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Bauvorhaben in Ortsdurchfahrten –

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Impressum<br />

Verfasser: Rechtsanwalt Steffen Borgmann<br />

Partner der Rechtsanwaltssozietät Borgmann Schneider<br />

Behlertstraße 7, 14469 Potsdam<br />

Im Auftrag des: M<strong>in</strong>isteriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr<br />

Des Landes Brandenburg<br />

Stand: Dezember 2001<br />

In eigener Sache: Der Leitfaden „Bauen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> <strong>–</strong> Haftungsrisiken der<br />

öffentlichen Hand gegenüber Anliegern benachbarter<br />

Grundstücke“ wurde verfasst von Herrn Rechtsanwalt Steffen<br />

Borgmann, Kanzlei Borgmann Schneider Rechtsanwälte,<br />

Behlertstraße 7, 14469 Potsdam. Der Leitfaden gibt <strong>in</strong> der<br />

ursprünglichen Fassung den Stand der Rechtsprechung im Jahr<br />

2001 wider und wurde von Herrn Rechtsanwalt Borgmann<br />

seitdem nicht überarbeitet. Im Ergebnis e<strong>in</strong>er Überarbeitung<br />

durch das MIR steht fest, dass die im Leitfaden dargestellten<br />

Grundsätze nach wie vor Geltung beanspruchen.<br />

H<strong>in</strong>weis:<br />

Diese Broschüre wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des M<strong>in</strong>isteriums für<br />

Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr herausgegeben. Sie darf nicht während e<strong>in</strong>es<br />

Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-,<br />

Bundestags- und Kommunalwahlen sowie auch für die Wahl der Mitglieder des<br />

Europäischen Parlaments. Unabhängig davon, wann, auf welchem Wege und <strong>in</strong> welcher<br />

Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug<br />

zu e<strong>in</strong>er bevorstehenden Wahl nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise verwendet werden, die als<br />

Parte<strong>in</strong>ahme der Landesregierung zugunsten e<strong>in</strong>zelner politischer Gruppen verstanden<br />

werden kann.


Bauen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> -<br />

Haftungsrisiken der öffentlichen Hand gegenüber<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Anliegern der benachbarten Grundstücke<br />

1. Inhalte und Ziele.................................................................................................... 5<br />

2. Ausgangssituation................................................................................................. 7<br />

3. Grundlagen des relevanten Straßenrechts und entschädigungsgeeignete<br />

Sachverhalte ...................................................................................................... 9<br />

3.1. Straßenbaulast, Verkehrssicherungspflicht und Verantwortlichkeit am<br />

Bau................................................................................................................ 9<br />

3.1.1. Straßenbaulast ................................................................................... 9<br />

3.1.2. Verkehrssicherungspflicht ................................................................ 11<br />

3.1.3. Verantwortlichkeit am Bau................................................................ 14<br />

3.1.4. Zwischenfeststellung ........................................................................ 15<br />

3.2. Sonstige Anknüpfungspunkte für Entschädigungs- und<br />

Schadensersatzforderungen ....................................................................... 16<br />

3.3. Feststellung................................................................................................. 17<br />

4. Rechtliche Grundlagen........................................................................................ 19<br />

4.1. Verhältnis zu den Anliegern <strong>–</strong> Amtshaftung (Staatshaftung) und<br />

deliktische Ansprüche ................................................................................. 19<br />

4.1.1. Amtshaftung gemäß § 839 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG ............. 22<br />

4.1.2. Deliktische Haftung gemäß §§ 823, 831 BGB .................................. 33<br />

4.1.3. Entschädigungsansprüche ............................................................... 33<br />

4.1.4. Der sogenannte Folgenbeseitigungsanspruch .................................. 37<br />

4.2. Verhältnis zu den Bauausführenden ........................................................... 39<br />

4.2.1. Mangelhafte Leistungserbr<strong>in</strong>gung ..................................................... 40<br />

4.2.2. E<strong>in</strong>satz unzuverlässiger Nachunternehmer ...................................... 41<br />

4.2.3. Verzug .............................................................................................. 43<br />

4.2.4. Umgang mit Bedenkensanzeigen..................................................... 45<br />

1


5. Der Ablauf des <strong>Bauvorhaben</strong>s unter Berücksichtigung haftungsrechtlicher<br />

Risiken .................................................................................................... 47<br />

5.1. Anforderungen an die Straßenbauverwaltung bei der Abwicklung von<br />

<strong>Bauvorhaben</strong>............................................................................................... 47<br />

5.2 Die Entwurfsphase ...................................................................................... 48<br />

5.3 Organisation der Bauüberwachung/-koord<strong>in</strong>ierung vor Beg<strong>in</strong>n der<br />

Bauarbeiten................................................................................................. 50<br />

5.4 Verhältnis zum Anlieger im Rahmen der Bauvorbereitung.......................... 50<br />

5.4.1. Pflicht zur Auskunftserteilung ........................................................... 51<br />

5.4.2. Umfang und Art und Weise der Auskunft ......................................... 51<br />

5.4.3. Folgen unrichtiger Auskunft.............................................................. 52<br />

5.5. Berücksichtigung der E<strong>in</strong>wirkungen und Beschränkungen zu Lasten der<br />

Anlieger vor Baubeg<strong>in</strong>n............................................................................... 53<br />

5.5.1. Vermeidung von Entschädigungsansprüchen aus enteignendem<br />

E<strong>in</strong>griff .............................................................................................. 53<br />

5.5.2. Vermeidung von Entschädigungsansprüchen aus<br />

enteignungsgleichem E<strong>in</strong>griff ........................................................... 55<br />

5.6 Planfeststellung........................................................................................... 55<br />

5.7 Ausschreibung/Leistungsbeschreibung und haftungsrechtliche Risiken im<br />

H<strong>in</strong>blick auf Anlieger benachbarter Grundstücke ........................................ 57<br />

5.7.1. Die „Werkzeugtheorie“ und ihre Ausstrahlung auf Ausschreibung/<br />

Leistungsbeschreibung..................................................................... 57<br />

5.7.2. Stichworte zur Vergabe/Leistungsbeschreibung .............................. 60<br />

5.8 Beweissicherung ......................................................................................... 61<br />

5.8.1. Beweissicherung im Verhältnis zu den Anliegern............................. 61<br />

5.8.2. Umfang der Beweissicherung........................................................... 66<br />

5.8.3. Beweissicherungsergebnisse und Anliegerrechte ............................ 68<br />

5.8.4. Beweissicherung im Verhältnis zum Bauunternehmer ..................... 69<br />

5.8.5. Umleitungen und Beweissicherung .................................................. 71<br />

5.9. Die Baudurchführung .................................................................................. 71<br />

5.9.1. Umfang der Bauüberwachungs- und <strong>–</strong>koord<strong>in</strong>ierungspflichten<br />

während der Bauphase .................................................................... 72<br />

5.9.2. Schäden aufgrund unmittelbarer E<strong>in</strong>wirkung der Bauarbeiten ......... 74<br />

5.9.3. Anderweitige Bee<strong>in</strong>trächtigungen <strong>in</strong>folge des <strong>Bauvorhaben</strong>s ........... 77<br />

5.9.4. Zusammentreffen mehrerer Bauherren ............................................ 79<br />

5.9.5. Etwaige außergerichtliche Schadensregulierung gegenüber den<br />

Anliegern .......................................................................................... 82<br />

6. Schlussbemerkungen.......................................................................................... 85<br />

2


Übersicht 1 Verkehrssicherungspflicht ........................................................... 87<br />

Übersicht 2 Ansprüche von Anliegern im Zusammenhang mit<br />

<strong>Bauvorhaben</strong> <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> (Beispiele) ............................. 89<br />

Übersicht 3 Herangehen an rechtliche Probleme........................................... 91<br />

Übersicht 4 Arbeit mit Anspruchsgrundlagen ................................................. 93<br />

Übersicht 5 Spezifizierte Darstellung der Amtshaftung für<br />

Straßenbaumaßnahmen ............................................................. 97<br />

Übersicht 6 Zivilrechtliche Ersatzansprüche benachbarter Grundstückseigentümer<br />

bei Bee<strong>in</strong>trächtigungen durch Baumaßnahmen ..... 101<br />

Übersicht 7 Enteignender und enteignungsgleicher E<strong>in</strong>griff......................... 103<br />

Ausgangspunkt und Beispiel der Rechtsprechung.................... 103<br />

Übersicht 8 Checkliste bei Mangelhaftigkeiten der Bauausführung/<br />

Musterschreiben........................................................................ 109<br />

Muster e<strong>in</strong>er Mängelbeseitigungsaufforderung ......................... 110<br />

Muster e<strong>in</strong>er Kündigung gem. §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B.......... 111<br />

Übersicht 9 Musterschreiben bei unzuverlässigem Nachunternehmer-<br />

e<strong>in</strong>satz....................................................................................... 113<br />

Fristsetzung mit Kündigungsandrohung,<br />

§§ 4 Nr. 8, 8 Nr. 3 VOB/B.......................................................... 113<br />

Übersicht 10 Musterschreiben bei Leistungsverzug....................................... 115<br />

Übersicht 11 Bedenkensanzeigen.................................................................. 119<br />

Übersicht 12 Checkliste Vorbereitung der Bauüberwachung/-koord<strong>in</strong>ierung .121<br />

Übersicht 13 Checkliste: Auskünfte an Anlieger............................................. 123<br />

Übersicht 14 Bauüberwachung/-koord<strong>in</strong>ation <strong>in</strong> der Bauphase<br />

<strong>–</strong> Fallsammlung......................................................................... 125<br />

Übersicht 15 Verhalten gegenüber dem Anlieger/Geschädigten nach<br />

Schadensanzeige...................................................................... 131<br />

Übersicht 16 weitere Fallgestaltungen bei Schäden während der<br />

Baudurchführung....................................................................... 133<br />

Anhang: Texte der zitierten Bestimmungen des Bürgerlichen<br />

Gesetzbuches, der Zivilprozessordnung und des<br />

Grundgesetzes <strong>–</strong> Auszug <strong>–</strong> Stand: 01. August 2001................. 137<br />

3


1. Inhalte und Ziele<br />

Der vorliegende Leitfaden will den Baudezernaten der Straßenbauämter e<strong>in</strong>e praxis-<br />

nahe Entscheidungshilfe für rechtliche Problematiken im Rahmen der Bauvorberei-<br />

tung und <strong>–</strong>durchführung se<strong>in</strong>. Dabei konzentriert er sich auf die Fragestellungen,<br />

welche relevant werden, sobald Anlieger benachbarter Grundstücke von Ortsdurch-<br />

fahrten der Ansicht s<strong>in</strong>d, ihnen stünden <strong>in</strong>folge der Baumaßnahmen Entschädigungs-<br />

und/oder Schadensersatzansprüche gegenüber der öffentlichen Hand zu.<br />

Klargestellt sei, dass sich die Darstellungen beispielhaft mit Straßenbaumaßnahmen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong><br />

befassen, da dortig die Haftungsrisiken besonders ausgeprägt s<strong>in</strong>d, was aus<br />

dem Charakter der <strong>Ortsdurchfahrten</strong> folgt (umfängliche, oft straßennahe Bebauung; <strong>in</strong>tensive<br />

Nutzung der Anliegergrundstücke durch die Eigentümer; Vorhandense<strong>in</strong> älterer Bausubstanz).<br />

Grundsätzlich können die Ausführungen auch auf sonstige Straßenbauarbeiten s<strong>in</strong>ngemäß<br />

übertragen werden.<br />

Folglich beschreibt der Leitfaden auch die Verhaltensweisen, welche geeignet s<strong>in</strong>d,<br />

Haftungsrisiken von vornhere<strong>in</strong> zu m<strong>in</strong>imieren. Hierauf beschränken sich die Ausführungen.<br />

Sie unterstellen im übrigen e<strong>in</strong>e ordnungsgemäße Planung des <strong>Bauvorhaben</strong>s<br />

und berücksichtigen Folgen unzureichender oder mangelhafter Planung daher<br />

grundsätzlich nicht.<br />

Zur Beurteilung von Haftungsrisiken und dem Umgang mit ihnen soll der Leitfaden<br />

<strong>in</strong>sbesondere folgendes leisten:<br />

� Alarmfunktion<br />

Haftungsfälle lassen sich am besten vermeiden, wenn man frühzeitig erkennt, dass<br />

e<strong>in</strong>e Situation besteht, wo e<strong>in</strong> bestimmtes Handeln oder Unterlassen rechtliche Konsequenzen<br />

nach sich ziehen kann. Ist e<strong>in</strong>em dies erst e<strong>in</strong>mal bewusst, kann man<br />

se<strong>in</strong> Verhalten darauf e<strong>in</strong>stellen.<br />

Demnach will der Leitfaden e<strong>in</strong>e anhaltende Sensibilisierung dafür schaffen, solche<br />

Situationen zu erkennen, damit rechtliches Wissen überhaupt angewandt werden<br />

5


kann, bzw. vor entsprechendem Handeln oder Unterlassen e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung der<br />

Haftungsrisiken möglich wird.<br />

� Basisfunktion<br />

Der Leitfaden beschäftigt sich mit Haftungsfragen, folglich wesentlich mit rechtlichen<br />

Problematiken. Unentbehrlich s<strong>in</strong>d daher grundlegende Kenntnisse des Herange-<br />

hens an rechtliche Bewertungen und der rechtlichen Vorschriften, welche für die Haf-<br />

tung der öffentlichen Hand beim Bauen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> <strong>in</strong> Betracht kommen.<br />

Trotz des re<strong>in</strong> rechtlichen Charakters solcher Ausführungen bemüht sich der Leitfa-<br />

den um möglichst allgeme<strong>in</strong> verständliche Darstellung, ohne <strong>–</strong> schon wegen se<strong>in</strong>es<br />

Umfanges <strong>–</strong> Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu können.<br />

� Anwendungsfunktion<br />

Der Leitfaden beschränkt sich nicht, anders als e<strong>in</strong>e theoretische Darstellung, auf die<br />

Vermittlung von Kenntnissen. Er be<strong>in</strong>haltet Checklisten, Fallbeispiele, Musterbriefe<br />

usw. Er gewährt damit unmittelbare Hilfestellung für idealtypische Anwendungsbei-<br />

spiele.<br />

Mit diesen beschriebenen Funktionen erschöpft sich der Leitfaden. Dabei darf kei-<br />

neswegs verkannt werden, dass die Darstellung grundsätzlich rechtliche Fragestel-<br />

lungen erörtert. Streitfälle s<strong>in</strong>d aber stets e<strong>in</strong>malig <strong>–</strong> zwei völlig identische Ause<strong>in</strong>an-<br />

dersetzungen existieren nicht, was mit dem Begriff E<strong>in</strong>zelfallproblematik def<strong>in</strong>iert wird<br />

<strong>–</strong>, so dass es ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> gültigen Muster, Allheilmittel, e<strong>in</strong> immer wiederkehren-<br />

des Verhaltensmuster oder ähnliches gibt.<br />

Der Leitfaden kann daher nicht Antworten auf sämtliche Fragestellungen geben,<br />

noch Verhaltensmuster vorschreiben, welche Haftungsrisiken gänzlich reduzieren.<br />

Durch die Erfüllung der dargestellten Funktionen bietet der Leitfaden <strong>in</strong> der Praxis<br />

aber das, was er se<strong>in</strong> soll: E<strong>in</strong>e Entscheidungshilfe.<br />

6


2. Ausgangssituation<br />

<strong>Bauvorhaben</strong> (Straßenbauarbeiten) <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong><br />

Def<strong>in</strong>ition: <strong>Ortsdurchfahrten</strong> s<strong>in</strong>d nach den Regelungen der Straßengesetze<br />

diejenigen Teile e<strong>in</strong>er Bundes-, Landes- oder Kreisstraße, wel-<br />

che <strong>in</strong>nerhalb der geschlossenen Ortslage liegen, wobei dies der<br />

Teil e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>degebietes ist, der <strong>in</strong> geschlossener oder offener<br />

Bauweise zusammenhängend bebaut ist (§ 5 Abs. 1<br />

BbgStrG; § 5 Abs. 4 FStrG).<br />

s<strong>in</strong>d wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass sie im engen räumlichen Zusammenhang<br />

mit regelmäßig <strong>in</strong>tensiv (privat und/oder gewerblich) genutzten Nachbargrundstücken<br />

stehen. Wie jede Ortsstraße <strong>–</strong> häufig aber <strong>in</strong> besonderem Maße <strong>–</strong><br />

dient die Ortsdurchfahrt nicht nur der Erschließung der anliegenden Grundstücke<br />

durch Zugang und Zufahrt, sondern auch der Entfaltung des Lebens <strong>in</strong> örtlichen Geme<strong>in</strong>schaften<br />

<strong>in</strong> wirtschaftlicher, kultureller und sozialer H<strong>in</strong>sicht. Die Nachbargrundstücke<br />

von <strong>Ortsdurchfahrten</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>folge ihrer Historie darüber h<strong>in</strong>aus regelmäßig<br />

durch ältere Bebauung und wegen der exponierten Lage durch überdurchschnittlich<br />

rege wirtschaftliche Nutzung geprägt. Die Anlieger ziehen <strong>in</strong>soweit von<br />

dem anerkannten Geme<strong>in</strong>gebrauch der Straße/Ortsdurchfahrt Nutzen, § 14 Abs. 1<br />

Satz 1 BbgStrG, § 7 FStrG und es dürfte der alltäglichen Praxis entsprechen, dass<br />

gerade bevorstehende Straßenbauarbeiten bei den Anliegern Befürchtungen wecken<br />

h<strong>in</strong>sichtlich von Schädigungen, Immissionen (Baulärm, Staub usw.), E<strong>in</strong>schränkungen<br />

des Gebrauchs der Grundstücke und ähnliches. S<strong>in</strong>d die Bautrupps bereits <strong>in</strong><br />

Sicht, wächst die Sensibilität der Anlieger.<br />

Dabei ist auch nicht von der Hand zu weisen, das Straßenbauarbeiten <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong><br />

wegen der Nähe zu vorhandener Bebauung schadensgeneigt s<strong>in</strong>d und häufig<br />

zu sehr <strong>in</strong>tensiver Inanspruchnahme der Nachbargrundstücke führen müssen.<br />

7


Im folgenden sollen die haftungsrechtlichen Verhältnisse der an solchen Bauvorha-<br />

ben Beteiligten <strong>–</strong> gegenüber den benachbarten Grundstücken/Anliegern wie unter-<br />

e<strong>in</strong>ander <strong>–</strong> untersucht werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse s<strong>in</strong>d für den Bereich<br />

der Bauvorbereitung und Bauabwicklung die Verhaltensweisen aufzuzeigen, welche<br />

geeignet s<strong>in</strong>d, Entschädigungsansprüchen der Anlieger zu begegnen und die Bau-<br />

durchführenden zur ordnungsgemäßen Erfüllung der übernommenen Verpflichtun-<br />

gen anzuhalten.<br />

8


3. Grundlagen des relevanten Straßenrechts und entschädigungsgeeignete<br />

Sachverhalte<br />

Die Kenntnis der wesentlichen Def<strong>in</strong>itionen im Zusammenhang mit der Ausführung<br />

von Straßenarbeiten, <strong>in</strong>sbesondere deren Klassifizierung als öffentliche Aufgabe der<br />

Dase<strong>in</strong>svorsorge, ist unabd<strong>in</strong>gbar für e<strong>in</strong> rechtliches Verständnis, dass die Basis für<br />

Entscheidungsf<strong>in</strong>dungen bildet. Daher sollen zunächst e<strong>in</strong>ige allgeme<strong>in</strong>e Ausführungen<br />

folgen.<br />

3.1. Straßenbaulast, Verkehrssicherungspflicht und Verantwortlichkeit am Bau<br />

3.1.1. Straßenbaulast<br />

Unter Straßenbaulast versteht man<br />

Def<strong>in</strong>ition: sämtliche mit dem Bau und der Unterhaltung der Straßen zusammenhängende<br />

Aufgaben, § 9 Abs. 1 BbgStrG, § 3 Abs. 1<br />

FStrG.<br />

Träger der Straßenbaulast s<strong>in</strong>d sodann<br />

Def<strong>in</strong>ition: diejenigen Körperschaften oder Personen, welche durch Verfassungsrecht<br />

oder Gesetz zur Wahrnehmung der Straßenbaulast<br />

berufen s<strong>in</strong>d.<br />

Für das Land Brandenburg ergeben sich diese Zuordnungen aus § 9 Abs. 4 bis 9<br />

BbgStrG (vergleiche auch: § 5 FStrG). Die Straßenbauverwaltungen s<strong>in</strong>d sodann die<br />

behördlichen Organisationen, denen die Wahrnehmung der Straßenbaulast übertragen<br />

ist.<br />

9


Die Straßenbaulast wird des weiteren als öffentliche Aufgabe im Bereich der Da-<br />

se<strong>in</strong>svorsorge def<strong>in</strong>iert. Sie besteht daher ausschließlich im Interesse der Allgeme<strong>in</strong>-<br />

heit. Dem E<strong>in</strong>zelnen eröffnet sich e<strong>in</strong> Rechtsanspruch darauf, wie und wann die<br />

Straßenbaulast erfüllt wird, nicht. Die Straßenbaulast wird im weiteren beschränkt<br />

durch die Leistungsfähigkeit des Baulastträgers und sie soll nur e<strong>in</strong> regelmäßiges<br />

Verkehrsbedürfnis befriedigen müssen. Es ist deshalb ausdrücklich festzuhalten:<br />

Die Straßenbaulast besteht ausschließlich im Interesse der Allgeme<strong>in</strong>heit. Pri-<br />

vate Dritte haben ke<strong>in</strong>en Anspruch auf die Erfüllung der dem Träger der Stra-<br />

ßenbaulast obliegenden Aufgaben. Ihnen steht bei Nicht- oder Schlechterfül-<br />

lung ke<strong>in</strong> Anspruch auf Ersatz oder Schadloshaltung zu.<br />

Die Frage von Entschädigungsansprüchen im Zusammenhang mit dem Vorhanden-<br />

se<strong>in</strong> der Straßenbaulast kann daher hier abschließend erörtert werden. Insbesondere<br />

stehen den Straßenbenutzern nicht zu:<br />

- Ansprüche auf Neubau von Straßen;<br />

- Ansprüche auf Ausbau des Straßennetzes;<br />

- Ansprüche auf Rückbau bzw. E<strong>in</strong>schränkung von Straßen.<br />

Der Träger der Straßenbaulast entscheidet folglich über die Art, das Maß und den<br />

Zeitpunkt e<strong>in</strong>er Straßenbaumaßnahme im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens. Für<br />

die vorliegende Darstellung maßgeblich erstreckt sich die Straßenbaulast dabei unter<br />

anderem auf:<br />

- den Bau und die Unterhaltung von <strong>Ortsdurchfahrten</strong>, wobei dies Erneuerung,<br />

Erweiterung, Instandsetzung umfasst;<br />

- die etwaige Inanspruchnahme von Duldungs- und Unterlassungspflichten ge-<br />

genüber den Anliegern;<br />

- die Prüfung, Feststellung und gegebenenfalls Befriedigung von Schadensersatz-,<br />

Entschädigungs-, Ausgleichs- und sonstigen Ansprüchen im Zusammenhang<br />

mit dem Bau, dem Bestand, der Unterhaltung oder Benutzung e<strong>in</strong>er<br />

Ortsdurchfahrt.<br />

10


Bei den Trägern der Straßenbaulast, hier delegiert auf die Straßenbauverwaltungen,<br />

ist danach die Vermeidung von Entschädigungsforderungen und die rechtliche Inte-<br />

ressenwahrnehmung unmittelbar angesiedelt.<br />

3.1.2. Verkehrssicherungspflicht<br />

Sobald sich die Straßenbaulast <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Beschluss zur Durchführung e<strong>in</strong>es konkre-<br />

ten <strong>Bauvorhaben</strong>s (Ortsdurchfahrt) realisiert, treten neben die Verpflichtungen ge-<br />

genüber der Allgeme<strong>in</strong>heit (wie gezeigt ergeben sich dort Anspruchsmöglichkeiten<br />

von E<strong>in</strong>zelnen/von Anliegern grundsätzlich noch nicht), solche gegenüber dem E<strong>in</strong>zelnen,<br />

den betroffenen Anlieger. Dies folgt daraus, dass nunmehr <strong>in</strong> den Rechtskreis<br />

konkreter Personen zwangsläufig e<strong>in</strong>gegriffen und mit der Baumaßnahme e<strong>in</strong>e<br />

latente Gefahrenlage gegenüber Dritten geschaffen wird. Man spricht hier vom Entstehen<br />

e<strong>in</strong>er Verkehrssicherungspflicht, welche grundsätzlich une<strong>in</strong>geschränkt<br />

auch die öffentliche Hand trifft.<br />

Unter Verkehrssicherungspflicht versteht man<br />

Def<strong>in</strong>ition: den Rechtsgrundsatz, dass derjenige, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Verantwortungsbereich<br />

e<strong>in</strong>e Gefahrenlage schafft, dazu verpflichtet ist, die<br />

zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, die zur Abwendung der<br />

Dritten drohenden Gefahren geeignet s<strong>in</strong>d.<br />

Die Verkehrssicherungspflicht ist dabei von der Rechtsprechung wesentlich aus den<br />

Rechtsgedanken der §§ 823, 836 BGB abgeleitet.<br />

Sie stellt e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Rechtspflicht dar. Dies ist ohne weiteres e<strong>in</strong>zusehen, da<br />

jeder Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu nehmen hat. Demnach s<strong>in</strong>d regelmäßig<br />

die Vorkehrungen zu treffen, im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren, die geeignet<br />

s<strong>in</strong>d, Gefahren von Dritten abzuwenden und Schäden an Rechtsgütern Dritter<br />

zu vermeiden. Verpflichtet ist dabei derjenige, von dem die Gefahr ausgeht.<br />

11


Für diesen Leitfaden <strong>in</strong>teressant ist daher <strong>in</strong>sbesondere die Verkehrssiche-<br />

rungspflicht bei Vorbereitung und Durchführung von Bauarbei-<br />

ten/Straßenbauar-beiten. Hier gilt:<br />

Def<strong>in</strong>ition: Pflicht des Bauherren während der Dauer des <strong>Bauvorhaben</strong>s<br />

dieses so zu realisieren und zu sichern <strong>–</strong> jeweils unter E<strong>in</strong>satz<br />

zumutbarer Mittel <strong>–</strong>, dass objektiv vorhersehbare Gefahren von<br />

Dritten ferngehalten werden; das <strong>Bauvorhaben</strong> ist dabei bereits<br />

derart vorzubereiten, dass der vorstehenden Pflicht genügt wer-<br />

den kann.<br />

Folge e<strong>in</strong>er schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist die<br />

Schadensersatzpflichtigkeit.<br />

Die vorbenannte und erläuterte Verkehrssicherungspflicht, welche bei der Realisie-<br />

rung von Baumaßnahmen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> aktuell wird, ist abzugrenzen von der<br />

Straßenverkehrssicherungspflicht.<br />

Def<strong>in</strong>ition: Ist der Unterfall der allgeme<strong>in</strong>en Verkehrssicherungspflicht für öf-<br />

fentliche Verkehrsflächen und begründet sich daraus, dass durch<br />

die Zulassung des öffentlichen Verkehrs Gefahren von der Straße/den<br />

Verkehrsflächen ausgehen können.<br />

Die Straßenverkehrssicherungspflicht besteht daher unabhängig von Baumaßnahmen<br />

<strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> und be<strong>in</strong>haltet, dass die öffentlichen Verkehrsflächen möglichst<br />

gefahrlos zu gestalten und <strong>in</strong> diesem Zustand zu erhalten s<strong>in</strong>d; hierfür ist alles<br />

Zumutbare im Rahmen der Gefahrenabwehr zu tun.<br />

Es zeigen sich aber auch trennscharf die Unterschiede:<br />

Im Rahmen dieses Leitfadens, da Haftungsrisiken gegenüber Anliegern der Nachbargrundstücke<br />

während der Baumaßnahmen untersucht werden, ist die Verkehrssi-<br />

12


cherungspflicht bei der Durchführung von Bauarbeiten/Straßenbauarbeiten wesent-<br />

lich. Die Straßenverkehrssicherungspflicht besteht darüber h<strong>in</strong>aus stets, da Orts-<br />

durchfahrten öffentliche Verkehrsflächen darstellen.<br />

Beispiele:<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Verkehrssicherungspflicht bei Bauarbeiten:<br />

E<strong>in</strong>satz von Vibrationswalzen zu Verdichtungsarbeiten oder von sogenannten Rüttelgeräten<br />

(e<strong>in</strong>e schonende Arbeitsweise ist zu wählen, um Schäden an Nachbarhäusern aufgrund von<br />

Erschütterungsimmissionen zu vermeiden <strong>–</strong> vergleiche BGHZ 85, Seite 375 ff (Seite 381);<br />

BGH Versicherungsrecht 1982, Seite 595).<br />

Straßenverkehrssicherungspflicht:<br />

Durch die An- und Abfahrt von Baufahrzeugen werden Zebrastreifen auf noch nicht von der<br />

Baumaßnahme betroffenen Teilen der Ortsdurchfahrt unkenntlich. E<strong>in</strong> Anlieger wird angefahren<br />

(Fall der Straßenverkehrssicherungspflicht im Rahmen öffentlicher Verkehrsflächen).<br />

Das erste Beispiel ist für diesen Leitfaden bestimmend, mith<strong>in</strong> die konkrete Verkehrssicherungspflicht<br />

für Baumaßnahmen. Beim zweiten Beispiel ist die Betroffenheit<br />

e<strong>in</strong>es Anliegers eher zufällig; diese Rechtsfragen werden im Leitfaden nicht erörtert.<br />

Es ist zusammenzufassen:<br />

vergleiche auch Übersicht 1:<br />

Verkehrssicherungspflicht<br />

Die Durchführung von <strong>Bauvorhaben</strong> schafft nach allgeme<strong>in</strong>er Ansicht e<strong>in</strong>e Gefahrenlage,<br />

welche Verkehrssicherungspflichten begründet.<br />

Diese bestehen <strong>in</strong>sbesondere dah<strong>in</strong>gehend, durch die Bauarbeiten ke<strong>in</strong>en Dritten zu<br />

schädigen oder zu Schaden kommen zu lassen. Die geschützten Rechtsgüter Dritter,<br />

die der Gefahr ausgesetzt s<strong>in</strong>d, sollen unversehrt bleiben.<br />

13


Die Verkehrssicherungspflicht ist dabei, jedenfalls im Land Brandenburg, als ho-<br />

heitliche Amtspflicht e<strong>in</strong>zustufen, da § 10 Abs. 1 BbgStrG ausdrücklich klarstellt,<br />

dass der Bau und die Unterhaltung öffentlicher Straßen Amtspflichten <strong>in</strong> Ausübung<br />

hoheitlicher Tätigkeit darstellen. Man spricht <strong>in</strong>soweit von e<strong>in</strong>er öffentlich-<br />

rechtlichen Verkehrssicherungspflicht, was für die Anwendung rechtlicher Be-<br />

stimmungen wesentlich ist.<br />

An dieser Stelle sei bereits kurz erläutert:<br />

Die Rechtsprechung ist der grundsätzlichen Ansicht, das Verkehrssicherungspflichten ei-<br />

genständige Verpflichtungen gegenüber Dritten darstellen. Daher soll e<strong>in</strong>e Haftung für die<br />

Verletzung von Verkehrssicherungspflichten privat-rechtlicher Natur se<strong>in</strong>, d. h., die Ansprüche<br />

der Verletzten würden sich nach § 823 BGB (deliktischer Anspruch) richten. Da<br />

die Verkehrssicherungspflichten die öffentliche Hand une<strong>in</strong>geschränkt treffen, müssten<br />

sich Ansprüche nach § 823 BGB bestimmen, mit der Folge der direkten Inanspruchnahme<br />

desjenigen, der handelte (z. B. der Bauüberwacher vor Ort). Dies verh<strong>in</strong>dert die gesetzliche<br />

Normierung dieser Verpflichtungen als hoheitliche Amtspflichten. Daher ist e<strong>in</strong> Schadensersatzanspruch<br />

nicht gemäß § 823 BGB denkbar, sondern alle<strong>in</strong>ig e<strong>in</strong> Amtshaftungsanspruch<br />

nach § 839 BGB i. V. m. Artikel 34 GG, da die Wahrnehmung der Straßenbaulast<br />

(Bau und Unterhaltung von Straßen) als hoheitliche Amtspflicht <strong>in</strong> § 10 Abs. 1<br />

BbgStrG ausgeführt ist. Für die Anlieger der benachbarten Grundstücke heißt dies, dass<br />

sie bei Ansprüchen, welche auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten gestützt<br />

werden, auf die Geltendmachung der Forderungen im Wege der Amtshaftung grundsätzlich<br />

beschränkt s<strong>in</strong>d.<br />

3.1.3. Verantwortlichkeit am Bau<br />

Ausdrücklich normiert werden diese Anforderungen an den Straßenbaulastträger <strong>in</strong><br />

§ 10 Abs. 2 BbgStrG und § 4 FStrG. Danach gilt:<br />

Die Träger der Straßenbaulast (im Land Brandenburg die Straßenbaubehörde<br />

als Sonderordnungsbehörde) haben dafür e<strong>in</strong>zustehen, dass die Herstellung<br />

und Unterhaltung der Straßen allen Anforderungen der Sicherheit und Ord-<br />

nung genügen.<br />

14


Unter der E<strong>in</strong>haltung der Sicherheit und Ordnung wird verstanden, Rechtsgüter<br />

(auch Eigentum) zu schützen und die fachgesetzlichen Bestimmungen e<strong>in</strong>zuhalten,<br />

sowie die anerkannten Regeln der Technik. Im Rahmen ordnungsgemäßer Erfüllung<br />

s<strong>in</strong>d auch fachfremde Gesetze grundsätzlich zu berücksichtigen (z. B. Bundes-<br />

ImmissionsschutzG).<br />

Da dem Straßenbaulastträger e<strong>in</strong>e eigene Verpflichtung auferlegt ist, wird er im<br />

Rahmen des <strong>Bauvorhaben</strong>s als Bauherr und Bauaufsichtsbehörde tätig, die auch<br />

sicherzustellen hat, dass der Bauunternehmer an Weisungen der Bauaufsichtsbehörde<br />

gebunden ist.<br />

Die oben genannten gesetzlichen Bestimmungen für den Straßenbaulastträger stellen<br />

ke<strong>in</strong>e Schutzgesetze i.S. § 823 Abs. 2 BGB dar, sondern s<strong>in</strong>d baurechtliche Vorschriften.<br />

Jedoch dient die Verletzung derselben regelmäßig als Anknüpfungspunkt für e<strong>in</strong>e<br />

Amtspflichtverletzung, so dass Entschädigungsansprüche entstehen können, was im<br />

Rahmen der Darstellung der Amtshaftung auszuführen se<strong>in</strong> wird.<br />

Es ist daher festzuhalten, das Haftungsrisiken gegenüber Anliegern benachbarter<br />

Grundstücke u. a. immer dann relevant werden können, wenn die Verkehrssicherungspflichten<br />

bezüglich der Realisierung der <strong>Bauvorhaben</strong> durch den Straßenbaulastträger<br />

verletzt werden.<br />

3.1.4. Zwischenfeststellung<br />

Die Straßenbauverwaltungen s<strong>in</strong>d die zuständigen Behörden zur Realisierung der<br />

Straßenbaulast <strong>in</strong> Erfüllung der Aufgaben der Träger der Straßenbaulast. Die Straßenbaulast<br />

selbst begründet Ansprüche Dritter (<strong>in</strong>sbesondere auch der Anlieger)<br />

nicht.<br />

Wird jedoch e<strong>in</strong> konkretes <strong>Bauvorhaben</strong> <strong>in</strong> Wahrnehmung der Straßenbaulast durchgeführt,<br />

begründen sich Verkehrssicherungspflichten, die öffentlich-<br />

15


echtlicher/hoheitlicher Natur s<strong>in</strong>d sowie normierte Verantwortlichkeiten des Straßen-<br />

baulastträgers als am Bau Beteiligten, deren schuldhafte Verletzung Schadenser-<br />

satzansprüche nach sich ziehen kann. Wegen des hoheitlichen Tuns (Handeln oder<br />

Unterlassen) kommen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Straßenbaulast<br />

grundsätzlich nur die sogenannten Amtshaftungsansprüche <strong>in</strong> Betracht, die noch<br />

umfänglich darzustellen s<strong>in</strong>d.<br />

3.2. Sonstige Anknüpfungspunkte für Entschädigungs- und Schadensersatz-<br />

forderungen<br />

Neben der Pflicht, Gefahren abzuwenden, Schäden nicht herbeizuführen und zu ver-<br />

h<strong>in</strong>dern, sowie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügend zu bauen,<br />

können auch weitere tatsächliche Umstände der Realisierung von <strong>Bauvorhaben</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Ortsdurchfahrten</strong> zu e<strong>in</strong>er Inanspruchnahme der Straßenbauverwaltung führen. Hier-<br />

unter fallen <strong>in</strong>sbesondere folgende Konstellationen:<br />

- Zuführung von Immissionen bezüglich benachbarter Grundstücke (Lärm,<br />

Staub, usw.);<br />

- Verh<strong>in</strong>derung oder E<strong>in</strong>schränkung der Nutzung der benachbarten Grundstü-<br />

cke;<br />

- Änderung der Zuwegung, der Lage der Nachbargrundstücke zur Ortsdurch-<br />

fahrt oder Vergleichbares (Änderung der Verkehrslage).<br />

Insgesamt daher alle E<strong>in</strong>wirkungen von Baumaßnahmen, die nicht unmittelbar zu<br />

Schäden an benachbarten Gebäuden bzw. Grundstücken führen, aber auf die Nachbargrundstücke<br />

E<strong>in</strong>fluss haben und die Nutzung der Grundstücke zum<strong>in</strong>dest bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />

Es liegt auf der Hand, dass die Anlieger solche, mit Straßenbaumaßnahmen verbundenen,<br />

Umstände häufig nicht entschädigungslos dulden wollen und Ansprüche anmelden.<br />

16


Bei allen Sachverhalten kommt dabei der Konflikt zwischen freiem Gebrauch der<br />

Ortsdurchfahrt und der Notwendigkeit der baulichen Unterhaltung zum Ausdruck. Um<br />

Entschädigungsforderungen der Anlieger zu vermeiden, müssen die Voraussetzun-<br />

gen bekannt se<strong>in</strong>, unter welchen Entschädigungsansprüche <strong>in</strong> den oben genannten<br />

Fällen gestellt werden könnten.<br />

3.3. Feststellung<br />

Es kommen demnach verschiedenste Sachverhalte <strong>in</strong> Betracht, da Anlieger der benachbarten<br />

Grundstücke Ansprüche gegenüber dem Straßenbaulastträger erheben<br />

könnten. Diese stehen unmittelbar im Zusammenhang mit konkreten Beschädigungen<br />

oder E<strong>in</strong>wirkungen <strong>in</strong>folge der Baumaßnahmen.<br />

Übersicht 2: Ansprüche von Anliegern<br />

im Zusammenhang mit<br />

<strong>Bauvorhaben</strong> <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong><br />

Zur Vermeidung von Entschädigungs- und Schadensersatzforderungen s<strong>in</strong>d die Darstellung<br />

der Rechtsgrundlagen und die sich daraus ableitenden Verhaltensweisen<br />

erforderlich. Es ist darüber h<strong>in</strong>aus die allgeme<strong>in</strong>e Herangehensweise an rechtliche<br />

Fragestellungen zu untersuchen.<br />

Der Gang der Darstellung wird sich daran orientieren, dass zunächst die rechtlichen<br />

Grundlagen erfasst werden, die Basis der Entschädigungs-/Schadensersatzansprüche<br />

der Anlieger se<strong>in</strong> können.<br />

Sodann wird anhand e<strong>in</strong>er dem Bauablauf chronologisch folgenden Erörterung auf<br />

die Verhaltensweisen e<strong>in</strong>gegangen, die <strong>in</strong> Kenntnis der rechtlichen Situation geeignet<br />

s<strong>in</strong>d, Entschädigungsansprüche bestenfalls zu vermeiden. Dabei s<strong>in</strong>d diese Verhaltensweisen<br />

sowohl gegenüber den Anliegern darzustellen, wie gegenüber den<br />

Bauausführenden selbst.<br />

17


4. Rechtliche Grundlagen<br />

Die rechtlichen Grundlagen, die bei der Durchführung von <strong>Bauvorhaben</strong> <strong>in</strong> Orts-<br />

durchfahrten präsent se<strong>in</strong> sollten, werden im folgenden systematisch dargestellt. Da-<br />

bei wird unterschieden <strong>in</strong> den Rechtskreis zu den Anliegern und die Rechtsbezie-<br />

hungen zu den Bauausführenden und Sonderfachleuten (Ingenieure, Architekten),<br />

wobei die Letzteren nur im Überblick dargestellt werden können.<br />

E<strong>in</strong>e solche Aufteilung erfolgt, da immer erste Frage bei der Beurteilung e<strong>in</strong>er rechtli-<br />

chen Situation se<strong>in</strong> sollte:<br />

Besteht e<strong>in</strong> Vertragsverhältnis oder nicht ?<br />

Für den Fall, dass die Frage bejaht wird, ergibt sich alles wesentliche regelmäßig aus<br />

den Vertragsgrundlagen selbst; gesetzliche Vorschriften f<strong>in</strong>den nur ergänzend An-<br />

wendung. Anderenfalls ist man ausschließlich auf den Inhalt gesetzlicher Bestim-<br />

mungen und deren Ausgestaltung durch die Rechtsprechung angewiesen.<br />

4.1. Verhältnis zu den Anliegern <strong>–</strong> Amtshaftung (Staatshaftung) und delikti-<br />

sche Ansprüche<br />

Gegenüber den Anliegern der <strong>Ortsdurchfahrten</strong> bestehen grundsätzlich vertragliche<br />

Verhältnisse nicht. Mit den Anliegern werden regelmäßig ke<strong>in</strong>e Verträge abgeschlos-<br />

sen, die Duldungspflichten vorsehen oder ähnliches. Demnach können die Anlieger<br />

