., Heft 3/2002, S. 103-106.<br />

Bernard, L., Fitzke, J. und Wagner, R. (Hrsg.)<br />

(2004): Geodateninfrastruktur. Grundlagen<br />

und Anwendungen.<br />

Der Vorsitzende der unabhängigen Expertenkommission<br />

„Havarie Pallas“ (2000): Bericht<br />

Fitzke, J., Greve, K., Müller, M und Poth, A.<br />

(2003): deegree – ein Open Source Projekt<br />

zum Aufbau von Geodateninfrastrukturen<br />

auf der Basis aktueller OGC- und ISO-<br />

Standards. In: Geo-Informationssysteme<br />

16, Heft 9, S. 10-16.<br />

Fitzke, J., Müller, M. und Greve, K. (2002):<br />

Environmental Data Infrastructures. In:<br />

Pillmann W. und Tochtermann K. (Hrsg.):<br />

Environmental Communication in the Information<br />

Society. Beiträge zum 16. internationalen<br />

Symposium Informatics for Environmental<br />

Protection, Wien 2002, S.<br />

605-610.<br />

Reineking, B., 1999: The Pallas Accident.<br />

Wadden Sea Newsletter 1999-1 (S. 22-25).<br />

Available from http://www.waddenseasecretariat.org/news/publications/<br />

Wsnl/-<br />

Wsnl99-1/articles/09-reineking.pdf.<br />

Ryden, K. (Hrsg.)(1999): OpenGIS specification<br />

Simple Features for SQL. OpenGIS<br />

Project Document 99-049. http://www.opengis.org/specs/?page=specs<br />

Markus Müller, lat/lon GmbH, Hamburg.


Das Deutsche Rote Kreuz hilft Älteren, Kranken,<br />

Behinderten, Notleidenden, Jugendlichen<br />

Familien, und das alles auch international.<br />

Wesentliche Faktoren <strong>für</strong> alle Hilfsmaßnahmen<br />

sind die Dringlichkeit und zuverlässige<br />

Kommunikation.<br />

• Dringlichkeit<br />

o Zeitkritische Notfälle<br />

o Zeitunkritische Hilfeersuchen<br />

• Zuverlässige Kommunikation<br />

o Einheitliche Notrufnummern<br />

o Moderne Alarmierungs- und Kommunikationstechnik<br />

o Sichere Navigation und Mobilfunkmöglichkeiten<br />

o Telemetrische Verfahren am Notfallort<br />

o Zuverlässige Kommunikation mit Kliniken<br />

u.a.<br />

Entscheidendes Kriterium <strong>für</strong> den Einsatzablauf<br />

ist die Frage nach der Dringlichkeit.<br />

Zeitkritische Notfälle bedürfen unverzüglicher<br />

Maßnahmen. Hierzu ist eine "<strong>Sicherheitskommunikation</strong>"<br />

notwendig. Zeitunkritische<br />

Hilfeersuchen können über die üblichen<br />

Kommunikationswege (Telefon, Fax, persönliches<br />

Gespräch, Brief u.s.w.) abgearbeitet<br />

werden.<br />

Die erfolgreiche Klärung einer notfallmedizinischen<br />

Situation ist von zwei Komponenten<br />

entscheidend abhängig. Zum einen vom<br />

Funktionieren der Rettungskette „Sofortmaßnahmen,<br />

Notruf, Erste Hilfe, Rettungsdienst,<br />

Krankenhaus“ und zum zweiten von der<br />

schnellen und zuverlässigen Kommunikation<br />

zwischen und innerhalb der einzelnen Glieder<br />

dieser Kette<br />

• durch vielfältige Notrufmöglichkeiten<br />

durch den Patienten oder dessen Umfeld,<br />

Seite 51<br />

Anforderungen an <strong>Sicherheitskommunikation</strong><br />

aus der Sicht des Deutschen Roten Kreuzes<br />

Johannes Richert<br />

• durch schnelle und moderne Alarmierungs-<br />

und Kommunikationstechnik in den Rettungsleitstellen,<br />

• durch sichere Navigation und Mobilfunkmöglichkeiten<br />

in den Rettungsmitteln,<br />

• durch telemetrische Verfahren am Notfallort,<br />

• durch die schnelle und zuverlässige <strong>mobile</strong><br />

Kommunikation mit geeigneten Zielkliniken<br />

und<br />

• durch moderne und flexible innerklinische<br />

Ansprache-, Alarmierungs- und Kommunikationswege.<br />

An einem Werktag gehen bundesweit<br />

durchschnittlich rund 30.400 Hilfeersuchen in<br />

den Rettungsleitstellen ein, an einem Sonntag<br />

sind es immerhin noch durchschnittlich<br />

17.800. Die determinierende Stellgröße <strong>für</strong><br />

einen erfolgreichen Einsatz ist der Faktor Zeit<br />

innerhalb und zwischen den Gliedern der Rettungskette.<br />

Kurze Kommunikations- und Informationswege<br />

sind hierbei unerlässlich.<br />

Einzelne Bundesländer haben in ihren Rettungsdienstgesetzen<br />

sogenannte Hilfsfristen<br />

festgeschrieben, die zwischen 10-15 Minuten<br />

liegen. Das bedeutet, innerhalb dieser Spanne<br />

muss nach Eingang des Alarms in der Rettungsleitstelle<br />

ein Rettungsmittel den Notfallort<br />

erreichen.<br />

Die Bundesanstalt <strong>für</strong> Straßenwesen weist<br />

in ihrem Bericht aus 1999 eine Dispositions-<br />

und Alarmierungszeit in Rettungsleitstellen<br />

von 1,2 Minuten aus. Diese Werte sind nur<br />

mit hochmoderner Kommunikationstechnik<br />

zu erreichen. Für Notfalleinsätze errechnete<br />

sich insgesamt eine mittlere Hilfsfrist von 7,8<br />

Minuten, wobei 95% der Notfälle innerhalb<br />

von 16 Minuten erreicht wurden. Unter den


Seite 52<br />

Aspekten Effektivität und Qualität der medizinischen<br />

Versorgung muss der Zeitraum zwischen<br />

dem schädigenden Ereignis und dem<br />

Beginn der notfallmedizinischen Versorgung<br />

– dem sogenannten therapiefreien Intervall –<br />

so kurz wie möglich sein.<br />

Die Minimierung des therapiefreien Intervalls<br />

hat in den letzten 15 Jahren <strong>für</strong> das Outcome<br />

der Notfallpatienten besonders beim<br />

Herz-Kreislaufstillstand, aber auch beim akuten<br />

Coronarsyndrom bzw. Herzinfarkt, bei der<br />

hypertensiven Krise, beim Schlaganfall und<br />

bei schweren Traumen zunehmend an Bedeutung<br />

gewonnen. Zerlegt man die Gesamtzeit<br />

eines Einsatzes in Einzelkomponenten, stellt<br />

man fest, dass fast alle Teilzeiten eines rettungsdienstlichen<br />

Einsatzes etwas mit Kommunikation<br />

zu tun haben und technisch beeinflussbar<br />

sind.<br />

Nun zu den Mobilfunkanwendungen. Bei<br />

Notrufen hat das Handy gegenüber beispielsweise<br />

den Notrufsäulen einen deutlichen Zuwachs<br />

erfahren. Jeder zweite Verkehrsunfall<br />

wird bereits heute per Handy gemeldet. In den<br />

Alpen ist der Handyanteil bei Notrufen anläßlich<br />

von Bergunfällen entsprechend. Eine<br />

Studie in der Schweiz ergab, dass die durchschnittliche<br />

Zeit vom Unfall in den Bergen bis<br />

zur Alarmierung der Rettungsmannschaften<br />

durch das Handy von einer Stunde auf etwa<br />

fünf Minuten sank.<br />

Rettungsleitstellen sind heutzutage immer<br />

häufiger integrierte Leitstellen, d.h., sie koordinieren<br />

den Rettungsdienst und die Feuerwehr.<br />

So hat die Leitstelle direkten Zugriff<br />

auf die boden- und luftgebundenen Rettungsmittel,<br />

die an Rettungswachen stationiert sind.<br />

Darüber hinaus steht sie mit Polizei, THW,<br />

sonstigen Behörden, benachbarten Leitstellen,<br />

Giftzentralen, Luftrettung, Bergrettung, Seerettung,<br />

Katastrophenschutz und Kliniken in<br />

Verbindung. Der Zuständigkeitsradius einer<br />

Leitstelle kann durchaus 40 km und mehr<br />

betragen.<br />

Die <strong>mobile</strong> Kommunikation <strong>für</strong> Behörden<br />

und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />

(BOS) erfolgt seit den 70er Jahren per<br />

Sprechfunk auf der Basis analoger Vierkanaltechnik.<br />

BOS-Funkverkehr bedeutet im Gegensatz<br />

zum Mobilfunk-Telefonverkehr<br />

• Verkehr von Endgerät zu Endgerät mit/<br />

ohne Zwischenschaltung einer Leitstelle,<br />

• Verkehr von Leitstellen zu einer Vielzahl<br />

von Endgeräten,<br />

• schneller Wechsel der Verkehrsbeziehungen<br />

zwischen Leitstelle und Endgeräten,<br />

• permantes Mithören des Endgeräte-<br />

Verkehrs durch die Leitstellen.<br />

Die BOS-Technik ist hoffnungslos überaltert<br />

und genügt den technischen, taktischen<br />

und datenschutzrechtlichen Anforderungen<br />

nicht mehr. Insbesondere besteht keine Abhörsicherheit<br />

sowie rauschende Sprachqualität.<br />

Es fehlen Telefonie-Funktionen sowie<br />

Standards <strong>für</strong> eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit.<br />

