Erste Ausgabe PDF - PalästinaIsraelZeitung
Erste Ausgabe PDF - PalästinaIsraelZeitung
Erste Ausgabe PDF - PalästinaIsraelZeitung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Erkennen Sie Palästina an,<br />
Frau Merkel! Gemeinsamer Brief von<br />
Juden und Palästinensern<br />
Hannover, den 16.05.2011<br />
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr.<br />
Merkel,<br />
die Meldungen aus dem Nahen Osten<br />
überschlagen sich in den letzten Wochen.<br />
Die arabischen Völker … bringen einen<br />
Diktator nach dem anderen zum Sturz. Die<br />
Palästinenser stellen ihre Einheit wieder<br />
her. Der Weg zu Demokratie, Freiheit und<br />
Frieden scheint geebnet zu sein.<br />
Die Schaffung eines echten Friedens im<br />
Nahen Osten ist von immenser Bedeutung,<br />
… auch weil hier die Ernsthaftigkeit des<br />
westlichen Diskurses von Demokratie,<br />
Menschenrechten und Völkerrecht auf<br />
dem Prüfstand steht und bisher diese Prüfung<br />
nicht bestanden hat. ... Ohne dass<br />
die Palästinenser endlich einen eigenen<br />
lebensfähigen und unabhängigen Staat<br />
bekommen, wird es keinen Frieden in<br />
dieser Region geben.<br />
Der UNO-Beschluss 181 aus dem Jahr<br />
1947 sah die Teilung Palästinas in einen<br />
arabischen und in einen jüdischen Teil<br />
vor. Es wurde nicht beschlossen, dass<br />
Palästina durch Israel ersetzt wird. Es<br />
wurde auch nicht beschlossen, dass ein<br />
unabhängiger palästinensischer Staat erst<br />
durch Verhandlungen oder gar Zustimmung<br />
Israels entsteht. ...<br />
Die Palästinenser unter Führung von<br />
Mahmud Abbas streben die Ausrufung<br />
dieses Staates an. ... Diesem die Anerkennung<br />
zu verweigern, ist nur Wasser<br />
auf die Mühlen von Extremisten. Mit<br />
Entsetzen stellen wir fest, dass die<br />
Bundesregierung, entgegen der seit Jahren<br />
offiziellen Position für eine Zwei-Staaten-<br />
Lösung, den auszurufenden palästinensischen<br />
Staat nicht anerkennen will.<br />
Wir, in Deutschland lebende Juden<br />
und Palästinenser, fordern gemeinsam<br />
unsere Bundesregierung auf, … den<br />
palästinensischen Staat nach seiner Ausrufung<br />
anzuerkennen. Wir haben kein<br />
Verständnis für Ihre Haltung, dass dieser<br />
seitens Deutschlands nur dann anerkannt<br />
wird, wenn dies durch Verhandlungen<br />
erreicht wird. Damit legen Sie, sehr geehrte<br />
Frau Bundeskanzlerin, das Schicksal der<br />
Palästinenser ausschließlich in israelische<br />
Hand. Seit 20 Jahren gibt es Verhandlungen<br />
zur Bildung eines palästinensischen<br />
Staates, ohne dass dies bis heute erreicht<br />
wurde. In dieser Zeit wurde das potentielle<br />
palästinensische Staatsgebiet durch israelische<br />
Besatzer zersiedelt, entflammte die<br />
zweite Intifada, wurde die Trennmauer<br />
mitten im potentiellen palästinensischen<br />
Staatsgebiet errichtet, und mehrere Kriege<br />
brachen aus, die tausenden Menschen<br />
das Leben kosteten. Mehrere europäische<br />
Staaten haben bereits konkrete Schritte<br />
in Vorbereitung zur Anerkennung eines<br />
palästinensischen Staates bekundet ... .<br />
