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Tenzing-Hillary Everest Marathon, Samstag 29 - Alpenverein ...

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<strong>Tenzing</strong>-<strong>Hillary</strong> <strong>Everest</strong><br />

<strong>Marathon</strong>, <strong>Samstag</strong><br />

<strong>29</strong>.05.2010, Base Camp,<br />

Höhe 5364m<br />

Furchtbar schlecht geschlafen, der<br />

mangelnde Sauerstoff in dieser Höhe macht<br />

mir vor allem nachts zu schaffen. Die Atmung<br />

muß sich hier auch nachts umstellen und das<br />

lässt einen fast im Stundenrhythmus immer<br />

wieder aufwachen und nach Sauerstoff<br />

hecheln. Dazu der Lärm der benachbarten<br />

<strong>Everest</strong>-Expedition, die ihren Gipfelerfolg<br />

ausgerechnet heute Nacht feiert. Ein ständig<br />

lärmender und stinkender Stromgenerator<br />

rundet die Sache noch ab.<br />

Ich wache um 5:00h morgens auf, und es ist<br />

wie immer hier oben um diese Zeit eiskalt.<br />

Der Schlafsack ist außen nass und das Zelt<br />

eingefroren. Ein Blick nach draußen und<br />

meine Müdigkeit weicht einer Vorfreude ob<br />

dieses wunderschönen Morgens mit Vollmond<br />

am Horizont und Sonnen www.bergfink-reisen.eu<br />

beschienenen Gipfeln ringsum. Alle um mich herum sind in heller Aufregung. Alle, das<br />

sind ca. 65 Nepali-Läufer, die vorgestern bzw. gestern nach und nach im Basislager<br />

eingetroffen sind, sowie ca. 40 so genannte Foreigner aus 14 Ländern rund um den<br />

Globus, welche gemeinsam während der vergangenen 2 Wochen von Lukla aus langsam<br />

ins Basislager getrekkt sind. Das Frühstück findet im Freien bei -5°C in Laufsachen statt,<br />

da alles andere überflüssige Equipment auf dem Weg nach Namche Bazar ist, in<br />

42,195km Entfernung.<br />

Eine Katzenwäsche, dann noch kurz ins leere Zelt, um die letzten Vorbereitungen für den<br />

Lauf zu treffen. Sonnencreme LSF 50+ auftragen, Camelbag kontrollieren und enteisen,<br />

ein bisschen dehnen, beten, dass alles gut wird, mich kurz sammeln. So spät wie möglich<br />

läuft die ganze 100-Mann-starke Truppe bis zum letzten Ende des Base Camps, kurz vor<br />

07:00h.<br />

Die Sonnenstrahlen erreichen uns jetzt, und sofort wird es angenehm warm. Die<br />

überschaubare Menge an überwiegend Nepali-Läufern bebt vor Spannung. Nach einer<br />

kurzen Ansprache unseres Wettkampfleiters zum Thema Streckenführung und -<br />

markierung fällt Punkt 07:00h der Startschuß.<br />

Sofort stürmen die Nepali-Läufer den steilen Eis-<br />

und Schotterhang hinunter, was darauf schließen<br />

lässt, daß sie null Probleme haben, sich in diesem<br />

Gelände schnell zu bewegen. Unglaublich


2<br />

geschickt sind Ihre Bewegungen und es ist unfassbar, wie wenig Ihnen die dünne Luft<br />

offensichtlich zu schaffen macht.<br />

Ich stelle mich in aller Ruhe hin und filme das Geschehen mit meiner kleinen Kamera. Die<br />

ersten Meter würde ich sowieso nur im Weg rumstehen. Als einer der Letzten mache ich<br />

mich auf den Weg, fühle erst mal in mich hinein, wie es mir geht und was mein Puls sagt.<br />

Das Gefühl sagt „passt schon“ und der Puls sagt „wird schon“. Hinter mir sagt einer „lauf<br />

schon!“<br />

Nach einigen weiteren kleinen „Filmimpressionen“ beginnt auch für mich langsam das<br />

Rennen. Durch sonnenüberflutete Hochgebirgslandschaft bringen wir die ersten 3km auf<br />

der Khumbu-Gletschermoräne, bestehend aus grobem Schotter und Eis, hinter uns.<br />

Das Basecamp, in dem wir uns ca. 40 Stunden aufgehalten haben, wird immer kleiner<br />

und der große Khumbu-Eisbruch, das Eingangstor zum höchsten Berg der Erde,<br />

verschwindet nun langsam aus unserem Blickfeld.<br />

Riesige Felskieselfelder führen uns weg vom Gletscher, hinüber nach<br />

Gorakshep auf 5.140m zur ersten Verpflegungsstelle bei km 5.<br />

Ich versuche, mich vorerst nur langsam und bewusst zu bewegen, da<br />

ich weiß, daß der 2. Teil des <strong>Marathon</strong>s der wesentlich<br />

anspruchsvollere ist im Hinblick auf Höhenmeter und Profil. Die<br />

gesamte Höhendifferenz des <strong>Marathon</strong>s beträgt ca. 3.000m downhill<br />

und ca. 1200m uphill. Allmählich erreiche ich aber nun doch einen nach<br />

dem anderen Läufer vor mir und beginne langsam Fahrt aufzunehmen.<br />

Das Licht hier oben ist wunderbar klar und hell, die Bergkulisse erschlagend schön und<br />

bei jedem Blick auf Nuptse, Ama Dablam und Co. macht sich ein Glücksgefühl breit, das<br />

sich nicht in Worte fassen lässt. Ich beginne außergewöhnlich früh, viel zu trinken, da der<br />