Entschädigungs- und/oder Schadensersatzansprüche gegenüber der Straßenbau-<br />

verwaltung nur erheben, soweit ihnen e<strong>in</strong>e gesetzliche Bestimmung hierfür Grundla-<br />

ge bietet. Die denkbaren gesetzlichen Anspruchsgrundlagen<br />

Def<strong>in</strong>ition: Ist e<strong>in</strong>e gesetzliche Norm oder Bestimmung e<strong>in</strong>es Vertrages, die<br />

e<strong>in</strong>en anderen unter genannten Voraussetzungen zu e<strong>in</strong>em Tun<br />

oder Unterlassen verpflichtet.<br />

19


werden im folgenden unterteilt nach ihren Voraussetzungen<br />

Def<strong>in</strong>ition: Hierunter versteht man den Sachverhalt, der gegeben se<strong>in</strong> muss,<br />

damit die Anspruchsgrundlage e<strong>in</strong>e bestimmte Rechtsfolge an-<br />

ordnet.<br />

und denkbaren E<strong>in</strong>wendungen<br />

Def<strong>in</strong>ition: S<strong>in</strong>d der Rechtsfolge der Anspruchsgrundlage entgegenstehen-<br />

und Rechtsfolgen<br />

dargestellt.<br />

de Umstände, die e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>treten der Rechtsfolge verh<strong>in</strong>dern, ob-<br />

wohl die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage gegeben<br />

s<strong>in</strong>d (z. B. E<strong>in</strong>rede der Verjährung).<br />

Def<strong>in</strong>ition: Das Tun oder Unterlassen, dass die Anspruchsgrundlage<br />

anordnet.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus gilt immer zu bedenken, dass der Sachverhalt, der e<strong>in</strong>en Entschädi-<br />

gungs-/Schadensersatzanspruch begründen soll, auch e<strong>in</strong>em Gericht gegenüber<br />

erweislich se<strong>in</strong> muss. Daher spielt die Frage der sogenannten Beweislast<br />

Def<strong>in</strong>ition: Drückt aus, welche Partei e<strong>in</strong>es Rechtsstreits e<strong>in</strong>e streitige Tat-<br />

sachenbehauptung zur Überzeugung des Gerichtes belegen<br />

muss.<br />

e<strong>in</strong>e außerordentliche Rolle und ist gleichfalls auszuführen.<br />

Es lässt sich daher zusammenfassen: E<strong>in</strong> Entschädigungs- und/oder Schadensersatzanspruch<br />

kann nur dann seitens des Anliegers durchgesetzt werden, wenn e<strong>in</strong>e<br />

Anspruchsgrundlage überhaupt gegeben ist. Diese Anspruchsgrundlage muss <strong>in</strong> ih-<br />

20


er Rechtsfolge das be<strong>in</strong>halten, was der Anlieger begehrt. Sämtliche Voraussetzun-<br />

gen der Anspruchsgrundlage müssen vorliegen. Daher ist die objektive Analyse der<br />

tatsächlichen Geschehnisse außerordentlich bedeutsam. Man muss sich immer be-<br />

wusst se<strong>in</strong>, dass die Gerichte e<strong>in</strong>en Sachverhalt entscheiden, d. h., die Gerichte be-<br />

urteilen nichts anderes als den ihnen mitgeteilten und zu ihrer Überzeugung nachgewiesenen<br />

Geschehensablauf <strong>–</strong> mehr nicht. Folglich müssen die Voraussetzungen<br />

nachweisbar se<strong>in</strong>, außer der Anlieger wäre nicht beweisbelastet. Sollte es vor Gericht<br />

demnach „unentschieden“ stehen bezüglich des Vorliegens oder Nichtvorliegens<br />

e<strong>in</strong>er Tatsache, verliert derjenige den Prozess, der die Beweislast trägt.<br />

Das vorstehende Schema ist die Basis jeder rechtlichen Aufarbeitung e<strong>in</strong>es Streitfalles,<br />

die sich wie folgt anbietet:<br />

1. Existiert e<strong>in</strong>e Anspruchsgrundlage, die dem Anlieger das geben kann, was er<br />

fordert?<br />

2. Wenn ja: S<strong>in</strong>d sämtliche Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage gegeben?<br />

3. Wenn ja: Gibt es E<strong>in</strong>wendungen, die den Anspruch ausschließen?<br />

4. Wenn ne<strong>in</strong>: Ist der die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage tragende<br />

Sachverhalt erweislich, d. h. nachgewiesen oder nachweisbar.<br />

vergleiche zu diesem gesamten Komplex<br />

auch Übersicht 3:<br />

Herangehen an rechtliche Probleme<br />

und Übersicht 4:<br />

Arbeit mit Anspruchsgrundlagen)<br />

Vor der Darstellung der e<strong>in</strong>zelnen relevanten Anspruchsgrundlagen seien noch folgende<br />

Anmerkungen erlaubt:<br />

Die gesetzestechnische Gestaltung des Staatshaftungsrechts, gerade im H<strong>in</strong>blick auf<br />

etwaige Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche, ist nicht unwesentlicher<br />

Kritik ausgesetzt. Insbesondere die Fragen der so bedeutsamen Staatshaftungsansprüche,<br />

die e<strong>in</strong>schlägig s<strong>in</strong>d, da <strong>Bauvorhaben</strong> <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> hoheitliche Maß-<br />

21


nahmen im S<strong>in</strong>ne schlichten-hoheitlichen Handelns regelmäßig darstellen, ist nicht<br />

ausreichend kodifiziert. E<strong>in</strong> 1981 verkündetes Staatshaftungsgesetz wurde 1982 vom<br />

Bundesverfassungsgericht <strong>in</strong>sgesamt für nichtig erklärt. Seit dem ist e<strong>in</strong>e neuerliche<br />

Gesetzes<strong>in</strong>itiative ausgeblieben.<br />

Das Staatshaftungs-/Amtshaftungsrecht wurde daher überwiegend durch die Recht-<br />

sprechung entwickelt, was außerordentliche Schwierigkeiten der Rechtsanwendung<br />

mit sich br<strong>in</strong>gt und die Kenntnis vielfältiger gerichtlicher Entscheidungen erfordert,<br />

wobei die Rechtsprechung selbst naturgemäß auch Wandelungen unterworfen se<strong>in</strong><br />

kann.<br />

4.1.1. Amtshaftung gemäß § 839 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG<br />

4.1.1.1. Voraussetzungen/E<strong>in</strong>wendungen<br />

Der Amtshaftungsanspruch setzt im e<strong>in</strong>zelnen voraus, dass:<br />

(1) jemand <strong>in</strong> Ausübung e<strong>in</strong>es ihm anvertrauten öffentlichen Amtes handelt,<br />

(2) dabei e<strong>in</strong>e Amtspflicht verletzt,<br />

(3) welche ihm e<strong>in</strong>em Dritten gegenüber obliegt,<br />

(4) dadurch e<strong>in</strong> Schaden verursacht wird,<br />

(5) die Amtspflichtverletzung schuldhaft erfolgt,<br />

(6) ke<strong>in</strong> Haftungsausschluss oder sonstige Haftungsbeschränkungen e<strong>in</strong>greifen.<br />

(1) Ausübung e<strong>in</strong>es öffentlichen Amtes<br />

Für die vorliegende Betrachtung ist diese Anspruchsvoraussetzung <strong>in</strong>soweit unpro-<br />

blematisch, als die Mitarbeiter der Straßenbauverwaltungen <strong>in</strong> Ausübung e<strong>in</strong>es öffentlichen<br />

Amtes tätig werden.<br />

Die Tatbestandsvoraussetzung der Ausübung e<strong>in</strong>es öffentlichen Amtes wird allerd<strong>in</strong>gs<br />

nicht personenbezogen <strong>in</strong>terpretiert („Beamter“), sondern ausschließlich danach,<br />

ob e<strong>in</strong>e Amtsausübung stattf<strong>in</strong>det.<br />

22


Für den Fall der Baumaßnahmen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> stellt sich daher die Frage, ob<br />

das Handeln des regelmäßig beauftragten Bauunternehmens gleichfalls als Amts-<br />

ausübung def<strong>in</strong>iert werden kann <strong>–</strong> Stichwort: Privatpersonen, die mit der Ausübung<br />

e<strong>in</strong>es öffentlichen Amtes betraut s<strong>in</strong>d (sogenannte Beliehene) <strong>–</strong> mit der Folge, dass<br />

Amtshaftungsansprüche gegenüber dem Straßenbaulastträger entstehen können.<br />

Dies wird von der Rechtsprechung bisher grundsätzlich abgelehnt <strong>–</strong> sogenannte<br />

Werkzeugtheorie <strong>–</strong> (zuletzt OLG Hamm Versicherungsrecht 2000, Seite 643; grund-<br />

legend BGHZ 121, 161), ist <strong>in</strong> der juristischen Literatur aber umstritten.<br />

Nach der Rechtsprechung gilt:<br />

„Nach gefestigter Rechtsprechung können nämlich auch selbständige private Werk- und<br />

Dienstunternehmer, die von e<strong>in</strong>em Träger öffentlicher Verwaltung zur Wahrnehmung se<strong>in</strong>er<br />

öffentlich-rechtlichen Funktionen e<strong>in</strong>gesetzt werden, „<strong>in</strong> Ausübung e<strong>in</strong>es öffentlichen Amts“<br />

handeln, wenn die öffentliche Hand <strong>in</strong> so weitgehendem Maß auf die Durchführung der Arbei-<br />

ten E<strong>in</strong>fluss genommen hat, dass sie die Arbeiten des privaten Unternehmers „wie eigene ge-<br />

gen sich gelten lassen und es so angesehen werden muss, wie wenn der Unternehmer lediglich<br />

als Werkzeug der öffentlichen Behörde bei der Durchführung ihrer hoheitlichen Aufgaben<br />

tätig geworden wäre“... Je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers ist, desto<br />

näher liegt es, ihn als bloßen „Erfüllungsgehilfen“ e<strong>in</strong>es Trägers öffentlicher Gewalt<br />

anzusehen...“. (OLG Hamm <strong>in</strong> Versicherungsrecht 2000, Seite 644)<br />

Soweit im Rahmen von Baumaßnahmen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> der Bauunternehmer<br />

selbstverantwortlich und erfolgsorientiert leistet und sich die Tätigkeit der Straßenbauverwaltung<br />

auf die Überwachung/Kontrolle der Leistungserbr<strong>in</strong>gung beschränkt,<br />

scheiden demnach Amtshaftungsansprüche für Tätigkeiten des Bauunternehmers<br />

grundsätzlich aus. Erst wenn der Unternehmer, aus welchen Gründen auch immer<br />

(z. B. gänzlich ungenügende eigene Koord<strong>in</strong>ation), nur noch weisungsgebunden tätig<br />

ist oder e<strong>in</strong>e konkrete Tätigkeit weisungsgebunden ausführt und die Straßenbauverwaltung<br />

das <strong>Bauvorhaben</strong> bzw. den konkreten Leistungsteil <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne an sich<br />

gezogen hat, wäre der Bauunternehmer bloßes Werkzeug und e<strong>in</strong>e Amtshaftung des<br />

Straßenbaulastträgers käme <strong>in</strong> Betracht.<br />

23


Es kann daher zusammengefasst werden:<br />

- die Mitarbeiter der Straßenbauverwaltungen handeln <strong>in</strong> Ausübung e<strong>in</strong>es öf-<br />

fentlichen Amtes;<br />

- der beauftragte, eigenverantwortlich tätige, Bauunternehmer wird nicht zure-<br />

chenbar <strong>in</strong> Ausübung e<strong>in</strong>es öffentlichen Amtes tätig, solange er nicht lediglich<br />

Werkzeug der öffentlichen Behörde ist.<br />

Beispiele:<br />

Der Straßenbaulastträger beauftragt e<strong>in</strong>en Bauunternehmer mit Straßenbauarbeiten e<strong>in</strong>schließlich<br />

der Absicherung der Baustelle durch e<strong>in</strong>e Signalanlage (e<strong>in</strong>spuriger Verkehr während der Bauausführung).<br />

= Ke<strong>in</strong>e Tätigkeit im Rahmen hoheitlicher Gewalt<br />

� OLG Hamm Versicherungsrecht 2000, Seite 643: „Der Straßenbaulastträger kann die Verkehrsregelungs-<br />

und Verkehrssicherungspflicht <strong>in</strong>sgesamt auf e<strong>in</strong>en privaten Bauunternehmer<br />

übertragen, jedoch verbleibt ihm die Pflicht, die vom Privatunternehmer zu treffenden Maßnahmen<br />

zu überwachen.“.<br />

Der Straßenbaulastträger beauftragt e<strong>in</strong>en Bauunternehmer mit der Leistung vollständiger Straßenbauarbeiten.<br />

Infolge der mit den Straßenbauarbeiten verbundenen Baggerarbeiten und Erschütterungen<br />

brach die Holzüberdeckung e<strong>in</strong>es Prüfschachtes. Dieser Prüfschacht gehörte zur<br />

Kanalisationsanlage e<strong>in</strong>es Nachbarn und befand sich <strong>in</strong> der Nähe der Grundstücksgrenze. Dadurch<br />

stürzten Ste<strong>in</strong>e und Erdreich <strong>in</strong> den Schacht. = Ke<strong>in</strong>e Tätigkeit im Rahmen hoheitlicher<br />

Gewalt<br />

� BGH <strong>in</strong> Versicherungsrecht 1973, Seite 417 ff: „... In Fällen, <strong>in</strong> denen die öffentliche Körperschaft<br />

Baumaßnahmen der oben beschriebenen Zweckbestimmung durch private Unternehmer<br />

ausführen lässt, hat der erkennende Senat darauf abgestellt, ob die Behörde durch die<br />

Art ihres Vorgehens, <strong>in</strong>sbesondere durch b<strong>in</strong>dende Weisungen und andere starke E<strong>in</strong>flussnahmen<br />

auf die Baufirma sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Form betätigt, die rechtfertigt, dass sie das Verhalten<br />

der Firma gegen sich wie eigenes gelten lassen muss, weil es dann so angesehen werden<br />

kann, als ob sie e<strong>in</strong>e hoheitliche Maßnahme durch e<strong>in</strong> Werkzeug oder e<strong>in</strong>en Mittler ausführen<br />

lässt... Hierfür reicht die bloße Festlegung e<strong>in</strong>er bestimmten Trasse nicht aus, wenn die private<br />

Baufirma dadurch nicht genötigt wird, den Graben so auszuheben, das fremde Versorgungsleitungen<br />

oder ähnliche Anlagen gefährdet oder gar beschädigt werden... Ebenso wenig<br />

kann der hoheitliche „E<strong>in</strong>griff“ schon <strong>in</strong> der behördlichen Planung, Anordnung und Beauftra-<br />

24


gung e<strong>in</strong>es privaten Unternehmers gesehen werden, wenn bei der Vergabe des konkreten<br />

Auftrages nicht zu erwarten ist, dass die plangemäße Durchführung der Arbeiten vermögenswerte<br />

Rechte e<strong>in</strong>es bestimmten Eigentümers verletzen wird...“.<br />

Der Straßenbaulastträger beauftragt e<strong>in</strong> Ingenieurbüro mit Planungsleistungen = Ke<strong>in</strong>e Tätigkeit<br />

im Rahmen hoheitlicher Gewalt, soweit Eigenverantwortlichkeit des Ingenieurbüros verblieb<br />

� BGH <strong>in</strong> NJW 1994, Seite 1468 ff: „Der Beklagte braucht sich nämlich e<strong>in</strong> etwaiges Verschulden<br />

der Streithelfer (verantwortliche Ingenieure, Anmerkung des Verfassers) nicht unmittelbar<br />

zurechnen zu lassen. Diese s<strong>in</strong>d bei der Planung des Pumpwerks nicht als Amtsträger des<br />

Beklagten <strong>in</strong> hoheitlicher Funktion tätig geworden, sondern haben an den Beklagten (lediglich)<br />

Ingenieurleistungen aufgrund e<strong>in</strong>es privatrechtlichen Dienst- oder Werkvertrages erbracht.<br />

Beim derzeitigen Sachstand ist nicht erkennbar, ob der Beklagte <strong>in</strong> so weitgehendem Maß auf<br />

die Durchführung der Arbeiten E<strong>in</strong>fluss genommen hat, dass er die Leistungen der Streithelfer<br />

wie eigene gegen sich gelten lassen und es so angesehen werden muss, wie wenn die Streithelfer<br />

lediglich als Werkzeug des Beklagten bei der Durchführung von dessen hoheitlichen<br />

Aufgaben tätig geworden wären. Ebenso wenig bestehen derzeit konkrete tatsächliche Anhaltspunkte<br />

dafür, dass die Streithelfer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er so engen Verb<strong>in</strong>dung mit der von dem Beklagten<br />

zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe gestanden und bei der Planung e<strong>in</strong>en derartig begrenzten<br />

eigenen Entscheidungsspielraum gehabt haben, dass es gerechtfertigt wäre, sie als<br />

„Beamte“ im haftungsrechtlichen S<strong>in</strong>ne anzusehen...“.<br />

Der Straßenbaulastträger verpflichtet e<strong>in</strong> Bauunternehmen mit b<strong>in</strong>dender Anweisung Höhenpläne<br />

e<strong>in</strong>zuhalten, so dass die Vertiefung e<strong>in</strong>es Nachbargrundstückes die Folge ist = hoheitliche<br />

Tätigkeit<br />

� BGH <strong>in</strong> NJW 1980, Seite 1679: „Die Beklagte (im entschiedenen Fall e<strong>in</strong>e Stadt, Anmerkung<br />

des Verfassers) wurde, wie auch das Berufungsgericht annimmt, bei der Anordnung und<br />

Durchführung der Straßenbaumaßnahmen, die zu der Vertiefung des Grundstücks der Kläger<br />

führten, im Rahmen hoheitlicher Gewalt tätig... Daran ändert auch der Umstand nichts, dass<br />

die Beklagte die Straßenbauarbeiten durch e<strong>in</strong>en privaten Unternehmer ausführen ließ. Die<br />

private Baufirma war aufgrund b<strong>in</strong>dender Weisungen der Beklagten bei der Vergabe des Auftrags<br />

verpflichtet, die für die Anlage der Straße erstellten Höhenpläne der Beklagten e<strong>in</strong>zuhalten,<br />

so dass es bei der auftragsgemäßen Ausführung der Straßenbauarbeiten zwangsläufig<br />

zu e<strong>in</strong>er Vertiefung des Grundstücks der Kläger kam. Bei dieser Sachlage muss die Beklagte<br />

das Vorgehen des Privatunternehmers gegen sich wie Eigenes gelten lassen. Es ist so anzusehen,<br />

als hätte sie e<strong>in</strong>e hoheitliche Maßnahme durch e<strong>in</strong> Werkzeug oder e<strong>in</strong>en Mittler vorgenommen...“.<br />

25


(2) Amtspflicht<br />

Dieses Tatbestandsmerkmal ist deshalb außerordentlich schwer zu erfassen, da kei-<br />

nerlei Katalog der Amtspflichten besteht. Die Amtspflichten s<strong>in</strong>d daher im Laufe der<br />

Zeit durch die Rechtsprechung und die Rechtslehre <strong>–</strong> anhand von E<strong>in</strong>zelfallentschei-<br />

dungen <strong>–</strong> auf Grundlage der Verfassung, der Gesetze, allgem. Rechtsgrundsätze,<br />

Verwaltungsvorschriften usw. (Rechtsquellen) entwickelt worden. Unstreitig ist <strong>in</strong>so-<br />

weit, das Amtspflichten aus allen denkbaren Rechtsquellen sich ergeben können.<br />

Vorliegend können <strong>in</strong>sbesondere folgende, beispielhaft aufgezählte, anerkannte<br />

Amtspflichten Bedeutung gew<strong>in</strong>nen; e<strong>in</strong>e vollständige Darstellung würde den Rah-<br />

men sprengen:<br />

- Amtspflicht zur Schonung unbeteiligter Dritter (u. a. Schutz deren Rechtsposi-<br />

tionen, wie beispielsweise Eigentum);<br />

- Amtspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte, Belehrungen, H<strong>in</strong>weise und<br />

Warnungen;<br />

- Amtspflicht zur raschen Sachentscheidung;<br />

- Amtspflicht zu zuständigkeitsgemäßem und verfahrensgemäßem Handeln;<br />

- Amtspflicht zur fehlerfreien Ermessensausübung;<br />

- Amtspflicht zu verhältnismäßigem Verhalten;<br />

- Amtspflicht zu konsequentem Verhalten;<br />

- Amtspflicht zur Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.<br />

Nach den obigen Def<strong>in</strong>itionen fällt auch die E<strong>in</strong>haltung der Verkehrssicherungspflich-<br />

ten unter die Amtspflichten. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt:<br />

„Die Überwachung der ordnungsgemäßen Durchführung der Straßenbauarbeiten durch den<br />

von dem beklagten Land mit der Bauaufsicht beauftragten Bediensteten stellte sich als Aus-<br />

übung hoheitlicher Gewalt dar... Sie diente nicht nur dem Zweck, die Belange des Auftragge-<br />

bers gegenüber dem privaten Unternehmer zu wahren, sondern war auch darauf gerichtet,<br />

von den Anliegergrundstücken Schäden fernzuhalten, die sich für die Eigentümer dieser<br />

Grundstücke aus den Straßenbauarbeiten ergeben konnten.“<br />

(BGH <strong>in</strong> Versicherungsrecht 1973, Seite 417 ff (419).<br />

26


Es gilt daher <strong>in</strong> jedem Falle, dass die E<strong>in</strong>haltung der Verkehrssicherungspflichten<br />

beim Bauen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> e<strong>in</strong>e der Grundlagen der Abwehr von Haftungs-<br />

risiken ist.<br />

(3) E<strong>in</strong>em Dritten gegenüber bestehende Amtspflicht<br />

Das, soweit e<strong>in</strong>e Baumaßnahme <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> verwirklicht wird, die Verpflich-<br />

tungen aus der Straßenbaulast nicht nur gegenüber der Allgeme<strong>in</strong>heit wirken, son-<br />

dern gegenüber jedem potentiell gefährdeten Dritten, wurde bereits ausgeführt.<br />

Demnach kann für die vorliegende Darstellung von e<strong>in</strong>er grundsätzlichen Drittbezo-<br />

genheit ausgegangen werden.<br />

Im übrigen ist diese Tatbestandsvoraussetzung negativ abzugrenzen, d. h., e<strong>in</strong>e<br />

drittbezogene Amtspflicht ist dann gegeben, wenn die Pflichten nicht nur gegenüber<br />

der Allgeme<strong>in</strong>heit bestehen (z. B. Straßenbaulast an sich) oder gegenüber e<strong>in</strong>er an-<br />

deren Behörde.<br />

(4) Schaden<br />

Mit dieser Anspruchsvoraussetzung wird lediglich klargestellt, dass<br />

- e<strong>in</strong> Vermögensschaden (gegebenenfalls auch immaterieller Schaden) des<br />

Anspruchstellers e<strong>in</strong>getreten se<strong>in</strong> muss,<br />

- der auf die Verletzung e<strong>in</strong>er Amtspflicht (Kausalität) zurückzuführen ist.<br />

Wesentliche Fragen hierzu ergeben sich häufig erst im Bereich der Beweislast.<br />

(5) Verschulden<br />

Mit der Erforderlichkeit des Verschuldens wird verdeutlicht, dass nicht jede objektive<br />

Pflichtwidrigkeit zu e<strong>in</strong>er Amtshaftung führt. Vielmehr ist diese Anspruchsvorausset-<br />

zung nur erfüllt, wenn der sogenannte Amtswalter, d. h. derjenige, der Amtspflichten<br />

ausübt, vorsätzlich oder fahrlässig e<strong>in</strong>e Amtspflicht verletzt. Das Verschulden muss<br />

27


sich dabei auf die Amtspflichtverletzung selbst beziehen, nicht auf e<strong>in</strong>en möglichen<br />

Schadense<strong>in</strong>tritt.<br />

Vorsätzlich handelt der Amtsträger, der die Tatsachen, aus welchen sich die<br />

Pflichtverletzungen objektiv herleiten, kennt, sich z. B. wissentlich über bestehende<br />

Vorschriften h<strong>in</strong>wegsetzt, und sich der Pflichtwidrigkeit auch bewusst ist<br />

oder m<strong>in</strong>destens mit der Möglichkeit e<strong>in</strong>es Verstoßes gegen Amtspflichten<br />

rechnet und trotz dessen handelt oder unterlässt.<br />

Fahrlässig handelt der Amtsträger, der bei Beobachtung der erforderlichen<br />

Sorgfalt hätte voraussehen müssen, dass er se<strong>in</strong>e Amtspflichten nicht e<strong>in</strong>hält.<br />

Für diesen Sorgfaltsmaßstab kommt es auf die für die Führung des Amtes<br />

durchschnittlich erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten an.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ist daher wesentlich, dass der Amtswalter se<strong>in</strong>e Amtspflichten<br />

genau kennt. Nur dies versetzt ihn <strong>in</strong> die Lage, selbigen umfänglich nachzukommen.<br />

Im Rahmen der Ausführungen anhand des Bauablaufes werden die Amtspflichten<br />

bei Baumaßnahmen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> zu präzisieren se<strong>in</strong>.<br />

(6) E<strong>in</strong>wendungen (Haftungsausschluss und Haftungsbeschränkungen)<br />

(6.1.) § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB<br />

Hier handelt es sich um e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wendung gegen e<strong>in</strong>en an sich erfüllten Haftungstatbestand.<br />

Man bezeichnet diesen Anspruchsausschluss als Subsidiaritäts-klausel<br />

bzw. Verweisungsprivileg.<br />

Nach dem Wortlaut von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB scheiden Ansprüche gegenüber<br />

der öffentlichen Hand an sich stets aus, soweit nur e<strong>in</strong>e fahrlässige Amtspflichtverletzung<br />

erfolgte und der Anspruchsteller Ersatz von e<strong>in</strong>em Dritten, z. B. dem Bauunternehmer,<br />

ebenfalls begehren könnte.<br />

28


Beispiel:<br />

Der zuständige Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung verletzt se<strong>in</strong>e Kontrollpflicht bezüglich<br />

des <strong>Bauvorhaben</strong>s <strong>in</strong> der Ortsdurchfahrt fahrlässig. Es kommt zu Gebäudeschäden <strong>in</strong>folge<br />

des E<strong>in</strong>satzes schwerer Technik, welche nach dem Vertrags<strong>in</strong>halt nicht gebraucht werden<br />

sollte. Es liegt ohne Erörterung an dieser Stelle auf der Hand, dass sowohl der Bauunternehmer<br />

wie die Straßenbauverwaltung Verkehrssicherungspflichten verletzten. Da der Mitarbeiter<br />

der Straßenbauverwaltung lediglich fahrlässig handelte, müssten Amtshaftungsansprüche an<br />

sich ausscheiden.<br />

Die Rechtsprechung hat die Anwendung der Subsidiaritätsklausel zwischenzeitlich<br />

weitestgehend e<strong>in</strong>geschränkt. Danach gilt:<br />

§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB (Verweisungsprivileg) ist grundsätzlich unanwendbar bei Verletzung<br />

der als hoheitlicher Aufgabe ausgestalteten Verkehrssicherungspflicht<br />

(vergleiche grundlegend: BGH <strong>in</strong> NJW 1991, Seite 682).<br />

Danach kommt der Entlastung über § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nur ger<strong>in</strong>ge Bedeutung<br />

zu.<br />

(6.2.) Mitverschulden<br />

Wesentlicher kann aber das Argument des Mitverschuldens, § 254 BGB, gebraucht<br />

werden.<br />

Danach wird die Ersatzpflicht, gegebenenfalls bis auf Null, reduziert, wenn bei der<br />

Entstehung oder Entwicklung des Schadens e<strong>in</strong> Verschulden des Geschädigten mitgewirkt<br />

hat. Dies kann auch bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten aktuell<br />

werden.<br />

Beispiel:<br />

Ke<strong>in</strong> Mitverschulden:<br />

E<strong>in</strong> altes, nicht ordnungsgemäß unterhaltenes, Gebäude weist statische Fehler und e<strong>in</strong>en unzulänglichen<br />

Innen- und Außenputz auf. Bei Bauarbeiten kommt es zu Rissbildungen.<br />

29


� OLG Frankfurt/Ma<strong>in</strong> <strong>in</strong> Versicherungsrecht 1982, Seite 170: „... Es steht fest, dass die<br />

Rissbildungen durch statische Mängel des Hauses und die Schäden am Innen- und Außenputz<br />

durch das Fehlen e<strong>in</strong>er ausreichenden Haftung zwischen Putzträger und Putz<br />

begünstigt worden s<strong>in</strong>d. Diese Schadenanlage ist für den Ursachenzusammenhang selbst<br />

jedoch ohne Bedeutung. E<strong>in</strong>mal dürfen derartige Reserveursachen, mögen sie auch im<br />

Stande se<strong>in</strong>, den Schaden früher oder später ohneh<strong>in</strong> herbeizuführen, bei der Kausalitätsprüfung<br />

nur berücksichtigt werden, wenn der E<strong>in</strong>tritt des hypothetischen Ereignisses<br />

auch sicher ist, und dies hat der Schadensersatzpflichtige darzulegen und zu beweisen.<br />

Daran fehlt es hier schon deshalb, weil offen geblieben ist, wann derartige, wenn gleich <strong>in</strong><br />

der Bauweise angelegte Schäden ohne die Bauarbeiten hervorgetreten wären. Bereits<br />

aus diesem Grunde ist es nicht gerechtfertigt, die Kläger schadenrechtlich so zu stellen,<br />

als ob diese, <strong>in</strong> der Zukunft irgendwann e<strong>in</strong>mal zu erwartenden Schäden gerade im Zeitpunkt<br />

der Bauarbeiten ohneh<strong>in</strong> aufgetreten wären...“.<br />

Konsequenz: Soll e<strong>in</strong> Mitverschulden aus e<strong>in</strong>em ungenügenden Erhaltungszustand e<strong>in</strong>es<br />

Gebäudes abgeleitet werden, wäre durch die Straßenbauverwaltung zu beweisen, dass<br />

auch ohne die Straßenbauarbeiten der Schaden ohneh<strong>in</strong> im Zeitpunkt der Bauarbeiten<br />

oder zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> engem zeitlichen Zusammenhang damit, sich gezeigt hätte. E<strong>in</strong>e Berücksichtigung<br />

der Umstände der Erhaltung des Gebäudes erfolgt lediglich beim Schadensumfang,<br />

vergleiche dort.<br />

Ke<strong>in</strong> Mitverschulden:<br />

E<strong>in</strong> Straßenbauunternehmer beschädigt beim E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er Fallplatte zum Nachverdichten e<strong>in</strong>es<br />

Kabelgrabens e<strong>in</strong> Versorgungskabel. Der Auftrag zum Nachverdichten mittels der 1,6 to<br />

schweren Fallplatte wurde unstreitig vom Stadtbauamt der Stadt H. angeordnet. Das Straßenbauunternehmen<br />

ist der Ansicht, das Stadtbauamt, mith<strong>in</strong> die Stadt H. selbst, treffe e<strong>in</strong> Mitverschulden<br />

bezüglich des Schadens.<br />

� OLG Bamberg Versicherungsrecht 1970, Seite 843: „... Die unstreitige Tatsache, dass<br />

das Bauamt der Kläger<strong>in</strong> (Stadt H.) der Beklagten (dem Straßenbauunternehmen, Anmerkung<br />

des Verfassers) den Auftrag zum Nachverdichten des Kanalgrabens gegeben<br />

und sich mit der Verwendung der 1,6 to Fallplatte e<strong>in</strong>verstanden erklärt hat, kann die Beklagte<br />

nicht entlasten. Der E<strong>in</strong>satz der Fallplatte war nicht schlechth<strong>in</strong>, sondern nur an der<br />

Kreuzungsstelle des Kabels mit dem Kanalgraben fehlerhaft. Der Schutz des Kabels an<br />

dieser der Beklagten unstreitig bekannten Gefahrenstelle aber oblag nicht der Kläger<strong>in</strong>,<br />

sondern <strong>–</strong> wie oben ... dargelegt <strong>–</strong> der Beklagten. Die Kläger<strong>in</strong> durfte es der Beklagten,<br />

die sich auf Straßenbauarbeiten spezialisiert und sich vertraglich ausdrücklich zu dem<br />

Kabelschutz verpflichtet hatte, überlassen, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um e<strong>in</strong>e<br />

Kabelbeschädigung zu vermeiden. Die Beklagte war demgemäß gehalten, dort nur<br />

30


Geräte zu verwenden, die das Kabel nicht beschädigen konnten, oder sich vor dem E<strong>in</strong>satz<br />

der Fallplatte mit dem zuständigen Versorgungsunternehmen ... wegen der erforderlichen<br />

Kabelsicherung <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu setzen... Das Stadtbauamt hat zudem allgeme<strong>in</strong><br />

dafür gesorgt, dass die Stadtwerke von geplanten Straßenbauarbeiten vor deren Beg<strong>in</strong>n<br />

grundsätzlich Kenntnis erhielten. Es hat zu diesem Zweck <strong>in</strong> Nr. 35 des Musterleistungsverzeichnisses<br />

vorgeschrieben: „Vor Beg<strong>in</strong>n der Arbeiten hat der Unternehmer e<strong>in</strong>e Aufgrabegenehmigung<br />

beim Stadtbauamt e<strong>in</strong>zuholen.“... Der Straßenbauunternehmer ist für<br />

alle <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Tätigkeitsbereich auftretenden Gefahrenquellen verantwortlich und muss<br />

deshalb se<strong>in</strong>e Arbeiten so e<strong>in</strong>richten, das Versorgungsleitungen nicht beschädigt werden.<br />

Von der Rechtsprechung werden demgemäß strenge Anforderungen an die Sorgfaltspflicht<br />

des Bauunternehmers gestellt. Es wird verlangt, dass der Unternehmer sich nicht<br />

nur bei den Baubehörden, sondern auch bei den Energieversorgungsunternehmen nach<br />

der genauen Lage und Beschaffenheit etwaiger Versorgungsleitungen erkundigt...“.<br />

4.1.1.2. Haftungsumfang<br />

Inhalt und Umfang des Schadensersatzanspruches bestimmen sich nach §§ 249 ff<br />

BGB. Zu ersetzen ist das sogenannte negative Interesse, d. h., der Geschädigte ist<br />

so zu stellen, wie se<strong>in</strong>e Vermögenslage wäre, hätte e<strong>in</strong> pflichtgemäßes Handeln des<br />

Amtswalters stattgefunden. Der Schadensersatz ist dabei grundsätzlich auf Geldersatz<br />

gerichtet.<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell wird der Schadensumfang derart ermittelt, dass festgelegt wird, wie der<br />

Geschädigte stehen würde, hätte ke<strong>in</strong>e Amtspflichtverletzung stattgefunden.<br />

Beispiel:<br />

E<strong>in</strong> durch Straßenbauarbeiten beschädigtes Haus (Rissbildungen entstanden) wies bereits bei<br />

Beg<strong>in</strong>n der Arbeiten statische Fehler und unzulänglichen Innen- und Außenputz auf.<br />

� Nur e<strong>in</strong>geschränkter Schadensersatzanspruch<br />

� OLG Frankfurt/Ma<strong>in</strong> <strong>in</strong> Versicherungsrecht 1982, Seite 170: „Dem geschädigten Hauseigentümer<br />

steht als Schadensersatz nur der Betrag zu, der erforderlich ist, um das äußere<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsbild <strong>in</strong> den früheren Zustand zu versetzen, ohne den Wert des Hausgrundstücks<br />

<strong>in</strong>sgesamt zu erhöhen... Die Kläger<strong>in</strong> fordert lediglich den zur Wiederherstellung<br />

erforderlichen Geldbetrag... Es trifft zwar zu, dass e<strong>in</strong>e latente Schadenneigung bei<br />

der Schadenbemessung zu berücksichtigen ist, wenn und weil das Schadenobjekt aus<br />

31


eben diesem Grunde schon ohne das schädigende Ereignis <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wert gem<strong>in</strong>dert<br />

war... Der Ersatzanspruch kann also grundsätzlich nicht höher se<strong>in</strong> als der Wert der Sache<br />

vor dem Schadensfall, und, wenn wie hier e<strong>in</strong>e Wiederherstellung <strong>in</strong> Natur <strong>in</strong> Betracht<br />

kommt, ist der Umfang der von dem Schädiger zu tragenden Ersatzsumme von vornhere<strong>in</strong><br />

durch den ursprünglichen Wert der unbeschädigten Sache unter E<strong>in</strong>rechnung ihrer<br />

Schadenneigung begrenzt. Dem Kläger steht also nur derjenige Betrag zu, der erforderlich<br />

ist, um den früheren Sachwert zu erhalten <strong>–</strong> brächten die Reparaturen e<strong>in</strong>e Wertsteigerung<br />

mit sich, hätte sich der Kläger den darauf entfallenden Anteil möglicherweise <strong>in</strong><br />

gewissem Umfang anrechnen zu lassen.“.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus ist zur Vervollständigung festzuhalten, dass der Schadensersatzanspruch<br />

auch immaterielle Schäden (Schmerzensgeld) gemäß § 847 BGB e<strong>in</strong>schließen<br />

kann, soweit durch die Amtspflichtverletzung Körper oder Gesundheit e<strong>in</strong>es Dritten<br />

verletzt würden.<br />

4.1.1.3. Beweislast<br />

Der Geschädigte/Anspruchsteller trägt pr<strong>in</strong>zipiell die gesamte Beweislast, mith<strong>in</strong> für:<br />

- die Tatsachen, die e<strong>in</strong>e schuldhafte Amtspflichtverletzung überhaupt begrün-<br />

den;<br />

- dafür, dass hoheitliches Handeln vorlag;<br />

- für den entstandenen Schaden und die Kausalität, nämlich das der Schaden<br />

durch die Amtspflichtverletzung entstand bzw. bei E<strong>in</strong>haltung der Amtspflicht<br />

ausgeblieben wäre.<br />

Dabei gilt immer zu bedenken, dass der Geschädigte nicht lediglich den Schadense<strong>in</strong>tritt<br />

zu belegen hat (z. B. Rissbildungen), sondern auch, dass e<strong>in</strong>e Amtspflichtverletzung<br />

diesen Schaden herbeiführte.<br />

32<br />

vergleiche auch Übersicht 5:<br />

Spezifizierte Darstellung des<br />

Amtshaftungsanspruches<br />

Straßenbaumaßnahmen<br />

für


4.1.2. Deliktische Haftung gemäß §§ 823, 831 BGB<br />

Aufgrund der bisherigen Ausführungen hat sich ergeben, dass deliktische Ansprüche<br />

nur e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle bei Haftungsrisiken der öffentlichen Hand beim Bau<br />

von <strong>Ortsdurchfahrten</strong> im Land Brandenburg spielen. Zwar wird die Haftung wegen<br />

Amtspflichtverletzungen grundsätzlich nach §§ 823, 831 BGB beurteilt (vgl. nur<br />

BGHZ 60, Seite 54 ff), dies gilt aber nicht, wenn die Erfüllung der Verkehrssiche-<br />

rungspflicht als Amtspflicht ausgestaltet wurde, was durch § 10 Abs. 1 BrbStrG erfolgt<br />

ist (vgl. nur: Marschall, Kastner u. a.: Bundesfernstraßengesetz-Kommentar, 5.<br />

Auflage, § 3, Rd. 18/19).<br />

Demnach werden die Anlieger der benachbarten Grundstücke deliktische Ansprüche<br />

dann verfolgen, wenn sie sich gegen die bauausführenden Firmen direkt richten. Nähere<br />

Ausführungen zu Fragen der deliktischen Haftung bleiben daher erspart.<br />

4.1.3. Entschädigungsansprüche<br />

<strong>Bauvorhaben</strong> <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> haben <strong>–</strong> neben der Gefahr der konkreten Schädigung<br />

anliegender Bausubstanz und benachbarter Grundstücke, welcher durch die<br />

E<strong>in</strong>haltung der Verkehrssicherungspflichten zu begegnen ist <strong>–</strong> regelmäßig unmittelbare<br />

E<strong>in</strong>wirkungen auf die an der Ortsdurchfahrt gelegenen Grundstücke und<br />

mith<strong>in</strong> ihre Eigentümer bzw. Nutzer. Es kommt zu Baulärm, Staubentwicklungen,<br />

Baustellenverkehr, E<strong>in</strong>schränkungen der Zufahrten/Zuwegungen usw. Offensichtlich<br />

werden damit Rechtspositionen der Anlieger berührt. Man denke nur an:<br />

- Eigentumsrechte; §§ 903 ff BGB (Das Eigentumsrecht garantiert an sich, jeden<br />

Dritten „... von jeder E<strong>in</strong>wirkung auszuschließen.“, § 903 Satz 1 BGB.);<br />

- das Recht am e<strong>in</strong>gerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb; sonstiges<br />

Recht nach § 823 Abs. 1 BGB (Letztlich garantiert wird das ungestörte Funktionieren<br />

des Betriebsorganismus.);<br />

- das Anliegerrecht; unterliegt nach herrschender Rechtsprechung dem Schutz<br />

von Artikel 14 GG (Der „Kontakt nach Außen“ wird als enteignungsfähige<br />

Rechtsposition bewertet.).<br />

33


Es zeigt sich, das Baumaßnahmen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> unweigerlich Wirkungen auf<br />

die vorgenannten Rechte haben, sie bee<strong>in</strong>trächtigen und e<strong>in</strong>schränken.<br />

4.1.3.1. Die nachbarrechtliche Lösung des BGB<br />

Die Problematiken der Eigentums- und letztlich daraus abgeleiteten Rechte (Gewerbebetrieb,<br />

Anliegerrechte), <strong>in</strong>sbesondere die Abwehrmöglichkeiten des Betroffenen,<br />

regeln die §§ 903 ff BGB. Demnach eröffnen sich dem Anlieger folgende Ansprüche:<br />

� Gem. §§ 903, 862, 1004 BGB kann der Eigentümer jeden Dritten von jeder<br />

E<strong>in</strong>wirkung auf se<strong>in</strong> Eigentum ausschließen und Beseitigung e<strong>in</strong>er Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

verlangen.<br />

� Dieser Grundsatz wird jedoch durch § 906 BGB e<strong>in</strong>geschränkt;<br />

o Der Grundstückseigentümer ist zur Duldung der E<strong>in</strong>wirkungen, unter<br />

Verlust se<strong>in</strong>er Abwehransprüche und ohne Entschädigungsanspruch,<br />

gezwungen = sogenannte unwesentliche Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

(§ 906 Abs. 1 BGB);<br />

o Der Grundstückseigentümer ist zur Duldung gezwungen, ihm stehen<br />

jedoch Entschädigungsansprüche zu = sogenannte wesentliche, aber<br />

ortsübliche Bee<strong>in</strong>trächtigungen (§ 906 Abs. 2 BGB).<br />

Bei ortsunüblichen Benutzungen des Grundstückes, von welchem die Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

ausgehen, verbleibt dem Eigentümer <strong>in</strong> jedem Falle e<strong>in</strong> Beseitigungsanspruch.<br />

34<br />

vergleiche Übersicht 6:<br />

Zivilrechtliche Ersatzansprüche<br />

benachbarter Grundstückseigentümer<br />

gegen Bauherren bei Bee<strong>in</strong>trächtigungnahmen<br />

durch Baumaß


4.1.3.2. Enteignender E<strong>in</strong>griff<br />

Aus diesem Rechtsgedanken heraus und zur Sicherung der Eigentumsrechte hat die<br />

Rechtsprechung <strong>–</strong> <strong>in</strong>sbesondere an Fällen der Schädigung von Gewerbebetrieben<br />

durch Straßenbauarbeiten (seit BGHZ 23, 157; dann BGH MDR 1964, Seite 650) <strong>–</strong><br />

das Rechts<strong>in</strong>stitut des enteignenden E<strong>in</strong>griffs entwickelt, welches dem Anlieger<br />

auch bei Bee<strong>in</strong>trächtigungen durch hoheitliche Tätigkeit Entschädigungsansprüche<br />

grundsätzlich ermöglicht.<br />

Folglich spielt die Kenntnis der Problematiken des enteignenden E<strong>in</strong>griffs e<strong>in</strong>e<br />

wesentliche Rolle, um Ansprüche gegenüber den Straßenbauverwaltungen zu<br />

vermeiden.<br />

(1) Anspruchsvoraussetzungen<br />

Die Rechtsprechung def<strong>in</strong>iert diese derart, dass<br />

e<strong>in</strong>e nachteilige E<strong>in</strong>wirkung (1.1.)<br />

auf geschützte Rechtsgüter (1.2.)<br />

e<strong>in</strong>es Dritten (1.3.)<br />

<strong>in</strong>folge rechtmäßigen hoheitlichen Handelns (1.4.) sich ereignet,<br />

wobei die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren (1.5.)<br />

überschritten wird.<br />

(1.1.)<br />

Unter nachteiliger E<strong>in</strong>wirkung kann jede tatsächliche Bee<strong>in</strong>trächtigung gesehen wer-<br />

den, welche Straßenbauarbeiten nach sich ziehen:<br />

- Baulärm, Staub- und Dreckentwicklung, sonstige Immissionen;<br />

- E<strong>in</strong>schränkung oder Unterbrechung der Zufahrten/Zuwegungen;<br />

- Beschränkung oder Verh<strong>in</strong>derung des Kundenkontaktes für Gewerbe-<br />

treibende, der Werbemöglichkeiten usw.<br />

35


(1.2.)<br />

Hierunter zählen alle Eigentums- und eigentumsrelevanten Rechtspositionen, <strong>in</strong>sbe-<br />

sondere<br />

(1.3.)<br />

- Eigentum;<br />

- Recht am ausgeübten und e<strong>in</strong>gerichteten Gewerbebetrieb;<br />

- Anliegerrechte.<br />

Das Tatbestandsmerkmal Dritter beschreibt die E<strong>in</strong>zelfallbezogenheit; Anlieger<br />

benachbarter Grundstücke können <strong>in</strong> jedem Falle Dritte se<strong>in</strong>.<br />

(1.4.)<br />

Das im Rahmen der Straßenbauarbeiten hoheitlich gehandelt wird, ist mehrfach un-<br />

ter Verweis auf § 10 Abs. 1 BbgStrG ausgeführt worden. Die Besonderheit des Tat-<br />

bestandsmerkmals liegt dar<strong>in</strong>, dass sogar rechtmäßiges Handeln Entschädigungsansprüche<br />

auslösen kann. Die Straßenbauverwaltung muss zur Vermeidung von<br />

Haftungsrisiken nicht nur die Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen sicherstellen, sondern<br />

darüber h<strong>in</strong>aus den Bauablauf derart gestalten, das Entschädigungsansprüche<br />

möglichst vermieden werden können.<br />

(1.5.)<br />

Diese Anspruchsvoraussetzung ist die Wesentlichste und diejenige, welche die meiste<br />

Aufmerksamkeit verdient. Offensichtlich orientiert sich dieses Tatbestandsmerkmal<br />

an der Abgrenzung unwesentliche oder wesentliche Bee<strong>in</strong>trächtigung, welche<br />

aus § 906 BGB bereits bekannt ist.<br />

Die Darstellung erfolgt wegen der Umfänglichkeit gesondert <strong>in</strong><br />

36<br />

vergleiche Übersicht 7:<br />

Enteignender und enteignungsgleicher<br />

E<strong>in</strong>griff.