Deutschland wird durch das Abweichen<br />
von der bisherigen Position viel an<br />
Glaubwürdigkeit verlieren. Wir sind<br />
sowohl Juden als auch Palästinenser, die<br />
in Deutschland leben. Das internationale<br />
Ansehen Deutschlands ist auch unser<br />
Ansehen.<br />
Erstunterzeichner:<br />
Dr. Yazid Shammout<br />
(Palästinensische Gemeinde Hannover)<br />
Prof. Dr. Rolf Verleger (Jüdische Stimme<br />
für einen gerechten Frieden in Nahost)<br />
Um als Mitunterzeichner aufgeführt zu werden, senden<br />
Sie eine E-Mail mit Ihrem Namen und Wohnort an:<br />
propalaestina@googlemail.com<br />
Kämpfer für den Frieden<br />
Ehemalige palästinensische Freiheitskämpfer<br />
und ehemalige israelische<br />
Soldaten haben der Gewalt abgeschworen,<br />
um sich gemeinsam für den Frieden<br />
einzusetzen: Die Combatants for<br />
Peace finden Gehör, wenn sie – immer<br />
zu zweit – vor ihr Publikum treten,<br />
weil Soldaten in Israel und Widerstandskämpfer<br />
gegen die Besatzung in<br />
Palästina als Helden gelten. Ein ehemaliger<br />
Soldat aus Tel Aviv erzählt seine<br />
Geschichte.<br />
von Idan Barir<br />
Als Kind wusste ich genau, was Patriotismus<br />
ist. Ich wuchs mit Bildern des glorreichen<br />
Kampfes von 1967 auf und wünschte<br />
mir, einer der großen Helden Israels zu<br />
sein, der damals die Altstadt von Jerusalem<br />
betrat. 1999 – ein Jahr nachdem ich<br />
zum Militärdienst musste, wurde ich zum<br />
1. Mal in die besetzten Gebiete, nördlich<br />
von Nablus gesandt. Es war sehr ruhig.<br />
Das nächste Mal jedoch war es anders.<br />
Die zweite Intifada war gerade ausgebrochen.<br />
Unsere Basis war eine fast verlassene<br />
Siedlung, Kadim. Wenn man von dieser<br />
Hügelkuppe nach unten in die Stadt Jenin<br />
ging, war es, als ob man vom Himmel<br />
in die Hölle kam. Es war eine völlig verrückte<br />
Zeit. Bewaffnet mussten wir hinter<br />
Jungen mit Steinen durch Gewächshäuser<br />
voller Tomaten und Auberginenpflanzen<br />
herjagen.<br />
Uns war eingeprägt worden, zu glauben,<br />
dass jeder Palästinenser eine Bedrohung<br />
ist. In der 5. Woche, nachdem alle palästinensischen<br />
Gewächshäuser zertrampelt<br />
und zerstört waren, baute das Militär Gräben<br />
– wo einst Tomaten und Auberginen<br />
gediehen. Als ich meinen Armeedienst<br />
beendet hatte, kam ich zu einer Reserve-Einheit<br />
und 2006 wurden wir wieder<br />
nach Jenin beordert. Unser Einsatzort war<br />
ein Kontrollpunkt auf einem kleinen Hügel,<br />
der von hohen Zementwällen umgeben<br />
war. Wir sollten nächtliche Überfälle<br />
machen und Tränengas abfeuern - nur so<br />
zum Spaß. Später wurde ich nach Qalqilya<br />
an einen landwirtschaftlichen Checkpoint<br />
geschickt. Jeden Morgen hatten wir Appell<br />
auf einer großen Terrasse. Mein Kommandeur<br />
wies auf das Land und versuchte, uns<br />
glauben zu machen, dass wir dies verteidigen<br />
sollten. Sie mussten uns ja einen<br />
Grund geben. Er sagte uns, dass wir vielen<br />
Gefahren während unseres Dienstes<br />
ausgesetzt seien, einschließlich Messerattacken<br />
