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Lily & Dora und das durchsichtige Geheimnis - The Continuation of ...

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<strong>The</strong> <strong>Continuation</strong> <strong>of</strong> Harry Potter<br />

<strong>Lily</strong> & <strong>Dora</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>durchsichtige</strong> <strong>Geheimnis</strong><br />

Fortsetzung der Harry-Potter-Reihe. Beginn elf Jahre nach dem legendären<br />

Kampf in Hogwarts, bei dem Harry Potter Lord Voldemort<br />

endgültig besiegt hat. Die Zukunft, die sich Joanne K. Rowling im<br />

siebten Band ausgedacht hat, gibt es hier jedoch nicht!<br />

2


3<br />

Alles über <strong>The</strong> <strong>Continuation</strong> <strong>of</strong> Harry Potter<br />

<strong>Lily</strong> & <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>durchsichtige</strong> <strong>Geheimnis</strong><br />

Internet http://beinhogwarts.be.funpic.de


Monika Melber<br />

<strong>Lily</strong> & <strong>Dora</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>durchsichtige</strong> <strong>Geheimnis</strong><br />

eine Fortsetzung von<br />

Monika Melber<br />

4


5<br />

Inhalt<br />

Im Ligusterweg Nummer 4................................................................................... 6<br />

Unangenehme Besucher...................................................................................... 28<br />

Kleine Lehrer <strong>und</strong> fliegende Besen .................................................................... 53<br />

Der Hogwarts-Express ........................................................................................ 77<br />

Harry Potter <strong>und</strong> blaue Zauberstab ................................................................ 101<br />

Unterricht mal anders....................................................................................... 125<br />

Die Überraschung.............................................................................................. 152<br />

Klatsch <strong>und</strong> Tratsch.......................................................................................... 176<br />

Weasleys Zauberhafte Tagträume................................................................... 197<br />

Briefe an Unbekannt ......................................................................................... 219<br />

Geständnisse ...................................................................................................... 241<br />

Ein ZW als Weihnachtsgeschenk..................................................................... 263<br />

Zauberschule vs. Muggelschule........................................................................ 286<br />

Wenn Peeves zuschlägt ..................................................................................... 308


Im Ligusterweg Nummer 4<br />

In der Garage des Hauses mit der Nummer 4 im Ligusterweg öffnete<br />

sich eine Autotür <strong>und</strong> ein großer, überdurchschnittlich muskulös gebauter<br />

Mann stieg aus. Er befreite sich erschöpft aus der Jacke seiner<br />

dunkelblauen Dienstuniform <strong>und</strong> streckte sich erstmal, bevor er in<br />

<strong>das</strong> verblassende Sonnenlicht dieses Freitags trat. Obwohl die Sonne<br />

nur mehr Zentimeter über dem Horizont zu stehen schien, war die<br />

Hitze unerträglich <strong>und</strong> <strong>das</strong> nun schon seit mehreren Wochen.<br />

Kopfschüttelnd blickte er der Mann zwischen der Sonne <strong>und</strong> dem<br />

sonst so gepflegten Rasen hin <strong>und</strong> her, den er wohl im Herbst würde<br />

ersetzen müssen. Vielleicht sollte er es doch so machen wie seine<br />

Eltern <strong>und</strong> Nachbarn früher einmal. In der Nacht, ungesehen von allen<br />

anderen, könnte man doch ohne große Anstrengung den Garten<br />

bewässern! Aber schneller als ihm der Gedanke gekommen war,<br />

schüttelte er den Kopf. Nein, so wie seine Eltern würde er nie etwas<br />

machen!<br />

In Gedanken versunken schlenderte er den schmalen, gepflasterten<br />

Weg entlang, der zum Haus führte, als ---<br />

„Daddy“, ertönte ein spitzer Schrei <strong>und</strong> ein Junge, fast elf Jahre alt,<br />

rannte auf seinen Vater zu, welcher ihn mit ausgebreiteten Armen<br />

empfing <strong>und</strong> ihn auf Augenhöhe hob.<br />

Der Junge war etwas stärker gebaut als die anderen Kinder in seinem<br />

Alter <strong>und</strong> auch er schien ungewöhnlich viel Kraft zu haben. Die<br />

Ähnlichkeit zu seinem Vater war nicht zu verleugnen.<br />

„Daddy, <strong>Dora</strong> macht es schon wieder!“<br />

Ein Lächeln breitete sich auf den Lippen seines Vaters aus <strong>und</strong> er<br />

setzte seinen Sohn wieder vor sich auf den Boden.<br />

„Da, schau!“<br />

Ein kleines, rot-orangenes Kätzchen kam unter einem dürren<br />

Strauch hervor <strong>und</strong> setzte sich vor den beiden Menschen auf den<br />

6


Boden. Es hob seinen Kopf <strong>und</strong> seine grünen Augen schienen abwechselnd<br />

in die des Jungen <strong>und</strong> in die des Mannes zu schauen.<br />

„<strong>Dora</strong>, hab ich dir nicht gesagt, <strong>das</strong>s du <strong>das</strong> nicht hier draußen machen<br />

sollst? Was ist, wenn dich die Nachbarn sehen?“<br />

Er legte seine große Hand sachte auf den Kopf des Kätzchens <strong>und</strong><br />

schon Sek<strong>und</strong>en später saß auf genau dem Platz im Garten, den gerade<br />

noch die Katze besetzt hatte, ein Mädchen. Es wischte sich die<br />

kurzen, schwarzen, strubbeligen Haare aus dem Gesicht, richtete sich<br />

auf, stemmte seine Hände in die Hüften <strong>und</strong> machte einen Schmollm<strong>und</strong>.<br />

„Also erstmal bin ich <strong>Lily</strong>“, sagte es <strong>und</strong> versuchte dabei, sauer zu<br />

klingen, was ihm aber nicht richtig gelang <strong>und</strong> schon als es weiterredete,<br />

hatte es wieder ein breites Lächeln auf den Lippen <strong>und</strong> seine<br />

Augen funkelten, „<strong>und</strong> zweitens soll Harry mich nicht immer verpetzen,<br />

Onkel Dudley!“<br />

Dudley blickte dem Mädchen in die Augen <strong>und</strong> lächelte ihm aufheiternd<br />

zu, als ein weiterer Junge hinter der Hausecke zum Vorschein<br />

kam.<br />

„Hallo Daddy!“, schrie er <strong>und</strong> rannte auf seinen Vater zu.<br />

Er war nicht ganz so alt wie sein Bruder, sondern gut ein Jahr jünger<br />

<strong>und</strong> schwächlicher gebaut. Dennoch war sein Lächeln genauso<br />

breit wie <strong>das</strong> der anderen Kinder. Seine Hände hatte er hinter dem<br />

Rücken versteckt.<br />

„James, was hast du da?“, fragte sein Vater misstrauisch <strong>und</strong> ging<br />

auf den kleinen Jungen zu, doch noch bevor er bei ihm ankam, gab<br />

dieser einen lauten Schrei von sich <strong>und</strong> blitzschnell hatte der Junge<br />

seine Hände hinter dem Rücken hervorgezogen <strong>und</strong> schaute auf seinen<br />

rechten Zeigefinger.<br />

„<strong>Dora</strong> hat mich gebissen!“, sagte er <strong>und</strong> <strong>das</strong> Lachen auf seinem<br />

Gesicht verschwand, während er seinen Finger in den M<strong>und</strong> steckte.<br />

„Oder vielleicht war es auch <strong>Lily</strong>!“<br />

Erst jetzt sah Dudley, <strong>das</strong>s hinter James’ Rücken ein weiteres,<br />

gleich aussehendes Kätzchen erschienen war. Er ging in die Hocke,<br />

7


so<strong>das</strong>s er mit seinem zweiten Sohn auf Augenhöhe war, bevor er zu<br />

sprechen begann.<br />

„Du weißt doch, <strong>das</strong>s es die beiden nicht gern haben, wenn du sie<br />

hochhebst! Dafür haben wir doch die beiden Hamster, oder?“<br />

James sah seinen Vater mit großen Augen an, dann nickte er <strong>und</strong><br />

blickte hinab, als sich auch <strong>das</strong> zweite Tier in ein Mädchen verwandelte.<br />

Es stand auf <strong>und</strong> stellte sich neben <strong>das</strong> erste. Die Ähnlichkeit<br />

zwischen den beiden war verblüffend. Beide waren gleich groß, hatten<br />

<strong>das</strong>selbe schwarze Haar, dieselben grünen Augen <strong>und</strong> beide lächelnden<br />

die anderen Familienmitglieder breit an.<br />

„Ach komm, so schlimm kann es doch nicht sein, <strong>Dora</strong>…“, er<br />

stoppte kurz <strong>und</strong> sah von einem Mädchen zum anderen, um sicher zu<br />

gehen, <strong>das</strong>s er auch den richtigen Namen gesagt hatte <strong>und</strong> als sich<br />

niemand beschwerte, wandte er sich wieder James zu <strong>und</strong> fuhr fort,<br />

„…würde dich nie wirklich hart in den Finger beißen, hab' ich<br />

Recht?“<br />

Eines der beiden Mädchen nickte.<br />

„Aber er wollte mich verpetzen <strong>und</strong> hat mich nicht mehr runtergelassen!“,<br />

sagte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> machte jetzt exakt den Schmollm<strong>und</strong>, den<br />

noch Augenblicke zuvor ihre Schwester gemacht hatte.<br />

Dudley sah von einem Kind zum nächsten <strong>und</strong> schüttelte lächelnd<br />

den Kopf, während er eines nach dem anderen ausgiebig musterte.<br />

„Na gut. James, wenn du nicht mehr sauer auf <strong>Dora</strong> bist <strong>und</strong>…“<br />

Er wandte seinen Blick den beiden Mädchen zu, die ihn jetzt beide<br />

wieder anlachten. „…wenn ihr beide mir versprecht, <strong>das</strong> nicht mehr<br />

hier draußen zu machen, dann habe ich eine Überraschung für euch!<br />

Aber dazu müsst ihr mit ins Haus kommen!“<br />

Alle vier Kinder hüpften freudig auf <strong>und</strong> ab <strong>und</strong> waren, schon bevor<br />

Dudley bis vier zählen konnte, im Haus verschw<strong>und</strong>en. Er atmete<br />

tief ein, dann machte auch er die letzten paar Schritte auf <strong>das</strong> Haus<br />

zu.<br />

Emily, seine Frau, musste gerade dabei sein, Essen zu, denn ein<br />

herrlicher Duft kam ihm aus der Küche entgegen. Doch er hatte<br />

8


kaum Zeit, nachzudenken, was es denn Schönes geben könnte, als er<br />

schon die Kinder, eins nach dem anderen, artig um den großen Tisch<br />

sitzen sah.<br />

Außerdem saß noch ein kleineres Mädchen, gerade einmal sieben<br />

Jahre alt, mit am Tisch. Es winkte seinem Vater freudig zu, als er<br />

sich zu ihnen an den Tisch gesellte.<br />

„Daddy, krieg' ich auch eine Überraschung?“, fragte es aufgeregt.<br />

Sein Vater lächelte.<br />

„Aber klar doch, Sam!“, versicherte er <strong>und</strong> auf Sams Gesicht breitete<br />

sich, ebenso wie auf allen anderen auch, ein breites <strong>und</strong> erleichtertes<br />

Grinsen aus. „Wir machen morgen alle zusammen einen Ausflug!<br />

Zuerst werden wir uns die Schule anschauen, in die Harry ab diesem<br />

Jahr gehen wird…“<br />

Doch Dudley konnte nicht ausreden, weil ihm sein ältester Sohn<br />

ins Wort fiel.<br />

„Du hast eine Schule gef<strong>und</strong>en?“, fragte er.<br />

Seine Begeisterung schien sich in Grenzen zu halten. Immerhin<br />

waren jetzt bereits seit über vier Wochen Sommerferien <strong>und</strong> ein<br />

kleiner H<strong>of</strong>fnungsschimmer, <strong>das</strong>s sein Dad keine Schule mehr für<br />

ihn finden würde, hatte sich in Harry breit gemacht. Er hatte noch<br />

nie besonders gut gelernt <strong>und</strong> daheim vor dem Computer oder dem<br />

Fernseher zu bleiben, wäre ihm alle Male lieber gewesen.<br />

„Und was ist mit einer Schule für uns?“, fragten die Zwillinge<br />

gleichzeitig, noch bevor Dudley die Frage seines Sohnes beantworten<br />

konnte.<br />

<strong>Lily</strong>s <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>s Einstellung dazu war komplett anders als Harrys.<br />

Sie waren schon immer überdurchschnittlich gut gewesen, wenn<br />

auch nie die Besten in ihrer Klasse. Doch sie hatten nie etwas dagegen,<br />

etwas Neues zu lernen.<br />

„Was für eine Überraschung bekomme ich?“, versuchte Sam alle<br />

anderen zu übertönen.<br />

„Und was ist mit mir?“, schrie jetzt auch James.<br />

9


Die Kinder waren gerade dabei, einen regelrechten Streit zu starten,<br />

wer denn jetzt als erstes seine Antwort bekommen sollte, als eine<br />

Frau aus der Küche kam. Sie hatte langes, dunkelbraunes Haar<br />

<strong>und</strong> war um mindestens einen Kopf kleiner als Dudley. S<strong>of</strong>ort war<br />

klar, von wem James sein Aussehen geerbt hatte.<br />

„Was ist hier los?“, fragte sie, als sie sich in die Tür zum Esszimmer<br />

stellte, um nachzusehen, was den Lärm verursacht hatte.<br />

Dudley grinste sie an <strong>und</strong> zuckte mit den Schultern, während sich<br />

die Kinder noch immer zu übertönen versuchten. Emily lächelte <strong>und</strong><br />

setzte sich auf den letzten leeren Stuhl.<br />

„Okay, also der Reihe nach!“, erhob Dudley seine Stimme <strong>und</strong><br />

gleichzeitig eine rechte Hand, als Zeichen, <strong>das</strong>s er jetzt hier wieder<br />

<strong>das</strong> Sagen hatte. „Harry, ja, deine Mutter <strong>und</strong> ich haben eine Schule<br />

für dich gef<strong>und</strong>en! Keine Widerrede, denn du hast sowieso keine andere<br />

Wahl als hinzugehen!“<br />

Harry verschränkte die Arme vor seiner Brust <strong>und</strong> sank so weit auf<br />

dem Sessel hinunter, <strong>das</strong>s sein Kopf fast nicht mehr über dem Tischrand<br />

zu sehen war.<br />

„Und dafür bin ich jetzt mit herein gekommen… Schöne Überraschung!“,<br />

murmelte er finster vor sich hin.<br />

„Wie auch immer!“, stöhnte Dudley <strong>und</strong> schaute die Zwillinge an,<br />

die sich jetzt köstlich über Harry amüsierten.<br />

Doch s<strong>of</strong>ort wurden ihr Gesichter ernst <strong>und</strong> sie lauschten gespannt,<br />

was ihr Onkel ihnen zu sagen hatte.<br />

„Ihr müsst euch noch etwas gedulden, eure Tante <strong>und</strong> ich haben<br />

noch nichts Passendes gef<strong>und</strong>en…“<br />

Als Dudley sah, wie sich <strong>das</strong> Lachen der Mädchen trübte, <strong>und</strong> sie<br />

ihn jetzt traurig anschauten, hob er schützend beide Hände <strong>und</strong> fuhr<br />

schnell fort.<br />

„Keine Angst ihr beiden…“, meinte Dudley, als ihm seine Frau ins<br />

Wort fiel.<br />

„Wir wollten euch selbst mitentscheiden lassen. Dass Harry sich<br />

nie für etwas entscheiden würde, war uns von vornherein klar. Des-<br />

10


halb haben wir für ihn eine gute Schule gesucht. Als zweiten Programmpunkt<br />

unseres Ausflugs morgen werden wir ein paar weitere<br />

gute Schulen besuchen <strong>und</strong> am Abend entscheiden wir dann zusammen,<br />

welches eure zukünftige Schule wird.“<br />

Die M<strong>und</strong>winkel der beiden Mädchen zogen sich wieder ein Stück<br />

nach oben, als sie diese Neuigkeit hörten <strong>und</strong> ihre Augen begannen<br />

zu glänzen, während sie heftig nickten.<br />

„Die beiden dürfen selbst entscheiden <strong>und</strong> ich nicht!“, schmollte<br />

Harry <strong>und</strong> sank noch weiter auf seinem Stuhl hinunter.<br />

Dass er nicht auf den Boden rutschte, grenzte an ein W<strong>und</strong>er.<br />

„Und was ist mit uns beiden?“, fragte Sam <strong>und</strong> auch James blickte<br />

seine Eltern fragend an.<br />

„Wenn wir die Schulen für <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> angeschaut haben, dann<br />

gehen wir in den Zoo!“<br />

Jubelschreie brachen aus <strong>und</strong> Harry landete auf dem Boden. Er<br />

wollte die Hände in die Höhe reißen <strong>und</strong> mit den anderen applaudieren,<br />

jedoch vergaß er dabei, <strong>das</strong>s er es eigentlich nur seinem festen<br />

Griff zu verdanken hatte, <strong>das</strong>s er noch auf dem Sessel saß. Doch er<br />

schlug nicht so hart auf dem Boden auf, wie er eigentlich vermutet<br />

hatte <strong>und</strong> als er hinab sah, merkte er auch warum. Er saß auf dem<br />

Kissen, <strong>das</strong> eigentlich auf der anderen Seite des Raumes lag <strong>und</strong> dazu<br />

diente, <strong>das</strong>s es sich die Mädchen, wenn sie wieder einmal beschlossen<br />

hatten, die Gestalt der kleinen roten Kätzchen anzunehmen,<br />

gemütlich machen konnten.<br />

Harry stand auf, nahm <strong>das</strong> Kissen <strong>und</strong> hielt es hoch. Das Lachen<br />

der anderen war noch lauter geworden, als sie ihren Bruder <strong>und</strong> Cousin<br />

zu Boden fallen sahen.<br />

„Wie kommt denn <strong>das</strong> hier her?“, fragte er.<br />

Emily schaute <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> an, doch diese zuckten nur mit den<br />

Schultern.<br />

„Ich war es nicht!“, meinte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> sagte: „Ich auch nicht!“<br />

Mit einem lässigen Wurf, landete <strong>das</strong> Kissen wieder auf seinem eigentlichen<br />

Platz <strong>und</strong> Harry stimmte in <strong>das</strong> Lachen der anderen ein.<br />

11


Doch diese ausgelassene Stimmung dauerte nicht lange, denn plötzlich<br />

klopfte etwas am Fenster. Alle sieben Familienmitglieder wandten<br />

ihren Blick in die Richtung, aus der <strong>das</strong> Geräusch kam. Zwei<br />

große, weiße Eulen waren dort zu sehen.<br />

Emily warf Dudley einen nervösen Blick zu. Dieser stand auf <strong>und</strong><br />

ging schnell durch <strong>das</strong> Esszimmer. Bis auf den Lärm der Eulen war<br />

es komplett still im Raum. Alle Augen folgten gebannt dem Schauspiel,<br />

<strong>das</strong> sich ihnen darbot. Zwei Eulen in der Abenddämmerung,<br />

die versuchten, an ein Fenster zu klopfen. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> schauten<br />

sich verw<strong>und</strong>ert an <strong>und</strong> zuckten beide gleichzeitig mit den Schultern.<br />

Sam schrie laut auf, als ihr Vater <strong>das</strong> Fenster öffnete, die Eulen<br />

herein flogen <strong>und</strong> sich auf den Tisch, jeweils eine vor <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> eine<br />

vor <strong>Dora</strong>, setzten.<br />

Die beiden Mädchen tauschten noch einmal verwirrte Blicke <strong>und</strong><br />

starrten dann beide in die großen, r<strong>und</strong>en Augen der Eulen, die sie<br />

ansahen, als würden sie etwas von ihnen erwarten.<br />

„Nehmt die Briefe!“, sagte Dudley.<br />

Wovon redete er? Welche Briefe sollten sie nehmen?<br />

„An den Beinen der Eulen!“<br />

Die Mädchen wandten sich wieder den Eulen zu <strong>und</strong> erst jetzt bemerkten<br />

sie die großen, rechteckigen Briefumschläge an den Füßen<br />

der Tiere. <strong>Lily</strong> war schneller als <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> schon wenige Sek<strong>und</strong>en<br />

später hielt sie den Brief in der Hand, während sich die Eule sanft<br />

erhob <strong>und</strong> wieder durch <strong>das</strong> <strong>of</strong>fene Fenster hinausflog.<br />

<strong>Lily</strong> drehte den Brief verwirrt hin <strong>und</strong> her <strong>und</strong> betrachtete ihn von<br />

allen Seiten, als ihr plötzlich eine Adresse auf dem gelblichen Pergament<br />

auffiel:<br />

Ms. <strong>Dora</strong> Dursley<br />

Im Esszimmer<br />

Ligusterweg 4<br />

Little Whinging<br />

Surrey<br />

12


„<strong>Dora</strong>, ich glaub' ich hab' den falschen Brief.“<br />

<strong>Lily</strong>s Schwester hatte es nun auch geschafft, den Brief von ihrer<br />

Eule zu nehmen <strong>und</strong> betrachtete ihn ausgiebig, bis auch sie merkte,<br />

<strong>das</strong>s es der Falsche war. Denn auf ihrem stand:<br />

13<br />

Ms. <strong>Lily</strong> Dursley<br />

Im Esszimmer<br />

Ligusterweg 4<br />

Little Whinging<br />

Surrey<br />

Unter den verwirrten Blicken der anderen drei Kinder tauschten die<br />

beiden ihre Briefe aus. Emily starrte Dudley noch immer mit einem<br />

vielsagenden Blick an, doch dieser erwiderte ihn nicht, sondern betrachtete<br />

die Mädchen.<br />

<strong>Lily</strong>, die nun ihren richtigen Brief in der Hand hatte, drehte ihn ein<br />

weiteres Mal <strong>und</strong> betrachtete <strong>das</strong> Siegel aus Wachs, <strong>das</strong> ebenfalls auf<br />

dem Umschlag zu sehen war. Ein Löwe, ein Adler, ein Dachs <strong>und</strong><br />

eine Schlange, die einen Kreis um den Buchstaben „H“ schlossen.<br />

„Ist <strong>das</strong> <strong>das</strong>, was ich glaube?“, durchbrach Emily die Stille <strong>und</strong><br />

nach einer kurzen Pause nickte Dudley.<br />

Die Mädchen hörten den beiden nicht zu, sondern starrten weiterhin<br />

auf die Briefe <strong>und</strong> vor allem dachten sie darüber nach, wie es<br />

denn sein konnte, <strong>das</strong>s ihre Briefe mit Eulen gekommen waren <strong>und</strong><br />

<strong>das</strong>s der Absender wusste, wo sie im Moment waren. Nämlich im<br />

Esszimmer.<br />

„Na kommt schon, macht sie auf“, ermutigte Emily <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong> ließen sich die beiden nicht zweimal sagen.<br />

Diesmal war <strong>Dora</strong> schneller <strong>und</strong> als sie <strong>das</strong> erste Blatt auseinanderfaltete,<br />

<strong>das</strong> zum Vorschein kam, stellte sich Dudley hinter sie <strong>und</strong><br />

blickte ihr über die Schulter, um mitlesen zu können.