Abhilfe sollen digitale Sprech-<br />

und Datenfunksysteme schaffen. Diese sind<br />

wie zum Beispiel die digitalen Bündelfunksysteme<br />

Tetra 25 oder Tetrapol als möglicher<br />

EU-Standard in der Erprobung.<br />

Neben der Verbesserung beim grenzüberschreitenden<br />

Rettungsdienst ergeben sich aber<br />

auch folgende Vorteile:<br />

• Mobile Nutzung neuer Medien wie Intranet/Internet,<br />

• <strong>mobile</strong>r Zugriff auf Gefahrgutdaten, Objektdaten<br />

oder Landeplatzdaten <strong>für</strong> die<br />

Luftrettung,<br />

• Übertragung von Telemetriedaten zum<br />

Schutz von in Gefahrenbereichen tätigen<br />

Einsatzkräften,<br />

• Übertragung medizinischer Daten vom Unfallort,<br />

• Gleichzeitigkeit der Übertragung von Sprache<br />

und Daten,<br />

• Möglichkeit des dynamischen Gruppenrufs,<br />

durch den Einsatzkräfte kurzfristig


und ereignisorientiert zu eigenen Funkkreisen<br />

zusammengeschaltet werden können<br />

(z.B. alle Rettungshubschrauber bei einem<br />

Großschadensereignis sowie<br />

• komfortable Übertragungsmöglichkeiten<br />

zu Fest- und Mobilfunktelefonnetzen.<br />

In vielen Rettungsmitteln finden sich heute<br />

Mobilfunktelefone. Sie nehmen Ersatz- oder<br />

Ergänzungsfunktionen <strong>für</strong> die BOS-<br />

Kommunikation wahr. Beispiele sind:<br />

• Die Alarmierung und der Einsatz von First<br />

Respondern. Dies sind Ersthelfer aus den<br />

Kreisen von Rettungsdienst und Feuerwehr.<br />

Diese werden von Leitstellen gezielt<br />

zu meist entfernteren Einsatzorten voralarmiert,<br />

um das therapiefreie Intervall zu<br />

verkürzen und ggf. Maßnahmen der Frühdefibrillation<br />

einzuleiten.<br />

• Übertragung von medizinischen Daten zu<br />

therapeutischen Zwecken in Kliniken.<br />

• Kommunikation außerhalb des BOS-<br />

Funkbereiches. Dieses kommt vor allem<br />

im Interhospitaltransfer über lange Distanzen<br />

und bei Repatriierungseinsätzen aus<br />

dem Ausland vor.<br />

• Koordinierung überregionaler Einsätze von<br />

rettungsdienstlichen Spezialdiensten wie<br />

Kriseninterventionsteams, Höhlenrettung,<br />

Bergrettung etc.<br />

Doch es gibt auch noch eine Reihe offener<br />

Fragen:<br />

• Beim Massenanfall von Verletzten sind<br />

BOS- und Mobilfunknetze hoffnungslos<br />

überlastet.<br />

• In der Luftrettung – die wegen ihrer überregionalen<br />

Funktion besonders auf Mobilfunk<br />

angewiesen ist – funktioniert GSM<br />

nur in niedrigen Höhen zuverlässig. Eine<br />

Alternative ist das teure Satellitentelefon.<br />

Zudem muss die Besatzung eines Hubschraubers<br />

oftmals zwei oder drei Frequenzen<br />

gleichzeitig abhören.<br />

Seite 53<br />

• Die Störanfälligkeit von medizinischtechnischen<br />

Geräten durch Mobilfunk ist<br />

groß. Eine Untersuchung der Universität<br />

Gießen zeigte bei 18 Beatmungsgeräten<br />

Störungen an 12 Geräten durch Mobiltelefone.<br />

Bei anderen Gerätetypen waren ebenfalls<br />

deutliche Störungen zu verzeichnen.<br />

Hier müssen entsprechende Normierungen<br />

bei den Medizingeräteherstellern <strong>für</strong> Abhilfe<br />

sorgen.<br />

Probleme<br />

Das Handy kann auch zur Belastung in einer<br />

Leitstelle werden. Nehmen wir als Beispiel<br />

die integrierte Leitstelle der Berufsfeuerwehr<br />

Aachen, die ein Einzugsgebiet von 250.000<br />

Einwohnern zu betreuen hat. Dort gehen im<br />

Tagesschnitt 64% aller Notrufe per Mobiltelefon<br />

ein. Von diesen wiederum 65 % sind<br />

missbräuchliche Anrufe. Dies ist eine erhebliche<br />

Quote, die auch mit ähnlichen Prozentsätzen<br />

in anderen Städten – auch Großstädten zu<br />

verzeichnen ist. Dieser Missbrauch wird begünstigt<br />

durch die Möglichkeit, auch ohne<br />

Identifikationskarte einen Notruf per Handy<br />

tätigen zu können.<br />

Bereits heute arbeiten Leitstellen in zunehmendem<br />

Maße mit moderner Technik. So<br />

sind Rechner zu finden, die Geodaten von<br />

Einsatzorten mit der Alarmierung auf Meldeempfänger<br />

und in die Einsatzfahrzeuge übertragen.<br />

In Verbindung mit Navigationssystemen<br />

können die Rettungsmittel optimal geführt<br />

und auch lokalisiert werden. Das<br />

Mobilfunktelefon ist in diesen Prozessablauf<br />

bisher allerdings nur sporadisch und allenfalls<br />

als Ergänzung der BOS-Kommunikation eingebunden.<br />

So hat beispielsweise die integrierte<br />

Leitstelle des Kreises Zollernalb in Balingen<br />

diverse Funkschatten. Dort schalten Fahrzeuge<br />

und Leitstelle automatisch auf Mobilfunktelefone<br />

um. Über ein SMS-Center


Seite 54<br />

werden dann Informationen bevorrechtigt<br />

vermittelt.<br />

Für die Rettungsdienste ist die präzise Angabe<br />

des Notfallortes von besonderer Wichtigkeit.<br />

Ein Notfallpatient ist meist nicht in<br />

der Lage, sich in Notsituationen zu orientieren,<br />

die Begleitpersonen sind oft viel zu aufgeregt<br />

<strong>für</strong> präzise Ortsangaben. Hier helfen<br />

Telematikdienste, die auf Knopfdruck oder<br />

per Crashsender eine SOS-Verbindung zu einem<br />

Call Center herstellen, welches nach einer<br />

präzisen Standortermittlung den Notruf<br />

zur nächsten Rettungsleitstelle weiterleiten.<br />

Bereits hier sei die Forderung angebracht,<br />

dass alle Notrufsysteme zu Rettungsleitstellen<br />

geschaltet werden müssen und diese direkt<br />

Standortbestimmungen durchführen.<br />

Die Standortbestimmung via Handys bietet<br />

in Verbindung mit einfachen Meldesystemen<br />

vielfältige Sicherheit. Sei es <strong>für</strong> den Waldarbeiter<br />

in unwegsamem Gelände, sei es <strong>für</strong> den<br />

Freizeitsportler, den vorgeschädigten Herzpatienten<br />

oder den alten Menschen.<br />

Auch das schnelle Erkennen erster Symptome<br />

sowie die schnelle Alarmierung des<br />

Rettungsdienstes beeinflussen die Prognose<br />

erheblich. Dementsprechend wird in der Untersuchung<br />

auf die Bedeutung des rechtzeitigen<br />

Notrufes und bekannter Notrufwege, hier<br />

insbesondere die Notrufnummer 112, hingewiesen.<br />

Es gibt in Deutschland zwei „echte“ Notrufnummern:<br />

110 <strong>für</strong> die Polizei und 112, der<br />

so genannte Feuerwehrruf. Diese Nummer ist<br />

identisch mit dem europäischen Notruf 112.<br />

Hinter diesen Nummern verbergen sich echte<br />

Notruftechnik und Sonderfunktionen, z.B.<br />

• Anrufnummernanzeige (auch bei gesperrter<br />

Rufnummernerkennung)<br />

• Anrufrückverfolgbarkeit („Fangen“)<br />

• die Möglichkeit, einen Anrufer in der<br />

Leitung zu halten („Halten“)<br />

• die Möglichkeit, einen Anrufer aus der<br />

Leitung zu werfen („Trennen“)<br />

• die redundante Ausführung der Übertragungs-<br />

und Vermittlungstechnik (= höhere<br />

(Ausfall-)Sicherheit)<br />

Forderungen<br />

Einheitliche Rufnummer<br />

(Rettungs-) Leitstellen müssen unter einer<br />

einheitlichen Rufnummer erreichbar sein. Wie<br />

schon im Workshop ‚Maria Laach‘ festgelegt,<br />

soll dies die europaweite Notrufnummer 112<br />

sein. Diese verfügt auch über die nötigen<br />

technischen Sonderfunktionen eines „echten“<br />

Notrufs. Daneben sollen aber ggf. zusätzliche<br />

vorhandene Rufnummern beibehalten werden.<br />

Auf keinen Fall darf die eventuell regionale<br />

Rufnummer 19 222 zugunsten der 112 wegfallen,<br />

da die Bevölkerung hieran zum einen<br />

gewöhnt ist, zum anderen diese Nummer als<br />

Ausweichrufnummer im Bedarfsfall genutzt<br />

werden kann. Nicht umsonst wird in vielen<br />

(Rettungs-) Leitstellen die Rufnummer 19 222<br />

neu eingerichtet, wobei sie dort primär als<br />

Rufnummer <strong>für</strong> den Krankentransport Verwendung<br />

findet.<br />

Ausreichende Dimensionierung der<br />

Leitstelle<br />

