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STEINE DES MONATS

Was stumme Zeugen über Waberns spannende Vergangenheit erzählen

2006/2007 veröffentlichte die „Wabern

Post“ zwölf Mal spannende Geschichten

über Waberns uralte Vergangenheit. Der

renommierte Waberer Geologe und

emeritierte Professor der Universität

Bern, Dr. Toni Labhart, brachte mit

seinen fachkundigen und unterhaltsamen

Geschichten stumme Zeugen zum

sprechen und liess die Leserschaft immer

wieder staunen über bisher unbeachtete

Steine in unserer nächsten Umgebung.

In diesem Separatdokument präsentiert

die Wabern Post noch mal alle zwölf

Geschichten über Steine des Monats.

Ein herzliches Dankeschön dem Autor,

Prof. Toni Labhart!

Redaktion Wabern Post

Eine Serie der Wabern Post 2006/07

Von Prof. Toni Labhart, Wabern

Toni Labhart hat bei geologischen Kartierarbeiten im

Urnerland auf dem Wallenburfirn einen Moränenblock

aus verfaltetem Gneis entdeckt.


Wabern Post, Nr. 5-2006

Toni Labhart versteht die Sprache der Steine

Prof. Toni Labhart und ein kleiner Geologe (Bild Franziska Scheidegger)

Wenn die Wabern Post in dieser Nummer mit

einer Reihe über „Steine des Monats“ beginnt,

kann sie das nur dank eines Dolmetschers

tun. Auf Anfrage hat sich der Berner

Geologieprofessor Toni Labhart bereit erklärt,

in Kurzporträts die Geschichten eines

Dutzends der nur scheinbar stummen

steinigen „Waberer“ zu erzählen.

Steine sind Steine. Aber nicht, wenn der Geologe

Toni Labhart in der Nähe ist. Dann beginnt der

Findling bei der Bächtelen von der Eiszeit zu

berichten, die Küchenabdeckung stellt richtig,

dass sie ein Granit und kein Marmor ist, der

hübsche rot-grüne Stein am Aareufer im Eichholz

gibt eine Episode aus der Erdgeschichte zum

besten, und vor dem Altersheim Weyergut besinnt

sich der unscheinbare Kalksteinblock mit den

weissen Adern an seine Verwandtschaft mit dem

Abendmahlstisch in der Heiliggeistkirche.

Ein Name und das Fragen geht los

Seit gut vier Jahrzehnten befasst sich Toni

Labhart mit (Ge)Steinen. Er arbeitet die Fakten

wissenschaftlich auf, ordnet sie und erzählt sie

weiter: bis 1998 als Honorarprofessor für Mineral-

und Gesteinskunde an der Universität Bern. Als

Spezialist, der in vierzig Feldsommern geologischer

Geländearbeit in den Alpen unter anderem

sechshundert Quadratkilometer Urneralpen kartiert

hat; als Neat-Experte und als Verfasser

zahlreicher Publikationen.

Toni Labhart, welche Bedeutung messen Sie

einem schlichten Waberer Steinbrocken zu?

Toni Labhart: Keine geringere als einem Stein an

einem spektakulären Ort wie dem Grand Canyon,

am Ätna oder am Mount Everest. Natürlich fand

ich es faszinierend, diese Wallfahrtsorte der

Geologie zu besuchen; aber man braucht nicht

dorthin auf Exkursion zu gehen, um die Sprache

der Steine zu verstehen. Geologie liegt überall

buchstäblich vor der Haustüre, auch in Wabern.

Was sagt Ihnen die Geologie?

Ich sehe vorerst einmal - wie mancher Nicht-

Geologe auch - was für eine Gesteinsart ich vor

mir habe. Aber mit der Namensgebung beginnt ja

die Arbeit erst. Es ist ein bisschen wie im Krimi:

Das Opfer kann nicht (mehr) reden, aber der

erfahrene Geo-Kriminal-Hauptkommissar findet

die nötigen Indizien zur Beweisführung über den

Hergang der Tat respektive die Herkunft des

Gesteins. Und wie im Krimi gibt es bei uns

manchmal falsche Spuren und Irrwege.

Haben Sie ein Beispiel für eine solche

Geschichte?

Nehmen wir den Findling bei der Einfahrt zum

asphaltierten Parkplatz Chly Wabere, dem der

erste Beitrag der Steine-Reihe gewidmet ist. Sie

erkennen seine Struktur, Grösse, Form, seine

Farben, den Mineralbestand: eindeutig ein Granit.