und Schüssen. Die größte Gefahr<br />
aber seien die Machsom Watch Frauen<br />
– israelische Frauen, die ruhig neben den<br />
Kontrollpunkten stünden aus Protest gegen<br />
die israelische Besatzung. Mein Offizier<br />
sagte: „Wenn dich ein Palästinenser<br />
bedroht, dann kann man ihm einfach in<br />
den Kopf schießen, aber leider kannst du<br />
eine Machsom Watch - Frau nicht einfach<br />
erschießen.“ Genau an diesem Tag kam<br />
eine dieser Frauen an meinen Checkpoint<br />
und ich begann mit der sehr netten grauhaarigen<br />
Dame, die mich an meine Großmutter<br />
erinnerte, ein Gespräch. Ich konnte<br />
ihr nicht bei allem zustimmen, aber ich<br />
war stolz, dass sie dort war.<br />
Einige Monate später reiste ich in Deutschland<br />
und traf dort einen Palästinenser aus<br />
Ramallah, der als Kellner arbeitete. Er hieß<br />
Ahmed. Er erzählte mir eine schreckliche<br />
Geschichte, wie er von israelischen Sicherheitsleuten<br />
verhaftet wurde und 10 Tage<br />
lang an einem geheimen Ort festgehalten<br />
wurde. Der Verhörende steckte ihn in einen<br />
Sarg, der halb mit Wasser gefüllt war<br />
und ließ ihn sechs Tage lang darin. Er sagte,<br />
am ersten Tag glaubte er, sie könnten<br />
ihn nicht brechen, am zweiten Tag kotete<br />
er sich ein und urinierte über sich, und<br />
seine Füße begannen zu erfrieren, (...) am<br />
vierten Tag bettelte er um sein Leben und<br />
versprach, alles zu sagen, was sie wollten.<br />
Er war sehr wütend auf die Israelis, und er<br />
sagte mir, anderswo und zu einem anderen<br />
Zeitpunkt hätte er mich umgebracht.<br />
Was mich schließlich zu der Erkenntnis<br />
brachte, dass Gewalt keine Lösung bringt,<br />
waren die Bilder im Fernsehen, wie die<br />
IDF [Israeli Defence Force] den Gazastrei-<br />
<strong>PalästinaIsraelZeitung</strong> • Juli 2011 • Seite 6<br />
Wer nicht hören will, muß fühlen<br />
Ehemalige Schwergewichte der europäischen Politik fordern neue Israel-Politk<br />
von Kian Ramezani<br />
(bearbeitet von C.Kercher)<br />
In einem ungewöhnlichen Brief rufen<br />
26 ehemalige Staatsoberhäupter, Minister<br />
und Vorsteher von europäischen Organisationen<br />
die EU zu einer anderen Politik<br />
gegenüber Israel auf.<br />
Unterzeichnet haben ihn Altkanzler<br />
Helmut Schmidt, Altbundespräsident<br />
Richard von Weizsäcker, der ehemalige<br />
EU-‘Außenminister‘ Javier Solana, der<br />
spanische Ex-Ministerpräsident Felipe<br />
Gonzalez, der frühere Präsident der EU-<br />
Kommission und ehemalige italienische<br />
Ministerpräsident Romano Prodi sowie<br />
die ehemalige irische Präsidentin<br />
Mary Robinson. Die Gruppe der ‚Elder<br />
Statesmen‘ verfasste das Schreiben auf<br />
einer Sitzung Mitte November 2010 in<br />
London. Darin raten sie der EU-Führung,<br />
mehr Verantwortung im Einsatz für<br />
einen gerechten Frieden in Nahost zu<br />
übernehmen. „Das erwarten nicht nur<br />
prominente Araber und Israelis, sondern<br />
auch US-Amerikaner von uns.“<br />
Israel soll wie jedes andere Land<br />
behandelt werden: „Die EU macht seit<br />