Wichtig ist zudem die ausreichende Dimensionierung<br />

der (Rettungs-) Leitstelle, d.h., es<br />

darf nicht schon beim „normalen“ Tagesgeschäft<br />

zur Überlastung kommen. Es müssen<br />

auch Ablaufanalysen mit Blick auf eine optimale<br />

Aufgabenerfüllung der gesamten Leitstelle<br />

inklusive der Technik durchgeführt werden,<br />

um einen möglichst reibungslosen Ablauf<br />

in der (Rettungs-) Leitstelle zu erzielen -<br />

auch im Sinne einer optimalen Ressourcennutzung.<br />

Schließlich muss eine Ausfallorganisation<br />

bestehen, die bei Sonderfällen greift.


Ein Sonderfall ist beispielsweise der Massenanfall<br />

von Verletzten, auf den wir im Folgenden<br />

eingehen und dort diese Problematik noch<br />

vertiefend besprechen.<br />

Nutzung der modernen Techniken<br />

Die Leitstelle wird künftig mehr Leistungen<br />

der Gesundheits<strong>für</strong>sorge und Gefahrenabwehr<br />

in Verbindung mit einem höheren Informationsbedürfnis<br />

zu koordinieren haben. Dies ist<br />

bedingt durch die Integration mehrerer Dienste<br />

bei gleichzeitiger Reduktion der Leitstellenzahl.<br />

Die Einführung von Fallpauschalen<br />

(desease related groups) und die damit verbundene<br />

Spezialisierung der Krankenhäuser<br />

wird einen erhöhten Transportbedarf über<br />

längere Strecken nach sich ziehen. Der grenz-<br />

Seite 55<br />

überschreitende europäische Rettungsdienst<br />

muss aus seinen Kinderschuhen herauskommen.<br />

Und schließlich wird der Repatriierungseinsatz<br />

mehr komfortable Diagnostik<br />

über lange Distanzen benötigen.<br />

Dies alles ist ohne Mobilfunk völlig undenkbar.<br />

Neue Alarmierungswege <strong>für</strong> Notfallpatienten,<br />

neue Kommunikationsnetze, die<br />

Online-Nutzung der Informationsnetze sowie<br />

in der Folge verbesserte Diagnose- und Therapiewege<br />

beschreiben die Chancen der Zukunft<br />

<strong>für</strong> den Rettungsdienst. Der Notfallpatient<br />

wird es danken. Denn Mobilfunk rettet<br />

Leben.<br />

Dr. Johannes Richert ist Bereichsleiter Internationale<br />

Hilfe beim Deutschen Roten Kreuz,<br />

Berlin.


Seite 56<br />

Die „Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />

(BOS)“ in Deutschland<br />

sind die 18 Polizeien des Bundes und der<br />

Länder, Zoll, die Berufs- und die Freiwilligen<br />

Feuerwehren, das Technisches Hilfswerk<br />

(THW), die <strong>Hilfsorganisationen</strong> Arbeiter Samariter<br />

Bund (ASB), Deutsches Rotes Kreuz<br />

(DRK), Johanniter Unfallhilfe (JUH), Malteser<br />

Hilfsdienst (MHD) sowie die Deutsche<br />

Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Bei den<br />

BOS sind insgesamt rund 2 Millionen haupt-<br />

und ehrenamtliche Einsatzkräfte organisiert,<br />

den Hauptteil stellen die Freiwilligen Feuerwehren<br />

mit rund 1,1 Millionen Aktiven der<br />

22.500 kommunalen Feuerwehren. Der ASB<br />

hat 7.000 Aktive, die DLRG 45.000, das DRK<br />

305.000, die JUH 24.000, der MHD 31.000<br />

und das THW 60.000.<br />

Wie ist die Kommunikation der BOS organisiert?<br />

Betrachten wir zunächst die Leitstellen:<br />

2004 gab es in Deutschland schätzungsweise<br />

rund 1.200 Polizei-Leitstellen. Mit der<br />

Polizeireform in einigen Ländern wird die<br />

Anzahl grundsätzlich reduziert. Der Rettungsdienst<br />

ist Aufgabe der 323 Landkreise<br />

und der 117 kreisfreien Städte. Bisher betreibt<br />

fast jede Gebietskörperschaft ihre eigene Leitstelle.<br />

In den 117 Städten und 14.300 Gemeinden<br />

gibt es insgesamt 23.400 Feuerwehren,<br />

die von rund 400 Leitstellen alarmiert<br />

und geführt werden (100 Berufsfeuerwehren,<br />

870 Werkfeuerwehren und 22.400 Freiwillige<br />

Feuerwehren).<br />

Eine Leitstelle ist eine ständig besetzte<br />

Einrichtung zur Annahme von Notrufen und<br />

sonstigen Meldungen sowie zum Alarmieren,<br />

zum Koordinieren und zum Lenken von<br />

Einsatzkräften. Es gibt verschiedene Arten<br />

von Leitstellen: Polizei- und BGS-Leitstellen<br />

Die Kommunikation der BOS –<br />

Organisatorische und technische Aspekte<br />

Albrecht Broemme<br />

Feuerwehr-Leitstellen, Rettungsdienst-Leitstellen,<br />

Krankentransport-Leitstellen, Leitstellen<br />

der kassenärztlichen Vereinigung, Katastrophenschutz-Leitstellen,<br />

„Gemeinsame Leitstellen“<br />

(Feuerwehr und Rettungsdienst) sowie<br />

„Integrierte Leitstellen“. Ministerien der<br />

Länder und des Bundes, Regierungspräsidien,<br />

<strong>Hilfsorganisationen</strong> und das THW betreiben<br />

<strong>für</strong> ihre Zuständigkeitsbereiche eigene Leitstellen.<br />

Damit jedermann in Europa Hilfe herbeiholen<br />

kann, wurde bereits 1991 europaweit<br />

als Notruf die „112“ eingeführt, die in<br />

Deutschland bislang nur <strong>für</strong> die Feuerwehr<br />

verwendet wurde. Die technische Einführung<br />

des europaweit einheitlichen Notrufs erfolgte<br />

ab 1998. Ein praktisches Problem sind die 16<br />

Sprachen, die von keiner Leitstelle beherrscht<br />

werden können. Die Feuerwehr Aachen hat<br />

hierzu ein EU-Projekt initiiert, um ein Lernprogramm<br />

zu entwickeln, mit dem Leitstellenpersonal<br />

Grundkenntnisse <strong>für</strong> das Notrufgespräch<br />

in den Amtssprachen lernen kann<br />

(Informationen unter www.sos112.info).<br />

Das Anrufaufkommen in den Leitstellen ist<br />

beträchtlich: In der 3,5-Millionen-Metropole<br />

Berlin gibt es jährlich über 12 Mio. Anrufe,<br />

davon 10 Mio. bei der Polizei, eine Mio. <strong>für</strong><br />

Krankentransporte und -fahrten, 500.000<br />

beim Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst<br />

und 500.000 bei der Feuerwehr.<br />

Die Aufgaben einer klassischen Leitstelle<br />

umfassen die Verarbeitung von Meldungen<br />

(Notrufe), die Verarbeitung und die Bereithaltung<br />

von Informationen aller Art, die Steuerung<br />

von Einsätzen, die Kontrolle der Einsätze,<br />

die Abrechnung von Einsätzen sowie die<br />

Erhebung statistischer Daten. Leitstellen müssen<br />

alltägliche Einsätze, Großschäden und


Katastrophen bewältigen. Während im Rettungsdienst<br />

das übliche Einsatzaufkommen<br />

der Tages- und Wochenganglinien folgt, können<br />

schwere Unglücke oder Großschadenslagen<br />

jederzeit und überall eintreten. Hierbei<br />

sind Leitstellen, die nachts nur mit ein oder<br />

zwei Personen besetzt sind, schnell hoffnungslos<br />

überfordert.<br />

Ich vertrete daher die Vorstellung, dass<br />

weniger Leitstellen mit überregionaler Vernetzung<br />

und guter technischer Ausstattung<br />

mehr Sicherheit bieten. Das setzt voraus, dass<br />

ein Leitstellenbereich nicht automatisch durch<br />

die üblichen Verwaltungsgrenzen bestimmt<br />

wird, sondern nach taktischen Aspekten gebildet<br />

wird. Digitale Karten, GPS, usw. ersetzen<br />

Ortskenntnisse. Hierbei würde auch die<br />

Steuerung von Spezialmitteln und Reserven<br />

besser möglich sein. Zweifellos ist eine Leitstelle<br />

derzeit auch ein Statussymbol, denn es<br />

gibt bei der Zusammenlegung von Leitstellen<br />

kontroverse Debatten, auch in der Öffentlichkeit.<br />

In Berlin gibt es seit mehreren Jahren eine<br />

sehr bewährte Regelung, die „Gemeinsame<br />

Einsatzleitung“. Hierunter versteht man die<br />

interdisziplinäre Zusammensetzung in Abhängigkeit<br />

von der Schadenslage. Dieses Verfahren,<br />

Entscheidungen abgestimmt und möglichst<br />

einvernehmlich zu treffen, ist in Berlin<br />

alltägliche Praxis, z.B. bei Verkehrsunfällen,<br />

wo Feuerwehr und Polizei ihre Maßnahmen<br />

formlos abstimmen. Wichtig sind nicht nur<br />

abgestimmte Einsatzmaßnahmen, sondern<br />

auch die abgestimmte Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Teilnehmer einer „GELtg“ sind z.B. Feuerwehr,<br />