HOGWARTS-SCHULE<br />

FÜR HEXEREI UND ZAUBEREI<br />

Schulleiterin: Minerva McGonagall<br />

(ehemalige Stellvertreterin Albus Dumbledores,<br />

Meisterin in Verwandlung, registrierter Animagus,<br />

Merlin-Orden erster Klasse für die Verdienste in der<br />

Schlacht um Hogwarts)<br />

Sehr geehrte Ms. Dursley,<br />

Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, <strong>das</strong>s Sie an<br />

der Hogwarts-Schule für Hexerei <strong>und</strong> Zauberei<br />

aufgenommen sind. Beigelegt finden Sie eine Liste aller<br />

benötigten Bücher <strong>und</strong> Ausrüstungsgegenstände.<br />

Da es in Ihrer Familie keine volljährigen Zauberer gibt,<br />

wird in etwa einer Minute ein Mitarbeiter des<br />

Zaubereiministeriums erscheinen <strong>und</strong> Ihnen alles<br />

Weitere erklären. Das Schuljahr beginnt am 1.<br />

September. Wir erwarten Ihre Eule spätestens am 31.<br />

Juli.<br />

Mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen<br />

Hermine Granger<br />

Stellvertretende Schulleiterin<br />

„Wir bekommen Besuch!“, sagte Dudley, als er <strong>das</strong> Ende des Briefes<br />

erreicht hatte.<br />

Seine Kinder schauten ihn mit einem Blick an, der unzählige Fragen<br />

in sich trug, aber er hatte jetzt keine Zeit, sie ihnen zu antworten.<br />

Als sein Blick den seiner Frau traf, nickte diese nur <strong>und</strong> verschwand<br />

wieder in der Küche.<br />

14


„Geht euch die Hände waschen, oder wollt ihr, <strong>das</strong>s man einen<br />

schlechten Eindruck von euch bekommt?“, fragte er gleich darauf in<br />

die R<strong>und</strong>e.<br />

Still, ohne auch nur ein Wort miteinander zu reden, verließen alle<br />

nacheinander den Raum, während Dudley nervös auf <strong>und</strong> ab ging.<br />

Würden sie wissen, wer er war? Würden sie wissen, wie er sich einst<br />

verhalten hatte, gegenüber seinem Cousin? Nein, keiner wusste davon.<br />

Ein paar wenige vielleicht, aber er brauchte nichts zu befürchten.<br />

Trotzdem blieb ein kleines bisschen Angst in ihm zurück, doch er<br />

hatte nicht lange Zeit für diese Gedanken, denn gerade als er vom<br />

Fenster, durch welches jetzt nur noch spärlich Licht schimmerte, zurücktrat,<br />

um sich auf <strong>das</strong> S<strong>of</strong>a zu setzen, hörte er ein immer lauter<br />

werdendes Geräusch. Er drehte sich wieder um <strong>und</strong> starrte aus dem<br />

Fenster. Alles war genauso wie zuvor, nur dieser markerschütternde<br />

Krach, der sich anhörte wie ein Motor, allerdings lauter, war zu vernehmen.<br />

Plötzlich war alles still <strong>und</strong> Augenblicke später hörte er ein lautes<br />

Klopfen an der Tür. Dudley erstarrte, zwang sich aber selbst dazu,<br />

tief durchzuatmen <strong>und</strong> aus dem Esszimmer zu gehen, um die Haustüre<br />

zu öffnen.<br />

Ein riesiger Mann stand vor ihm <strong>und</strong> blickte von oben auf Dudley<br />

herab. Er erkannte ihn s<strong>of</strong>ort: Hagrid. Der Zauberer, der ihm einst<br />

einen Ringelschwanz verpasst hatte.<br />

„Bei Merlin, dacht’ nich’, <strong>das</strong>s ich dir nochma’ über’n Weg lauf’n<br />

muss!“, grunzte er <strong>und</strong> ging an Dudley vorbei ins Haus, ohne <strong>das</strong>s<br />

dieser ihn dazu aufgefordert hatte.<br />

Der Schock saß tief. Bei allem, was er erwartet hatte, war <strong>das</strong> <strong>das</strong><br />

absolut Schlimmste, <strong>das</strong> ihm hatte passieren können. Jemand, der ihn<br />

kannte. Jemand, der sich an früher erinnern konnte <strong>und</strong> von allen<br />

Grausamkeiten, die er je angerichtet hatte, wusste. Und nicht nur<br />

<strong>das</strong>. Obwohl er Hagrid bereits kannte, war es wieder genau der gleiche<br />

Schock wie beim ersten Mal. Es gab nicht viele Männer, die<br />

15


größer waren als Dudley selbst <strong>und</strong> wenn sie ihn dann noch um mehrere<br />

Köpfe überragten, dann war <strong>das</strong> ziemlich furchteinflößend.<br />

Als Dudley ins Wohnzimmer kam, saß Hagrid bereits auf dem S<strong>of</strong>a,<br />

welches sich beunruhigend weit zum Fußboden hinabsenkte. Jeden<br />

weiteren Blick ins Gesicht des Zauberers vermeidend, stolperte<br />

er zu einem Sessel <strong>und</strong> ließ sich darauf sinken.<br />

„Nich’ zu glaub’n, muss mal 'n ernstes Wörtchen mit McGonagall<br />

reden. Was denkt se sich überhaupt?“, murmelte Hagrid vor sich hin,<br />

bevor er sich Dudley zuwandte. „Also, wo sind die Kinder?“<br />

„Waschen sich nur schnell die Hände!“, war Dudleys knappe Antwort.<br />

Er konzentrierte sich voll <strong>und</strong> ganz darauf, den mächtigen Körper<br />

ihm gegenüber, nicht aus den Augen zu lassen, was ohnehin fast<br />

unmöglich war. Bei dieser Anstrengung fiel ihm <strong>das</strong> Reden wahrlich<br />

schwer. Außerdem trug dieser Blick voll Abscheu <strong>und</strong> Hass, der ihm<br />

zugeworfen wurde, auch nicht viel zum Lockern der Atmosphäre<br />

bei.<br />

Einige Augenblicke vergingen schweigend, doch dann änderte sich<br />

der Ausdruck in seinem Gesicht schlagartig <strong>und</strong> Hagrid begann zu<br />

lächeln. Dudley fragte sich augenblicklich, ob der Gigant jetzt total<br />

übergeschnappt sei, da er zu winken begann, obwohl sie sich doch<br />

schon lange ‚begrüßt’ hatten, doch schon ihm nächsten Moment war<br />

ihm klar, <strong>das</strong>s er jemanden hinter ihm meinen musste.<br />

Mit größter Mühe wandte er seinen Blick über seine Schulter <strong>und</strong><br />

sah die Kinder <strong>und</strong> Emily in der Tür stehen. Sie alle wirkten, als wären<br />

sie festgefroren. Dudley nickte ihnen zu <strong>und</strong> allmählich versammelten<br />

sie sich um ihren Ehemann, Vater <strong>und</strong> Onkel herum.<br />

„Hätt’n wohl eher jemand normal’n schick’n soll’n, hhm?“, lachte<br />

Hagrid, als er in die verängstigten Gesichter der Familie Dursley<br />

blickte. „Dachte mir, man hätt’ euch schon von mir erzählt, aber war<br />

wohl nicht wichtig genug!“<br />

Er warf Dudley einen weiteren bösen Blick zu, bevor er sich wieder<br />

den anderen zuwandte.<br />

16


„Da ich nich’ vorgestellt werde, muss ich’s wohl selber mach’n.<br />

Mein Name is’ Rubeus Hagrid <strong>und</strong> ich bin Wildhüter in Hogwarts,<br />

der besten Schule für Hexerei <strong>und</strong> Zauberei auf der Welt. Na ja,<br />

meiner Meinung nach zumindest“, fügte er etwas leiser hinzu, jedoch<br />

noch immer laut genug, damit jeder im Raum ihn genau verstehen<br />

konnte. „Da die Schulleiterin bezweifelt, <strong>das</strong>s euch erzählt wurde“ –<br />

wieder ein böser Blick zu Dudley – „<strong>das</strong>s es so was wie Zauberer<br />

oder Hexen gibt, hat se mich hier her geschickt, um euch <strong>und</strong> euren<br />

Eltern, oder Adoptiveltern, alles zu erklären.“<br />

Was ging hier vor? Dass es Zauberei gab, war <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> schon<br />

klar, wie auch sonst konnten sie die Gestalt von Kätzchen annehmen,<br />

aber trotzdem hatten sie nie etwas von Zauberern oder Hexen gehört.<br />

Und Briefe, die von Eulen überliefert wurden <strong>und</strong> Menschen, die<br />

über doppelt so groß waren, wie sie selbst, überraschten sogar die<br />

beiden. Sie warfen sich einen nervösen Blick zu. Okay, Tante Emily<br />

<strong>und</strong> Onkel Dudley wollten sie auf den Arm nehmen <strong>und</strong> in ein paar<br />

Minuten würden sie hier sitzen <strong>und</strong> alle würden sich über ihre Gesichter<br />

totlachen.<br />

„Also ich will’s nich’ lang machen, weil einige hier sowieso schon<br />

bescheid wiss’n, drum jetzt nur <strong>das</strong> Wichtigste. ’s gibt Zauberer, <strong>und</strong><br />

’s gibt Hexen. Normalerweise werd’n nur Kinder von diesen in<br />

Hogwarts aufgenommen, aber manchmal kommt’s auch vor, <strong>das</strong>s<br />

Muggelkinder aufgenommen werd’n, wenn’s Zaubereiministerium<br />

der Schulleiterin bekannt gibt, <strong>das</strong>s diese besondere Fähigkeit vorhanden<br />

is’. Muggel sind nichtmagische Menschen“, erklärte Hagrid,<br />

als er die verblüfften Gesichter sah.<br />

Er wartete auf irgendeine Reaktion der Dursleys, doch diese blieb<br />

aus. Dudley blickte sich nervös um <strong>und</strong> suchte Hilfe, in dem er den<br />

Blick seiner Frau kreuzte, doch diese machte keine Anstalten, irgendwas<br />

zu sagen, genauso wenig wie eines der Kinder <strong>und</strong> so fragte<br />

er <strong>das</strong> erstbeste, <strong>das</strong> ihm einfiel.<br />

„Wie sind Sie hierhergekommen <strong>und</strong> woher kam dieses laute Geräusch?“<br />

17


Hagrid legte die Stirn in Falten <strong>und</strong> musterte Dudley genau.<br />

„Bin mit’m Motorrad her geflogen, was denn sonst?“, fragte er, als<br />

ob es nichts Natürlicheres geben würde, als ein fliegendes Motorrad.<br />

„Ich habe aber keins gesehen“, murmelte Dudley verwirrt.<br />

Hagrid atmete tief durch.<br />

„’türlich nicht. Desillusionierungszauber.“ Er klopfte mit einem<br />

rosa Regenschirm auf den kleinen Wohnzimmertisch, murmelte irgendetwas<br />

Unverständliches <strong>und</strong> gleich darauf war der Tisch verschw<strong>und</strong>en.<br />

„Wie würde <strong>das</strong> denn aussehen, wenn irgend so ‘n fast<br />

drei Meter großer Mann auf’m Motorrad durch die Luft fliegt?“<br />

Er schüttelte ungläubig den Kopf, so als könnte er nicht verstehen,<br />

wie manche Leute solche dummen Fragen stellen konnten.<br />

Sam hatte sich inzwischen auf den Schoß ihres Vaters gesetzt <strong>und</strong><br />

klammerte sich an ihn, ihre Augen noch immer auf den Platz gerichtet,<br />

wo der Tisch eben noch gestanden hatte. James stand daneben<br />

<strong>und</strong> hielt sich an Dudleys Hand fest, während Harry sich hinter seiner<br />

Mutter versteckt hatte. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> waren die Einzigen, die es<br />

gewagt hatten, sich ebenfalls auf <strong>das</strong> große Ecks<strong>of</strong>a zu setzen, allerdings<br />

so weit wie nur möglich von Hagrid entfernt.<br />

Wieder wurde es still <strong>und</strong> diesmal war es <strong>Lily</strong>, die <strong>das</strong> Schweigen<br />

durchbrach, nachdem sie ein stilles Nicken von ihrer Schwester als<br />

Bestätigung eingeholt hatte.<br />

„Diese besonderen Fähigkeiten, von denen Sie geredet haben:<br />

Welche sind <strong>das</strong> genau? Sind sie der Gr<strong>und</strong>, warum ich manchmal<br />

Dinge geschehen lassen kann, die eigentlich gar nicht möglich<br />

sind?“<br />

Sie starrte Hagrid mit großen Augen an <strong>und</strong> sein Lächeln wurde<br />

wieder breiter, als er <strong>Lily</strong> zuhörte.<br />

„Ich schätze ja!“, antwortete er <strong>und</strong> fuhr sich mit seiner großen<br />

Hand, durch den langen schwarzen Bart, der an manchen Stellen ein<br />

wenig grau schimmerte.<br />

Ein weiteres Nicken, diesmal aber von <strong>Lily</strong>, ermutigte auch <strong>Dora</strong><br />

zum Sprechen.<br />

18


„Und sind sie der Gr<strong>und</strong>, warum ich <strong>das</strong> kann?“<br />

Plötzlich war <strong>Dora</strong> verschw<strong>und</strong>en. Hagrid schaute verwirrt um<br />

sich, doch <strong>das</strong> kleine Kätzchen, welches sich jetzt an <strong>Dora</strong>s Stelle<br />

befand, fiel ihm erst auf, als <strong>Lily</strong> es hochhob <strong>und</strong> so hielt, <strong>das</strong> Hagrid<br />

es genau sehen konnte.<br />

Seine Augen weiteten sich <strong>und</strong> er konnte seine Augen gar nicht<br />

mehr von dem kleinen Tier abwenden, als <strong>Lily</strong> es auf ein Kissen<br />

setzte <strong>und</strong> es sich wieder in <strong>Dora</strong> verwandelte. Ihr Blick traf den von<br />

Hagrid, welcher jetzt wieder begonnen hatte, den Kopf zu schütteln.<br />

„Beim Barte des Merlin, was war denn <strong>das</strong>?“, fragte er.<br />

„Eine von diesen besonderen Fähigkeiten?“, stellte ihm <strong>Lily</strong> eine<br />

Gegenfrage.<br />

„Nein…“<br />

Hagrid überlegte.<br />

„Na ja, okay, eigentlich schon! Oder eher nich’? Ach, was weiß<br />

ich… Kannst du <strong>das</strong> auch?“<br />

Hagrid wandte sich jetzt von <strong>Dora</strong> ab <strong>und</strong> blickte zu <strong>Lily</strong>, welche<br />

nur stumm nickte <strong>und</strong> kurz darauf als Kätzchen vor ihm saß, nur um<br />

sich Sek<strong>und</strong>en später wieder in einen Menschen zu verwandeln. Er<br />

nickte.<br />

„Und du?“<br />

Hagrid schaute Harry an, welcher nun einen Schritt zur Seite trat<br />

<strong>und</strong> ihn somit hinter seiner Mutter sichtbar machte, als er bemerkte,<br />

<strong>das</strong> mit ihm gesprochen wurde. Er schüttelte wild mit dem Kopf,<br />

sagte aber nichts.<br />

„Wusste, <strong>das</strong>s es so was gibt, hab’s aber nie gesehen“, murmelte<br />

Hagrid <strong>und</strong> wandte sich wieder den Mädchen zu. „Erzählt’s keinem,<br />

’s könnte noch mal nützlich sein! Zauberer die sich in Tiere verwandeln<br />

können, nennt man Animagi. Normalerweise muss diese Fähigkeit<br />

allerdings erlernt wird’n <strong>und</strong> 's gelingt nich’ vielen. ’s is' sehr<br />

fortgeschrittene Magie. Soll auch Zauberer geben, die’s von Geburt<br />

an beherrschen, kannte aber noch nie einen davon persönlich <strong>und</strong> für<br />

die soll’s sehr schwer sein, diese Fähigkeit unter Kontrolle zu brin-<br />

19


gen. ’s scheint aber bei euch nich’ so der Fall zu sein. Wann is’ <strong>das</strong><br />

<strong>das</strong> erste Mal passiert?“<br />

Er blickte zwischen den beiden Mädchen hin <strong>und</strong> her.<br />

„Vor drei Jahren oder so. Es war aber nie schwer. Das erste Mal<br />

war es unbewusst. Wir haben im Garten verstecken gespielt <strong>und</strong><br />

plötzlich habe ich eine Katze gesehen <strong>und</strong> mir gewünscht, auch eine<br />

sein zu können, um ein leichteres Versteck zu finden <strong>und</strong> eine Sek<strong>und</strong>e<br />

später war ich eine Katze. Dann hab ich mir gedacht, <strong>das</strong>s ich<br />

wieder normal sein will <strong>und</strong> schon war ich wieder ich“, begann <strong>Lily</strong><br />

zu erklären.<br />

Von Sek<strong>und</strong>e zu Sek<strong>und</strong>e fasste sie mehr Vertrauen zu dem Fremden.<br />

Obwohl er so groß war <strong>und</strong> auch nicht gerade nichtfurchteinflößend<br />

aussah, war sie sich doch sicher, <strong>das</strong>s es in Ordnung<br />

war, ihm davon zu erzählen <strong>und</strong> sie vor ihm nichts zu befürchten<br />

hatte.<br />

„Dann ist sie zu mir gerannt <strong>und</strong> hat gefragt, ob ich <strong>das</strong> auch kann<br />

<strong>und</strong> ich hab mir gedacht, <strong>das</strong>s ich keine Katze sein will <strong>und</strong> schon<br />

war ich eine.“<br />

<strong>Dora</strong> stoppte ihre Erzählung <strong>und</strong> sah ein weiteres Mal zu <strong>Lily</strong>.<br />

Diese fuhr die Erzählung fort.<br />

„Natürlich haben wir s<strong>of</strong>ort versucht, uns in andere Tiere zu verwandeln<br />

<strong>und</strong> ich hab mir gewünscht, ein H<strong>und</strong> zu werden…“, erzählte<br />

<strong>Lily</strong>, als sie von <strong>Dora</strong> unterbrochen wurde.<br />

„Als Kätzchen sah sie besser aus!“<br />

<strong>Lily</strong> machte gerade den M<strong>und</strong> auf, um weiterzuerzählen, als<br />

Hagrid aufstand <strong>und</strong> auf sie zuging.<br />

„Was sagst du da? Es hat geklappt?“<br />

Die Mädchen zuckten mit den Schultern <strong>und</strong> nickten. Diesmal waren<br />

sie es, für die es anscheinend nichts Normaleres zu geben schien,<br />

als diese kleine Fähigkeit.<br />

„Na ja, ganz so geklappt hat es nicht… Das erste Mal, als ich es<br />

versucht habe, haben sich nur meine Ohren verändert“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

20


„Sah echt schrecklich aus!“, unterstützte ihre Schwester ihre Erzählung.<br />

„Das zweite Mal hatte ich schon Ohren <strong>und</strong> Beine <strong>und</strong> einen<br />

Schwanz.“<br />

„Sah noch schlimmer aus!“<br />

Die beiden Mädchen kicherten, verstummten allerdings s<strong>of</strong>ort, als<br />

Hagrid seine Augen noch weiter aufriss, als er es sowieso schon getan<br />

hatte. Er setzte sein Kopfschütteln fort <strong>und</strong> ließ sich wieder aufs<br />

S<strong>of</strong>a fallen, welches unter seinem Gewicht ein erbärmliches Krächzen<br />

von sich gab.<br />

„Und beim dritten Mal hat’s geklappt!“, endete <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> erhob sich<br />

von ihrem Platz.<br />

Sie stellte sich ein paar Meter vor Hagrid, schloss die Augen <strong>und</strong><br />

schien sich zu konzentrieren. Etwa eine halbe Minute passierte<br />

nichts, dann saß plötzlich ein kleiner H<strong>und</strong> auf dem Boden, welcher<br />

Hagrid mit großen, r<strong>und</strong>en Augen anstarrte. Doch es dauerte nicht<br />

lange <strong>und</strong> schon stand <strong>Lily</strong> wieder vor ihm.<br />

„Wir ziehen die Kätzchen allerdings vor, weil die anderen Tiere alle<br />

so lange dauern <strong>und</strong> es echt anstrengend ist, weil wir uns mindestens<br />

eine halbe Minute auf <strong>das</strong> Tier konzentrieren müssen, sonst<br />

kommt nur ein Schwanz oder Ohren raus“, erklärte <strong>Dora</strong>. „Erwachsene<br />

Tiere sind noch schwerer hinzukriegen als H<strong>und</strong>ebabys. Da<br />

brauchen wir schon einen Tag zum üben <strong>und</strong> für Tierbabys, die größer<br />

als ein Rehkitz sind, sogar über eine Woche <strong>und</strong> <strong>das</strong> jedes Mal.<br />

Sobald wir die einzelnen Tiere mal einen Tag nicht üben, verlernen<br />

wie sie wieder. Alles was kleiner ist als die Kätzchen braucht auch<br />

so lange…“<br />

„Also bleiben wir am liebsten bei denen, weil die erstens am hübschesten<br />

sind <strong>und</strong> wir uns zweitens nicht wirklich darauf konzentrieren<br />

müssen, uns in sie zu verwandeln“, endete <strong>Lily</strong> ihre Vorführung<br />

<strong>und</strong> sie setzte sich wieder neben ihre Schwester.<br />

„Unglaublich!“, stammelte Hagrid.<br />

21


<strong>Dora</strong> fragte sich unwillkürlich, ob er es jemals wieder schaffen<br />

würde, seinen Kopf ruhig zu halten, denn noch immer schüttelte er<br />

ihn ununterbrochen. <strong>Lily</strong> schien den gleichen Gedanken zu haben,<br />

denn sie <strong>und</strong> ihre Schwester begannen erneut zu kichern. Jegliche<br />

Scheu war jetzt verschw<strong>und</strong>en, als sie die Verw<strong>und</strong>erung, gleichzeitig<br />

aber auch die Neugier in Hagrids Augen sahen, mit denen er sie<br />

immer noch still musterte. Er blickte von der einen zur anderen <strong>und</strong><br />

zurück <strong>und</strong> dachte nach.<br />

„Sie haben auch mich gefragt, ob ich <strong>das</strong> auch kann…“, begann<br />

Harry zu reden.<br />

Alle sieben Augenpaare im Raum richteten sich auf ihn <strong>und</strong> sogar<br />

Hagrid schaffte es, seinen Blick von den Mädchen zu reißen, die ihn<br />

anscheinend tief verw<strong>und</strong>ert hatten, auch wenn sie nicht wussten,<br />

wieso.<br />

„…aber egal wie <strong>of</strong>t ich es versucht habe, ich konnte es einfach<br />

nicht.“<br />

Hagrid nickte.<br />

„’s is’ okay, mach dir nichts draus. Kein normaler Zauberer kann<br />

<strong>das</strong>. Soweit ich weiß, sind die beiden ja nich’ deine richtigen<br />

Schwestern, oder?“<br />

Harry schüttelte den Kopf. Hagrid, der diese Antwort schon zuvor<br />

gewusst hatte, wandte sich Dudley zu.<br />

„Gehörten ihre Eltern zu den Zauberern oder zu den Muggeln?“<br />

Ein Hauch von Missbilligung war noch immer in Hagrids Gesichtsausdruck<br />

zu erkennen, als er mit Dudley sprach. Das Lächeln,<br />

mit welchem er zu den Kindern sprach, schien wie von seinen überdimensionalen<br />

Lippen gewischt.<br />

„Ähm, wir… wir kennen ihre Eltern nicht! Das… <strong>das</strong> tut mir leid,<br />

also kann ich Ihnen diese Frage nicht beantworten!“, stammelte<br />

Dudley <strong>und</strong> blickte erneut zu Emily. „Hab ich nicht Recht?“<br />

„Ja, genau, wir haben keine Ahnung!“<br />

Hagrid nickte stumm.<br />

22


„Okay. Holt euch Tinte <strong>und</strong> Pergament <strong>und</strong> schreibt, <strong>das</strong>s ihr am<br />

ersten September in Hogwarts sein werdet. Hab' noch 'was Dringendes<br />

zu erledigen heute <strong>und</strong> nicht den ganzen Abend Zeit, auch wenn<br />

ich mir liebend gern noch ein wenig mehr von euren kleinen Kunststückchen<br />

ansehen würde. Da ihr ja keine Eulen habt, werd ich eure<br />

Briefe übermitteln!“, meinte Hagrid etwas traurig <strong>und</strong> stand auf.<br />

Wieder einmal schauten sich die Mädchen an <strong>und</strong> ein einziges<br />

Schulterzucken von <strong>Lily</strong> genügte, um <strong>Dora</strong> zum Reden zu bringen.<br />

„Ist Zettel <strong>und</strong> Kugelschreiber auch okay?“, fragte sie.<br />

„Was? Ach so, ja, hier leben ja Muggel. Ja, ich muss es nur blau<br />

auf gelb haben!“, meinte Hagrid.<br />

„Ist blau auf weiß auch okay? Bin mir nämlich nicht sicher, ob wir<br />

noch irgendwo gelbes Papier herumliegen haben!“, grinste <strong>Lily</strong>.<br />