(2) Anspruchs<strong>in</strong>halt<br />

Der Dritte hat grundsätzlich nur e<strong>in</strong>en Entschädigungsanspruch (auf Geldleistung),<br />

welcher der Höhe nach auf den Teil beschränkt ist, der die Zumutbarkeitsgrenze<br />

übersteigt. Demnach entspricht der Anspruch auf Entschädigung weitestgehend<br />

demjenigen gemäß § 906 Abs. 2 BGB (vergleiche Übersicht 6).<br />

E<strong>in</strong>en Abwehranspruch auf Untersagung der E<strong>in</strong>wirkungen hat der Dritte grundsätz-<br />

lich nicht. Allenfalls kommt <strong>in</strong> Ausnahmefällen e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschränkter Beseitigungsan-<br />

spruch derart <strong>in</strong> Betracht, dass Schutzmaßnahmen zu ergreifen s<strong>in</strong>d, soweit diese<br />

nicht mit unzumutbarem Aufwand verbunden wären und die Fortführung der Straßenbaumaßnahmen<br />

trotz der Schutzvorkehrungen ohne wesentliche Änderung oder<br />

Beschränkung möglich ist.<br />

4.1.3.3. Enteignungsgleicher E<strong>in</strong>griff<br />

Mit diesem weitergehenden Rechts<strong>in</strong>stitut entwickelte die Rechtsprechung e<strong>in</strong>e Anspruchsgrundlage<br />

für Entschädigungsansprüche von Dritten, welche E<strong>in</strong>wirkungen/Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

durch hoheitliche Maßnahmen ausgesetzt s<strong>in</strong>d. Der Unterschied<br />

zum enteignenden E<strong>in</strong>griff liegt lediglich dar<strong>in</strong>, dass die hoheitliche Handlung<br />

rechtswidrig erfolgt.<br />

Insoweit können Amtshaftungsansprüche (gekennzeichnet durch Amtspflichtverletzungen)<br />

und Ansprüche wegen enteignungsgleichem E<strong>in</strong>griff zusammentreffen.<br />

Der enteignungsgleiche E<strong>in</strong>griff wird mit Beispielen im übrigen umfänglich <strong>in</strong><br />

Übersicht 7 dargestellt.<br />

4.1.4. Der sogenannte Folgenbeseitigungsanspruch<br />

Die bisherig dargestellten Anspruchsmöglichkeiten der Anlieger beschränken sich<br />

auf Schadensersatz- oder Entschädigungsforderungen. Es stellt sich mith<strong>in</strong> die<br />

37


Frage, ob dem Anlieger weitergehende Ansprüche eröffnet se<strong>in</strong> könnten, nach denen<br />

er Rückbau und Wiederherstellung e<strong>in</strong>es ursprünglichen Zustandes begehren dürfte.<br />

Beispiel:<br />

Im Zuge von Straßenbauarbeiten wird e<strong>in</strong>e sogenannte Randste<strong>in</strong>zeile zwischen dem Gehsteig<br />

und dem Grundstück des Anliegers e<strong>in</strong>gebaut. Diese bef<strong>in</strong>det sich unberechtigt zur Hälfte<br />

auf dem Grundstück des Anliegers (nach VGH München <strong>in</strong> NVwZ 1999, Seite 1237).<br />

Die Möglichkeit des Verlangens nach sogenannter Naturalrestitution (Herstellung des<br />

ursprünglichen Zustandes, § 249 Abs. 1 BGB) wird von der Rechtsprechung grundsätzlich<br />

über das Rechts<strong>in</strong>stitut des Anspruchs auf Folgenbeseitigung offengehalten.<br />

Dieser soll, da nicht gleich praxisrelevant wie die bisherigen Ansprüche (naturgemäß<br />

wird dem Anlieger im Regelfall e<strong>in</strong>e angemessene Geldentschädigung genügen),<br />

im Überblick dargestellt werden:<br />

(1) Anspruchsvoraussetzungen<br />

- hoheitlicher E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> Grundstück bzw. Eigentum des Straßenanliegers;<br />

- E<strong>in</strong>griff verletzt den Anlieger <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Rechten und<br />

- e<strong>in</strong> andauernder rechtswidriger Zustand wird geschaffen.<br />

(2) Anspruchs<strong>in</strong>halt<br />

- Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes;<br />

- Geltendmachung auf dem Verwaltungsrechtsweg.<br />

(3) E<strong>in</strong>schränkung<br />

- Anwendung der Rechtsgrundsätze nach § 251 BGB;<br />

- Geldentschädigung statt Rückbau, wenn:<br />

o Herstellung des ursprünglichen Zustandes nicht möglich oder zur Entschädigung<br />

nicht genügend (§ 251 Abs. 1 BGB);<br />

o Herstellung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich (§ 251 Abs.<br />

2 Satz 1 BGB).<br />

38


(4) Beispiele<br />

VGH München <strong>in</strong> NVwZ 1999, Seite 1237<br />

- zum Sachverhalt vergleiche oben<br />

- VGH München: „E<strong>in</strong> Folgenbeseitigungsanspruch kann sich <strong>in</strong> entsprechender Anwendung<br />

des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Anspruch auf Ausgleich <strong>in</strong> Geld wandeln, wenn die Beseitigung<br />

mit unverhältnismäßigen, vernünftigerweise nicht zumutbaren Aufwendungen verbunden<br />

wäre... Nehmen die strittigen Randste<strong>in</strong>e ... nur e<strong>in</strong>e Fläche von 0,9 m² <strong>in</strong> Anspruch,<br />

wobei die größte Grenzüberschreitung lediglich 9 cm beträgt. Die Belastung des Klägers<br />

durch die Randste<strong>in</strong>e selbst ist nach alldem nicht spürbar und somit unerheblich... Der Folgenbeseitigungsanspruch<br />

wandelt sich <strong>in</strong>soweit <strong>–</strong> ausnahmsweise <strong>–</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Anspruch auf<br />

Zahlung e<strong>in</strong>es Ausgleichsbetrags. Die Höhe des Ausgleichsbetrags schätzt der VGH nach<br />

§ 173 VwGO i. V. m. § 287 Abs. 1 ZPO...“.<br />

Bundesverwaltungsgericht <strong>in</strong> NJW 1989, Seite 2484<br />

- Im Rahmen von Straßenbauarbeiten wird der Raum zwischen der befestigten Fahrbahn und<br />

der zum Zeitpunkt des Straßenbaus bereits vorhandenen E<strong>in</strong>friedungsmauer e<strong>in</strong>es Grundstückes<br />

unsachgemäß mit Erdreich ausgefüllt.<br />

- Der Anlieger hatte darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e Abgrabung von 75 cm Tiefe auf se<strong>in</strong>em Grundstücksteil<br />

vorgenommen.<br />

- Das Gericht ermittelte, dass beide Umstände die Standfestigkeit der Mauer bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />

- Bundesverwaltungsgericht: „Ist der Anspruch auf Folgenbeseitigung auf die Herstellung e<strong>in</strong>es<br />

(unteilbaren) Zustandes gerichtet und liegt e<strong>in</strong>e zu berücksichtigende Mitverantwortung vor,<br />

so kommt <strong>in</strong> entsprechender Anwendung des § 251 Abs. 1 BGB die Zahlung e<strong>in</strong>es Ausgleichsbetrages<br />

<strong>in</strong> Betracht...“.<br />

4.2. Verhältnis zu den Bauausführenden<br />

Es wurde bereits geklärt, dass das Verhältnis zu den bauausführenden Firmen/Sonderfachleuten<br />

außerordentliche Beachtung verdient, da die Anforderungen<br />

an die Straßenbauverwaltung als Bauherr<strong>in</strong> und Bauaufsichtige auf die ordnungsgemäße<br />

Realisierung des <strong>Bauvorhaben</strong>s unter Zuhilfenahme von Dritten abzielen. Gerade<br />

die Bauaufsicht und <strong>–</strong>kontrolle stellen wesentliche Verkehrspflichten dar.<br />

39


Mit den bauausführenden Firmen und Sonderfachleuten bestehen vertragliche Beziehungen.<br />

Dabei s<strong>in</strong>d, was die Rechtsanwendung erleichtert, die Vertragsgrundlagen<br />

standardisiert. Insoweit wird verwiesen auf:<br />

- das Handbuch für die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brücken-<br />

bau (HVA B-StB);<br />

- das Handbuch für die Vergabe und Ausführung von freiberuflichen Leistungen<br />

der Ingenieure und Landschaftsarchitekten im Straßen- und Brückenbau<br />

(HVA F-StB).<br />

Aus diesen Unterlagen ergeben sich die Vertragsbestimmungen, welche regelmäßig<br />

Vertrags<strong>in</strong>halt werden. Wichtig ist im dabei weiteren die Kenntnis der vertragse<strong>in</strong>bezogenen<br />

Verd<strong>in</strong>gungsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) und Teil C (VOB/C).<br />

Soweit daher Ause<strong>in</strong>andersetzungen jeglicher Art während der Baudurchführung<br />

entstehen, ist zunächst der Blick <strong>in</strong> die Vertragsgrundlagen geboten. Wesentliche<br />

Elemente der standardisierten Vertragsgrundlagen sollten dabei bekannt und stetig<br />

präsent se<strong>in</strong>.<br />

Im folgenden können nur e<strong>in</strong>ige ausgewählte Problemstellungen erläutert und im<br />

Überblick, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dargestellt werden.<br />

4.2.1. Mangelhafte Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />

Erbr<strong>in</strong>gt der beauftragte Bauunternehmer se<strong>in</strong>e Leistungen mängelbehaftet, so besteht<br />

offensichtlich die Gefahr unmittelbarer Schäden auch der Anlieger (z. B. unsachgemäßer<br />

E<strong>in</strong>satz von Technik), wie auch die Möglichkeit von späteren Haftungssituationen<br />

(z. B. mangelhafter Straßenbelag löst sich und Unfälle s<strong>in</strong>d die<br />

Folge).<br />

Es gehört daher zu den Verkehrspflichten der Straßenbauverwaltung auf die mängelfreie<br />

Werkerstellung im Rahmen des Gebotenen h<strong>in</strong>zuwirken.<br />

40


Für den Fall des Auftretens der Mangelhaftigkeiten ist sorgfältiges Vorgehen<br />

geboten.<br />

Auf folgendes ist besonders h<strong>in</strong>zuweisen:<br />

vergleiche hierzu Übersicht 8:<br />

Checkliste bei Mangelhaftigkeiten<br />

der Bauarbeiten/Musterschreiben<br />

- Das Eigenbeseitigungsrecht oder das Recht, Mängel durch Dritte beseitigen<br />

zu lassen, kann beim VOB/B-Vertrag grundsätzlich nur über e<strong>in</strong>en (teilweisen)<br />

Auftragsentzug gemäß §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B erlangt werden! S<strong>in</strong>d die<br />

Formalien nicht e<strong>in</strong>gehalten, können Mängelbeseitigungskosten gegenüber<br />

dem Bauunternehmer nicht geltend gemacht werden.<br />

- Der Bauunternehmer kann zunächst eigenverantwortlich bestimmen, welche<br />

Art und Weise der Mängelbeseitigung angemessen ist. Vorsicht daher mit<br />

dem Argument: „ungeeignete“ Maßnahmen.<br />

4.2.2. E<strong>in</strong>satz unzuverlässiger Nachunternehmer<br />

Immer wieder ereignen sich Fallgestaltungen, danach der Bauunternehmer Nachunternehmer<br />

e<strong>in</strong>setzt, die er nicht anmeldete und über deren Zuverlässigkeit der Straßenbauverwaltung<br />

nichts bekannt ist.<br />

Zu den Kontrollpflichten der Straßenbauverwaltung gehört dabei ohne weiteres, auch<br />

darauf E<strong>in</strong>fluss zu nehmen, dass nur beauftragte und berechtigte Unternehmen am<br />

Ort des <strong>Bauvorhaben</strong>s tätig s<strong>in</strong>d.<br />

Die reformierte VOB 2000 enthält dazu nunmehr entsprechende Regelungen, welche<br />

zu beachten s<strong>in</strong>d; § 4 Nr. 8 VOB/B. Im übrigen ist auf Ziffer 9 ZVB/E-StB zu<br />

verweisen.<br />

41


Danach darf der Bauunternehmer Nachunternehmer nur mit schriftlicher Zustim-<br />

mung des Bauherren/Auftraggebers e<strong>in</strong>setzen, außer der Betrieb des Bauunterneh-<br />

mers ist auf die Ausführung der Leistungen, welche an den Nachunternehmer gege-<br />

ben wurden, nicht e<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Demnach ist zu unterscheiden:<br />

- E<strong>in</strong>satz von Nachunternehmern für Arbeiten, auf welche der Betrieb des<br />

Bauunternehmens nicht e<strong>in</strong>gerichtet ist = ohne schriftliche Zustimmung zu-<br />

lässig, wenn Nachunternehmer fachkundig, leistungsfähig und zuverlässig<br />

(mith<strong>in</strong> die Anforderungen nach Ziffern 9.1./9.2. ZVB/E-StB erfüllt s<strong>in</strong>d);<br />

- E<strong>in</strong>satz von Nachunternehmern für Arbeiten, auf welche der Betrieb des<br />

Bauunternehmens e<strong>in</strong>gerichtet ist = nur mit schriftlicher Zustimmung der<br />

Straßenbauverwaltung zulässig (vergleiche § 4 Nr. 8 Abs. 1 Satz 2 VOB/B,<br />

Ziffer 9.2. ZVB/E-StB).<br />

Setzt der Bauunternehmer ohne schriftliche Zustimmung Nachunternehmer e<strong>in</strong>, ob-<br />

wohl diese nach dem Vorstehenden erforderlich wäre, kann die Straßenbauverwal-<br />

tung e<strong>in</strong>e angemessene Frist mit Kündigungsandrohung setzen, § 4 Nr. 8 VOB/B,<br />

und bei fruchtlosem Fristablauf den Auftrag außerordentlich entziehen, § 8 Nr. 3<br />

VOB/B.<br />

vergleiche Übersicht 9:<br />

Musterschreiben bei unzuverlässigemNachunternehmere<strong>in</strong>satz<br />

Soweit dem E<strong>in</strong>satz des Nachunternehmers schriftlich zugestimmt wurde und er sich<br />

trotz dessen als unzuverlässig erweist, ist die Straßenbauverwaltung auf die üblichen<br />

Rechte, z. B. wegen mangelhafter oder verzögerter Ausführung, gegenüber dem beauftragten<br />

Bauunternehmen beschränkt.<br />

42


4.2.3. Verzug<br />

Die Durchführung der Straßenbauarbeiten <strong>in</strong>nerhalb der beabsichtigten Zeiträume ist<br />

für die Haftungsrisiken außerordentlich relevant. Es wurden bereits Fallbeispiele<br />

ausgeführt und erläutert (siehe Übersicht 7), danach verlängerte Ausführungszeit-<br />

räume Entschädigungsansprüche nach sich ziehen können. Die bauausführenden<br />

Firmen s<strong>in</strong>d daher zu e<strong>in</strong>er vertrags- und term<strong>in</strong>gerechten Leistungserbr<strong>in</strong>gung an-<br />

zuhalten.<br />

Dabei stehen der Straßenbauverwaltung <strong>in</strong>sbesondere die Vorschriften nach<br />

§ 5 Nr. 3, 4 VOB/B und § 8 Nr. 3 VOB/B zur Verfügung.<br />

Nach § 5 Nr. 3, 4 VOB/B hat die Straßenbauverwaltung E<strong>in</strong>griffsmöglichkeiten immer<br />

dann, wenn:<br />

- der Bauunternehmer die Baustelle nicht ausreichend mit Arbeitskräften, Gerä-<br />

ten, Gerüsten, Stoffen und Bauteilen besetzt, so dass die Gefahr besteht, das<br />

Ausführungsfristen offenbar nicht e<strong>in</strong>gehalten werden können;<br />

- der Bauunternehmer den Beg<strong>in</strong>n der Ausführung verzögert;<br />

- der Bauunternehmer mit der Vollendung der Ausführung <strong>in</strong> Verzug gerät.<br />

In allen diesen Fällen hat die Straßenbauverwaltung die Wahl:<br />

- Schadensersatz gem. § 6 Nr. 6 VOB/B unter Aufrechterhaltung des Vertrages<br />

zu begehren oder<br />

- e<strong>in</strong>e angemessene Frist zur Leistungserbr<strong>in</strong>gung zu setzen und bei fruchtlo-<br />

sem Fristablauf den Auftrag zu entziehen (§ 8 Nr. 3 VOB/B); wobei der Auf-<br />

tragsentzug <strong>in</strong> dem Fristsetzungsschreiben angekündigt werden muss.<br />

43


Auf folgendes ist besonders h<strong>in</strong>zuweisen:<br />

- Der Bauunternehmer gerät durch bloße Fristüberschreitung nur <strong>in</strong> Leistungs-<br />

verzug, wenn verb<strong>in</strong>dliche Vertragsfristen (Anfangs-, Zwischen- oder Endterm<strong>in</strong>e)<br />

bestehen.<br />

- Zwischen- und Endfristen des Bauzeitenplanes gelten nur dann als Vertragsfristen,<br />

wenn der Vertrag dies ausdrücklich so festlegt, § 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B<br />

(vergleiche hierzu auch unter 5.7.2. und „Handbuch für die Vergabe und Ausführung<br />

von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau<br />

(HVA B-StB)“ Teil 1, Ziffer 1.3., dort Vertragsfristen).<br />

- Im übrigen ist die Fälligkeit der Leistungserbr<strong>in</strong>gung, die Voraussetzung e<strong>in</strong>es<br />

Verzugse<strong>in</strong>trittes bildet, durch Auslegung zu bestimmen. Leistungsverzug tritt<br />

dann stets erst nach e<strong>in</strong>er Mahnung h<strong>in</strong>sichtlich der fälligen Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />

e<strong>in</strong>. Die Fälligkeit bestimmt sich wie folgt:<br />

o nach sämtlichen vere<strong>in</strong>barten Fristen, welche ke<strong>in</strong>e Vertragsfristen darstellen;<br />

o nach § 5 Nr. 2 VOB/B bzw. vertraglich festgelegten Abruffristen;<br />

o nach dem Verhältnis von Fertigstellungsterm<strong>in</strong> und Baufortschritt;<br />

o <strong>in</strong> Ermangelung sämtlicher Fristen nach dem, was üblicherweise geschuldet<br />

wäre.<br />

- Beachte:<br />

Sollen neue Fristen festgelegt werden, z.B. <strong>in</strong>folge veränderten Bauablaufes,<br />

so hat dies stets geme<strong>in</strong>sam zu erfolgen. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige Fristbestimmung<br />

durch die Straßenbauverwaltung scheidet aus. Bei der geme<strong>in</strong>samen Neufestlegung<br />

von Fristen ist zu beachten, dass diese ausdrücklich als Vertragsfristen<br />

gekennzeichnet werden. Soweit e<strong>in</strong>e Vertragsstrafe ursprünglich vorgesehen<br />

war, ist bei der Neufestsetzung der Fristen ausdrücklich klarzustellen, dass die<br />

Vertragsstrafe ihre Gültigkeit auch für die neuen Fristen behält.<br />

44


- Werden Fristen bei Baubesprechungen und vor Ort vere<strong>in</strong>bart, so ist darauf zu<br />

achten, dass dies mit e<strong>in</strong>em zuständigen und bevollmächtigten Mitarbeiter des<br />

bauausführenden Unternehmens geschieht; die Vere<strong>in</strong>barungen s<strong>in</strong>d regelmäßig<br />

schriftlich zu fassen und von beiden Vertragspartnern gegenzuzeichnen.<br />

4.2.4. Umgang mit Bedenkensanzeigen<br />

vergleiche im weiteren Übersicht 10:<br />

Musterschreiben bei Leistungsverzug<br />

Die VOB/B gibt dem Bauunternehmer nach § 4 Nr. 3 VOB/B auf, Bedenken anzumelden,<br />

soweit:<br />

- Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung bestehen (auch im H<strong>in</strong>-<br />

blick auf die Sicherung gegen Unfallgefahren);<br />

- Bedenken gegen vom Auftraggeber gelieferte Stoffe oder Bauteile bestehen;<br />

- Bedenken gegen die Leistung anderer Unternehmer bestehen.<br />

Für den Fall, dass sich solche Bedenken ergeben, hat der Bauunternehmer diese<br />

dem Auftraggeber unverzüglich und schriftlich, möglichst vor Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>er Arbeiten,<br />

anzuzeigen.<br />

Es sei klargestellt, dass auch mündliche Anzeigen, soweit nachweislich, genügen<br />

können. Der Bauunternehmer tut gut daran, die Bedenkensanzeigen zu tätigen, da<br />

e<strong>in</strong>e Verletzung der Pflichten aus § 4 Nr. 3 VOB/B dazu führt, dass der Bauunternehmer<br />

so gestellt wird, als sei er für die Mangelhaftigkeit selbst verantwortlich, auch<br />

wenn sie nicht direkt aus se<strong>in</strong>er Leistung herrührt. Der Bauunternehmer haftet sodann<br />

gem. § 4 Nr. 7 VOB/B bzw. § 13 Nr. 5 <strong>–</strong> 7 VOB/B.<br />

Es stellt sich hier aber die Frage, wie die Straßenbauverwaltung mit e<strong>in</strong>er Bedenkensanzeige<br />

umgehen sollte.<br />

45


Aus der dargelegten Verkehrssicherungspflicht der Straßenbauverwaltung h<strong>in</strong>sicht-<br />

lich der Kontrolle und Überwachung des <strong>Bauvorhaben</strong>s ist zunächst abzuleiten, dass<br />

es zur Amtspflicht der Straßenbauverwaltung gehört, Bedenkensanzeigen ernst<br />

zu nehmen und ihnen sorgfältig nachzugehen. Dies, da die Vorlage von Beden-<br />

kensanzeigen potentiell offenbart, dass Gefahren für die mangelfreie Herstellung be-<br />

stehen können, Unfallgefahren gegeben s<strong>in</strong>d usw. (vgl. den Katalog bedenkens-<br />

pflichtiger Umstände).<br />

Soweit die Bedenkensanzeige berechtigt ist, ergeben sich die Handlungsmuster un-<br />

problematisch. Es ist sodann dasjenige, <strong>in</strong> gebotener Eile, zu veranlassen, was die<br />

Beh<strong>in</strong>derung entfallen lässt.<br />

Schwieriger ist der Umgang mit Bedenkensanzeigen, die für unberechtigt gehalten<br />

werden. Hier bedarf es e<strong>in</strong>er Zurückweisung, welche zum<strong>in</strong>dest ihrem Wesen nach<br />

auch die Anordnung darstellt, die Arbeiten weiter, so wie vorgesehen und ohne Veränderung<br />

aus- bzw. fortzuführen. Hier begibt sich die Straßenbauverwaltung sodann<br />

<strong>in</strong> den Bereich, dass der Bauunternehmer als ledigliches Werkzeug nur Anweisungen<br />

ausführt und se<strong>in</strong>e Handlungen der Straßenbauverwaltung unmittelbar zugerechnet<br />

werden. Ergeben sich sodann Schäden zu Lasten der Anlieger und haben<br />

diese Kenntnis von der E<strong>in</strong>flussnahme der Straßenbauverwaltung, so eröffnen sich<br />

nach den dargelegten Rechtsgrundsätzen Amtshaftungsansprüche, wenn auch die<br />

sonstigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.<br />

46<br />

vergleiche Übersicht 11:<br />

Bedenkensanzeigen


5. Der Ablauf des <strong>Bauvorhaben</strong>s unter Berücksichtigung haftungsrechtlicher<br />

Risiken<br />

Anhand der rechtlich relevanten Haftungsbestimmungen wurde bereits ausgeführt,<br />

dass als Anknüpfungspunkt für die Haftung der Straßenbauverwaltung regelmäßig<br />

zwei Kriterien <strong>in</strong> Betracht kommen:<br />

- Verletzung eigener Amtspflichten, welche letztlich Verkehrssicherungspflich-<br />

ten darstellen, da der Bau von/<strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> Gefahrenquellen schafft<br />

(hierunter wird auch aktives Verhalten der Straßenbauverwaltung verstanden,<br />

z. B. konkrete Anordnungen, die Schäden nach sich ziehen, da auch dies die<br />

Verletzung e<strong>in</strong>er Amtspflicht wäre);<br />

- E<strong>in</strong>wirkungen/Bee<strong>in</strong>trächtigungen zu Lasten der Nachbargrundstücke, welche<br />

von den Anliegern nicht entschädigungslos zu dulden s<strong>in</strong>d.<br />

Demnach ist nunmehr der Umfang der Amtspflichten für die e<strong>in</strong>zelnen Bauphasen zu<br />

untersuchen, ergänzt um Verhaltensweisen, die die Berechtigung von Entschädigungsansprüchen<br />

wegen E<strong>in</strong>wirkungen reduzieren helfen oder gänzlich verh<strong>in</strong>dern.<br />

Zur Bestimmung der Amtspflichten ist die Stellung der Straßenbauverwaltung bei<br />

<strong>Bauvorhaben</strong> <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> vorab spezifiziert zu bestimmen.<br />

5.1. Anforderungen an die Straßenbauverwaltung bei der Abwicklung von<br />

<strong>Bauvorhaben</strong><br />

Gemäß § 10 Abs. 2 BbgStrG (vgl. auch § 4 FernStrG) haben die Straßenbaubehörden<br />

als Sonderordnungsbehörden die Amtspflicht, <strong>Ortsdurchfahrten</strong> so herzustellen<br />

bzw. zu unterhalten, dass den Erfordernissen von Sicherheit und Ordnung genügt<br />

wird, wobei technische Baubestimmungen und die anerkannten Regeln der Baukunst<br />

47


und Technik zu beachten s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e Beaufsichtigung durch andere Behörden f<strong>in</strong>det<br />

nicht statt, § 10 Abs. 3 BbgStrG.<br />

Diese Freistellung von der Beaufsichtigung hat zur Folge, dass sich die Straßenbaubehörde<br />

nicht wie e<strong>in</strong> privater Bauherr auf Architekten, Ingenieure, Unternehmer,<br />

Lieferanten usw. verlassen kann, sondern zur Vermeidung von Haftung (= E<strong>in</strong>haltung<br />

der Amtspflichten) gehalten ist, Entwurf, Baustelle, Organisation, Bauausführende<br />

und Bauwerk so zu überwachen, wie es e<strong>in</strong>er Bauaufsichtsbehörde obliegen würde.<br />

Hierzu sei verdeutlicht, dass die Aufsichtspflicht gegenüber den Bürgern/Dritten (z. B. Anliegern)<br />

besteht und sich aus der hoheitlichen Stellung der Straßenbauverwaltung ableitet. Im<br />

Verhältnis zu von der Straßenbauverwaltung beauftragten Sonderfachleuten (Ingenieure/Architekten)<br />

gilt, dass diese durch die Aufsichtspflichten der Straßenbauverwaltung nicht<br />

von der eigenen Haftung freigestellt s<strong>in</strong>d, wenn sie mangelhafte Planungs- oder sonstige Architekten-/Ingenieurleistungen<br />

nicht ordnungsgemäß erbr<strong>in</strong>gen. Dabei handelt es sich sodann<br />

um Schlechtleistungen gegenüber der Straßenbauverwaltung, die nach den Bestimmungen<br />

des Vertrages zwischen der Straßenbauverwaltung und den Sonderfachleuten zu beurteilen<br />

s<strong>in</strong>d (Haftung im Innenverhältnis).<br />

Die Straßenbaubehörde f<strong>in</strong>det sich daher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „doppelten Verantwortung“; e<strong>in</strong>erseits<br />

als Bauherr<strong>in</strong> <strong>in</strong> Umsetzung der Straßenbaulast und andererseits als Aufsichtsbehörde.<br />

Die Summe dieser Verantwortungen beschreibt die Amtspflichten.<br />

Daher darf dies bei sämtlichen Überlegungen im Rahmen rechtlicher Prüfung (z. B.<br />

Liegt e<strong>in</strong>e Amtspflichtverletzung vor? = Tatbestandvoraussetzung der Amtshaftung)<br />

nicht vernachlässigt werden und ist demnach weiteren Ausführungen vorangestellt<br />

worden.<br />

5.2 Die Entwurfsphase<br />

Da die ordnungsgemäße Planung des <strong>Bauvorhaben</strong>s <strong>in</strong>nerhalb dieses Leitfadens als<br />

gegeben unterstellt wird, sollen nur e<strong>in</strong>ige wenige Anmerkungen erfolgen, die für<br />

Haftungsansätze relevant se<strong>in</strong> können.<br />

48


Umfängliche <strong>Bauvorhaben</strong> <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> s<strong>in</strong>d regelmäßig durch die Beteiligung<br />

e<strong>in</strong>er Vielzahl von Personen gekennzeichnet <strong>–</strong> externe Planungsbüros, Gutachter<br />

und Sachverständige, Bauunternehmer usw. <strong>–</strong>, so dass es der Straßenbauverwal-<br />

tung obliegt:<br />

- e<strong>in</strong>e exakte Abgrenzung der Aufgaben der Beteiligten bezüglich jeder Bau-<br />

phase vorzunehmen;<br />

- e<strong>in</strong>e konkrete Zuordnung <strong>in</strong>nerhalb der Verwaltung vorzunehmen, danach,<br />

welche Aufgabe (Amtspflicht), von welchen Bediensteten der Straßenbauverwaltung<br />

während des <strong>Bauvorhaben</strong>s zu erfüllen ist (Dies hat bestenfalls durch<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nerdienstliche Vorschrift zu erfolgen.).<br />

Die sorgfältige Planung setzt im weiteren grundsätzlich voraus:<br />

- Die Aufstellung e<strong>in</strong>es Entwurfes (1);<br />

- Die Prüfung des Entwurfes (2);<br />

- Die Freigabe der Bauausführungsunterlagen (3).<br />

(1)<br />

Hierbei ist festzuhalten, dass die Verantwortlichkeit der Straßenbauverwaltung auch<br />

dann une<strong>in</strong>geschränkt besteht, soweit der Entwurf von Behördenfremden, z. B.<br />

e<strong>in</strong>em beauftragten Ingenieurbüro, gefertigt wird.<br />

(2)<br />

Die Prüfung durch e<strong>in</strong>en anderen Bediensteten als den Entwurfsverfasser ist notwendig<br />

und sicherzustellen. Soweit die Prüfung nicht durch Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung<br />

ausgeführt wird, sondern von Dritten aufgrund gesonderter Werkverträge,<br />

haftet die Straßenbauverwaltung im Außenverhältnis (z. B. gegenüber Anliegern)<br />

wie für eigenes Handeln. Lediglich im Innenverhältnis können Ansprüche gegenüber<br />

den Werkunternehmern (z. B. Prüf<strong>in</strong>genieur) gestellt werden (vergleiche zur<br />

Übertragung vorgenannter Leistungen auch § 10 Abs. 2 Satz 4 BbgStrG, danach der<br />

hoheitliche Handlungscharakter delegierbar ist).<br />

49


(3)<br />

Der freigebende Bedienstete hat sich von der ordnungsgemäßen Aufstellung und<br />

Prüfung des Entwurfes zu überzeugen und diesen förmlich freizugeben.<br />

5.3 Organisation der Bauüberwachung/-koord<strong>in</strong>ierung vor Beg<strong>in</strong>n der<br />

Bauarbeiten<br />

Der Straßenbauverwaltung obliegen während der Bauausführung Koord<strong>in</strong>ierungs-<br />

und Überwachungsaufgaben, die aus ihrer Stellung als Aufsichtsbehörde (z. B.<br />

Kontrolle, dass ke<strong>in</strong>e Arbeiten ausgeführt werden, für die freigegebene Ausführungs-<br />

unterlagen nicht vorliegen) bzw. als Bauherr<strong>in</strong> (z. B. die Aufgabe, die an den Bauun-<br />

ternehmer delegierte Verkehrssicherungspflicht h<strong>in</strong>sichtlich ihrer E<strong>in</strong>haltung durch<br />

den Bauunternehmer zu überwachen) herrühren können.<br />

Übersicht 12:<br />

5.4 Verhältnis zum Anlieger im Rahmen der Bauvorbereitung<br />

Checkliste Vorbereitung der<br />

Bauüberwachung/- koord<strong>in</strong>ierung<br />

Es entspricht bereits dem Selbstverständnis der Straßenbauverwaltungen, wie der<br />

sonstigen Behörden im Land Brandenburg, mit den Bürgern, hier den Anliegern der<br />

Nachbargrundstücke, vertrauensvoll und offen zusammen zu arbeiten. Gerade dann,<br />

wenn Baumaßnahmen unmittelbar bevorstehen, werden sich Bürger an die Straßenbauverwaltungen<br />

wenden, um Informationen abzufragen, über Art und Umfang des<br />

<strong>Bauvorhaben</strong>s, se<strong>in</strong>e Zeitdauer, etwaige Bee<strong>in</strong>trächtigungen usw.<br />

Hier sollen die Fragestellungen untersucht werden, ob den Bürgern e<strong>in</strong> solcher Auskunftsanspruch<br />

zusteht (5.4.1.), <strong>in</strong> welchem Umfang und welcher Art und Weise<br />

Auskunft erteilt werden sollte (5.4.2.) und welche Folgen unrichtige Auskünfte (5.4.3.)<br />

nach sich ziehen können.<br />

50


5.4.1. Pflicht zur Auskunftserteilung<br />

Soweit die Vorbereitung e<strong>in</strong>es <strong>Bauvorhaben</strong>s derart fortgeschritten ist, dass die tat-<br />

sächliche Realisierung ansteht, wird man den betroffenen Bürgern die Auskunftser-<br />

teilung nicht verwehren können.<br />

Für den Fall, dass noch nicht sichergestellt ist, ob das <strong>Bauvorhaben</strong> überhaupt zur<br />

Ausführung gelangt, dürfte e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis an den Bürger <strong>in</strong>soweit genügen, dass mitge-<br />

teilt wird, dass über die Durchführung der Straßenbaumaßnahme noch nicht ent-<br />

schieden ist.<br />

Das Recht des Bürgers auf Information wird man <strong>in</strong>sbesondere daraus ableiten, dass<br />

er die Möglichkeit haben muss, sich auf die zukünftigen Bee<strong>in</strong>trächtigungen e<strong>in</strong>zu-<br />

stellen. Es wäre darüber h<strong>in</strong>aus nicht opportun, den Bürger <strong>–</strong> selbst im H<strong>in</strong>blick auf<br />

haftungsrechtliche Risiken <strong>–</strong> mit se<strong>in</strong>en verständlichen Anfragen zurückzuweisen.<br />

5.4.2. Umfang und Art und Weise der Auskunft<br />

Der Bürger hat natürlich nicht Anspruch auf jedwede Auskunft. Es muss der Stra-<br />

ßenbauverwaltung auch unter üblichen Aufwendungen möglich se<strong>in</strong>, die Anfragen zu<br />

beantworten. Daher s<strong>in</strong>d zum Beispiel Anfragen h<strong>in</strong>sichtlich<br />

- Dauer der Baumaßnahme;<br />

- Umfang der Baumaßnahme;<br />

- Auswirkungen auf die Verkehrsführung;<br />

auf entsprechende Anfragen h<strong>in</strong> zu geben. Der Bürger hat aber ke<strong>in</strong>en Anspruch auf<br />

Mitteilung e<strong>in</strong>zelner Planungsdetails oder ähnliches.<br />

Die Art und Weise der Auskunftserteilung sollte stets berücksichtigen, dass e<strong>in</strong>e<br />

Amtspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte, Belehrungen, H<strong>in</strong>weise und War-<br />

nungen von der Rechtsprechung anerkannt wird. D. h.: Wenn e<strong>in</strong>e Auskunft erteilt<br />

wird, muss sie auch richtig se<strong>in</strong>!<br />

51


5.4.3. Folgen unrichtiger Auskunft<br />

Soweit die Verletzung der Auskunftspflichten zu Schäden bei den Bürgern/Anliegern<br />

führt und diese auf die Richtigkeit der Auskunft vertrauen durften, können sich Scha-<br />

densersatzansprüche gegenüber der Straßenbauverwaltung, <strong>in</strong>sbesondere nach<br />

Amtshaftungsgrundsätzen, ergeben.<br />

Beispielhaft wird auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.6.1977<br />

(<strong>in</strong> NJW 1978, Seite 371) verwiesen. Der Bundesgerichtshof hatte folgenden Fall zu<br />

beurteilen:<br />

Sachverhalt:<br />

„Im Oktober 1970 mietete der Kläger e<strong>in</strong> Ladenlokal zu e<strong>in</strong>em monatlichen Mietz<strong>in</strong>s von<br />

12.500,00 DM. Das Ladengeschäft wurde im November 1970 <strong>in</strong> Betrieb genommen. Bei der<br />

Anmietung waren <strong>in</strong> der Umgebung des Geschäfts ... Bauarbeiten im Gange. Der Kläger hat<br />

behauptet, die beklagte Stadt habe die Auskunft erteilt, die Bauarbeiten würden bis Frühjahr<br />

bzw. Sommer 1971 soweit beendet se<strong>in</strong>, dass ungeh<strong>in</strong>derter Fußgängerverkehr möglich sei.<br />

Er (der Kläger) habe sich telefonisch bei dem ihm bekannten Abteilungsleiter beim Bauamt erkundigt.<br />

Dieser habe ihm erklärt, die Term<strong>in</strong>e für die Fertigstellung stünden fest und lägen im<br />

Dezember 1970, spätestens im März 1971; für e<strong>in</strong>e solche Auskunft sei er jedoch nicht zuständig.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Gesprächspartner, mit dem er (der Kläger) weiterverbunden wurde, habe<br />

die genannten Term<strong>in</strong>e bestätigt; auch er habe sich aber für nicht zuständig erklärt und habe<br />

zur Bauleitung weiterverbunden. Dort sei erklärt worden, dass der Term<strong>in</strong>plan die genannten<br />

Term<strong>in</strong>e enthalte und der Baufortschritt dem Term<strong>in</strong>plan entspreche...“ (BGH, am angegebenen<br />

Ort)<br />

Entscheidung:<br />

Der Bundesgerichtshof hat e<strong>in</strong>en Amtshaftungsanspruch dem Grunde nach bejaht und<br />

<strong>in</strong>sbesondere ausgeführt: „... Nach alldem hat der Kläger daher se<strong>in</strong>er Darlegungslast genügt,<br />

<strong>in</strong>dem er den Inhalt der ihm erteilten Auskunft und die erwähnten zeitlichen Verhältnisse behauptet<br />

hat. Es war nunmehr Sache der Beklagten darzutun, dass und aus welchen Gründen<br />

die Auskunft trotzdem richtig und vollständig war, dass die bei ihrer Erteilung vorliegenden<br />