Polizei (Schutzpolizei, Kriminalpolizei),<br />

Beauftragter Arzt (Gesundheitssenator),<br />

betroffene Senatsverwaltungen, betroffene<br />

Bezirksämter, sonstige Dienststellen und Betriebe,<br />

THW und <strong>Hilfsorganisationen</strong>.<br />

Es wird unterschieden zwischen der GeLtg<br />

– Stufe A (Örtliches Schadensereignis, Anzahl<br />

der betroffenen Behörden/Stellen gering,<br />

Seite 57<br />

Koordinierung am Schadensort ohne besonderen<br />

Aufwand, Unterbringung in einem<br />

Einsatzfahrzeug von Feuerwehr oder Polizei)<br />

der GELtg Stufe B (Schadensereignis örtlich<br />

begrenzt, aber viele Behörden / Stellen betroffen,<br />

Koordinierung erfordert personellen, materiellen<br />

oder organisatorischen Aufwand,<br />

Unterbringung in <strong>mobile</strong>r Befehlsstelle von<br />

Feuerwehr oder Polizei, ggf. in Räumen), der<br />

GELtg Stufe C (Schadensereignis in größeren<br />

Teilen Berlins oder mehrere parallele Großschadensereignisse,<br />

je nach Lage mehrere<br />

GELtg A oder B im Einsatz, Koordinierung<br />

erfordert größeren Aufwand, Unterbringung<br />

in organisatorisch-technisch vorbereiteten<br />

Räumen) sowie dem Krisenstab (Großflächiges<br />

Schadensereignis, örtliche Behörden überfordert,<br />

Katastrophenalarm ausgelöst, Unterbringung<br />

in Stabsräumen der Senatsverwaltung<br />

<strong>für</strong> Inneres). Sofern die Berliner<br />

Feuerwehr überwiegend fachlich zuständig,<br />

übernimmt der Einsatzleiter der Feuerwehr<br />

die Organisation der Zusammenarbeit und<br />

damit die Moderation der GELtg.<br />

Das neue gemeinsame Krisen-Management<br />

von Bund und Ländern besteht aus der „Koordinierungsstelle<br />

<strong>für</strong> großflächige Gefahrenlagen<br />

(KoSt)“, der Geschäftsstelle der interministeriellen<br />

Koordinierungsgruppe im BMI<br />

(ZfZ) und vor allem aus der Gemeinsamen<br />

Melde- und Alarmzentrale des Bundes und<br />

der Länder (GMLZ).<br />

In Berlin wurde vor mehreren Jahren damit<br />

begonnen, eine Kräftemittel-Datenbank<br />

(KMD) aufzubauen, um ressortübergreifende<br />

Informationen über Einsatzmittel und Spezialkräfte<br />

von Organisationen, Bundes- und<br />

Landesbehörden abrufen zu können. Ziel ist<br />

es, Einsatzmittel oder Kräfte schneller zum<br />

Einsatz bringen. Bemerkenswert ist, dass hier<br />

Bundeswehr, Bundesgrenzschutz, Landespolizei,<br />

Feuerwehr, THW, <strong>Hilfsorganisationen</strong><br />

und weitere Bereiche unbürokratisch zusammenarbeiten.<br />

Die Kräfte und Mittel sind be-


Seite 58<br />

sonderen Schadensereignissen zugeordnet.<br />

Unter Fachaufsicht der Innenverwaltung wird<br />

die Datenbank regelmäßig von den beteiligten<br />

Bereichen aktualisiert<br />

Neben organisatorischen Fragen spielen<br />

selbstverständlich auch technische Fragen eine<br />

wesentliche Rolle. Polizeiliche Anwender<br />

und nicht-polizeiliche Anwender haben prinzipiell<br />

dieselben Anforderungen an ein modernes<br />

Funksystem: Übertragungssicherheit,<br />

Übertragungsqualität über weite Feldstärkenbereiche,<br />

gute Reichweiten, örtliche und zeitliche<br />

Verfügbarkeit, keine überlasteten Funkkanäle,<br />

flexible Prioritäten, abhörsichere Verbindungen,<br />

Sprach-, Signal- und Bildübertragung,<br />

Direktwahl in das Telefonnetz, Einzel-<br />

und Gruppenruf, Steuerung von Einzelgeräten<br />

durch die Netzverwaltung, kein Verbindungsabbruch<br />

bei Zellenwechsel.<br />

Die Feuerwehr legt Wert auf schnellen<br />

Verbindungsaufbau, DMO-Betrieb als sichere<br />

Rückfallebene, die Funkalarmierung (Paging)<br />

mit Einzel-, Gruppen- und Sammelruf (2.000<br />

Empfänger in max. 15 Minuten) sowie Pager<br />

(Meldeempfänger passiv oder mit Quittungsmöglichkeit).<br />

Dass die Umstellung auf den ein modernes<br />

Funksystem – neben dem Netzaufbau und<br />

dem Netzbetrieb – beträchtliche Kosten verursacht,<br />

zeigt der Gerätebestand der BOS:<br />

450.000 Funkgeräte der Feuerwehren und der<br />

<strong>Hilfsorganisationen</strong>, 300.000 Funkgeräte der<br />

Polizei sowie 300.000 Funkalarmempfänger.<br />

Zu erwähnen ist, dass zahllose GSM-Handys<br />

(auch Private) ebenfalls benutzt werden.<br />

Fazit: die organisatorischen Voraussetzungen<br />

zur zweckmäßigen Kommunikation können<br />

sowohl beim – inzwischen veralteten Analogfunk<br />

– geschaffen werden als auch im<br />

zukünftigen Digitalfunk. Die Leistungsfähigkeit<br />

und die Einsatzmöglichkeiten eines modernen<br />

Funksystems eröffnen jedoch neue<br />

Möglichkeiten, die dringend realisiert werden<br />

müssen.<br />

Albrecht Broemme ist Vizepräsident des<br />

Deutschen Feuerwehrverbandes.