Aber was für einer? Woher stammt er? Wie ist er

entstanden? Wie kam er hierher? Da finden Sie

sich in Ihrer Vorstellung plötzlich an einem Tag

vor dreihundert Millionen Jahren wieder und

rekonstruieren aufgrund Ihres Wissens den Weg

bis zu jenem Augenblick in der Gegenwart, als im

Verlauf der Bauarbeiten auch der Mensch - wohl

ein schimpfender Baggerführer - noch seinen Teil

zum heutigen Standort des Findlings beitrug.

Spannend wird diese Entdeckerarbeit für Toni

Labhart dadurch, dass es auf der ganzen Welt

keine zwei gleichen Steine gebe. Zwar könne er

feststellen: In Wabern finden sich Aaregranit,

Gasterngranit, bunter Habkerngranit, Berninagranite,

Gneise, Schiefer, Alpenkalke, Kalksandsteine,

Molasse-Sandsteine, Flyschsandsteine,

Nagelfluh, Quarzite, Radiolarit, vulkanische

Gesteine - aber jeder sei ein Unikat.

Hören wir richtig? Vulkanisches Gestein in

unserer Region?

Stimmt. Im Eichholzgeröll gibt es Material aus

Nagelfluhschichten. Darin sind Teile aus längst


abgetragenen alpinen Einheiten gespeichert,

darunter eben auch solche vulkanischer Natur.

Der Zeitraum, den Sie mit dem Geologenhammer

erforschen, erscheint ziemlich weitläufig.

Gewiss. Weil Geologie immer auch mit

Erdgeschichte zu tun hat. Nicht nur mit dem

begrenzten Stück Menschheitsgeschichte. Ein

Gestein ist Teil eines Kreislaufs. Dieser endet

nicht mit der Ankunft unseres Findlings auf dem

Parkplatz Chly Wabern. Die nächste Eiszeit wird

kommen, nimmt ihn mit, bringt Neues. Was wird

hier in 10’000 Jahren von ihm zurück bleiben?

Trotz seines ehrwürdigen Alters haben Beton,

Stahl und Glas dem Stein als Baumaterial den

Rang abgelaufen.

Verwendbarkeit ist ja nur ein Teilbereich. Der

Stein als solcher hat von seiner Faszination nichts

verloren. Schauen Sie sich die Kinder an, aber

auch die Erwachsenen, was sie zum Teil von

Ferien, Wanderungen und Bergtouren heimschleppen.

Gerade grosse Blöcke haben die

Fantasie der Menschen seit jeher beflügelt und

Der Stein des Monats

Auf Gletschers Rücken nach Chly Wabere

Beim Parkplatz zwischen dem Restaurant

Maygut und der Migros liegt ein mächtiger, 5 bis

6 Tonnen schwerer Granitblock. Trotz

Sprayfarbspuren sind in dem kompakten Gestein

die altbekannten Granitbestandteile Quarz,

Feldspat und Glimmer gut erkennbar. Das

Gestein ist ein Aaregranit von der Grimsel; ganz

ähnlicher Fels ist mir von Klettertouren in den

Gelmerhörnern her vertraut. In nächster

Nachbarschaft treffe ich auf weitere Bekannte

aus dem Oberland: Neben der Telefonkabine

liegt ein Gneis aus dem Sustengebiet, daneben

ein rostbrauner Sandkalkstein vom Männlichen.

Alle diese Blöcke sind Findlinge, die nach dem

Rückzug des eiszeitlichen Aaregletschers in

Wabern wie auch im übrigen Mittelland in grosser

Zahl liegen geblieben sind. Die meisten von ihnen

sind bei der Urbarmachung des Landes

weggeräumt, gesprengt und oft auch zu Bau- oder

Mühlsteinen verarbeitet worden. Aus der

Teufelsburdi, einem Granitblock oberhalb des

Gurtenbühls, sind um 1826 die Fundamentquader

für das Grosse Zuchthaus in Bern gewonnen

worden. Von ihr hat der Burdiweg seinen Namen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind

viele Findlinge unter Schutz gestellt worden.

Heute ver-wendet man die dekorativen Blöcke

gerne in der Umge-bungsgestaltung von

Überbauungen, und sei es nur - wie hier - um

Parkplatzraum wirksam abzugrenzen.

wurden mit Überirdischem und Mystischem in

Zusammenhang gebracht: Menhire, Stonehenge,

Obelisken, die Kashba in Mekka, die Teufelsburdi,

Kindlisteine, der Zwerglistein. Ich könnte mir

vorstellen, in der Wabern Post-Serie auch einmal

über einen Grabstein nachzudenken.

