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MünchnerUni.Magazin - Ludwig-Maximilians-Universität München

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Blaue und rote Bögen wabern über den Erdball,<br />

ausgelöst durch einen kleinen gelben Punkt im Inneren<br />

des Globus. Was sich auf dem Laptop von<br />

Professor Igel wie ein dreidimensionales Kaleidoskop<br />

abspielt, simuliert den Schwingungszustand<br />

der Erde etwa 25 Minuten nach einem Erdbeben.<br />

Die farbigen Wellen kennzeichnen die Verschiebung<br />

des Erdinneren aus der Ruhelage – auch<br />

wenn Ruhelage für Heiner Igel nur ein relativer<br />

Begriff ist. „Die Erde schwingt ständig wie eine<br />

Glocke“, erklärt der Wissenschaftler. Das so genannte<br />

global hum, ein sehr tieffrequentes Grundsummen<br />

der Erdkugel, wird permanent von seismischen<br />

Messpunkten rund um den Globus registriert.<br />

Seit den 60er Jahren zeichnet dieses Netzwerk<br />

alle Regungen des Planeten auf. Eingerichtet<br />

wurde es jedoch nicht als Frühwarnsystem für<br />

Erdbebenopfer, sondern um den damals zwischen<br />

Großbritannien, der UdSSR und den USA abgeschlossenen<br />

Atomwaffensperrvertrag kontrollieren<br />

zu können – Seismologie als Kind des Kalten<br />

Krieges.<br />

Heute werden jedes Jahr mehrere tausend größere<br />

Erdbeben im globalen Netzwerk registriert. Nationale<br />

und internationale Rechenzentren speichern<br />

diese Daten ohne Verzögerung, so dass bei<br />

Beben, die größere Schäden nach sich ziehen, sofort<br />

das Epizentrum, die Tiefe und die Stärke ermittelt<br />

werden können. Gleichzeitig werden die<br />

Laufzeiten verschiedener seismischer Wellentypen<br />

katalogisiert. Was früher Wochen in Anspruch<br />

nahm, passiert jetzt automatisch und steht in der<br />

Regel Minuten nach schweren Beben im Internet.<br />

Seit Mitte der 80er Jahre ist es Wissenschaftlern<br />

möglich, mit Hilfe der Strahlentheorie Daten wie<br />

1 Ein außergewöhnlicher metallischer<br />

Glanz kennzeichnet den erkalteten<br />

Lavastrom aus dünnflüssiger Pahoehoe-Lava<br />

auf Hawaii.<br />

3 Professor Heiner Igel von der Sektion<br />

Geophysik der LMU zeichnet mit Hilfe<br />

dreidimensionaler Computersimulationen<br />

(gr. Bild li.) die Schwingungszustände<br />

der Erde nach.<br />

die beobachteten Ankunftszeiten von Erdbebenwellen<br />

in einem globalen Erdmodell einzuordnen.<br />

Diese so genannte seismische Tomographie hat<br />

das Bild des Erdinneren, im Besonderen des Erdmantels<br />

und der damit verknüpften so genannten<br />

Mantelkonvektion, geprägt. Zum ersten Mal konnten<br />

abtauchende Platten der obersten Erdschicht<br />

sichtbar gemacht und warme Bereiche unter<br />

vulkanisch aktiven Regionen nachgewiesen<br />

werden.<br />

DER COMPUTER ALS LABOR<br />

„Trotz des globalen seismischen Netzes wissen<br />

wir aber nach wie vor leider nur sehr wenig darüber,<br />

was direkt an der Erdbebenquelle im Inneren<br />

der Erde passiert“, bedauert Professor Igel. Die<br />

Diskrepanz zwischen der großen Menge an<br />

gesammelten Daten und seismischen Beobachtungen<br />

und die noch unzureichende Entwicklung<br />

von Theorien und Simulationen davon, was<br />

tatsächlich nahe des Mittelpunktes der Erde geschieht,<br />

treibt den Forscher in seiner Arbeit an.<br />

„Die bei Erdbeben ausgestrahlte seismische<br />

Wellenenergie liefert wichtige Informationen über<br />

das Erdinnere und die dahinter stehende Physik<br />

lässt sich heute gut in dreidimensionalen Modellen<br />

simulieren.“ Damit haben die Computer heute<br />

zum Teil die Rolle von physikalischen Labors übernommen.<br />

Für eine realistische Berechnung der<br />

Modelle werden jedoch Hochleistungs-Computer<br />

und so genannte parallele Programme benötigt.<br />

Ein solcher Supercomputer steht den<br />

Geophysikern der LMU am Leibniz-Rechenzentrum<br />

zur Verfügung. Er kann Algorithmen<br />

nicht seriell hintereinander, sondern gleichzeitig<br />

MUM 01 | 2004 TITEL<br />

5

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