Seite 59<br />

Anforderungen an das Informations- und<br />

Kommunikationsmanagement in der Gefahrenabwehr<br />

am Beispiel der Brandbekämpfung<br />

Wolf R. Dombrowsky<br />

Bundesweit stehen die Freiwilligen Feuerwehren<br />

vor dem Problem, während der allgemeinen<br />

Arbeitszeiten nicht über die volle<br />

Stärke und die bestmögliche Qualifikation ihrer<br />

Einsatzkräfte verfügen zu können. Technisch<br />

bestünde eine da<strong>für</strong> angemessene Lösung<br />

in einer IT-basierten Optimierung nach<br />

individueller Verfügbarkeit in Relation zu<br />

fachlicher Qualifikation und Weglängen: Je<br />

nach Einsatzerfordernissen werden jene Feuerwehrmitglieder<br />

alarmiert, die unter der Bedingung<br />

von Fachkenntnis und Ausbildung,<br />

zeitlicher Verfügbarkeit (zumeist Freistellung<br />

durch Arbeitgeber) und räumlicher Nähe beorderbar<br />

sind. Erfolgt innerhalb eines Alarmierungsintervalls<br />

keine positive Quittierung,<br />

alarmiert das System das nächste Feuerwehrmitglied,<br />

wobei, je nach Optimierungsalgorithmus,<br />

in der Regel die Entfernung zum<br />

Einsatzort oder zur Feuerwache zu- und unter<br />

bestimmten Erfordernissen die fachliche Eignung<br />

abnehmen kann.<br />

Die Voraussetzung eines solchen Systems<br />

besteht in der Verfügbarkeit und Aktualität<br />

personenbezogener Daten; Personaldaten,<br />

Aufenthaltsdaten sowie einsatzrelevante Daten<br />

über die personellen und materiellen Ressourcen,<br />

die Einsatzbedingungen und die<br />

räumlichen Gegebenheiten. Technische Lösungen<br />

zur Integration heterogener Daten einschließlich<br />

Geo-Daten sind längst verfügbar.<br />

Dass eine Integration dennoch nicht gelingt<br />

resultiert aus sozialen Bedingungen.<br />

Im konkreten Beispielfall gelingt die Integration<br />

nicht, weil Feuerwehr eine kommunale<br />

Einrichtung ist. Weder der Einsatz noch die<br />

Mobilisierung über Gemeinde- und Kreis-<br />

grenzen hinweg sind vorgesehen, schon gar<br />

kein „Patchworking“, bei dem eine Einsatzeinheit<br />

jeweils auf der Basis von Ereignisart,<br />

Ereignis-, Wohn-, Arbeitsort und Feuerwache<br />

sowie optimal verrechneten Entfernungen und<br />

Qualifikationen entsteht. Neben Verwaltungs-<br />

und Einsatzgebietsgrenzen werden zwei weitere<br />

Einwände geltend gemacht: Die kommunale<br />

Finanzierung der Feuerwehr, die ein<br />

funktionales Patchworking nicht erlaube und<br />

der Datenschutz, der den über alle traditionalen<br />

Grenzen hinweg notwendigen Datenaustausch<br />

verbiete. Dass derartige Argumente nur<br />

vorgeschoben sind und vor allem „Datenschutz“<br />

zu einem dysfunktionalen Verhinderungsinstrument<br />

entwerten, zeigt sich, sobald<br />

man fragt, wie dann große Unternehmen ihren<br />

Außendienst organisieren, wie Ölfirmen ihre<br />

weltweit operierenden Tankerflotten koordinieren<br />

oder wie der Airbus über Ländergrenzen<br />

hinweg zu einem flugfähigen Gerät werden<br />

kann.<br />

Tatsächlich fehlt es weder an technischen<br />

Systemen noch an rationalen Instrumenten,<br />

um das technisch Mögliche im Tagesbetrieb<br />

funktional anwenden zu können. Was fehlt,<br />

ist vielmehr die Bereitschaft einzusehen, dass<br />

zwischen „Problem“ und „Lösung“ ein sehr<br />

spezifischer, folgenschwerer Zusammenhang<br />

besteht. Im konkreten Beispielfall wird die<br />

Lösung des Problems (Mangel an qualifizierten<br />

Einsatzkräften) unmöglich, weil weder die<br />

Bedingungen, die zu diesem Problem führten,<br />

verändert werden sollen, noch ein Interesse an<br />

einer Lösung besteht, die traditionale Macht-<br />

und Einflussressourcen zugunsten anderer,<br />

noch nicht wirklich absehbarer Macht- und


Seite 60<br />

Ressourcenverteilungen ablösen wird. Darin<br />

gründet zu einem gut Teil Argwohn und Ablehnung<br />

gegenüber Wandel.<br />

Die Analyse des Zusammenhangs von<br />

Problem und Lösung eröffnet einen systemischen<br />

Zugang selbst <strong>für</strong> sehr komplexe Wirkungsgefüge.<br />

Sehr abstrakt lässt sich zwischen<br />

technischer Funktionslogik und sozialer<br />

Handlungslogik unterscheiden. Heute wird<br />

die Implementation einer neuen Funktionslogik<br />

durch die Handlungslogik verhindert, die<br />

ursprünglich zur bestehenden Funktionslogik<br />

von Feuerwehr führte. Die technische Funktionslogik<br />

des Systems „Freiwillige Feuerwehr“<br />

entwickelte sich aus den Bedingungen<br />

der sozialen Handlungslogik, wie sie sich zur<br />

Gründungszeit der Feuerwehren stellte. Doch<br />

mit jeder Innovation, die den Löschangriff beschleunigte<br />

und intensivierte, bedurfte es immer<br />

weniger unqualifizierter Hände und mit<br />

jeder Brandschutzerkenntnis reduzierten sich<br />

die brennbaren Inventare und Brände. Heute<br />

dient die Feuerwehr überwiegend der so genannten<br />

Technischen Hilfe, nimmt nur noch<br />

ein Bruchteil der Feuerwehrmitglieder aktiv<br />

am Einsatzgeschehen teil. Ein radikal funktionales<br />

„Patchwork-System“ führte dazu, dass<br />

sich Feuerwehr auf ein optimiertes Einsatzinstrument<br />

reduzierte und all seine historischen,<br />

traditional gewachsenen sozialen Funktionen<br />

verlöre, zumindest aber in ihrem Verhältnis<br />

zum optimierten Funktionsnutzen transparent<br />

machte. Das bestehende Feuerwehrwesen<br />

könnte unter derartigen Funktionsbedingungen<br />

keinen Bestand haben.<br />

Gleiches gilt <strong>für</strong> den bestehenden Katastrophenschutz.<br />

Seine technische Funktionslogik<br />

entstammt einerseits dem Luftschutz<br />

und andererseits den mechanischen und thermischen<br />

Schadensformen der frühen Industrialisierung.<br />

Seine daraus abgeleitete soziale<br />

Handlungslogik besteht in polizei- und ordnungsrechtlichen<br />

Regelungen und der „Entsatz-Philosophie“<br />

<strong>für</strong> kurzfristige Überbrü-<br />

ckungsleistungen bei Ausfällen von Versorgung,<br />

Infrastruktur und Produktion. Moderne,<br />

global vernetzte Gesellschaften mit Input-<br />

Output optimierten Versorgungsketten sind<br />

im Ausfall weder mit solchen Regelungen<br />

noch mit solchen Überbrückungsleistungen zu<br />

regenerieren. Technisch angemessene Systeme<br />

wären auch hier verfügbar, doch stoßen<br />

sie an überkommene, unangemessene Handlungslogiken<br />

aus dem 18. und 19. Jahrhundert.<br />

Von der Sache her wissen längst alle Beteiligten,<br />

dass man ein über hunderttausende<br />

Quadratkilometer und viele Staaten verzweigtes<br />

Flusseinzugsgebiet mittels eines untereinander<br />

abgestimmten Nutzenmanagements<br />

bewirtschaften müsste. Statt dessen konkurrieren<br />

Ober- gegen Unterlieger, Industrieansiedelung<br />

gegen Ökologie, Gewerbesteuer<br />

gegen Hochwasserschutz, Schweiz gegen<br />

Holland, Deutschland gegen Frankreich, sofern<br />

man den Rhein, Polen gegen Tschechien,<br />

sofern man die Oder betrachtet.<br />

Moderne Gefahrenmanagement- und Entscheidungsunterstützungssysteme<br />

(deNIS II;<br />

DISMA) kommen nicht zum Einsatz, weil die<br />

Daten nicht gepflegt oder aus Eigensinn und<br />

Kompetenzgerangel nicht zur Verfügung gestellt<br />

werden, vor allem aber nicht, weil derartige<br />