Eigentlich steckt Toni Labhart mitten in seinen

wissenschaftlichen Arbeiten über Berner Steine.

Steine, die wiederum Geschichten erzählen: über

das jeweilige Können und den Stand der Technik

der Steinhauer, Steinmetzen, Bildhauer; über

Zeitgeschmack und Modeströmungen; über

Handelsbeziehungen und die Bedeutung der

Verkehrsverbindungen. Die Redaktion der

Wabern Post freut sich deshalb besonders über

die Bereitschaft des in Wabern wohnhaften

Forschers, seine nächste geologische Umgebung

zu porträtieren. Herzlichen Dank schon jetzt!

Christine Iselin-Kobler

Wabern zur Eiszeit

Mehr als eine Million Jahre lang lag über Wabern

eine Eisschicht, die bis zu einen Kilometer Dicke

erreichte. In dieser Zeit hat der Gletscher aus

dem Sandstein des Untergrundes die heutigen

Geländeformen herausmodelliert: die Mulde des

Aaretals und den Gurten als gigantischen

Rundhöcker. Bei seinem Rückzug ins Oberland

vor etwa 12’000 Jahren hat der Aaregletscher

dicke Schichten Grundmoräne, Gletscherfluss-

Ablagerungen und eben die zahllosen Findlinge

zurückgelassen.

Granitblock im Maygut. (Bild H.R. Pulver)


Wabern Post Nr. 6-2006

Der Stein des Monats

Von der Eigernordwand ins Altersheim

Die beim Altersheim Weyergut auf den Ortsbus

wartenden Leute nehmen den kleinen unscheinbaren

Findling aus grauem Kalkstein mit seinem Netz von

weissen Adern nicht wahr. Auch dann nicht, wenn er

sich bei Regen und Nebel plötzlich in attraktivem

Tiefschwarz und Schneeweiss präsentiert.

Das Gestein ist der so genannte Hochgebirgskalk, der

im Berner Oberland viele der höchsten Berge aufbaut,

unter anderem Wetterhorn, Eiger, Gspaltenhorn,

Blümlisalphorn, Doldenhorn und Altels. Kein Wunder

also, dass das Material auch unter den Findlingen des

Aaregletschers weit verbreitet war.

Seine Struktur ist typisch für Kalksteine aus den

nördlichen Alpen. Durch die Kräfte bei der Alpenfaltung

ist der schwarze Kalkstein zerrissen worden;

anschliessend sind die Spalten durch Niederschläge

aus heissen Wässern - reiner, weisser Kalkstein -

verheilt worden.

Block Altersheim. Foto: Hans-Ruedi Pulver

Im 18. und 19. Jh. hat dieses Material als „Wilder

Marmor" die Aufmerksamkeit der Bildhauer gefunden.

Vater und Sohn Johann Friedrich Funk I und II haben

daraus einige attraktive Kamineinfassungen

geschaffen. (Die Funkstrasse wurde nach dem Sohn

benannt, der 1790 das Haus Morillontreppe 50 gekauft

hat). Und wer vom Weyergut mit Bus und Tram zum

Bahnhof fährt, kann auf einem kleinen Abstecher in die

Heiliggeistkirche den prachtvollen Tauftisch von

François Calame aus dem Jahr 1729 bewundern.

Toni Labhart

Abendmahlstisch Heiliggeistkirche (Foto: Hans-Ruedi

Pulver)


Wabern Post Nr. 7/8-2006

Der Stein des Monats

Ein angeschnittener Moränenwall

Wer die steilen Wegkurven von der Bächtelen

Richtung Gurten hinaufsteigt, trifft auf dem ersten

Plateau linkerhand auf eine Kiesgrube. Darin

findet sich eine etwas chaotische Ansammlung

von Sand, Kies und grossen Blöcken, darunter

auch typische Findlingsgesteine wie Aaregranit

und wilder Marmor (Beiträge 1 und 2). Beim

Studium der Geländeformen merkt man, dass hier

ein Moränenwall angeschnitten ist. Dieser setzt

sich gegen Süden in den Wald fort und bildet dort

die Verflachung, auf der mehrere grosse Findlinge

liegen, vorab der vielen Waberern bekannte

Zwerglistein.

Wir stehen auf der linken Seitenmoräne des

Aaregletschers aus der Zeit, in der seine Zunge

im Bereich der Stadt Bern lag; das ist das Bern-

Stadium der Wissenschaftler. Und mit etwas

Der Aaregletscher im Bern-Stadium (Modell). Pfeilspitze:

chtelen. Foto: T. Labhart

Fantasie kann man sich vorstellen, wie Wabern

und die Stadt Bern vom Eis überdeckt sind, und

sich die Aare vom Gletschertor in gewundenem

Lauf einen Weg durch das öde Gletschervorfeld

sucht.

