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Wie schon bei der erfolgreichen Produktion - Volkstheater

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KaleidosKop <strong>der</strong> illusionen<br />

Theater ist eine Illusionsmaschine. Theatermenschen sind Illusionisten. Im<br />

Gegensatz zur virtuellen Medienwelt, die ihre Konsumenten ins Schein-<br />

Leben beamt, spielen wir mit <strong>der</strong> Illusion. Wir stellen sie her, lassen Sonne,<br />

Mond und Sterne auffahren, krönen Kaiser und stürzen Könige. Wir inszenieren<br />

ein Happy End, wo keines möglich ist. Wir lassen uns mit dem Teufel<br />

ein, wie <strong>der</strong> desillusionierte Wissenschaftler im Urfaust. Wir spielen Gott<br />

wie in George Taboris Goldberg-Variationen und erzeugen dennoch kritische<br />

Distanz. Das Publikum weiß, dass die Zimmerwände auf <strong>der</strong> Bühne<br />

aus Pappe sind und die realen Menschen, die sich darin bewegen, im Alsob-Verfahren<br />

agieren.<br />

Die Illusionen sind wi<strong>der</strong>sprüchlich: Sie machen das Leben – scheinbar –<br />

leichter und bunter. Sie sind Schrittmacher falscher Utopien und Motor für<br />

ideologischen Missbrauch. Sie können führen und verführen, täuschen und<br />

enttäuschen.<br />

In den Spiegel <strong>der</strong> Illusionen stelle ich unsere Theaterar<strong>bei</strong>t in <strong>der</strong> Saison<br />

2012/13. Mit unserem wun<strong>der</strong>baren Ensemble und spannenden Regisseur-<br />

Innen jonglieren wir mit Klassik und Experiment, Zirkus und Drama, oft auf<br />

<strong>der</strong> Folie von Musik, und scheuen keine Mühen, Ihnen von Gratwan<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> menschlichen Existenz und <strong>der</strong> aktuellen Befindlichkeit <strong>der</strong><br />

Gesellschaft zu erzählen.<br />

Heute bestimmt <strong>der</strong> Schein das Bewusstsein. Eine ganze Generation surft<br />

glamourös auf dem Promiparkett und erklärt „soziale Aufmerksamkeit“ zur<br />

Leitwährung. Castingformate handeln mit trügerischen Vorstellungen von<br />

Celebrity, Geld und Erfolg.<br />

Umso größer ist die Aktualität von Peter Turrinis Stück Der Riese vom<br />

Steinfeld, mit einem Außenseiter als Antihelden, <strong>der</strong> sich, von illusionären<br />

Versprechungen verführt, ins Unglück führen lässt.<br />

Ein ähnliches Thema behandelt Mein Freund Harvey, ein Spiel um pure Irrealität,<br />

mit <strong>der</strong>en Hilfe sich die Realität ertragen lässt. Wir wollen das trügerische<br />

Glück gefeierter Stars beleuchten und erzählen die Geschichte <strong>der</strong><br />

rastlosen <strong>Wie</strong>ner Chansonsängerin Greta Keller und ihrer internationalen<br />

Karriere in Bon Voyage. Wir führen am Beispiel <strong>der</strong> Comedian Harmonists<br />

vor, wie <strong>der</strong> harmonische Schein im Rampenlicht unvermittelt hinter den<br />

Kulissen endet: Der Mikrokosmos Theater als Modell für das sich ankündigende<br />

Zerbrechen einer Gesellschaft im Zeichen eines totalitären Regimes.<br />

Illusion und Politik – ein ewiges Spannungsfeld. Ein Exempel dafür stellt<br />

die illusionäre Politik <strong>der</strong> jungen 2. Republik dar, die Österreich als „Insel<br />

<strong>der</strong> Seligen“ voller Blumenwiesen und Zuckerberge verkaufte, um den<br />

faschistischen Untergrund zu verdecken. Wo lässt sich die Doppelgesichtigkeit<br />

des Marzipanstaates besser entlarven als in <strong>der</strong> Ralph Benatzky-<br />

Operette Im Weißen Rössl? Korruption und Machtmissbrauch sind nicht nur<br />

mögliche Folgen, sie können auch zur Falle werden, zum Spielfeld <strong>der</strong><br />

Selbsttäuschung, wie es Nikolaj Gogol zeitlos in seiner Komödie Der<br />

Revisor vorexerziert.<br />

In unserem Kaleidoskop <strong>der</strong> Illusionen dürfen zwischenmenschliche Beziehungen<br />

nicht fehlen, sie sind Minenfeld <strong>der</strong> Enttäuschungen und Schauplatz<br />

von Fiktionen. Dass sie ihren Ursprung in <strong>der</strong> Familie nehmen, wissen<br />

wir spätestens seit Sigmund Freud.<br />

In einem Experiment mit SchauspielerInnen und Laien wollen wir das illusionsreiche<br />

Verhältnis zwischen Eltern und Kin<strong>der</strong>n ausloten, ohne im Vorhinein<br />

zu planen, wohin die Reise in Jacqueline Kornmüllers neuem Stück<br />

führt, welche Gräben sich zwischen den Generationen auftun.<br />

Und: Wir führen Ihnen die Konsequenz politischer und privater Desillusionierung<br />

vor, den Zerfall <strong>der</strong> Werte und Beziehungsarmut in kapitalistischer<br />

Kälte. Es gibt keinen Autor, <strong>der</strong> die Familie als Gegenmodell zur Tyrannei<br />

<strong>der</strong> Ökonomie vielschichtiger, zeitgemäßer und auch illusionsloser darstellt<br />

als Tony Kushner. In seinem Ratgeber für den intelligenten Homo-<br />

sexuellen zu Kapitalismus und Sozialismus mit Schlüssel zur Heiligen Schrift<br />

läuft alles im trauten Kreis ab: Liebe, Hass und Verrat, Geld, Sex und Klassensolidarität.<br />

Die Jungen verspielen die alten Werte.<br />

Um die Illusion und Desillusion in <strong>der</strong> „Liebe“ kümmern wir uns in einer<br />

neuen Dramatisierung von Anna Karenina: Armin Petras nimmt Leo Tolstoj<br />

<strong>bei</strong>m Wort.<br />

In diesem Sinne lade ich Sie herzlich ein zu unserem Theaterabenteuer<br />

2012/13!<br />

Ihr<br />

Michael schottenberg

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