Helmut Schmidt, Javier Solana, Richard von Weizsäcker,<br />
Felipe Gonzalez, Romano Prodi und Mary Robinson<br />
(Fotograf: Keystone)<br />
Jahrzehnten unmissverständlich klar,<br />
dass sie die Siedlungen in den besetzten<br />
Gebieten als illegal erachtet, doch Israel<br />
baut sie weiter. Wie jedes andere Land<br />
sollte Israel für seine Handlungen zur<br />
Verantwortung gezogen werden. Die<br />
Glaubwürdigkeit der EU steht auf dem<br />
Spiel.“ Und nicht nur die Glaubwürdigkeit:<br />
„Unsere Gruppe möchte betonen, dass die<br />
EU in den vergangenen zwei Jahrzehnten<br />
sehr substantielle Investitionen in den<br />
Aufbau der Fundamente einer Zwei-<br />
Staaten-Lösung getätigt hat - nicht zuletzt<br />
mit dem Geld von EU-Steuerzahlern.“<br />
Die Blockade des Gaza-Streifens sei<br />
„unakzeptabel und kontraproduktiv“,<br />
heißt es in dem Schreiben. Der freie<br />
Idan Barir (Foto Dubi Roman)<br />
fen mit weißem Phosphor überschüttete.<br />
Während des Trainings wurde uns immer<br />
gesagt, das sei gegen die Genfer Konventionen.<br />
Aber ich sah hier, wie Tag für Tag<br />
diese Phosphor-Bomben benutzt wurden,<br />
um dann am Abend zu hören, wie das Militär<br />
es leugnete. Mein Moralkodex brach<br />
zusammen. Ich bin mit dem Gundsatz aufgewachsen:<br />
Die Armee lügt nie. Das war<br />
der Anfang für mein neues Denken. Ich<br />
schrieb meinem Kommandeur, dass ich<br />
nicht weiter gewillt sei, an irgendeinem<br />
Kampf in den besetzten Gebieten teilzunehmen.<br />
Als Israeli schäme ich mich so, dass unsere<br />
Armee lügt. Auch wegen Ahmeds<br />
Geschichte. Wenn ich ihm noch einmal<br />
begegnen könnte, würde ich ihm sagen:<br />
„Ich werde mit dir deinen Kampf kämpfen.<br />
Aber ich erwarte von dir, dass du andere<br />
davon überzeugst, dass Rache nicht<br />
der Weg in die Zukunft ist.“<br />
(deutsch von Ellen Rohlfs)<br />
www.combatantsforpeace.org<br />
Verkehr von Waren und Menschen, auch<br />
zwischen Gaza und der Westbank, müsse<br />
unverzüglich zugelassen werden.<br />
Die klarsten Worte betreffen die Zukunft<br />
der Friedensverhandlungen. Der Europäische<br />
Rat soll einen Zeitpunkt festlegen,<br />
um die Entwicklungen im Friedensprozess<br />
zu beurteilen. Sollten bis dann keine<br />
Fortschritte erzielt werden, „hat der Rat<br />
keine andere Wahl, als die Angelegenheit<br />
an die internationale Gemeinschaft<br />
weiterzuleiten“. Übersetzt heißt das:<br />
Keine direkten Gespräche mehr zwischen<br />
Palästinensern und Israelis und keine<br />
Vermittlung mehr seitens der USA. Die<br />
UNO soll entscheiden, was mit den<br />
besetzten Gebieten passiert. In letzter Konsequenz<br />
raten die ehemaligen Politiker<br />
der EU-Führung, das zu machen, was<br />
die USA nicht können oder nicht wollen:<br />
Israel zu bestrafen, wenn das Land sich<br />
den Forderungen der internationalen<br />
Staatengemeinschaft widersetzt. Nicht<br />
mit Anreizen, wie es zuletzt die USA<br />
versuchten, sondern mit Strafen soll Israel<br />
zum Einlenken bewegt werden.<br />
Der ganze Brief vom 2. Dezember 2010 steht<br />
unter: www.palästina-israel-zeitung.de