Systeme einer grundlegend anderen Logik<br />

folgen, als sie die soziale Handlungslogik<br />

von Gefahrenabwehr und die technische<br />

Funktionslogik des bestehenden Katastrophenschutzes<br />

erlaubt. Die Handlungslogik ist<br />

interventionistisch und ordnungsrechtlich. Sie<br />

greift erst, nachdem ein Schaden eingetreten<br />

ist und die laut Gesetz vorgehaltenen Einheiten<br />

und Einrichtungen unter einer einheitlichen<br />

Leitung erforderlich werden. Die Funktionslogik<br />

ist auf kurzfristige Überbrückungshilfe<br />

ausgelegt, mithin auf Zelte, Decken,<br />

Nahrung, Kleidung, medizinische Versorgung<br />

und Betreuung. Längst jedoch bedürfte es<br />

präventiver Gefahrenabwehr und hochtechnologischer<br />

Ausfallsicherung und -überbrüc-


kung. Schon die Erfassung von Gefährdungen,<br />

die so genannten Gefahrenanalysen, erfordern<br />

geographische Informationssysteme<br />

sowie moderne Instrumente des Monitoring<br />

und der Fernüberwachung. Die Gefahrenpotenziale<br />

moderner Industriegesellschaften<br />

müssen kontrolliert und vor ihrem Ausbruch<br />

korrigiert werden, wenn man Millionenschäden<br />

(vor allem auch sekundärer und tertiärer<br />

Ordnung, wie Kobe belegte) und menschliche<br />

Opfer vermeiden will. Doch genau dazu werden<br />

die unteren Katastrophenschutzbehörden<br />

gar nicht befähigt. Ein vorbeugender, analytischer,<br />

planerischer Katastrophenschutz ist<br />

nicht Aufgabe der dort Tätigen. Und weil es<br />

nicht zum Aufgabenbereich gehört, wird es<br />

nicht gemacht. Folglich scheitert die mögliche,<br />

bessere technische Lösung an der Borniertheit<br />

von Entscheidungsträgern, <strong>für</strong> die<br />

Gefahrenabwehr nicht präventiv und nicht<br />

Bestandteil des eigenen Kompetenzbereichs<br />

ist. Statt endlich alle auf Gefahrenabwehr<br />

ausgerichteten Ressortbereiche, Gesetze und<br />

Vorschriften zu harmonisieren und aus Natur-<br />

, Umwelt-, Arbeits-, Gesundheits-, Gewässer-,<br />

Strahlen-, Küsten- und Katastrophenschutz<br />

ein einheitliches Schutzrecht zu entwickeln,<br />

rangeln lieber die Bundesländer gegeneinander<br />

bei der Ablehnung bestehender Lösungen<br />

und der Mittelverschwendung <strong>für</strong> die Entwicklung<br />

ganz eigener „Lösungen“ (z.B.<br />

NRW bei einem Katastrophenmanagementsystem).<br />

Ereignisse wie Eschede, die Oder-<br />

und Elbeflut oder die Havarie der „Pallas“<br />

zeigen dann, dass diese Konkurrenz um<br />

scheinbare Lösungen gar nichts gelöst, sondern<br />

alles nur verschlimmert hat, weil jede<br />

vorgebliche Lösungen zwar einer inneren<br />

Funktionslogik folgt, aber vollkommen unberücksichtigt<br />

lässt, dass es vor allem harmonisierter<br />

Handlungslogiken bedarf, damit die<br />

Funktionslogiken auch funktionieren können.<br />

An dieser Stelle entspringt ein weiteres<br />

Problem des viel zu selten geklärten Zusam-<br />

Seite 61<br />

menhangs von Funktions- und Handlungslogik.<br />

Moderne IT-Lösungen sind selbst so<br />

kompliziert, dass sie spezialisierter Entwickler<br />

bedürfen, die viel von der Funktionslogik<br />

von IT-Systemen, weit weniger von der Funktionslogik<br />

der abzubildenden Systeme und<br />

noch weniger von der dort vorherrschenden<br />

Handlungslogik verstehen. Ein Moment des<br />

Zusammenhangs von Funktions- und Handlungslogik<br />

in der Gefahrenabwehr konnte von<br />

uns empirisch aufgeklärt werden. Im Allgemeinen<br />

glauben die Verantwortlichen, dass<br />

im Katastrophenfall so verfahren wird, wie es<br />

Gesetze, Vorschriften, Ausführungsbestimmungen<br />

und Erlasse dekretieren. Tatsächlich<br />

ist das Gegenteil der Fall. Die Akteure an der<br />

Basis überschauen den Regulierungswust<br />

längst nicht mehr. Sie haben stattdessen eigene<br />

Strategien entwickelt, wie sie operativ<br />

werden und operativ handeln. Ich nenne dies<br />

„Bypass-Wurschteln“, weil es buchstäblich<br />

ein „Ad-hoc-Durchwursteln“ zwischen Akteuren<br />

ist, die sich persönlich kennen und zur<br />

Not auch mit privaten Kommunikationsmitteln<br />

ein ganz eigenes Netzwerk bilden und<br />

bedienen. Zumeist geht durch diese „Privatisierung“<br />

des öffentlichen Handelns nicht nur<br />

die Lageerstellung verloren, sondern entfernen<br />

sich auch die Akteure an der Front kontinuierlich<br />

von ihren übergeordneten Stäben.<br />

Beide virtualisieren, weil Stäbe an Stäbe, vielleicht<br />

noch an TELs anschließen, aber nicht<br />

mehr an die wirkliche Lage vor Ort. Vor Ort<br />

wiederum werden lauter kleine Dienstwege<br />

etabliert und vernetzt, durch die einigermaßen<br />

erfolgreich operiert werden kann, die sich aber<br />

der übergeordneten Führung entziehen,<br />

auch bewusst entzogen werden. Geht es gut,<br />

sind nachträglich alle Sieger; geht es schief,<br />

hat eben Kommunikation nicht funktioniert.<br />

Eine Aussage, die wir seit Bestehen der Bundesrepublik<br />

erzählt bekommen und die jedes<br />

mal wieder zu neuen Beschaffungen führt,<br />

ohne dass sich die Lage bessert. Dies wird


Seite 62<br />

sich mit Einführung des digitalen BOS ebenso<br />

wenig ändern, wie mit der Einführung computergestützter<br />

Systeme. Je komplexer die Systeme<br />

werden, desto höher ist die Prämie, sich<br />

ihrer durch einfache Bypässe zu entledigen….<br />

Fragt man nun die Entwickler moderner<br />

Systeme, ob sie diese Bypass- und Entkoppelungsstrategien<br />

kennen und berücksichtigen,<br />

so ziehen sie sich zu Recht darauf zurück,<br />

dass sie nur abbilden und modellieren können,<br />

was sie von den Prozessanalysten der Auftraggeber<br />

gesagt bekommen. Doch was analysieren<br />

die Prozessanalysten? In der Regel die<br />

Regelwerke, von denen die Stäbe glauben,<br />

dass sie die Gefahrenabwehr regulieren…<br />

Was also in den meisten Fällen in Form eines<br />

aufwändigen IT-Programms abgebildet<br />

wird, ist keineswegs der wirkliche Prozess<br />

der tatsächlichen Gefahrenabwehr, sondern<br />

die Verwandlung papierner Planabläufe in elektronische<br />

Planabläufe. Wenn man Glück<br />

hat, verdoppelt sich nur der Aufwand. Was<br />

man früher mit Laufzetteln und Plottingboard<br />

machte, gibt man nun nochmals in den Computer<br />

ein. Wenn man Pech hat, suggeriert das<br />

Programm, man bekäme Hilfe und Unterstützung,<br />

um alsbald zu merken, dass man in einen<br />

Orkus blickt, der alle Daten verschlingt,<br />

ohne Erkenntnis zu generieren.<br />

Wo bleibt das Konstruktive? Im Prinzip ist<br />

es mehrfach gesagt. Wir brauchen <strong>für</strong> die inzwischen<br />

mögliche technische Funktionslogik<br />

eine entsprechend reformierte soziale Handlungslogik.<br />

Sie ist wichtiger, als neue Techniken.<br />

Sodann brauchen wir Prozessanalysen,<br />

die nicht nur die wirklichen Prozesse erfassen,<br />

sondern sie auch so abbilden, dass die technische<br />

Potenz der Funktionslogik als optimaler<br />

Support der sozialen Handlungslogik wirken<br />

kann und nicht als schlechte Verdoppelung<br />

einer nur technisierten schlechten Praxis.<br />

Dr. Wolf R. Dombrowsky ist Leiter der Katastrophenforschungsstelle<br />

der Universität<br />

Kiel.