„Ja ja, schon okay! Weißes Papier <strong>und</strong> Kugelschreiber… Komische<br />

Gestalten, diese Muggel“, flüsterte Hagrid <strong>und</strong> kratzte sich am<br />

Kopf.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> rannten aus dem Raum in Richtung Küche. Emily<br />

riss ihre Augen weit auf <strong>und</strong> lief ihnen nach.<br />

„Ach du meine liebe Güte!“, drang ihre Stimme ins Wohnzimmer<br />

zurück <strong>und</strong> schon ein paar Augenblicke später, stand sie wieder in<br />

der Wohnzimmertür, mit einem rauchenden Behälter in der Hand.<br />

„Ich hab den Kuchen für’s Abendessen vergessen, den können wir<br />

nicht mehr essen!“, sagte sie <strong>und</strong> deutete auf <strong>das</strong> verkohlte, schwarze<br />

etwas in ihrer Hand. „Ich bring ihn nur schnell raus. Eigentlich wollten<br />

wir Ihnen auch etwas davon abgeben!“, murmelte sie in Hagrids<br />

Richtung. „Tut mir leid!“<br />

„Mhm“, machte Hagrid, während er die Augen schloss <strong>und</strong> er unverkennbar<br />

den Geruch des Kuchens einatmete. „Riecht sehr gut.<br />

Warten Sie! Sie wollen den doch nicht’ wegschmeißen, oder?“<br />

Emily nickte <strong>und</strong> Hagrid stand auf.<br />

„Aber warum denn? Darf ich?“<br />

23


Emily nickte ein weiteres Mal <strong>und</strong> steckte ihre Hand aus. Hagrid<br />

nahm den heißen Kuchen vom Tablett. Obwohl er für eine ganze<br />

Familie gedacht war, war er kaum größer als Hagrids enorme Hand.<br />

„Na ja, ich bevorzuge meine Felsenplätzchen ja etwas kleiner, aber<br />

ich bin auch kein Muggel“, sagte Hagrid <strong>und</strong> nahm einen großen<br />

Bissen von dem, was für Dudley <strong>und</strong> Emily aussah, wie ein großer,<br />

schwarzer Stein.<br />

„Sehr gut, danke!“, schmatzte er <strong>und</strong> mit dem zweiten Bissen, war<br />

der Kuchen auch schon weg.<br />

„Daddy, wenn wir für <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> morgen keine Schule mehr<br />

suchen müssen, was machen wir dann sonst?“, fragte Sam, die ihre<br />

Arme jetzt um den Hals ihres Vaters geschlungen hatte.<br />

Obwohl sie nicht gerade laut gesprochen hatte, <strong>und</strong> Hagrids Kauen<br />

auf dem harten ‚Plätzchen’ es fast unmöglich machte, sie zu verstehen,<br />

antwortete ihr ihr Vater.<br />

„Na ja, wir sehen uns Harrys Schule an <strong>und</strong> dann haben wir länger<br />

Zeit im Zoo.“<br />

Sam strahlte übers ganze Gesicht, doch weniger als zwei Sek<strong>und</strong>en<br />

nachdem Dudley fertig gesprochen hatte, verstummte Hagrid plötzlich<br />

<strong>und</strong> schluckte die letzten Bissen hinunter, an dem er sich fast<br />

verschluckte.<br />

„Dursley, du willst doch nich’ etwa dies’m Jungen verbieten nach<br />

Hogwarts zu gehen?“, donnerte Hagrid los.<br />

Dudley schaute ihn verwirrt an <strong>und</strong> Hagrid streckte seinen langen<br />

<strong>und</strong> dicken Zeigefinger in Richtung Harry.<br />

„Was… Wieso? Ich dachte, nur die zwei könnten dorthin?“, fragte<br />

Dudley <strong>und</strong> deutete mit dem Kopf in Richtung Tür, wo sie vor kurzer<br />

Zeit verschw<strong>und</strong>en waren.<br />

„Wie kommst du den auf den Mist? Ich bin hier um euch allen zu<br />

erklären, warum <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Harry eine Einladung nach Hogwarts<br />

bekommen haben!“, brüllte Hagrid.<br />

Spätestens jetzt, mussten auch die letzten Nachbarn erwacht sein,<br />

wenn nicht die ganze Stadt.<br />

24


„Aber… Aber…“, stotterte Dudley.<br />

„Kein ‚aber’. Sei froh, <strong>das</strong>s dein Sohn die Ehre hat!“<br />

Harry, James <strong>und</strong> Sam hielten sich die Ohren zu, Dudley wagte<br />

sich jedoch nicht zu bewegen, genauso wie Emily.<br />

„Auch wenn Sie mir <strong>das</strong> nicht glauben, aber ich wäre sehr glücklich<br />

darüber, wenn mein Sohn diese Schule besuchen könnte, aber<br />

soweit ich weiß, müsste er dazu eine Eule bekommen!“<br />

Dudley war jetzt aufgestanden <strong>und</strong> somit mit dem sitzenden<br />

Hagrid auf Augenhöhe.<br />

„Keine Eule?“, fragte dieser.<br />

Dudley schüttelte den Kopf.<br />

„Okay, muss wohl ein Missgeschick passiert sein. Harry ist auch<br />

aufgenommen <strong>und</strong> die Eule wird natürlich nachgeschickt. Herzlichen<br />

Glückwunsch!“, fügte er an Harry gewandt hinzu.<br />

Dieser stand emotions- <strong>und</strong> bewegungslos in der Tür, als hinter<br />

ihm <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> wieder auftauchten. Sie hatten jeweils einen Kugelschreiber<br />

<strong>und</strong> Papier in der Hand.<br />

„<strong>Dora</strong>, gib Harry bitte ein Blatt Papier!“, bat Dudley sie <strong>und</strong> er<br />

selbst zog einen Kugelschreiber aus der Brusttasche seines Hemdes<br />

<strong>und</strong> überreichte ihn seinem Sohn.<br />

Die drei setzten sich aufs S<strong>of</strong>a <strong>und</strong> legten ihre Zettel dorthin, wo<br />

sie den Tisch vermuteten, der noch immer desillusioniert war. Die<br />

Zettel schienen in der Luft zu schweben <strong>und</strong> trotzdem lagen sie auf<br />

festem Untergr<strong>und</strong>. Als Hagrid <strong>das</strong> erblickte, tippte er ein weiteres<br />

Mal mit seinem Regenschirm auf die Oberfläche <strong>und</strong> der Glastisch<br />

erschien wie aus dem nichts.<br />

Harry blickte noch immer vollkommen verwirrt, angesichts der<br />

Tatsache, <strong>das</strong>s er jetzt so einfach zustimmte, in eine so komische<br />

Schule zu gehen, obwohl er es doch eigentlich hasste <strong>und</strong> auch der<br />

plötzlich wieder erscheinende Tisch, half seiner Verwirrung nicht.<br />

<strong>Lily</strong> blickte Hagrid fragend an.<br />

„Was sollen wir schreiben?“, fragte sie.<br />

25


Hagrid drehte sich weg von ihnen <strong>und</strong> verschränkte die Arme hinter<br />

seinem Rücken.<br />

„‚Ich bestätige hiermit, <strong>das</strong>s ich am ersten September um elf Uhr<br />

morgens auf Bahngleis neun dreiviertel am Bahnh<strong>of</strong> Kings Cross<br />

eintreffen werde, um mit dem Hogwarts-Express nach Hogwarts zu<br />

fahren.’ Dann noch eine Unterschrift von euch <strong>und</strong> von eurem Vater<br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong> war’s.“<br />

Als Hagrid den Brief zum zweiten Mal diktiert hatte <strong>und</strong> Dudley<br />

alle drei Briefe unterzeichnet hatte, sammelte Hagrid sie ein <strong>und</strong><br />

steckte sie in eine der vielen Taschen seines schmutzigen Umhanges.<br />

„Dankeschön! Die Bücherlisten findet ihr ebenfalls in euren Briefen.<br />

In drei Wochen komm’ ich wieder <strong>und</strong> wir geh’n alle gemeinsam<br />

in die Winkelgasse, um alles Nötige zu kaufen. Eure Eltern<br />

werden auch mitkommen, damit ihr <strong>das</strong> ab nächstes Jahr alleine erledigen<br />

könnt. Hat mich gefreut, euch kennen zu lernen!“<br />

Die gesamte Familie ging hinter Hagrid her, der aus dem Wohnzimmer<br />

spazierte <strong>und</strong> die Haustüre öffnete.<br />

„Also macht’s gut <strong>und</strong> Mädchen, nicht vergessen! Erzählt keinem,<br />

<strong>das</strong>s ihr Animagi seid! Ich frag mal etwas 'rum <strong>und</strong> sag' euch dann<br />

beim nächsten Mal, ob ihr euch beim Ministerium registrieren lassen<br />

sollt oder nicht!“<br />

Er trat ein paar Schritte ins Freie <strong>und</strong> tastete mit seinen Händen<br />

durch die dunkle, aber dennoch heiße Nachtluft. Ein zweites Mal an<br />

diesem Abend fragte sich Dudley, ob Hagrid noch alle Tassen im<br />

Schrank hatte, doch auch dieses Mal musste er erkennen, <strong>das</strong>s es einen<br />

Gr<strong>und</strong> für Hagrids Handeln gab.<br />

Er kletterte auf ein <strong>durchsichtige</strong>s Etwas, <strong>das</strong> <strong>das</strong> desillusionierte<br />

Motorrad sein musste, bevor er seinen Regenschirm ein weiteres Mal<br />

hob.<br />

„Auf Wiedersehen“, sagten <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>.<br />

Hagrid winkte ihnen zu.<br />

„Bis bald“, verabschiedete sich auch Harry.<br />

26


Die beiden jüngeren Geschwister schienen nicht die richtigen Worte<br />

zu finden <strong>und</strong> hoben nur eine Hand <strong>und</strong> winkten, genau wie ihr<br />

Vater <strong>und</strong> ihre Mutter.<br />

Hagrid klopfte sich selbst mit dem Regenschirm auf den Kopf <strong>und</strong><br />

schon war er verschw<strong>und</strong>en. Ein ohrenbetäubender Lärm erfüllte den<br />

Ligusterweg, doch es dauerte nicht lange, <strong>und</strong> er wurde leiser. Das<br />

einzige was zurückblieb, war eine ganze Familie, die in den finsteren<br />

Himmel starrte. <strong>Dora</strong> hätte schwören können, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Licht, welches<br />

sie kurzzeitig am Himmel erblickte, nicht etwa eine Sternschnuppe<br />

war, sondern <strong>das</strong> Rücklicht des Motorrades.<br />

„Daddy? Heißt <strong>das</strong>, <strong>das</strong>s wir morgen den ganzen Tag im Zoo sein<br />

werden?“, durchbrach Sam die Stille.<br />

Dudley blickte weiter, vollkommen verschreckt, in den Himmel.<br />

„Ja mein Schatz, <strong>das</strong> heißt es!“<br />

27


Unangenehme Besucher<br />

Die Tage zogen sich nur langsam dahin. Obwohl Harry, <strong>Lily</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Dora</strong> die ersten Wochen der Sommerferien die meiste Zeit auf dem<br />

nahe gelegenen Spielplatz verbracht hatten, kamen sie jetzt kaum<br />

mehr aus dem Zimmer der Zwillinge. Tagelang saßen sie um den<br />

kleinen Tisch <strong>und</strong> selbst Harry, der schon immer zu faul für so etwas<br />

wie Schule gewesen war, beteiligte sich an den zahlreichen Gesprächen<br />

über <strong>das</strong>, was sie erwarten würde.<br />

„Glaubt ihr eigentlich, <strong>das</strong>s ich der Einzige bin, der nichts Besonderes<br />

kann?“, fragte er an einem weiteren heißen Sonnentag.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> schauten sich in die Augen <strong>und</strong> zuckten dann mit<br />

den Schultern.<br />

„Weiß nicht… Aber so wie sich <strong>das</strong> bei diesem Hagrid angehört<br />

hat, können sich nicht alle in Tiere verwandeln“, überlegte <strong>Dora</strong>.<br />

„Aber ich kann ja auch noch <strong>das</strong>…“<br />

<strong>Lily</strong> nickte mit dem Kopf in Richtung einer Schuhschachtel, die<br />

unter ihrem Bett stand <strong>und</strong> diese rutsche quer durch den Raum, wo<br />

sie unter <strong>Dora</strong>s Bett stehen blieb.<br />

„Ach so kommen also deine Sachen immer unter mein Bett <strong>und</strong> ich<br />

darf dann alles aufräumen!“, sagte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> verschränkte die Hände.<br />

<strong>Lily</strong> streckte ihr die Zunge entgegen <strong>und</strong> lächelte.<br />

„Was ich damit sagen wollte ist, <strong>das</strong>s ich nicht weiß, ob <strong>das</strong> normal<br />

ist!“<br />

<strong>Dora</strong> schüttelte den Kopf.<br />

„Nein, ist es nicht! Sonst könnte ich es auch. Stell mal die Schachtel<br />

in die Mitte des Raumes.“<br />

Ihre Schwester betrachtete wieder die Schachtel, welche sich mühelos<br />

dorthin bewegte, wo <strong>Lily</strong> sie haben wollte. Als sie mitten im<br />

Raum stand, wandte <strong>Lily</strong> ihren Blick ab <strong>und</strong> dafür konzentrierte sich<br />

<strong>Dora</strong> jetzt auf sie. Sie hob ihren Kopf ein Stück <strong>und</strong> die Box machte<br />

<strong>das</strong>selbe, bis sie kerzengerade in der Luft hängen blieb. Solange, bis<br />

<strong>Dora</strong> sie wieder hinunter gleiten <strong>und</strong> sachte auf dem Boden auf-<br />

28


kommen ließ. Dann schaute sie zu Harry, welcher mit großen Augen<br />

abwechselnd von einem Mädchen zum anderen starrte.<br />

„Ich kann nur <strong>das</strong>“, meinte <strong>Dora</strong>. „Nur auf <strong>und</strong> ab <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> nur zur<br />

Seite!“<br />

„Das habt ihr mir nie gezeigt!“, sagte Harry. „Na toll, dann bin ich<br />

ja der totale Freak dort…“<br />

Harry blickte besorgt auf den Tisch <strong>und</strong> gleichzeitig hoben <strong>Lily</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Dora</strong> ihre Hände, um ihm aufmunternd auf die Schultern zu<br />

klopfen. <strong>Lily</strong> begann zu sprechen.<br />

„Wir sitzen den halben Tag als irgendwelche Tiere rum <strong>und</strong> lassen<br />

Schuhschachteln durch die Gegend fliegen…“<br />

„…<strong>und</strong> du sagst, <strong>das</strong>s du ein Freak bist!“, beendete <strong>Dora</strong> den Satz<br />

für ihre Schwester.<br />

Harry blickte auf, jedoch schienen die Worte der Zwillinge ihn<br />

nicht wirklich aufgemuntert zu haben.<br />

„Aber <strong>das</strong> können doch sicher alle dort <strong>und</strong> ich kann gar nichts<br />

Außergewöhnliches. Seid ihr euch sicher, <strong>das</strong>s sie mir den Brief<br />

nicht irrtümlich geschickt haben?“<br />

<strong>Lily</strong> schüttelte energisch den Kopf.<br />

„Dieser Brief stammt von einer Hexe <strong>und</strong> diese Hexe weiß sicher,<br />

was sie tut, wenn sie einen Brief abschickt. Auch wenn sie nicht alles<br />

zu wissen scheint!“<br />

Sie stand auf <strong>und</strong> ging zu einem Stuhl am Fenster, auf dem ein Käfig<br />

mit einer Eule stand. Sie musste wohl ziemlich alt sein, denn sie<br />

konnte sich kaum auf den Beinen halten, geschweige denn ein paar<br />

Meter fliegen.<br />

„Die bringen wir am besten mit in die Schule <strong>und</strong> geben sie dort<br />

zurück. Alleine schafft sie es nicht!“<br />

Kurz danach Hagrid davongeflogen war, hatte Sam etwas gef<strong>und</strong>en,<br />

was eher wie ein grauer Fetzen wirkte, der regungslos am Boden<br />

lag. Allerdings gab er bemitleidenswerte Schreie von sich, was<br />

Dudley dazu gebracht hatte, nachzuschauen, was <strong>das</strong> denn sei. Er<br />

hatte den Brief vom Bein der Eule genommen <strong>und</strong> ihn gemeinsam<br />

29


mit ihr selbst ins Haus getragen. Jetzt lebte sie in einem Käfig im<br />

Zimmer der Zwillinge, die alles daran gesetzt hatten, sie wieder einigermaßen<br />

auf die Beine zu bringen. Inzwischen sah sie nicht mehr<br />

ganz so schlecht auf, an Fliegen war allerdings gar nicht zu denken.<br />

<strong>Lily</strong> öffnete den Käfig <strong>und</strong> kraulte leicht den Kopf der schwankenden<br />

Eule.<br />

„Sie hätten wissen müssen, <strong>das</strong>s sie dich nicht einfach so so eine<br />

weite Strecke fliegen lassen können. Wie geht’s deinem Flügel?“<br />

Das Tier gab ein schwaches Geräusch von sich <strong>und</strong> streckte einen<br />

Flügel, der in dicken Verband gewickelt war, zu <strong>Lily</strong> aus. Diese wickelte<br />

ihn vorsichtig ab <strong>und</strong> schaute <strong>das</strong> blutverkrustete Gefieder an.<br />

„Wird schon besser. Keine Angst, in ein paar Tagen tut es nicht<br />

mehr weh!“<br />

Sie warf den Verband in den Mistkübel <strong>und</strong> schloss den Käfig<br />

wieder, bevor sie zurück zum Tisch ging.<br />

„Also ihr glaubt, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> wirklich kann?“, fragte Harry. „Das<br />

mit dem Zaubern meine ich.“<br />

Beide Mädchen nicken bestimmt.<br />

„Oja, <strong>das</strong> ist eine Schule, <strong>das</strong> heißt, <strong>das</strong>s sie es dir dort beibringen<br />

werden!“<br />

Harry begann zu lächeln.<br />

„Na h<strong>of</strong>fentlich“, sagte er, jetzt schon ein bisschen fröhlicher.<br />

„Und, was glaubt ihr, was wir da so für Fächer haben werden? H<strong>of</strong>fentlich<br />

nicht Mathe oder Englisch oder vielleicht sogar Geschichte!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> begannen zu lachen.<br />

„Ja ja Harry, nur nicht zu viel lernen, wir wissen schon Beschied!“,<br />

sagte <strong>Lily</strong>.<br />

„Aber keine Angst, ich glaube nicht, <strong>das</strong>s es solche Fächer geben<br />

wird. Obwohl… von Geschichte hab ich schon etwas gelesen!“,<br />

meinte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> nickte mit dem Kopf ihrem Kopfkissen zu, welches<br />

in die Höhe stieg.<br />

30


<strong>Lily</strong> blickte auf den Brief, deutete mit dem Kopf in <strong>Dora</strong>s Richtung<br />

<strong>und</strong> schon kam dieser, quer durch den Raum, auf ihre Schwester<br />

zugeflogen. Diese hob ihn mit reiner Gedankenkraft noch etwas<br />

höher in die Luft <strong>und</strong> nahm ihn dann, als er nur wenige Zentimeter<br />

vor ihren Augen schwebte, in ihre Hand.<br />

„Ihr macht <strong>das</strong> mit Absicht“, schmollte Harry, verschränkte die<br />

Arme vor seiner Brust <strong>und</strong> blickte die Mädchen finster an. „Nur weil<br />

ich <strong>das</strong> nicht kann.“<br />

Doch schon Augenblicke später, hatte er vergessen, <strong>das</strong>s er eigentlich<br />

sauer war <strong>und</strong> setzte sich gerade hin, damit er gemeinsam mit<br />

seinen Cousinen, wie er sie nannte, die beiden Zettel die aus dem<br />

Brief fielen, betrachten konnte.<br />

Den ersten mit der Information, <strong>das</strong>s <strong>Dora</strong> in Hogwarts aufgenommen<br />

war, schob sie s<strong>of</strong>ort beiseite, faltete den zweiten auseinander<br />

<strong>und</strong> legte ihn so auf den Tisch, damit auch wirklich alle ihn sehen<br />

konnten. Mit ihrem Finger zeigte sie auf eine Stelle im Text.<br />

31<br />

Lehrbücher:<br />

Alle Schüler sollten jeweils ein Exemplar der folgenden<br />

Werke besitzen:<br />

- Miranda Habicht: Lehrbuch der Zaubersprüche,Band 1<br />

- Bathilda Bagshot: Geschichte der Zauberei<br />

- Adalbert Schwahfel: <strong>The</strong>orie der Magie<br />

- Hermine Granger: Gr<strong>und</strong>prinzipien der Verwandlung<br />

- Phyllida Spore: Tausend Zauberkräuter <strong>und</strong> -pilze<br />

- Arsenius Bunsen: Zaubertränke <strong>und</strong> Zauberbräue<br />

- Susann Marchbanks: Sterne <strong>und</strong> ihr System<br />

- Quirin Sumo: Dunkle Kräfte. Ein Kurs zur<br />

Selbstverteidigung<br />

„Also etwas von Englisch oder Mathe steht schon mal nicht da!“,<br />

stellte Harry zufrieden fest. „Dafür aber ‚Geschichte der Zauberei’.<br />

Ist aber sicher interessanter als Geschichte normalerweise, oder?“


<strong>Dora</strong> nickte.<br />

„Ganz sicher sogar!“, meinte sie.<br />

Auch ihre Erinnerungen an dieses Fach in der Gr<strong>und</strong>schule waren<br />

nicht gerade die besten <strong>und</strong> sie konnte sich durchaus interessanteres<br />

vorstellen, als st<strong>und</strong>enlang in Geschichte zu sitzen, aber dennoch war<br />

sie gespannt, was sie in ‚Geschichte der Zauberei’ zu erwarten hatte.<br />

Wenn es um ein <strong>The</strong>ma wie Zauberei ging, dann konnte es doch gar<br />

nicht so langweilig werden.<br />

„Zaubersprüche, Verwandlung, Zauberkräuter <strong>und</strong> –pilze, Selbstverteidigung<br />

gegen dunkle Künste, Zaubertränke, <strong>The</strong>orie der Magie…<br />

Hört sich doch alles nicht so schlecht an, oder? Das mit den<br />

Sternen wird vielleicht ein bisschen zäh“, zählte <strong>Lily</strong> auf.<br />

„Schau dir <strong>das</strong> an! ‚Gr<strong>und</strong>prinzipien der Verwandlung’ sind von<br />

dieser Hermine Granger. Ist <strong>das</strong> nicht die stellvertretende Schulleiterin?“,<br />

fragte Harry.<br />

<strong>Lily</strong> nickte, während <strong>Dora</strong> ihm gar nicht zugehört hatte. Sie zeigte<br />

mit ihrem Finger weiter oben auf <strong>das</strong> Pergamentblatt. Harrys <strong>und</strong><br />

<strong>Lily</strong> richteten ihren Blick auf die Stelle, auf die sie zeigte.<br />

„Wisst ihr was?“, fragte sie. „Ich bin mit meiner Kleidung eigentlich<br />

soweit ganz zufrieden!“<br />

Die beiden anderen begannen zu lesen.<br />

Uniform:<br />

Im ersten Jahr benötigen die Schüler:<br />

1. Drei Garnituren einfache Arbeitskleidung (schwarz)<br />

2. Einen einfachen Spitzhut (schwarz) für tagsüber<br />

3. Ein Paar Schutzhandschuhe (Drachenhaut o. Ä.)<br />

4. Einen Winterumhang (schwarz, mit silbernen<br />

Schnallen)<br />

Bitte beachten Sie, <strong>das</strong>s alle Kleidungsstücke der Schüler<br />

mit Namensetiketten versehen sein müssen.<br />

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„Einen Spitzhut? Sehe ich denn aus wie eine alte Frau?“, fragte Harry<br />

<strong>und</strong> starrte ungläubig auf die Worte, die er da zu lesen bekam.<br />

„Findest du etwa Schutzhandschuhe aus Drachenhaut besser?<br />

Schwarze Arbeitskleidung werden wir schon noch auftreiben können,<br />

aber von wo um alles in der Welt sollen wir Drachenhauthandschuhe<br />

herkriegen?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Die anderen beiden zuckten mit ihren Schultern.<br />