Gegebenheiten also die vorbehaltlose Mitteilung zuließen, spätestens im März 1971 werde<br />

„alles <strong>in</strong> Ordnung“ se<strong>in</strong>... (BGH, am angegebenen Ort; Hervorhebung des Verfassers)<br />

52


Die tragenden Gründe der Entscheidung s<strong>in</strong>d sodann <strong>in</strong> folgendem Leitsatz zusammengefasst:<br />

„Der Straßenanlieger kann se<strong>in</strong>er Verpflichtung, bei der Errichtung e<strong>in</strong>es neuen Betriebes auf<br />

ihm erkennbare bevorstehende Beschränkungen des Straßenverkehrs Rücksicht zu nehmen,<br />

dadurch genügen, dass er e<strong>in</strong>e behördliche Auskunft über die Dauer der Beschränkungen<br />

e<strong>in</strong>holt und sich auf diese Auskunft, soweit er ihr vertrauen kann, e<strong>in</strong>richtet...“ (BGH, am an-<br />

gegebenen Ort).<br />

vergleiche Übersicht 13:<br />

Checkliste Auskünfte an<br />

Anlieger<br />

5.5. Berücksichtigung der E<strong>in</strong>wirkungen und Beschränkungen zu Lasten der<br />

Anlieger vor Baubeg<strong>in</strong>n<br />

Durch entsprechend vorsorgliches und überlegtes Handeln soll Entschädigungsansprüchen<br />

der Anlieger aus enteignendem oder enteignungsgleichem E<strong>in</strong>griff möglichst<br />

frühzeitig entgegengewirkt werden.<br />

Die grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1965, Seite 1907)<br />

wurde bereits zitiert (vergleiche unter Übersicht 7). Dortig s<strong>in</strong>d die Handlungsanweisungen<br />

an die Straßenbauverwaltungen klar formuliert.<br />

5.5.1. Vermeidung von Entschädigungsansprüchen aus enteignendem E<strong>in</strong>griff<br />

Besonderes Tatbestandsmerkmal dieses Entschädigungsanspruches war, dass die<br />

Straßenbauverwaltungen, obwohl ihnen nicht der Vorwurf rechtswidrigen oder amtspflichtverletzenden<br />

Handelns gemacht werden kann, sich berechtigten Forderungen<br />

ausgesetzt sehen können. Dies, wenn e<strong>in</strong> Rechtsgut e<strong>in</strong>es Anliegers derart durch die<br />

Straßenbaumaßnahmen bee<strong>in</strong>trächtigt wird, dass das Rechtsgut tatsächlich bzw.<br />

wirtschaftlich vernichtet oder entzogen wird (vergleiche Beispiele BGH Versicherungsrecht<br />

1998, Seite 504; BGH NJW 1964, Seite 198 > beide Entscheidungen<br />

53


wurden mit Sachverhalt und Entscheidungen dargestellt <strong>in</strong> Übersicht 7). Relevant<br />

werden diese Fallgestaltungen regelmäßig bezüglich von Anliegern, welche e<strong>in</strong> Ge-<br />

werbe an der Ortsdurchfahrt betreiben.<br />

Für die Straßenbauverwaltungen folgt daraus:<br />

- Die Ortsdurchfahrt ist bei Entschluss zur Straßenbaumaßnahme auch da-<br />

h<strong>in</strong> zu kontrollieren, ob und welche Gewerbetreibende dort ansässig s<strong>in</strong>d.<br />

- Im weiteren ist abzuschätzen, mit welcher Dauer und Intensität e<strong>in</strong>e Bee<strong>in</strong>-<br />

trächtigung des Gewerbebetriebes erfolgen wird.<br />

o Verliert e<strong>in</strong> Geschäft durch Straßenbaumaßnahmen Laufkundschaft, ist<br />

dies durch den Gewerbetreibenden regelmäßig entschädigungslos h<strong>in</strong>-<br />

zunehmen.<br />

o Kann e<strong>in</strong>e Tankstelle über längere Zeit nicht angefahren werden, stellt<br />

sich die Situation gänzlich anders dar.<br />

- Treten Gewerbetreibende an die Straßenbauverwaltung heran, s<strong>in</strong>d deren<br />

„Wünsche und Nöte“ aufzunehmen und zu beurteilen.<br />

o BGH <strong>in</strong> NJW 1965, Seite 1908: „Die betroffenen Anlieger müssen dazu<br />

selbstverständlich ihre besondere Lage den Behörden darlegen, aber<br />

auch die Straßenbaubehörden müssen vor Beg<strong>in</strong>n der Arbeiten diese<br />

Möglichkeiten <strong>in</strong> den Kreis ihrer Erwägungen e<strong>in</strong>beziehen und sich mit<br />

den Wünschen und Nöten der Anlieger ause<strong>in</strong>andersetzen.“.<br />

- Soweit unter üblichen und zumutbaren Aufwendungen zu leisten, sollten<br />

die absehbaren Bee<strong>in</strong>trächtigungen reduziert und beschränkt werden.<br />

Insgesamt gilt aber weiterh<strong>in</strong> der Grundsatz, das Straßenbaumaßnahmen entschädigungslos<br />

zu dulden s<strong>in</strong>d. Die Straßenbauverwaltung hat allerd<strong>in</strong>gs die Amtspflicht<br />

sorgfältiger Planung und sachgemäßer Koord<strong>in</strong>ierung.<br />

54


5.5.2. Vermeidung von Entschädigungsansprüchen aus enteignungsgleichem<br />

E<strong>in</strong>griff<br />

Verletzt die Straßenbauverwaltung nämlich Amtspflichten <strong>–</strong> <strong>in</strong>sbesondere auch den<br />

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit <strong>–</strong> und handelt folglich rechtswidrig, so kommen<br />

Ersatzansprüche nach enteignungsgleichem E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> Betracht (vergleich unter<br />

4.1.3.2.).<br />

An die Anforderungen des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1965, Seite 1908) sei<br />

er<strong>in</strong>nert:<br />

- Sorgfältige Planung;<br />

- Sachgemäße Koord<strong>in</strong>ierung<br />

- Vermeidung von Verzögerungen;<br />

- Verkehrsbee<strong>in</strong>trächtigungen/Beh<strong>in</strong>derungen s<strong>in</strong>d nur <strong>in</strong> dem Umfang ent-<br />

schädigungslos, wenn Art und Dauer nicht über das h<strong>in</strong>ausgehen, was bei<br />

ordnungsgemäßer Durchführung der Arbeiten mit möglichen und zumutbaren<br />

Mitteln sachlicher und persönlicher Art notwendig ist.<br />

Daher sollte <strong>in</strong>folge des Vorstehenden der mit der Bauüberwachung beauftragte<br />

Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung schon vor Durchführung der Baumaßnahme<br />

das <strong>Bauvorhaben</strong> h<strong>in</strong>sichtlich kritischer (stark bee<strong>in</strong>schränkender) und unproblematischerer<br />

(ger<strong>in</strong>gere Belastung) Bauphasen unterteilen und die erhöhte Bauüberwachung/Koord<strong>in</strong>ation<br />

für die kritischen Bauabschnitte vorbereiten und organisieren.<br />

5.6 Planfeststellung<br />

Die Planfeststellung soll <strong>in</strong> diesem Leitfaden nur im H<strong>in</strong>blick auf ihren E<strong>in</strong>fluss auf<br />

haftungsrechtliche Ansprüche gegenüber der öffentlichen Hand im Zusammenhang<br />

mit Straßenbauarbeiten untersucht werden. Hierzu ist folgendes festzuhalten:<br />

55


Behandelt e<strong>in</strong> Planfeststellungsverfahren/Planfeststellungsbeschluss<br />

- E<strong>in</strong>wirkungen auf Anliegergrundstücke auch h<strong>in</strong>sichtlich nur vorüberge-<br />

hender, an sich unzumutbarer Bee<strong>in</strong>trächtigungen (z. B. während der Bau-<br />

zeit; vergleiche Bundesverwaltungsgericht <strong>in</strong> NVwZ 1993, Seite 572);<br />

- sonstige Fragen im Zusammenhang mit der Straßenplanung und etwaigen<br />

Veränderungen der Verkehrsführung;<br />

so s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Festlegungen <strong>–</strong> soweit der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar<br />

geworden ist <strong>–</strong> b<strong>in</strong>dend.<br />

D. h., e<strong>in</strong> Anlieger kann sich gegen die im unanfechtbaren Planfeststellungsbe-<br />

schluss enthaltenen Entschädigungsregelungen nicht mehr zur Wehr setzen; sie s<strong>in</strong>d<br />

abschließend (vergleiche BGH NJW 1985, Seite 3025). Offen bleiben lediglich An-<br />

sprüche wegen unvorhersehbaren Wirkungen, § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG.<br />

Für die Straßenbauverwaltung heißt dies, dass bei Vorlage e<strong>in</strong>es Planfeststellungs-<br />

beschlusses zu überprüfen ist, ob dortig Regelungen zu Bee<strong>in</strong>trächtigungen der An-<br />

lieger während der Straßenbaumaßnahmen enthalten und festgelegt s<strong>in</strong>d. Im weite-<br />

ren ist zu untersuchen, ob der Planfeststellungsbeschluss bereits unanfechtbar<br />

wurde.<br />

Beispiele:<br />

(Leitsätze der Rechtsprechung:<br />

� BGH <strong>in</strong> NJW 1985, Seite 3025: „Wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em durch rechtskräftiges Verwaltungsge-<br />

richtsurteil bestätigten straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss e<strong>in</strong>e angemessene<br />

Ersatzzufahrt vorgesehen und damit die gesetzliche Voraussetzung für e<strong>in</strong>en Anspruch<br />

auf Entschädigung <strong>in</strong> Geld abgelehnt wird, s<strong>in</strong>d die Zivilgerichte geh<strong>in</strong>dert, unter enteignungsrechtlichen<br />

Gesichtspunkten e<strong>in</strong>e Entschädigung zuzusprechen.“<br />

� BGH <strong>in</strong> NJW 1999, Seite 1247: „Der Anlieger e<strong>in</strong>er Straße, die auf der Grundlage e<strong>in</strong>es<br />

bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses errichtet oder ausgebaut worden ist, kann<br />

nicht unter dem Gesichtspunkt des enteignenden E<strong>in</strong>griffs e<strong>in</strong>en Geldausgleich für im<br />

Planfeststellungsbeschluss nicht vorgesehene Schallschutze<strong>in</strong>richtungen auf dem betroffenen<br />

Grundstück verlangen.“.<br />

56


5.7 Ausschreibung/Leistungsbeschreibung und haftungsrechtliche Risiken im<br />

H<strong>in</strong>blick auf Anlieger benachbarter Grundstücke<br />

Offensichtlich betrifft die Ausschreibung/Leistungsbeschreibung unmittelbar das Ver-<br />

hältnis der Straßenbauverwaltung zu den bauausführenden Unternehmen. Gerade<br />

im erfolgsorientierten Werkvertragsrecht (Bauverträge) kommt der Baubeschrei-<br />

bung/dem Leistungsverzeichnis außerordentliche Bedeutung zu, um die Pflichten der<br />

Vertragsparteien festzulegen.<br />

Im Rahmen dieser Darstellungen geht es aber um die Frage, ob die Gestaltung der<br />

Ausschreibung/der Leistungsbeschreibung E<strong>in</strong>fluss auf haftungsrechtliche Risiken<br />

der Straßenbauverwaltung gegenüber den vertragsfremden Anliegern gew<strong>in</strong>nen<br />

kann. Dies ist grundsätzlich zu bejahen.<br />

5.7.1. Die „Werkzeugtheorie“ und ihre Ausstrahlung auf Ausschreibung/ Leis-<br />

tungsbeschreibung<br />

Die Haftungsrisiken der Straßenbauverwaltung s<strong>in</strong>d immer dann reduziert, wenn das<br />

beauftragte Straßenbauunternehmen eigenverantwortlich, unter Übertragung der<br />

Verkehrssicherungspflichten, die Leistungen ausführt. Dann knüpfen Ansprüche ge-<br />

genüber der Straßenbauverwaltung regelmäßig nur an die E<strong>in</strong>haltung eigener,<br />

verbliebender Überwachungs- und Koord<strong>in</strong>ierungspflichten an.<br />

Ziel der Ausschreibung/Leistungsbeschreibung unter diesen haftungsrechtlichen<br />

Gesichtspunkten muss daher immer se<strong>in</strong>, die Eigenverantwortlichkeit des Bauunternehmers<br />

<strong>–</strong> trotz Vorgabe e<strong>in</strong>er Leistungsbeschreibung <strong>–</strong> nicht zu weitgehend zu bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />

57


Hier seien e<strong>in</strong>ige Entscheidungen unter diesem Blickw<strong>in</strong>kel erläutert:<br />

BGH Versicherungsrecht 1973, Seite 417 ff.<br />

„... reicht die bloße Festlegung e<strong>in</strong>er Trasse nicht aus, wenn die private Baufirma dadurch<br />

nicht genötigt wird, den Graben so auszuheben, dass fremde Versorgungsleitungen o. ä. Anlagen<br />

... beschädigt werden ...“: Eigenverantwortlichkeit des Bauunternehmers (+)<br />

OLG Bamberg Versicherungsrecht 1970, Seite 843 ff.<br />

„... dass das Bauamt ... den Auftrag zum Nachverdichten des Kanalgrabens gegeben und sich<br />

mit der Verwendung der 1,6 to Fallplatte e<strong>in</strong>verstanden erklärt hat ... Der E<strong>in</strong>satz der Fallplatte<br />

war nicht schlechth<strong>in</strong>, sondern nur an der Kreuzungsstelle ... fehlerhaft ...“: Eigenverantwortlichkeit<br />

des Bauunternehmers (+)<br />

BGH NJW 1980, Seite 1679 ff.<br />

„... die private Baufirma war aufgrund ... der Vergabe des Auftrags verpflichtet, die für die Anlage<br />

der Straße erstellten Höhenpläne ... e<strong>in</strong>zuhalten, so dass es bei der auftragsgemäßen<br />

Ausführung der Straßenbauarbeiten zwangsläufig zu e<strong>in</strong>er Vertiefung des Grundstücks des<br />

Klägers kam ...“: Straßenbauverwaltung handelte hoheitlich durch bloßes Werkzeug.<br />

Es lassen sich daher folgende Grundsätze für die Ausschreibung/Leistungsbeschreibung<br />

festhalten:<br />

1.<br />

Enthält die Leistungsbeschreibung lediglich Leistungsaufgaben (z. B. „Boden durchmischen<br />

und verdichten“), so hat das Bauunternehmen diese eigenverantwortlich<br />

umzusetzen und e<strong>in</strong>e Zurechnung schädigender Handlungen unter dem Gesichtspunkt<br />

der sog. Werkzeugtheorie scheidet aus.<br />

2.<br />

Enthält die Leistungsbeschreibung konkrete Vorgaben (z. B. „... Würfeldruckfestigkeit<br />

nach 28 Tagen über 4 unter 12 N/mm² ... ), so handelt die Straßenbauverwaltung<br />

durch das Bauunternehmen nur hoheitlich <strong>in</strong> haftungsrechtlicher H<strong>in</strong>sicht, wenn die<br />

Erreichung dieser Vorgabe nur auf e<strong>in</strong>em Wege unter zwangsläufiger Schädigung<br />

e<strong>in</strong>es Anliegers erfolgen kann. Anderenfalls bestimmt der Bauunternehmer weiterh<strong>in</strong><br />

die Art und Weise der Leistungserbr<strong>in</strong>gung.<br />

58


3.<br />

Enthält die Leistungsbeschreibung exakte Anweisungen z. B. h<strong>in</strong>sichtlich des E<strong>in</strong>sat-<br />

zes von Masch<strong>in</strong>en und Anlagen („... Nachverdichtung mit 1,6 to Fallplatte ...“), so<br />

führt auch dies nicht ohne Weiteres zur Haftung der Straßenbauverwaltung bei<br />

Schäden der Anlieger (vgl. OLG Bamberg aaO). Hier ist zu differenzieren:<br />

- Zieht der E<strong>in</strong>satz der Fallplatte unweigerlich e<strong>in</strong>en Schaden nach sich, egal<br />

wo sie e<strong>in</strong>gesetzt wurde usw., so haftet die Straßenbauverwaltung;<br />

- Ist aber nur an e<strong>in</strong>er konkreten örtlichen Gegebenheit der E<strong>in</strong>satz schadensverursachend,<br />

so hat der Bauunternehmer se<strong>in</strong>e stets verbleibenden<br />

Sicherungspflichten verletzt.<br />

4.<br />

Enthält die Leistungsbeschreibung dagegen Vorgaben, deren Realisierung <strong>–</strong> egal <strong>in</strong><br />

welcher Art und Weise sie erfolgt <strong>–</strong> zwangsläufig zu Schäden führt (z. B. „ ... Höhenplan<br />

... ist e<strong>in</strong>zuhalten ...“, was Überschwemmungen oder Absenkungen zur Folge<br />

hat), so war das Bauunternehmen lediglich Werkzeug der Straßenbauverwaltung und<br />

die Straßenbauverwaltung handelte hoheitlich und schädigend.<br />

Es lässt sich zusammenfassen, dass die Ausschreibung/Leistungsbeschreibung die<br />

Eigenverantwortlichkeit des Bauunternehmens nicht derart e<strong>in</strong>grenzen sollte, dass<br />

der Bauunternehmer nicht e<strong>in</strong>mal mehr die Art und Weise der Erzielung des<br />

Leistungserfolges bestimmen kann. Leistungsanforderungen, welche Schäden <strong>–</strong> egal<br />

bei welcher Ausführungsvariante <strong>–</strong> bed<strong>in</strong>gen, führen zur Haftung der Straßenbauverwaltung.<br />

Maßgebend ist das Leitbild des Bundesgerichtshofs:<br />

„Ebenso wenig kann der hoheitliche „E<strong>in</strong>griff“ schon <strong>in</strong> der behördlichen Planung, Anordnung und<br />

Beauftragung e<strong>in</strong>es privaten Unternehmers gesehen werden, wenn bei der Vergabe des konkreten<br />

Auftrages nicht zu erwarten ist, dass die plangemäße Durchführung der Arbeiten vermögenswerte<br />

Rechte e<strong>in</strong>es bestimmten Eigentümers verletzen wird. Dies ist aber nicht dah<strong>in</strong> zu verstehen, dass<br />

stets e<strong>in</strong>e gewollte, „gezielte“ Eigentumsbee<strong>in</strong>trächtigung vorliegen müsse ...“.<br />

59


5.7.2. Stichworte zur Vergabe/Leistungsbeschreibung<br />

Wesentlicher Gegenstand jeder Vergabe ist die e<strong>in</strong>deutige und erschöpfende Be-<br />

schreibung der Leistungen, § 9 Nr. 1 VOB/A, wobei dem Auftragnehmer ke<strong>in</strong> unge-<br />

wöhnliches Wagnis aufgebürdet werden soll, § 9 Nr. 2 VOB/A, und alle bee<strong>in</strong>flussen-<br />

den Umstände festzustellen und <strong>in</strong> den Verd<strong>in</strong>gungsunterlagen anzugeben s<strong>in</strong>d,<br />

§ 9 Nr. 3 VOB/A. Die E<strong>in</strong>haltung dieser Grundsätze wird maßgeblich durch das Vor-<br />

liegen e<strong>in</strong>er vollständigen und ordnungsgemäßen Planung bestimmt, wovon ausge-<br />

gangen wird. Im Weiteren wird auf das „Handbuch für die Vergabe und Ausführung<br />

von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-StB)“ verwiesen, <strong>in</strong> dem die<br />

Durchführung der Vergabe/Leistungsbeschreibung ausführlich dargestellt ist. Es ent-<br />

spricht e<strong>in</strong>heitlicher Ansicht, dass die Verwendung standardisierter Vorlagen dazu<br />

führt, den oben bezeichneten Anforderungen an die Vergabe gerecht zu werden.<br />

Folgende ergänzende Anmerkungen s<strong>in</strong>d zu dem bezeichneten Handbuch im Zusammenhang<br />

mit dieser Darstellung noch zu geben:<br />

- E<strong>in</strong>zelfristen sollen laut dem Handbuch grundsätzlich nur <strong>in</strong> den Fällen<br />

festgelegt werden, wo dies aus zw<strong>in</strong>genden Gründen geboten ist. Nach<br />

den bisherigen Feststellungen (<strong>in</strong>sbesondere zu enteignendem und enteignungsgleichem<br />

E<strong>in</strong>griff) bietet sich die Bestimmung von E<strong>in</strong>zelfristen oder<br />

vertragsfristgebundenen Ausführungszeiträumen für solche Leistungen an,<br />

die e<strong>in</strong>e außerordentliche E<strong>in</strong>wirkung auf die Anliegerbereiche haben.<br />

- Die Baubeschreibung ist im Handbuch nach ihren Inhalten bestimmt; im<br />

Übrigen wird auf den E<strong>in</strong>zelfall verwiesen. Dortig besteht der Raum, um<br />

den Bauunternehmen Aufgaben/Verpflichtungen vor Augen zu führen, welche<br />

dem Anliegerschutz dienen, z. B.:<br />

o Kennzeichnung der Baustelle durch anliegenden Bestand, gegebenenfalls<br />

Denkmäler, sensible Gewerbebetriebe usw.;<br />

o Ausspruch des Gebots der weitestgehenden Rücksichtnahme auf die<br />

Anlieger und ihre Rechtsgüter;<br />

o Def<strong>in</strong>ition von Gefahrenstellen aus haftungsrechtlicher Sicht;<br />

o Regelung des Schutzes privater Leitungen usw.<br />

60


5.8 Beweissicherung<br />

Häufig entscheiden sich (deliktische) Rechtsstreitigkeiten daran, ob und <strong>in</strong>wieweit<br />

e<strong>in</strong>er Partei der Beweis gel<strong>in</strong>gt, dass e<strong>in</strong> Schaden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Umfange<br />

entstand. Im Rahmen der Amtshaftungsansprüche obliegt dem Anlieger dabei<br />

regelmäßig die Beweislast.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund könnte man me<strong>in</strong>en, es bestünden im Verhältnis zum<br />

Anlieger ke<strong>in</strong>e Besonderheiten; der Anlieger müsste <strong>in</strong>soweit um die Wahrung se<strong>in</strong>er<br />

Rechte selbst bemüht se<strong>in</strong>, was auch grundsätzlich zutrifft. Dieser Grundsatz kann<br />

aber nicht für alle Konstellationen des Sachverhaltes richtig se<strong>in</strong>. Die Beweissiche-<br />

rung bezüglich des Anliegers me<strong>in</strong>t <strong>in</strong>sbesondere diejenige der anliegenden<br />

Bebauung.<br />

Bezüglich des Bauunternehmers gelten die Bestimmungen aus dem Vertragsverhältnis<br />

zwischen Straßenbauverwaltung und Bauunternehmen, § 3 Nr. 4 VOB/B, die Beachtung<br />

und Erläuterung verdienen, dem Rechtskreis der Straßenbauverwaltung<br />

zum Anlieger aber nicht unmittelbar zugeordnet werden können. Hier geht es zentral<br />

um die Beweissicherung des <strong>Bauvorhaben</strong>s selbst.<br />

5.8.1. Beweissicherung im Verhältnis zu den Anliegern<br />

E<strong>in</strong>e unbed<strong>in</strong>gte rechtliche Verpflichtung der Straßenbauverwaltung Beweise zu<br />

sichern, d. h., den Zustand der anliegenden Bebauung festzuhalten, gibt es nicht. Die<br />

Notwendigkeit bzw. Vorzugswürdigkeit der Durchführung e<strong>in</strong>er Beweissicherung<br />

müsste daher aus weiteren tatsächlichen und rechtlichen Verpflichtungen der<br />

Straßenbauverwaltung ableitbar se<strong>in</strong>.<br />

Den Ausgangspunkt der Stellungnahme zu dieser Fragestellung sollen ausgewählte<br />

höchstrichterliche Entscheidungen bilden.<br />

61


� BGH NJW 1983, Seite 872 ff.<br />

Der Bundesgerichtshof befasste sich <strong>in</strong> dieser Entscheidung mit den Sorgfaltsanforderungen<br />

an denjenigen, welcher <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe anderer Bebauung Arbeiten ausführte, von welchen<br />

erheblichen Bodenerschütterungen (Immissionen) ausg<strong>in</strong>gen.<br />

Dazu stellte der BGH fest: „... fahrlässig handelte der mit der Planung und Leitung des <strong>Bauvorhaben</strong>s<br />

beauftragte Beklagte zu 2., wenn er bei Anwendung der ... zu erwartenden Sorgfalt<br />

die Gefahr hätte voraussehen und vermeiden können, welche e<strong>in</strong> „Berl<strong>in</strong>er Verbau“ im<br />

Spundwandverfahren wegen der damit verbundenen Rüttelarbeiten und der hierdurch bed<strong>in</strong>gten<br />

Bodenerschütterungen für das Haus des Klägers zur Folge haben konnte. Insoweit<br />

kommt, wie bereits dargelegt, besondere Bedeutung dem Umstand zu, dass dieses Haus<br />

schon durch Alter und Kriegsschäden gefährdet war. Die vom Tatrichter zu prüfende Frage ist<br />

daher, ob nicht <strong>in</strong> dieser außergewöhnlichen Lage für den Beklagten zu 2. e<strong>in</strong> erkennbarer<br />

Anlass bestand, dass Risiko zu berücksichtigen, dem das Haus bei starken Bodenerschütterungen<br />

ausgesetzt war, und ob er deshalb nicht das Erfordernis e<strong>in</strong>er anderen, sichereren Art<br />

der Bodenabstützung hätte vorhersehen können. ... sich von Anfang an und ständig Gewissheit<br />

über die tatsächlichen Auswirkungen des mit erheblichen Bodenerschütterungen verbundenen<br />

Arbeitsvorganges auf den ohneh<strong>in</strong> schon durch Alter und Kriegsschäden gefährdenden<br />

Zustand des Nachbarhauses zu verschaffen. ...“<br />

Daraus ist abzuleiten, dass die Erkennbarkeit von konkreten Gefahren zu erhöhten Pflichten<br />

führt. Zunächst e<strong>in</strong>mal gerade für das bauausführende Unternehmen.<br />

� BGH NJW-RR 1991, Seite 601 ff.<br />

Der BGH setzte sich mit der Beschädigung e<strong>in</strong>es Hauses durch Straßenbauarbeiten ause<strong>in</strong>ander.<br />

E<strong>in</strong> ca. 80 Jahre altes E<strong>in</strong>familienhaus wurde <strong>in</strong>folge des E<strong>in</strong>satzes von Vibrationswalzen<br />

bei Aufschüttungsarbeiten an der Straße beschädigt.<br />

Der BGH führte aus: „... beim E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er Vibrationswalze, durch die erhebliche Erschütterungen<br />

<strong>in</strong> den Boden e<strong>in</strong>geleitet werden, welche sich als Vibrationswellen auch auf das Nachbargrundstück<br />

auswirken, ist das Auftreten von Schäden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nur 5 m entfernten 80 Jahre<br />

alten Haus ke<strong>in</strong>eswegs so fernliegend, dass es nicht ... vor Beg<strong>in</strong>n der Arbeiten <strong>in</strong> die erforderlichen<br />

Vorüberlegungen hätte e<strong>in</strong>bezogen werden müssen ... Wenn der Sachverständige <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em schriftlichen Gutachten ausgeführt hat, die entstandenen Schäden seien nicht vorhersehbar<br />

gewesen, so gilt das nach dem erkennbaren Zusammenhang nur für den Fall, dass<br />

zuvor ke<strong>in</strong>e Beweissicherung und Erschütterungsmessung stattgefunden hat. Gerade dies<br />

wäre aber, wie sich aus den mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen ergibt, erforderlich<br />

gewesen und hätte dann auch die konkrete Möglichkeit e<strong>in</strong>er Beschädigung des 80 Jahre<br />

alten Hauses und damit die Wahl e<strong>in</strong>er schonenderen Arbeitsweise nahegelegt...“.<br />

62


Der BGH macht hier e<strong>in</strong>e Haftung unmittelbar an der Erkennbarkeit von Risiken und der unterlassenen<br />

Beweissicherung fest. Der BGH tendiert dabei sogar <strong>in</strong> die Richtung, dass gegebenenfalls<br />

e<strong>in</strong>e Beweissicherung erst zur Erkennbarkeit der Risiken selbst führt. Im konkreten<br />

Fall g<strong>in</strong>g dies <strong>in</strong>sgesamt zu Lasten der bauausführenden Firma.<br />

� OLG Frankfurt/Ma<strong>in</strong> NVwZ 1985, Seite 139 ff.<br />

Das OLG hatte sich mit Straßenbauarbeiten ause<strong>in</strong>ander zu setzen, welche das ursprüngliche<br />

Geländeniveau veränderten. Das Abfließen von Oberflächenwasser nach Beendigung der Arbeiten<br />

führte zu Beschädigungen bei Anliegern.<br />

Das OLG stellte fest: „Dem Kläger steht e<strong>in</strong> Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB, Art.<br />

34 GG wegen Amtspflichtverletzung der Beklagten <strong>in</strong> der von ihm geltend gemachten Höhe<br />

zu. Denn die Beklagte hat gegen die für sie aus der Straßenbaulast resultierenden und ihre<br />

dem Kläger gegenüber bestehenden Amtspflichten schuldhaft dadurch verstoßen, dass sie<br />

das Niveau der Stichstraße verändert hat, ohne Schutzmaßnahmen gegen e<strong>in</strong> Abfließen von<br />

Oberflächenwasser auf das Grundstücks des Klägers zu ergreifen. ... Nach den ... Darlegungen<br />

des Sachverständigen besteht e<strong>in</strong>erseits die große Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit (Dies würde für e<strong>in</strong>en<br />

Beweis nicht genügen, da der Anlieger e<strong>in</strong>en sog. Vollbeweis führen muss, für den selbst<br />

e<strong>in</strong>e große Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit nicht genügt. Anmerkung des Verfassers), dass durch den<br />

Ausbau der Stichstraße e<strong>in</strong>e Niveauveränderung des Geländes stattgefunden hat, durch die<br />

der Schaden des Klägers verursacht worden se<strong>in</strong> kann. ... e<strong>in</strong>e präzise Feststellung ist vielmehr<br />

nur möglich durch e<strong>in</strong>en Vergleich des ursprünglichen Geländeniveaus mit dem dann<br />

hergestellten. E<strong>in</strong> derartiger Vergleich kann nur aufgrund von Nivellements (vor und nach dem<br />

Straßenausbau) angestellt werden. Denn nur e<strong>in</strong>e derartige Vermessung ermöglicht Feststellungen<br />

dah<strong>in</strong>, ob und gegebenenfalls an welchen Wegstrecken Aufschüttungen vorgenommen<br />

worden s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> dah<strong>in</strong>gehender Beweis ist dem Kläger nicht möglich, da die Beklagte ke<strong>in</strong>e<br />

Nivellements hat erstellen lassen. Die Beklagte hat mith<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Maßnahme unterlassen, durch<br />

die alle<strong>in</strong> objektiv die Feststellung e<strong>in</strong>er Niveauänderung ermittelt werden kann und hat dadurch<br />

dem Kläger den Nachweis der von ihm behaupteten Schadensursache unmöglich gemacht.<br />

E<strong>in</strong>e derartige Sachlage führt zur Umkehr der Beweislast. ...“<br />

Die Beweislastumkehr führte zur vollständigen Haftung der Straßenbauverwaltung, da e<strong>in</strong> Entlastungsbeweis<br />

tatsächlich nicht geführt werden konnte.<br />

Für <strong>Ortsdurchfahrten</strong> dürfte daher grundsätzlich e<strong>in</strong> Gebot zur Beweissicherung<br />

bestehen, da regelmäßig ältere Bausubstanz und enge Lokalität von Straße und<br />

Bebauung bestehen.<br />

Damit ist noch nicht klargestellt, durch wen die Beweissicherung erfolgen sollte.<br />

63


Für die Fälle, da die Straßenbauarbeiten Veränderungen <strong>in</strong> Niveau, Lage, gegebe-<br />

nenfalls Beschaffenheit der Straße nach sich ziehen, ist die Beweissicherung besten-<br />

falls durch die Straßenbauverwaltung zu realisieren. Bezüglich dieser Leistungserfol-<br />

ge der Baumaßnahme handelt die bauausführende Firma ohneh<strong>in</strong> als Werkzeug ho-<br />

heitlicher Gewalt, da e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>flussnahme des Bauunternehmers auf den E<strong>in</strong>tritt die-<br />

ser Umstände nicht besteht.<br />

Soweit es um die Problematik etwaiger Beschädigungen durch die Straßenbauarbei-<br />

ten geht, stellen sich die Pflichten wie folgt dar:<br />

- Als eigenverantwortlich leistender Unternehmer muss die bauausführende<br />

Firma voraussehbare Gefahren erkennen und bei der Leistungserbr<strong>in</strong>gung be-<br />

rücksichtigen; nach Ansicht des Bundesgerichtshofs müssen <strong>in</strong>soweit Beweis-<br />

sicherung und Erschütterungsmessungen erfolgen.<br />

- Die Straßenbauverwaltung kann die Verpflichtung zur Abwehr von Gefahren<br />

für die Rechtsgüter Dritter nicht vollständig delegieren. Es verbleiben Überwachungs-<br />

und Koord<strong>in</strong>ierungspflichten. Auch dürfte <strong>in</strong> den Pflichtenbereich der<br />

Straßenbauverwaltung fallen, dass Bauunternehmen über selbst erkannte Gefahren<br />

aufzuklären.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ersche<strong>in</strong>t aus rechtlichen Gründen sachgerecht, dass die<br />

Straßenbauverwaltung bei beabsichtigten <strong>Bauvorhaben</strong> <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> mit erheblichem<br />

Schadenspotential Beweissicherungen <strong>–</strong> über bloße Bestandsaufnahmen<br />

h<strong>in</strong>aus <strong>–</strong> selbst veranlasst; dies vor Ausschreibung der Leistungen. Die Beweissicherung<br />

sollte sich dabei auf den Zustand der Gebäude, den zu erwartenden E<strong>in</strong>fluss<br />

der Straßenbauarbeiten auf die Substanz der Gebäude, etwaige Erschütterungsmessungen,<br />

gegebenenfalls Baugrundgutachten und darauf erstrecken, geeignete<br />

Arbeitsweisen zu beschreiben, die e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge oder gar ke<strong>in</strong>e Schadensneigung<br />

haben.<br />

64


Dies bietet folgende rechtlichen Vorteile:<br />

- Es wird e<strong>in</strong>e hohe Sicherheit dah<strong>in</strong>gehend erlangt, dass Beschädigungen wei-<br />

testgehend ausbleiben.<br />

- Die Beweissicherung führt zu e<strong>in</strong>er verbesserten Beurteilungslage h<strong>in</strong>sichtlich<br />

eigener Haftungsrisiken. Soweit die Beweissicherung ergibt, dass durch die<br />

Anordnung der Straßenbaumaßnahme an sich Schäden entstehen können,<br />

selbst bei schonenster Bauweise, kann der Umfang etwaiger eigener Haftun-<br />

gen im Voraus erkannt und bewertet werden.<br />

- Die Beweissicherungsergebnisse können im Rahmen der Ausschreibung ver-<br />

wandt werden, so dass die Umstände der Baumaßnahme erschöpfend darge-<br />

stellt werden können. Der Bauunternehmer weiß - muss erkennen -, welche,<br />

gegebenenfalls kosten<strong>in</strong>tensiven aber schonenden Bauweisen er e<strong>in</strong>setzen<br />

muss; dies stellt darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>en Schutz vor Nachträgen dar.<br />

- Die Überwachungs- und Koord<strong>in</strong>ierungspflichten können präzisiert werden, da<br />

besondere Gefahrenquellen aus der Beweissicherung sich ableiten lassen.<br />

- Mit dem Sachverständigen gew<strong>in</strong>nt die Straßenbauverwaltung e<strong>in</strong>en weiteren<br />

Vertragspartner, der für etwaige Schlechtleistungen e<strong>in</strong>zustehen hätte.<br />

Exkurs:<br />

Beauftragung des Sachverständigen<br />

Das Vertragsverhältnis zum Sachverständigen bestimmt sich ebenfalls nach dem sog. Werkvertragsrecht,<br />

§§ 631 ff. BGB. Der Sachverständige hat daher für den Erfolg se<strong>in</strong>er Leistungen<br />

e<strong>in</strong>zustehen. Im Rahmen der Beauftragung des Sachverständigen sollte daher ausdrücklich<br />

klargestellt werden, dass die Auftragserteilung erfolgt h<strong>in</strong>sichtlich der Vermeidung von Schäden<br />

bei Anliegern im Zusammenhang mit bevorstehenden Baumaßnahmen unter exakter Erläuterung<br />

der beabsichtigten Straßenbaumaßnahme im E<strong>in</strong>zelnen.<br />

Abschließend muss darauf verwiesen werden, dass die Ausführungen e<strong>in</strong>e rechtliche<br />

Interessenabwägung darstellen.<br />

65


5.8.2. Umfang der Beweissicherung<br />

Dieser kann nicht pauschal und für sämtliche <strong>Bauvorhaben</strong> gleichlautend bestimmt<br />

werden. Darüber h<strong>in</strong>aus ist zwischen der Beweissicherung durch bloße Bestandsaufnahme<br />

(Foto- oder Videodokumentation) und derjenigen, welche sich auch<br />

auf Umstände des <strong>Bauvorhaben</strong>s (Baugrund, Erschütterungsmessungen usw.)<br />

erstreckt, zu unterscheiden.<br />

Der Umfang der Beweissicherung muss dabei abgeleitet werden aus:<br />

- sämtlichen bereits vorliegenden Planungsergebnissen;<br />

- den Erfahrungswerten h<strong>in</strong>sichtlich des Schadens- und Haftungspotentials<br />

nach e<strong>in</strong>gehender Inaugensche<strong>in</strong>nahme der konkreten Örtlichkeit.<br />

Im weiteren ist der Grundsatz zu beachten, dass e<strong>in</strong>e unsichere Bewertungsgrundlage<br />

dazu führen sollte, im Zweifel eher e<strong>in</strong>e umfängliche Beweissicherung zu<br />

veranlassen.<br />

Insgesamt gilt:<br />

- je älter und schadensgeneigter die anliegende Bausubstanz;<br />

- je wertvoller dieselbe ist (Baudenkmäler usw.);<br />

- je enger die Verb<strong>in</strong>dung von <strong>Ortsdurchfahrten</strong> und benachbarter<br />

Bebauung;<br />

- je schlechter der zu erwartende Baugrund;<br />

- je <strong>in</strong>tensiver die notwendigen und auszuführenden Baumaßnahmen;<br />

desto eher sollte e<strong>in</strong>e Beweissicherung über e<strong>in</strong>e bloße Bestandsaufnahme h<strong>in</strong>ausgehen.<br />

66


Für e<strong>in</strong>e solche Beweissicherung gilt dann, dass neben dem Festhalten des Zustan-<br />

des Bebauung/der Grundstücke (durchführbar durch den Bauunternehmer, dazu<br />

sogleich) auch e<strong>in</strong>e sachverständige Überprüfung geboten se<strong>in</strong> kann, welche sich, je<br />

nach Gegebenheit, erstreckt auf:<br />

- Überprüfung des beabsichtigten <strong>Bauvorhaben</strong>s unter Sichtung der<br />

örtlichen Gegebenheiten auf quellenhoher Schadensgeneigtheit;<br />

- Vornahme von Erschütterungs- oder sonstigen Messungen;<br />

- Begutachtung des Baugrundes;<br />

- Bestimmung geeigneter Arbeitsweisen zur Schonung der Anlieger-<br />

grundstücke;<br />

- Vorgabe von Verhaltensweisen während der Bauausführung;<br />

- Überprüfung der Wirkungen gleichzeitiger Bautätigkeiten während der<br />

Bauphase.<br />

Der Sachverständige hat demnach unter der konkreten Aufgabenstellung der vor-<br />

sorglichen Verh<strong>in</strong>derung von Schädigungen, das zu ermitteln, was dem bestenfalls<br />

entgegenwirkt.<br />

Die Beauftragung e<strong>in</strong>es Sachverständigen im vorstehenden S<strong>in</strong>ne dürfte dabei eher<br />

die Ausnahme bilden, aber dann nicht außer Betracht bleiben, wenn die obigen Voraussetzungen/erhebliche<br />

Schadensrisiken bejaht werden.<br />

Diese Art und Weise der Beweissicherung bietet neben der Vorbeugung gegenüber<br />

Haftungsrisiken auch e<strong>in</strong>e vorzugswürdige Rechtsposition h<strong>in</strong>sichtlich etwaiger<br />

Nachträge, da durch die Kenntnis des Bauunternehmers von den Beweisergebnissen<br />

dieser regelmäßig aus potentiell erkennbaren Erschwernissen Nachforderungen sodann<br />

nicht stellen kann.<br />

Soweit die Beweissicherung ausschließlich durch e<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme realisiert<br />

wird <strong>–</strong> was sich regelmäßig im m<strong>in</strong>desten erforderlich macht <strong>–</strong>, bestehen gegen die<br />

Übertragung dieser Aufgabe auf den Bauunternehmer ke<strong>in</strong>e grundsätzlichen Bedenken.<br />

Der Bauunternehmer ist hierbei anzuhalten, die Bestandsaufnahme so sorgfältig<br />

67


als möglich durchzuführen. E<strong>in</strong>e Videodokumentation oder der E<strong>in</strong>satz sonstiger moderner<br />

technischer Mittel ist e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Fotodokumentation vorzuziehen.<br />

Die Straßenbauverwaltung sollte im Rahmen ihrer Überwachungspflichten darauf<br />

achten, dass die Bestandsaufnahme aussagekräftig und von e<strong>in</strong>em Dritten nicht <strong>in</strong><br />

Zweifel gezogen werden kann (z. B. Bestreiten durch den Anlieger, dass die Bestandsaufnahme<br />

zu e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitpunkt stattfand, überhaupt das streitgegenständliche<br />

Gebäude betrifft usw.). Daher ist sicherzustellen, dass späterh<strong>in</strong><br />

nachweisbar bleibt, wann, durch wen, welche konkreten Bestandsaufnahmen stattfanden<br />

(z. B. durch Protokollierung und ordnungsgemäße Sortierung/Systematisierung<br />

der Bestandsaufnahmeergebnisse).<br />

Durch die Übertragung der Beweissicherung auf den Bauunternehmer entfällt die<br />

eigene Überwachungspflicht der Straßenbauverwaltung als Amtspflicht nicht. Die<br />