Der Zwerglistein ist ein unter Schutz stehender

Gneisblock aus dem Oberhasli. Im Inventar heisst

er nüchtern Schalenstein, dies wegen der vielen,

von Menschenhand angebrachten napfförmigen

Vertiefungen. Wer jetzt an Druiden, Blutopfer und

wilde Sonnwendnächte denkt, muss wohl seine

Fantasie zügeln: bei der ersten Beschreibung des

Blocks vor 130 Jahren durch den guten

Beobachter Prof. Bachmann waren die Schalen

noch nicht vorhanden. Moderne Druiden?

Toni Labhart

Am Gletscherrand Foto: Hans-Ruedi Pulver


Wabern Post Nr. 9-2006

Der Stein des Monats

Worauf Waberer Häuser stehen

Wer im Vorbeigang einen neugierigen Blick in

eine Waberer Baugrube wirft, wird in aller Regel

nicht den Sandstein des Untergrundes sehen,

sondern lockere Kies-, Sand- und Tonschichten,

die manchmal rundliche Gesteinsblöcke mit

eigenartigen Kratzspuren enthalten. Dieser Baugrund

- charakteristisch für das ganze schweizerische

Mittelland - ist eiszeitlichen Ursprungs.

Ursprünglich hat wohl eine zusammenhängende,

einige 10m dicke Grundmoränenschicht das

ganze Gebiet überzogen. Am Gurten blieb sie

erhalten, während sie im tieferen Teil von Wabern

von den Gletscherbächen des sich zurückziehenden

Aaregletschers verschwemmt und mit

Gletscherbachablagerungen („fluvioglazialen

Schottern") durchmischt worden ist.

Nur in wenigen Waberer Baugruben ist man unter

den glazialen Bildungen auf kompakten Molassesandstein

gestossen, so 1982 beim Bau des

Gymnasiums Lerbermatt.

Es wird Zeit, dass wir uns auf die Suche nach

diesen Meeresablagerungen machen.

Toni Labhart

Fluvioglaziale Ablagerungen über Molassesandstein. Baugrube Gymnasium Lerbermatt 1982. Foto T. Labhart

Gekritztes Geschiebe aus Grundmoräne. Baugrube Wohnoase Weyergut 2004. Foto T. Labhart


Wabern Post Nr. 10-2006

Der Stein des Monats

Im Waberer Untergrund

Der Gurten ist geologisch gesehen ein

gigantischer Gletscher-Rundhöcker aus Sandstein,

der aber weitgehend von Grundmoräne

überdeckt ist. Aber an einigen wenigen Stellen ist

der Felsuntergrund freigelegt. Spazieren wir etwa

von Chly Wabere am Heim Meyezyt vorbei erst

bergwärts und dann auf dem Weg nach rechts,

stossen wir am Waldrand auf flachgelagerte

Sandsteinschichten. Hier wurden auch schon

Schalen von Meeresmuscheln und einzelne

Haifischzähne gefunden, was diesem Aufschluss

im Geologischen Atlas einen Stern ("Fossilfundstelle")

eingetragen hat.

Die Entstehung dieser Sandsteine geht zurück auf

eine Phase der Alpenfaltung in der Tertiärzeit vor

rund 20 Millionen Jahren. Der Raum des heutigen

Mittellandes wurde damals von einem untiefen

subtropischen Meer bedeckt. Mächtige Flüsse

brachten von Süden Abtragungsschutt aus den

werdenden Alpen in dieses Molassemeer.

Versteinerte Schalen von Meeresmuscheln. Foto T. Labhart

Das grobe Geröll blieb auf Deltas am Alpenrand

liegen (das ist die heutige Nagelfluh am

Thunersee oder im Napfgebiet). Der Sand wurde

weit ins Becken hinein verschwemmt und

verfestigte sich später zum Berner Sandstein,

dem historischen Baumaterial der Stadt Bern.

20 Millionen Jahre? Kann das stimmen oder ist

das Geologenlatein? Hier an diesem Waldrand

hat mir einmal ein Exkursionsteilnehmer erklärt:

das glaube ich einfach nicht, das sind Märchen,

die Geologen haben sowieso schon immer alles

Mögliche behauptet. Recht hatte er insofern, als

dass man dem Sandstein sein hohes Alter nicht

einfach ansieht. Aber es stimmt, ehrlich! Wir

Wissenschaftler haben in langer Arbeit die

Entstehungsgeschichte und das Alter der Schichtfolgen

erforscht, regional, gesamtschweizerisch,

europa- und weltweit.