Seite 63<br />

Anforderungen an<br />

Informations- und Kommunikationsmanagement<br />

Gerhard Weisschnur<br />

Das föderale System des Informations- und<br />

Kommunikationsmanagement in den Katastrophenschutzorganisationen<br />

der Bundesrepublik<br />

hat sich m.E. in den letzten Jahrzehnten<br />

auch in der Praxis grundsätzlich bewährt.<br />

Die neuen Herausforderungen durch weltweite<br />

terroristische Anschläge und asymmetrische<br />

Gefahren sowie die letzten Katastrophen<br />

in Europa haben aber gezeigt, dass u.a. auch<br />

die vorhandenen Informations- und Kommunikationssysteme<br />

auf den Prüfstand gestellt<br />

werden müssen, um das <strong>für</strong> dynamische Lagen<br />

erforderliche Informations- und Kommunikationsmanagement<br />

so anzupassen, dass<br />

damit die daraus resultierenden Herausforderungen<br />

professionell und erfolgreich bewältigt<br />

werden können.<br />

Katastrophenschutz darf dabei m.E. aber<br />

nicht zum Spielfeld unterschiedlicher politischer<br />

Interessen zwischen Föderalismus einerseits<br />

und Zentralismus andererseits werden.<br />

Wer derzeit die öffentliche Diskussion<br />

und Berichterstattung in dem Feld Zivil-<br />

/Katastrophenschutz aufmerksam beobachtet,<br />

kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass<br />

unter dem Mantel verschiedenster Interessenlagen<br />

oder der Beschreibung von Schreckensszenarien<br />

auch Säkularinteressen vertreten<br />

werden.<br />

Es ist eine Tatsache, dass sich nach dem<br />

11. September 2001 die globale Sicherheitslage<br />

und damit auch der Blickwinkel im Katastrophenschutz<br />

verändert haben. Ein bis dahin<br />

unvorstellbares Ereignis ist Realität geworden<br />

und andere Ereignisse bis hin zu<br />

Madrid folgten. Wir müssen aber aufpassen,<br />

dass wir deswegen nicht in Hysterie oder<br />

operative Hektik verfallen. Wer lediglich unreflektiert<br />

sich weltweit ereignende neue ter-<br />

roristische Ereignisse oder asymmetrische<br />

Gefährdungslagen aus anderen Ländern ohne<br />

belegbare Erkenntnisse in die Bundesrepublik<br />

projiziert und daraus undifferenziert Veränderungsnotwendigkeiten<br />

einfordert, spielt mit<br />

den Ängsten von Menschen in unserer Republik<br />

und stellt im Ergebnis volkswirtschaftlich<br />

unsinnige Forderungen.<br />

Um nicht missverstanden zu werden, die<br />

sog. Friedensdividende der 80er und 90er Jahre<br />

zu Lasten des Katastrophenschutzes in der<br />

Bundesrepublik, hat in vielen Bundesländern<br />

dazu geführt, dass bis dahin eine Vielzahl von<br />

bewährten Strukturen abgebaut und da<strong>für</strong> notwendige<br />

Mittel reduziert wurden. Insoweit ist<br />

es das Gebot der nächsten Jahre den Katastrophenschutz<br />

und hier insbesondere die Informations-<br />

und Kommunikationsstrukturen<br />

konsequent und mit dem notwendigen Augenmaß<br />

so zu organisieren, dass die Menschen<br />

sicher sein können, dass wir sie zwar<br />

nicht generell vor Großschadensereignissen<br />

und Katastrophen schützen können; sie aber<br />

sicher sein können, dass wir die Lagen professionell<br />

bewältigen. Da<strong>für</strong> benötigen auch<br />

Katastrophenschützer eine Informations- und<br />

Kommunikationsstruktur, die es uns ermöglicht<br />

in standardisierten Strukturen Informationen<br />

schnellstmöglich zu verarbeiten und auf<br />

gesicherten Kommunikationswegen zu übermitteln.<br />

Au der Basis dieser vorangestellten Bemerkungen<br />

bestehen die derzeitigen bundesweiten<br />

Defizite m. E. im Wesentlichen darin,<br />

dass:<br />

• detaillierte ortsbezogene Gefährdungsanalysen<br />

<strong>für</strong> komplexe Lagen noch in vielen<br />

Bereichen fehlen und diese Pläne in Da-


Seite 64<br />

tenbanken nicht oder nicht in genügendem<br />

Umfang abgerufen werden können,<br />

• die bestehenden Alarm- und Einsatzplanungen<br />

noch nicht in allen Bereichen den<br />

neuen Bedrohungsszenarien angepasst<br />

wurden,<br />

• die Sicherheitssysteme und das darauf basierende<br />

Informations- und Kommunikationsmanagement<br />

des Katastrophenschutzes<br />

nicht genügend vernetzt ist,<br />

• eine effiziente länderübergreifende Zusammenarbeit<br />

aller im Katastrophenschutz<br />

Beteiligten schon in der Vorplanung fehlt,<br />

• eine aktive Übungskultur nicht gelebt wird<br />

und<br />

• bestehende Lagezentren im Bereich des<br />

Katastrophenschutzes technisch nur bedingt<br />

zur Bewältigung komplexer Lagen<br />

ausgestattet sind.<br />

Vor diesem Hintergrund besteht m.E. <strong>für</strong><br />

ein effizientes Informations- und Kommunikationsmanagement<br />

folgender Änderungsbedarf:<br />

• Für Führungskräfte des Katastrophenschutzes<br />

brauchen wir eine von allen Ländern<br />

getragene eigene Bildungseinrichtung<br />

vergleichbar der Polizeiführungsakademie.<br />

Ein funktionierendes Informations- und<br />

Kommunikationsmanagement setzt nämlich<br />

m.E. voraus, dass man fachlich auch<br />

die gleiche Sprache spricht und durch gemeinsame<br />

bundesweite Ausbildung Netzwerke<br />

des Katastrophenschutzes gefördert<br />

werden.<br />

• Die Rolle des Bundes als Drehpunkt <strong>für</strong><br />

ein bundesweit einheitliches Informations-<br />

und Kommunikationsmanagement muss<br />

weiter intensiviert werden. Dabei ist zentrale<br />

Koordinierung denkbar, zentrale Führung<br />

hingegen ist nicht zielführend.<br />

• Die Katastrophenschutzorganisationen benötigen<br />

ein bundesweit vernetztes Informations-<br />

und Kommunikationssystem. Mit<br />

deNIS II ist da<strong>für</strong> der Grundstein gelegt.<br />

Föderale Einzelentwicklungen in vielen<br />

Ländern oder gar Kommunen führen in die<br />

falsche Richtung. Kein größeres bundesweit<br />

tätiges Untenehmen könnte sich ein<br />

Informations- und Kommunikationsmanagement<br />

leisten, wie wir dies derzeit im Katastrophenschutz<br />

betreiben.<br />

• Softwareprodukte die <strong>für</strong> taktisch operative<br />

Organisationen entwickelt wurden, decken<br />

die Bedarfe <strong>für</strong> politisch administrative<br />

Katastrophenschutzorganisationen nur ungenügend.<br />

Insoweit benötigen wir ein speziell<br />

auf die Bedarfe des Katastrophenschutzes<br />

entwickeltes Produkt, das sowohl<br />

die Bedarfe der taktischen Ebene wie auch<br />

die der administrativen Ebene abdeckt.<br />

• Daten in den Katastrophenschutzorganisationen<br />

müssen dort erfasst und abgegriffen<br />

werden, wo sie entstehen und aktuell gepflegt<br />

werden können. Insoweit benötigen<br />

die Katastrophenschutzorganisationen <strong>für</strong><br />

ein funktionierendes Informations- und<br />

Kommunikationssystem eine Software mit<br />

einem Kern von Grundfunktionalitäten und<br />

definierten Schnittstellen zu allen Ministerien/Behörden<br />

und Organisationen, die in<br />

der Bekämpfung von Katastrophen über<br />

Daten verfügen, die zur Lagebewältigung<br />

erforderlich sind.<br />

In Hamburg wollen wir vor diesem Hintergrund<br />

bis zur WM 2006 schrittweise zur Optimierung<br />

des Informations- und Kommunikationsmanagements<br />

folgende Änderungen<br />

durchführen:<br />

• Ämterübergreifende umfassende rechnergestützte<br />

grafische und dynamische Darstellung<br />

der Gesamtlage und der zur Verfügung<br />

stehenden Ressourcen <strong>für</strong> alle beteiligten<br />

Stabsorganisationen.


Ziele im Rahmen dieser Arbeit sind u.a. :<br />

o Anwenderorientierte Bedienung (Vom<br />

Experten- zum Usersystem);<br />

o Stabsabläufe werden elektronisch unterstützt<br />

(elektronische Lauf- und<br />

Meldezettel, Elektronische und physikalische<br />

Protokollierung, Nachverfolgung<br />

erteilter Aufträge);<br />

o vorhandene und noch zu erhebende<br />

Daten sollen auf einer grafischen Oberfläche<br />

verfügbar gemacht werden.<br />

(Ressourcendatenbank mit Soll/Ist-<br />

Abgleich, Einsatzplanungen sollen über<br />

Karte abrufbar und darstellbar<br />

sein, Bestandsverwaltung);<br />

o Entwickeln einer einheitlichen Oberfläche<br />

( web-basiert mit implementierter<br />

Zugriffshierarchie, Zugang <strong>für</strong> Externe<br />

muss möglich sein, Intuitive<br />

Nutzerführung);<br />

o dynamische Lagedarstellung (Entwicklungen<br />

müssen frei einfügbar sein<br />

– modulares System -, Taktische Zeichen,<br />

GPS-unterstützte Standortbestimmung,<br />

einfügen und übermitteln<br />

gegenseitig anderer Lagekarten muss<br />

möglich sein);<br />

o Benutzerverwaltung (Wer darf was<br />

und von welchem Platz);<br />

o hohe Betriebssicherheit (Stromversorgung,<br />

Daten, Software, Leitungswege<br />

und Redundanzen);<br />

o Standardschnittstellen zu verschiedenen<br />

Systemen (Datenbanken anderer<br />

Ministerien/Behörden, Alarmierungssystemen,<br />

Digitalfunk, Video, Telefon,<br />

Such- und Entscheidungsmaschine,<br />

Hinweise auf Objekte);<br />

o unmittelbarer Datenaustausch von einer<br />

zu einer anderen Datenbank im<br />

Rahmen definierter Rechte (Geodatawarehouse-Konzept);<br />

o Entwicklung eines Tools zur Datenerfassung<br />

und -verwaltung;<br />

Seite 65<br />

o Datensuche im Informationssystem<br />

über eine Suchmaschine (Ebay-Suchmaschine<br />

<strong>für</strong> den Katastrophenschutz);<br />

o Einbindung externer Programme durch<br />

ein standardisiertes Portal;<br />

o To-Do-Listen mit Statusverfolgung<br />

und Warnmeldung;<br />

o Rollenzuweisung über Aufgabenpakete;<br />

o Schulungsprogramm.<br />

• Auf der Basis der vorhandenen und eingestellten<br />

Daten in den Informationssystemen<br />

Vorschläge zu standardisierten Prüfrastern,<br />

um daraus Einsatzstrategien zu entwickeln<br />

und zu bewerten.<br />

• Anpassung der Stabsstruktur auf der Basis<br />

des veränderten Informations- und Kommunikationsmanagements.<br />

Gerhard Weisschnur ist Leitender Polizeidirektor,<br />

Behörde <strong>für</strong> Inneres, Amt <strong>für</strong> Innere<br />

Verwaltung und Planung, Abteilung <strong>für</strong> Katastrophen-,<br />

Brand- und Bevölkerungsschutz,<br />

Hamburg


Seite 66<br />

Stiftungstagung "Sicherhe itskommunikation <strong>für</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Hilfsorganisationen</strong>"<br />

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin, 3. Februar 2005<br />

Teilnehmende<br />

Heinrich Abendschein Weltjugendtagsbüro Köln<br />

Rainer Baier THALES Defence Deutschland GmbH Pforzheim<br />

Maria Belova St. Petersburg State University for Economics and Finance St. Petersburg<br />

