Notizen «Zufall ist ein Wort ohne Sinn; nichts kann ohne Ursache existieren», befand einst <strong>de</strong>r französische Schriftsteller und Philosoph Voltaire. Wir wollen <strong>de</strong>m grossen Denker auch gar nicht wi<strong>de</strong>rsprechen. Trotz<strong>de</strong>m: Es <strong>muss</strong> sich um einen Zufall han<strong>de</strong>ln, dass wir in <strong>die</strong>ser Rubrik für einmal fast ausschliesslich Jahrestage aus <strong>de</strong>r englischsprachigen Welt feiern. O<strong>de</strong>r sehen Sie dafür eine an<strong>de</strong>re Ursache, Monsieur? 1911 war wichtig fürs Theater, <strong>de</strong>nn in <strong>die</strong>sem Jahr kamen grosse Dramatiker zur Welt. Max Frisch zum Beispiel, <strong>de</strong>m wir ab Seite 24 <strong>die</strong>ser Ausgabe einen ausführlichen Beitrag widmen. O<strong>de</strong>r Tennessee Williams. Die Stücke <strong>de</strong>s US- Amerikaners zählen zu <strong>de</strong>n meistgespielten <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts; sie sind psychologisch äusserst anspruchsvoll, han<strong>de</strong>ln von seelisch-moralischem Verfall, von innerer Zerrissenheit und komplexen Konflikten. Schauspielerinnen und Schauspieler bieten sie begehrte Plattformen zur Entfaltung ihres Könnens. Marlon Brando wur<strong>de</strong> durch seine Rolle in Williams’ «Endstation Sehnsucht» zum Star; er spielte <strong>de</strong>n raubeinigen Stanley Kowalski erst am Broadway, dann in <strong>de</strong>r Verfilmung. Und mit ihrer Mitwirkung in zwei Filmen nach Stücken von Williams, «Die Katze auf <strong>de</strong>m heissen Blechdach» und «Plötzlich im letzten Sommer», etablierte sich Elizabeth Taylor als ernstzunehmen<strong>de</strong> Schauspielerin. Der immer wie<strong>de</strong>r von Depressionen geplagte Williams starb 1983 unter mysteriösen Umstän<strong>de</strong>n. Weil Theaterstücke nicht gera<strong>de</strong> als Bestseller gelten, sind sie oft nur schwierig zu bekommen – anlässlich <strong>de</strong>s run<strong>de</strong>n Geburtstags von Tennessee Williams ist jetzt aber glücklicherweise ein neuer Band mit seinen zwei bekanntesten Stücken erschienen, «endstation sehnsucht. Die Katze auf <strong>de</strong>m heissen Blechdach». Fast eine Generation älter als Tennessee Williams war sein Landsmann Dashiell Hammett, <strong>de</strong>ssen To<strong>de</strong>stag sich am 10. Januar zum 50. Mal jährte. Der 1894 geborene Autor gilt als einer <strong>de</strong>r Väter <strong>de</strong>s Kriminalromans und als Erfin<strong>de</strong>r eines ganzen Subgenres: Er kreierte <strong>de</strong>n so genannten «hard-boiled» Ermittler, <strong>de</strong>n hartgesottenenen Privat<strong>de</strong>tektiv. Unzählige an<strong>de</strong>re Schriftsteller und Filmemacher haben <strong>die</strong>ser Figur ihre Reverenz erwiesen. Bei Hammett heisst <strong>de</strong>r Detektiv mit <strong>de</strong>r rauen Schale und <strong>de</strong>n ehernen Grundsätzen Sam Spa<strong>de</strong>; er ist <strong>die</strong> Hauptfigur <strong>de</strong>s Romans «Der Malteser Falke». Dass Spa<strong>de</strong> so glaubwürdig ist, hängt damit zusammen, dass Hammett selber jahrelang als Privat<strong>de</strong>tektiv gearbeitet hatte: Hammett war Spa<strong>de</strong>, in mancherlei Hinsicht. Das bewies er auch, als er in <strong>de</strong>r McCarthy-Ära vor <strong>de</strong>n Ausschuss gegen «Unamerikanische Umtriebe» gezerrt wur<strong>de</strong>. Der bekennen<strong>de</strong> Kommunist beharrte auf seinem Zeugnisverweigerungsrecht und wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb zu einer fünfmonatigen Haftstrafe verurteilt. Damit Jahrestage Oft war seine Karriere schlagartig been<strong>de</strong>t – doch Hammett hatte nieman<strong>de</strong>n verraten. Er starb völlig verarmt an Lungenkrebs. Der Diogenes-Verlag hat jetzt Hammetts wichtigsten Romane neu aufgelegt. Wenn wir gera<strong>de</strong> bei Krimis aus <strong>de</strong>n USA sind: Einen run<strong>de</strong>n Geburtstag gibt es auch bezüglich <strong>de</strong>r Königin <strong>de</strong>s Genres zu vermel<strong>de</strong>n. patricia Highsmith kam vor 90 Jahren in Texas zur Welt, am 19. Januar 1921. Wie in <strong>de</strong>n Werken Hammetts geht es auch in ihren Büchern nicht primär um <strong>die</strong> Aufklärung eines Verbrechens; während bei Hammett <strong>die</strong> Atmosphäre zentral ist, konzentrierte sich Highsmith vor allem auf das Innenleben ihrer Figuren. Ihre berühmteste Schöpfung ist Tom Ripley. O<strong>de</strong>r müsste man sagen: ihre berüchtigtste Schöpfung? Ripley ist nämlich, ungewöhnlich für einen Serienhel<strong>de</strong>n, ein Bösewicht, <strong>de</strong>r auch einmal mor<strong>de</strong>t, wenn ihm das nützt. Vor allem <strong>die</strong> erfolgreichen Verfilmungen <strong>de</strong>r Ripley-Romane führten dazu, dass das übrige Werk von Patricia Highsmith ein wenig in <strong>de</strong>n Hintergrund geriet. Sehr zu Unrecht: Ihre oft von schwarzem Humor durchdrungenen Romane und Erzählungen sind hohe und <strong>de</strong>nnoch unterhaltsame Literatur. Patricia Highsmith starb 1995 im Tessin, wo sie seit 1981 gelebt hatte. Ebenfalls in <strong>de</strong>r Schweiz, nämlich in Vevey, starb ein an<strong>de</strong>rer grosser Literat aus <strong>de</strong>m englischsprachigen Raum – <strong>de</strong>r Brite Graham Greene. Sein To<strong>de</strong>stag jährt sich am 3. April zum 20. Mal. Greene, geboren 1904, war zeit seines Lebens ein schreiben<strong>de</strong>r Star; er verfasste hervorragen<strong>de</strong> Drehbücher, zum Beispiel für <strong>de</strong>n Film «Der dritte Mann», und viele grossartige Romane wie «Unser Mann in Havanna» o<strong>de</strong>r «Der stille Amerikaner». Er soll häufiger für <strong>de</strong>n Literaturnobelpreis nominiert gewesen sein als je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re; <strong>die</strong>se höchste Auszeichnung in <strong>de</strong>r Literaturwelt gewann er jedoch nie. Lesetipp: Die Neuausgabe seines Agenten-Romans «Der menschliche Faktor». Und wenn wir schon beim Literaturnobelpreis sind: Auch bezüglich <strong>de</strong>s jüngsten Autors, <strong>de</strong>r <strong>die</strong>se Auszeichnung bislang gewann, gibt es einen Jahrestag zu vermel<strong>de</strong>n. rudyard Kipling starb am 18. Januar 1936 in London – also vor genau 75 Jahren. Zur Welt kam Kipling 1865 im damaligen Bombay in In<strong>die</strong>n. Nach einer Jugend in England kehrte er wie<strong>de</strong>r nach In<strong>die</strong>n und Pakistan zurück und liess sich dort zu seinem berühmtesten Werk inspirieren: «Das Dschungelbuch». Als er 1907 <strong>de</strong>n Nobelpreis erhielt, war Kipling gera<strong>de</strong> einmal 42 Jahre alt. Danach verblasste sein Ruhm allerdings rasch; erst Walt Disney holte ihn mit <strong>de</strong>r Verfilmung von Mowglis Abenteuer wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Versenkung. ist <strong>die</strong> letzte Seite eines Buchs jene, <strong>die</strong> man am wenigsten gern liest – weil man nicht möchte, dass das Buch