19.01.2013 Aufrufe

DAS RECHT DER TIERE DAS RECHT DER TIERE - Bund gegen ...

DAS RECHT DER TIERE DAS RECHT DER TIERE - Bund gegen ...

DAS RECHT DER TIERE DAS RECHT DER TIERE - Bund gegen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Das Recht der Tiere 1/2011<br />

8<br />

T ITELTHEMA<br />

zum Thema Wohlbefinden bei Tieren<br />

wird zunehmend zwischen zwei Gruppen<br />

von Anforderungen und Situationen<br />

entschieden: Zwischen den Notwendigkeiten,<br />

das sind Dinge, die das<br />

Tier zum Überleben und zur Aufrechterhaltung<br />

seiner körperlichen und geistigen<br />

Unversehrtheit unbedingt<br />

braucht, und den Gelegenheiten. Das<br />

sind Dinge, die man zwar nicht unbedingt<br />

braucht, aber Vergnügen empfindet,<br />

wenn man sie hat.<br />

Leiden entsteht nach diesen Überlegungen<br />

dann, wenn die Notwendigkeiten<br />

(Nahrung, Wasser, Schutz vor Fressfeinden,<br />

Sicherheit des Nachwuchses<br />

etc.) beeinträchtigt sind und man nichts<br />

da<strong>gegen</strong> tun kann. Vergnügen entsteht<br />

dann, wenn Gelegenheiten (Spielkameraden,<br />

süßes oder wohlschmeckendes<br />

Futter etc.) vorhanden sind. Fehlen<br />

die Gelegenheiten, ist das Leben zwar<br />

etwas langweiliger, aber das Wohlbefinden<br />

des Tieres dadurch noch nicht<br />

beeinträchtigt. Bei Hunden gehört<br />

zweifellos der Sozialkontakt (Halter und<br />

Mithund) zu den Notwendigkeiten.<br />

Stereotypien können helfen,<br />

Stresssituationen zu bewältigen<br />

Eine weitere Schwierigkeit sehen wir in<br />

der Bewertung von Verhaltensauffälligkeiten<br />

und Stereotypien. Es ist unbestreitbar,<br />

dass zur Entstehung von Stereotypien<br />

unbefriedigende Zustände<br />

gehören. In der Regel hat jedes Tier,<br />

das Stereotypien zeigt, über einen längeren<br />

Zeitraum mit unzureichenden<br />

und bisweilen auch nicht verhaltensgerechten<br />

Unterbringungen oder Lebenssituationen<br />

Kontakt gehabt.<br />

Sobald die Stereotypie jedoch fixiert ist,<br />

wird sie auch bei vergleichsweise harmlosen<br />

Belastungen und leichten Unzufriedenheiten,<br />

bei Erwartung von Futter<br />

oder anderen durchaus positiven, in<br />

der Zukunft liegenden, Ereignissen etc.<br />

gezeigt. Ein Tier, das eine Stereotypie<br />

zeigt, muss also nicht akut leiden. Es<br />

hat nur in seiner Vergangenheit eine<br />

unbefriedigende, vielleicht auch Leiden<br />

schaffende Situation durchlebt. Da<strong>gegen</strong><br />

sind Stereotypien zur Bewertung<br />

der aktuellen Haltungsbedingungen<br />

nicht unbedingt geeignet.<br />

Nicht alle Hunde leiden im<br />

Tierheim<br />

Interessanterweise produzieren Tiere<br />

mit Stereotypien oft in der aktuellen Situation<br />

weniger Stresshormone und<br />

kommen besser klar als Tiere ohne Stereotypien.<br />

Selbst bei unseren Artgenossen<br />

ist dies nachgewiesen: Kinder in<br />

der Schule, die beim Abgefragtwerden<br />

mit den Beinen wippen durften, hatten<br />

geringere Stresshormonwerte als Klassenkameraden,<br />

die das nicht durften.<br />

Unseres Erachtens nach sollten Stereotypien<br />