Verlust an Flüssigkeit in dieser Höhe sehr hoch ist. Am Ende werden es 6-7 Liter sein, die<br />

ich in mich reingeschüttet haben werde.<br />

Zur Verpflegung habe ich 6 Päckchen PowerBar-Gel dabei, was völlig ausreicht. Wie<br />

immer, wenn ich einen Läufer vor mir sehe, zieht er mich magisch an und es gelingt mir,<br />

immer besser, in Fluß zu kommen. Die großen Hindernisse, die permanent auf der<br />

Strecke liegen, überlaufe ich nun zusehends schneller und geschickter. Man wächst hier<br />

an dieser Aufgabe und Strecke oder man wandert.<br />

Die 5000er Grenze ist ab Lobuche unterschritten. Ich<br />

bin nun dabei, die Route bestehend aus Sand, Kiesel,<br />

Schotter, Felsen, Schlamm und Wiesen, allesamt<br />

hübsch garniert mit Yak-Dung (auch Grunzochse<br />

genannt, siehe Wikipedia), joggender Weise zu<br />

überwinden.<br />

Das Training zu Hause in profiliertem Gelände<br />

(Erlanger Rathsberg und Co.) zahlt sich jetzt aus. Nur<br />

immer schön konzentrieren, jeden Schritt bewusst setzen und mich nicht von zu vielen<br />

anderen Gedanken ablenken lassen. Jeder Fehltritt von den geschätzten 100.000 (und<br />

gefühlten 200.000) würde wahrscheinlich eine Verletzung nach sich ziehen. Fußgelenk,


3<br />

Knie, Oberschenkel- und Wadenmuskulatur, alles ist aufs Äußerste gefordert, und ich<br />

habe mich heute Morgen schon mal vorsorglich bei ihnen für die kommenden Strapazen<br />

entschuldigt. Aber sie halten zu mir und versagen bis zum Schluss trotz völliger<br />

Ermüdung nicht ihren Dienst.<br />

Nach ca. 15 km in Thugla auf 4.620m merke ich zum<br />

ersten Mal wieder etwas dickere Luft und laufe jetzt<br />

über einen herrlichen Höhenrücken mit freiem Blick<br />

auf Ama Dablam, dessen Schönheit mich fast<br />

umwirft.<br />

Völlig exponiert steht er vor mir mit seinen knapp<br />

7000m, der schönste Berg neben dem Erlanger<br />

Berch.<br />

Das Faszinierende hier ist, daß mit jeder Tageszeit die Berge anders in Erscheinung<br />

treten und man sich einfach nicht satt sehen kann an diesen Naturdenkmälern.<br />

Ich wende meine Konzentration und den Blick wieder der Strecke zu, nachdem dieser<br />

vergleichsweise kurz und schnell zu laufende Abschnitt ein abruptes Ende findet und in<br />

einen knackigen Downhill mündet Richtung Dingboche auf 4.410m, dessen blaue Dächer<br />

mir jetzt schon entgegen leuchten.<br />

Km 22 ist erreicht, alles ist bisher bestens gelaufen und mir geht es jetzt richtig gut. Ab<br />

jetzt ändert die Route ihren mir bekannten Lauf. Mir dadurch bekannt, dass wir die<br />

Strecke beim Aufstieg zum Base Camp ja bereits uphill hoch getrekkt sind.<br />

Die nun folgenden 18km sind mir somit fremd und frei von jeglichen Richtungs- und Km-<br />

Angaben. Eigentlich wurde uns eine durchgehende Markierung der Strecke mittels<br />

Kreidezeichen zugesagt. Diese setzte jedoch erst wieder auf den letzten 2km der Strecke<br />

ein.<br />

Ich hoffe nur, dass der kleine Nepali-Läufer ein paar 100m vor mir noch lange als<br />

Orientierungshilfe in meiner Nähe bleibt. Macht der kleine Mistkerl aber nicht und ist kurz<br />

darauf verschwunden.<br />

Ab jetzt muss ich mich nun wieder alleine durchfragen bei den entgegenkommenden<br />

Träger-Sherpas. Der Dialog läuft in etwa folgendermaßen ab:<br />

ICH (von weitem wild gestikulierend und rufend):<br />

„<strong>Marathon</strong>, <strong>Marathon</strong>, <strong>Marathon</strong>?“<br />

SHERPA (verständnislos aber freundlich grinsend und nickend, dabei nach oben oder<br />

unten zeigend, manchmal auch beides gleichzeitig:<br />

„….“!<br />

Weggeworfene Wettkampf-Freß-Süß-Pampf-Power-Riegel-Verpackungen aller Art dienen<br />

mir zusätzlich zu den Auskunft freudigen Sherpas als Orientierung.<br />

Aber ich bin immer richtig, Gott sei Dank!