Toni Labhart


Wabern Post Nr. 11-2006

Der Stein des Monats

Steht das Berner Münster auf Wabererstein?

Die Gebäude und Kellereien der ehemaligen

Gurten-brauerei sind bergseits in die

Abbaunischen eines alten Steinbruchs

hineingebaut. Eine grobe Abschätzung ergibt ein

ausgebrochenes Volumen von zwischen 200’000

und 300’000 Kubikmetern Sandstein. Auch wenn

man davon ausgeht, dass nur etwa die Hälfte

davon einen guten Baustein ergab, ist das noch

immer eine respektable Menge. Sie ist ganz

überwiegend für Bauten der Stadt Bern verwendet

worden.

Der Steinbruch von Wabern gehört möglicherweise

zu den ältesten Berner Sandsteinbrüchen.

Der erste Münsterbaumeister Matthäus Ensinger

liess auf die Grundsteinlegung des Berner

Münsters hin 1421 „den gurten vorne rüten

(roden)“. Bis heute ist man sich nicht sicher, ob

das sich nun auf Wabern oder den Spiegel

bezieht. Auch später heisst es oft einfach „vom

Gurten“. Verbürgt ist die (Wieder-)Eröffnung des

Waberer Bruchs durch einen Jacob Beck 1674. Er

lieferte offenbar gutes Material, denn die „gruben

des harten gesteins zu waberen“ waren für

obrigkeitliche Gebäude reserviert, Private durften

nur mit Sonderbewilligung bedient werden. Belegt

sind Lieferungen an den Zwischentrakt des

Rathauses (1678-1680), an die Alte Hochschule

(1682-1684), die 1905 dem Casino weichen

musste, sowie an die Alte Münz (1789-1792).

Eine Skizze aus dem Jahr 1854 zeigt den Bruch

noch in vollem Betrieb. 1862 wurde das Areal von

Jakob Juker erworben, der hier eine Brauerei

errichtete.

Toni Labhart


Wabern Post Nr. 12-2006

Stein des Monats

Bewegte Aarekiesel

Kies, Sand und Wasser sind überall auf der Welt

eine attraktive Kombination, auch bei uns im

Eichholz. Das ganze Jahr hindurch animieren der

feine Sand und die rundgeschliffenen Kiesel

Kinder wie Erwachsene zu vergnüglichen und

erfreulich unproduktiven Aktivitäten wie Graben

und Bauen, Steine in die Aare werfen oder übers

Wasser schiefern, Gerölle sammeln und die

vielfältigen Farben bestaunen - Mammi lueg wie

schön!

Kies und Sand sind vom Wasser transportierte,

gerundete und zerkleinerte Steine. Dieser

Flusstransport ist eine dynamische

Angelegenheit, ein immer währender Wechsel

von Abtragung, Transport, Ablagerung und

Weitertransport, entscheidend abhängig von der

Fliessgeschwindigkeit des Wassers. Das ist im

Eichholz gut zu sehen. Auf der Innenseite der

weiten Flussschleife, wo das Wasser langsamer

fliesst, wird die grosse Kiesbank abgelagert. Auf

der Dählhölzliseite hingegen erodiert der Fluss, so

dass man das Ufer mit Blöcken schützen muss.

Auf dieser Seite kann man beim Schwimmen

manchmal das Rumpeln der Steine auf dem

Flussboden hören; Geröll kommt eben von Rollen!

Bei Hochwasser führt die braune Aare gewaltige

Massen von Sand und Schlick mit sich. Ein kleiner

Teil davon wird jeweils im Auenwald und am Rand

der Liegewiese deponiert. Alles andere wird

weiter verfrachtet, zum Teil bis ins Wattenmeer

der Nordsee.

Und woher kommen denn nun all diese Steine?

Aus dem Berner Oberland vielleicht? Wie oft in

der Geologie ist die Sache etwas komplizierter.

Toni Labhart


Wabern Post Nr. 1-2007

Stein des Monats

Woher die Eichholzgerölle wirklich kommen

Wer immer im Eichholz Steine sammelt, den

faszinieren vor allem die bunten Exemplare.

Gesteinskundige können ihnen einen Namen

geben: rote und grüne Granite, rote Radiolarite

(ehemalige Tiefseesedimente) und

Quarzporphyre vulkanischen Ursprungs, alles

Gesteine, die in den Berner Alpen nicht

vorkommen. Das ist leicht erklärbar. Die grossen

Flüsse im Oberland - Aare, Lütschine und

Kander/Simme - tragen zwar gewaltige Schuttmengen

in den Brienzer- und Thunersee. Aber

dieses Material, viele hunderttausend Tonnen pro

Jahr, bleibt für immer in den Seebecken liegen.

