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Holon-Journal 15

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8<br />

THEMA · THÈME · TEMA<br />

Roland Schutzbach<br />

Die Wieder-Entdeckung<br />

der<br />

Heiterkeit<br />

Wenn du zum Psychiater gehst und ihm sagst,<br />

dass du glücklich bist, so wird er erwidern:<br />

«Du unterdrückst deinen Schmerz».<br />

Wenn du zu mir kommst und sagst,<br />

dass du im Schmerz lebst, so sage ich dir:<br />

«Du unterdrückst dein Glück».<br />

Patch Adams<br />

In einer verworrenen und von Krisen geschüttelten Welt mag<br />

es seltsam erscheinen, auf die Bedeutung der Heiterkeit hinzuweisen<br />

oder gar ein heiter-festliches Leben zu führen.<br />

Schliesslich wissen wir alle, wie ernst das Leben doch ist! Die<br />

Katastrophen des 20. Jahrhunderts mit den beiden Weltkriegen,<br />

dem Kalten Krieg, der Umwelt-Bedrohung, der ungebremsten<br />

Entwicklung des Turbo-Kapitalismus haben in vielen von uns<br />

die Hoffnung auf eine harmonische oder gar heitere Welt ziemlich<br />

versiegen lassen. Die brutale Realität des weltweiten Terrorismus,<br />

die im September 2001 ans Tageslicht kam, kann uns<br />

noch den Rest geben!<br />

Trotzdem soll in diesem HOLON-<strong>Journal</strong> die Heiterkeit im<br />

Zentrum stehen – Lachen ist erlaubt und erwünscht! Ich behaupte<br />

sogar, dass Heiterkeit und Lebenslust, sobald sie einmal<br />

im grösseren Umfang und von zahlreichen Menschen existenziell<br />

entdeckt sind, gerade solche schlimmen Katastrophen verhindern<br />

werden!<br />

Beginnen wir von vorn<br />

Wir haben immer geglaubt, dass wir unser Leben nur angemessen<br />

und erfolgreich gestalten können, wenn wir es ernst nehmen,<br />

wenn wir uns selber ernst nehmen. Die meisten Welt-<br />

Religionen gehen von einem grossen Ernst aus – das Heilige ist<br />

ernst. Auch die Philosophie nimmt sich selbst ernst, und ebenso<br />

steht es mit der Wissenschaft.<br />

Es bedeutet einen Schlag für dieses Selbstverständnis, wenn<br />

ein Mann wie Patch Adams 1 dazu rät, sich in der Öffentlichkeit<br />

lächerlich zu machen. Nein, das können wir uns nicht vorstellen,<br />

das geht zu weit: Unsere Identität ist gefährdet, unser Glaubenssystem,<br />

unsere Wichtigkeit.<br />

HOLON-<strong>Journal</strong> N o <strong>15</strong> 02 · 2002<br />

Die Philosophie der Heiterkeit rät uns, uns selbst nicht mehr<br />

so ernst nehmen. Dadurch verliert unsere Identität ihre scharfen<br />

Konturen. Im Lachen erleben wir, dass unser geliebtes «Ich»<br />

sich in Heiterkeit mit der Welt und mit den Mitmenschen verbindet<br />

– ohne Angst und ohne Zweifel.<br />

Adams entdeckte nach einer grossen Lebenskrise, dass Spass<br />

ebenso wichtig ist wie Liebe und Leben. Seine Leidenschaft für<br />

das Helfen brachte ihn zum Arzt-Studium. In seiner «albernen<br />

Klinik» will er Spass, Freundschaft und Freude am Dienen zurück<br />

in das Gesundheitswesen bringen. Er arbeitet daran, Geiz<br />

und Konkurrenz durch Grosszügigkeit, Mitgefühl und gegenseitige<br />

Verbundenheit zu ersetzen.<br />

Mit dem Verzicht auf den übermässigen Ernst gehen Achtung<br />

und Mitgefühl nicht verloren. Vielmehr werden wir durch das<br />

Erlebnis einer unschuldigen Heiterkeit auch für die Mitmenschen<br />

sensibilisiert. Hemmungen, die uns sonst häufig hindern,<br />

spontan auf andere zuzugehen, werden durch das Lachen abgebaut,<br />

so dass es uns auch leichter fällt zu helfen. Der Dienst am<br />

Nächsten wird zur echten Freude!<br />

Heiterkeit als Lebenskunst<br />

– Sacinandana Swami<br />

zusammen mit dem Autor<br />

Es gibt vereinzelte Philosophien und meditative Praktiken, die<br />

den Prozess des «Verschwindens des Ich» kennen und beschreiben.<br />

Zum Beispiel wird in der Zen-Meditation davon berichtet,<br />

dass sich durch die jahrelange Übung im «Ganz-Da-Sein» die<br />

persönliche Identität sozusagen auflöst, so dass eine Einheit mit<br />

allem und allen entsteht. Es wird auch gesagt, dass diese Erfahrung<br />

bei den Praktizierenden eine unbesiegbare Lebensheiterkeit<br />

hervorruft. Man kann dies an Persönlichkeiten wie dem<br />

vietnamesischen Zen-Meister Thich Nhat Hanh gut beobachten.<br />

Auch andere spirituelle Führer aus dem östlichen Raum<br />

strahlen manchmal diese wunderbare Heiterkeit aus.<br />

Die östliche Tradition berichtet von lachenden spirituellen<br />

Meistern. Manche von ihnen zogen lachend durchs Land und<br />

steckten die Menschen mit ihrer Heiterkeit an.<br />

Das dröhnende Lachen<br />

Von dem grossen Zen-Meister Rinzai wird erzählt, dass er jeden<br />

Abend vor dem Zubettgehen ein dröhnendes Lachen von sich<br />

gab, das in allen Gängen widerhallte und überall in den Klostergebäuden<br />

zu hören war. Und das erste, was er tat, wenn er beim<br />

Morgengrauen aufwachte, war schallend zu lachen, laut genug,<br />

um jeden Mönch auch aus dem tiefsten Schlaf zu wecken.<br />

Seine Schüler fragten ihn immer wieder, weshalb er lachte.<br />

Aber er wollte es ihnen nicht sagen; und als er starb, nahm er das<br />

Geheimnis seines Lachens mit ins Grab.<br />

Interessanterweise kommen diese Geschichten und diese Philosophien<br />

erst in der jüngsten Zeit in unser Bewusstsein. Seit<br />

etwa zwanzig Jahren hat das Thema «Humor und Lachen» ein<br />

wenig öffentliche Aufmerksamkeit erregt, vor allem im Zusammenhang<br />

mit dem Humor in der Therapie und der gesundheitsfördernden<br />

Wirkung des Lachens.

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