„Okay, ich bin kein Freak, <strong>das</strong> sind Freaks!“, stellte Harry fest <strong>und</strong><br />

jetzt war er es, der auf den letzten Abschnitt des Zettels deutete.<br />

33<br />

Ferner werden benötigt:<br />

- 1 Zauberstab<br />

- 1 Kessel (Zinn, Normgröße 2)<br />

- 1 Sortiment Glas- oder Kristallfläschchen<br />

- 1 Teleskop<br />

- 1 Waage aus Messing<br />

Es ist den Schülern zudem freigestellt, eine Eule ODER<br />

eine Katze ODER eine Kröte mitzubringen.<br />

Die Eltern seien daran erinnert, <strong>das</strong>s Erstklässler<br />

KEINE eigenen Besen besitzen dürfen!<br />

„Ja, einen Zauberstab kriegen wir an jeder Ecke, <strong>das</strong> dürfte <strong>das</strong><br />

kleinste Problem von allem sein. Harry, hast du nicht noch irgendwo<br />

diesen alten Zauberkasten? Da war doch so ein Plastikding drinnen,<br />

oder?“, lachte <strong>Lily</strong>.<br />

„Okay, also <strong>das</strong> Einzige was wir im Haus haben sind Namensetiketten<br />

für die Kleidungsstücke, ein Zauberstab aus Plastik, 1-Liter-<br />

Glasflaschen, eine Küchenwaage <strong>und</strong> einen Staubsauger. Glaubst du,<br />

die lassen uns den Staubsauger als Besen durchgehen? Immerhin erfüllt<br />

er ja denselben Zweck <strong>und</strong> ist noch dazu gründlicher“, fasste<br />

Harry ihre h<strong>of</strong>fnungslose Situation noch einmal zusammen.<br />

<strong>Lily</strong> runzelte die Stirn.<br />

„Die wollen uns doch nicht etwa die Schule putzen lassen, oder?“


„Keine Ahnung… Vielleicht muss jede Woche jemand anderer unsere<br />

Zimmer putzen. Oder glaubst du etwa, die wollen uns damit<br />

fliegen lassen?“<br />

Alle drei brachen in schallendes Gelächter aus.<br />

„Der war gut, <strong>Dora</strong>!“, lachte Harry <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> stellte sich vor, wie es<br />

denn aussehen würde, wenn jemand auf einem Staubsauger herumfliegt.<br />

„Aber ist egal, wir dürfen sowieso keine eigenen Besen oder auch<br />

Staubsauger“, meinte <strong>Lily</strong>, während <strong>Dora</strong> vom Lachen noch immer<br />

Tränen in den Augen hatte, „mitnehmen. Vielleicht putzen uns die<br />

älteren die Zimmer!“<br />

<strong>Dora</strong> stand auf <strong>und</strong> ging im Zimmer auf <strong>und</strong> ab, um sich wieder zu<br />

beruhigen. Dann fragte sie: „Glaubst du, <strong>das</strong>s wir beide auch ein Tier<br />

mitnehmen können? Ich meine, da steht doch ‚eine Eule ODER eine<br />

Katze ODER eine Kröte…' Wir alleine brechen diese Regel doch<br />

schon, wenn wir uns auf dem Schulgelände in mehr als nur ein Kätzchen<br />

verwandeln…“<br />

<strong>Lily</strong> überlegte <strong>und</strong> auch Harry schien keine Antwort auf diese Frage<br />

zu wissen.<br />

„Ich will auf jeden Fall eine Eule!“, sagte er schließlich.<br />

„Und ich auch! Hagrid hat doch gesagt, wir sollen es keinem sagen.<br />

Dann machen wir <strong>das</strong> doch einfach so. Er wird uns schon nicht<br />

verraten. Ich will jedenfalls nicht auf ein Tier verzichten, nur weil<br />

ich selber zu einem werden kann!“, meinte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> ihre Schwester<br />

nickte.<br />

„Du hast Recht. Wir können schließlich auch nichts dafür!“,<br />

stimmte sie zu. „Aber weißt du, was mir noch nicht ganz klar ist?<br />

Warum sind gerade wir drei aufgenommen worden?“<br />

„Wir sind elf Jahre alt, <strong>und</strong> die anderen jünger“, sagte Harry <strong>und</strong><br />

<strong>Dora</strong> schüttelte den Kopf.<br />

„Ja, schon klar, aber <strong>das</strong> meine ich nicht. Die nehmen doch nicht<br />

einfach so jeden auf. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> ich können uns in Katzen verwandeln<br />

<strong>und</strong> Dinge bewegen. Wir sind adoptiert <strong>und</strong> wissen nicht, von wem<br />

34


wir abstammen. Es könnten auch Zauberer sein. Aber du“, sie deutete<br />

auf Harry, „du weißt es schon. Und sag’s mir, wenn ich falsch liege,<br />

aber Onkel Dudley oder Tante Emily können nicht zaubern, oder?“<br />

„Sicher nicht, sonst hätten sie Hagrid normal behandelt <strong>und</strong> nicht<br />

angeschaut wie irgendein dahergelaufenes Monster, vor dem man<br />

Angst haben muss“, antwortete er. „Vielleicht dachten die sich, <strong>das</strong>s<br />

es gemein wäre, nur euch zwei aufzunehmen, wenn ich weiter auf<br />

eine normale Schule gehen müsste?“<br />

„Ja, wahrscheinlich!“, nickten die Mädchen.<br />

„Na ja, die Hauptsache ist doch, <strong>das</strong>s wir alle auf diese Schule<br />

können <strong>und</strong> ich bin schon mal tierisch gespannt, was uns dort erwartet!“,<br />

sagte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ich auch, egal was für ‚Muggel’ meine Eltern sind. Hab ich <strong>das</strong><br />

Wort jetzt richtig verwendet?“<br />

<strong>Lily</strong> zuckte mit den Schultern.<br />

„Ich hab <strong>das</strong> Wort jetzt gerade zum zweiten Mal gehört, also frag<br />

am Besten einen Zauberer, der weiß <strong>das</strong>!“<br />

„Ja, wieso nicht!“, sagte Harry <strong>und</strong> stand auf.<br />

Er stellte sich mit grinsendem Gesicht zum Fenster <strong>und</strong> schaute<br />

hinaus. Gleichzeitig zuckten beide Mädchen mit den Schultern.<br />

„Was machst du da?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Schauen, ob ich wo einen fliegenden Staubsauger mit einem Zauberer<br />

drauf entdecken kann!“, lachte Harry <strong>und</strong> drehte sich wieder<br />

um.<br />

Die Mädchen stimmten in sein Lachen ein, als plötzlich Dudleys<br />

Stimme zu vernehmen war.<br />

„Harry, <strong>Dora</strong>, <strong>Lily</strong>, macht schnell, wir haben euch etwas zu sagen!“,<br />

schrie er.<br />

Von der Stelle, auf der eben noch <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> gestanden hatten,<br />

liefen jetzt die zwei kleinen, roten Kätzchen weg, hinaus zur Tür <strong>und</strong><br />

in Richtung Treppe.<br />

35


„Hey, <strong>das</strong> ist gemein!“, rief ihnen Harry nach, doch die beiden waren<br />

schon verschw<strong>und</strong>en, als auch er sich schnellen Schrittes auf den<br />

Weg nach unten machte.<br />

Die Mädchen saßen schon neben James <strong>und</strong> Sam auf dem S<strong>of</strong>a, als<br />

Harry kam <strong>und</strong> ihnen einen letzten finsteren Blick zuwarf, bevor er<br />

sich zwischen <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> niederließ.<br />

„Aua, du zerquetscht mich!“, schimpfte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> versuchte Harry<br />

wegzudrücken.<br />

„Tja, wenn du auf mich gewartet hättest, dann hätte ich mich als<br />

erster niedergesetzt <strong>und</strong> du könntest mich zerquetschen!“, gab dieser<br />

zurück.<br />

„Das bezweifle ich…“<br />

„Was willst du damit…“<br />

„Ruhe!“, donnerte Dudley. „Emily, bitte erzähl du ihnen die freudigen<br />

Nachrichten! Ich muss nach draußen, den Rasen mähen!“<br />

Seine Frau trat einen Schritt vor. Sie war gerade dabei gewesen,<br />

eine der alten Blumenvasen zu putzen, die sie schon seit Ostern nicht<br />

mehr aus dem alten Wandschrank unter der Treppe geholt hatte.<br />

<strong>Lily</strong> warf <strong>Dora</strong> einen beunruhigten Blick zu. Das konnte nur eines<br />

bedeuten. Besuch <strong>und</strong> zwar von---<br />

„Großvater Vernon <strong>und</strong> Grußmutter Petunia kommen uns besuchen!“,<br />

sagte Emily, wobei <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> an ihrer Stimme genau<br />

erkennen konnten, wie sehr sie diese beiden Menschen verachtete.<br />

„Bitte richtet eure Zimmer her, zieht euch was Frisches an <strong>und</strong><br />

kommt in zehn Minuten wieder hier ins Wohnzimmer. Euer Vater<br />

oder Onkel hat euch noch was mitzuteilen, bevor sie in zwanzig Minuten<br />

hier eintreffen werden!“<br />

Zwanzig Minuten? <strong>Lily</strong> sprang auf <strong>und</strong> lief, dicht gefolgt von ihrer<br />

Schwester, die ebenfalls die Gestalt des Kätzchens angekommen hatte,<br />

die Treppe hinauf, während sie ein Stück hinter ihnen die anderen<br />

Kinder laufen hörte. Auch wenn die anderen sie seit Jahren schimpften,<br />

weil sie <strong>und</strong> ihre Schwester sich immer beim Fangen- oder<br />

Versteckenspielen in Katzen verwandelten, wollten sie diese Ge-<br />

36


wohnheit nicht aufgeben, denn es war nun mal einfacher <strong>und</strong> um einiges<br />

schneller. Die Ausnahme, bei der alle Familienmitglieder zufrieden<br />

waren wenn <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> sich verwandelten, war dann,<br />

wenn sie sich alle sieben aufs S<strong>of</strong>a setzen wollten, um fernzusehen.<br />

Dann wurden die beiden sogar darum gebeten <strong>und</strong> legten sich dann<br />

entweder auf ein Kissen vors S<strong>of</strong>a oder auf den Schoß eines Familienmitglieds.<br />

Je älter sie wurden, desto mehr bevorzugten sie allerdings<br />

<strong>das</strong> Kissen.<br />

Im Raum angekommen lief <strong>das</strong> Kätzchen, <strong>das</strong> eigentlich <strong>Lily</strong> war,<br />

auf sein Bett zu, setzte zum Sprung an <strong>und</strong> landete dann als Mensch<br />

aufrecht auf dem Bett, wo es von einem Regal Bücher <strong>und</strong> eine Blumenvase<br />

mit Seidenblumen nahm <strong>und</strong> dann vom Bett sprang um sie<br />

zu dem großen Kleiderkasten, den es sich mit seiner Schwester teilte,<br />

zu bringen. <strong>Lily</strong> legte den Bücherstoß vorsichtig ab <strong>und</strong> stellte den<br />

Blumenstrauß darauf, bevor sie die Schachtel mit den kleinen, aber<br />

überaus altmodischen <strong>und</strong> hässlichen Porzellanfiguren nahm. Mindestens<br />

zwanzig verschiedene lagen unordentlich in einer großen<br />

Box. Sie kippte sie, ohne Rücksicht auf Verluste, in eines der Fächer<br />

in Augenhöhe, dann drehte sie sich um, setzte zum Sprung an <strong>und</strong><br />

nicht mal eine Sek<strong>und</strong>e später stand sie wieder aufrecht auf ihrem<br />

Bett. Menschen, die nicht wussten, <strong>das</strong>s sie für die halbe Sek<strong>und</strong>e,<br />

die sie sich in der Luft bef<strong>und</strong>en hatte, in eine Katze verwandelt hatte,<br />

hätten <strong>das</strong> nicht mal bemerkt, so schnell war sie wieder sie selbst<br />

geworden.<br />

„Das sah toll aus“, meinte <strong>Dora</strong> lachend.<br />

„Weiß ich doch“, grinste <strong>Lily</strong>. „Warum soll ich die vier Meter gehen,<br />

wenn ich sie mit einem Sprung nehmen kann?“<br />

<strong>Dora</strong>, deren Regal ebenfalls schon leer war, nickte ihrer Schwester<br />

zu <strong>und</strong> die verstand augenblicklich. <strong>Lily</strong> blickte zweimal hintereinander<br />

vom Kasten zu <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> in kurzen Abständen, sausten zwei<br />

der Porzellanfiguren auf <strong>Dora</strong> zu, welche sich bückte <strong>und</strong> sie auffing.<br />

37


„Diesem fehlt ein Ohr!“, meckerte sie, während <strong>Lily</strong> die nächsten<br />

zwei Figuren auf ihre Seite des Zimmers zuschweben ließ.<br />

So ging es weiter, bis alle Figuren fein säuberlich aufgereiht, ihren<br />

Platz auf den Regalen gef<strong>und</strong>en hatten. <strong>Lily</strong> blickte angewidert auf<br />

die hässlichen Tiere <strong>und</strong> Gebäude, dann warf sie einen letzten prüfenden<br />

Blick zum Schrank.<br />

„<strong>Dora</strong>, dein Ohr“, sagte sie.<br />

<strong>Dora</strong> drehte sich um <strong>und</strong> im letzten Augenblick erwischte sie noch<br />

<strong>das</strong> kleine weiße Etwas, <strong>das</strong> auf sie zugeflogen kam.<br />

„Und was mach' ich jetzt damit? Petunia merkt <strong>das</strong> ganz sicher,<br />

wenn ich es daneben hinlege…“<br />

„Hier, Klebst<strong>of</strong>f!“<br />

<strong>Lily</strong> blickte vom Schreibtisch zu <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> mit einer schnellen<br />

Bewegung ihrer noch freien Hand, fing diese <strong>das</strong> gelbe Plastikfläschchen,<br />

<strong>das</strong> den Klebst<strong>of</strong>f beinhaltete.<br />

„Dankeschön Schwesterherz!“, bedankte sich <strong>Dora</strong>.<br />

„Dafür hebst du dieses Kissen da auf!“, sagte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> deutete auf<br />

den Boden.<br />

Mit einer leichten Kopfbewegung von <strong>Dora</strong> stieg es in die Luft <strong>und</strong><br />

eine weitere von <strong>Lily</strong> brachte es dazu, auf ihr eigenes Bett zu fliegen.<br />

Mit demselben Trick, brachten sie eins der Gegenstände, die im<br />

Zimmer herumlangen, nach dem anderen auf ihren Stammplatz zurück,<br />

ohne sich auch nur einen Zentimeter dabei zu bewegen. Sie<br />

grinsten sich zufrieden an.<br />

Innerhalb von fünf Minuten hatten die Mädchen es geschafft, ihr<br />

ganzes Zimmer aufzuräumen <strong>und</strong> sich umzuziehen. Dann gingen sie,<br />

diesmal nicht in Gestalt von Tieren, langsam die Treppe hinunter<br />

<strong>und</strong> setzten sich auf <strong>das</strong> S<strong>of</strong>a. Ihre Geschwister waren noch nicht<br />

wieder zurück <strong>und</strong> nur der handfeste Streit, ob James oder Harry den<br />

Fernseher abdrehen sollte, war von oben zu hören. Tante Emily<br />

huschte noch immer von Ecke zu Ecke <strong>und</strong> wischte Staub von den<br />

einzelnen scheußlichen Gegenständen, welche jetzt in großer Menge<br />

<strong>das</strong> Haus der Dursleys schmückten.<br />

38


„Ihr habt alles weggeräumt?“, fragte sie die beiden misstrauisch.<br />

„Ging schneller als wir dachten!“, antwortete <strong>Lily</strong> grinsend. „Warum<br />

kommen die eigentlich heute? Es ist doch noch nicht Weihnachten!“<br />

Emily zuckte mit den Schultern, während sie, die Abscheu in ihrem<br />

Gesichtsausdruck war klar zu erkennen, einen Teppich aus dem<br />

Wandschrank zerrte <strong>und</strong> ihn auf dem Flur ausbreitete.<br />

„Keine Ahnung. Waren wohl gerade in der Nähe. Wenn ihr mich<br />

fragst, kommen die nur, um uns zu kontrollieren <strong>und</strong> ich weiß auch,<br />

warum.“<br />

Mit ihren Füßen versuchte Emily den Teppich fest auf den Boden<br />

zu treten, der sich von jeder Seite wieder einzurollen versuchte. Er<br />

hatte jetzt über drei Monate lang zusammengerollt im Schrank gelegen<br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong> merkte man s<strong>of</strong>ort, wenn man ihn anschaute.<br />

„Mistding!“, fluchte sie.<br />

„Warum müssen wir immer <strong>das</strong> ganze Haus putzen, wenn die<br />

kommen?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

Ihre Tante streckte den Kopf zur Wohnzimmertür herein.<br />

„Ach, was weiß ich. Dudley sagt, <strong>das</strong>s sie es nicht verkraften<br />

könnten, wenn irgendetwas am falschen Platz liegt. Muss wohl immer<br />

alles dreimal am Tag geputzt worden sein, anstatt einmal in der<br />

Woche, wie es jetzt der Fall ist! Wenn die nichts Besseres zu tun hatten!“<br />

Dieses waren die liebsten Tage der Zwillinge. Wenn Vernon <strong>und</strong><br />

Petunia wieder Mal einen ihrer Besuche angekündigt hatten <strong>und</strong> sowohl<br />

Emily als auch Dudley vollkommen ausrasteten. Aber dennoch<br />

hatten sie noch nie einen Besuch zwanzig Minuten vor ihrem Eintreffen<br />

angekündigt.<br />

Als die Haustüre aufging, wurde <strong>Dora</strong> aus ihren Gedanken gerissen.<br />

Dudley kam herein <strong>und</strong> setzte sich auf <strong>das</strong> S<strong>of</strong>a.<br />

„Hast du schon mal versucht Heu zu mähen?“, fragte er Emily.<br />

Diese schüttelte nur den Kopf.<br />

39


„Tja, Dad schon <strong>und</strong> wenn ich es jetzt nicht auch mache, nimmt<br />

der uns vielleicht noch <strong>das</strong> Haus weg, so wie ich ihn kenne! Schließlich<br />

ist er ja auch gar nicht freiwillig ausgezogen <strong>und</strong> hat es uns überlassen…<br />

Wie <strong>of</strong>t ich mir <strong>das</strong> schon anhören konnte!“<br />

Jetzt war es Dudley, der den Kopf schüttelte, <strong>und</strong> gerade, als er<br />

sich neben die Zwillinge aufs S<strong>of</strong>a gesetzt hatte, kamen auch Harry,<br />

James <strong>und</strong> Sam ins Wohnzimmer.<br />

Sie stellten sich vor ihren Vater <strong>und</strong> warteten. Als auch Emily bei<br />

ihnen ankam, schnitt Harry seinem Vater <strong>das</strong> Wort ab.<br />

„Großvater Vernon <strong>und</strong> Großmutter Petunia kommen uns besuchen.<br />

Ihr wisst, was <strong>das</strong> heißt. Harry <strong>und</strong> James, ihr seid artig <strong>und</strong><br />

streitet euch nicht. Sam, du bleibst bei Mami <strong>und</strong> kommst ihnen<br />

nicht zu nahe <strong>und</strong> rede nur, wenn sie dich etwas fragen <strong>und</strong> jetzt zu<br />

euch, <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>: Keine Tricks, ob Zaubertrick oder normaler<br />

Trick, ist egal <strong>und</strong> keine Katzen, egal was passiert!“, sagte er <strong>und</strong><br />

imitierte dabei die tiefe Stimme seines Vaters.<br />

Alle im Raum lachten, aber trotzdem blieben Spuren der Anspannung,<br />

vor allem bei Dudley, zurück. So nervös hatten ihn die Mädchen<br />

vor einem Besuch seiner Eltern noch überhaupt nie erlebt.<br />

„Gut gesagt, Harry!“, lobte Dudley seinen Sohn. „Aber diesmal<br />

gibt’s ein paar mehr Regeln. Die Schule in die Harry, <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

gehen werden, heißt Smeltings! Wenn sie euch fragen, wo euer<br />

Holzstock ist, dann sagt, <strong>das</strong>s ihr irgendjemanden damit verhauen<br />

habt, weil er gemein zu euch war <strong>und</strong> ihr jetzt den Stock reparieren<br />

lassen müsst. Soweit verstanden?“<br />

Die Familie nickte <strong>und</strong> obwohl niemand eine Ahnung hatte, von<br />

was Dudley da eigentlich sprach, traute sich keiner, ihm zu widersprechen.<br />

„Okay <strong>und</strong> jetzt kommt <strong>das</strong> Wichtigste. Passt gut auf! Eure Großeltern<br />

dürfen auf keinen Fall erfahren, <strong>das</strong>s ihr nach Hogwarts gehen<br />

werden. Wenn sie euch irgendetwas fragen, bei dem ihr euch nicht<br />

sicher seid, ob es etwas mit Zauberei zu tun hat, dann ist es besser,<br />

ihr lauft weg, anstatt <strong>das</strong>s ihr ihnen eine Antwort gebt. Außerdem<br />

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verbiete ich euch, irgendwelche Wörter zu verwenden, die mit ‚Z’<br />

wie Zauberei beginnen. Auch Wörter mit ‚M’ wie Magie sind streng<br />

untersagt! Keine Tricks, keine Katzen, keine Eulen, kein Hagrid <strong>und</strong><br />

kein Hogwarts!“<br />

Alle nickten aufgr<strong>und</strong> der Strenge seiner Worte, nur <strong>Lily</strong> sprang<br />

auf.<br />

„Ich räum die Eule in den Schrank“, rief sie <strong>und</strong> lief in Richtung<br />

Türe.<br />

„Hey!“, schrie Dudley, als <strong>Dora</strong> einen roten Schwanz aus dem<br />

Zimmer verschwinden sah.<br />

„Oh, tut mir leid!“<br />

Schnelle Schritte waren auf der Treppe zu vernehmen, als <strong>Lily</strong><br />

nach oben rannte. Dudley nickte zufrieden, aufgr<strong>und</strong> der Tatsache,<br />

<strong>das</strong>s <strong>Lily</strong> die Treppen nicht als Katze hinaufeilte.<br />

„Okay! So weit so gut“, ließ jetzt wieder Harry von sich hören.<br />

„Kinder, ihr geht jetzt einer nach dem anderen zum Kühlschrank <strong>und</strong><br />

holt euch, was ihr wollt. Am besten Schokoladentorte oder Eiscreme.<br />

Ja kein Obst oder Gemüse, sonst glauben die noch, wir hätten euch<br />

was angetan!“<br />

Dudley klopfte seinem Ältesten auf den Kopf.<br />

„Ganz mein Junge!“, sagte er grinsend.<br />

„Mummy, warum müssen wir immer essen, wenn Opa <strong>und</strong> Oma<br />

kommen?“, fragte Sam.<br />

Ihre Mutter zuckte mit den Schultern <strong>und</strong> deutete auf Dudley, damit<br />

er ihr die Frage beantworten sollte.<br />

„Weil für sie Kinder, die nicht pausenlos Schokolade im M<strong>und</strong> haben,<br />

keine ges<strong>und</strong>en Menschen sind. Und holt euch ja nicht selbst<br />

Nachschub. Fangt zu schreien an, wenn ihr irgendetwas haben wollt<br />

<strong>und</strong> hört solang nicht damit auf, bis ihr es habt, verstanden?“<br />

Wieder nickten alle. Es waren zwar komische Regeln, die Dudley<br />

aufstellte, wenn seine Eltern ins Haus kamen, <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> konnte sich<br />

nicht vorstellen, <strong>das</strong>s seine Eltern eine solche Lebensweise für gut<br />

befänden, doch bis jetzt hatte es immer einwandfrei geklappt <strong>und</strong><br />

41


nach Jahren gewöhnte man sich auch daran, zweimal im Jahr <strong>das</strong><br />

vollkommen verwöhnte Muttersöhnchen spielen zu müssen. Dieses<br />

Jahr eben dreimal.<br />

Harry <strong>und</strong> James hatten die ganze Schokotorte für sich beschlagnahmt.<br />

