Rede von Helmuth Koopmann - SPD Hatten
Rede von Helmuth Koopmann - SPD Hatten
Rede von Helmuth Koopmann - SPD Hatten
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Jubiläumsfeier OV <strong>Hatten</strong><br />
Liebe Genossinnen und Genossen,<br />
wenn man sich daran macht, für einen solchen Abend eine <strong>Rede</strong> zu<br />
entwerfen, so ist die erste Überlegung, welchen Tenor diese <strong>Rede</strong><br />
haben soll.<br />
Für eine 60-Jahr-Feier bietet sich natürlich die Darstellung eines<br />
chronologischen Ablauf der Entwicklung an. Und da beginnt die<br />
erste Schwierigkeit. Aus der Zeit der Gründung und danach bis in<br />
das Jahr 1971 gibt es im Ortsverein <strong>Hatten</strong> keine parteiinternen<br />
Unterlagen mehr, aus denen man einen solchen Abriss erstellen<br />
könnte. Es lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, bei wem und<br />
aus welchem Grund die Unterlagen auf der Strecke geblieben sind.<br />
Es gibt zwar Mutmaßungen, aber diese lassen sich nicht bestätigen.<br />
Unsere Genossin Uta Wilms hat sich in mühevoller Kleinarbeit in<br />
den letzten Wochen und Monaten im Ratshauskeller mit den alten<br />
Ratsunterlagen, sofern sie nicht <strong>von</strong> Mäusen angefressen waren oder<br />
gänzlich fehlten, auseinandergesetzt und sich dabei dem Thema der<br />
Außenwirkung der Hatter <strong>SPD</strong> in Gemeinderat und Gesellschaft<br />
genähert und dabei Einiges aus der Zeit der Gründung zu Tage<br />
gefördert, was die schwierigen Lebensverhältnisse <strong>von</strong> damals<br />
widerspiegelt. Uta wird uns gleich noch einmal etwas daraus zum<br />
Besten geben.<br />
Hinter den Recherchen steht auch der Anspruch, die 60 Jahrfeier<br />
des Ortsvereins mit einer Festschrift zu begleiten. Da uns der<br />
Wahlkampf zur Zeit übermäßig in Anspruch nimmt, müssen wir die<br />
Veröffentlichung auf einen späteren Termin verschieben. In dieser<br />
Festschrift werdet Ihr auch all die wichtigen Daten nachlesen<br />
können, die Ihr vielleicht heute zu Hören erwartet habt, mit denen<br />
ich Euch aber leider nicht aufwarten kann.<br />
Also musste meine <strong>Rede</strong> einen anderen Tenor bekommen und was<br />
liegt da näher, als sich an seine eigene <strong>SPD</strong> Geschichte zu erinnern.<br />
Die umfasst, wie man sieht, sicherlich noch keine 60 Jahre aber,<br />
wenn man wie ich bereits mit 20 Jahren in die Partei eintritt und<br />
heute 54 Jahre alt ist, kommt man auch schon annähernd auf<br />
35 Jahre Parteigeschichte. Aber eigentlich ist diese Geschichte älter<br />
und beginnt mit meiner Geburt.<br />
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Jubiläumsfeier OV <strong>Hatten</strong><br />
Ich bin in einem streng sozialdemokratischen Haushalt<br />
aufgewachsen, mein Vater war Tischler und seit seiner Ausbildung<br />
bis zu seinem Tod im Jahre 1992 in Gewerkschaft und Partei<br />
organisiert und die Tatsache in einem Arbeiterhaushalt<br />
aufzuwachsen, hat die damaligen Lebensverhältnisse stark geprägt.<br />
Die 48-Stundenwoche an 6 Arbeitstagen, die Vielzahl der<br />
Überstunden, das Pendeln aus einem Vorort <strong>von</strong> Brake zur Werft<br />
nach Elsfleth und zurück haben dafür gesorgt, dass ich meinen Vater<br />
erst am späten Abend zu Gesicht bekam, man aß gemeinsam<br />
Abendbrot, danach ging es in die eigene Werkstatt oder in den<br />
Gemüsegarten, der einen großen Teil unserer<br />