schon zu En<strong>de</strong> ist. Glücklicherweise können einem Fachleute in solchen Momenten weiterhelfen und einem Bücher mit vergleichbaren Qualitäten empfehlen. Heute macht das Susanna Beusch; sie ist seit 33 Jahren Buchhändlerin und arbeitet seit sechs Jahren bei Orell Füssli in Winterthur. «Ich verstehe, dass das Buch ‹Die en<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Welt› von roger Willemsen ein so grosser Erfolg war: Willemsens Reisebeschreibungen sind Literatur, sehr klug und sehr persönlich. Die beson<strong>de</strong>ren Orte, <strong>die</strong> er besucht hat, nimmt man durch seine Augen wahr. Wer ‹Die En<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Welt› mag, freut sich wohl auch an <strong>de</strong>n Büchern von Ilija Trojanow. Der Bulgare, <strong>de</strong>r in Deutschland aufwuchs und heute in Wien lebt, schreibt eher im Reportage-Stil, er kann <strong>die</strong> Situationen vor Ort aber genauso anschaulich wie<strong>de</strong>rgeben wie Willemsen – er zieht einen Was lesen Sie gera<strong>de</strong> ? sina, sängerin und songwriterin, Fahrwangen: «Eigentlich hätte ich wegen <strong>de</strong>r Veröffentlichung meines neuen Albums ‹Ich schwöru› gegenwärtig an<strong>de</strong>res zu tun – aber <strong>die</strong> Schauspielerin Mia Farrow kürzt mir schmerzlich meine Nächte ab. Ihre Memoiren ‹Dauer hat, was ver- geht› erzählen von einer Frau, <strong>die</strong> mal labil, dann stark durch <strong>die</strong> eigene Geschichte navigiert. Sehr amerikanisch ist <strong>de</strong>r erste Teil von Mia Farrows Leben mit Jetset, Drogen und ersten Erfolgen als Kinostar; in <strong>die</strong>ser Phase mutet sie zuweilen etwas naiv an. Es folgen <strong>die</strong> Suche nach <strong>de</strong>m Sinn <strong>de</strong>s Lebens, ihre Rolle als Mutter von 14 leiblichen und adoptierten Kin<strong>de</strong>rn, <strong>die</strong> gescheiterten Beziehungen mit Frank Sinatra, André Previn und Woody Allen und immer wie<strong>de</strong>r Neuanfänge – man wünscht ihr schnell einmal, sie wür<strong>de</strong> endlich lan<strong>de</strong>n und Ruhe fin<strong>de</strong>n. Gern hätte ich wie Mia Farrow mit Salvador Dalì herumgesponnen o<strong>de</strong>r mit Frankie-Boy im Mondschein ein Lied gesungen. Lieb gewor<strong>de</strong>n ist mir in ihrer Gegensätzlichkeit und Suche aber vor allem sie selber – <strong>die</strong>se grossartige Schauspielerin.» Leute, <strong>die</strong> das mögen, mögen auch ... Wettbewerbs-Gewinner regelrecht mit auf seine Reisen. Ich fin<strong>de</strong> bei<strong>de</strong> Autoren gleich wichtig, weil sie bei<strong>de</strong> gescheit, offen und in allem liebevoll sind. Von Trojanow kann man zum Beispiel zuerst einmal ‹Der entfesselte Globus› lesen. In <strong>die</strong>sem Buch nimmt er einen an ganz verschie<strong>de</strong>ne Orte mit – wie Willemsen in seinem. Wir reisen, ohne wegzugehen.» In <strong>de</strong>r letzten Ausgabe von books verlosten wir Büchergutscheine. Gewonnen haben: 1. preis: Andrea Foenan<strong>de</strong>r, Felben-Wellhausen – 2. preis: Ruth Gattiker, Wil 3. preis: Verena Surbeck, Zürich Herzliche Gratulation! Die Gewinnerinnen und Gewinner <strong>de</strong>r Preise 4 bis 10 wer<strong>de</strong>n schriftlich benachrichtigt. 6 – books – März 2011 books – März 2011 – 7 Notizen Neuseeland 1875: Die abenteuerliche Reise durch das Land <strong>de</strong>r weißen Wolke geht weiter Hörbuch ISBN 978-3-7857-4453-6 | sFr 27,90 Buch ISBN 978-3-7857-6047-5 | sFr 27,90 www.luebbe.<strong>de</strong>