Während <strong>Dora</strong> an die Reihe kam, sich etwas zu nehmen,<br />

stellten die beiden die Torte vor sich auf den Wohnzimmertisch,<br />

schalteten den Fernseher ein <strong>und</strong> begannen dann, jeder eine Gabel in<br />

der Hand, von der ganzen Torte zu essen.<br />

„Sehr gut Jungs!“, meinte Dudley. „Ihr habt’s kapiert!“<br />

<strong>Dora</strong> wollte sich gerade etwas von der zwei-Liter-Eisdose in eine<br />

Schüssel geben, als ihr Onkel hinter ihr auftauchte.<br />

„<strong>Lily</strong> oder <strong>Dora</strong>, wer auch immer du bist… Hast du es noch immer<br />

nicht gelernt?“<br />

Er nahm ihr die Schale aus der Hand, öffnete einen Schrank <strong>und</strong><br />

stellte sie hinein, bevor er aus einer Schublade einen großen, silbernen<br />

Suppenlöffel holte <strong>und</strong> ihn oben auf die große Eisdose legte, die<br />

<strong>Dora</strong> jetzt mit beiden Händen festhielt.<br />

„Und vergiss die Schokosoße nicht!“<br />

Er griff an ihr vorbei in den Kühlschrank <strong>und</strong> stellte die Plastikflasche<br />

oben auf den Deckel der Dose.<br />

„Ist <strong>das</strong> alles?“, fragte <strong>Dora</strong> ein wenig verwirrt <strong>und</strong> als ihr Onkel<br />

nickte, ging sie aus der Küche <strong>und</strong> ließ ihn alleine mit Sam zurück,<br />

die <strong>das</strong> nächste Kind war, <strong>das</strong> versorgt werden musste.<br />

„Was gibt’s diesmal zu essen?“<br />

<strong>Dora</strong> hätte schwören können, <strong>das</strong>s <strong>Lily</strong> wieder als Katze über die<br />

Treppen herunter gekommen war <strong>und</strong> sich hinter sie gestellt hatte,<br />

denn <strong>das</strong> Erste, was sie von ihrer Schwester hörte, war ihre Stimme<br />

hinter ihr <strong>und</strong> normalerweise war <strong>Lily</strong> alles andere als leise. Doch<br />

niemand anderer schien es bemerkt zu haben, da der Fernseher ungewöhnlich<br />

laut aufgedreht war <strong>und</strong> Emily ebenfalls in die Küche<br />

gegangen war, um dort den Putzdienst anzutreten, den sie immer<br />

vortäuschte, wenn Dudleys Eltern zu Besuch kamen.<br />

42


„Hol dir einen Löffel <strong>und</strong> hilf mir!“, sagte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> zeigte auf die<br />

zwei Liter Eis, die sie vor sich hatte.<br />

Sie setzte sich neben Harry aufs S<strong>of</strong>a. Die zwei Jungen hatten inzwischen<br />

einen ziemlich großen Teil der Torte verschlungen.<br />

„Nein, ich hol mir keinen Löffel“, flüsterte ihr <strong>Lily</strong> zu. „Mal<br />

schauen, ob <strong>das</strong> auch so klappt!“<br />

<strong>Dora</strong> drehte sich um <strong>und</strong> starrte ihre Schwester verwirrt an, doch<br />

bevor sie sich weiter fragen konnte, was diese vorhatte, begann diese<br />

etwas zu rufen.<br />

„ONKEL DUDLEY, ICH WILL EINEN LÖFFEL!“, schrie <strong>das</strong><br />

Mädchen aus Leibeskräften <strong>und</strong> kurz später stand Dudley in der Tür,<br />

einen zweiten Suppenlöffel in der Hand.<br />

„Braves Mädchen“, lachte er, „Aber gewöhn dir <strong>das</strong> bloß nicht<br />

an!“<br />

Jetzt war es <strong>Lily</strong> die lachte.<br />

„Danke, aber bequemer wäre <strong>das</strong> schon!“<br />

Sie nahm den Löffel <strong>und</strong> setzte sich neben <strong>Dora</strong>, die inzwischen<br />

große Löffel voll Eis in den M<strong>und</strong> nahm. Die Schokosoße hatte sie<br />

gleich über die ganzen zwei Liter in der Dose geleert <strong>und</strong> <strong>das</strong> ganze<br />

ergab eine schöne Sauerei, genauso wie die Torte der Jungs.<br />

Sam setzte sich auf einen Sessel daneben. Sie stellte einen Teller,<br />

voll mit Obsttorte – von der Dudley <strong>das</strong> Obst natürlich feinsäuberlich<br />

entfernt <strong>und</strong> dafür eine große Haube aus Schlagsahne darauf gespritzt<br />

hatte – auf den Tisch.<br />

Dudley setzte sich daneben, mit einer Zeitung in der Hand <strong>und</strong> ließ<br />

seinen Blick durch den Raum schweifen.<br />

„Genau wie früher!“, meinte er mit hochgezogenen Augenbrauen.<br />

Schon wenige Augenblicke später klingelte es an der Tür <strong>und</strong> er<br />

erhob sich, um seine Eltern ins Haus zu lassen. Im Flur schaute er<br />

noch mal schnell in den Spiegel, dann öffnete er die Eingangstüre<br />

des Hauses <strong>und</strong> seine Eltern kamen zum Vorschein.<br />

Petunia Dursley war über einen Kopf größer als ihr Ehemann <strong>und</strong><br />

die Kilos, die ihr Mann zu viel hatte, fehlten ihr. Auch bei der Ver-<br />

43


gabe der Halslänge war Vernon Dursley nicht gerade gut weggekommen,<br />

denn sein enormes Doppelkinn schien gleich in seinen Oberkörper<br />

überzugehen, während seine Frau die richtige Halslänge<br />

für ein Leben hier im Ligusterweg hatte. Leute über die Gartenzäune<br />

hinweg auszuspionieren war ihr damit noch nie schwer gefallen. Das<br />

einzige, was bei den beiden gleich war, waren die Haare, die langsam,<br />

aber sicher auch bei Petunia ins Graue übergingen.<br />

„Oh, Duddymatz!“, schrie sie, während sie ihrem Sohn in die<br />

Wangen kniff.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> hatten sich, wie alle anderen Familienmitglieder,<br />

mit Ausnahme von Emily, die noch immer die Küche zu putzen <strong>und</strong><br />

Essen zu machen hatte, auch, vom Fernseher abgewandt <strong>und</strong> schauten<br />

durch die Tür in den Flur, wo sich ihnen ein für sie viel interessanteres<br />

Schauspiel bot.<br />

„Hallo Mutter!“, sagte Dudley kleinlaut.<br />

Von der übertriebenen Fröhlichkeit, die seine Mutter an den Tag<br />

legte, war bei ihm jedoch nichts angekommen. Er blickte zu seinem<br />

Vater hinab, der um einiges Kleiner war, als er selbst.<br />

„Dudley, schön dich zu sehen! Alles normal hier?“<br />

Er blickte sich um <strong>und</strong> winkte der Nachbarin zu, die ihren Kopf<br />

durch den Vorhang eines Fenster ihres Hauses, welches sich auf der<br />

anderen Seite der Straße befand, gestreckt hatte, um nachzusehen,<br />

was denn bei ihren Nachbarn so vorging.<br />

Dann schaute er seinen Sohn an, welcher nur nickte.<br />

„Alles so wie früher auch!“, stöhnte Dudley. „Kommt doch rein!“<br />

Vernon, seine Stirn lag in Falten, starrte ihn an. Dudley, der sich<br />

von ihm abwandte, ließ ihn <strong>und</strong> seine Mutter an sich vorbeigehen. Er<br />

wollte die Türe etwas zu hart zuschmeißen, konnte sie aber gerade<br />

noch auffangen <strong>und</strong> schloss sie dann ohne einen Laut. Er nahm noch<br />

einen letzten tiefen Atemzug, bevor er sich von der Tür wegdrehte<br />

<strong>und</strong> seinen Eltern ins Wohnzimmer folgte.<br />

„Duddy, deine Kinder werden ja immer hübscher <strong>und</strong> artiger!“<br />

44


Dudley nickte. Wie recht seine Mutter doch hatte, aber anscheinend<br />

hatte er eine etwas andere Auffassung von hübsch <strong>und</strong> artig,<br />

denn im Moment sahen sie wirklich schrecklich aus, von oben bis<br />

unten voll mit Süßigkeiten, <strong>und</strong> brav waren sie auch nicht gerade,<br />

wenn man bedachte, <strong>das</strong>s nicht eines von ihnen ihre Großeltern gegrüßt<br />

hatte. Aber Petunia auf jeden Fall war entzückt <strong>und</strong> auch Vernon<br />

schien stolz auf seine Enkelkinder <strong>und</strong> auf seinen Sohn zu sein.<br />

„Ja, alles wie früher, mit nur einem Unterschied!“, grunzte.<br />

Dudley wandte seinen Blick von den Kindern ab <strong>und</strong> merkte, wie<br />

sein Vater auf die Tür des Wandschrankes unter der Treppe blickte<br />

<strong>und</strong> den Kopf schüttelte.<br />

„Lass ihn in Ruhe <strong>und</strong> kein Wort darüber, haben wir uns verstanden?“,<br />

zischte Dudley.<br />

Er spürte, wie sich sämtliches Leben im Raum nun auf ihn konzentrierte<br />

<strong>und</strong> deshalb ging er ein paar Schritte von seinem Vater<br />

weg <strong>und</strong> auf die Küchentür zu. Bis auf den Fernseher war kein Laut<br />

zu hören. Alle schauten abwechselnd zwischen Dudley <strong>und</strong> seinem<br />

Vater hin <strong>und</strong> her.<br />

„Ja ja, ist ja schon okay“, gab dieser von sich.<br />

Dudley warf ihm einen letzten bösen Blick zu, dann trat er ein paar<br />

weitere Schritte zurück.<br />

„Gut, wir können bald essen. Harry, steh auf <strong>und</strong> zeig deinen<br />

Großeltern <strong>das</strong> Haus!“, sagte er in einem auffällig ruhigem Ton.<br />

„Nein!“, schrie ihn sein Sohn an.<br />

„Oh, wie süß!“, stöhnte Petunia <strong>und</strong> schaute stolz auf Harry hinab,<br />

der noch immer trotzig zu seinem Vater schaute.<br />

„Okay James, dann übernimmst du!“, wies Dudley ihn an.<br />

Er zwinkerte Harry unauffällig zu <strong>und</strong> deutete James, <strong>das</strong>s er wirklich<br />

gehen sollte <strong>und</strong> s<strong>of</strong>ort stand dieser auf <strong>und</strong> ging an seinen Geschwistern<br />

<strong>und</strong> Großeltern vorbei, hinaus auf den Flur.<br />

„Mir nach!“, befahl er laut <strong>und</strong> fuhr dann flüsternd fort. „Dann haben<br />

wir es wenigstens hinter uns!“<br />

45


Ebenso wie Sam standen auch <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> auf <strong>und</strong> folgten ihren<br />

‚Großeltern’ hinauf in den ersten Stock, wo sie, wie bei jedem ihrer<br />

Besuche, ihre Zimmerinspektion abhielten.<br />

Am Zimmer von Sam hatten die beiden nichts auszusetzen, denn<br />

alle Spielsachen, die sie jemals von ihren Großeltern bekommen hatte,<br />

lagen quer über den Boden verstreut, obwohl Sam normalerweise<br />

noch die ordentlichste der ganzen Familie Dursley war. Dass sie alle<br />

diese Sachen dann s<strong>of</strong>ort wieder wegpacken würde, war allen klar,<br />

bis auf ihre Großeltern.<br />

„Oh Vernon, schau mal! Sie spielt sogar noch mit ihrer Rassel, die<br />

wir ihr vor fast sieben Jahren geschenkt haben! Dudders wollte immer<br />

neue Sachen, der hat sich nie länger als eine Woche mit irgendetwas<br />

beschäftigt!“<br />

Petunia grinste übers ganze Gesicht, während <strong>Lily</strong> sie hinter ihrem<br />

Rücken nachäffte, was alle außer Vernon <strong>und</strong> Petunia zum Lachen<br />

brachte.<br />

„Nächstes Zimmer!“, rief der sonst eher stille James.<br />

Petunia konnte sich nur schwer von der unbenutzten Rassel, die<br />

seit nun schon fast sieben Jahren in der großen Kiste lag, losreißen<br />

<strong>und</strong> wandte sich mit stolzem Gesicht in Richtung Tür. Vernon grunze<br />

<strong>und</strong> folgte ihr.<br />

„Das Zimmer von Harry <strong>und</strong> mir!“, erklärte der Junge seinen<br />

Großeltern <strong>und</strong> trat zur Seite, damit sie eintreten konnten.<br />

„Wann wurde denn hier <strong>das</strong> letzte Mal Staub gesaugt?“, fragte sie<br />

<strong>und</strong> runzelte angewidert ihre Stirn.<br />

Von Vernon war ein weiteres Grunzen zu hören.<br />

„Vor vier Tagen oder so“, antwortete James.<br />

„Ich muss wohl mal ein ernstes Wörtchen mit eurer Mutter reden!<br />

Aber ist Duddys altes Zimmer nicht viel zu klein für euch zwei?“<br />

Obwohl zwei Betten, ein Kleiderschrank <strong>und</strong> zwei Schreibtische<br />

im Zimmer standen, war noch immer genug Platz, wenn die Jungs<br />

mal Lust hatten, im Haus ein paar Fußbälle zu schießen, auch wenn<br />

ihre Mutter <strong>das</strong> nicht gerne sah.<br />

46


James zuckte mit seinen Schultern in Richtung Zwillinge, bevor er<br />

antwortete.<br />

„O ja, es ist uns viel zu klein. Ich bräuchte für mich alleine schon<br />

zwei Schlafzimmer von dieser Größe!“<br />

Er lächelte Petunia scheinheilig zu, dann verdrehte er genervt die<br />

Augen hinter ihrem Rücken, während Vernon von einer Ecke in die<br />

andere ging <strong>und</strong> alles genauestens kontrollierte. Sogar die Schubladen<br />

des Schreibtisches öffnete er, nur um sie Sek<strong>und</strong>en später wieder<br />

zuzumachen, genau wie die schweren Türen des großen Kastens, der<br />

früher mal seinem eigenen Sohn gehört hatte.<br />

„Du bist genau wie Dudley früher! Er hatte auch immer zwei<br />

Schlafzimmer“, plauderte er vor sich hin. „Na ja, zumindest bis er elf<br />

Jahre alt war, dann kamen diese…“<br />

Er schien an so etwas Ekelhaftes oder Absurdes zu denken, <strong>das</strong>s er<br />

es gar nicht aussprechen konnte.<br />

„…<strong>und</strong> wir mussten diesen…“<br />

„EIN WORT MEHR UND IHR FLIEGT RAUS!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> fuhren herum. Hinter ihnen stand Dudley in der Tür<br />

<strong>und</strong> funkelte seinen Vater zornig an. Einige Sek<strong>und</strong>en traute sich<br />

niemand, auch nur ein Wort zu sagen, bis James wieder seine Stimme<br />

erhob.<br />

„Okay, gehen wir ins nächste Zimmer, <strong>das</strong> früher <strong>das</strong> zweite Zimmer<br />

von Dad war. Jetzt schlafen dort <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>!“<br />

Als alle sieben den Flur betraten, kamen auch Emily, die mit der<br />

Küchenarbeit wohl fertig sein musste, <strong>und</strong> Harry, der sich <strong>das</strong> Geschrei<br />

wohl doch nicht entgehen lassen wollte <strong>und</strong> sich vom Fernseher<br />

losgerissen hatte, dazu. Fragend blickten sie Dudley an, doch<br />

dieser gab ihnen keine Antwort, also folgten sie schweigend.<br />

„Hübsch aufgeräumt!“, stellte Petunia fest.<br />

Vernon machte komische Grimassen mit seiner Nase, so als würde<br />

irgendetwas im Raum fürchterlich stinken. <strong>Lily</strong> zog tief Luft ein,<br />

doch sie spürte nichts Besonderes. Ein Blick zu <strong>Dora</strong> sagte ihr, <strong>das</strong>s<br />

auch sie nichts riechen konnte.<br />

47


„Ah“, schrie Petunia plötzlich laut auf <strong>und</strong> rannte zu <strong>Dora</strong>s Bett.<br />

„Was ist <strong>das</strong> denn?“<br />

<strong>Dora</strong> zuckte mit den Schultern.<br />

„Was meinst du?“, fragte sie.<br />

„Was ist mit diesem Ohr passiert?“, rief sie noch immer vollkommen<br />

außer Atem.<br />

„Abgebrochen <strong>und</strong> wieder angeklebt“, meinte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> musste ein<br />

Kichern unterdrücken, als Petunia ihre alte Porzellanfigur mitleidig<br />

anschaute, so als müsste diese unerträgliche Schmerzen haben.<br />

Plötzlich stupste <strong>Lily</strong> ihre Schwester an <strong>und</strong> zeigte auf Vernon, der<br />

jetzt, seine Hände hinter dem Rücken verschränkt, durch den Raum<br />

ging. Sie Nase hatte er weit in die Höhe gestreckt <strong>und</strong> seine Nasenflügel<br />

weiteten sich jedes Mal, wenn er einatmete, so als würde er<br />

die Ursache für den nichtvorhandenen Gestank suchen. Bei seiner<br />

Suche kam er immer näher an den Kleiderschrank <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> wusste<br />

s<strong>of</strong>ort, was ihre Schwester beunruhigte.<br />

„Die Briefe liegen auch daneben!“, flüsterte <strong>Lily</strong>.<br />

Sie drehten sich um, um es Dudley mitzuteilen, doch schon war es<br />

zu spät <strong>und</strong> ein Schrei, noch lauter als der von Petunia, war zu hören.<br />

„EULEN!“, schrie Vernon, der die Schranktür nur einen Spaltbreit<br />

geöffnet hatte.<br />

So schnell sein massiger Körper es zuließ, rannte er auf die andere<br />

Seite des Raumes.<br />

„Was hat dieses Mistvieh hier zu suchen?“, schrie er <strong>und</strong> blickte<br />

dabei von einem Mädchen zum anderen.<br />

„Keine Ahnung, vielleicht ist es beim Fenster rein geflogen“, antwortete<br />

<strong>Lily</strong>, doch <strong>das</strong>s eine Eule nicht im Käfig beim geschlossenen<br />

Fenster herein fliegen <strong>und</strong> sich dann im Kasten einsperren konnte,<br />

war ihr klar <strong>und</strong> sie wusste, <strong>das</strong>s soweit sogar Vernon denken konnte.<br />

„Ah!“<br />

Petunia sprang in die Luft <strong>und</strong> klammerte sich von hinten an ihren<br />

Ehemann, dabei zeigte sie auf etwas, <strong>das</strong> aus dem Kasten gefallen<br />

48


war. <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> blickten sich nervös an <strong>und</strong> starrten dann zu<br />

Dudley, welcher den Brief auch gesehen hatte <strong>und</strong> den Anschein<br />

machte, als würde er am liebsten weit weglaufen. Er widerstand dem<br />

Drang jedoch <strong>und</strong> blieb stehen.<br />

Vernon befreite sich von seiner Frau <strong>und</strong> ging auf den Umschlag,<br />

auf dem <strong>das</strong> Wappen von Hogwarts ganz klar zu erkennen war, zu.<br />

Er hob ihn auf <strong>und</strong> las die Adresse.<br />

Die Stille wurde immer bedrückender.<br />

„Auf welche Schule geht ihr?“<br />

Die Explosion die die ganze Familie erwartet hatte, blieb aus.<br />

Stattdessen presste Vernon diese Frage kaum hörbar zwischen seinen<br />

Lippen hervor.<br />

„Smeltings?“, flüsterte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> trat einige Schritte zurück, hinter<br />

Dudley.<br />

Vernon riss die Schranktür nun ganz auf <strong>und</strong> schon hatte er auch<br />

den zweiten Brief in der Hand. Wieder las er den Namen, an den der<br />

Brief gerichtet war.<br />

„Und was ist dann <strong>das</strong> hier?“, fragte er noch immer flüsternd.<br />

Keiner im Raum traute sich auch nur laut zu atmen, so still war es<br />

<strong>und</strong> dennoch wussten alle, <strong>das</strong>s dies nur die Stille vor der unvermeidbaren<br />

Explosion war.<br />

„Einladungen nach Hogwarts!“, sagte Dudley plötzlich.<br />

„Aber sie werden dort nicht hingehen?“<br />

Obwohl Vernon genau zu wissen schien, <strong>das</strong> seine H<strong>of</strong>fnung vergebens<br />

war, fragte er seinen Sohn, seinen Blick aber noch immer auf<br />

den gelblichen Briefumschlag gerichtet.<br />

„Oh doch, wir werden dort hingehen!“, antwortete <strong>Lily</strong> mit zittriger<br />

Stimme.<br />

„Hattest du denn nicht schon genug davon? Fliegende Torten, Tante<br />

Magda an der Decke <strong>und</strong> dann diese Ditoren oder was auch immer!“,<br />

donnerte Vernon los.<br />

Die Kinder hielten sich die Ohren zu <strong>und</strong> verkrochen sich alle hinter<br />

Dudley, der einen Schritt auf seinen Vater zumachte.<br />

49


„Dass du es dieser Sippschaft erlaubst hier in deinem Haus zu leben!<br />

Ich hab dir von Anfang an gesagt, <strong>das</strong>s es eine blöde Idee ist,<br />

diese… diese…“<br />

Dudley drehte sich zu Harry um <strong>und</strong> flüsterte ihm etwas zu, während<br />

Vernon ein weiteres Mal kein Wort zu finden schien, <strong>das</strong> auch<br />

nur annähernd die Abscheu <strong>und</strong> den Hass ausdrücken konnte, die er<br />

verspürte.<br />

„Wenn du es wagst, auch nur eins der Mädchen zu beleidigen!“,<br />

drohte Dudley <strong>und</strong> breitete seine Hände schützend vor den beiden<br />

aus.<br />

„Na was willst du dann machen? Sie mir mit ihren Zauberstäben<br />

auf den Hals hetzen <strong>und</strong> ihnen sagen, sie sollen mir einen Ringelschwanz<br />

verpassen?“<br />

<strong>Lily</strong> schaute ihre Schwester an, doch auch diese wusste nicht weiter,<br />

sondern zuckte einfach nur mit den Schultern, als Harry zurückkam.<br />

Die beiden Mädchen hatten ihn gar nicht weggehen sehen, so<br />

verbittert hatten sie sich auf den Streit der beiden Männer konzentriert.<br />

„So 'was kannst du dir doch nicht ins Haus holen! Die hätte ich s<strong>of</strong>ort<br />

rausgeschmissen!“, brüllte Vernon.<br />

„Ja genau! Ich schmeiß die beiden aus dem Haus <strong>und</strong> setz meinen<br />

Sohn gleich noch dazu!“, antwortete ihm Dudley zornentbrannt, der<br />

Harry seinen Brief aus der Hand nahm <strong>und</strong> ihn Vernon vor die Füße<br />

warf.<br />

Dieser hob ihn auf <strong>und</strong> seine Augen weiteten sich, als er den Namen<br />

seines Enkels darauf las.<br />

„Ganz recht! Dein eigen Fleisch <strong>und</strong> Blut wird ebenfalls nach<br />

Hogwarts gehen <strong>und</strong> du kannst nichts dagegen unternehmen!“<br />

Vernon war außer sich. Er warf den Brief auf den Boden <strong>und</strong> bahnte<br />

sich einen Weg durch die Tür, vor der Dudley <strong>und</strong> dahinter seine<br />