Straßenbauverwaltung hat die Ergebnisse der Beweissicherung aufmerksam zu studieren,<br />

um mögliche Gefahrenquellen zu lokalisieren und im Rahmen der Bauüberwachung<br />

gerade <strong>in</strong> diesen Bereichen besonders vorbereitet zu se<strong>in</strong> (z. B. häufige<br />

Kontrollen usw.).<br />

Zeigt sich während der Baudurchführung e<strong>in</strong> Schadensbild, so ist dieses ebenfalls zu<br />

dokumentieren (gegebenenfalls durch den Bauunternehmer), Sicherungsmaßnahmen<br />

durch den Bauunternehmer s<strong>in</strong>d erforderlich (Überwachung durch die Straßenbauverwaltung)<br />

und Möglichkeiten der Beobachtung der Schäden (z. B. Gipsmarken<br />

bei Rissen) s<strong>in</strong>d zu nutzen. Auch hier gilt, dass je umfänglicher die Schäden, je größer<br />

die Gefahr von Folgenschäden usw., desto eher e<strong>in</strong> Sachverständigerrat e<strong>in</strong>zuholen<br />

ist <strong>–</strong> auf die oben Abwägungskriterien wird verwiesen.<br />

5.8.3. Beweissicherungsergebnisse und Anliegerrechte<br />

Soweit die Beweissicherung durch die Straßenbauverwaltung beauftragt wurde, besteht<br />

e<strong>in</strong> rechtlich gesehen beliebiges Verwertungsrecht. Insbesondere ist die Straßenbauverwaltung<br />

nicht gehalten, die Anlieger bei der Anspruchsverfolgung <strong>–</strong> <strong>in</strong>sbesondere<br />

gegenüber dem Bauunternehmer <strong>–</strong> zu unterstützen. Etwaiger Anlieger<br />

68


sollten hierbei auf das separate Rechtsverhältnis (Anlieger-Bauunternehmer) verwie-<br />

sen werden. Das Begehr auf Sichtung von Beweisergebnissen kann den Anliegern<br />

nicht von vornhere<strong>in</strong> abgeschnitten werden, jedoch ist die Straßenbauverwaltung<br />

nicht zur Kommentierung und Erläuterung gezwungen. Vielmehr ist der Anlieger auf<br />

e<strong>in</strong>e bloße E<strong>in</strong>sichtnahme nach den Grundsätzen der Möglichkeit der Aktene<strong>in</strong>sicht<br />

zu beschränken.<br />

Es stellt sich noch die Problematik, ob Anlieger gezwungen werden können, an der<br />

Beweissicherung mitzuwirken, diese zu ermöglichen. Dabei gilt:<br />

- E<strong>in</strong> Anspruch auf Betreten der Nachbargrundstücke, Untersuchungen dort<br />

usw. dürfte rechtlich nur ausnahmsweise, nämlich bei konkreter Gefahr für<br />

Leib und Leben bzw. vergleichbare Rechtsgüter, ausgehend von dem<br />

Nachbargrundstück, durchsetzbar se<strong>in</strong> (die potentielle Gefahr von Beschädigungen<br />

im Zusammenhang mit beabsichtigten Straßenbauarbeiten genügt<br />

regelmäßig nicht).<br />

- Die Umkehr der Beweislast wirkt bei Verweigerung der Mitwirkung an der Beweissicherung<br />

auch gegen den Anlieger. Soweit die Straßenbauverwaltung<br />

e<strong>in</strong> hohes Beschädigungspotential erkennt, sollte bestenfalls der Bauunternehmer<br />

aufgefordert werden, gegenüber e<strong>in</strong>em solchen Anlieger vor Ausführung<br />

der konkret gefährdenden Baumaßnahme den Anlieger nochmals anzuschreiben,<br />

auf die Gefahren und die Unmöglichkeit ihrer Abwehr (ke<strong>in</strong>e Möglichkeit<br />

der Prüfung) h<strong>in</strong>zuweisen.<br />

5.8.4. Beweissicherung im Verhältnis zum Bauunternehmer<br />

Maßgeblich ist hier die Vorschrift des § 3 Nr. 4 VOB/B. Danach haben Bauherr/Auftraggeber<br />

und Auftragnehmer vor Beg<strong>in</strong>n der Arbeiten, soweit notwendig,<br />

den Zustand der Straßen und Geländeoberfläche, der Vorflut und Vorflutleitungen,<br />

ferner der baulichen Anlagen im Baubereich, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Niederschrift festzuhalten und<br />

wechselseitig anzuerkennen, was me<strong>in</strong>t, dass beide Parteien die Niederschrift gegenzuzeichnen<br />

haben.<br />

69


Diese gebotene Verfahrensweise <strong>–</strong> unabhängig weitergehender Beweissicherungen<br />

<strong>–</strong> wird auch ausdrücklich vom „Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bau-<br />

leistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-StB)“ vorgesehen.<br />

Bei § 3 Nr. 4 VOB/B handelt es sich um e<strong>in</strong>e Mitwirkungspflicht, die aber praktisch<br />

gerichtlich nicht erzwungen werden kann. Weigert sich allerd<strong>in</strong>gs der Auftragnehmer,<br />

trotz Aufforderung und Fristsetzung, an der Beweissicherung mitzuwirken, so ist die-<br />

se im S<strong>in</strong>ne § 3 Nr. 4 VOB/B durch die Straßenbauverwaltung alle<strong>in</strong>e vorzunehmen.<br />

Dies, da die eigene Aufstellung bei Mitwirkungsverweigerung des Auftragnehmers<br />

die Rechtsfolge hat, dass der Auftragnehmer die Richtigkeit der aufgenommenen<br />

Feststellungen widerlegen müsste (Beweislast beim Auftragnehmer), so dass auch<br />

die alle<strong>in</strong>ige Aufnahme der Feststellungen nach § 3 Nr. 4 VOB/B e<strong>in</strong>e günstige<br />

Rechtsposition nach sich zieht.<br />

Ob die Verweigerung der Mitwirkung nach § 3 Nr. 4 VOB/B nach Fristsetzung und<br />

Androhung des Auftragsentzugs e<strong>in</strong> außerordentliches Kündigungsrecht gem.<br />

§ 8 Nr. 3 VOB/B begründen kann, ist umstritten. Demnach sollte nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen<br />

so vorgegangen werden, da auch die alle<strong>in</strong>ige Feststellung rechtewahrend<br />

wirkt.<br />

Soweit bereits vor Ausschreibung bzw. Baubeg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e sachverständige<br />

Beweissicherung erfolgte, durch die Straßenbauverwaltung veranlasst, dürfte s<strong>in</strong>nvoll<br />

se<strong>in</strong>, dass der Auftragnehmer die Feststellungen des Sachverständigen zum<br />

baulichen Umfeld im Rahmen der Festlegungen nach § 3 Nr. 4 VOB/B ausdrücklich<br />

anerkennt.<br />

Verwiesen sei abschließend zur Vervollständigung auf die DIN 18300 ff. (<strong>in</strong>sbesondere<br />

DIN 18315 bis 18318) i. V. m. § 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/B, danach teilweise der<br />

Auftragnehmer bestimmte Feststellungen zu treffen hat.<br />

70


5.8.5. Umleitungen und Beweissicherung<br />

Häufig werden Straßenbaumaßnahmen mit der Notwendigkeit von Umleitungen des<br />

Verkehrs verbunden se<strong>in</strong>.<br />

Dabei ist zu beachten, dass bei der Verantwortung unterschiedlicher Straßenbaulast-<br />

träger vor Beg<strong>in</strong>n der Umleitung der bauliche Zustand der Umleitungsstrecke schrift-<br />

lich festgehalten wird. Nach Abschluss der Umleitungsmaßnahme ist e<strong>in</strong>e erneute<br />

Aufnahme des Zustandes, unter besonderer Berücksichtigung etwaiger Schäden<br />

durch den Umleitungsverkehr, zu tätigen.<br />

Es ist letztlich darauf zu achten, dass durch die Umleitung die Anlieger an der Umleitungsstrecke<br />

nicht über das zulässige und zumutbare Maß h<strong>in</strong>aus bee<strong>in</strong>trächtigt<br />

werden und die Umleitungsstrecke auch geeignet zur Aufnahme des Verkehrs ist.<br />

Anderenfalls kommen Ansprüche gegenüber dem Straßenbaulastträger <strong>in</strong> Betracht,<br />

der die Umleitung <strong>in</strong>folge der Straßenbaumaßnahme anordnete bzw. veranlasste.<br />

5.9. Die Baudurchführung<br />

Anknüpfend an die erläuterte Stellung der Straßenbauverwaltung (Bauherr<strong>in</strong> und<br />

Aufsichtsbehörde) und die dargelegten rechtlichen Grundlagen ergeben sich während<br />

der Bauausführung <strong>in</strong>sbesondere folgende haftungsrechtlichen Risiken:<br />

- Verletzung eigener Amts- und Verkehrssicherungspflichten;<br />

- Stellung des Bauunternehmers als bloßes Werkzeug der Straßenbauverwaltung,<br />

so dass schädigende Handlungen der Straßenbauverwaltung unmittelbar<br />

zurechenbar s<strong>in</strong>d;<br />

- Schwerwiegende E<strong>in</strong>wirkungen/Bee<strong>in</strong>trächtigungen der Nachbargrundstücke<br />

<strong>in</strong>folge der Baumaßnahmen.<br />

Aus diesen potentiellen Haftungsfeldern ist das Verhalten während der Baudurchführung<br />

zu bestimmen.<br />

71


5.9.1. Umfang der Bauüberwachungs- und <strong>–</strong>koord<strong>in</strong>ierungspflichten während<br />

der Bauphase<br />

5.9.1.1. Straßenbauverwaltung als Bauaufsichtsbehörde<br />

Die Aufgaben der Straßenbauverwaltung erstrecken sich hierbei beispielhaft auf fol-<br />

gende Umstände:<br />

- Kontrolle, dass ke<strong>in</strong>e Arbeiten ausgeführt werden, für die Ausführungsunterla-<br />

gen nicht vorliegen, die nicht genehmigt s<strong>in</strong>d usw.;<br />

- Verh<strong>in</strong>derung, dass ke<strong>in</strong>e prüfpflichtigen Baubehelfe (z. B. Traggerüste u. ä.)<br />

verwandt werden, die nicht geprüft und abgenommen s<strong>in</strong>d;<br />

- Überwachung, dass bei Bauvorgängen, da Kräfte <strong>in</strong> Baugrund oder <strong>in</strong> Bau-<br />

werke geleitet werden, diese Arbeiten im E<strong>in</strong>klang mit den geprüften Standsi-<br />

cherheitsnachweisen stehen.<br />

Die Straßenbauverwaltung hat daher ihrer zusätzlichen Verpflichtung als Aufsichtsbehörde<br />

zu genügen. Hierfür ist <strong>–</strong> vergleiche schon unter Übersicht 12 <strong>–</strong> e<strong>in</strong> Bediensteter<br />

der Straßenbauverwaltung auszuwählen, welcher die Aufgaben der Bauaufsicht<br />

wahrnimmt. Während der Baudurchführung hat dieser Mitarbeiter:<br />

- e<strong>in</strong> Bautagebuch zu führen, welches den wesentlichen Bauablauf darstellt,<br />

festgestellte Verstöße be<strong>in</strong>haltet sowie sonstige bedeutende Umstände<br />

notiert;<br />

- Teilabnahmen und Abnahmen zu begleiten; dies h<strong>in</strong>sichtlich der bauaufsichts-<br />

rechtlichen Fragen (ke<strong>in</strong>e rechtsgeschäftlichen Abnahmeerklärungen).<br />

Der bauaufsichtsbevollmächtigte Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung sollte<br />

<strong>–</strong> außer bei Gefahr im Verzug <strong>–</strong> ke<strong>in</strong>e eigenen Anordnungen an die Bauausführenden<br />

treffen. Er hat die Feststellungen vielmehr dem zuständigen Bauleiter der<br />

ausführenden Firma zu übermitteln, damit, soweit erforderlich, Abhilfe geschaffen<br />

werden kann.<br />

72


5.9.1.2. Straßenbauverwaltung als Bauherr<strong>in</strong><br />

Die Straßenbauverwaltung treffen aber auch im übrigen, trotz des E<strong>in</strong>satzes bauaus-<br />

führender Unternehmen, eigene Verkehrssicherungspflichten bezüglich der Un-<br />

ternehmerbaustellen/der Leistungen des Bauunternehmers. Der Bundesgerichtshof<br />

hat grundlegend festgestellt und bis heute daran festgehalten (vergleiche BGH <strong>in</strong><br />

Versicherungsrecht 1960, Seite 824 ff.)<br />

„... Der Bauherr ist, wenn die Umstände des Falles es erfordern, verpflichtet, die Arbeiten des<br />

von ihm beauftragten Unternehmers zu überwachen und notfalls selbst e<strong>in</strong>zugreifen. Dies ist<br />

vor allem dann zu fordern, wenn der Bauherr die außergewöhnliche Gefahr erkennt, die mit<br />

den Arbeiten für andere verbunden ist (hier: Gefährdung e<strong>in</strong>es Hauses durch Anschneiden e<strong>in</strong>er<br />

Treibsandschicht beim Bau e<strong>in</strong>es Entwässerungskanals), und wenn er Anlass zu Zweifeln<br />

haben muss, ob der Beauftragte den Gefahren und Sicherheitserfordernissen <strong>in</strong> ausreichendem<br />

Maße Rechnung tragen wird... Wer Arbeiten ausführen lässt, die mit Gefahren für andere<br />

verbunden s<strong>in</strong>d, muss aus dem Gesichtspunkt der allgeme<strong>in</strong>en Verkehrssicherung dafür sorgen,<br />

das Gefährdungen anderer tunlichst vermieden werden... mag zugegeben werden, dass<br />

die Beklagte (die Bauherr<strong>in</strong>, Anmerkung des Verfassers) die Pflichten, die sich für sie hieraus<br />

ergaben, zunächst erfüllt hat. Sie hat das Errichten des Entwässerungskanals e<strong>in</strong>em fachkundigen<br />

und zuverlässigen Unternehmer übertragen... Diese Maßnahme reicht jedoch, wie der<br />

Senat schon mehrmals ausgesprochen hat, nicht aus, um den Bauherren zu entlasten. Er ist<br />

vielmehr, wenn die Umstände des Falles es erfordern, verpflichtet, die Arbeiten des beauftragten<br />

Unternehmers zu überwachen und notfalls selbst e<strong>in</strong>zugreifen.“.<br />

Wie umfangreich die eigene Verkehrssicherungspflicht ist, kann letztlich nur an Beispielen<br />

umrissen werden. Es lässt sich aber ohne weiteres festhalten, dass je gefahrgeneigter<br />

die auszuführenden Arbeiten s<strong>in</strong>d, desto eher die Gerichte dazu neigen,<br />

e<strong>in</strong>e eigene Überwachungspflicht der Straßenbauverwaltung anzunehmen. Diese<br />

wird auch dann erhöht se<strong>in</strong>, wenn Ergebnisse der Beweissicherung (vergleiche<br />

unter 5.8.1.) die hohe Schadensgeneigtheit der Arbeiten implizieren.<br />

Daneben gehören zu den eigenen Verpflichtungen der Straßenbauverwaltung als<br />

Bauherr<strong>in</strong> die Koord<strong>in</strong>ierungspflichten; dies bezüglich der vertragsgerechten, fristgerechten<br />

und mängelfreien Leistungserbr<strong>in</strong>gung durch den Bauunternehmer.<br />

73


Auch hier gilt abschließend, dass bei der Feststellung von Verstößen gegen die Ver-<br />

kehrssicherungspflicht seitens des Bauunternehmers dieser <strong>in</strong>formiert und angehalten<br />

wird, die erforderlichen und notwendigen Sicherungsmaßnahmen unmittelbar<br />

selbst zu ergreifen; die Vorgabe konkreter Handlungen ist nur bei Gefahr im Verzuge<br />

geboten.<br />

5.9.2. Schäden aufgrund unmittelbarer E<strong>in</strong>wirkung der Bauarbeiten<br />

Übersicht 14:<br />

Bauüberwachung/-koord<strong>in</strong>ierung<br />

<strong>in</strong> der Bauphase<br />

- Fallsammlung<br />

Treten während der Bauphase trotz aller sorgfältigen Verhaltensweisen der Straßenbauverwaltung<br />

Schäden auf, bzw. behauptet e<strong>in</strong> Anlieger solche gegenüber der<br />

Straßenbauverwaltung, ist wie folgt zu verfahren.<br />

5.9.2.1. Beurteilung der Haftung<br />

Neben der tatsächlichen Überprüfung, ob überhaupt Schäden vorliegen <strong>–</strong> hier s<strong>in</strong>d<br />

regelmäßig die während der Beweissicherung gewonnenen Kenntnisse hilfreich <strong>–</strong>,<br />

hat die Straßenbauverwaltung zunächst e<strong>in</strong>e rechtliche Analyse h<strong>in</strong>sichtlich der Anspruchstellung<br />

vorzunehmen. In Bezug auf das konkrete Schadensereignis ist daher<br />

zu fragen:<br />

- Könnte e<strong>in</strong>e eigene Verkehrssicherungspflicht verletzt worden se<strong>in</strong>?<br />

(z. B. Wurden die Arbeiten gar nicht oder ungenügend beaufsichtigt?)<br />

- Hatte man den Schaden erwartet, aber nicht vorgesorgt und e<strong>in</strong>gegriffen?<br />

- Handelte das Bauunternehmen als Werkzeug, auf Anweisung der Straßenbauverwaltung<br />

und führten solche Anweisungen zum Schadense<strong>in</strong>tritt?<br />

74


Diese Klärungen s<strong>in</strong>d notwendig, da nach den rechtlichen Erläuterungen gilt, dass<br />

die Eigenhaftung begründet werden könnte, bei:<br />

- Verletzung eigener Verkehrssicherungspflichten mit der kausalen Folge<br />

des Schadense<strong>in</strong>trittes;<br />

- Das Bauunternehmen lediglich als „Werkzeug“ handelte, so dass die<br />

Schadensverursachung der Straßenbauverwaltung zugerechnet werden<br />

könnte.<br />

Für die Prüfung der Rechtslage wird auf die gegebenen Ausführungen und Übersich-<br />

ten verwiesen (vergleiche <strong>in</strong>sbesondere Übersicht 5).<br />

5.9.2.2. Verhalten zum Anlieger/Geschädigten<br />

Auch wenn die Straßenbauverwaltung e<strong>in</strong>e eigene Haftung <strong>–</strong> aus tatsächlichen oder<br />

rechtlichen Gründen <strong>–</strong> für nicht gegeben erachtet, s<strong>in</strong>d Reaktionen auf Schadense<strong>in</strong>-<br />

tritte notwendig, da etwaiges Unterlassen Anknüpfungspunkt für Haftungen der<br />

Straßenbauverwaltung selbst se<strong>in</strong> könnte (Bedenke: Verkehrssicherungspflichten zur<br />

Gefahrenabwehr bestehen, d. h. zum<strong>in</strong>dest h<strong>in</strong>sichtlich weiterer, sich vergrößernder<br />

Schäden können neue Haftungsrisiken entstehen.). Gleiches gilt für Situationen der<br />

Unsicherheit über Schadensumfang und Schadensverursachung; auch <strong>in</strong>soweit<br />

besteht Handlungsbedarf. Die Verhaltensweisen sollen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Übersicht<br />

systematisch dargestellt werden.<br />

75<br />

Übersicht 15:<br />

Verhalten gegenüber dem Anlieger/Geschädigten<br />

nach<br />

Schadensanzeige


5.9.2.3. Verhalten zur Baufirma<br />

Das Bauunternehmen ist über jedwede Schadensanzeige sofort und unmittelbar zu<br />

<strong>in</strong>formieren. Es empfiehlt sich e<strong>in</strong>e Unterrichtung wie folgt:<br />

„Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

wir nehmen Bezug auf unseren Auftrag vom ..., Auftrags-Nr.: ... Uns erreichte das anliegende<br />

Schreiben der Familie ... Mit diesem Schreiben werden Schäden behauptet, nämlich ..., die<br />

auf die von Ihnen ausgeführten Arbeiten zurückgeführt werden.<br />

Sie wurden unsererseits beauftragt, sämtliche Leistungen eigenverantwortlich und nach den<br />

anerkannten Regeln der Technik auszuführen. Schädigungen von Anliegern s<strong>in</strong>d daher <strong>in</strong> jedem<br />

Falle zu vermeiden.<br />

Wir fordern Sie auf, sich unverzüglich, spätestens bis ... (Datumsangabe, max. 1 bis 2 Tage)<br />

mit der Familie ... <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu setzen, und die mitgeteilten Schäden <strong>in</strong> Augensche<strong>in</strong> zu<br />

nehmen.<br />

Sie haben darüber h<strong>in</strong>aus unsere(n) Mitarbeiter(<strong>in</strong>), Frau/Herrn ..., über Ihre Veranlassungen<br />

sofortig zu unterrichten, <strong>in</strong>sbesondere über e<strong>in</strong>en Vorortterm<strong>in</strong> zur Schadensbesichtigung,<br />

damit Frau/Herr ... daran teilnehmen kann.<br />

Mit freundlichen Grüßen“<br />

Das weitere Vorgehen ist angelehnt an das Verhalten zum Anspruchsteller, je nach<br />

dem, was h<strong>in</strong>sichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Verantwortung bezüglich der<br />

Schäden durch die Straßenbauverwaltung festgestellt wird. Soweit die Schäden auf<br />

e<strong>in</strong>e mangelhafte Werkleistung zurückzuführen s<strong>in</strong>d, ist die Straßenbauverwaltung<br />

gehalten, nach § 4 Nr. 7 VOB/B vorzugehen, um die weiteren Schadensentwicklungen<br />

zu verh<strong>in</strong>dern und den eigenen Verkehrssicherungspflichten zu genügen.<br />

76<br />

Übersicht 16:<br />

Weitere Fallbeispiele zu<br />

haftungsrechtlichen Fragen


5.9.3. Anderweitige Bee<strong>in</strong>trächtigungen <strong>in</strong>folge des <strong>Bauvorhaben</strong>s<br />

Das <strong>Bauvorhaben</strong> <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> E<strong>in</strong>wirkungen auf die Anliegergrundstücke<br />

haben (Staub, Lärm, Beschränkung des Anliegergebrauchs), wurde dargestellt.<br />

Ebenfalls ist ausgeführt, dass die Anlieger diese <strong>–</strong> vorübergehenden <strong>–</strong> Bee<strong>in</strong>trächti-<br />

gungen grundsätzlich entschädigungslos zu dulden haben, soweit die Schwelle des<br />

Zumutbaren nicht überschritten wird. Dies ist Ausdruck der Ortsüblichkeit von Bau-<br />

und Unterhaltungsmaßnahmen auf Straßengrundstücken und trägt dem Rechnung,<br />

dass die Arbeiten letztlich dem Anlieger auch zu Gute kommen.<br />

Jedoch wurde auch die umfängliche Rechtsprechung dargelegt, die durch die Schaf-<br />

fung der Rechts<strong>in</strong>stitute des enteignenden und enteignungsgleichen E<strong>in</strong>griffs dem<br />

Anlieger Entschädigungsansprüche eröffnet; dies ist Ausdruck des umfassenden<br />

Schutzes, der Eigentum und eigentumsgleichen Rechten (Gewerbebetrieb, Anliegergebrauch)<br />

gewährt wird. In diesem Spannungsfeld hat die Straßenbauverwaltung bei<br />

der Realisierung der <strong>Bauvorhaben</strong> zu handeln. Sie muss daher bemüht se<strong>in</strong>, auch<br />

den Interessen der Anlieger gerecht zu werden <strong>–</strong> die Basis dafür wird bereits <strong>in</strong> der<br />

Phase der Vorbereitung der Baudurchführung gelegt (vergleiche unter Übersicht 12).<br />

Während der Bauphase ist zur Vermeidung von Entschädigungsansprüchen der Anlieger<br />

<strong>in</strong>sbesondere folgendes zu berücksichtigen:<br />

(1.)<br />

Das <strong>Bauvorhaben</strong> ist zügig, koord<strong>in</strong>iert und <strong>in</strong>nerhalb der beabsichtigten Bauzeiten<br />

abzuwickeln.<br />

- Gerade verlängerte Bauausführungen, die demnach als unnötige (unangemessene)<br />

Verstärkungen der Beh<strong>in</strong>derungen bewertet werden können, bilden<br />

Ansatzpunkte für Ansprüche.<br />

- Der Bauausführende ist daher unter Nutzung rechtlicher Möglichkeiten<br />

(Vere<strong>in</strong>barung von Zwischenterm<strong>in</strong>en als Vertragsfristen bzw. Vorgehen nach<br />

§ 5 Nr. 3, 4 VOB/B) zur E<strong>in</strong>haltung der Ausführungszeiträume zu bewegen.<br />

77


(2.)<br />

Besonders bee<strong>in</strong>trächtigende Maßnahmen (Sperrungen; außerordentlich immissi-<br />

ons<strong>in</strong>tensive Arbeiten) s<strong>in</strong>d möglichst so zu koord<strong>in</strong>ieren, dass sie <strong>in</strong>nerhalb kurzer,<br />

zusammenhängender Zeiträume ausgeführt werden.<br />

(3.)<br />

- Je höher die Bee<strong>in</strong>trächtigung, desto eher ist die „Schwelle“ des Unzumutba-<br />

ren überschritten.<br />

Treten Anlieger (<strong>in</strong>sbesondere Gewerbetreibende) an die Straßenbauverwaltung<br />

heran, s<strong>in</strong>d deren „Wünsche und Nöte“ (so formuliert vom Bundesgerichtshof) ernst-<br />

haft zu prüfen.<br />

(4.)<br />

- Ist der Aufwand, die beanstandeten Bee<strong>in</strong>trächtigungen zu reduzieren, ger<strong>in</strong>g<br />

und erschwert den Bauablauf nicht, so sollten diese Maßnahmen umgesetzt<br />

werden.<br />

Die Bauausführenden s<strong>in</strong>d anzuhalten, die Bee<strong>in</strong>trächtigungen <strong>in</strong> jedem Fall so<br />

ger<strong>in</strong>g als möglich, bei zumutbarem Aufwand, zu halten.<br />

(5.)<br />

- Die Straßenbauverwaltung muss dies auch kontrollieren.<br />

Zeigt sich, dass vom <strong>Bauvorhaben</strong> ausgehende Immissionen (z. B. Erschütterungen)<br />

nicht nur bee<strong>in</strong>trächtigend s<strong>in</strong>d, sondern konkrete Schäden nach sich ziehen können,<br />

ist vorsorgend zu reagieren und e<strong>in</strong>zugreifen.<br />

Zu e<strong>in</strong>zelnen Beispielen und den daraus ersichtlichen Verhaltensweisen vergleiche<br />

<strong>in</strong>sgesamt Übersicht 7.<br />

78


5.9.4. Zusammentreffen mehrerer Bauherren<br />

Diese Konstellation ist bei Straßenbauarbeiten häufig. Insbesondere Versorgungs-<br />

unternehmen nutzen die Gelegenheit der Straßenbaumaßnahmen, Leitungen zu<br />

verlegen bzw. zu unterhalten.<br />

In rechtlicher H<strong>in</strong>sicht hat dies für die denkbaren Haftungsszenarien der Straßenbau-<br />

verwaltung grundsätzlich ke<strong>in</strong>e Auswirkungen, d. h., es kommen ke<strong>in</strong>e anderen<br />

Anspruchsgrundlagen für den Anlieger <strong>in</strong> Betracht.<br />

Vielmehr wird die Situation für den benachbarten Grundstückseigentümer dadurch<br />

erschwert, dass er Ursachen etwaiger Beschädigungen oder Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

kaum e<strong>in</strong>em konkreten Anspruchsgegner zuordnen kann, da vielfältige Verantwor-<br />

tungen und Kausalitäten denkbar s<strong>in</strong>d. Da der Anlieger aber auch im Falle mehrerer<br />

Bauherren vollumfänglich beweisbelastet für die ausgeführten Anspruchsvoraussetzungen<br />

ist, vere<strong>in</strong>facht sich die Problematik für ihn nicht.<br />

Bei Anspruchstellungen wegen behaupteter Schäden oder E<strong>in</strong>wirkungen sollte die<br />

Straßenbauverwaltung daher grundsätzlich, wie bereits erläutert (vergleiche unter<br />

Übersicht 15), derart verfahren, dass die Ansprüche unter H<strong>in</strong>weis auf die Verantwortlichkeit<br />

des Bauunternehmers, soweit sachdienlich, ergänzt um H<strong>in</strong>weise auf die<br />

anderen Baubeteiligten, zurückgewiesen werden.<br />

5.9.4.1. Rechtliche Grundlagen<br />

Soweit mehrere Bauherren tätig s<strong>in</strong>d, ist ergänzend die Vorschrift des § 840 BGB zu<br />

erläutern.<br />

Demnach haften mehrere verantwortliche Schädiger als Gesamtschuldner.<br />

79


Dies sei kurz an 2 Beispielen erläutert:<br />

1. E<strong>in</strong> Bauunternehmer setzt über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum Verdichtungsmethoden e<strong>in</strong>, die<br />

nach entsprechenden Beweissicherungsergebnissen zu Schäden führen können. Die<br />

Straßenbauverwaltung überwacht den Bauunternehmer nicht und nimmt auch erste Bedenkensanzeigen<br />

von Anliegern nicht ernst. Es entstehen umfängliche Rissschädigungen<br />

an Gebäuden. Für diese Konstellation kommt die Haftung der Straßenbauverwaltung nach<br />

§ 839 BGB <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Art. 34 GG <strong>in</strong> Betracht (Verletzung e<strong>in</strong>er Amtspflicht) und<br />

diejenige des Bauunternehmers nach § 823 BGB (Eigentumsverletzung).<br />

2. Auf e<strong>in</strong>er Baustelle f<strong>in</strong>den sowohl Straßenbauarbeiten wie Tätigkeiten e<strong>in</strong>es Versorgungsunternehmens<br />

statt, danach Versorgungsleitungen gelegt werden. Nunmehr f<strong>in</strong>den<br />

zeitgleich Verdichtungsarbeiten statt. Die Konzentration dieser Arbeiten führt geme<strong>in</strong>sam<br />

zu Schädigungen e<strong>in</strong>es Gebäudes (jeweils Haftung der Straßenbauverwaltung und des<br />

Versorgungsunternehmens wie der beauftragten Unternehmen denkbar, je nachdem, welche<br />

Pflichten verletzt wurden).<br />

In beiden Konstellationen kann es zur Haftung von Gesamtschuldner kommen, da<br />

mehrere verantwortlich für e<strong>in</strong>en Schaden s<strong>in</strong>d.<br />

Gem. §§ 421 ff. BGB ist nunmehr jeder Schädiger zum Ersatz des gesamten<br />

Schadens verpflichtet, wobei der Anlieger den Schadensersatz <strong>in</strong>sgesamt natürlich<br />

nur e<strong>in</strong>mal fordern darf. Das heißt aber:<br />

- Der Anlieger kann entscheiden, ob er e<strong>in</strong>en, mehrere oder alle Schädiger <strong>in</strong><br />

Anspruch nimmt;<br />

- Nimmt der Anlieger nur e<strong>in</strong>en Schädiger, beispielsweise die Straßenbauverwaltung,<br />

<strong>in</strong> Anspruch, ist der volle Schadensausgleich zu leisten (e<strong>in</strong> Ausgleich<br />

mit den anderen Schädigern f<strong>in</strong>det ausschließlich im Innenverhältnis<br />

statt, d. h., die Straßenbauverwaltung kann dort Schadensanteile <strong>–</strong> nach dem<br />

Grad des jeweiligen Verschuldens <strong>–</strong> e<strong>in</strong>fordern);<br />

- Nimmt der Anlieger mehrere Schädiger <strong>in</strong> Anspruch, haften diese nach ihrer<br />

jeweiligen Verschuldensquote;<br />

- Für die Verschuldensquote jedes Schädigers ist maßgeblich, <strong>in</strong>wieweit se<strong>in</strong><br />

Verhalten oder Unterlassen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat.<br />

80


Die Gefahr der Haftung als Gesamtschuldner liegt dar<strong>in</strong>, dass der Anlieger regelmä-<br />

ßig <strong>–</strong> bei entsprechend begründeten Anspruchsvoraussetzungen <strong>–</strong> die Straßenbau-<br />

verwaltung <strong>in</strong> Anspruch nehmen wird, da dort etwaig gerichtlich festgestellte Forde-<br />

rungen auch beibr<strong>in</strong>gbar s<strong>in</strong>d, was bei Bauunternehmen <strong>–</strong> gerade <strong>in</strong> jetziger Zeit <strong>–</strong><br />

nicht immer der Fall ist. Sodann würde die Straßenbauverwaltung auch gegenüber<br />

dem Bauunternehmer im Innenverhältnis (Ausgleich unter Gesamtschuldnern) be-<br />

rechtigte Forderungen nicht durchsetzen können; z. B. im Fall der Insolvenz.<br />

Beachte: Die Gestellung ausreichender Sicherheiten der Bauunternehmer (z. B. Vertragserfül-<br />

lungsbürgschaft) ist im Rahmen der Vertragsgestaltungen zu realisieren.<br />

5.9.4.2. Stellung der Straßenbauverwaltung bei mehreren Bauherren<br />

Da die Haftungsvoraussetzungen grundsätzlich identisch bleiben, wird auf die bishe-<br />

rigen Ausführungen verwiesen.<br />

Jedoch tritt im Rahmen der <strong>Bauvorhaben</strong> mit mehreren Bauherren e<strong>in</strong> Element h<strong>in</strong>-<br />

zu, welches Berücksichtigung verdient, dasjenige erhöhter Koord<strong>in</strong>ationsaufwen-<br />

dungen.<br />

Aus ihrer Stellung als Bauaufsichtsbehörde ist die Straßenbauverwaltung bereits ge-<br />

zwungen, den „Blick“ auch auf die Leistungen der anderen Bauherren zu richten, da<br />

vordergründig sichergestellt se<strong>in</strong> muss, dass diese Arbeiten nicht die Ordnungsge-<br />

mäßheit der Straßenbauarbeiten selbst bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />

Im Rahmen erhöhter Koord<strong>in</strong>ierung ist zu fordern:<br />

- Das Zusammentreffen verschiedener Tätigkeiten darf nicht zu Schäden oder<br />

unzumutbaren Bee<strong>in</strong>trächtigungen führen.<br />

• Dies hätte zur Folge, dass jede e<strong>in</strong>zelne Baumaßnahme als scha-<br />

densverursachend gelten müsste.<br />

• Im Rahmen des Bauablaufes ist dem entgegen zu wirken.<br />

81


- Die Arbeiten der unterschiedlichen Bauherren müssen <strong>in</strong> ihrer Abfolge koordi-<br />

niert werden und <strong>in</strong>sgesamt verhältnismäßig bleiben.<br />

• Verweigert e<strong>in</strong> anderer Bauherr die Mitwirkung, so bleibt das zu veran-<br />

lassen, was der Straßenbauverwaltung selbst möglich ist, um den Inte-<br />

ressen der Anlieger Rechnung zu tragen.<br />

- Treten Schadensanzeigen auf, müssen alle Bauherren unterrichtet werden.<br />

• Dies bereits deshalb, da e<strong>in</strong> Unterlassen schadensfördernd wirken<br />

könnte.<br />

5.9.5. Etwaige außergerichtliche Schadensregulierung gegenüber den<br />

Anliegern<br />

Diese Problematik soll nicht dah<strong>in</strong>gehend untersucht werden, wann und unter wel-<br />

chen Voraussetzungen Vergleichsabschlüsse mit Anliegern geboten oder zulässig<br />

s<strong>in</strong>d; die Zustimmung zum Vergleich und die Übere<strong>in</strong>stimmung mit haushaltsrechtli-<br />

chen Regelungen wird unterstellt.<br />

E<strong>in</strong> Vergleich ist <strong>in</strong> rechtlicher H<strong>in</strong>sicht<br />

Def<strong>in</strong>ition: E<strong>in</strong> Vertrag, durch den e<strong>in</strong> Streit von Parteien <strong>–</strong> im Wege ge-<br />

genseitigen Nachgebens <strong>–</strong> beseitigt wird, § 779 BGB.<br />

Diese Def<strong>in</strong>ition hat zweierlei wesentliche Bedeutungen:<br />

- Da der Vergleich e<strong>in</strong> Vertrag ist, können die Parteien das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vergleich<br />

regeln, was sie wollen <strong>–</strong> es gibt ke<strong>in</strong>e Rechtsvorschriften über Vertrags<strong>in</strong>halte,<br />

außer die allgeme<strong>in</strong> gültigen Begrenzungen rechtsgeschäftlichen Handelns<br />

(§§ 134, 138, 242 BGB).<br />

- Das Merkmal der Streitbeilegung beschreibt, dass die Parteien an sich nur<br />

das regeln können, was ihnen als Inhalt der Ause<strong>in</strong>andersetzung bewusst ist.<br />

82


Für diese Betrachtung ist daher zu fordern, dass, wenn schon e<strong>in</strong> Vergleich abge-<br />

schlossen wird, damit alle Streitigkeiten der Parteien aus den Straßenbaumaßnah-<br />

men beendet werden und Nachforderungen des Anliegers ausscheiden. Natürlich<br />

kann nicht für jede rechtliche Situation e<strong>in</strong>e vollständige Sicherheit bezüglich des<br />

E<strong>in</strong>tritts der angestrebten Ziele gegeben werden, jedoch sollte e<strong>in</strong> Vergleich zum<strong>in</strong>-<br />

dest folgendes be<strong>in</strong>halten:<br />

1.<br />

Die Parteien des Vergleiches s<strong>in</strong>d exakt zu bezeichnen und e<strong>in</strong> Vergleich macht nur<br />

S<strong>in</strong>n, wenn alle etwaigen (potentiellen) Geschädigten/Anspruchsteller an dem Ver-<br />

gleich mitwirken.<br />

Beispiel:<br />

S<strong>in</strong>d mehrer Grundstückseigentümer vorhanden, müssen alle am Vergleich beteiligt se<strong>in</strong>, da<br />

der Vergleich ke<strong>in</strong>e Wirkung gegen Dritte hat, die nicht als Vertragspartner den Vergleich unterzeichnen/abschließen.<br />

2.<br />

Die Ausgangssituation sollte möglichst umfänglich, vorzugswürdig im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />

Präambel, dargestellt werden.<br />

Beispiel:<br />

„... Präambel ...<br />

Im Zeitraum von ... bis ... fanden Straßenbauarbeiten an der Ortsdurchfahrt der Geme<strong>in</strong>de ...,<br />

u. a. <strong>in</strong> der ... Straße statt. Die von den Straßenbauarbeiten herrührenden E<strong>in</strong>wirkungen führten<br />

zur Beschädigung des Wohngebäudes der ..., u. a. traten Rissbildungen auf. E<strong>in</strong>e Begutachtung<br />

durch den Sachverständigen ... ergab, dass die Straßenbauarbeiten zum<strong>in</strong>dest mitursächlich<br />

für die Beschädigungen waren.<br />

Die Parteien br<strong>in</strong>gen ihre Ause<strong>in</strong>andersetzungen über alle mit den bezeichneten Straßenbauarbeiten<br />

<strong>in</strong> Zusammenhang stehenden Ansprüche/Beschädigungen wie folgt e<strong>in</strong>vernehmlich<br />

zur Erledigung .....“.<br />

83


3.<br />

Die Verpflichtungen der Straßenbauverwaltung s<strong>in</strong>d konkret festzulegen und sie<br />

müssen abschließend se<strong>in</strong>.<br />

Beispiel:<br />

„....<br />

1. Das Straßenbauamt ... zahlt an den/die ... zum Ausgleich aller, bekannter wie etwaig noch<br />

unbekannter, Beschädigungen des Grundstücks..., bebaut mit e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>familienhaus/Mehrfamilienhaus,<br />

e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>malbetrag <strong>in</strong> Höhe von Euro...<br />

� ACHTUNG! Soweit Eigenbeseitigung durch den Anlieger erfolgt und Zahlung<br />

der Entschädigung gegen Rechnung des ausführenden Unternehmens<br />

geleistet werden soll, wäre noch festzuhalten:<br />

„... die Beseitigung der Beschädigungen erfolgt durch den/die .... eigenverantwortlich durch<br />

Beauftragung e<strong>in</strong>er Fachfirma. Auf deren Rechnungslegung zur Sanierung (Schlussrechnung)<br />

zahlt das Straßenbauamt .... maximal den unter Ziffer 1. genannten Betrag. Sollten die Sanierungskosten<br />

ger<strong>in</strong>ger ausfallen, wird der Streit durch Zahlung des Rechnungsbetrages beigelegt.<br />

Das Straßenbauamt ... übernimmt ke<strong>in</strong>erlei Gewähr, dass für den unter Ziffer 1. genannten<br />

Betrag die Sanierung vollständig durchgeführt werden kann, noch für die Leistungen der<br />

Fachfirma .... selbst. ...“<br />

4.<br />

Der Vergleich hat mit e<strong>in</strong>er Erledigungsklausel zu enden.<br />

Beispiel:<br />

„...mit diesen Vergleich s<strong>in</strong>d sämtliche Ansprüche des/der ... für etwaige Beschädigungen des<br />

Grundstücks ... durch die <strong>in</strong> der Präambel bezeichneten Straßenbauarbeiten, gleich ob bekannter<br />

oder unbekannter Art, ausgeglichen und erledigt. Nachforderungen scheiden daher <strong>in</strong><br />

jedem Falle, auch für bisher unbekannt gebliebene Beschädigungen, aus...“<br />

Auch im Rahmen gerichtlicher Vergleiche, <strong>in</strong>sbesondere bei gegebenenfalls selbst<br />

geführten amtsgerichtlichen Ause<strong>in</strong>andersetzungen, ist darauf zu achten, dass e<strong>in</strong>e<br />

endgültige und abschließende Streitbeilegung erreicht wird.<br />

84


6. Schlussbemerkungen<br />

Der Leitfaden basiert auf dem Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung bis e<strong>in</strong>-<br />

schließlich November 2001.<br />

Die Ausführungen haben gezeigt, dass <strong>in</strong>sbesondere der Ausprägung der Amtshaf-<br />

tungsbestimmungen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung große Bedeutung<br />

zukommt. Dabei bef<strong>in</strong>det sich die Rechtsprechung <strong>in</strong> stetiger Entwicklung. Diese ist<br />

zu beobachten, gerade h<strong>in</strong>sichtlich der Umschreibung und Bestimmung des Um-<br />

fangs von Verkehrssicherungspflichten, welche für die Beurteilung von Haftungsrisi-<br />

ken außerordentlich bedeutsam s<strong>in</strong>d.<br />

Daneben bleibt festzuhalten, dass die eigenständige Beurteilung des E<strong>in</strong>zelfalls nicht<br />

ersetzt werden kann. Der Leitfaden bietet hierzu die Grundlagen und setzt vor der<br />

eigentlichen Haftungssituation an. Die Verh<strong>in</strong>derung haftungsrechtlicher relevanter<br />