Lebensmittelversorgung ausmachte.<br />
Geld war knapp, wurde freitags ausgezahlt und reichte meist nicht<br />
bis zum Ende der Woche. Traditionell gab es über Jahre nach dem<br />
Erhalt der Lohntüte am Freitagabend eine Dose Tomatenfisch, die<br />
auf die 5 Familienmitglieder aufgeteilt wurde, wobei der<br />
„Haushaltsvorstand“, der „Ernährer“ schon einmal einen größeren<br />
Teil zugesprochen bekam. Fleisch war auf den Sonntag beschränkt,<br />
den Rest der Woche gab es Gemüseeintöpfe, heute noch eine<br />
Leibspeise für mich. An Festtagen gab es Kaninchenbraten, die Tiere<br />
wurden in unserem Garten gehalten und <strong>von</strong> uns Kindern versorgt<br />
und gepflegt.<br />
Die Tatsache, dass unser Vater durch den Kampf der<br />
Gewerkschaften und der Partei irgendwann am Samstag uns<br />
gehörte, (das war der damalige Slogan der Gewerkschaften: „Am<br />
Samstag gehört unser Vati uns“), führte dazu, dass wir unseren Vater<br />
am Samstagmorgen zeitunglesend in der Küche antrafen. Er war<br />
politisch sehr stark interessiert und kommentierte die meisten<br />
Meldungen mit einem häufig bissigen Kommentar.<br />
Durch nach und nach erkämpfte Lohnerhöhung verbesserte sich<br />
unsere finanzielle Lage etwas. Mein ältester Bruder schaffte es, die<br />
Aufnahmeprüfung am Gymnasium in Brake zu bestehen. Er war das<br />
einzige Arbeiterkind in seiner Klasse und hatte stark unter den<br />
Vorurteilen der Lehrer zu leiden. Es gab keine Lehrmittelfreiheit,<br />
das mehr an Geld musste nun in die Schulausbildung gesteckt<br />
werden. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gab es noch nicht, krank<br />
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Jubiläumsfeier OV <strong>Hatten</strong><br />
werden bedeutete eine weitere finanzielle Einbuße. Als ich sieben<br />
Jahre später 1962 auch nach einer Aufnahmeprüfung das<br />
Gymnasium besuchen durfte, war der Anteil der Arbeiter- und<br />
Bauernkinder schon erheblich gestiegen betrug aber vielleicht<br />
gerade 20%. Die Vorurteile der Lehrer waren aber immer noch zu<br />
spüren.<br />
In unserem Hause wurde viel über Politik diskutiert und als durch<br />
Willi Brandt eine gewisse Euphorie, gepaart mit der Hoffnung auf<br />
gesicherte Lebensverhältnisse entstand, war es für mich nur<br />
selbstverständlich der <strong>SPD</strong> beizutreten.<br />
Die nach 1972 arbeiterfreundlichere Gesetzgebung, der Anspruch<br />
allen Teilen der Bevölkerung die gleichen Bildungschancen<br />
einzuräumen, die paritätische Beteiligung der Arbeiter an den<br />
betrieblichen Entscheidungen, eine gesetzlich geregelte und tariflich<br />
ausgeweitete Vermögensbildung sind nur einige Beispiele der<br />
politischen Errungenschaften aus dieser Zeit.<br />
Auch die soziale Absicherung wurde in dieser Zeit stark verbessert.<br />
Die zunehmende Globalisierung im letzten Jahrzehnt verstärkt<br />
allerdings immer mehr den Druck auf die Arbeitnehmer in diesem<br />
Land und hat leider an vielen Stellen schon wieder zu einer<br />
Verschlechterung der Lebensverhältnisse geführt. Dieses zu<br />
verhindern ist denke ich die wichtigste Aufgabe <strong>von</strong> uns<br />
Sozialdemokraten und wird uns in der Zukunft denke ich ähnliche<br />
Kämpfe abfordern, wie sie für unsere Väter gang und gebe waren.<br />
Genossen stellen wir uns der Aufgabe.<br />
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