Kinder standen.<br />

„Komm, wir gehen!“, rief er Petunia zu. „Und ich habe geglaubt,<br />

wir hätten dich gut erzogen!“<br />

50


„Das was ihr gemacht habt, war keine Erziehung! Heute tut es mir<br />

leid, <strong>das</strong>s ich es nicht früher gemerkt <strong>und</strong> ihm geholfen habe! Das<br />

war der größte Fehler meines Lebens! Verschwindet <strong>und</strong> lasst euch<br />

hier nicht mehr blicken!“<br />

Das ließen sich Vernon <strong>und</strong> Petunia nicht zweimal sagen. Mit einem<br />

letzten hasserfüllten Blick ins Gesicht ihres Sohnes rannte auch<br />

Petunia aus dem Zimmer <strong>und</strong> folgte ihrem Mann, der auf die Treppen<br />

zulief.<br />

„Und du!“, wandte sie sich an Emily. „Schau dir mal die zentimeterdicke<br />

Staubschicht in den Zimmern der Kinder an! Und so was<br />

soll eine Mutter sein!“<br />

Doch anstatt <strong>das</strong>s sich Emily aufregte, blieb sie ruhig <strong>und</strong> begann<br />

zu lachen.<br />

„Kündige doch nächstes Mal deinen Besuch wieder eine Woche<br />

früher an, dann hab ich ein paar Tage zum Aufräumen <strong>und</strong> nicht nur<br />

zwanzig Minuten, in denen ich auch noch die ganzen ekelhaften Geschenke<br />

von dir aus dem Schrank holen muss!“, rief sie ihr hinterher.<br />

„Los?“, fragte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> nickte.<br />

Schon waren die beiden verschw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> unbemerkt zuerst an<br />

Petunia <strong>und</strong> dann an Vernon vorbeigerauscht. Vor der Treppe blieben<br />

beide Kätzchen stehen <strong>und</strong> als Vernon sich ihnen bis auf einen<br />

Meter genähert hatte, richteten sie sich zu zwei unschuldig aussehenden<br />

Mädchen auf, die ihren Großeltern mit einem Lächeln im<br />

Gesicht zuwinkten.<br />

Vor Schreck stolperte Vernon über eine der eingerollten Ecken des<br />

Teppichs <strong>und</strong> konnte sich gerade noch am Türgriff festhalten, um<br />

nicht hinzufallen. Seine Frau hatte ihn inzwischen eingeholt <strong>und</strong> gemeinsam<br />

stürzten sie aus dem Haus. Schon bevor Dudley die Tür<br />

erreichte, hörten <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> den Motor des Autos starten <strong>und</strong> die<br />

beiden waren weg.<br />

Diesmal war Dudley es, der den Nachbarn zuwinkte. Von allen<br />

Seiten waren jetzt Augen auf <strong>das</strong> Haus gerichtet, <strong>das</strong> konnten sogar<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> von ihrem Platz hinter ihrem Onkel erkennen, doch<br />

51


dieser ließ sich nicht beirren, sondern lächelte so, als wäre nichts<br />

gewesen.<br />

„Gut gemacht, Kinder!“, sagte er <strong>und</strong> klang amüsiert, während sich<br />

seine gesamte Familie hinter ihm versammelte. „Das war doch mal<br />

ein filmreifer Abgang!“<br />

52


53<br />

Kleine Lehrer <strong>und</strong> fliegende Besen<br />

„<strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong>, steht auf, Hagrid wird in etwa einer halben St<strong>und</strong>e<br />

hier sein!“<br />

<strong>Dora</strong> blinzelte verschlafen <strong>und</strong> hielt sich eine Hand vor die Augen,<br />

so<strong>das</strong>s sie die Sonnenstrahlen, die durch <strong>das</strong> große Fenster ins<br />

Schlafzimmer der Zwillinge kamen, nicht erreichen konnten.<br />

„Von wo weißt…“, wollte sie gerade fragen, als Tante Emily einen<br />

Brief hochhielt.<br />

„Der ist von Hagrid. Kam gerade per Eulenpost! Daran müssen wir<br />

uns wohl jetzt gewöhnen, oder?“<br />

<strong>Dora</strong> nickte.<br />

„Weck die anderen, in einer Viertelst<strong>und</strong>e sind wir unten!“<br />

Emily schloss die Tür hinter sich wieder <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> schälte sich aus<br />

ihrer Decke. Inzwischen hatte auch ihre Schwester ihre Augen <strong>of</strong>fen<br />

<strong>und</strong> sie setzte sich im Bett auf, um <strong>Dora</strong> anzuschauen.<br />

„Jetzt geht’s ans Einkaufen, wobei ich noch immer keine Ahnung<br />

habe, wo diese Winkelgasse überhaupt sein soll!“, sagte sie verschlafen.<br />

<strong>Dora</strong> ging zum Schreibtisch <strong>und</strong> nahm den kleinen Brief, den Emily<br />

ihnen hinterlassen hatte. Er war adressiert an:<br />

Familie Dursley<br />

Überall im Haus<br />

Ligusterweg 4<br />

Little Whinging<br />

Surrey<br />

Sie öffnete ihn vorsichtig <strong>und</strong> ein noch kleineres Pergamentblatt kam<br />

zum Vorschein, welches sie sorgfältig auseinander faltete. In großen,<br />

fast unleserlichen Buchstaben war eine Nachricht von Hagrid darauf<br />

geschrieben.


Komme morgen früh zum Einkaufen in der Winkelgasse!<br />

Hagrid<br />

Sie las die zwei Zeilen <strong>und</strong> legte den Brief dann wieder weg.<br />

„Er hatte Recht, als er geschrieben hat, <strong>das</strong>s er früh zum Einkaufen<br />

kommt!“, stellte <strong>Dora</strong> mit einem Blick auf die Uhr fest.<br />

Es war gerade mal halb sieben Uhr morgens <strong>und</strong> <strong>das</strong> war eine Zeit,<br />

zu der die Mädchen in den Sommerferien normalerweise nicht mal<br />

ans Aufstehen dächten, aber heute war es genau <strong>das</strong> Gegenteil. Sie<br />

konnten richtige Morgenmuffel sein, aber am diesem Tag waren sie<br />

ausgesprochen gut aufgelegt <strong>und</strong> vor allem waren sie neugierig. Bis<br />

spät in die Nacht hinein hatten sie über den Ausflug heute gesprochen.<br />

Sogar die Aufregung über die Abreise von Bahngleis neun<br />

dreiviertel, die in einer Woche stattfinden sollte, hatten sie fast vergessen.<br />

Es dauerte nur wenige Minuten, bis <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> sich fertiggemacht<br />

hatten. Sie waren wieder einmal die ersten, die im Wohnzimmer<br />

ankamen <strong>und</strong> sich auf <strong>das</strong> S<strong>of</strong>a setzten. Von oben hörten sie<br />

schnelle Schritte <strong>und</strong> Emily wollte Sam dazu bringen, ein Kleid anzuziehen,<br />

<strong>das</strong> diese anscheinend überhaupt nicht ausstehen konnte,<br />

während Geschrei aus dem Zimmer der Jungen kam. Um was sie<br />

diesmal stritten wollten die Mädchen gar nicht wissen.<br />

Der erste, der bei ihnen ankam, war Dudley. Es war ungewohnt,<br />

ihn mal in normalen Kleidern zu sehen, denn normalerweise bekamen<br />

ihn seine Kinder fast nur in seiner blauen Polizeiuniform zu Gesicht,<br />

da er es vorzog, sich gleich in ihr zum Abendessen zu setzen<br />

<strong>und</strong> sie erst vorm Schlafengehen auszuziehen. Heute trug er seine<br />

beste Jeans <strong>und</strong> ein neues T-Shirt, welches <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> überhaupt<br />

noch nie gesehen hatten. Auch Emily, die von Natur aus sehr hübsch<br />

war, hatte sich extra schön hergerichtet. Ihre Haare hatte sie zusammengeb<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> sie trug ein leichtes Sommerkleid. Bei der Hitze<br />

war ihr <strong>das</strong> auch nicht zu verdenken, denn noch immer hatte es keinen<br />

einzigen Tropfen geregnet.<br />

54


Ein paar Augenblicke nachdem Sam, die sich jetzt doch zu dem<br />

Kleid hatte überreden lassen, die Treppe herunter ins Wohnzimmer<br />

gekommen war, kamen auch James <strong>und</strong> Harry. Sie würdigten sich<br />

keines Blickes, doch kein anderes Familienmitglied sagte etwas dazu,<br />

da ihre Streitereien im Hause Dursley sowieso schon zur Tagesordnung<br />

gehören. Wenn sie sich mal einen Tag vertrugen, dann führten<br />

sie sicher irgendetwas im Schilde oder sie waren so krank, <strong>das</strong>s<br />

es zu anstrengend für sie war, mit dem anderen zu sprechen.<br />

<strong>Dora</strong> fragte sich insgeheim, wie Harry es aushalten sollte, so lange<br />

ohne seinen geliebten Streitpartner auszukommen, denn sie war der<br />

Meinung, <strong>das</strong>s die beiden die ganze Zeit aufeinander rumhackten,<br />

weil es ihnen Spaß machte. Wenn einer von beiden mal einen Tag<br />

nicht zu Hause war, dann war der andere unerträglich <strong>und</strong> ein unerträglicher<br />

Harry war einfach nur schrecklich.<br />

„Okay, sind alle fertig?“, fragte Dudley, als sich seine gesamte<br />

Familie um ihn herum versammelt hatte.<br />

Zustimmendes Gemurmel folgte, nur die beiden Jungs sagten<br />

nichts, sondern schauten in entgegen gesetzte Richtungen.<br />

„Gut, dann lasst uns hinausgehen in den Garten, Hagrid müsste jeden<br />

Augenblick auftauchen. „Und ich h<strong>of</strong>fe ihr wisst, wie ihr euch<br />

zu benehmen habt. Hört ihr, Harry <strong>und</strong> James?“<br />

Die Jungs nickten trotzig.<br />

„Und ihr zwei“, er blickte zu <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>, „benehmt euch auch<br />

wie normale Menschen! Ich habe keine Ahnung, was uns erwartet<br />

<strong>und</strong> wo uns Hagrid hinbringt, aber keine Katzen, verstanden?“<br />

Auch die beiden Mädchen nickten. Also Dudley schien diesen<br />

Ausflug nicht als irgendetwas Besonderes anzusehen, denn die Regeln<br />

waren so wie immer: Brav sein <strong>und</strong> nicht in irgendwelche Tiere<br />

verwandeln.<br />

Schon bevor <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> die Haustüre erreicht hatten, hörten sie<br />

wieder <strong>das</strong> Geräusch des unsichtbaren Motors, <strong>das</strong> immer lauter<br />

wurde. Sie stellten sich in den Garten <strong>und</strong> warteten, bis es verstummt<br />

55


war <strong>und</strong> wenige Momente später kam hinter der Hausecke Hagrid<br />

zum Vorschein.<br />

„Verdammt neugierige Muggel habt ihr hier!“, murmelte er zur<br />

Begrüßung <strong>und</strong> warf dem Gesicht der Nachbarin, welches sich wieder<br />

zwischen den Vorhängen blicken ließ, einen bösen Blick zu.<br />

„Nich’ mal mehr ordentlich vor dem Haus kann man parken!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> winkten der Nachbarin zu, welche ein gequältes Lächeln<br />

hervorbrachte, jedoch ihre Augen nicht von der riesigen Gestalt<br />

im Garten ihrer Nachbarn lassen konnte.<br />

„Ich könnte leider nur eine Person mit mir auf dem Motorrad mitnehmen,<br />

also müsst ihr mit einem von diesen Autos fahren, während<br />

ich fliege“, stellt Hagrid mit einem Blick auf <strong>das</strong> Auto der Dursleys<br />

fest.<br />

Dudley nickte.<br />

„Wohin müssen wir?“, fragte er.<br />

„Charing Cross Road. Warte vor’m Pub zwischen dem Plattenladen<br />

<strong>und</strong> der Buchhandlung. Findest dorthin, Dursley?“, fragte<br />

Hagrid <strong>und</strong> musterte Dudley nachdenklich.<br />

„Ja, dürfte nicht so schwer zu finden sein!“, antwortete er nervös.<br />

„Jemand Lust zu fliegen? Einen Platz hab ich!“<br />

Hagrid schaute von <strong>Lily</strong> zu <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> dann zu Harry, welcher der<br />

Erste war, der aufgeregt zu nicken begann.<br />

„Darf ich?“, fragte er schüchtern.<br />

Hagrid nickte.<br />

„Hab ich doch versprochen!“<br />

Harry schaute noch zu seinem Vater auf, welcher nur stumm nickte.<br />

Emily machte ein besorgtes Gesicht, sagte aber nichts.<br />

„Also gut, dann los. Bis dann Dursley!“<br />

Hagrid warf ihm noch einen Blick zu, den weder <strong>Lily</strong> noch <strong>Dora</strong><br />

zu deuten wussten, dann kletterten sie hinter Sam <strong>und</strong> James ins große<br />

Auto. Sam setzte sich in den Kindersitz, James daneben <strong>und</strong> die<br />

Zwillinge in die Band dahinter. Sie sahen noch zu, wie Harry Hagrid<br />

hinters Haus folgte, dann fuhren sie weg.<br />

56


Während der ganzen Aut<strong>of</strong>ahrt sagte niemand ein Wort, nur Sam<br />

fragte, ob sie heute noch mehr so große Menschen wie Hagrid sehen<br />

würden. Da keiner die Antwort auf ihre Frage wusste, wurde sie ihr<br />

aber auch nie beantwortet. Doch <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> warfen sich einen<br />

besorgten Blick zu. Was, wenn alle Zauberer so groß waren wie er?<br />

Er war der erste <strong>und</strong> einzige, den sie jemals gesehen hatten. Was,<br />

wenn sie die einzigen waren, die ‚Muggelgröße’ hatten?<br />

Diese <strong>und</strong> andere Fragen verfolgten sie die ganze Fahrt. Plötzlich,<br />

als Dudley gerade sagte, <strong>das</strong>s sie schon ganz in der Nähe sein müssten,<br />

öffnete sich eine schäbige Holztür <strong>und</strong> sie konnten Hagrid erkennen,<br />

der gefolgt von Harry ein kleines Gebäude verließ. Erst bei<br />

genauerer Betrachtung sahen die Zwillinge <strong>das</strong> Holzschild über der<br />

Tür, <strong>das</strong> die Aufschrift ‚Zum tropfenden Kessel’ trug.<br />

„Hallo!“, schrie Harry <strong>und</strong> kam hinter seinem großen Gefährten<br />

hervor, als sie aus dem Auto ausstiegen. „Während ihr gefahren seid,<br />

ist Hagrid mit mir um ganz London geflogen <strong>und</strong> dann waren wir<br />

noch da drin was trinken!“<br />

Er strahlte übers ganze Gesicht.<br />

„Hab nich’ gedacht, <strong>das</strong>s ihr so lang braucht… Müssen uns beeilen,<br />

hab’n noch viel vor heute, also los!“<br />

Hagrid zeigte auf die Tür, aus die Harry <strong>und</strong> er gerade gekommen<br />

waren. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>, welche ein wenig verwirrt waren, aufgr<strong>und</strong><br />

der Tatsache, <strong>das</strong>s sie jetzt in eine Kneipe gehen sollten, obwohl sie<br />

doch noch soviel vorhatten, blickten Harry an, als dieser mit ihnen<br />

zu sprechen begann.<br />

„Egal was ihr macht, bestellt euch ja keine Cola da drinnen. Die<br />

schauen euch an, als wärt ihr aus irgendeiner Anstalt für Geisteskranke<br />

ausgebrochen. Hagrid hat mir dann Kürbissaft bestellt, also<br />

nehmt <strong>das</strong>, <strong>das</strong> finden sie nämlich nicht so abwegig…“<br />

<strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> nickten.<br />

„Und du bist wirklich geflogen?“, fragte James, der dich hinter ihnen<br />

herging, um auch ja kein Wort zu verpassen.<br />

„Ja“, antwortete Harry.<br />

57


Er hatte anscheinend vergessen, <strong>das</strong>s er nichts mit seinem Bruder<br />

redete.<br />

„Und wie war’s?“, fragte er.<br />

„Extrem genial! Zuerst hat mir Hagrid mit seinem Regenschirm<br />

auf den Kopf gehauen, dann wurde ich unsichtbar, genau wie er, <strong>und</strong><br />

dann hat er mich auf <strong>das</strong> unsichtbare Motorrad gesetzt <strong>und</strong> ist weggeflogen.<br />

Mann, so schnell war ich noch nie unterwegs!“<br />

James’ Augen glänzten.<br />

„Ich will auch in diese Schule, vielleicht darf ich <strong>das</strong> dann auch<br />

mal machen“, stöhnte er.<br />

Die anderen drei lachten. Aber Recht hatte er schon. Sogar die<br />

Zwillinge, die sich normalerweise nicht so für Motorsport begeistern<br />

konnten, würden nicht nein sagen, wenn Hagrid ihnen noch mal anböte,<br />

mit seinem Motorrad mit zu fliegen.<br />

„Wie hoch wart ihr?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Ach, durch die eine oder andere Wolke sind wir schon gekommen<br />

<strong>und</strong> dann sind wir runter <strong>und</strong> unter eine Brücke durch, oder um einen<br />

Kirchturm herum…“<br />

Das Strahlen auf Harrys Gesicht war noch immer nicht verschw<strong>und</strong>en,<br />

als Hagrid sie an der Bar vorbeiführte, hinter der ein<br />

kahlköpfiger, zahnloser Wirt zum Vorschein kam.<br />

„Ah Hagrid, soll’s noch was sein?“, fragte er.<br />

„Nein, lass ma’ gut sein, Tom. Heute nich’, wir haben noch Schulsachen<br />

für drei von denen zu kaufen!“<br />

Hagrid zeigte zuerst auf Harry <strong>und</strong> dann auf die beiden Zwillinge.<br />

Der Mann, der anscheinend Tom hieß, nickte <strong>und</strong> polierte ein großes<br />

Glas mit einem alt aussehenden Lappen.<br />

„Na gut, lasst euch mal wieder hier blicken! Ist furchtbar langweilig,<br />

wenn alle nur einkaufen gehen <strong>und</strong> keiner hier bleiben will…<br />

Man sieht sich, Hagrid!“, schien er sich von den Gästen, die gerade<br />

seinen Pub betreten hatten, auch schon wieder verabschieden zu wollen.<br />

„Komischer Kauz“, flüsterte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> nickte.<br />

58


Sie schaute sich im Lokal um, in dem niemand außer ihnen <strong>und</strong><br />

dem Wirt zu erkennen war. Es war auch niemandem zu verübeln,<br />

wenn er nicht hierher kommen wollte. Gerade mal zwei kleine Fenster<br />

brachten Tageslicht herein <strong>und</strong> alles andere war mit halb heruntergebrannten<br />

Kerzen beleuchtet. Tom, der zwar ein höfliches Lächeln<br />

aufgesetzt hatte, wirkte in <strong>Dora</strong>s Augen auch alles andere als<br />

einladend. Freiwillig würde sie hier auch nichts trinken wollen.<br />

Hagrid ging ihnen voraus durch eine Tür, die in einen kleinen Hinterh<strong>of</strong><br />

des Pubs führte. Auf allen Seiten war dieser von einer hohen<br />

Steinmauer umgeben. Doch noch bevor <strong>Lily</strong> fragen konnte, was sie<br />

denn hier machen wollten, zog Hagrid wieder seinen rosa Regenschirm<br />

aus der Manteltasche <strong>und</strong> murmelte etwas, während er mit<br />

der Spitze auf einzelne Steine der Mauer klopfte.<br />

„Drei nach oben… zwei zur Seite…“<br />

Er stoppte <strong>und</strong> betrachtete kurz einen Stein, bevor er dreimal mit<br />

dem Schirm auf ihn klopfte <strong>und</strong> s<strong>of</strong>ort drehte sich dieser Stein zur<br />

Seite <strong>und</strong> immer mehrere Steine folgten seinem Vorbild <strong>und</strong> bald<br />

war ein Torbogen zu sehen, so groß, <strong>das</strong>s sogar Hagrid sich hindurchzwängen<br />

konnte.<br />

„Mir nach!“, sagte Hagrid <strong>und</strong> ging als erstes hindurch.<br />

Als alle ihm gefolgt waren, schloss sich der Durchgang hinter ihnen<br />

wieder. Was die Mädchen auf der anderen Seite erblickten, verschlug<br />

ihnen die Sprache. H<strong>und</strong>erte von Gestalten gingen die verwinkelte<br />

Gasse, die sich vor ihnen eröffnete, entlang, blieben an<br />

Schaufenstern stehen, betraten oder verließen einige der Gebäude,<br />

die verdächtig nach Geschäften aussahen <strong>und</strong> schleppten große Taschen<br />

<strong>und</strong> einige hielten Holzstäbe umklammert.<br />

„Ich glaube, du brauchst den Plastikzauberstab nicht zu suchen!“,<br />

flüsterte <strong>Lily</strong> Harry zu, doch dieser war zu gebannt von dem Schauspiel,<br />

<strong>das</strong> sich ihnen bot, um auch nur daran zu denken, seiner Cousine<br />

eine Antwort zu geben.<br />

<strong>Dora</strong> blickte die Personen an, die zügig an ihnen vorbeiliefen. Jede<br />

von ihnen war in einen Umhang gehüllt <strong>und</strong> manche trugen einen<br />

59


von den Spitzhüten, über die sie vor Tagen noch gelacht hatten. S<strong>of</strong>ort<br />

fühlte sich <strong>Dora</strong> wie eine Außenseiterin, mit ihren normalen<br />

Kleidern. Manche lächelten sie an, manche waren so in Gespräche<br />

mit anderen vertieft, <strong>das</strong>s sie die verblüffte Familie ganz übersahen.<br />

„Willkommen in der Winkelgasse!“, sagte Hagrid lachend. „Zur<br />

Seite Kinder, hier will jemand durch!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> gingen von der Mauer, in der der Torbogen jetzt erneut<br />

erschienen war, ein paar Schritte weg, so<strong>das</strong>s die zwei alten<br />

Zauberer, die darin erschienen waren, an ihnen vorbei gehen konnten.<br />

„Also, wo beginnen wir…“, dachte Hagrid nach. „Ach ja, ihr<br />

müsst Geld wechseln gehen, hier könnt ihr nämlich nicht mit Muggelgeld<br />

bezahlen. Gringotts, die Zaubererband, befindet sich dort<br />

hinten!“<br />

Er zeigte auf ein großes, weißes Gebäude ein Stückchen von ihnen<br />

entfernt <strong>und</strong> deutete ihm zu folgen, als Dudley ihn zurückhielt.<br />

„Schon okay, ich erledige <strong>das</strong>!“, sagte er bestimmt.<br />

„Aber ’s wäre besser, wenn ich mitkomme. Die Kobolde sind nicht<br />

die nettesten!“, warf Hagrid ein, doch Dudley schüttelte den Kopf.<br />

„Kobolde? Ach so, war ja klar…“, flüsterte er, mehr zu sich selbst,<br />

als zu irgendjemand anderem. „Ich bin in ein paar Minuten wieder<br />

zurück!“<br />

„Aber…!“, versuchte Hagrid noch mal sein Glück.<br />

„Kein ‚aber’, mit ein paar Kobolden komme ich schon noch alleine<br />

klar!“<br />

Hagrid legte seine Stirn in Falten, sagte aber nichts, als Dudley davoneilte.<br />

Dann drehte er sich noch mal zurück.<br />

„Wie viel Geld braucht jeder von ihnen?“<br />

Er schaute Hagrid fragend an <strong>und</strong> dieser ging ein paar Schritte auf<br />

ihn zu, während er mit den Schultern zuckte, bevor er antwortete.<br />

„Mummy?“, begann Sam plötzlich zu schreien. „Schau mal, der da<br />

ist nur so groß wie ich!“<br />

Sie zeigte mit ihrem Finger auf einen kleinen Zauberer.<br />

60


„Man zeigt nicht mit dem Finger auf andere!“, flüsterte ihr ihre<br />

Mutter zu <strong>und</strong> Sam senkte ihre Hand, doch zu spät, der Mann mit<br />

den weißen Haaren hatte sie bereits bemerkt <strong>und</strong> kam auf sie zu.<br />

Erst jetzt fiel <strong>Dora</strong> auf, <strong>das</strong>s ihre Größe hier durchaus in Ordnung<br />

war, denn auch unter all den Zauberern <strong>und</strong> Hexen war Hagrid noch<br />

immer der Größte <strong>und</strong> keiner reichte auch nur annähernd an ihn heran.<br />