primär nur dann unterbunden<br />

und durch Umkonditionierung oder<br />

andere Ablenkungsstrategien verringert<br />

werden, wenn sie durch ihre Ausführung<br />

zu gesundheitlichen Problemen<br />

(z.B. Gelenkschäden durch<br />

Weben bei Pferden oder Selbstverletzung<br />

Ergreifen und Hineinbeißen des<br />

Schwanzes bei Hunden) führen. In den<br />

anderen Fällen sollte man vorsichtig<br />

sein, bevor man dem Tier die Stereotypie<br />

verbietet und ihnen damit die selbst<br />

gewählte Bewältigungsstrategie nimmt.<br />

Die Forschung kennt drei<br />

Stressachsen im Körper …<br />

Die wichtigsten Auswirkungen von<br />

Stress auf den Körper eines Tieres sind<br />

nur zu verstehen, wenn wir uns mit den<br />

drei großen Stresshormonsystemen etwas<br />

ausführlicher beschäftigen:<br />

1. Die Gonadenachse wirkt als ein<br />

Stresssystem aus dem Gehirn unmittelbar<br />

auf die Fortpflanzungsorgane.<br />

Stress reduziert die Fortpflanzungsfähigkeit<br />

eines Tieres auf Dauer, wobei<br />

die Auswirkungen bei männlichen Tieren<br />

meist schleichend und daher nicht<br />

sofort erkennbar sind. Die Decklust und<br />

das Sexualverhalten werden etwas weniger<br />

intensiv, die Zahl der lebensfähigen<br />

und befruchtungsfähigen Samenzellen<br />

geht langsam zurück und das<br />

alles in einer Geschwindigkeit, die oft<br />

ohne medizinische Untersuchungen<br />

nicht nachweisbar ist.<br />

Erst bei ziemlich starker Belastung zeigt<br />

sich dann in einer Häufung von erfolglosen<br />

Deckakten oder in einer allgemeinen<br />

Deckunlust, dass hier etwas<br />

nicht stimmt. Beim weiblichen Geschlecht<br />

sind Unregelmäßigkeiten im<br />

Zyklus oder auch eine verringerte Wurfgröße<br />

bei solchen Tieren, die normalerweise<br />

Mehrlingsgeburten haben, die<br />

Regel. Trotzdem ist die Gonadenachse<br />

als Stresssystem (bis auf Haus- und<br />

"Nutztier"forschung) weitestgehend<br />

stiefmütterlich behandelt worden.<br />

2. Das Kampf- und Fluchtsystem als<br />

viel bekannteres Stresssystem. Es soll<br />

den Körper auf zukünftige Gefahren<br />

und deren Bewältigung vorbereiten. Es<br />

arbeitet überwiegend mit den beiden<br />

Hormonen Noradrenalin und Adrenalin.<br />

Noradrenalin ist hierbei im Gehirn<br />

für die Auslösung von aggressiven<br />

Stimmungen, Selbstverteidigungsaggression<br />

etc. verantwortlich, Adrenalin<br />

da<strong>gegen</strong> eher für Fluchtverhalten.<br />

Die körperlichen Auswirkungen der<br />

beiden Systeme sind ziemlich identisch;<br />

Herz- und Kreislauf werden<br />

angeregt, die Atmungs- und<br />

Pulsrate beschleunigt, die<br />

Durchblutung wird auf bestimmte,<br />

für die Auseinandersetzung<br />

besonders wichtige<br />

Organe konzentriert<br />

(Muskulatur, Herz,<br />

Gehirn und große<br />

Sinnesorgane),<br />

die Aktivität der<br />

Zellatmung wird<br />

beschleunigt<br />

und zugleich<br />

die Blutgerinnungsgeschwindigkeit<br />

erhöht.<br />

All das sind<br />

durchaus biologischsinnvolleVorbereitungsmaßnahmen<br />

für eine<br />

mögliche Aus-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!