Die interessantesten Eichholzsteine stammen aus

den Nagelfluhschichten am Alpenrand, die mit der

Zulg und der Rotache in die Aare gelangen. Und

damit wirds spannend. Nagelfluh ist ja

Abtragungsschutt aus der Bildungszeit der Alpen,

als aus Süden immer neue Gesteinsdecken an

Bunte Eichholzgerölle: ein Gruss aus Graubünden.

den Alpennordrand transportiert und erodiert

wurden, worauf der Abtragungsschutt auf

gewaltigen Flussdeltas im Molassemeer

abgelagert worden ist (Beitrag Wabernpost

10/06). In ihren Geröllen ist also Material aus

längst abgetragenen alpinen Einheiten erhalten

geblieben. Die bunten Eichholzgerölle, die eine

verblüffende Ähnlichkeit mit den heutigen

Gesteinen der Bernina haben, stammen aus einer

Zeit, als die aus Graubünden stammenden (unterostalpinen)

Decken bis an den Alpennordrand

geschoben worden sind.

Die Eichholzgerölle sind Zeugen für jene

umwälzenden geologischen Vorgänge, die unser

Gebirge und unsere Landschaft geschaffen haben

und es weiterhin tun.

Toni Labhart


Wabern Post Nr. 2-2007

Stein des Monats

Eine versteckte exotische Schönheit

Von selbst würden Sie diesen Granit beim Kreisel

von Chly Wabere nie finden. Der Block ist

versteckt hinter einem hässlichen versprayten

Kabelkasten aus Beton eingemauert. Unattraktiver

gehts nicht mehr. Aber das Hinschauen lohnt

sich. Man entdeckt einen Habkerngranit mit

prachtvoll roten Feldspäten.

Man findet diesen wohl attraktivsten Schweizer

Granit nur in Form von Blöcken im Flyschgestein,

besonders gehäuft im Raum Habkern-Lombach.

Weil das anstehende Granitmassiv nicht bekannt

ist, bezeichnet man ihn seit jeher als exotischen

Granit. Das exklusive Material hat natürlich das

Interesse der Steinhauer gefunden, ist aber

wegen der sehr limitierten Vorkommen selten

verarbeitet worden. 1852 gelangte eine Platte

davon als Präsent der Eidgenossenschaft nach

Washington für das George-Washington-

Denkmal. In Bern besteht der schöne Brunnen im

Hof hinter dem Altbau der Klinik Waldau aus

Habkerngranit sowie - der Öffentlichkeit leider

verborgen - die Haupttreppe im Bernerhof, wo das

exklusive Material gut ins Finanzdepartement

passt. Der grösste aller Habkerngranitblöcke, der

Luegibodenblock bei Habkern, hätte 1840 zu

Quadern für die Nydeggbrücke verarbeitet werden

sollen. Er blieb jedoch wegen seiner „aufdringlichen

Farbe“, so die Baukommission, verschont,

und steht heute unter Naturschutz.

Wie der Block in die Mauer beim Kreisel gelangt

ist, wissen wir nicht; er lag wohl unerkannt

irgendwo in einer Deponie. Bis zuletzt also ein

Exot mit ungeklärter, schillernder Vorgeschichte!

Toni Labhart


Wabern Post Nr. 3-2007

Stein des Monats

Schon die alten Römer

2003 wurden im Oberen Breitenacker, nahe der

Gemeindegrenze zu Kehrsatz, Reste eines schon

vorher bekannten römischen Gutshofes aus dem

3. Jahrhundert ausgegraben. Manche Waberer

haben sich damals von Fachleuten vor Ort

orientieren lassen.

Die Mauerreste deuten auf einen stattlichen Bau,

eine „Rustikavilla“ von 50 m Länge und 20-30 m

Breite.

An diesem ältesten bekannten Waberer Gebäude

hat mich natürlich das Steinmaterial fasziniert.

Neben Bollensteinen, mit grosser Wahrscheinlichkeit

Aaregerölle, und Mosaiksteinchen unbekannter

Herkunft waren das vor allem nach

Römerart sauber zugehauene Kleinquader aus

Kalktuff.

Tuffstein ist ein poröser Kalksinter. Er entsteht an

den Hängen unserer Molassehügel als unregelmässig

geschichteter Kalkniederschlag aus

Quellen.