Sie schaute erleichtert in Richtung <strong>Lily</strong>, als der kleine Zauberer<br />

vor ihnen stehen blieb.<br />

„Muggel?“, fragte er.<br />

Er klang aber nicht etwa unhöflich oder beleidigt, weil Sam auf ihn<br />

gezeigt hatte. Ganz im Gegenteil, er lächelte jedes Familienmitglied<br />

fre<strong>und</strong>lich an.<br />

„Ich schätze ja“, antwortete Emily.<br />

Dann blickte er in die verw<strong>und</strong>erten Gesichter der Kinder.<br />

„Erstes Jahr Hogwarts würde ich schätzen?“<br />

Sie nickten <strong>und</strong> sein Lächeln wurde noch breiter.<br />

„Ah, sehr erfreut. Darf ich mich vorstellen? Pr<strong>of</strong>essor Filius Flitwick,<br />

Lehrer im Fach Zauberkunst an der Hogwarts-Schule für Hexerei<br />

<strong>und</strong> Zauberei“, quiekte er mit seiner etwas höheren Stimme.<br />

Er streckte die Hand aus <strong>und</strong> reichte sie erst <strong>Dora</strong>.<br />

„Hallo, ich bin <strong>Dora</strong> Dursley“, sagte sie.<br />

„Und ich bin <strong>Lily</strong> Dursley“, stellte sich <strong>Lily</strong> vor, als ihr die Hand<br />

gereicht wurde.<br />

„Ich seh schon, <strong>das</strong> wird ein Spaß, auch beide auseinanderzuhalten“,<br />

lachte der Lehrer.<br />

„Und wer bist du?“<br />

Er wollte auch Sam begrüßen, doch diese Klammerte sich mit beiden<br />

Händen an ihre Mutter.<br />

„Das ist Sam“, antwortete Harry. „Samantha Dursley meine ich.<br />

Sie ist meine kleine Schwester <strong>und</strong> ich bin Harry Dursley <strong>und</strong> komme<br />

auch nach Hogwarts.“<br />

Der Lehrer strahlte ihn an <strong>und</strong> wandte sich dann an James.<br />

„Hallo, ich bin James Dursley, bin aber zu jung“, murmelte er.<br />

61


„Ah, kein Problem, dann eben nächstes Jahr!“, murmelte Flitwick<br />

<strong>und</strong> James nickte schüchtern.<br />

Dann beugte sich Emily nach unten, um die ausgestreckte Hand<br />

des Lehrers, der ihr nur knapp über die Knie reichte, ergreifen zu<br />

können.<br />

„Freut mich Pr<strong>of</strong>essor. Ich bin Emily Dursley!“<br />

Flitwick nickte aufmerksam <strong>und</strong> sah dann die ganze Familie noch<br />

mal an.<br />

„Also drei Kinder von einer Familie in einem Jahrgang. Das wird<br />

spannend!“, quiekte er.<br />

„Na ja, wir sind nicht wirklich verwandt, wir wurden adoptiert“,<br />

erklärte ihm <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> der kleine Mann vor ihr runzelte seine Stirn.<br />

„Was für ein Zufall. Interessant, interessant. Nicht verwandt <strong>und</strong><br />

trotzdem kommt wurdet ihr alle in Hogwarts aufgenommen.“<br />

Die drei nickten.<br />

„Na dann will ich euch mal nicht länger aufhalten! In einer Woche<br />

sehen wir uns wieder <strong>und</strong> viel Spaß noch in der Winkelgasse!“<br />

Die Zwillinge nickten ihm zu <strong>und</strong> schon hatte er sich abgewandt<br />

<strong>und</strong> ging langsam davon, in <strong>das</strong> nächstgelegene der Geschäfte. <strong>Lily</strong><br />

blickte ihm hinterher <strong>und</strong> dabei fielen ihr die vielen Werbeplakate<br />

auf, die alle den Titel „Qualität für Quidditch“ trugen. Dieselbe Aufschrift,<br />

die auch über der Tür zu lesen war. Auf den Plakaten konnte<br />

sie aus der Ferne einen Jungen erkennen, der auf einem Besen saß.<br />

Sie stupste ihre Schwester an <strong>und</strong> deutete auf die Plakate. <strong>Dora</strong> folgte<br />

ihr augenblicklich.<br />

Als sie näher kamen sahen sie, <strong>das</strong>s es keine Einbildung gewesen<br />

war. Der schwarzhaarige junge Mann, mit den grünen Augen <strong>und</strong><br />

der r<strong>und</strong>en Brille, welcher darauf zu sehen war saß tatsächlich auf<br />

einem Besen <strong>und</strong> nicht nur <strong>das</strong>. Er machte elegante Bewegungen <strong>und</strong><br />

schlängelte sich gekonnte an Häusern <strong>und</strong> Bäumen vorbei, wobei er<br />

immer nur wenige Zentimeter Platz zwischen sich selbst <strong>und</strong> den<br />

Hindernissen ließ. Dabei lächelte er alle Passanten an.<br />

<strong>Dora</strong> las den Werbeslogan, der darüber zu lesen war.<br />

62


63<br />

Willst du fliegen wie Harry Potter?<br />

Langjähriges Sonderangebot: Feuerblitz<br />

Der Besen, mit dem er einst seine Siege flog!<br />

„Die bewegen sich!“, sagte <strong>Lily</strong> mit großen Augen, drehte sich um<br />

<strong>und</strong> winkte Harry herbei.<br />

Dieser ließ auch nicht lange auf sich warten, als er gesehen hatte,<br />

was seine beiden Cousinen da anstarrten. Ungläubig schaute er auf<br />

<strong>das</strong> Plakat, auf dem der Junge noch immer unablässig seine Kreise<br />

über <strong>das</strong> Land zog.<br />

„Wow!“, staunte er. „Ich glaube, den Staubsauger können wir vergessen!<br />

Oder meinst du, <strong>das</strong>s man mit denen noch schneller fliegen<br />

kann als mit Besen?“<br />

Die Mädchen begannen zu lachen.<br />

„Also müssen wir nicht unsere Schlafzimmer putzen!“, stellte <strong>Dora</strong><br />

fest. „Fliegende Besen… Ja, warum sollte man sich auch bequem in<br />

ein Flugzeug setzen, wenn man sich genauso gut an einen Holzstiel<br />

klammern kann?“<br />

Plötzlich schreckten die drei aus ihrem Lachen hoch <strong>und</strong> drehten<br />

sich um. Ein wütend aussehender Dudley war hinter ihnen aufgetaucht.<br />

Er schaute kurz auf die Plakate, schien die Aufschrift zu lesen<br />

<strong>und</strong> schaute dann nach der Reihe nach <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Harry an.<br />

„Erstens dürft ihr keine Besen haben <strong>und</strong> zweitens sollt ihr nicht<br />

einfach so irgendwo hier alleine rumlaufen. Keiner von uns kennt<br />

sich hier raus, wenn ihr euch verlauft, dann kann es St<strong>und</strong>en dauern,<br />

bis wir euch wieder finden!“, sagte er, für seine Verhältnisse etwas<br />

zu laut, denn normalerweise war er zwar streng, wann immer er es<br />

für richtig hielt, aber richtig zu schreien begann er nie. „Jetzt kommt<br />

schon hier weg, wir müssen einkaufen!“<br />

<strong>Lily</strong> zuckte mit den Schultern, als sie den fragenden Blick ihrer<br />

Schwester sah <strong>und</strong> dann folgten beide den aufgebrachten Onkel.


„Ich hab <strong>das</strong> Geld!“, sagte Dudley zu Hagrid, der ihn misstrauisch<br />

anschaute.<br />

„Okay, dann würd’ ich vorschlag’n, <strong>das</strong>s ich die drei Kinder nehm’<br />

<strong>und</strong> mit ihnen einkauf’n geh, während ihr euch hier umschaut. Die<br />

woll’n nämlich sicher nich’, <strong>das</strong>s wir ihnen zu acht die Geschäfte<br />

verstopf’n!“, schlug Hagrid vor.<br />

Emily schaute sich noch mal besorgt um, doch nickte dann. Auch<br />

Dudley schien nicht ganz einverstanden zu sein, gab aber angesichts<br />

der Tatsache, <strong>das</strong>s er gegen Hagrid sowieso keine Chance hatte, nach<br />

<strong>und</strong> nickte. Er drückte Harry, <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> jeweils einen Beutel in<br />

die Hand, der mit Geld gefüllt zu sein schien. <strong>Dora</strong> wusste nicht, ob<br />

es ihr nur so vorkam, oder ob der von Harry wirklich ein wenig kleiner<br />

war als ihre. Aber sie dachte nicht länger darüber nach, weil<br />

Hagrids Stimme sie aus ihren Gedanken riss.<br />

„In sechs St<strong>und</strong>en wieder hier würd’ ich sag’n!“, sagte Hagrid, zu<br />

dem sich in der Zwischenzeit <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Harry gesellt hatten.<br />

Somit trennten sich ihre Wege. Während Dudley gemeinsam mit<br />

Emily, Sam <strong>und</strong> James in die entgegengesetzte Richtung davonging,<br />

betrachtete Hagrid den Zettel mit den Schulsachen, den er Harry aus<br />

der Hand genommen hatte.<br />

„Könnt’n sich auch ma’ was Neues einfall’n lass’n!“, grunzte er.<br />

„Fangen wir bei Madame Malkins an. Hat die besten Umhänge weit<br />

<strong>und</strong> breit, kann ich euch versichern. Also hopp hopp, rein mit euch!“<br />

Hagrid blieb vor dem Geschäft stehen, was <strong>Dora</strong> auch gleich<br />

verstand, als sie eintraten. Der Raum war nicht wirklich groß <strong>und</strong><br />

Hagrid hätte wohl noch die letzten freien Quadratmeter belegt. Außer<br />

einer etwas älteren, stämmigen Hexe war niemand hier.<br />

„Guten Tag, wie kann ich euch helfen?“<br />

Sie legte den schwarzen Umhang beiseite, welchen sie gerade in<br />

der Hand hatte, <strong>und</strong> eilte auf die drei zu.<br />

<strong>Lily</strong> faltete den Brief auseinander.<br />

„Können wir hier Drachenhauthandschuhe <strong>und</strong> Spitzhüte bekommen?“,<br />

fragte sie leise <strong>und</strong> machte sich insgeheim darauf gefasst,<br />

64


<strong>das</strong>s die Hexe laut zu lachen beginnen würde, aufgr<strong>und</strong> der absurden<br />

Frage nach Handschuhen dieser Art.<br />

„Hogwarts, erster Jahrgang mit Muggelabstammung würde ich raten.<br />

Habe ich Recht?“<br />

Die drei nickten, genauso wie Madame Malkin.<br />

„Zeigst du mir mal den Brief?“, fragte sie höflich <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> gab ihn<br />

ihr in die Hand.<br />

„Ah, okay. So wie immer. Ich hol mir schnell Hilfe, damit es<br />

schneller geht <strong>und</strong> dann können wir loslegen. Ihr habt Glück, wir<br />

haben die normale Arbeitsbekleidung in Aktion. Kaufe drei, zahle<br />

zwei oder in eurem Fall: Kaufe neun, bezahle sechs.“<br />

Sie lächelte <strong>und</strong> watschelte aus dem Raum. Kurz später kam sie<br />

mit einer jungen Hexe im Schlepptau zurück.<br />

„Guten Tag“, begrüßte sie die drei Kinder. „Mein Name ist Cho<br />

Chang. Ich bin Angestellte des Ministeriums in der Abteilung für<br />

magische Strafverfolgung <strong>und</strong> jetzt bin ich hier!“<br />

Cho wirkte irgendwie beleidigt, lächelte die Zwillinge <strong>und</strong> deren<br />

Cousin aber an.<br />

„Also, wo kann ich behilflich sein?“, fragte sie.<br />

Madame Malkin stellte jedes der drei Kinder auf eine Erhöhung,<br />

die sie mit ihrem Zauberstab auf dem Boden des Geschäfts entstehen<br />

ließ, dann betrachtete sie fachmännisch einen Stoß schwarzer Umhänge<br />

<strong>und</strong> zog drei hervor. Sie gab jedem einen davon <strong>und</strong> bat sie,<br />

sich über zuziehen.<br />

„Sie müssen einfach nur die richtige Länge abstecken!“, erklärte<br />

Madame Malkin ihrer anscheinend neuen Gehilfin.<br />

Sie selbst nahm sich Harrys Umhang vor, während sich Ms. Chang<br />

vor <strong>Dora</strong> stellte, aber nicht genau wusste, was sie machen sollte. Sie<br />

deutete mit ihrem Zauberstab auf die <strong>The</strong>ke <strong>und</strong> eine Schale mit Nadeln<br />

flog zu ihr. Mindestens dreimal steckte sie die erste davon in<br />

den St<strong>of</strong>f <strong>und</strong> zog sie wieder raus, dann verdrehte sie die Augen <strong>und</strong><br />

atmete tief durch.<br />

„Haben Sie <strong>das</strong> schon mal gemacht?“, fragte <strong>Dora</strong> leise.<br />

65


Ms. Chang schüttelte energisch den Kopf.<br />

„Ach du meine liebe Güte! Sehe ich aus wie eine Schneiderin?“<br />

Sie blickte <strong>Dora</strong> unsicher an, welche s<strong>of</strong>ort den Kopf schüttelte.<br />

„Dann ist ja gut. Nein, ganz im Gegenteil, ich bin Aurorin. Aber in<br />

den letzten Jahren gab es so gut wie keine Straftaten <strong>und</strong> wenn, dann<br />

hat sich innerhalb von nur wenigen Minuten ein Auror gef<strong>und</strong>en, der<br />

es übernimmt <strong>und</strong> ich komme so gut wie immer zu spät!“, erklärte<br />

sie, während sie einen Finger in den M<strong>und</strong> steckte, den sie gerade<br />

aus Versehen mit einer Nadel blutig gestochen hatte.<br />

„Aber warum sind Sie dann hier?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Na, glaubst du, die bezahlen uns fürs Nichtstun? Jetzt bilden wir<br />

Auroren sozusagen <strong>das</strong> Kommando für magische Notfälle <strong>und</strong> <strong>das</strong><br />

hier ist bei weitem noch einer der größten <strong>und</strong> aufregendsten Notfälle,<br />

glaub mir! Manchmal müssen wir ganze Tage lang Verkäufer<br />

spielen oder so etwas, nur weil irgendjemand ausgefallen ist. Wenn<br />

ich gedacht hätte, <strong>das</strong>s man <strong>das</strong> als Auror machen muss, hätte ich es<br />

mir besser überlegt!“<br />

Ms. Chang begann zu lachen, genau wie <strong>Dora</strong>.<br />

„Aber was ist bitte ein Auror?“, fragte sie.<br />

Es war eines der vielen Wörter, die sie noch nie gehört hatte <strong>und</strong><br />

die an diesem Tag nur so auf sie herabprasselten. Kaum überlegte<br />

sie, was denn bitte Quidditch sein sollte, <strong>und</strong> im nächsten Moment<br />

wurde sie mit einem Auroren überrumpelt.<br />

„Deine Eltern sind Muggel?“, fragte Ms. Chang.<br />

„Ja, sieht so aus“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

Ms. Chang nickte verständnisvoll.<br />

„Ach so! Also ein Auror ist ein Mitarbeiter des Zaubereiministeriums,<br />

der darauf spezialisiert ist, böse Zauberer zu verfolgen, mit ihnen<br />

zu kämpfen <strong>und</strong> schließlich nach Askaban zu bringen“, erklärte<br />

sie.<br />

„Askaban?“, fragte <strong>Dora</strong> verwirrt.<br />

„Ach ja, <strong>das</strong> kannst du ja auch nicht kennen. Tut mir echt leid, für<br />

mich sind <strong>das</strong> alltägliche Wörter, die normalerweise jeder kennt, mit<br />

66


dem ich mich unterhalte. Also verzeih mir. Askaban ist ein Gefängnis<br />

für Zauberer <strong>und</strong> es heißt, <strong>das</strong>s es <strong>das</strong> Sicherste überhaupt ist.<br />

Allerdings bin ich anderer Meinung. Wenn es darauf ankommt, dann<br />

ist die Sicherheit gleich Null!“<br />

Wieder steckte die Aushilfsschneiderin eine Nadel in den Umhang.<br />

Es war die erste, die sie nicht wieder herauszog, auch wenn sogar<br />

<strong>Dora</strong> erkennen konnte, <strong>das</strong>s sie mehr als nur schief im St<strong>of</strong>f steckte.<br />

„Was meinen Sie mit ‚wenn es darauf ankommt’?“<br />

<strong>Dora</strong> war neugierig geworden. Sie hatte noch gar nicht daran gedacht,<br />

<strong>das</strong>s es überhaupt ein Gefängnis für Zauberer geben musste,<br />

bevor sie gehört hatte, aus welcher Abteilung des Ministeriums Ms.<br />

Chang kam. Doch jetzt machte es Sinn. Wenn es unter den normalen<br />

Menschen gute <strong>und</strong> böse gab, dann musste es doch bei Zauberern<br />

genauso sein.<br />

„Mach dir darüber keine Gedanken. Schon seit über zehn Jahren ist<br />

niemand mehr aus Askaban entkommen <strong>und</strong> der Schutz ist so stark<br />

wie eh <strong>und</strong> je!“<br />

<strong>Dora</strong> nickte, aber dennoch hätte es sie interessiert, was die Sicherheit<br />

des sichersten Zauberergefängnisses zum Bröckeln bringen<br />

konnte. Sie überlegte gerade, wie sie es am besten anstellte, noch ein<br />

bisschen mehr darüber erfahren zu können, als sie Madam Malkin<br />

kommen sah.<br />

„Oh! Bei Merlin, was soll denn <strong>das</strong> sein?“, rief sie <strong>und</strong> zeigte auf<br />

die beiden Nadeln im St<strong>of</strong>f. „Da würde sich ja Dumbledore im Grabe<br />

umdrehen. Gehen Sie zur Seite, ich mach' <strong>das</strong> schon!“<br />

Ms. Chang trat zur Seite <strong>und</strong> lächelte <strong>Dora</strong> an, während sie eine<br />

Grimasse hinter Madame Malkins Rücken machte. Harrys <strong>und</strong> <strong>Lily</strong>s<br />

Umhänge waren bereits alle sechs fertig <strong>und</strong> als die wahre Schneiderin<br />

Hand an <strong>Dora</strong>s Umhänge anlegte, ging es auch bei ihr rasend<br />

schnell. Mit einer einfachen Bewegung des Zauberstabs platzierten<br />

sich alle Nadeln von alleine <strong>und</strong> eine weitere Bewegung brachte den<br />

Umhang dazu, sich nach Vorgabe der Nadeln von alleine auf die<br />

richtige Größe zu verkürzen.<br />

67


„Wenn ich <strong>das</strong> gewusst hätte, hätte ich es auch zusammengebracht!“,<br />

nuschelte Ms. Chang beleidigt.<br />

„Ja ja, ist ja schon okay. Gehen Sie mit den beiden zur <strong>The</strong>ke <strong>und</strong><br />

probieren Sie die Spitzhüte <strong>und</strong> die Drachenhauthandschuhe“, befahl<br />

sie.<br />

Ms. Chang nickte Harry <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> zu, welche ihr zur <strong>The</strong>ke folgten,<br />

während Madame Malkin erst an dem einen, dann am zweiten <strong>und</strong><br />

schließlich am dritten Umhang bastelte.<br />

„Ich bin doch kein Mädchen!“, verkündete Harry, als er, einen<br />

schwarzen Hut am Kopf, in den Spiegel blickte.<br />

„Keine Sorge, <strong>das</strong> trägt heutzutage jeder. In der Zaubererwelt mein<br />

ich!“, fügte sie schnell hinzu, als er sie misstrauisch betrachtete.<br />

Als die beiden sich für ihre Hüte entschieden hatten, kam auch <strong>Dora</strong><br />

zu ihnen. Sie war nicht so wählerisch wie die anderen beiden <strong>und</strong><br />

hatte schnell die richtige Größe gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bei den Handschuhen<br />

schauten sowieso alle gleich aus, sie mussten also nur schauen, ob<br />

sie ihnen passten. Dann machten sie noch mal die gleiche Prozedur<br />

wie am Anfang durch, nur diesmal mit den Winterumhängen, die<br />

auch gekürzt werden mussten. Diesmal bat Madame Malkin Ms.<br />

Chang allerdings, hinter der <strong>The</strong>ke stehen zu bleiben <strong>und</strong> die Wolle<br />

nach der Farbe zu sortieren. <strong>Dora</strong> erkannte genau, wie sehr Ms.<br />

Chang diese Arbeit mochte, denn wenn die Wolle Gefühle gehabt<br />

hätte, dann hätte sie laut aufgeschrieen, bei der Stärke mit der sie in<br />

der Schachtel landete.<br />

„So, <strong>das</strong> wär’s!“, sagte Madame Malkin, als sie auch den letzten<br />

Umhang fertig gestellt hatte.<br />

Als <strong>Lily</strong> auf ihre Armbanduhr sah, verstand sie auch, warum<br />

Hagrid gesagt hatte, <strong>das</strong>s sie sich erst in sechs St<strong>und</strong>en wieder treffen<br />

wollten, denn fast eineinhalb St<strong>und</strong>en hatten sie alleine in diesem<br />

Laden verbracht.<br />

Sie betrachteten gemeinsam mit Ms. Chang noch all die anderen<br />

ungewöhnlichen Kleider, die überall im Verkaufsraum ausgestellt<br />

waren <strong>und</strong> ließen sich erklären, w<strong>of</strong>ür sie gut waren, während Ma-<br />

68


dame Malkin alles in große Tüten stopfte. Ein paar Minuten später<br />

bezahlten sie <strong>und</strong> verabschiedeten sich.<br />

„Ich h<strong>of</strong>fe, wir sehen uns mal wieder!“, verabschiedete sich Ms.<br />

Chang von <strong>Dora</strong>.<br />

„H<strong>of</strong>fe ich auch! Auf Wiedersehen!“<br />

Sie gingen aus dem Laden <strong>und</strong> stellten sich neben Hagrid, der noch<br />

immer genauso vor der Tür stand, wie sie ihn zurückgelassen hatten.<br />

„Hagrid?“, fragte Harry.<br />

Dieser riss seine Augen weiter auf <strong>und</strong> wandte sich zu den Kindern<br />

um, die er anscheinend gar nicht hatte herauskommen hören.<br />

„Ach, da seid ihr ja. Dachte schon, die hätt’n euch was angetan.<br />

Ein paar Minuten länger <strong>und</strong> ich wär’ eingeschlafen!“, murmelte er.<br />

„Habt ihr alles?“<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Die hatten sogar Handschuhe aus Drachenhaut!“, meinte sie erstaunt.<br />

„Aber na klar doch. Brauchst du, wenn du giftige Pflanzen anfass’n<br />

willst <strong>und</strong> auch einen Bowtruckle würd’ ich nicht ohne in die<br />

Hand nehm’n. Außerdem würde ich dir rat’n, sie auch beim Zubereit’n<br />

von Zaubertränken zu verwend’n!“<br />

„Bowtruckle?“, fragten <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> Harry gleichzeitig.<br />

<strong>Dora</strong> meinte, für heute schon genug neue Worte kennen gelernt zu<br />

haben, <strong>und</strong> hätte diesen Ausdruck jetzt einfach ignoriert, wenn ihre<br />

Schwester <strong>und</strong> ihr Cousin nicht so neugierig gewesen wären.<br />

„Widerwärtige kleine Viecher. Da sind mir Hippogreifs oder Riesenspinnen<br />

dreima’ lieber“, murmelte Hagrid. „Ach, wisst ihr was?<br />

Kommt doch am ersten Freitag nach Schulbeginn 'runter zu meiner<br />

Hütte auf dem Schulgelände, dann zeig ich euch ein paar von den<br />

Tierchen. Hatte vergessen, <strong>das</strong>s ihr ja gar keines davon kennt!“<br />

Die drei nickten, obwohl <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> Harry mit ihrer Antwort über<br />