Tatbestände durch sorgfältiges und vorausschauendes Verhalten hat daher im Mittelpunkt<br />

aller Bemühungen zu stehen.<br />

85


Übersicht 1 Verkehrssicherungspflicht<br />

• Phase 1: Ortsdurchfahrt als öffentliche Verkehrsfläche<br />

� Straßenverkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers<br />

besteht, d. h. jeder Benutzer der Ortsdurchfahrt ist vor unver-<br />

muteten, von der Ortsdurchfahrt ausgehenden bzw. sich aus<br />

ihrer Beschaffenheit ergebenden und bei zweckgerechter und<br />

nicht ganz fernliegender, bestimmungswidriger Benutzung drohenden<br />

Gefahren <strong>in</strong> geeigneter Weise, im Rahmen des Zumutbaren<br />

und der Leistungsfähigkeit zu schützen<br />

(erforderlich s<strong>in</strong>d z. B.: regelmäßige Kontrollen, Beseitigung von Gefahrenstellen<br />

oder Sicherung der Gefahrenquelle (H<strong>in</strong>weispflicht) usw.)<br />

• Phase 2: Entschluss zur Baumaßnahme <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong><br />

� Straßenverkehrssicherungspflicht bleibt bestehen<br />

� H<strong>in</strong>zu tritt die allgeme<strong>in</strong>e Verkehrssicherungspflicht für Bauarbeiten/Straßenbauarbeiten;<br />

d. h. Vorbereitung und Durchführung<br />

der Baumaßnahme, von der Gefahren, <strong>in</strong>sbesondere für Anlieger,<br />

ausgehen, derart, dass unter E<strong>in</strong>satz zumutbarer Mittel die<br />

Gefahren von Dritten ferngehalten werden<br />

(Grundsatz: Bauarbeiten s<strong>in</strong>d so durchzuführen, das Schäden am Nachbargrundstück<br />

vermieden werden (vergleiche BGH Versicherungsrecht 1966,<br />

Seite 165 (166); OLG Düsseldorf, Baurecht 1993, Seite 351).<br />

Bei Ausschachtungsarbeiten, die die Gefahr bergen, dass der Boden des<br />

Nachbargrundstückes se<strong>in</strong>e erforderliche Stütze verliert, kann geboten se<strong>in</strong>,<br />

das Abstützen des Hauses anzuordnen oder auf anderer Weise der Standunsicherheit<br />

vorzubeugen (OLG Köln NJW-RR 1994, 89).<br />

Wahl e<strong>in</strong>er schonenden Arbeitsweise bei Verdichtungsarbeiten zur Vermeidung<br />

von Erschütterungsimmissionen, welche Schäden am Nachbargrundstück<br />

nach sich ziehen (OLG Hamm NJW-RR 1991, Seite 601 ff (602)).<br />

• Phase 3: Abschluss der Baumaßnahmen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong><br />

� Straßenverkehrssicherungspflicht besteht bezogen auf die neu<br />

hergestellte oder veränderte Ortsdurchfahrt<br />

87


Übersicht 2 Ansprüche von Anliegern im Zusammenhang mit <strong>Bauvorhaben</strong><br />

1)<br />

4)<br />

<strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> (Beispiele)<br />

2)<br />

5)<br />

3)<br />

6)<br />

Ortsdurchfahrt<br />

1) Die Baumaßnahme ist mit Verdichtungsarbeiten verbunden. Am Gebäude des Grundstückes<br />

Nr. 1 entstehen Risse, Dachziegel rutschen ab. Der Anlieger A meldet sich mit Forderungen.<br />

2) Auf dem Grundstück Nr. 2 betreibt der Eigentümer e<strong>in</strong> Drogeriefachgeschäft und e<strong>in</strong>en<br />

Textilhandel. Die Zufahrt zu den Kundenparkplätzen auf dem Grundstück wird wesentlich<br />

erschwert. Sie ist während der Baumaßnahme teilweise gar nicht, teilweise nur aus e<strong>in</strong>er<br />

Fahrtrichtung möglich. Die Absperrmaßnahmen h<strong>in</strong>dern die Sicht auf die Geschäftsräume;<br />

Textilstände können nicht <strong>in</strong> der Nähe der Straße, des Gehweges aufgestellt werden. Kunden<br />

bleiben weg, der Umsatz s<strong>in</strong>kt. Der Anlieger und Geschäfts<strong>in</strong>haber B meldet sich mit Ansprüchen.<br />

89<br />

7)


3) Bei dem Haus auf dem Grundstück Nr. 3 handelt es sich um e<strong>in</strong> Mehrfamilienhaus.<br />

Die Mieter m<strong>in</strong>dern während der Bauzeit wegen Lärm, Staub usw. die Miete gegenüber dem<br />

Eigentümer C. Dieser erhebt Ausgleichsansprüche.<br />

4) Eigentümer D des Grundstücks Nr. 4 kommt abends nach Hause, will se<strong>in</strong> Grundstück<br />

betreten und fällt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ungesicherte Baugrube. D verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld.<br />

5) Bei der Baumaßnahme s<strong>in</strong>d umfängliche Erdarbeiten erforderlich. Das Gebäude auf<br />

Grundstück Nr. 5 beg<strong>in</strong>nt sich zu senken. Der Eigentümer E zeigt dies an.<br />

6) Beim Ausbau der Ortsdurchfahrt wurde das ursprüngliche Geländeniveau verändert.<br />

Beim Grundstück Nr. 6 erfolgt nach Abschluss der Baumaßnahmen e<strong>in</strong> Wassere<strong>in</strong>tritt im Keller<br />

des Gebäudes mit erheblichen Schäden. Der Eigentümer F fordert Schadensersatz und<br />

behauptet, die Veränderung des Geländeniveaus habe den Wassere<strong>in</strong>tritt verursacht.<br />

7) Vor dem Grundstück Nr. 7 stand e<strong>in</strong> ca. 100 Jahre alter Baum. Kurz nach Beendigung<br />

der Baumaßnahmen der Ortsdurchfahrt fällt dieser bei e<strong>in</strong>em Sturm um und beschädigt das<br />

auf dem Grundstück errichtete Gebäude. Der Eigentümer G erhebt Schadensersatzforderungen.<br />

90


Übersicht 3 Herangehen an rechtliche Probleme<br />

Ausgangspunkt:<br />

• (Rechtliche) Streitigkeiten s<strong>in</strong>d dadurch gekennzeichnet, dass jede Partei der<br />

Ansicht ist, im Recht zu se<strong>in</strong> oder Recht zu bekommen.<br />

• Infolge dessen, dass jeder Streit e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfall ist, besteht e<strong>in</strong>e absolute<br />

Rechtssicherheit, Gewissheit über den Ausgang e<strong>in</strong>er (gerichtlichen) Aus-<br />

e<strong>in</strong>andersetzung nicht.<br />

1. Situation weitgehend objektiv erfassen<br />

1.1. Was will der Anspruchsteller?<br />

Beispiel:<br />

Schadensersatz oder Beseitigung, Unterlassung oder Entschädigung oder Vertragsrücktritt<br />

usw.<br />

Argument: Nur wenn erkannt wird, worauf der Anspruch abzielt, kann er sachgerecht ge-<br />

prüft werden.<br />

1.2. Welche Tatsachen benennt der Anspruchsteller zur Begründung se<strong>in</strong>es Anspruches?<br />

Beispiel:<br />

Anschreiben mit Darstellung des Sachverhaltes oder Vorlage e<strong>in</strong>es Sachverständigengutach-<br />

tens usw.<br />

Argument: Im Rahmen zivilrechtlicher Ause<strong>in</strong>andersetzungen kommt es nur darauf an,<br />

was die Parteien vortragen; der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz (d. h., das Gericht<br />

ermittelt selbst) gilt nicht.<br />

91


2. Bewertung der Anspruchstellung<br />

2.1. Gibt es überhaupt (theoretisch) e<strong>in</strong>e Anspruchsgrundlage, welche dem Anspruchsteller das<br />

geben kann, was er begehrt?<br />

2.1.1. Suche im Vertrag, soweit vorhanden<br />

2.1.2. Suche im Gesetz<br />

2.2. Wird ke<strong>in</strong>erlei Anspruchsgrundlage gefunden: Anspruch unbegründet.<br />

S<strong>in</strong>d Anspruchsgrundlagen denkbar, s<strong>in</strong>d sämtliche zu berücksichtigen und zu prüfen.<br />

3. Bewertung der Tatsachen<br />

3.1. S<strong>in</strong>d die behaupteten Tatsachen objektiv zutreffend?<br />

3.2. Gibt es Unsicherheiten, welche nur durch Dritte, z. B. Sachverständige oder Zeugen, geklärt<br />

werden können (z. B. Können Immissionen e<strong>in</strong>er bestimmten Intensität schadensverursa-<br />

chend se<strong>in</strong>? Hat der Bauleiter B e<strong>in</strong>e bestimmte Zusage getätigt?)<br />

3.3. Wie können Tatsachen, welche als nicht gegeben angesehen werden, widerlegt werden?<br />

3.4. Feststellung e<strong>in</strong>es Sachverhaltes, unterteilt nach unstreitigem Teil, unsicherem Teil und unzu-<br />

treffendem Teil.<br />

(Exkurs: Beweislast<br />

Bei der Bewertung von Tatsachen ist auch stets deren Erweislichkeit zu berücksichtigen. D. h., dass<br />

e<strong>in</strong>e Tatsache nur als unstreitig oder zum<strong>in</strong>dest denkbar zu bewerten ist, wenn der Anspruchsteller<br />

diese auch beweisen kann! Insbesondere ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch bezüglich der obigen<br />

Ziffer 3.3. zu überdenken, welche eigenen, nachweislichen Behauptungen aufgestellt werden können,<br />

die vom Anspruchsteller behauptete Tatsachen widerlegen.)<br />

92


Übersicht 4 Arbeit mit Anspruchsgrundlagen<br />

(Am Beispiel von § 839 Abs. 1 BGB und <strong>in</strong> Systematik mit der Übersicht 3)<br />

1. Rechtfolgen bestimmen<br />

Vertragliche Regelungen oder gesetzliche Normen geben dem Anspruchsteller nur<br />

das, was <strong>in</strong> ihrer Rechtsfolge be<strong>in</strong>haltet ist.<br />

§ 839 Abs. 1 BGB:<br />

„... so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“.<br />

D. h., dass e<strong>in</strong>e Anspruchsgrundlage nicht e<strong>in</strong> beliebiges Recht gewährt, sondern e<strong>in</strong><br />

konkretes.<br />

Verhältnis zu Übersicht 3: Will der Antragsteller überhaupt Schadensersatz?<br />

2. Voraussetzungen erfassen<br />

Die Anspruchsgrundlage normiert, welche Tatsachen e<strong>in</strong>getreten se<strong>in</strong> müssen, damit<br />

die Rechtsfolgen ausgelöst werden können.<br />

§ 839 Abs. 1 BGB:<br />

„Verletzt e<strong>in</strong> Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm e<strong>in</strong>em Dritten gegenüber<br />

obliegende Amtspflicht ...“.<br />

Die Voraussetzungen s<strong>in</strong>d aufzugliedern wie folgt:<br />

o Beamter = z. B. Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung, auch Angestellte<br />

o Amtspflicht = z. B. Verkehrssicherungspflicht im Rahmen von Baumaßnahmen<br />

93


o gegenüber Dritten = jedweder, der von der Gefahrenerhöhung durch das Bau-<br />

vorhaben betroffen ist, z. B. der Anlieger<br />

o Verschulden =<br />

Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung ordnet den E<strong>in</strong>satz von Masch<strong>in</strong>en<br />

an, <strong>in</strong> der sicheren Kenntnis darüber, dass dies Schäden an der Nachbar-<br />

bebauung auslösen wird (Vorsatz)<br />

Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung kontrolliert die Baustelle und er-<br />

kennt, dass entgegen der Planung/Ausschreibung Masch<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden, kann die Folgen dessen nicht e<strong>in</strong>schätzen, unternimmt aber nichts<br />

und Schäden entstehen (Fahrlässigkeit).<br />

Verhältnis zu Übersicht 3: Behauptet der Anspruchsteller das Vorliegen aller Anspruchsvor-<br />

aussetzungen?<br />

Es ist dann zu ermitteln:<br />

- Die unstreitigen Tatsachen stimmen mit den Anspruchsvoraussetzun-<br />

gen übere<strong>in</strong>: Anspruch dem Grunde nach gegeben.<br />

- Die unstreitigen und unsicheren Tatsachen stimmen mit den Anspruchsvoraussetzungen<br />

übere<strong>in</strong>: E<strong>in</strong> Anspruch ist denkbar, es besteht<br />

für beide Parteien e<strong>in</strong> Risiko, welches abzuwägen ist.<br />

- Nur unter Zuhilfenahme des unzutreffenden Teils der Tatsachen werden<br />

die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt: Der Anspruch ist ausgeschlossen<br />

und zurückzuweisen.<br />

(Beachte auch den Exkurs Beweislast aus der Übersicht 3: Soweit dem Anspruchsteller<br />

ke<strong>in</strong>e Beweismöglichkeit, bei Beweisbelastetheit des Anspruchsstellers,<br />

eröffnet ist, können unstreitige oder zum<strong>in</strong>dest unsichere Tatsachen<br />

im oben genannten S<strong>in</strong>ne nicht gegeben se<strong>in</strong>.)<br />

94


3. E<strong>in</strong>wendungen<br />

Sie verh<strong>in</strong>dern, dass e<strong>in</strong> an sich gegebener Anspruch durchgesetzt werden kann.<br />

ACHTUNG:<br />

§ 839 Abs. 1 BGB:<br />

„Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann <strong>in</strong><br />

Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise<br />

Ersatz zu erlangen vermag.“.<br />

Die Rechtsprechung hat diese E<strong>in</strong>wendung/Entlastungsmöglichkeit weitestgehend<br />

e<strong>in</strong>geschränkt, (vergleiche 4.1.1.1.).<br />

Weitere denkbare E<strong>in</strong>wendung ist z. B. die Verjährung, §§ 194 ff, 852 BGB.<br />

95


Übersicht 5 Spezifizierte Darstellung der Amtshaftung für Straßenbaumaß-<br />

nahmen<br />

Diese Übersicht stellt e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>fachung zum Zwecke der Nachvollziehbarkeit dar;<br />

die weitergehenden Ausführungen des Textes im Leitfaden s<strong>in</strong>d zu berücksichtigen.<br />

1. Voraussetzungen der Amtshaftung<br />

1.1. Handeln <strong>in</strong> Ausübung e<strong>in</strong>es öffentlichen Amtes<br />

� Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung (+)<br />

� Beauftragte Bauunternehmer/Sonderfachleute, wenn sie sogenannte Werk-<br />

zeuge der öffentlichen Hand s<strong>in</strong>d (+)<br />

� H<strong>in</strong>weis: eigenverantwortliche Bauunternehmer handeln nicht <strong>in</strong> Ausübung<br />

e<strong>in</strong>es öffentlichen Amtes<br />

1.2. Amtspflicht<br />

� von Mitarbeitern der Straßenbauverwaltung zu erfüllen (+)<br />

• <strong>in</strong>sbesondere Amtspflicht zur Schonung unbeteiligter Dritter, Erteilung<br />

richtiger Auskünfte usw.<br />

• auch: E<strong>in</strong>haltung der Verkehrssicherungspflichten<br />

� Verkehrssicherungspflicht auf eigenverantwortliche Bauunter-<br />

nehmer/Sonderfachleute übertragen = Amtspflicht zur Kontrolle und Überwa-<br />

chung durch die Straßenbauverwaltung (+)<br />

1.3. e<strong>in</strong>em Dritten gegenüber<br />

� Anlieger der benachbarten Grundstücke (+)<br />

97


1.4. Schaden<br />

� Vermögensschaden <strong>in</strong>folge der Verletzung der Amtspflicht muss e<strong>in</strong>getreten<br />

se<strong>in</strong><br />

1.5. Verschulden<br />

� jedes vorsätzliche und fahrlässige Verhalten <strong>in</strong> Bezug auf die Verletzung e<strong>in</strong>er<br />

Amtspflicht<br />

2. E<strong>in</strong>wendungen<br />

2.1. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB<br />

� sogenannte Subsidiaritätsklausel bzw. Verweisungsprivileg weitgehend<br />

ausgeschlossen, <strong>in</strong>sbesondere im Bereich der Verletzung von Verkehrs-<br />

sicherungspflichten, welche hoheitlicher Natur s<strong>in</strong>d; so Verkehrssicherungs-<br />

pflichten im Zusammenhang mit dem Bauen <strong>in</strong> <strong>Ortsdurchfahrten</strong> wegen<br />

§ 10 Abs. 1 BbgStrG<br />

2.2. Mitverschulden, § 254 BGB<br />

� Geschädigter hat an Entstehung oder Umfang des Schadens mitgewirkt<br />

� nicht ordnungsgemäß unterhaltenes Gebäude begründet Mitverschulden des<br />

Eigentümers grundsätzlich nicht, außer es gel<strong>in</strong>gt der Beweis durch die Stra-<br />

ßenbauverwaltung, dass die Schäden auch ohne Baumaßnahme im engen<br />

zeitlichen Zusammenhang mit den Bauarbeiten ohneh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getreten wären<br />

2.3. Sonstige<br />

� z. B. Verjährung, §§ 194 ff, 852 BGB<br />

98


3. Haftungsumfang<br />

� Geschädigter ist so zu stellen, als wäre pflichtgemäß gehandelt worden, mit-<br />

h<strong>in</strong> Amtspflichtverletzung hätte nicht stattgefunden<br />

� Vermögensschaden nach §§ 249 ff BGB als Geldersatz und gegebenenfalls<br />

immaterieller Schadensersatz gem. § 847 BGB bei Verletzung von Körper und<br />

Gesundheit<br />

� geschädigtem Hauseigentümer stehen Schadensersatzansprüche daher nur<br />

<strong>in</strong> dem Umfange zu, um den schadensfreien Zustand zu erreichen, ohne Erhöhung<br />

des Wertes des Hausgrundstückes <strong>in</strong>sgesamt.<br />

4. Beweislast<br />

� beim Geschädigten für alle Anspruchsvoraussetzungen<br />

� Ausnahme:<br />

o Ansche<strong>in</strong>sbeweis ausreichend, wenn tatsächliche und überwiegende<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit dafür, dass sich der Sachverhalt und der Schadense<strong>in</strong>tritt<br />

erfahrungsgemäß, wie vom Geschädigten behauptet, ereigneten;<br />

o bei behaupteter Verletzung e<strong>in</strong>er Verkehrssicherungspflicht kann Verschuldensvermutung<br />

nach § 836 BGB gelten (so BGH<br />

NJW-RR 1990, Seite 1500 ff); bisher aber nur im Rahmen der Straßenverkehrssicherungspflichten<br />

angewandt.<br />

99


100


Übersicht 6 Zivilrechtliche Ersatzansprüche benachbarter Grundstücksei-<br />

1. Ausgangspunkt<br />

gentümer bei Bee<strong>in</strong>trächtigungen durch Baumaßnahmen<br />

� Abwehranspruch des Eigentümers jeden Dritten von jeder E<strong>in</strong>wirkung auf se<strong>in</strong><br />

Eigentum auszuschließen und Beseitigungsanspruch h<strong>in</strong>sichtlich jeglicher Be-<br />

e<strong>in</strong>trächtigung, §§ 903, 862, 1004 BGB<br />

2. System der E<strong>in</strong>schränkung<br />

� § 906 Abs. 1 BGB<br />

• Eigentümer verliert Abwehr- und Beseitigungsanspruch entschädi-<br />

gungslos, wenn nur unwesentliche Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

• Def<strong>in</strong>ition für unwesentliche Bee<strong>in</strong>trächtigung: § 906 Abs. 1 Satz 2, 3<br />

BGB (<strong>in</strong> Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegte Grenz- oder<br />

Richtwerte werden nicht überschritten).<br />

• Beachte: E<strong>in</strong>zelfallentscheidungen nach dem Maßstab: Empf<strong>in</strong>den ei-<br />

nes verständigen Durchschnittsbenutzers<br />

� § 906 Abs. 2 BGB<br />

• Eigentümer verliert Abwehr- und Beseitigungsanspruch, erhält jedoch<br />

Entschädigung bei wesentlicher Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

• Def<strong>in</strong>ition wesentliche Bee<strong>in</strong>trächtigung: Regelmäßig bei Überschreiten<br />

der <strong>in</strong> Gesetzen und Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- und<br />

Richtwerte bzw. wesentliche Bee<strong>in</strong>trächtigung nach dem Empf<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>es<br />

verständigen Durchschnittsbenutzers.<br />

101


3. Gesamtüberblick und Entschädigungsumfang<br />

Belastung<br />

des<br />

Anliegergrundstücks<br />

Phase 1<br />

Baustellen-<br />

e<strong>in</strong>richtung<br />

Anfang der<br />

Straßenbaumaßnahme<br />

Abriß / Aufnahme<br />

Straßenbelag<br />

wesentliche Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigungen unwesentlich<br />

Verdichtung und neuer<br />

Straßenbelag<br />

Begrünung und<br />

Restarbeiten<br />

Zeit<br />

Ende der<br />

Straßenbaumaßnahme<br />

� Phase 1: ke<strong>in</strong>e Entschädigung, da kurzzeitige Bee<strong>in</strong>trächtigungen h<strong>in</strong>zuneh-<br />

men s<strong>in</strong>d; diese können ke<strong>in</strong>e enteignende Wirkung haben<br />

� schraffierter Bereich: Entschädigung zu leisten; zumutbarer (unwesentlicher)<br />

Teil der Bee<strong>in</strong>trächtigung ist zu berücksichtigen (= tatrichterliche Entscheidung<br />

nach § 287 ZPO, d. h. der Richter schätzt, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme<br />

e<strong>in</strong>es Sachverständigen, <strong>in</strong> welchem Umfange die Entschädigung zu<br />

begrenzen ist, da unwesentliche Bee<strong>in</strong>trächtigungen h<strong>in</strong>zunehmen s<strong>in</strong>d).<br />

102


Übersicht 7 Enteignender und enteignungsgleicher E<strong>in</strong>griff<br />

� Von der Rechtsprechung entwickelte Rechts<strong>in</strong>stitute, welche aus dem Schutz-<br />

charakter des Eigentums und § 906 BGB abgeleitet s<strong>in</strong>d und zu Entschädi-<br />

gungsansprüchen führen können<br />

� Für beide Entschädigungsansprüche gilt (Anspruchsvoraussetzung)<br />

o Es muss sich um unmittelbare E<strong>in</strong>griffe handeln.<br />

o Nachteilige E<strong>in</strong>wirkung auf geschützte Rechtsgüter e<strong>in</strong>es Dritten, wobei<br />

die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschritten se<strong>in</strong><br />

muss.<br />

� Unterschied:<br />

o enteignender E<strong>in</strong>griff = rechtmäßige hoheitliche Handlung<br />

o enteignungsgleicher E<strong>in</strong>griff = rechtswidrige hoheitliche Handlung<br />

� Inhalt des Entschädigungsanspruches identisch<br />

o Ausgleich der Bee<strong>in</strong>trächtigungen, die nicht nach § 906 Abs. 1 BGB<br />

entschädigungslos zu dulden wären;<br />

o Bemessung im übrigen nach Enteignungsgrundsätzen, d. h. Geldersatz<br />

<strong>in</strong> Höhe der Vermögense<strong>in</strong>buße.<br />

Ausgangspunkt und Beispiel der Rechtsprechung<br />

� Bundesgerichtshof <strong>in</strong> NJW 1965, Seite 1907 ff.<br />

• Grundsätze: „... Der Straßenanlieger nimmt am Geme<strong>in</strong>gebrauch der Straße teil. Be-<br />

schränkungen des Geme<strong>in</strong>gebrauchs könnten sich als E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Gewerbebetrieb<br />

auswirken, der auf die werbende und anziehende Verb<strong>in</strong>dung mit dem Straßenverkehr<br />

<strong>–</strong> den Kontakt nach Außen <strong>–</strong> angewiesen ist. Die Grenze zwischen der entschädigungspflichtigen<br />

Enteignung und der entschädigungslos h<strong>in</strong>zunehmenden Sozialb<strong>in</strong>dung<br />

des Eigentums ist dabei nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu ziehen.<br />

Der Anlieger kann Vorteile aus der Straße nur im jeweiligen Rahmen des Geme<strong>in</strong>gebrauchs<br />

erwarten, der ständigem Wandel und Wechsel unterworfen ist. Er muss<br />

103


den Geme<strong>in</strong>gebrauch anderer, sowie die Beh<strong>in</strong>derungen durch Ausbesserungs- und<br />

Verbesserungsarbeiten an der Straße h<strong>in</strong>nehmen. Dasselbe gilt für Arbeiten an Leitungen,<br />

Röhren und sonstigen Anlagen, die üblicherweise im Interesse der Allgeme<strong>in</strong>heit<br />

im Straßenkörper liegen oder mit ihm verbunden s<strong>in</strong>d... Dabei braucht aber<br />

der Anlieger <strong>in</strong> der Regel nur Arbeiten h<strong>in</strong>zunehmen, die an der Straße nötig werden,<br />

deren Anlieger er ist.“.<br />

• enteignungsgleicher E<strong>in</strong>griff: „... Jedoch muss die öffentliche Hand bei diesen Arbeiten<br />

den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Die Behörde muss nach sorgfältiger<br />

Planung, unter sachgemäßer Koord<strong>in</strong>ierung der verschiedenen Arbeitsvorgänge<br />

und unter zumutbarem Kräftee<strong>in</strong>satz jede überflüssige Verzögerung vermeiden,<br />

andererseits auch die Kosten möglichst ger<strong>in</strong>g zu halten versuchen. Die Verkehrsbeschränkungen<br />

und Beh<strong>in</strong>derungen bleiben nur dann <strong>in</strong> den entschädigungslos<br />

h<strong>in</strong>zunehmenden Grenzen, wenn sie nach Art und Dauer nicht über das h<strong>in</strong>ausgehen,<br />

was bei ordnungsmäßiger Durchführung der Arbeiten mit möglichen und zumutbaren<br />

Mitteln sachlicher und persönlicher Art notwendig ist. Bei e<strong>in</strong>er nicht unerheblichen<br />

Überschreitung dieser Grenzen besteht e<strong>in</strong> Anspruch auf Entschädigung wegen enteignungsgleichen<br />

(rechtswidrigen) E<strong>in</strong>griffs.“.<br />

• enteignender E<strong>in</strong>griff: „Trotz E<strong>in</strong>haltung dieser Grenzen (sorgfältige Planung, sachgemäße<br />

Koord<strong>in</strong>ation usw.; Anmerkung des Verfassers) muss die Behörde unter Umständen<br />

e<strong>in</strong>e Entschädigung wegen (rechtmäßigen) enteignenden E<strong>in</strong>griffs leisten,<br />

wenn ihr Vorgehen den Wesenskern e<strong>in</strong>es geschützten Rechtsgutes angetastet hat.<br />

Die vollständige Entziehung oder Vernichtung e<strong>in</strong>er Sache oder e<strong>in</strong>es sonstigen geschützten<br />

Rechtsgutes sowie alle E<strong>in</strong>griffe, die wirtschaftlich betrachtet e<strong>in</strong>er Vernichtung<br />

oder Entziehung gleichstehen, verpflichten regelmäßig nach Enteignungsgrundsätzen<br />

zur Entschädigung. Deshalb hat die öffentliche Hand <strong>in</strong> Fällen dieser Art<br />

weitergehende Pflichten gegenüber e<strong>in</strong>em solchen Gewerbetreibenden als Straßenanlieger,<br />

für den die Verb<strong>in</strong>dung zur Straße lebensnotwendig ist. Hier muss die öffentliche<br />

Hand unter Umständen zusätzliche Aufwendungen erbr<strong>in</strong>gen, um e<strong>in</strong>en solchen<br />

Betrieb aufrechtzuerhalten. Verkehrsbeschränkungen zur Ausbesserung oder Verbesserung<br />

e<strong>in</strong>er Straße dürfen nicht dazu führen, dass dadurch der gesunde Gewerbebetrieb<br />

e<strong>in</strong>es Anliegers zusammenbricht. Bei der drohenden Existenzvernichtung<br />

e<strong>in</strong>es Anliegers muss deshalb ganz besonders geprüft werden, ob nicht die Arbeiten <strong>–</strong><br />

unter Umständen durch Aufwendung weiterer öffentlicher Mittel <strong>–</strong> anders ausgeführt<br />

werden können. Die betroffenen Anlieger müssen dazu selbstverständlich ihre besondere<br />

Lage den Behörden darlegen, aber auch die Straßenbaubehörden müssen vor<br />

Beg<strong>in</strong>n der Arbeiten diese Möglichkeiten <strong>in</strong> den Kreis ihrer Erwägungen e<strong>in</strong>beziehen<br />

und sich mit den Wünschen und Nöten der Anlieger ause<strong>in</strong>andersetzen.“.<br />

104


Daraus folgt:<br />

� Zur Vermeidung enteignungsgleicher Entschädigungsansprüche: Ordnungs-<br />

gemäße Planung, Koord<strong>in</strong>ation und Durchführung des <strong>Bauvorhaben</strong>s sicherstellen.<br />

� Zur Vermeidung enteignender E<strong>in</strong>griffe: Weitergehende Verpflichtungen zur<br />

Berücksichtigung der Anlieger<strong>in</strong>teressen im E<strong>in</strong>zelfall.<br />

Da die Fragen im Zusammenhang mit den Entschädigungsansprüchen gesetzlich<br />

nicht normiert s<strong>in</strong>d, erfolgt e<strong>in</strong> umfänglicher Überblick zu wesentlichen Entscheidungen<br />

der Rechtsprechung.<br />

BGH NJW 1960, Seite 1995<br />

- Anlieger betreibt offenes Möbelgeschäft mit langer Schaufensterfront<br />

- Straßenbauarbeiten f<strong>in</strong>den statt; Straße wird teilweise und zeitweise gesperrt<br />

- BGH: „... daraus, dass die Arbeiten an beiden Bauabschnitten gleichzeitig begonnen worden<br />

s<strong>in</strong>d und nicht im Zweischichtenbetrieb gearbeitet worden ist, und auch aus der Art der Straßensperrung<br />

kann die Kläger<strong>in</strong> nichts Entscheidendes für sich herleiten. E<strong>in</strong> Entschädigungsanspruch<br />

könnte sich mith<strong>in</strong> allenfalls dann ergeben, wenn die Arbeiten nicht zügig durchgeführt,<br />

sondern zeitlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nicht unerheblichem Umfang über das notwendige Maß h<strong>in</strong>ausgezögert<br />

worden wären. In diesem Fall könnte e<strong>in</strong> Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem<br />

E<strong>in</strong>griff selbst dann zu bejahen se<strong>in</strong>, wenn der Kläger<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Schadensersatz<br />

mangels Verschulden der verantwortlichen Beamten versagt bleiben müsste.“.<br />

BGH NJW 1962, Seite 1342<br />

- Anlieger betreibt Ladengeschäft für Klaviere und Flügel<br />

- teilweise Abbrucharbeiten mit Presslufthämmern und Baggern<br />

- BGH: „... die Rechtmäßigkeit der Störung f<strong>in</strong>det dort ihre Grenze, wo sie vermieden oder wenigstens<br />

durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen auf e<strong>in</strong>en erträglichen Umfang verr<strong>in</strong>gert<br />

werden kann... Danach muss man bei der Planung und Durchführung lärmverursachender Arbeiten<br />

auf die Nachbarn Rücksicht nehmen und darauf bedacht se<strong>in</strong>, die mit den Arbeiten<br />

105


verbundene Bee<strong>in</strong>trächtigung anderer auf e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß herabzusetzen... Auch wenn also<br />

die <strong>in</strong> Betracht kommende E<strong>in</strong>wirkung auf das Nachbargrundstück nach den örtlichen Verhältnisses<br />

an sich als gewöhnlich zu betrachten ist, kann gleichwohl e<strong>in</strong>e besonders schädigende<br />

Benutzungsweise ungewöhnlich und damit rechtswidrig se<strong>in</strong>...“.<br />

(Anmerkung des Verfassers: Bei Straßenbauarbeiten, die auf „Straßenbaugrundstücken“ stattf<strong>in</strong>den,<br />

s<strong>in</strong>d naturgemäß Lärme<strong>in</strong>wirkungen gewöhnliche Folge der Natur des Grundstückes.<br />

Es ist allerd<strong>in</strong>gs zu beachten, dass ke<strong>in</strong>e besonders schädigende Benutzungsweise, mit den<br />

Worten des Bundesgerichtshofs gesprochen, gewählt wird.)<br />

BGH NJW 1964, Seite 198<br />

- Anlieger betreibt Tankstelle; Sperrung der Straße<br />

- BGH: „... Die Wahl zwischen verschiedenen technischen Möglichkeiten der Ausführung von<br />

Arbeiten an der Straße steht im Ermessen der Baubehörde; doch wird das Ermessen begrenzt<br />

durch die gebührende Rücksicht auf die Interessen derjenigen, die auf die Benutzung<br />

der Straße angewiesen s<strong>in</strong>d (hier: Sperrung e<strong>in</strong>er Straße vor e<strong>in</strong>er Tankstelle wegen Kanalisationsarbeiten)...<br />

Die Beamten des städtischen Bauamtes waren gegenüber dem Kläger, der<br />

für se<strong>in</strong>en Gewerbebetrieb auf die Straße angewiesen und zu ihrer Benutzung im Rahmen<br />

des Geme<strong>in</strong>gebrauchs befugt war, verpflichtet zu prüfen, ob sich nicht durch e<strong>in</strong>e anderweitige<br />

Arbeitsweise der Durchgangsverkehr <strong>–</strong> <strong>in</strong> Form des e<strong>in</strong>spurigen Richtungsverkehrs <strong>–</strong> an<br />

der Tankstelle vorbei aufrechterhalten ließe, und waren, sofern dies technisch möglich und<br />

unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zumutbar war, gehalten, sich für e<strong>in</strong>e solche<br />

anderweitige Ausführung der Bauarbeiten zu entscheiden.“.<br />

BGH NJW 1967, Seite 1752<br />

- e<strong>in</strong> Anlieger betreibt e<strong>in</strong>e Gaststätte mit Pensionsbetrieb, welche überwiegend von Durchgangsreisenden<br />

besucht wurde<br />

- durch e<strong>in</strong>e Änderung der Verkehrsführung wird die ursprüngliche Straße (Bundesstraße) zu<br />

e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Anliegerstraße<br />

- die neue Bundesstraße verläuft <strong>in</strong> ungefähr 15 m Entfernung vom Grundstück des ursprünglichen<br />

Anliegers und wird durch e<strong>in</strong>e 1,80 m hohe Stützmauer von der jetzigen Anliegerstraße,<br />

ursprünglichen Bundesstraße, getrennt<br />

- BGH: „E<strong>in</strong>e Enteignung liegt nicht vor, wenn der Gewerbebetrieb e<strong>in</strong>es Anliegers e<strong>in</strong>er Bundesstraße<br />

davon nachteilig betroffen wird, dass durch Anlegung e<strong>in</strong>er neuen Straße der Verkehr<br />

von der an dem Betriebsgrundstück vorbeiführenden Straße abgezogen wird.“.<br />

106


BGH NJW 1974, Seite 53 ff<br />

- im Rahmen von Straßenbauarbeiten wird e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>destraße höhergelegt<br />

- e<strong>in</strong> Anlieger erhebt Entschädigungsansprüche, da er der Ansicht ist, dass <strong>in</strong>sbesondere die<br />

Erdgeschosswohnungen se<strong>in</strong>es Mehrfamilienhauses dadurch wertgem<strong>in</strong>dert seien<br />

- BGH: „E<strong>in</strong> Anspruch auf Zahlung e<strong>in</strong>er Enteignungsentschädigung wird nicht schon dadurch<br />

begründet, dass durch die Höherlegung e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>destraße e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derung des Verkehrswertes<br />

e<strong>in</strong>es anliegenden Grundstücks verursacht wird, weil es nunmehr <strong>in</strong> verstärktem<br />

Maße e<strong>in</strong>gesehen werden kann und optisch e<strong>in</strong>en ungünstigeren E<strong>in</strong>druck als früher erweckt...<br />

das <strong>in</strong>folge der Straßenerhöhung beispielsweise der Auspuff e<strong>in</strong>es Volkswagens sich<br />

nunmehr <strong>in</strong> Höhe der Fensteröffnungen der Erdgeschosswohnung bef<strong>in</strong>de. Auch wenn das zu<br />

se<strong>in</strong>en Gunsten (des Klägers, Anmerkung des Verfassers) unterstellt und weiter angenommen<br />

wird, dass er <strong>in</strong>folge dessen die zur Straße angebrachten Fenster der Erdgeschosswohnung<br />

zeitweise geschlossen halten muss und auch sonst nicht ganz unerheblichen Belästigungen<br />

durch den Straßenverkehr ausgesetzt ist, genügt das nicht, um ihm e<strong>in</strong>en Entschädigungsanspruch<br />

wegen unzumutbarer und unvermeidbarer Immissionen zuzubilligen. Es handelt sich<br />

bei ihm, auch wenn der Verkehr <strong>in</strong> Fensterhöhe vorbeigeführt wird, noch um Nachteile, die<br />

das Maß dessen nicht übersteigen, dass jeder Anlieger e<strong>in</strong>er dem öffentlichen Verkehr dienenden<br />

Straße entschädigungslos h<strong>in</strong>zunehmen hat.“.<br />

BGH NJW 1975, Seite 1406<br />

- e<strong>in</strong>e Ortsdurchfahrt wird ausgebaut und nimmt danach e<strong>in</strong>en erheblichen Teil des Nord-Süd-<br />

Verkehrs e<strong>in</strong>es größeren Stadtgebiets auf, e<strong>in</strong>schließlich des Schwerlastverkehrs<br />

- BGH: „Bei der Würdigung, welches Maß von Straßenlärm dem Eigentümer e<strong>in</strong>es Wohngrundstücks<br />

entschädigungslos zugemutet werden kann, ist nunmehr die Wertentscheidung des<br />

Bundesimmissionsschutzgesetztes für den Schutz von Wohngebieten vor schädlichen Umwelte<strong>in</strong>wirkungen<br />

zu beachten. Diese Wertentscheidung schließt es grundsätzlich aus, e<strong>in</strong>e<br />

unzumutbare Bee<strong>in</strong>trächtigung nur ganz ausnahmsweise, bei besonders schwerer E<strong>in</strong>wirkung<br />

anzunehmen. Die zu leistende Entschädigung besteht grundsätzlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Geldausgleich<br />

für notwendige Schallschutze<strong>in</strong>richtungen auf dem betroffenen Grundstück. E<strong>in</strong>e Entschädigung<br />

für den e<strong>in</strong>getretenen M<strong>in</strong>derwert des Grundstücks kommt erst <strong>in</strong> Betracht, wenn<br />

Schutze<strong>in</strong>richtungen ke<strong>in</strong>e wirksame Abhilfe versprechen oder unverhältnismäßige Aufwendungen<br />

erfordern.“.<br />

107


BGH NJW 1978, Seite 371<br />

- der Anlieger mietete im Oktober 1970 e<strong>in</strong> Ladenlokal<br />

- <strong>in</strong> diesem Zusammenhang hatte der Anlieger bei der Baubehörde angefragt, wann die Arbeiten<br />

enden würden<br />

- der Anlieger erhielt die Auskunft, dass diese im Sommer 1971 abgeschlossen würden, so<br />

dass e<strong>in</strong> ungeh<strong>in</strong>derter Fußgängerverkehr wieder möglich sei<br />

- tatsächlich endeten die Arbeiten erst im Jahre 1973<br />

- BGH: „Der Straßenanlieger kann se<strong>in</strong>er Verpflichtung, bei der Errichtung e<strong>in</strong>es neuen Betriebes<br />

auf ihm erkennbare bevorstehende Bee<strong>in</strong>schränkung des Straßenverkehrs Rücksicht zu<br />

nehmen, dadurch genügen, dass er e<strong>in</strong>e behördliche Auskunft über die Dauer der Beschränkungen<br />

e<strong>in</strong>holt und sich auf diese Auskunft, soweit er ihr vertrauen kann, e<strong>in</strong>richtet...“.<br />

BGH Versicherungsrecht 1998, Seite 504<br />

- der Anlieger betreibt e<strong>in</strong>e PKW- und LKW-Reparaturwerkstatt sowie e<strong>in</strong>e PKW-Waschanlage<br />

- im August 1992 bis August 1994 werden im Bereich der Straße Straßenbauarbeiten durchgeführt<br />

- während dieses Zeitraumes war das Betriebsgelände des Anliegers für Kraftfahrzeuge nur<br />

über e<strong>in</strong>en unbefestigten Feldweg erreichbar<br />

- BGH: „Die Kläger<strong>in</strong> hat unbestritten vorgetragen, die Beklagte sei bei Beg<strong>in</strong>n der Bauarbeiten<br />

selbst davon ausgegangen <strong>–</strong> was sie auch durch die Aufstellung entsprechender Bauschilder<br />

kundgetan habe <strong>–</strong>, dass die Bauarbeiten <strong>in</strong>nerhalb von 3 Monaten durchgeführt werden könnten...<br />

Hat aber der Träger der Straßenbaulast selbst zu erkennen gegeben, dass nach se<strong>in</strong>er<br />

eigenen (ursprünglichen) Erwartung die Arbeiten <strong>in</strong> weit kürzerer Zeit hätten beendet werden<br />

sollen, als dies tatsächlich der Fall war, so ist dies e<strong>in</strong> gewichtiges Indiz dafür, dass die Arbeiten<br />

unverhältnismäßig lange dauerten... Die von der Beklagten vorgebrachten Verzögerungsgründe<br />

<strong>–</strong> Baustopp wegen des Auff<strong>in</strong>dens e<strong>in</strong>er „Tankstellen-Altlast“, Froste<strong>in</strong>bruch im W<strong>in</strong>ter<br />

1992/1993 <strong>–</strong> führten, die Richtigkeit dieses Vorbr<strong>in</strong>gens unterstellt, nach dem eigenen Vortrag<br />

der Beklagten zu e<strong>in</strong>er Unterbrechung der Arbeiten nur im Zeitpunkt von November 1992 bis<br />