Tuff war in der Stadt Bern bis ins 17. Jh. als

Baustein sehr gesucht. An manchen Bauten ist er

bis heute erstaunlich gut erhalten geblieben, etwa

an den Stadtmauern in der Bahnhofunterführung,

am Blutturm oder an der Münsterplattform. In

Urkunden werden aus unserem Gebiet als

Abbaustellen genannt Kehrsatz, Englisberg und

vor allem Toffen, dessen Name auf dieses

Vorkommen hindeutet.

Von Toffen stammt auch das Material für unsere

Villa; hier hat man inmitten des mächtigen

Tufflagers eine römische Kulturschicht gefunden.

Die Vorliebe für dieses Material haben die Römer

aus ihrer Heimat mitgebracht, ist doch der

Travertin (ein stark verfestigter Kalktuff) der

Baustein des Alten Rom.

Mauerreste und Mosaik aus der Villa von Chly Wabere/Breitenacker. Tuffquader aus einer Mauer der

Bildbreite 1,5 m. römischen Villa.

Foto Archäologischer Dienst des Kantons Bern. Foto Hans-Ruedi Pulver

Toni Labhart


Wabern Post Nr. 4-2007

Stein des Monats

Wabern: Schaltstelle der Schweizer Geologie

„Was ist der Geologische Atlas, der in einem

früheren Beitrag erwähnt worden ist?“, fragt eine

Leserin.

Der Geologische Atlas der Schweiz 1:25000 ist

das offizielle Detailkartenwerk der Schweiz. Die

Tatsache, dass seit 1930 erst knapp die Hälfte der

Blätter erschienen ist, deutet auf eine Langzeit-

Aufgabe hin. Ein Grund liegt darin, dass die

aufwändigen Feldarbeiten überwiegend durch

freiwillige und zum Teil unbezahlte Mitarbeiter

erfolgen - wohl ziemlich einmalig für eine

Bundesaufgabe! Und ein weiterer liegt im

unverständlichen Desinteresse der Politiker, die

zwar jeweils bei Naturkatastrophen lauthals das

Fehlen wissenschaftlicher Unterlagen beklagen,

nicht aber bereit sind, der Landesgeologie die

nötigen personellen und finanziellen Ressourcen

für deren Erarbeitung zu gewähren.

Mit dieser Landeskartierung und vielen weiteren

Koordinationsaufgaben im Bereich der Erdwissenschaften

befasst sich eine Dienststelle des

Bundes, die seit 2006 als Bereich Landesgeologie

dem Bundesamt für Landestopographie

angegliedert wurde. Aus der Homepage

www.swisstopo.ch geht hervor, dass 10 der

insgesamt 18 MitarbeiterInnen im Teilbereich

Geologische Landesaufnahme tätig sind, sich also

mit der Erstellung des Atlas befassen.

Wabern beherbergt also das Kompetenzzentrum

des Bundes für Geologie!

Die Blätter des Geologischen Atlas sind im

Buchhandel, aber auch im Shop der Swisstopo in

Wabern zum Preis von Fr. 50.- erhältlich;

inbegriffen ist ein Erläuterungsheft.

Toni Labhart


Wabern Post Nr. 5-2007

Stein des Monats

Der letzte Stein

Wo in Wabern hat es am meisten unterschiedliche

Steine? Zweifellos auf den Friedhöfen!

Einen Friedhof pflegt man nicht aus

gesteinskundlichem Interesse zu besuchen. Aber

wenn ich über die schöne Anlage im Nesslerenholz

gehe, auf dem Angehörige und viele

Bekannte liegen, so ist es unvermeidlich, dass ich

mir auch Gedanken über die Grabsteine mache.

Vielen von uns genügt es nicht, das Gedächtnis

an einen lieben Menschen in der Erinnerung

festzuhalten; wir sehen es gerne in Stein

gemeisselt, in Stein als Symbol des Ewigen und

Unvergänglichen. „Ewig“ ist zwar ein grosses

Wort, das angesichts eines Vergleichs zwischen

der Lebensdauer des Menschen und dem Alter

der Steine - meist mehrere hundert Millionen

Jahre - für einmal am Platz ist. Dabei vergessen

wir leicht, dass der Grabstein nach der behördlich

verordneten Friedhofsruhe von 20 bis 30 Jahren

abgeräumt werden muss.