Axel Birkholz T-Systems International GmbH Berlin<br />

Albrecht Broemme Berliner Feuerwehr Berlin<br />

Matthias Burba Landespolizeiverwaltung 3/Rechtsabteilung Hamburg<br />

Marcus Büttner IBM Deutschland GmbH Hannover<br />

Dr. phil. Michael Cebulla Technische Universität Berlin Berlin<br />

BrD Dipl.-Ing. Wolfgang Dähn Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern Schwerin<br />

Peter Damerau Motorola GmbH Berlin<br />

Dr. Wolf-R. Dombrowsky Katastrophenforschungsstelle (KFS) Kiel<br />

Peter Draffehn Berliner Feuerwehr Berlin<br />

Antje Engel DRK Berlin<br />

Dr. Helmut Euler Alcatel SEL AG Stuttgart<br />

Thomas Franke Malteser-Hilfsdienst Berlin Berlin<br />

Heinz Friedmann Asperg<br />

Frank Gießen PRO DV Software AG Dortmund<br />

Dietmar Gollnik e*message Berlin<br />

Christian Halbach FHTW Berlin Berlin<br />

Jörg Hirsch Ministerium des Innern Brandenburg Potsdam<br />

Daniel Holweg Fraunhofer-IGD Darmstadt<br />

Johannes Hübner FHTW Berlin Berlin<br />

Michael C. Jäger TU Berlin Berlin<br />

Dipl.-Phys. Günter Julga Feuerwehr Hamburg Hamburg<br />

Magdalene Kahlert ORACLE Deutschland GmbH Bonn<br />

Dr. Wolfgang Kaiser TÜV Industrie Service GmbH Berlin<br />

Dr. Kurt Kalcher Amt der Steiermärkischen Landesregierung Graz<br />

Dr. Dieter Klumpp Alcatel SEL Stiftung <strong>für</strong> Kommunikationsforschung Stuttgart<br />

Dipl. -Geogr. Petra Köhler GeoForschungsZentrum Potsdam Potsdam<br />

Martin Kupiek IBM Deutschland GmbH München<br />

Daniel Kurth Landkreis Barnim Eberswalde<br />

Prof. Dr. Klaus Lenk Universität Oldenburg Oldenburg<br />

Maren Lesche Jutta Rubach & Partner Berlin<br />

Stefan Löffler PSI Information Management GmbH Berlin<br />

Dr. Jobst Löffler Fraunhofer-IMK St. Augustin


Dipl.-Kfm Ernst Mäfers Polizeipräsidium Berlin<br />

Antje Matten Projektassistentin Berlin<br />

Markus Müller lat/lon GmbH Hamburg<br />

Gerd Munschke TÜV Industrie Service GmbH Berlin<br />

Seite 67<br />

Michael Naumann Fachhochschule Brandenburg Brandenburg<br />

Dipl.-Ing. Horst Neumayr T-Systems International GmbH Berlin<br />

Jens Ostmann Senatsverwaltung <strong>für</strong> Inneres Berlin<br />

Dr. jur. Falk Peters D21 LG E-Government Berlin<br />

Reinhard Quellmann Berliner Feuerwehr Berlin<br />

Prof. Dr. Klaus Rebensburg Technische Universität Berlin Berlin<br />

Hr. Rehfeld Regio iT Aachen Aachen<br />

Dr. Jörg Reichling Geschäftsstelle Kommission f. Geoinformationswirtschaft Hannover<br />

Dr. Johannes Richert Deutsches Rotes Kreuz Berlin<br />

Frank Rienas Polizeipräsidium Berlin Berlin<br />

Holger Schiecke BOS Digitalfunk Thüringen Erfurt<br />

Norbert Schmidt Senatsverwaltung <strong>für</strong> Inneres Berlin<br />

Harald Schottner Arbeiter Samariter Bund, Köln<br />

Prof. Dr. Jürgen Sieck FHTW Berlin Berlin<br />

Christine Siegfried Universität Potsdam Potsdam<br />

Stefan Simon Malteser Hilfsdienste e.V. Würzburg<br />

Arend Steenken Landesbetrieb <strong>für</strong> Datenverarbeitung Potsdam<br />

Dipl.-Ing. Helmut Strunk Bundesanstalt Technisches Hilfswerk Bonn<br />

Verena Such Berliner Feuerwehr Berlin<br />

Frank Thies Alcatel SEL AG Berlin<br />

Matthias Träger SCHERING AKTIENGESELLSCHAFT Berlin<br />

Stefan Tritschler Universität Stuttgart Stuttgart<br />

Christoph Unger Bundesamt f. Bevölkerungsschutz u. Katastrophenhilfe Bonn<br />

Gervino A. Walter EADS Deutschland GmbH Friedrichshafen<br />

Gerhard Weißschnur Behörde <strong>für</strong> Inneres Hamburg<br />

Thomas Werner Berliner Feuerwehr Berlin<br />

Jens Werner Landesschule <strong>für</strong> Brand- und Katastrophenschutz Malchow<br />

Volker Willms Feuerwehr- u. Katastrophenschutzschule Rheinland-Pfalz Koblenz<br />

Karsten Willsch PRO DV Software AG Dortmund<br />

Kirsten Wohlfahrt Behörden Spiegel Berlin<br />

Ray Wolf Alcatel Enterprise Solution Division Unterschleißheim


Seite 68


Alcatel SEL Stiftung<br />

Alcatel SEL Stiftung<br />

Hauptanliegen und Themenschwerpunkt der Alcatel SEL Stiftung <strong>für</strong> Kommunikationsforschung<br />

ist seit ihrem Bestehen die Förderung von herausragenden Forschungsarbeiten, die<br />

zum besseren Zusammenwirken von Mensch und Technik in Kommunikationssystemen<br />

beitragen. Damit ist eine übergreifende Schnittmenge der verschiedensten Disziplinen und<br />

Gruppen in Wissenschaft und Praxis angesprochen.<br />

Leistungsteile sind neben dem jährlichen „Forschungspreis Technische Kommunikation“ –<br />

einer der höchsten Einzelauszeichnungen <strong>für</strong> außerindustrielle Forschung – und den Dissertationsauszeichnungen<br />

<strong>für</strong> die besten wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten zum Themengebiet<br />

der Kommunikationstechnik derzeit mit jährlichen Zuschüssen vier eigenständige Stiftungskollegs<br />

an deutschen Hochschulen. An der Universität Stuttgart ist es das „Stiftungskolleg zur<br />

Förderung von Forschung und Lehre über Theorie und Anwendung der Kommunikation“ sowie<br />

das „Hochschulkolleg Electronic Government“, an der Technischen Universität Dresden das<br />

„Stiftungskolleg <strong>für</strong> interdisziplinäre Verkehrsforschung“, an der Technischen Universität<br />

Darmstadt das „Stiftungskolleg interdisziplinäre Studien“ sowie das Stiftungs-Verbundkolleg<br />

Informationsgesellschaft Berlin.<br />

Die 1979 eingerichtete gemeinnützige Stiftung unterstützt mit Veranstaltungen, Publikationen<br />

und Expertisen ein eng mit der Praxis verbundenes pluridisziplinäres wissenschaftliches<br />

Netzwerk, in dem wichtige Fragestellungen der Informations- und Wissensgesellschaft frühzeitig<br />

aufgenommen und behandelt werden.<br />

www.stiftungaktuell.de<br />

Hochschulkolleg Electronic Government<br />

Die Alcatel SEL Stiftung gründete 1986 gemeinsam mit der Universität Stuttgart das<br />

interdisziplinäre „Stiftungskolleg zur Förderung von Forschung und Lehre über Theorie und<br />

Anwendung der Kommunikation“. Impulse <strong>für</strong> eine verstärkte Forschung, Lehre und andere<br />

Wissensvermittlung zwischen den einzelnen Disziplinen durch Gastwissenschaftler, Symposien<br />

und sonstige Lehrveranstaltungen sollen helfen, eine menschengerechte Technik zu<br />

entwickeln. Im Vordergrund steht das Zusammenwirken von Mensch und Technik in<br />

Kommunikationssystemen.<br />

Im Rahmen der zwischenzeitlich zum Verbundkolleg Stuttgart gewandelten Einrichtung<br />

wurde 2001 das Hochschulkolleg Electronic Government gegründet. Mit Akteuren aus der<br />

Region, aber auch nationalen Experten auf diesem Gebiet wird das aktuelle Themenfeld<br />

interdisziplinär bearbeitet. Ringvorlesungen, Workshops und Seminare renommierter Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftler sowie Praktiker werden unterschiedliche Aspekte des<br />

Electronic Government beleuchten und den Studierenden sowie der interessierten Fachöffentlichkeit<br />

aktuelle Ergebnisse vermitteln.


Kontakt<br />

Alcatel SEL Stiftung<br />

Lorenzstraße 10, 70435 Stuttgart<br />

Telefon 0711-821-45002<br />

Telefax 0711-821-42253<br />

E-mail sel.stiftung@alcatel.de<br />

URL http://www.stiftungaktuell.de

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