Juni 1993. Ausgehend von der ursprünglich <strong>in</strong>s Auge gefassten Bauzeit bleibt e<strong>in</strong>e Überschreitung<br />

des zeitlichen Rahmens um mehr als e<strong>in</strong> Jahr bestehen...“.<br />

108


Übersicht 8 Checkliste bei Mangelhaftigkeiten der Bauausführung/ Muster-<br />

1.<br />

schreiben<br />

Überprüfung, ob der als Mangelhaftigkeit festgestellte Zustand e<strong>in</strong>em Mangel im<br />

Rechtss<strong>in</strong>ne entspricht.<br />

2.<br />

- Abweichung des vertraglichen Sollzustandes vom ausgeführten Istzustand<br />

bzw.<br />

- Verstoß gegen anerkannte Regeln der Technik/des Faches.<br />

Fertigung e<strong>in</strong>er Protokollnotiz über Ort, Zeit und Umstände der Mängelfeststellung,<br />

sowie darüber, durch wen diese erfolgte.<br />

3.<br />

Aufforderung des Bauunternehmens zur Mängelbeseitigung entsprechend Muster<br />

(Beweisbarkeit des Zugangs der Aufforderung sicherstellen).<br />

4.<br />

Je nach Schwere des Mangels können folgende, weitergehende Verfahrensweisen<br />

geboten se<strong>in</strong>:<br />

4.1. Mangel, welcher die Gefahr von Folgeschäden <strong>in</strong> erheblichem Umfange <strong>in</strong><br />

sich birgt: Baustopp bis zur Durchführung der Mängelbeseitigung<br />

4.2. Mangel, welcher Leben oder Gesundheit Dritter oder wesentliche Vermö-<br />

genswerte bedroht: Sofortige Beseitigung, auch durch Drittfirma, wenn<br />

Bauunternehmer nicht tätig wird, ihm Tätigkeit nicht möglich ist und Gefahrenabwehr<br />

kurzfristig erforderlich (Ausnahmefall!)<br />

4.3. Bei Streit über erhebliche Mängel: E<strong>in</strong>schaltung e<strong>in</strong>es Sachverständigen<br />

zur Ursachenfeststellung.<br />

109


5.<br />

Auch nach Mängelbeseitigung erhöhte Kontrolle der Leistungsbereiche, welche<br />

durch das Auftreten von Mängeln gekennzeichnet waren.<br />

6.<br />

F<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e Mängelbeseitigung nicht statt: (teilweiser) Auftragsentzug gemäß Muster<br />

(Beweisbarkeit des Zuganges des Auftragesentzuges sicherstellen).<br />

Muster e<strong>in</strong>er Mängelbeseitigungsaufforderung<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

wir nehmen Bezug auf unseren Auftrag vom .... bezüglich des <strong>Bauvorhaben</strong>s ... Hiermit zeigen wir<br />

folgende festgestellte Mangelhaftigkeiten Ihrer Leistungserbr<strong>in</strong>gung an:<br />

- ...<br />

- ...<br />

- ...(Möglichst exakte Beschreibung der Mangelhaftigkeiten ihrem Ersche<strong>in</strong>ungsbild nach.)<br />

Wir setzen Ihnen hiermit gem. § 4 Nr. 7 VOB/B e<strong>in</strong>e Frist zur Beseitigung sämtlicher oben genannter<br />

Mangelhaftigkeiten bis letztens<br />

...<br />

(exaktes Datum notieren, z. B. „20. Dezember 2001“)<br />

Sollten Sie die von uns gesetzte Mängelbeseitigungsfrist für zu kurz erachten, erbeten wir bis spätestens<br />

... (ca. 2 bis 5 Kalendertage je nach Mängelschwere; wiederum konkrete Datumsangabe), hier<br />

e<strong>in</strong>gehend, die Erklärung, dass Sie die Mangelhaftigkeiten anerkennen und die Benennung e<strong>in</strong>es<br />

Zeitpunktes, bis zu welchem die Mängelbeseitigung abgeschlossen se<strong>in</strong> wird.<br />

Für den Fall fruchtlosen Fristablaufes der gesetzten Mängelbeseitigungsfristen erklären wir, dass wir<br />

Ihnen sodann den oben genannten Auftrag e<strong>in</strong>schließlich aller Nachträge gem. § 8 Nr. 3 VOB/B entziehen<br />

werden. Für diesen Fall erfolgt die Mängelbeseitigung und Fertigstellung der Leistungen durch<br />

e<strong>in</strong>e Drittfirma. Sämtliche Mängelbeseitigungs-, Mehrkosten- und sonstigen Schadensersatzansprüche<br />

gehen zu Ihren Lasten.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

110


- Anmerkungen:<br />

- Das erste Mängelbeseitigungsschreiben kann auch ohne Kündigungsandrohung erfolgen<br />

(Dann ist nach Fristablauf aber ke<strong>in</strong> Kündigungsrecht gegeben und folglich auch ke<strong>in</strong> Recht,<br />

die Mängel selbst oder durch Dritte beseitigen zu lassen.).<br />

Der Auftragsentzug kann auf e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> sich abgeschlossenen Teil der Leistungen beschränkt<br />

werden.<br />

- Zur Beseitigung der Mängel ist e<strong>in</strong>e angemessene Frist zu setzen. Was angemessen ist, wird<br />

nach dem E<strong>in</strong>zelfall bestimmt. Insbesondere ist darauf Rücksicht zu nehmen, welchen Umfang<br />

die Mängelbeseitigungsarbeiten <strong>in</strong> etwa haben werden. Sollten sich aus dem ursprünglichen<br />

Vertrag Fristen ergeben, die sich zur Bewertung der Dauer der Arbeiten heranziehen<br />

lassen, so dürften diese Fristen regelmäßig angemessen se<strong>in</strong>.<br />

- E<strong>in</strong> Auftragsentzug ist mit gesondertem Schreiben zu tätigen (vergleiche Muster); erst mit dem<br />

Zugang dieses Auftragsentzugsschreibens entsteht e<strong>in</strong> Eigenbeseitigungsrecht bezüglich der<br />

Mangelhaftigkeiten.<br />

Muster e<strong>in</strong>er Kündigung gem. §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

mit Schreiben vom ... rügten wir diverse Mangelhaftigkeiten Ihrer Werkleistungen und setzen e<strong>in</strong>e<br />

angemessene Frist gem. § 4 Nr. 7 VOB/B zur Mängelbeseitigung bis ..... Wir mussten feststellen, dass<br />

diese Frist fruchtlos verstrich.<br />

Ankündigungsgemäß entziehen wir Ihnen daher den Auftrag vom ..., Auftrags-Nr.: ...., e<strong>in</strong>schließlich<br />

aller etwaigen Nachträge,<br />

gem. § 8 Nr. 3 VOB/B.<br />

mit sofortiger Wirkung und außerordentlich<br />

Wir werden die Mängelbeseitigung und Fertigstellung der Leistungen durch e<strong>in</strong>e Drittfirma veranlassen.<br />

Sämtliche Mängelbeseitigungskosten, Mehrkosten der Fertigstellung, Schadensersatz- und sonstigen<br />

Ansprüche, <strong>in</strong>sbesondere die Geltendmachung von Vertragsstrafeansprüchen, behalten wir uns<br />

ausdrücklich vor. Selbige werden wir Ihnen gesondert aufgeben.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

111


112


Übersicht 9 Musterschreiben bei unzuverlässigem Nachunternehmer-<br />

e<strong>in</strong>satz<br />

Fristsetzung mit Kündigungsandrohung, §§ 4 Nr. 8, 8 Nr. 3 VOB/B<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

bezüglich unseres Auftrages vom ..., Auftrags-Nr.: ..., mussten wir bei der Begehung des Bauvorha-<br />

bens am ... feststellen, dass die Firma .... dort tätig war und folgende Leistungen erbrachte.... (exakte<br />

Beschreibung der Leistungen).<br />

Wir haben dem E<strong>in</strong>satz dieser Firma als Nachunternehmer nicht schriftlich zugestimmt, § 4 Nr. 8<br />

VOB/B, Ziffer 9 ZVBlE-StB. Die von der genannten Firma getätigten Leistungen könnten dabei durch<br />

sie selbst ausgeführt werden, da ihr Betrieb auf solche Arbeiten e<strong>in</strong>gerichtet ist.<br />

Gem. § 4 Nr. 8 VOB/B fordern wir Sie daher auf, den Nachunternehmere<strong>in</strong>satz der Firma .... zu beenden<br />

und die Leistungen selbst oder durch bestätigte Nachunternehmer auszuführen. Hierfür setzen<br />

wir Ihnen e<strong>in</strong>e Frist bis letztens<br />

...<br />

(Datumsangabe; angemessene Frist; e<strong>in</strong>ige Kalendertage)<br />

Für den Fall fruchtlosen Fristablaufes erklären wir, dass wir Ihnen sodann den oben genannten Auftrag<br />

e<strong>in</strong>schließlich aller Nachträge gem. § 8 Nr. 3 VOB/B entziehen werden. Für diesen Fall erfolgt die<br />

Fertigstellung der Leistungen durch e<strong>in</strong>e Drittfirma. Mehrkosten- und sonstige Schadensersatzansprüche<br />

gehen sodann zu Ihren Lasten.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Der Auftragsentzug hat sodann mit gesondertem Schreiben zu erfolgen.<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

mit Schreiben vom ... rügten wir den E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Nachunternehmers, für den e<strong>in</strong>e schriftliche Zustimmungserklärung<br />

unsererseits nicht vorliegt. Wir setzen <strong>in</strong>soweit e<strong>in</strong>e Frist bis ... diesen vertrags-<br />

113


widrigen Zustand zu beenden. Wir mussten nunmehr feststellen, dass die gesetzte Frist fruchtlos verstrich<br />

und die Firma ... weiter am Ort des <strong>Bauvorhaben</strong>s tätig ist.<br />

Ankündigungsgemäß entziehen wir Ihnen daher den Auftrag vom ..., Auftrags-Nr.:..., e<strong>in</strong>schließlich<br />

etwaiger Nachträge,<br />

gem. 8 Nr. 3 VOB/B.<br />

mit sofortiger Wirkung und außerordentlich<br />

Wir werden die Fertigstellung der Leistungen durch e<strong>in</strong>e Drittfirma veranlassen. Sämtliche Mehrkosten<br />

der Fertigstellung, Schadensersatz- und sonstige Ansprüche, <strong>in</strong>sbesondere die Geltendmachung von<br />

Vertragsstrafeansprüchen, behalten wir uns ausdrücklich vor. Sämtliches werden wir Ihnen gesondert<br />

aufgeben.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

114


Übersicht 10 Musterschreiben bei Leistungsverzug<br />

1. Bei Überschreiten e<strong>in</strong>es Zwischenterm<strong>in</strong>s, der als Vertragsfrist vere<strong>in</strong>bart<br />

wurde<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

wir nehmen Bezug auf unseren Auftrag vom ..., Auftrags-Nr.:... Gemäß dem Bauzeitenplan vom ... war<br />

als Fertigstellungszeitpunkt für die Arbeiten ... der ... festgeschrieben. Wir verweisen auf § ... des Auf-<br />

trages/Vertrages, danach auch die E<strong>in</strong>zelfristen des Bauzeitenplanes als Vertragsfristen gelten.<br />

Da die vere<strong>in</strong>barte Frist überschritten wurde, bef<strong>in</strong>den Sie sich mit der Leistungserbr<strong>in</strong>gung im Ver-<br />

zug.<br />

Gem. § 5 Nr. 4 VOB/B fordern wir Sie daher auf, die nachfolgenden Leistungen<br />

- ...<br />

- ... (exakt beschreiben)<br />

bis letztens<br />

...<br />

(Datumsangabe, angemessene Frist)<br />

fertig zu stellen. Für den Fall fruchtlosen Fristablaufes kündigen wir an, dass wir Ihnen sodann den<br />

oben genannten Auftrag e<strong>in</strong>schließlich aller Nachträge gem. § 8 Nr. 3 VOB/B entziehen werden. Für<br />

diesen Fall erfolgt die Fertigstellung der Leistungen durch e<strong>in</strong>e Drittfirma. Mehrkosten- und sonstige<br />

Schadensersatzansprüche gehen sodann zu Ihren Lasten.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Anmerkung:<br />

Dieses Muster kann angepasst auch für das Überschreiten der Fertigstellungsfrist<br />

als Vertragsfrist verwandt werden.<br />

115


2. Ungenügender E<strong>in</strong>satz von Personal/Material; absehbare Gefahr der Nicht-<br />

e<strong>in</strong>haltung der Fertigstellungsfrist.<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

wir nehmen Bezug auf unseren Auftrag vom ..., Auftrags-Nr.: ... Gem. § ... des Auftrages/Vertrages<br />

wurde zwischen uns der .... als verb<strong>in</strong>dliche Fertigstellungsfrist (Vertragsfrist) für alle Leistungen ver-<br />

e<strong>in</strong>bart.<br />

Bei unserer heutigen Baustellenbegehung mussten wir feststellen, dass Ihrerseits lediglich ... Mitarbei-<br />

ter vor Ort waren. Auch waren ke<strong>in</strong>erlei Masch<strong>in</strong>en/Fahrzeuge vor Ort, damit die dr<strong>in</strong>gend erforderli-<br />

chen Arbeiten der/des ... hätten ausgeführt werden können.<br />

Mit dem derzeitigen Personal- und Materiale<strong>in</strong>satz ist der vere<strong>in</strong>barte Fertigstellungsterm<strong>in</strong> zum ...<br />

offensichtlich gefährdet.<br />

Wir fordern Sie hiermit auf, die Baustelle<br />

unverzüglich, spätestens ab ...<br />

(konkrete Datumsangabe, ca. 3 Kalendertage oder kürzer)<br />

so ausreichend mit Arbeitskräften, Geräten, Gerüsten, Stoffen und Bauteilen zu besetzen, dass der<br />

Fertigstellungsterm<strong>in</strong> zum ... nicht gefährdet wird. (Anmerkung: Soweit sich aus den vertraglichen<br />

Vere<strong>in</strong>barungen konkrete Besetzungszahlen der Baustelle mit Arbeitskräften, Masch<strong>in</strong>en oder<br />

Material ablesen lassen, können hier diese konkreten Anforderungen an die Gegenseite mitgeteilt<br />

werden.).<br />

Für den Fall fruchtlosen Fristablaufes erklären wir, dass wir Ihnen sodann den oben genannten Auftrag<br />

e<strong>in</strong>schließlich aller Nachträge gem. § 8 Nr. 3 VOB/B entziehen werden. Für diesen Fall erfolgt die<br />

Fertigstellung der Leistungen durch e<strong>in</strong>e Drittfirma. Mehrkosten- und sonstige Schadensersatzansprüche<br />

behalten wir uns vor.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

116


3. Kündigungsschreiben<br />

Im Falle des fruchtlosen Fristablaufes ist bei beiden vorgenannten Mustern wiederum<br />

e<strong>in</strong> separates Kündigungsschreiben erforderlich. Dieses ist grundsätzlich vergleichbar<br />

dem Kündigungsschreiben aus den Übersichten 8 und 9 zu gestalten, wobei jeweils<br />

auf die <strong>in</strong> dieser Übersicht unter Ziffer 1) und 2) genannten Musterschreiben<br />

Bezug zu nehmen ist.<br />

117


118


Übersicht 11 Bedenkensanzeigen<br />

� Verpflichtung des Bauunternehmers, Bedenken anzuzeigen, gegen:<br />

- Die vorgesehene Art der Ausführung<br />

- Bestehen von Unfallgefahren<br />

- Vom Auftraggeber gelieferte Stoffe und Bauteile<br />

- Die Leistung anderer (Vor-) Unternehmer.<br />

� Verhaltensweisen der Straßenbauverwaltung auf Bedenkensanzeigen<br />

Ke<strong>in</strong>e Reaktion<br />

(Bedenkensanzeige<br />

bleibt unbeachtet)<br />

- Straßenbauverwaltung<br />

trägt das Risiko<br />

daraus entstehender<br />

Folgen alle<strong>in</strong>,<br />

soweit tatsächlich<br />

Schäden/Mängel<br />

auftreten<br />

- Verletzung der<br />

Amtspflichten zur<br />

Überwachung der<br />

Straßenbauarbeiten<br />

liegt vor<br />

- Folge: eigene Haftung<br />

nach Amtshaftungsgrundsätzen<br />

denkbar<br />

Straßenbauverwaltung<br />

teilt die Bedenken<br />

- bestenfalls den Bauunternehmereigenverantwortlich<br />

über Art und<br />

Weise der Ausräumung<br />

der Bedenken entscheiden<br />

lassen<br />

- Beschränkung auf Mitwirkung<br />

- Kontrolle, ob Bedenken<br />

beendende Maßnahmen<br />

umgesetzt werden<br />

- Folge: Soweit Bauunternehmer<br />

nicht Werkzeug<br />

der Straßenbauverwaltung<br />

<strong>in</strong>folge b<strong>in</strong>dender<br />

Anweisungen<br />

wird, verbleibt es bei<br />

den durchschnittlichen<br />

Amtspflichten, erhöht<br />

um die Kontrolle der<br />

Beseitigung der Umstände,<br />

die zu der Bedenkensanzeigeführten.<br />

119<br />

Straßenbauverwaltung teilt die<br />

Bedenken nicht<br />

- Anordnung der Fortführung der<br />

Arbeiten muss ergehen, da Unterlassen<br />

e<strong>in</strong>er Reaktion schädlich<br />

- Straßenbauverwaltung handelt<br />

aktiv und übernimmt die Verantwortung<br />

für die Art und Weise der<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>gung, da der Bauunternehmer<br />

nur noch als Werkzeug<br />

konkrete Anweisungen umsetzt<br />

- Folge: Möglichkeit der Amtshaftung<br />

nach Grundsätzen der<br />

„Werkzeugtheorie“ eröffnet<br />

Anmerkung:<br />

- hohe Sicherheit muss erreicht<br />

werden, dass Bedenken unberechtigt,<br />

bevor Anordnung ergeht<br />

- nach Anordnung steht dem Bauunternehmer<br />

e<strong>in</strong> Leistungsverweigerungsrecht<br />

grundsätzlich nicht<br />

zu (Ausnahme: E<strong>in</strong>tritt schwerer<br />

Mängel oder Schäden wegen<br />

Nichtbeachtung der Beh<strong>in</strong>derungsanzeige)


120


Übersicht 12 Checkliste Vorbereitung der Bauüberwachung/-koord<strong>in</strong>ierung<br />

Zur Sicherstellung der Erfüllung der Aufgaben der Bauüberwachung/-koord<strong>in</strong>ierung<br />

ist bereits vor Beg<strong>in</strong>n der Bauausführung zu veranlassen:<br />

- Bestimmung e<strong>in</strong>es oder mehrerer Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung,<br />

der/die für die Bauüberwachung und -koord<strong>in</strong>ierung des <strong>Bauvorhaben</strong>s zu-<br />

ständig se<strong>in</strong> sollen.<br />

- Bei mehreren Mitarbeitern ist e<strong>in</strong>e konkrete Abgrenzung der Verantwor-<br />

tungsbereiche erforderlich.<br />

- Es ist klarzustellen, ob der Mitarbeiter die Aufgaben der Bauaufsicht, die den<br />

Bauherren verbliebenen Überwachungsaufgaben, oder beide wahrnehmen<br />

soll.<br />

- Bei größeren <strong>Bauvorhaben</strong> und <strong>in</strong>sbesondere dem Vorhandense<strong>in</strong> mehrerer<br />

Auftraggeber/Bauherren ist zu beachten:<br />

- Bestellung e<strong>in</strong>es Mitarbeiters als Koord<strong>in</strong>ator.<br />

- Erarbeitung e<strong>in</strong>es Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes<br />

(vgl. Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf<br />

Baustellen vom 10.8.1998).<br />

(siehe hierzu: „Handbuch für die Vergabe und Ausführung von<br />

Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-StB), Teil 3)<br />

- In Abhängigkeit von Umfang, Gefahrgeneigtheit der Baumaßnahmen <strong>–</strong> unter<br />

Berücksichtigung der Bauphasen <strong>–</strong> ist e<strong>in</strong> Kontroll- und Überwachungsplan<br />

zu erstellen, der die regelmäßige und ordnungsgemäße Bauüberwachung<br />

ermöglicht.<br />

- Festlegung von Umfang und Häufigkeit der Kontrollen<br />

- Zuordnung zu konkret verantwortlichen Mitarbeitern<br />

- Anweisung zur Protokollierung der Kontrollen und Feststellungen<br />

zu Nachweiszwecken.<br />

121


122


Übersicht 13 Checkliste: Auskünfte an Anlieger<br />

� Grundsätzliche Pflicht zur Auskunft, soweit über Realisierung der Straßenbau-<br />

maßnahme entschieden<br />

� Auskunft nur über übliche Anfragen im beschränkten Umfang h<strong>in</strong>sichtlich<br />

o Dauer der Straßenbaumaßnahme;<br />

o Umfang und Art der Straßenbaumaßnahme;<br />

o Verkehrsführung/Gestaltung von Grundstückszufahrten.<br />

� Auskünfte müssen richtig se<strong>in</strong> (Amtspflicht)!<br />

o Es empfiehlt sich daher, soweit Unsicherheiten bestehen, dies auch <strong>in</strong> der Aus-<br />

kunftserteilung deutlich und gegebenenfalls vorsorglich zum Ausdruck zu br<strong>in</strong>-<br />

gen.<br />

Beispiel:<br />

„... Teilen wir Ihnen auf Ihre Anfrage zur Dauer der Straßenbauarbeiten <strong>in</strong> der ...-<br />

Straße gerne mit:<br />

Nach dem derzeitigen Stand der Bauvorbereitung ist beabsichtigt, dass die Straßen-<br />

bauarbeiten voraussichtlich ... beg<strong>in</strong>nen werden. Die Bauzeit wird nach derzeitigen<br />

Schätzungen ca. ... Monate betragen, wobei Bauzeitenverlängerungen erfahrungs-<br />

gemäß nicht ausgeschlossen werden können...“<br />

� Es empfiehlt sich des weiteren, Anfragen schriftlich zu erbeten, bzw. mündliche<br />

Anfragen schriftlich zu beantworten.<br />

o Gerade der Fall des BGH (NJW 1978, Seite 371 <strong>–</strong> Übersicht 7) offenbart, das<br />

mündliche Aussagen identische Rechtsqualität zu schriftlichen Darstellungen haben<br />

<strong>–</strong> aber was wurde, meist liegt das Ereignis dann lange zurück, tatsächlich gesagt!?<br />

(Beachte dies z. B., <strong>in</strong>soweit zwei Personen persönlich vorsprechen).<br />

� Soweit der angefragte Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung unzuständig für solche<br />

Auskünfte ist, hat er darauf ausdrücklich h<strong>in</strong>zuweisen.<br />

BGH NJW 1978, Seite 371: „... kommt es ... für die Amtshaftung wegen fehlerhafter Auskunft nicht<br />

darauf an, ob sie dem die Auskunft erteilenden Beamten erlaubt war...“ (Der Bundesgerichtshof verlangt<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Fall ausdrücklich, dass der Mitarbeiter die Unzuständigkeit klarstellt.)<br />

123


124


Übersicht 14 Bauüberwachung/-koord<strong>in</strong>ation <strong>in</strong> der Bauphase <strong>–</strong><br />

Fallsammlung<br />

Checkliste (Was ist zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Bauüberwachung/-<br />

koord<strong>in</strong>ierung <strong>in</strong> der Bauphase zu tun?)<br />

1. Verantwortlichkeiten müssen festgelegt se<strong>in</strong>!<br />

- Zuordnung der Bauaufsichts- und Verkehrssicherungspflichten (Überwa-<br />

chung/Koord<strong>in</strong>ierung) an e<strong>in</strong>en oder mehrere Mitarbeiter der Straßenbauver-<br />

waltung müssen erfolgt se<strong>in</strong> und während des gesamten <strong>Bauvorhaben</strong>s be-<br />

stehen.<br />

2. Direkte E<strong>in</strong>griffe und Anordnungen sollten nur vorgenommen werden, wenn Ge-<br />

fahr im Verzug ist!<br />

- Die „Beherrschung“ des <strong>Bauvorhaben</strong>s könnte dazu führen, dass das Bauun-<br />

ternehmen nicht mehr eigenverantwortlich leistet und zum „Werkzeug“ dege-<br />

neriert.<br />

3. Je gefährlicher bzw. <strong>in</strong>tensiver die Baumaßnahmen, desto größer die Überwa-<br />

chungsdichte!<br />

- Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird gerade von der Vorherseh-<br />

barkeit von Gefahren bestimmt.<br />

4. S<strong>in</strong>d Gefahrenquellen bekannt (z. B. Leitungswege, Denkmalschutz für Gebäude<br />

usw.), so ist der Bauunternehmer rechtzeitig zu unterrichten!<br />

125


Fallsammlung<br />

(Beachte: Die Sachverhalte s<strong>in</strong>d teilweise auf die Problematik dieser Ausführungen modifiziert.)<br />

� BGH NJW 1958, Seite 627 ff<br />

Sachverhalt: Abbrucharbeiten <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe weiterer Bebauung<br />

BGH: „... Lässt jemand Arbeiten vornehmen, die mit Gefahren für andere verbunden s<strong>in</strong>d, so<br />

trifft ihn e<strong>in</strong>e entsprechende Aufsichtspflicht. Er hat die Arbeiten daraufh<strong>in</strong> zu überwachen,<br />

dass die verkehrsnotwendigen Schutzmaßnahmen nicht verabsäumt werden... bleibt der Ge-<br />

schäftsherr aber auch ihm (dem Bauunternehmer, Anmerkung des Verfassers) zur Aufsicht<br />

und gegebenenfalls zum E<strong>in</strong>greifen verpflichtet. Das wird namentlich dann anzunehmen se<strong>in</strong>,<br />

wenn der Geschäftsherr Anlass zu Zweifeln hat, ob der Beauftragte den Gefahren und Sicherungserfordernissen<br />

<strong>in</strong> der gebührenden Weise Rechnung trägt.“.<br />

� BGH Versicherungsrecht 1981, Seite 262 ff.<br />

Sachverhalt: Baustellenverkehr (u. a. mit Schwertransportern) wird über e<strong>in</strong>en unbefestigten<br />

Zufahrtsweg geführt; dies wurde bei der Planung auch derart vorgesehen. Der Anlieger dieses<br />

Zufahrtsweges stellt Ansprüche wegen Gebäuderissen.<br />

BGH: „... Im allgeme<strong>in</strong>en braucht sich zwar e<strong>in</strong> Bauherr, der e<strong>in</strong>en zuverlässigen Bauunternehmer<br />

mit der Errichtung e<strong>in</strong>es Bauwerkes beauftragt, nicht darum zu kümmern, ob die bei<br />

der An- und Abfahrt von Materialien und Erde e<strong>in</strong>gesetzten Fahrzeuge des Bauunternehmers<br />

bei Anliegern des Zufahrtsweges vermeidbare Schäden verursachen. Indessen muss er dann<br />

schon bei der Planung des Bauprojekts darauf achten, dass solche Schäden vermieden werden,<br />

und während der Bauarbeiten notfalls sofort e<strong>in</strong>greifen, wenn er ernsthaften Anlass zu<br />

Zweifeln hatte, ob dem Schutz dritter Personen ausreichend Rechnung getragen wird...“.<br />

� BGH Versicherungsrecht 1982, Seite 595 ff.<br />

Sachverhalt: Bau e<strong>in</strong>er Tennishalle; aber wesentlicher Leitsatz für Fragen der Bauüberwachung<br />

BGH: „... Der zunächst Verkehrssicherungspflichtige ist ..., worauf das Berufungsgericht <strong>in</strong>soweit<br />

zutreffend h<strong>in</strong>weist, zu eigenem E<strong>in</strong>greifen verpflichtet, wenn die Tätigkeit des beauftragten<br />

Unternehmers mit besonderen Gefahren verbunden ist, die er selbst sieht oder hätte sehen<br />

müssen, bzw. wenn er Anlass zu Zweifeln hat, ob der von ihm Beauftragte den Gefahren<br />

und Sicherheitserfordernissen <strong>in</strong> der gebührenden Weise Rechnung trägt...“.<br />

� OLG Oldenburg, Versicherungsrecht 1980, Seite 778 ff.<br />

Sachverhalt: An e<strong>in</strong>er Straßenecke bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> ca. 100 jähriger Baum. Diverse Straßenausbauarbeiten<br />

f<strong>in</strong>den auch <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe des Baumes statt. Kurz nach dem Abschluss<br />

der Arbeiten stürzt der Baum auf e<strong>in</strong> Anliegerhaus.<br />

126


OLG: „... Zu den Amtspflichten, die der Stadtgeme<strong>in</strong>de als Träger<strong>in</strong> der Straßenbaulast oblie-<br />

gen, gehört auch die Verpflichtung, die Standfestigkeit von Straßenbäumen zu überprüfen,<br />

ohne dass es hierbei auf das Eigentum an Grund und Boden ankommt... Obschon diese<br />

Schadensursache (Beschädigung der Wurzeln bei den Straßenbauarbeiten, Anmerkung des<br />

Verfassers) nur nach Aufgrabung des den Baum umgebenden Erdreichs entdeckt werden<br />

konnte, ist sie von der Beklagten (der Träger<strong>in</strong> der Straßenbaulast, Anmerkung des Verfas-<br />

sers) zu vertreten. Die Beklagte hätte dafür sorgen müssen, dass im Herbst 1975 anlässlich<br />

der im Auftrag durchgeführten Erdarbeiten das Wurzelwerk des alten Kastanienbaums überprüft<br />

wurde...“.<br />

� OLG Bremen, Versicherungsrecht 1979, Seite 1126 ff.<br />

Sachverhalt: Die Straßenbauverwaltung überträgt Straßenbauarbeiten e<strong>in</strong>schließlich aller Sicherungsmaßnahmen<br />

an e<strong>in</strong>en Bauunternehmer. E<strong>in</strong> Anspruchsteller verunfallt zur Nachtzeit<br />

und behauptet, die Baustelle sei <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>ster Weise ausreichend beleuchtet und gekennzeichnet<br />

gewesen.<br />

OLG: „... Die Verkehrssicherungspflicht erfordert es, dass die zur Absicherung der Gefahrenstelle<br />

erforderlichen Sicherungse<strong>in</strong>richtungen (Verkehrszeichen, Absperrbarken und während<br />

der Nachtzeit Beleuchtung) auch nach ihrer Anbr<strong>in</strong>gung und Inbetriebsetzung <strong>in</strong> Zeitabständen,<br />

die sich nach den jeweiligen Gegebenheiten richten, auf Zustand und Funktion überwacht<br />

werden... Unter den gegebenen Umständen ist ke<strong>in</strong>e Verletzung der Verkehrssicherungspflicht<br />

für e<strong>in</strong>e Baustelle an e<strong>in</strong>er Bundesautobahn dar<strong>in</strong> zu sehen, dass solche Kontrollen<br />

<strong>in</strong> den Abend- und Nachtstunden nicht häufiger als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Abstand von 3 Stunden<br />

durchgeführt wurde; Kontrollen <strong>in</strong> Abständen von 3 Stunden reichen aus... Die Häufigkeit der<br />

erforderlichen Kontrollen muss sich nach den jeweiligen Gegebenheiten richten... Der Senat<br />

hält unter den gegebenen Umständen Kontrollen <strong>in</strong> weniger als 3 Stunden Abstand für nicht<br />

geboten...“.<br />

� OLG Hamm, Versicherungsrecht 2000, Seite 643 ff.<br />

Sachverhalt: vergleichbar mit OLG Bremen, Versicherungsrecht 1979, Seite 1126 ff.<br />

OLG: „... Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat <strong>in</strong>dessen ke<strong>in</strong>e Verletzung dieser<br />

Pflicht ergeben. Der Zeuge G., der seitens der Beklagten (Träger der Straßenbaulast, Anmerkung<br />

des Verfassers) für die Bauaufsicht zuständig war, hat bekundet, er habe an der Baustelle<br />

tägliche mehrere Kontrollgänge durchgeführt und <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch auf die<br />

an der Baustelle getroffenen Verkehrssicherungsmaßnahmen (z. B. Beschilderung und Absperrung)<br />

sowie auf die Signalanlage geachtet. Dabei habe er vor dem Unfall weder selbst<br />

Mängel bei der Funktion der Ampeln wahrgenommen, noch von dritten Personen diesbezügliche<br />

Störmeldungen erhalten...“.<br />

127


� BGH Versicherungsrecht 1973, Seite 417 ff.<br />

Sachverhalt: Die Straßenbauverwaltung überträgt Straßenbaumaßnahmen an e<strong>in</strong>en Bauun-<br />

ternehmer. Der Bauwart M. wird von der Behörde mit der „örtlichen Bauaufsicht“ betraut. E<strong>in</strong><br />

Schacht auf e<strong>in</strong>em Nachbargrundstück wird bei Baggerarbeiten beschädigt.<br />

BGH: „... Die Annahme des Berufungsgerichts, der diese Aufsicht ausübende Bauwart M. habe<br />

se<strong>in</strong>e Amtspflicht gegenüber der Kläger<strong>in</strong> nicht fahrlässig verletzt, beruht auf unzureichender<br />

Würdigung des Sachverhaltes und ist auch durch Rechtsirrtum bee<strong>in</strong>flusst. Es kann hier<br />

auf sich beruhen, <strong>in</strong>wieweit M. sich auf die Erklärungen dreier fachkundiger Bediensteter der<br />

Stadt, der Schacht stamme aus alter Zeit und sei außer Betrieb, hätte verlassen dürfen, wenn<br />

diese Äußerung lediglich diesen Inhalt gehabt hätte. Wie das Berufungsgericht jedoch als unstreitig<br />

ausführt, war dieser Äußerung die Erklärung vorangestellt, dass ihnen die Anlage nicht<br />

bekannt sei. Für den Bediensteten des beklagten Landes musste für die zu treffende Entscheidung<br />

daher die Überlegung im Vordergrund stehen, ob e<strong>in</strong>e auch den städtischen Fachbeamten<br />

unbekannte unterirdische Anlage, die ersichtlich bisher unbeschädigt gewesen war,<br />

<strong>in</strong> verfülltem Zustand belassen werden sollte, ohne weitere Nachforschungen über ihre mögliche<br />

Funktion anzustellen. Die gebotene Rücksichtnahme auf die vermögenswerten Belange<br />

der Eigentümer des Grundstückes, auf dem der Prüfschacht liegt, hätte es m<strong>in</strong>destens erfordert,<br />

bei diesen Eigentümer wegen des Schachts nachzufragen. Unterblieb dieses und machte<br />

der Bauwart des beklagten Landes auch ke<strong>in</strong>en Versuch, se<strong>in</strong>e eigene Fachdienststelle um<br />

weitere Aufklärung und Weisung zu bitten, so war es se<strong>in</strong>e Pflicht, e<strong>in</strong>er möglichen Gefährdung<br />

des Grundstückes dadurch vorzubeugen, dass er die Weisung gab, den Schacht wieder<br />

<strong>in</strong> den vor dem E<strong>in</strong>brechen der Ste<strong>in</strong>e und des Erdreichs vorhanden gewesenen Zustand zu<br />

versetzen...“.<br />

� OLG Frankfurt/Ma<strong>in</strong>, NJW-RR 1989, Seite 660 ff.<br />

Sachverhalt: Es f<strong>in</strong>den Straßenbauarbeiten statt. Die Straßenbauverwaltung hat e<strong>in</strong>en Bauunternehmer<br />

<strong>in</strong>sgesamt beauftragt. Infolge e<strong>in</strong>er Überstauung der Straßenfläche nach starken<br />

Regenfällen dr<strong>in</strong>gt Wasser <strong>in</strong> den Keller e<strong>in</strong>es Anliegerwohnhauses e<strong>in</strong>.<br />

OLG: „... hat e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de im Neubaugebiet die Straßenbauarbeiten zügig und s<strong>in</strong>nvoll koord<strong>in</strong>iert<br />

voranzutreiben. Hierbei hat sie darauf zu achten, das Gefahren für die Bewohner soweit<br />

als möglich vermieden werden. Während der Bauzeit s<strong>in</strong>d die Gefahrenquellen zu beseitigen,<br />

die Dritte nicht rechtzeitig erkennen und denen sie nicht mit zumutbaren Mitteln begegnen<br />

können. Unter diesem Gesichtspunkt bestand für die Beklagten ke<strong>in</strong>e Verpflichtung, im Interesse<br />

der Straßenanlieger und <strong>in</strong>sbesondere des Klägers Vorsorge gegenüber Stauungen<br />

von Niederschlagswasser zu treffen. Der Kläger wusste, dass das Gelände und <strong>in</strong>sbesondere<br />

die Straße zu se<strong>in</strong>em Haus h<strong>in</strong> abschüssig verlief. Ihm war außerdem bekannt, dass die<br />

Straße nicht fertiggestellt war. Wenn er dennoch an dieser Straße bereits e<strong>in</strong> Haus errichtete,<br />

dann war es se<strong>in</strong>e Aufgabe, gegen e<strong>in</strong>e von der unfertigen Straße her drohende Über-<br />

128


schwemmung Vorsorge zu treffen...“. (ACHTUNG: Im konkreten Fall wurde e<strong>in</strong>e Amtspflicht-<br />

verletzung abgelehnt, aber der Inhalt derselben ist umfänglich dargestellt.)<br />

� Def<strong>in</strong>itionen der Verkehrssicherungspflicht:<br />

• „... Ob sich e<strong>in</strong>e Behörde durch die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf e<strong>in</strong>e<br />

Privatperson von dieser Verpflichtung völlig befreien kann, braucht hier nicht entschieden<br />

zu werden. Denn regelmäßig <strong>–</strong> anderes ist dem Vortrag des beklagten Landes auch hier<br />

nicht zu entnehmen <strong>–</strong> will sich e<strong>in</strong>e Behörde dieser Verpflichtung nicht völlig entledigen,<br />

wenn sie e<strong>in</strong>en Bauunternehmer, wie es hier der Fall war, aufgrund e<strong>in</strong>es Vertrages für<br />

die Dauer der Bauarbeiten mit der Sicherung der Baustelle betraut. Damit soll nur e<strong>in</strong>e<br />

zusätzliche Verantwortung neben der des sonst Pflichtigen begründet werden... Bei dem<br />

beklagten Land ist daher trotz der Übertragung der Verkehrssicherungspflicht m<strong>in</strong>destens<br />

die Verpflichtung geblieben, die zur Sicherung des Verkehrs getroffenen Maßnahmen zu<br />

überwachen...“ (BGH <strong>in</strong> NJW 1982, Seite 2187 ff.)<br />

• „... Dem Berufungsgericht kann jedoch <strong>in</strong>soweit nicht gefolgt werden, als es e<strong>in</strong>e schadensursächliche<br />

schuldhafte Pflichtverletzung der zuständigen Bediensteten der Stadt<br />

und des Landes verne<strong>in</strong>t hat, weil die Gefahr, die sich aus dem E<strong>in</strong>leiten des Abwassers<br />

<strong>in</strong> den offenen Straßengraben für das Grundstück des Klägers ergab, nicht nahegelegen<br />

habe. Zwar ist dem Berufungsgericht ... dar<strong>in</strong> zu folgen, dass die Bediensteten der Stadt<br />

und des Landes im Rahmen der ihnen <strong>–</strong> wie ausgeführt <strong>–</strong> obliegenden Pflichten nicht für<br />

alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten e<strong>in</strong>es Schadense<strong>in</strong>trittes Vorsorge treffen<br />

mussten. Das jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen wirksam begegnet<br />

wird, ist nicht erreichbar. Haftungsbegründend kann e<strong>in</strong>e Gefahr erst dann werden,<br />

wenn sich für e<strong>in</strong> sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, das Rechtsgüter<br />

anderer verletzt werden können...“. (BGH <strong>in</strong> NJW 1996, Seite 3208 ff.)<br />

Zusammenfassung<br />

Die Straßenbauverwaltung hat, da sie die Straßenbauarbeiten veranlasst, dafür Sorge zu<br />

tragen, dass von ihrem <strong>Bauvorhaben</strong> ke<strong>in</strong>e Gefahren für Dritte ausgehen. Selbst wenn die<br />

Straßenbauverwaltung Bauplanung, Bauaufsicht und Bauausführung an bewährte Ingenieure<br />

und zuverlässige und leistungsfähige Bauunternehmer überträgt, wird sie nicht vollständig<br />

von ihrer Verantwortung befreit. Sie bleibt vielmehr zum E<strong>in</strong>greifen verpflichtet, wenn Anlass<br />

zu Zweifeln an der Kompetenz der Beauftragten bestehen oder bestehen müssen. Gleiches<br />

gilt, wenn die Tätigkeit mit besonderen Gefahren verbunden ist, die von der Straßenbauverwaltung<br />

erkannt und durch eigene Anweisung abgestellt werden können. Insbesondere ist<br />

e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>greifen geboten, wenn ernstliche Zweifel bestehen, ob die Beauftragten dem Schutz<br />

Dritter ausreichend Rechnung tragen.<br />

129


130


Übersicht 15 Verhalten gegenüber dem Anlieger/Geschädigten nach Scha-<br />

densanzeige<br />

Ausgangssituation: Schadensanzeige geht bei der Straßenbauverwaltung e<strong>in</strong> (Bei-<br />

1.<br />

spiel: Rissbildungen im Außen- und Innenputz)<br />

Der Schadensfall ist <strong>in</strong> jedem Falle konkret aufzunehmen und der für die Bauüberwachung/Koord<strong>in</strong>ation<br />

und Bauaufsicht zuständige Mitarbeiter (bzw. die zuständigen<br />

Mitarbeiter) s<strong>in</strong>d zu <strong>in</strong>formieren.<br />

2.<br />

Die rechtliche Situation ist zu überprüfen.<br />

3.<br />

Da die Beurteilung des Schadens regelmäßig e<strong>in</strong>e Inaugensche<strong>in</strong>nahme voraussetzt<br />

und diese mit dem Anspruchsteller abgestimmt werden muss, sollte selbige s<strong>in</strong>ngemäß<br />

wie folgt vorbereitet werden; <strong>in</strong>soweit f<strong>in</strong>det auch e<strong>in</strong>e Reaktion auf die Schadensanzeige<br />

mit statt:<br />

„Sehr geehrte(r) Frau/Herr ...,<br />

Ihr Schreiben vom ... haben wir erhalten.<br />

Wir möchten bereits jetzt darauf h<strong>in</strong>weisen, dass mit der Ausführung der Straßenbauarbeiten die<br />

Baufirma ... beauftragt wurde. Die Firma ... ist daher für etwaige Schäden ausschließlich verant-<br />

wortlich.<br />

Natürlich haben wir Ihr Schreiben vom ... an die vorgenannte Firma bereits weitergeleitet. Wir<br />

haben die Firma ... angehalten, mit Ihnen kurzfristig e<strong>in</strong>en Vorortterm<strong>in</strong> zu vere<strong>in</strong>baren, damit die<br />

behaupteten Schäden <strong>in</strong> Augensche<strong>in</strong> genommen werden können.<br />