4<br />

Nun richte ich meine Gedanken auf die steilen Auf- und Abstiege, die mich auf dem<br />

weiteren Streckenverlauf erwarten.<br />

Der vorletzte Ab- und Aufstieg stellt jedoch wirklich alles in den Schatten!<br />

Glücklicherweise habe ich nicht gewusst, was auf mich zu kommt, sonst hätte ich mich<br />

hier wohl erst mal hingesetzt und bitterlich geweint.<br />

Eine endlos steile Felstreppe als Heber ins letzte Dorf vor Namche Bazar. Ich weiß nicht<br />

mehr, wie lange sie war und wie lange ich dafür gebraucht habe. Als ich jedoch oben<br />

ankomme, muß ich einen ganzen Kilometer gehen, um meinen Puls einigermaßen wieder<br />

in den Griff zu bekommen.<br />

Ich laufe auf meinen völlig ausgepowerten Mitstreiter, den Polen Thadeus, auf. Er lehnt<br />

restlos erschöpft vornüber an einer Steinmauer, flucht irgendetwas auf Polnisch und winkt<br />

mich an sich vorbei. Aber er wird trotz allem nur 10 Min. nach mir das Ziel erreichen!<br />

Ich befinde mich nun am Ortseingang von Syangboche auf 3.720m bei km 38, in dessen<br />

Mauern sich keine Wegweiser mehr befinden. Als solche dienten wohl Cola-Fähnchen,<br />

deren sich im Laufe des langen Tages die Dorfkinder längst bemächtigt zu haben<br />

scheinen. Jedenfalls kommt eine Frau mit Ihrem Kind vorbei. Das Kind mit einem Strauß<br />

Cola-Fähnchen in der Hand. Wortgewandt rufe ich: „<strong>Marathon</strong>, <strong>Marathon</strong>, <strong>Marathon</strong>“??<br />

Sie nickt…..!<br />

Jetzt noch ans Ende des Dorfes, an der kleinen Klinik vorbei, auf die 3km Zielgerade, die<br />

es noch mal in sich hatte.<br />

Zum ersten Mal macht sich plötzlich ein Schwächegefühl in mir breit, welches jedoch so<br />

schnell verschwindet, wie es gekommen war.<br />

Die letzte Verpflegungsstelle ist umringt von Kindern, die mit Wasser nach mir spritzen<br />

und mir hinterher rennen.<br />

An überhaupt allen der ca. 10 Verpflegungsstellen gab es lediglich Wasser und teilweise<br />

Elektrolyt-Getränke, die scheußlich schmeckten, jedoch ihren Zweck erfüllten. Die<br />

anfangs versprochenen Nüsse und Schokolade, habe ich nirgends gesehen. Ich vermute,<br />

meine kleine „Orientierungshilfe“ von km 22 hat sich damit den Bauch voll geschlagen. An<br />

dieser Stelle sei der Ordnung halber vorweg erwähnt, daß er aus mir unerfindlichen<br />

Gründen (Schokoladenkrampf, Orientierungslosigkeit?) ca. 5 Min NACH MIR (!! �) das<br />

Ziel erreichen wird!<br />

Die letzten 2 Kilometer sind geprägt von einem steilen Treppenaufgang direkt nach dem<br />

Kloster ung, gefolgt von einem langen und sandigen Downhill, der erstmalig hervorragend<br />

ausmarkiert war, in Richtung Ziel nach Namche Bazar auf 3.440m.<br />

Vorbei an gackernden Hühner, Kindern mit offenen Mündern, ein paar wenigen<br />

Schaulustigen, noch mal nach dem Weg fragend, durch 4-5 Kurven im Ort, ein paar<br />

wenige Treppenstufen runter und vor mir erscheint endlich das rotweiße Zieltor.<br />

Im Ziel stoppe ich die Uhr bei 7Std 2Min 45Sek. Ich habe alles richtig gemacht!


Ein paar Dutzend Leute stehen im Ziel und begrüßen<br />

mich lauthals. Ich umarme jeden, der vor mir steht.<br />

Unserer Veranstalterin, Isolde Fink, von Bergfink-<br />

Reisen, überreicht mir einen weißen Seidenschal und<br />

die Finisher-Medaille.<br />

Das Wichtigste habe ich erreicht, nämlich gesund an<br />

den Start und gesund aus dem Wettkampf heraus zu<br />

gehen. Hört sich zwar nicht so an, aber ich hatte<br />

tierischen Spaß dabei und fühle mich absolut<br />

privilegiert und dankbar, dieses erlebt haben zu dürfen.<br />

Erlebnisbericht von Michael Dotzauer, Finisher <strong>Everest</strong> <strong>Marathon</strong>, <strong>29</strong> Mai 2010.<br />

Platzierung: Bester Deutscher, 4. Europäer;<br />

http://www.everestmarathon.com/race_result_2010.php<br />

Michael Dotzauer<br />

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