Der Kauf eines Grabsteins ist eine der seltenen

Situationen, bei der ein moderner Mensch einen

Stein erwirbt - und dafür viel Geld aufwendet! Die

Auswahl erfolgt nach gefühlsmässigen Kriterien -

Farbe und Form - und auch nach dem, was ein

Steinhauer eben gerade so am Lager hat. Ein

neuerer Friedhof zeigt denn auch eine enorme

Vielfalt von Materialien aus der ganzen Welt:

italienischer Marmor, Granite aus Brasilien,

Südafrika und Indien (hoffentlich nicht durch

Kinderarbeit gewonnen!), aber auch schöne

schweizerische Gesteine. Interessant, aber eben

vom Zufall diktiert. Ein Ausnahmefall ist der

Aaregranit, den ein ehemaliger Berufskollege

gezielt im Grimselgebiet für seine Frau und sich

selbst ausgesucht hat. (Schluss)

Toni Labhart


Dank an Toni Labhart

Liebe Leserinnen und Leser, ein Jahr lang haben

Sie in jeder Ausgabe einen Beitrag "Der Stein

des Monats" von Toni Labhart gefunden. Zum

heutigen Abschluss der Serie hat ihm die Wabern

Post ein paar Fragen gestellt.

Wabern Post: Die Echos aus der Leserschaft

zeigen, dass Ihre Beiträge gerne gelesen wurden

- auch von Leuten, für die bisher Steine einfach

„Chempe“ waren. Hat die Sache auch Ihnen

Spass gemacht?

Toni Labhart: Als man mich angefragt hat, habe

ich vorerst gezögert. Wen interessiert das schon,

dachte ich. Dann aber war ich überrascht vom

Echo - und zwar auch von Leuten, von denen ich

es nie erwartet hätte. Es kamen Fragen,

Anregungen, Hinweise und Ermunterungen. Die

Antwort auf Ihre Frage ist Ja -und zwar mit der

Zeit zunehmend.

Sie wohnen schon lange in Wabern, viele Leute

kennen Sie…

…das stimmt. Aber erfreulich war, dass ich auch

von vielen unbekannten Menschen angesprochen

wurde. Zum Beispiel von der Dame, die

im 29er Bus auf mich zukommt: „Sind Sie nicht

der Steinprofessor? Ich lese alle Ihre Beiträge

und besuche die beschriebenen Steine und Orte.

Was kommt als Nächstes?“ Oder: Ich erhalte

einen verzweifelten Anruf: „Ich kann die

exotische Schönheit beim Chly-Wabere-Kreisel

einfach nicht finden!“ Oder das: Im Eichholz

schaue ich einer Ausländer-Familie beim

Steinesammeln zu. Wir kommen ins Gespräch,

und sie berichten: „Da hat einer in der Zeitung

geschrieben, hier gebe es besonders schöne

Steine - und die sind wirklich schön!“

Also kann man sagen: Es hat sich gelohnt?

Ich erlebe es so. Und es freut mich wirklich, wenn

mir jemand sagt: „Ich schaue die Waberer Steine

jetzt mit ganz anderen Augen an.“ Übrigens: Ich

selbst habe bei der Vorbereitung der Beiträge

noch einiges dazu gelernt und Neues entdeckt.

Das ist immer so, wenn man sein Wissen in

knapper, verständlicher Form zu Papier bringen

muss.

Sie werden nun bald 70, haben als Professor für

Gesteinskunde vieles geleistet in Forschung,

Lehre und Publikation - und Sie sagen, Sie

arbeiten weiter. Was haben Sie denn noch vor?

Mein Interesse an Steinen, Gebirgen und

Erdgeschichte ist auch nach der Pensionierung

ungebrochen. Ich bin eigentlich dauernd am

Schreiben. In nächster Zeit erscheint ein Buch

von mir über den Grimsel-Granit. Bei einem

weiteren über das UNESCO-Weltnaturerbe

Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn zeichne ich als

Mitautor und Mitherausgeber. Im Sommer habe

ich etwas Kartierarbeit in den Urner Alpen vor -

und dann freue ich mich sehr aufs „Käfelen“ im

Eichholz und Schwimmen in der Aare!

Toni Labhart, herzlichen Dank für die

interessanten "Steine des Monats" und weiter viel

Freude bei der Arbeit und im Eichholz!

Interview: Roland Saladin

Publikationen von Toni Labhart, die sich auch an

interessierte Laien richten:

� Geologie der Schweiz. Hep-Ott-Verlag. 6. Auflage

2004

� Steinführer Bundeshaus Bern. 2002.

Schweizerische Kunstführer

� Die Marmore von Grindelwald und Rosenlaui.

2005. Gemeinde Grindelwald

� Granitland Grimsel. Hep-Ott-Verlag. 2007.

Erscheint im Frühsommer

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