E<strong>in</strong> Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung wird sodann gleichfalls zugegen se<strong>in</strong>. Wir möchten aber<br />

nochmals betonen, dass e<strong>in</strong>e Verantwortung unserer Behörde aus dargelegten Gründen nicht<br />

besteht.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

131


In jedem Falle (wenn nicht der Schadense<strong>in</strong>tritt selbst abgelehnt wird) ist im weiteren<br />

dafür Sorge zu tragen, dass:<br />

5.<br />

- unverzüglich vor Ort die Arbeiten überprüft werden;<br />

- bei unsachgemäßen Arbeiten e<strong>in</strong>geschritten wird, um weitere Schäden zu<br />

vermeiden;<br />

- geprüft wird, ob ger<strong>in</strong>gfügige und ohne wesentliche Aufwendungen reali-<br />

sierbare Änderungen der Bauausführung/des Bauablaufes die Gefahr wei-<br />

terer, umfänglicherer Schäden beseitigen könnten.<br />

Die weiteren Handlungsweisen ergeben sich nach der analysierten Situation:<br />

Ke<strong>in</strong> Schaden<br />

festgestellt<br />

- Mitteilung an<br />

Anspruchsteller,<br />

bestenfalls<br />

durch Bauunternehmenveranlassen;<br />

- soweit Straßenbauverwaltung<br />

antwortet,<br />

ist weiterh<strong>in</strong><br />

klarzustellen,<br />

dass e<strong>in</strong>e Haftung<br />

auch dem<br />

Grunde nach<br />

nicht besteht,<br />

auf den Bauunternehmer<br />

ist zu<br />

verweisen (vergleiche<br />

oben)<br />

Schaden festgestellt<br />

und Bauunternehmer<br />

verantwortlich<br />

- Kontrolle, dass Fortführung<br />

der Arbeiten<br />

ordnungsgemäß und<br />

ohne Befürchtung<br />

neuer Schäden;<br />

- Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

Geschädigter/Bauunternehmer<br />

allenfalls „begleiten“,<br />

ohne eigene Zusagen<br />

zu tätigen<br />

132<br />

Schadensursache ungeklärt<br />

- ke<strong>in</strong>e Verpflichtung zur<br />

Veranlassung sachverständiger<br />

Feststellungen<br />

(Beweissicherung) oder<br />

weitergehender Unterstützung<br />

des Anliegers,<br />

der Schaden behauptet;<br />

- Beachte: Beweislast<br />

beim Anspruchsteller;<br />

- gegebenenfalls kann<br />

Bauunternehmer Gu-<br />

-<br />

tachtenerstellungveranlassen; Bauleitung vor Ort sollte<br />

e<strong>in</strong>e Schadensdokumentation<br />

h<strong>in</strong>sichtlich Verlauf<br />

und Umfang der Schädigung<br />

<strong>in</strong>tern vornehmen,<br />

damit der Sachverhalt<br />

auch späterh<strong>in</strong> stets vollständig<br />

präsent ist und<br />

aufgeklärt werden kann<br />

Straßenbauverwaltung<br />

verantwortlich<br />

- Regelung mit dem<br />

Geschädigten treffen<br />

unter Beachtung der<br />

Ausführungen<br />

Haftungsumfang;<br />

zum<br />

- Anerkenntnisse<br />

meiden!ver


Übersicht 16 weitere Fallgestaltungen bei Schäden während der Baudurch-<br />

führung<br />

� BGH NJW 1981, Seite 50 ff.<br />

„... Geht von dem Füllmaterial e<strong>in</strong>er Kanalisationsanlage auf die angrenzenden Grundstücke<br />

Dra<strong>in</strong>agewirkung mit der Folge aus, dass Setzrisse an Häusern entstehen, so kann der auf<br />

Schadensersatz <strong>in</strong> Anspruch genommene Bauunternehmer, der die Arbeiten durchgeführt hat,<br />

sich nicht damit entlasten, dass die auftraggebende Geme<strong>in</strong>de ihm die Verwendung dieses<br />

Füllmaterials vorgeschrieben habe... Übt e<strong>in</strong>e Körperschaft e<strong>in</strong>e Tätigkeit aus, die ihrer Natur<br />

nach auch auf bürgerlich-rechtlicher Grundlage und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Verhältnis der Gleichordnung<br />

vorgenommen werden kann, so kann sie die Tätigkeit auch privatrechtlich organisieren mit der<br />

Folge, dass sich dann auch die Frage e<strong>in</strong>er Haftung gegenüber Dritten privatrechtlich beurteilt.<br />

Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Körperschaft (Behörde) durch die Art ihres Vorgehens,<br />

<strong>in</strong>sbesondere durch Weisungen und andere starke E<strong>in</strong>flussnahmen, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Form der<br />

Baufirma bedient, dass sie das Verhalten der Firma gegen sich wie eigenes gelten lassen<br />

muss, weil es so angesehen werden kann, wie wenn sie e<strong>in</strong>e hoheitliche Maßnahme durch e<strong>in</strong><br />

Werkzeug oder e<strong>in</strong>en Mittler ausführen ließe. E<strong>in</strong> solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben,<br />

denn der Beklagten (beauftragtes Bauunternehmen, Anmerkung des Verfassers) wurden die<br />

Kanalisationsarbeiten durch privatrechtlichen Werkvertrag ohne b<strong>in</strong>dende Weisungen übertragen...<br />

Die Beklagte durfte sich nicht darauf berufen, dass die Kosten für Bodenuntersuchungen<br />

und die Verdichtung mit anderem Material im Kostenvoranschlag oder im Angebot nicht<br />

enthalten waren...“.<br />

Anmerkung:<br />

Gegebenenfalls kommt e<strong>in</strong>e Haftung der Behörde im Innenverhältnis zum Bauunternehmer <strong>in</strong><br />

Betracht (aber § 4 Nr. 3 VOB/B; Verletzung der Bedenkensanzeigenpflicht). Jedenfalls vermochte<br />

sich der Bauunternehmer nicht zu entlasten.<br />

� OLG Hamm <strong>in</strong> NJW-RR 1991, Seite 601 ff.<br />

„... Zum e<strong>in</strong>en hat die Beklagte (beauftragtes Bauunternehmen, Anmerkung des Verfassers)<br />

weder konkret dargelegt, welche Verdichtung ihr seitens des Kreises O. vorgegeben worden<br />

war. Letztlich ist dies ohneh<strong>in</strong> nicht entscheidend, da alle<strong>in</strong> durch e<strong>in</strong>e behördliche bzw. vertragliche<br />

Vorgabe e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> das Eigentumsrecht der Kläger nicht gerechtfertigt werden<br />

konnte. Zum anderen ist aber ... auch nicht dargelegt, dass e<strong>in</strong>e sach- und fachgerechte Herstellung<br />

der Straße und damit die der Widmung entsprechende Nutzung des Straßengrundstücks<br />

nur bei E<strong>in</strong>haltung der wie auch immer im e<strong>in</strong>zelnen konkretisierten Vorgaben des<br />

Kreises zur Verdichtung des Erdreichs und Schotteruntergrundes erreicht werden konnte, und<br />

das e<strong>in</strong>e den Verkehrsbedürfnissen entsprechende Straße auf ke<strong>in</strong>e andere wirtschaftlich zumutbare<br />

Art und Weise als durch Erfüllung dieser Vorgaben hergestellt werden konnte. Letzt-<br />

133


lich ist es auch dem erkennenden Senat aufgrund se<strong>in</strong>er langjährigen Tätigkeit als Fachsenat<br />

für Bausachen bekannt, dass das erzielbare Maß der Verdichtung nicht von dem Gewicht und<br />

der Schlagstärke und <strong>–</strong>frequenz der gegebenenfalls e<strong>in</strong>gesetzten Vibrationswalze abhängig<br />

ist, sondern <strong>in</strong> erheblichem Maße auch von der Stärke der jeweils aufgebrachten und dann<br />

verdichteten Lagen des Erd-, Schotter- und Splittmaterials. Wäre dieses Material <strong>in</strong> dünneren<br />

Schichten aufgebracht worden, so wäre zwar e<strong>in</strong>e größere Anzahl von Arbeitsgängen erforderlich<br />

gewesen; andererseits hätte aber die Verdichtung mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>eren und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Fernwirkung naturgemäß weniger schadensträchtigen Gerät durchgeführt werden können.<br />

Besondere Gründe, die im vorliegenden Fall e<strong>in</strong>e derartige Arbeitsweise ausnahmsweise nicht<br />

gestatten, s<strong>in</strong>d weder dargelegt, noch sonst ersichtlich. Alle<strong>in</strong> der Umstand, dass e<strong>in</strong>e größere<br />

Anzahl von Arbeitsgängen erforderlich gewesen wäre und die Herstellung dadurch teurer geworden<br />

wäre, rechtfertigt noch nicht die schadensstiftenden Erschütterungsimmssionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Nachbargrundstück... Ihre Haftung (der Beklagten, Anmerkung des Verfassers) wird nicht<br />

gem. Artikel 34 GG i. V. m. § 839 BGB (Amtshaftung, Anmerkung des Verfassers) ersetzt<br />

durch e<strong>in</strong>e solche des Kreises O...“.<br />

Anmerkung:<br />

Die Eigenverantwortlichkeit des Bauunternehmers wird wiederum betont. Jedoch sollte nicht<br />

unbedacht bleiben, dass das Gericht den Schutz des Eigentums herausstellt, soweit alternative<br />

Möglichkeiten der Leistungserbr<strong>in</strong>gung bestehen.<br />

� BGH <strong>in</strong> NJW 1996, Seite 387 ff.<br />

„... Bestehen nach den örtlichen Gegebenheiten Anhaltspunkte für die Existenz privater Versorgungsleitungen<br />

(hier: Antennenkabel) <strong>in</strong> öffentlichem Grund, so muss sich e<strong>in</strong> Bauunternehmer<br />

vor der Durchführung von Baggerarbeiten sorgfältig nach dem Vorhandense<strong>in</strong> und<br />

gegebenenfalls dem Verlauf solcher Leitungen erkundigen...“.<br />

Anmerkung:<br />

E<strong>in</strong> häufiges Problem stellen Beschädigung von Versorgungsleitungen dar, die im Eigentum<br />

e<strong>in</strong>es Anliegers stehen und sich im Bereich der Bauarbeiten bef<strong>in</strong>den. Hier bestehen hohe<br />

Sorgfaltsanforderungen. Die Straßenbauverwaltung sollte stets sicherstellen, dass nachgewiesen<br />

werden kann, dass der Bauunternehmer ausreichend <strong>in</strong>formiert wurde bzw. laut Vertrag<br />

vor Arbeitsbeg<strong>in</strong>n entsprechende Auskünfte e<strong>in</strong>zuholen hatte.<br />

� BGH Versicherungsrecht 1964, Seite 1071 ff.<br />

„... Alle<strong>in</strong> aus dem Umstand, dass sich der Nachbar gegen schädigende Bauarbeiten nicht zur<br />

Wehr gesetzt hat, kann auch nicht se<strong>in</strong>e Zustimmung zu solchen Arbeiten entnommen werden...<br />

Der Umstand, das Erschütterungsschäden bei Bauarbeiten der durchgeführten Art unvermeidlich<br />

s<strong>in</strong>d und das hierbei nicht gegen die Regeln der Baukunst verstoßen worden ist,<br />

134


schließt die Rechtswidrigkeit der über das zulässige Maß h<strong>in</strong>ausgehenden E<strong>in</strong>wirkungen auf<br />

das Nachbargrundstück nicht aus... Das Verschulden muss sich im Rahmen des § 839 BGB<br />

immer auf die Verletzung der Amtspflicht beziehen, wobei es nicht erforderlich ist, dass der<br />

Beamte den aus der Pflichtverletzung entstehenden Schaden voraussah oder voraussehen<br />

konnte... Wie bereits erörtert, lag bei der Planung und Anordnung des <strong>Bauvorhaben</strong>s und der<br />

Beauftragung der Firma H. mit den Durchführungsarbeiten noch ke<strong>in</strong> Anhalt dafür vor, dass<br />

durch diese Maßnahmen vermögenswerte Rechte des Klägers bee<strong>in</strong>trächtigt werden konnten.<br />

Für schuldhafte Amtspflichtverletzungen gegenüber dem Kläger war daher <strong>in</strong>soweit auch noch<br />

ke<strong>in</strong> Raum. Sie konnten erst <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung treten, als sich ergab, dass die Bauarbeiten ...<br />

schädigend auf das benachbarte Grundstück des Klägers e<strong>in</strong>wirkten... Als aber die schädigenden<br />

Folgen der Grundwassersenkung völlig unerwartet <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung traten, wurden<br />

nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von der beklagten Firma H. unverzüglich alle<br />

erforderlichen Maßnahmen zur Abwendung drohender weiterer Schäden getroffen. Es ist daher<br />

nicht ersichtlich, dass <strong>in</strong>soweit die Beamten des beklagten Landes überhaupt irgendwelche<br />

Maßnahmen unterlassen hätten, zu denen sie gegenüber dem Kläger verpflichtet gewesen<br />

wären...“.<br />

Anmerkung:<br />

Die Entscheidung ist <strong>in</strong> vielfacher H<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong>teressant.<br />

Der zunächst untätig bleibende Geschädigte wird dennoch vollumfänglich geschützt.<br />

Auch unvermeidbare Erschüttungsschäden können Haftungen auslösen.<br />

Die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr drohender Gefahren und der Beseitigung e<strong>in</strong>getretener<br />

Gefahren liegen auch bei der Straßenbauverwaltung, grundsätzlich aber weiterh<strong>in</strong> bei<br />

der bauausführenden Firma.<br />

135


136


Anhang:<br />

Texte der zitierten Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches,<br />

der Zivilprozessordnung und des Grundgesetzes<br />

<strong>–</strong> Auszug <strong>–</strong> Stand: 01. August 2001<br />

BGB - § 134. [Gesetzliches Verbot]<br />

E<strong>in</strong> Rechtsgeschäft, das gegen e<strong>in</strong> gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem<br />

Gesetz e<strong>in</strong> anderes ergibt.<br />

BGB - § 138. [1] [Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher]<br />

(1) E<strong>in</strong> Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.<br />

(2) Nichtig ist <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong> Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage,<br />

der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche<br />

e<strong>in</strong>es anderen sich oder e<strong>in</strong>em Dritten für e<strong>in</strong>e Leistung Vermögensvorteile versprechen<br />

oder gewähren lässt, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.<br />

[1] § 138 Abs. 2 neu gef. durch G v. 29. 7. 1976 (BGBl. I S. 2034).<br />

BGB - § 194. [Gegenstand der Verjährung]<br />

(1) Das Recht, von e<strong>in</strong>em anderen e<strong>in</strong> Tun oder e<strong>in</strong> Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt<br />

der Verjährung.<br />

(2) Der Anspruch aus e<strong>in</strong>em familienrechtlichen Verhältnis unterliegt der Verjährung nicht, soweit<br />

er auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustandes für die Zukunft gerichtet<br />

ist.<br />

BGB - § 242. [Leistung nach Treu und Glauben]<br />

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf<br />

die Verkehrssitte es erfordern.<br />

BGB - § 249. [Art und Umfang des Schadensersatzes]<br />

1 Wer zum Schadensersatze verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde,<br />

wenn der zum Ersatze verpflichtende Umstand nicht e<strong>in</strong>getreten wäre. 2 Ist wegen Verletzung e<strong>in</strong>er<br />

Person oder wegen Beschädigung e<strong>in</strong>er Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger<br />

statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.<br />

BGB - § 250. [Schadensersatz <strong>in</strong> Geld nach Fristsetzung]<br />

1 Der Gläubiger kann dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung e<strong>in</strong>e angemessene Frist mit der Erklärung<br />

bestimmen, dass er die Herstellung nach dem Ablaufe der Frist ablehne. 2 Nach dem Ablaufe<br />

der Frist kann der Gläubiger den Ersatz <strong>in</strong> Geld verlangen, wenn nicht die Herstellung rechtzeitig<br />

erfolgt; der Anspruch auf die Herstellung ist ausgeschlossen.<br />

BGB - § 251. [1] [Schadensersatz <strong>in</strong> Geld ohne Fristsetzung]<br />

(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend<br />

ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger <strong>in</strong> Geld zu entschädigen.<br />

(2) 1 Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger <strong>in</strong> Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit<br />

unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. 2 Die aus der Heilbehandlung e<strong>in</strong>es verletz-<br />

137


ten Tieres entstandenen Aufwendungen s<strong>in</strong>d nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie<br />

dessen Wert erheblich übersteigen.<br />

[1] § 251 Abs. 2 Satz 2 angef. durch G v. 20. 8. 1990 (BGBl. I S. 1762).<br />

BGB - § 252. [Entgangener Gew<strong>in</strong>n]<br />

1 Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gew<strong>in</strong>n. 2 Als entgangen gilt der Gew<strong>in</strong>n,<br />

welcher nach dem gewöhnlichen Laufe der D<strong>in</strong>ge oder nach den besonderen Umständen,<br />

<strong>in</strong>sbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit erwartet<br />

werden konnte.<br />

BGB - § 253. [Immaterieller Schaden]<br />

Wegen e<strong>in</strong>es Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung <strong>in</strong> Geld nur <strong>in</strong> den<br />

durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.<br />

BGB - § 254. [Mitverschulden]<br />

(1) (1) Hat bei der Entstehung des Schadens e<strong>in</strong> Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so<br />

hängt die Verpflichtung zum Ersatze sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den<br />

Umständen, <strong>in</strong>sbesondere davon ab, <strong>in</strong>wieweit der Schaden vorwiegend von dem e<strong>in</strong>en oder<br />

dem anderen Teile verursacht worden ist.<br />

(2) 1 Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass<br />

er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr e<strong>in</strong>es ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam<br />

zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen<br />

hat, den Schaden abzuwenden oder zu m<strong>in</strong>dern. 2 Die Vorschrift des § 278 f<strong>in</strong>det<br />

entsprechende Anwendung.<br />

BGB - § 421. [Gesamtschuldner]<br />

1 Schulden mehrere e<strong>in</strong>e Leistung <strong>in</strong> der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet,<br />

der Gläubiger aber die Leistung nur e<strong>in</strong>mal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so<br />

kann der Gläubiger die Leistung nach se<strong>in</strong>em Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu e<strong>in</strong>em<br />

Teile fordern. 2 Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.<br />

BGB - § 422. [Wirkung der Erfüllung]<br />

(1) 1 Die Erfüllung durch e<strong>in</strong>en Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner. 2 Das<br />

gleiche gilt von der Leistung an Erfüllungs Statt, der H<strong>in</strong>terlegung und der Aufrechnung.<br />

(2) E<strong>in</strong>e Forderung, die e<strong>in</strong>em Gesamtschuldner zusteht, kann nicht von den übrigen Schuldnern<br />

aufgerechnet werden.<br />

BGB - § 423. [Wirkung des Erlasses]<br />

E<strong>in</strong> zwischen dem Gläubiger und e<strong>in</strong>em Gesamtschuldner vere<strong>in</strong>barter Erlass wirkt auch für die übrigen<br />

Schuldner, wenn die Vertragschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollten.<br />

BGB - § 424. [Wirkung des Gläubigerverzugs]<br />

Der Verzug des Gläubigers gegenüber e<strong>in</strong>em Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner.<br />

BGB - § 425. [Wirkung anderer Tatsachen]<br />

(1) Andere als die <strong>in</strong> den §§ 422 bis 424 bezeichneten Tatsachen wirken, soweit sich nicht aus<br />

dem Schuldverhältnis e<strong>in</strong> anderes ergibt, nur für und gegen den Gesamtschuldner, <strong>in</strong> dessen<br />

Person sie e<strong>in</strong>treten.<br />

138


(2) Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere von der Kündigung, dem Verzuge, dem Verschulden, von der Unmöglichkeit<br />

der Leistung <strong>in</strong> der Person e<strong>in</strong>es Gesamtschuldners, von der Verjährung, deren Unterbrechung<br />

und Hemmung, von der Vere<strong>in</strong>igung der Forderung mit der Schuld und von dem<br />

rechtskräftigen Urteile.<br />

BGB - § 426. [Ausgleichungspflicht der Gesamtschuldner]<br />

(1) 1 Die Gesamtschuldner s<strong>in</strong>d im Verhältnisse zue<strong>in</strong>ander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit<br />

nicht e<strong>in</strong> anderes bestimmt ist. 2 Kann von e<strong>in</strong>em Gesamtschuldner der auf ihn entfallende<br />

Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten<br />

Schuldnern zu tragen.<br />

(2) 1 Soweit e<strong>in</strong> Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung<br />

verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner<br />

auf ihn über. 2 Der Übergang kann nicht zum Nachteile des Gläubigers geltend gemacht werden.<br />

BGB - § 631. [Begriff]<br />

(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der<br />

Besteller zur Entrichtung der vere<strong>in</strong>barten Vergütung verpflichtet.<br />

(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung e<strong>in</strong>er Sache als<br />

e<strong>in</strong> anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg se<strong>in</strong>.<br />

BGB - § 779. [Begriff; Irrtum über die Vergleichsgrundlage]<br />

(1) E<strong>in</strong> Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewißheit der Parteien über e<strong>in</strong> Rechtsverhältnis<br />

im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach<br />

dem Inhalte des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht<br />

entspricht und der Streit oder die Ungewißheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden<br />

se<strong>in</strong> würde.<br />

(2) Der Ungewißheit über e<strong>in</strong> Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung e<strong>in</strong>es<br />

Anspruchs unsicher ist.<br />

BGB - § 823. [1] [Schadensersatzpflicht]<br />

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum<br />

oder e<strong>in</strong> sonstiges Recht e<strong>in</strong>es anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum<br />

Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. [2]<br />

(2) 1 Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen e<strong>in</strong> den Schutz e<strong>in</strong>es anderen<br />

bezweckendes Gesetz verstößt. 2 Ist nach dem Inhalte des Gesetzes e<strong>in</strong> Verstoß gegen dieses<br />

auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens<br />

e<strong>in</strong>. [3]<br />

[1] Wegen der Entschädigung der Opfer von Gewalttaten beachte G über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten<br />

(OpferentschädigungsG <strong>–</strong> OEG) idF der Bek. v. 7. 1. 1985 (BGBl. I S. 1).<br />

[2] Haftung auch ohne Verschulden mit Ausnahme von höherer Gewalt: HaftpflichtG idF der Bek. v. 4. 1. 1978 (BGBl. I<br />

S. 145) StraßenverkehrsG v. 19. 12. 1952 (BGBl. I S. 837); LuftverkehrsG idF der Bek. v. 14. 1. 1981 (BGBl. I S. 61)<br />

mit späteren Änderungen; AtomG idF der Bek. v. 15. 7. 1985 (BGBl. I S. 1565).<br />

[3] Wegen des gesetzlichen Überganges der Schadensersatzforderungen vgl. §§116 und 117Sozialgesetzbuch<br />

Zehntes Buch (SGB X) v. 18. 8. 1980 (BGBl. I S. 1469), geänd. durch G v. 4. 11. 1982 (BGBl. I S. 1450), Art. 5 RentenreformG<br />

1992 v. 18. 12. 1989 (BGBl. I S. 2261) und Art. 9 AFRG v. 24. 3. 1997 (BGBl. I S. 594):<br />

(1) 1 E<strong>in</strong> auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz e<strong>in</strong>es Schadens geht auf den<br />

Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen<br />

zu erbr<strong>in</strong>gen hat, die der Behebung e<strong>in</strong>es Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben<br />

139


Zeitraum wie der v. Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen.2 Dazu gehören auch die Beiträge, die<br />

von Sozialleistungen zu zahlen s<strong>in</strong>d.<br />

(2) Ist der Anspruch auf Ersatz e<strong>in</strong>es Schadens durch G der Höhe nach begrenzt, geht er auf den Versicherungsträger<br />

oder Träger der Sozialhilfe über, soweit er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten<br />

oder se<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>terbliebenen erforderlich ist.<br />

(3) 1 Ist der Anspruch auf Ersatz e<strong>in</strong>es Schadens durch e<strong>in</strong> mitwirkendes Verschulden oder e<strong>in</strong>e mitwirkende<br />

Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe von<br />

dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem<br />

v.hundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist.2 Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch<br />

durch G der Höhe nach begrenzt ist.3 Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder<br />

se<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>terbliebenen dadurch hilfebedürftig im S<strong>in</strong>ne der Vorschriften des BundessozialhilfeGes werden.<br />

(4) Stehen der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz e<strong>in</strong>es Schadens tatsächliche H<strong>in</strong>dernisse entgegen, hat<br />

die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und se<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>terbliebenen Vorrang vor den übergegangenen<br />

Ansprüchen nach Absatz 1.<br />

(5) Hat e<strong>in</strong> Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe auf Grund des Schadensereignisses dem Geschädigten<br />

oder se<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>terbliebenen ke<strong>in</strong>e höheren Sozialleistungen zu erbr<strong>in</strong>gen als vor diesem Ereignis, geht <strong>in</strong><br />

den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 und 2 der Schadensersatzanspruch nur <strong>in</strong>soweit über, als der geschuldete<br />

Schadensersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens des Geschädigten oder se<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>terbliebenen<br />

erforderlich ist.<br />

(6) 1 E<strong>in</strong> Übergang nach Absatz 1 ist bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch Familienangehörige, die im<br />

Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder se<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>terbliebenen <strong>in</strong> häuslicher Geme<strong>in</strong>schaft<br />

leben, ausgeschlossen.2 E<strong>in</strong> Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann dann nicht geltend gemacht werden,<br />

wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder e<strong>in</strong>em H<strong>in</strong>terbliebenen nach E<strong>in</strong>tritt des Schadensereignisses<br />

die Ehe geschlossen hat und <strong>in</strong> häuslicher Geme<strong>in</strong>schaft lebt.<br />

(7) 1 Haben der Geschädigte oder se<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>terbliebenen von dem zum Schadensersatz Verpflichteten auf e<strong>in</strong>en<br />

übergegangenen Anspruch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der<br />

Sozialhilfe Leistungen erhalten, haben sie <strong>in</strong>soweit dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe die erbrachten<br />

Leistungen zu erstatten.2 Haben die Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der<br />

Sozialhilfe ke<strong>in</strong>e befreiende Wirkung, haften der zum Schadensersatz Verpflichtete und der Geschädigte oder<br />

dessen H<strong>in</strong>terbliebene dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe als Gesamtschuldner.<br />

(8) Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach, s<strong>in</strong>d vorbehaltlich<br />

der Absätze 2 und 3 je Schadensfall für nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und<br />

Verbandmitteln fünf v. Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu ersetzen.<br />

(9) Die Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>er Pauschalierung der Ersatzansprüche ist zulässig.<br />

(10) Die Bundesanstalt für Arbeit gilt als Versicherungsträger im S<strong>in</strong>ne dieser Vorschrift.<br />

1 Haben im E<strong>in</strong>zelfall mehrere Leistungsträger Sozialleistungen erbracht und ist <strong>in</strong> den Fällen des § 116 Abs. 2<br />

und 3 der übergegangene Anspruch auf Ersatz des Schadens begrenzt, s<strong>in</strong>d die Leistungsträger Gesamtgläubiger.2<br />

Untere<strong>in</strong>ander s<strong>in</strong>d sie im Verhältnis der von ihnen erbrachten Sozialleistungen zum Ausgleich verpflichtet.3<br />

Soweit jedoch e<strong>in</strong>e Sozialleistung alle<strong>in</strong> von e<strong>in</strong>em Leistungsträger erbracht ist, steht der Ersatzanspruch<br />

im Innenverhältnis nur diesem zu.4 Die Leistungsträger können e<strong>in</strong> anderes Ausgleichsverhältnis vere<strong>in</strong>baren.<br />

” Für die Haftung e<strong>in</strong>es Unternehmers bei Arbeitsunfällen vgl. §§ 636 ff. Reichsversicherungsordnung (abgedruckt<br />

<strong>in</strong> Anm. zu § 618 BGB).<br />

BGB - § 831. [Haftung für den Verrichtungsgehilfen]<br />

(1) 1 Wer e<strong>in</strong>en anderen zu e<strong>in</strong>er Verrichtung bestellt, ist zum Ersatze des Schadens verpflichtet,<br />

den der andere <strong>in</strong> Ausführung der Verrichtung e<strong>in</strong>em Dritten widerrechtlich zufügt. 2 Die Ersatzpflicht<br />

tritt nicht e<strong>in</strong>, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und,<br />

sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung<br />

zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt<br />

beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden se<strong>in</strong><br />

würde.<br />

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung<br />

e<strong>in</strong>es der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.<br />

140


BGB - § 836. [Haftung bei E<strong>in</strong>sturz e<strong>in</strong>es Gebäudes]<br />

(1) 1 Wird durch den E<strong>in</strong>sturz e<strong>in</strong>es Gebäudes oder e<strong>in</strong>es anderen mit e<strong>in</strong>em Grundstücke verbundenen<br />

Werkes oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des Werkes e<strong>in</strong><br />

Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit e<strong>in</strong>es Menschen verletzt oder e<strong>in</strong>e Sache beschädigt,<br />

so ist der Besitzer des Grundstücks, sofern der E<strong>in</strong>sturz oder die Ablösung die Folge<br />

fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist, verpflichtet, dem Verletzten den<br />

daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2 Die Ersatzpflicht tritt nicht e<strong>in</strong>, wenn der Besitzer<br />

zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat.<br />

(2) E<strong>in</strong> früherer Besitzer des Grundstücks ist für den Schaden verantwortlich, wenn der E<strong>in</strong>sturz<br />

oder die Ablösung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Jahres nach der Beendigung se<strong>in</strong>es Besitzes e<strong>in</strong>tritt, es sei<br />

denn, dass er während se<strong>in</strong>es Besitzes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat<br />

oder e<strong>in</strong> späterer Besitzer durch Beobachtung dieser Sorgfalt die Gefahr hätte abwenden können.<br />

(3) Besitzer im S<strong>in</strong>ne dieser Vorschriften ist der Eigenbesitzer.<br />

BGB - § 839. [1] [2] [Haftung bei Amtspflichtverletzung]<br />

(1) 1 Verletzt e<strong>in</strong> Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm e<strong>in</strong>em Dritten gegenüber obliegende<br />

Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2 Fällt dem<br />

Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann <strong>in</strong> Anspruch genommen werden,<br />

wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.<br />

(2) 1 Verletzt e<strong>in</strong> Beamter bei dem Urteil <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rechtssache se<strong>in</strong>e Amtspflicht, so ist er für den<br />

daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Straftat besteht. 2 Auf e<strong>in</strong>e pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des<br />

Amtes f<strong>in</strong>det diese Vorschrift ke<strong>in</strong>e Anwendung.<br />

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht e<strong>in</strong>, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat,<br />

den Schaden durch Gebrauch e<strong>in</strong>es Rechtsmittels abzuwenden.<br />

[1] § 839 Abs. 2 Satz 1 geänd. durch G v. 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469). <strong>–</strong> §§ 839 aufgeh. durch § 34 Abs. 1 Nr. 1<br />

StaatshaftungsG v. 26. 6. 1981 (BGBl. I S. 553). Weil jedoch das StaatshaftungsG durch Entsch. des BVerfG v. 19.<br />

10. 1982 <strong>–</strong> 2 BvF 1/81 <strong>–</strong> (BGBl. I S. 1493 = NJW 1983, 25) <strong>in</strong> vollem Umfang für nichtig erklärt worden ist, gelten die<br />

§§ 839 und 841 BGB <strong>in</strong> ihrer bisherigen Fassung weiter.<br />

[2] Vgl. hierzu auch Art. 34GG. Wegen der Haftung der Notare siehe §§ 19, 46 und 61 BNotO v. 24. 2. 1961 (BGBl. I<br />

S. 98).<br />

BGB - § 840. [1] [Haftung mehrerer]<br />

(1) S<strong>in</strong>d für den aus e<strong>in</strong>er unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebene<strong>in</strong>ander<br />

verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.<br />

(2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatze des von e<strong>in</strong>em anderen<br />

verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der andere für den Schaden verantwortlich, so ist<br />

<strong>in</strong> ihrem Verhältnisse zue<strong>in</strong>ander der andere alle<strong>in</strong>, im Falle des § 829 der Aufsichtspflichtige<br />

alle<strong>in</strong> verpflichtet.<br />

(3) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 833 bis 838 zum Ersatze des Schadens verpflichtet<br />

ist, e<strong>in</strong> Dritter für den Schaden verantwortlich, so ist <strong>in</strong> ihrem Verhältnisse zue<strong>in</strong>ander der<br />

Dritte alle<strong>in</strong> verpflichtet.<br />

[1] § 840 Abs. 1 geänd. durch G v. 29. 11. 1952 (BGBl. I S. 780, ber. S. 843).<br />

BGB - § 847. [1] [Schmerzensgeld]<br />

(1) Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung<br />

kann der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, e<strong>in</strong>e billige<br />

Entschädigung <strong>in</strong> Geld verlangen.<br />

141


(2) E<strong>in</strong> gleicher Anspruch steht e<strong>in</strong>er Frauensperson zu, gegen die e<strong>in</strong> Verbrechen oder Vergehen<br />

wider die Sittlichkeit begangen oder die durch H<strong>in</strong>terlist, durch Drohung oder unter Mißbrauch<br />

e<strong>in</strong>es Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt<br />

wird.<br />

[1] § 847 Abs. 1 Satz 2 aufgeh. durch G v. 14. 3. 1990 (BGBl. I S. 478).<br />

BGB - § 852. [1] [2] [Verjährung]<br />

(1) Der Anspruch auf Ersatz des aus e<strong>in</strong>er unerlaubten Handlung entstandenen Schadens verjährt<br />

<strong>in</strong> drei Jahren von dem Zeitpunkt an, <strong>in</strong> welchem der Verletzte von dem Schaden und der<br />

Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis <strong>in</strong> dreißig<br />

Jahren von der Begehung der Handlung an.<br />

(2) Schweben zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten Verhandlungen über<br />

den zu leistenden Schadensersatz, so ist die Verjährung gehemmt, bis der e<strong>in</strong>e oder der andere<br />

Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.<br />

(3) Hat der Ersatzpflichtige durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt,<br />

so ist er auch nach der Vollendung der Verjährung zur Herausgabe nach den Vorschriften<br />

über die Herausgabe e<strong>in</strong>er ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.<br />

[1] § 852 Abs. 2 e<strong>in</strong>gef., bish. Abs. 2 wird Abs. 3 durch G v. 16. 8. 1977 (BGBl. I S. 1577).<br />

[2] Beachte hierzu auch Art. 6 und 12 G zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvere<strong>in</strong>barungen v. 18. 8. 1961<br />

(BGBl. II S. 1183).<br />

BGB - § 862. [Besitzstörungsanspruch]<br />

(1) 1 Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitze gestört, so kann er von dem Störer<br />

die Beseitigung der Störung verlangen. 2 S<strong>in</strong>d weitere Störungen zu besorgen, so<br />

kann der Besitzer auf Unterlassung klagen.<br />

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger<br />

gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz <strong>in</strong> dem letzten Jahre vor der Störung erlangt<br />

worden ist.<br />

BGB - § 903. [1] [Befugnisse des Eigentümers]<br />

1 Der Eigentümer e<strong>in</strong>er Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen,<br />

mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder E<strong>in</strong>wirkung ausschließen. 2 Der Eigentümer<br />

e<strong>in</strong>es Tieres hat bei der Ausübung se<strong>in</strong>er Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz<br />

der Tiere zu beachten.<br />

[1] § 903 Satz 2 angef. durch G v. 20. 8. 1990 (BGBl. I S. 1762).<br />

BGB - § 906. [1] [2] [Zuführung unwägbarer Stoffe]<br />

(1) 1 Der Eigentümer e<strong>in</strong>es Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen,<br />

Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von e<strong>in</strong>em anderen Grundstück<br />

ausgehende E<strong>in</strong>wirkungen <strong>in</strong>soweit nicht verbieten, als die E<strong>in</strong>wirkung die Benutzung<br />

se<strong>in</strong>es Grundstücks nicht oder nur unwesentlich bee<strong>in</strong>trächtigt. 2 E<strong>in</strong>e unwesentliche Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

liegt <strong>in</strong> der Regel vor, wenn die <strong>in</strong> Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten<br />

Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten E<strong>in</strong>wirkungen<br />

nicht überschritten werden. 3 Gleiches gilt für Werte <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>en Verwaltungsvorschriften,<br />

die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden s<strong>in</strong>d und<br />

den Stand der Technik wiedergeben.<br />

(2) 1 Das gleiche gilt <strong>in</strong>soweit, als e<strong>in</strong>e wesentliche Bee<strong>in</strong>trächtigung durch e<strong>in</strong>e ortsübliche Benutzung<br />

des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verh<strong>in</strong>dert<br />

werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar s<strong>in</strong>d. 2 Hat der Eigentümer<br />

hiernach e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks<br />

142


e<strong>in</strong>en angemessenen Ausgleich <strong>in</strong> Geld verlangen, wenn die E<strong>in</strong>wirkung e<strong>in</strong>e ortsübliche Benutzung<br />

se<strong>in</strong>es Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß h<strong>in</strong>aus bee<strong>in</strong>trächtigt.<br />

(3) Die Zuführung durch e<strong>in</strong>e besondere Leitung ist unzulässig.<br />

[1] § 906 neu gef. durch G v. 22. 12. 1959 (BGBl. I S. 781), Abs. 1 Sätze 2 und 3 angef. durch G v. 21. 9. 1994 (BGBl.<br />

I S. 2457).<br />

[2] Vgl. ferner § 14 Bundes-ImmissionsschutzG v. 14. 5. 1990 (BGBl. I S. 880): “1 Auf Grund privatrechtlicher, nicht<br />

auf besonderen Titeln beruhender Ansprüche zur Abwehr benachteiligender E<strong>in</strong>wirkungen von e<strong>in</strong>em Grundstück auf<br />

e<strong>in</strong> benachbartes Grundstück kann nicht die E<strong>in</strong>stellung des Betriebs e<strong>in</strong>er Anlage verlangt werden, deren Genehmigung<br />

unanfechtbar ist; es können nur Vorkehrungen verlangt werden, die die benachteiligenden Wirkungen ausschließen.2<br />

Soweit solche Vorkehrungen nach dem Stand der Technik nicht durchführbar oder wirtschaftlich nicht vertretbar<br />

s<strong>in</strong>d, kann lediglich Schadenersatz verlangt werden.<br />

BGB - § 907. [Gefahrdrohende Anlagen]<br />

(1) 1 Der Eigentümer e<strong>in</strong>es Grundstücks kann verlangen, dass auf den Nachbargrundstücken<br />

nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist,<br />

dass ihr Bestand oder ihre Benutzung e<strong>in</strong>e unzulässige E<strong>in</strong>wirkung auf se<strong>in</strong> Grundstück zur<br />

Folge hat. 2 Genügt e<strong>in</strong>e Anlage den landesgesetzlichen Vorschriften, die e<strong>in</strong>en bestimmten<br />

Abstand von der Grenze oder sonstige Schutzmaßregeln vorschreiben, so kann die Beseitigung<br />

der Anlage erst verlangt werden, wenn die unzulässige E<strong>in</strong>wirkung tatsächlich hervortritt.<br />

(2) Bäume und Sträucher gehören nicht zu den Anlagen im S<strong>in</strong>ne dieser Vorschriften.<br />

BGB - § 908. [Drohender Gebäudee<strong>in</strong>sturz]<br />

Droht e<strong>in</strong>em Grundstücke die Gefahr, dass es durch den E<strong>in</strong>sturz e<strong>in</strong>es Gebäudes oder e<strong>in</strong>es anderen<br />

Werkes, das mit e<strong>in</strong>em Nachbargrundstücke verbunden ist, oder durch die Ablösung von Teilen<br />

des Gebäudes oder des Werkes beschädigt wird, so kann der Eigentümer von demjenigen, welcher<br />

nach dem § 836 Abs. 1 oder den §§ 837, 838 für den e<strong>in</strong>tretenden Schaden verantwortlich se<strong>in</strong> würde,<br />

verlangen, dass er die zur Abwendung der Gefahr erforderliche Vorkehrung trifft.<br />

BGB - § 909. [Vertiefung]<br />

E<strong>in</strong> Grundstück darf nicht <strong>in</strong> der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die<br />

erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass für e<strong>in</strong>e genügende anderweitige Befestigung gesorgt<br />

ist.<br />

BGB - § 1004. [Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch]<br />

(1) 1 Wird das Eigentum <strong>in</strong> anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes<br />

bee<strong>in</strong>trächtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

verlangen. 2 S<strong>in</strong>d weitere Bee<strong>in</strong>trächtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung<br />

klagen.<br />

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. [1]<br />

[1] Vgl. § 14 Bundes-ImmissionsschutzG (abgedruckt <strong>in</strong> Anm. zu § 906 BGB).<br />

ZPO - § 287. [Schadensermittlung u. dgl.]<br />

(1) 1 Ist unter den Parteien streitig, ob e<strong>in</strong> Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden<br />

oder e<strong>in</strong> zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter<br />

Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. 2 Ob und <strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong>e beantragte Beweisaufnahme<br />

oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen<br />

sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. 3 Das Gericht kann den Beweisführer über<br />

den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2<br />

bis 4 gelten entsprechend.<br />

143


(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 s<strong>in</strong>d bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch <strong>in</strong><br />

anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe e<strong>in</strong>er Forderung<br />

streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit<br />

Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung <strong>in</strong><br />

ke<strong>in</strong>em Verhältnis stehen.<br />

GG - Art. 14. [Eigentum, Erbrecht und Enteignung]<br />

(1) 1 Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. 2 Inhalt und Schranken werden durch<br />

die Gesetze bestimmt.<br />

(2) 1 Eigentum verpflichtet. 2 Se<strong>in</strong> Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgeme<strong>in</strong>heit dienen.<br />

(3) 1 E<strong>in</strong>e Enteignung ist nur zum Wohle der Allgeme<strong>in</strong>heit zulässig. 2 Sie darf nur durch Gesetz<br />

oder auf Grund e<strong>in</strong>es Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. 3 Die<br />

Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgeme<strong>in</strong>heit und der Beteiligten<br />

zu bestimmen. 4 Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg<br />

vor den ordentlichen Gerichten offen.<br />

GG - Art. 34. [Haftung bei Amtspflichtverletzung]<br />

1 Verletzt jemand <strong>in</strong> Ausübung e<strong>in</strong>es ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm e<strong>in</strong>em Dritten gegenüber<br />

obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft,<br />

<strong>in</strong> deren Dienst er steht. 2 Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten.<br />

3 Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche<br />

Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.<br />

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