Bowtruckles nicht gerade zufrieden zu sein schienen.<br />

Hagrid führte sie weiter, an bunt geschmückten Schaufenstern <strong>und</strong><br />

sich bewegenden Plakaten vorbei.<br />

69


„Sag mal Hagrid“, begann Harry nach ein paar Schritten. „Man<br />

kann doch mit Besen fliegen, oder?“<br />

„Ja, wieso?“<br />

„Aber wäre man nicht mit Staubsaugern schneller?“<br />

Die Zwillinge konnten sich kaum mehr halten vor lauter Lachen.<br />

Harry schien die Frage wirklich ernst gemeint zu haben <strong>und</strong> sie<br />

konnten nicht glauben, <strong>das</strong>s er diesen Blödsinn tatsächlich fragte,<br />

obwohl sie zugeben mussten, <strong>das</strong>s es logisch gewesen wäre.<br />

„’n Staubsauber? Was’n <strong>das</strong>?“, fragte Hagrid. „Glaub die Sonne tut<br />

dir nich’ gut, also ab mit euch zu ‚Flourish <strong>und</strong> Blotts’, da bekommt<br />

ihr eure Bücher!“<br />

Harry wirkte beleidigt <strong>und</strong> ging vor <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> durch die Tür,<br />

auf die Hagrid deutete. Der Laden war etwas größer als Madame<br />

Malkins Geschäft <strong>und</strong> es waren auch ein paar Leute hier. Darunter<br />

waren eine kleine, alte Hexe, die an einem Tisch saß <strong>und</strong> ein Buch<br />

las <strong>und</strong> ein paar Jugendliche, die vielleicht zwei oder drei Jahre älter<br />

waren als <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>.<br />

Sie alle standen in einer Schlange vor dem Tresen, doch die Verkäuferin<br />

redete nicht lange um den heißen Brei herum <strong>und</strong> so dauerte<br />

es nicht lange, bis die drei direkt vor ihr standen. Sie schien noch<br />

etwas jünger als Ms. Chang zu sein, machte allerdings den gleichen<br />

Gesichtsausdruck wie sie, als sie vorhin den Raum bei Madame Malkins<br />

betreten hatte.<br />

„Aurorin?“, fragte <strong>Dora</strong> lächelnd, was ihr verwirrte Blicke von <strong>Lily</strong><br />

<strong>und</strong> Harry einbrachte. „Erklär ich euch nachher!“, fügte sie flüsternd<br />

an die beiden hinzu.<br />

„Erfasst“, sagte die Hexe. „Marry Manson, eigentlich Aurorin <strong>und</strong><br />

jetzt wurde ich degradiert zur Verkäuferin. Der Geschäftsführer ist<br />

krank <strong>und</strong> ich stehe hier jetzt schon seit vier Tagen!“<br />

<strong>Dora</strong> warf ihr einen aufmunternden Blick zu, den die Verkäuferin<br />

mit einem Augenzwinkern quittierte.<br />

„Also, wie kann ich euch helfen?“<br />

<strong>Lily</strong> reichte ihr die Liste mit den Schulbüchern.<br />

70


„Alle Bücher von der Liste brauchen wir für jeden einmal!“, erklärte<br />

sie.<br />

„Ah, erster Jahrgang!“<br />

Sie schwenkte ihren Zauberstab lässig <strong>und</strong> drei Stapel mit Büchern<br />

schwebten auf den Tisch.<br />

„Ich hab am Morgen eine halbe St<strong>und</strong>e später aufgesperrt <strong>und</strong> dafür<br />

vorher die Bücher sortiert. Der Chef war gar nicht glücklich darüber…<br />

Aber ich wusste doch, <strong>das</strong>s jetzt bald die Schuleinkäufe starten<br />

werden <strong>und</strong> ich habe mich nicht getäuscht!“, sagte sie zufrieden.<br />

Mit je einer weiteren großen Tasche beladen, traten sie wieder ins<br />

Sonnenlicht vor dem Laden, wo Hagrid wie ein übergroßer Bodyguard<br />

auf sie wartete.<br />

„Gebt mir was davon zum Tragen“, forderte er sie auf, nahm ihnen<br />

die Bücher ab <strong>und</strong> ließ sie in Innentaschen seines riesengroßen Umhanges<br />

gleiten.<br />

Dankbar, <strong>das</strong>s ihnen die Last abgenommen wurde, gingen die vier<br />

weiter. Als sie vor ‚Eeylops Eulenkaufhaus’ ankamen, blieb <strong>Lily</strong><br />

stehen.<br />

„Hagrid, ich hätte fast vergessen, dich zu fragen, aber dürfen <strong>Dora</strong><br />

<strong>und</strong> ich auch eine Eule mitnehmen, oder zählen wir alleine schon als<br />

Tiere?“<br />

Hagrid überlegte.<br />

„Na ja, wenn man’s so genau nehmen würd’, dann könntet ihr gar<br />

nich’ nach Hogwarts geh’n, weil ihr mehr als ein Tier werden könnt.<br />

Auch wenn ich noch immer nich’ weiß warum!“<br />

Er schüttelte den Kopf <strong>und</strong> musterte die Mädchen genau, so als ob<br />

er versucht hätte, irgendetwas an ihnen zu suchen, <strong>das</strong> ihn auf eine<br />

Lösung hätte bringen können.<br />

„Also meinst du, wir dürfen?“<br />

„Ja, ich meine, <strong>das</strong>s ihr <strong>das</strong> dürft. Würde euch allerdings davon abraten,<br />

euch in Hogwarts irgendwann in Katzen zu verwandeln <strong>und</strong><br />

ihr solltet es auch wirklich niemand’m erzählen. Kommt nich’ so gut<br />

an bei normal’n Zauberern, weil <strong>das</strong> meines Wissens wirklich keiner<br />

71


kann. Werd’ mal mit Hermine sprechen, ob’s so was geben kann…<br />

Wollt ihr ’ne Eule?“, fragte er, um wieder auf <strong>das</strong> <strong>The</strong>ma zurück zu<br />

kommen.<br />

„Ja“, strahlten <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> auch Harry nickte.<br />

„Eine für uns drei?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Die anderen dachten nach.<br />

„Besser eine für uns zwei <strong>und</strong> eine für Harry, die er sich dann ab<br />

nächstes Jahr mit James teilen kann, falls dieser auch auf diese Schule<br />

kommt“, überlegte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> alle nickten auf ihren Vorschlag hin.<br />

„Okay, ich wart’ dann wieder hier“, sagte Hagrid <strong>und</strong> nahm wieder<br />

seinen Wächterposten ein.<br />

Eine Weile später kamen <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Harry zurück. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong><br />

Harry hatten jeweils einen Käfig in der Hand. Die Mädchen hatten<br />

sich eine große, weiße Schneeeule ausgesucht, während Harry eine<br />

etwas kleinere dunkelbraune Eule im Käfig trug.<br />

Hagrid betrachtete die Tiere.<br />

„Solltet ihr Hedwig taufen“, meinte er knapp.<br />

„Warum Hedwig?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Ach, nich’ der Rede wert, war ja nur ’n Vorschlag! Ich geh für<br />

euch in die Apotheke <strong>und</strong> kauf die Zutaten für Zaubertränke. Danach<br />

noch Kessel <strong>und</strong> Waagen <strong>und</strong> dieses ganze Zeugs. Geht ihr bis dahin<br />

zu Ollivander“, er zeigte auf einen kleinen Laden, ein Stück von ihnen<br />

entfernt, „<strong>und</strong> besorgt euch dort ’nen Zauberstab! Das sollte<br />

mindestens zwei St<strong>und</strong>en dauern <strong>und</strong> bis dahin hab auch ich alles<br />

<strong>und</strong> wart dann vor dem Laden auf euch. Sollte ich noch nich’ zurück<br />

sein, dann wartet ihr, alles klar?“<br />

Sie nickten <strong>und</strong> verabschiedeten sich, dann betraten sie <strong>das</strong> Geschäft,<br />

welches nur aus einem dunklen Raum zu bestehen schien,<br />

welcher nichts außer Stapel aus länglicher, flacher Schuhschachteln<br />

beinhaltete. Der alte Mann viel ihnen erst auf, als sie ihren Blick<br />

zum zweiten Mal durch den Raum schweifen ließen.<br />

„Guten Tag, kriegen wir hier Zauberstäbe?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

72


„Oja, die bekommen Sie hier! Darf ich mich vorstellen? Mein Name<br />

ist Ollivander. Mit wem habe ich es hier zu tun?“<br />

Er trat näher an die drei heran <strong>und</strong> aus irgendeinem Gr<strong>und</strong> war er<br />

den Mädchen nicht ganz geheuer, auch wenn er nett zu sein schien.<br />

Sie dachten, <strong>das</strong>s es wahrscheinlich nur an der düsteren Atmosphäre<br />

des Raumes lag.<br />

„Harry, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> Dursley!“, stellte <strong>Lily</strong> alle drei vor <strong>und</strong> spätestens<br />

jetzt wurde ihnen klar, <strong>das</strong>s es wirklich nur am Raum lag,<br />

denn Ollivander lächelte sie fre<strong>und</strong>lich an, als er zu sprechen begann.<br />

„Drei aus einer Familie? Aber Dursley… Ich kenne nur einen<br />

Dursley, der keine Kinder hat <strong>und</strong> ich kenne viele Leute, glaubt<br />

mir… Wie heißen eure Eltern mit Vornamen?“<br />

„Meine Eltern kennen sie sicher nicht, <strong>das</strong> sind keine Zauberer“,<br />

meinte Harry.<br />

„Und wir kennen unsere Eltern nicht, wir wurden adoptiert!“, erzählte<br />

<strong>Dora</strong>.<br />

„Da hattet ihr ja Glück, <strong>das</strong>s sie euch alle drei genommen haben,<br />

oder besser, <strong>das</strong>s ihr alle drei die Fähigkeit habt zu zaubern! Da haben<br />

eure Eltern sich wohl für die richtigen Kinder entschieden!“<br />

„Heißt <strong>das</strong>, <strong>das</strong>s nicht jeder <strong>das</strong> Zaubern erlernen kann?“, fragte<br />

Harry, der anscheinend noch immer ängstlich war, gar nicht nach<br />

Hogwarts zu gehören.<br />

„Nein, natürlich nicht! Es ist eine Gabe <strong>und</strong> diese besitzt nicht jeder!“,<br />

erklärte Ollivander.<br />

„Mach dir keine Sorgen, die haben dich schon aus den richtigen<br />

Gründen ausgewählt <strong>und</strong> es war sicher kein Versehen!“, versuchte<br />

<strong>Dora</strong> ihn aufzuheitern.<br />

„Das können wir überprüfen“, meinte Ollivander nachdenklich.<br />

„Wir beginnen mit Ihnen, Harry!“<br />

Er betrachtete Harry genau, dann ging er ein Stück von ihnen weg,<br />

zog eine der Schuhschachteln, die wohl eher Zauberstäbe als Schuhe<br />

beinhalteten, aus einem Regal, öffnete sie <strong>und</strong> drückte ihn Harry in<br />

73


die Hand. Dieser wedelte ein bisschen damit herum <strong>und</strong> schaute Ollivander<br />

an, als würde er vermuten, der alte Mann hätte nicht mehr<br />

alle Tassen im Schrank.<br />

„Nein, <strong>das</strong> ist der falsche“, murmelte Ollivander sich selbst zu,<br />

nahm Harry den Stab wieder aus der Hand <strong>und</strong> holte den nächsten.<br />

Er probierte etwa zehn Stäbe aus. Harry war kurz davor einfach<br />

aufzugeben <strong>und</strong> davonzulaufen, als der elfte Stab plötzlich Funken<br />

sprühte, als er ihn leicht auf <strong>und</strong> ab bewegte.<br />

„Perfekt! Drachenherzfaser <strong>und</strong> Weidenholz, zehn Zoll lang“, sagte<br />

Ollivander <strong>und</strong> legte den Stab in seine Schachtel zurück. „Sie<br />

können sich also sicher sein, <strong>das</strong>s Sie ein Zauberer sind, denn Zauberstäbe<br />

entscheiden sich nur für würdige Träger!“<br />

Harry strahlte übers ganze Gesicht, als sich Ollivander an <strong>Lily</strong><br />

wandte.<br />

„Probieren Sie den hier!“<br />

Er gab <strong>Lily</strong> einen etwas kürzeren Zauberstab <strong>und</strong> auch sie brauchte<br />

einige Anläufe, bis der Zauberstab reagierte. Anders als bei Harry<br />

jedoch, sprühte er keine Funken, sondern ein Blitz jagte durch den<br />

Raum auf den Stapel von Zauberstäben zu, die Ollivander zuvor versucht<br />

hatte.<br />

„Tolle Reaktion, muss ich schon sagen“, murmelte er. „Phönixfeder<br />

<strong>und</strong> Stechpalme, neuneinhalb Zoll.“<br />

Er betrachtete <strong>das</strong> Mädchen, welches noch immer vollkommen<br />

verblüfft auf den brennenden Kartonhaufen starrte <strong>und</strong> nahm ihr den<br />

Zauberstab aus der Hand.<br />

„Komisch… Ich habe einen ganzen Haufen von Zauberstäben aus<br />

Phönixfedern <strong>und</strong> Stechpalmen auf Lager, aber bis jetzt habe ich in<br />

meinem Leben erst einen aus mit der Verbindung aus diesen beiden<br />

Materialien verkauft!“<br />

Er grinste aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, seine Ladenhüter doch noch unter<br />

die Leute zu bringen.<br />

„Okay, dann nimmst du den hier! Dreh dich aber zur Tür!“<br />

74


Er drückte <strong>Dora</strong> einen anderen Stab in die Hand, welcher s<strong>of</strong>ort<br />

<strong>das</strong> gleiche machte wie <strong>Lily</strong>s. Der Blitz prallte jedoch an der massiven<br />

Tür ab <strong>und</strong> ließ nur eine verkohlte, schwarze Fläche auf dem<br />

Holz zurück.<br />

„Hab ich’s mir doch gedacht!“, sagte er. „Ebenfalls Phönixfeder<br />

<strong>und</strong> Stechpalme, neuneinhalb Zoll.“<br />

„Also haben wir beide den gleichen Stab?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Bei Dumbledore, nein! Jeder meiner Zauberstäbe ist unterschiedlich,<br />

sie werden keinen mit exakt denselben Eigenschaften finden.<br />

Jeder Zauberstab hat einen Kern aus einem besonders mächtigen<br />

Zauberst<strong>of</strong>f. Ich benutze Einhornhaar, Schwanzfedern von Phönixen<br />

<strong>und</strong> Herzfasern von Drachen. Außerdem verwende ich verschiedenes<br />

Holz, <strong>das</strong> dem Stab <strong>das</strong> gewisse Etwas verleiht. Aber ihre Zauberstäbe<br />

sind so ähnlich, wie sie sich nur sein können. Holz vom selben<br />

Baum <strong>und</strong> Feder vom selben Phönix. Lebt irgendwo in China dieses<br />

Tier“, murmelte er. „Aber es w<strong>und</strong>ert mich, <strong>das</strong>s diese Stäbe Sie<br />

beide ausgewählt haben. Sehr wählerisch diese Kombination.“<br />

<strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> zuckten mit den Schultern. Solange ihr Zauberstab<br />

nicht aus Plastik war, war es ihnen ziemlich egal, was darin steckte<br />

oder welche Eigenschaften ein Stück Holz hatte.<br />

„Okay, <strong>das</strong> war’s dann! Das macht sieben Galleonen <strong>das</strong> Stück!“<br />

<strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Harry kramten nach den großen, goldenen Münzen<br />

<strong>und</strong> reichten sie Ollivander, welcher sie entgegen nahm <strong>und</strong> ihnen<br />

zum Ausgleich dafür die länglichen Schachteln in die Hand drückte.<br />

Mit einer tiefen Verbeugung verabschiedete er sich von ihnen.<br />

Hagrid wartete schon vor der Tür auf sie.<br />

„Dürfen wir da auch reingehen?“, fragte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> zeigte im Vorbeigehen<br />

auf den wohl buntesten Laden in der ganzen Gasse.<br />

Er trug ein Schild mit dem Titel ‚Weasleys Zauberhafte Zauberscherze’<br />

<strong>und</strong> schien einer der größten <strong>und</strong> vor allem bestbesuchten<br />

Geschäfte in der ganzen Gasse zu sein.<br />

Hagrid blickte auf die große Uhr, die weit über ihnen an einem<br />

Haus hing.<br />

75


„Tut mir leid, keine Zeit mehr! Eure Eltern werden schon warten“,<br />

antwortete er <strong>und</strong> zuckte mit den Schultern. „Wirklich arm diese<br />

Familie. W<strong>und</strong>ert mich, <strong>das</strong>s George den Laden noch weiterführt…“<br />

„Was ist denn passiert?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Ach, drei von sieben Kindern tot <strong>und</strong> einer wurde schrecklich zugerichtet<br />

von ’nem Werwolf!“, sagte er, während er traurig zu Boden<br />

blickte. „Extrem nette Kinder, hab die immer gemocht!“<br />

Keiner der drei wusste etwas darauf zu antworten <strong>und</strong> es kam ihnen<br />

gerade recht, als sie sahen, <strong>das</strong>s Sam sich ein Stückchen entfernt<br />

von ihrer Mutter losriss <strong>und</strong> auf sie zugelaufen kam.<br />

„<strong>Lily</strong>, Harry, <strong>Dora</strong>! Wir waren gerade Eis essen <strong>und</strong> der Verkäufer<br />

hat nur einmal mit seinem Zauberstab gewedelt <strong>und</strong> schon ist es fertig<br />

bei uns auf dem Tisch gestanden! Außerdem konnten sich die<br />

Bilder bewegen <strong>und</strong> manche haben sogar gesprochen…“<br />

Sie hüpfte aufgeregt auf der Stelle <strong>und</strong> erzählte alles, was sie mit<br />

ihrer Familie in den letzten St<strong>und</strong>en gemacht hatte. <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong><br />

Harry hörten ihr gespannt zu, während Hagrid nur daneben stand <strong>und</strong><br />

lächelte.<br />

76


77<br />

Der Hogwarts-Express<br />

„<strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong>, Harry! Kommt her!”, rief Emily.<br />

Sie stand, bereits fertig bekleidet <strong>und</strong> hergerichtet zur Abfahrt nach<br />

King’s Cross, im Wohnzimmer, als die drei ihrem Ruf folgten. Doch<br />

sie war nicht alleine. Zwei braun-schwarze Waldkäuze, die gemeinsam<br />

ein ziemlich großes Päckchen trugen, flogen durch den Raum<br />

<strong>und</strong> s<strong>of</strong>ort als sie <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> erkennen konnten, stürzten die beiden<br />

Vögel auf die Mädchen zu.<br />

„Die habe ich eben erst hereingelassen <strong>und</strong> anscheinend wollen sie<br />

zu euch“, meinte Emily.<br />

Die Mädchen führten die Vögel zum Wohnzimmertisch, wo sie<br />

sich auf dem schachtelförmigen Päckchen niederließen. <strong>Lily</strong> befreite<br />

die erste Eule, während <strong>Dora</strong> <strong>das</strong> Paket vom Fuß des zweiten Vogels<br />

löste. S<strong>of</strong>ort, als ihnen die Last abgenommen wurde, stießen sie sich<br />

kraftvoll <strong>und</strong> mit lautem Gekreische in die Luft, zogen noch ein paar<br />

Kreise über den Köpfen aller Personen im Raum <strong>und</strong> flogen dann<br />

beim Fenster hinaus.<br />

Emily blickte ihnen noch nach, während Harry auf die Mädchen<br />

zugerannt kam.<br />

„Für wen ist es?“, fragte er aufgeregt.<br />

<strong>Lily</strong> hob die in braunes Papier gewickelte Schachtel hoch <strong>und</strong> betrachtete<br />

sie, doch erst als <strong>Dora</strong> den Brief, der auf der Unterseite des<br />

Pakets befestigt war, abnahm, konnte sie seine Frage beantworten.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> Dursley<br />

Ligusterweg 4<br />

Little Whinging<br />

Surrey<br />

„Es ist für uns beide“, meinte <strong>Dora</strong> nachdenklich.<br />

<strong>Lily</strong> nickte, während Harry sichtlich traurig schaute.


„Harry, komm weg da“, meinte seine Mutter. „Wenn es für die<br />

Zwillinge ist, dann geht dich der Brief nichts an!“<br />

„Aber…“<br />

Er überlegte, aber es schien ihm keine passende Antwort einzufallen<br />

<strong>und</strong> da er wusste, <strong>das</strong>s er gegen seine Mutter sowieso keine<br />

Chance hatte, ließ er die beiden widerwillig mit seiner Mutter alleine<br />

<strong>und</strong> ging wieder aus dem Raum, vermutlich nach oben in sein Zimmer,<br />

aus dem er gerade von Emily gerufen worden war.<br />

<strong>Dora</strong> begann gerade die ersten Zeilen des Briefes zu lesen, als <strong>Lily</strong><br />

sich schon am Verpackungspapier zu schaffen gemacht hatte. Doch<br />

als sie den Deckel der Schachtel öffnen wollte, hielt ihre Schwester<br />

sie davon ab, indem sie ihren Arm packte.<br />

„Nein, noch nicht“, sagte sie. „Lies <strong>das</strong>!“<br />

Sie gab <strong>Lily</strong> den Brief in die Hand <strong>und</strong> diese ließ die Schachtel ungeöffnet<br />

<strong>und</strong> las ebenfalls die unordentlich geschriebenen Worte auf<br />

dem Blatt Pergament.<br />

Hallo <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>!<br />

Ich h<strong>of</strong>fe euch geht es gut!<br />

Ihr habt also eure Einladungen nach Hogwarts<br />

bekommen. Herzlichen Glückwunsch!<br />

Hier sind zwei Dinge, die euch auf eurem weiteren Weg,<br />

vor allem in der Schule, nützlich sein könnten. Öffnet die<br />

Schachteln nicht gleich, sondern erst dann, wenn ihr<br />

alleine <strong>und</strong> sicher seid, <strong>das</strong>s euch niemand beobachtet.<br />

Keiner darf von diesen beiden Gegenständen erfahren,<br />

egal was passiert, also seid bitte sehr vorsichtig, wann<br />

<strong>und</strong> für was ihr sie benutzt. Ich weiß, <strong>das</strong>s ich euch<br />

vertrauen kann!<br />

Strengt euch an <strong>und</strong> lernt eure Magie sinnvoll<br />

einzusetzen! Ihr werdet es brauchen!<br />

78


<strong>Lily</strong> blickte auf. <strong>Dora</strong> hatte inzwischen <strong>das</strong> Paket an sich genommen<br />

<strong>und</strong> blickte ihre Schwester an.<br />

„Was meinst du?“, fragte diese.<br />

„Keine Ahnung, lass es uns zu den anderen Sachen bringen, die<br />

wir mitnehmen!“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

„Von wem glaubst du, ist es?“<br />

<strong>Dora</strong> zuckte mit ihren Schultern.<br />

„Auch auf dem Papier <strong>und</strong> auf dem Briefumschlag steht kein Absender.<br />

Vielleicht steht <strong>das</strong> ja irgendwo in der Schachtel, aber jetzt<br />

lass uns erstmal die anderen Sachen herunterbringen, damit wir fahren<br />

können, wir sind spät dran.“<br />

<strong>Lily</strong> stimmte mit einem Nicken zu <strong>und</strong> die beiden Mädchen gingen<br />

nach oben in ihr Zimmer, aus dem Dudley gerade ein paar ihrer Sachen<br />

holte, um sie hinunter ins Auto zu bringen.<br />

„Dann geht’s jetzt also los“, sagte er im Vorbeigehen. „Was habt<br />

ihr da?“<br />

„Jemand hat uns ein paar Süßigkeiten geschickt. Vermutlich für<br />

die Reise“, log <strong>Lily</strong>.<br />

Dudley runzelte die Stirn, sagte aber nichts.<br />

„Süßigkeiten für die Reise?“, fragte <strong>Dora</strong> leise, als ihr Onkel außer<br />

Hörweite war.<br />

„Das nächste Mal kannst du dir ja eine Notlüge einfallen lassen“,<br />

lachte <strong>Lily</strong>.<br />

Auch Harry, der neugierig aus seinem Zimmer schaute, erzählten<br />

sie von den Süßigkeiten, da er die beiden sonst wohl noch die nächsten<br />

paar Jahre nicht in Ruhe gelassen hätte. Obwohl er nicht gerade<br />

überzeugt schaute, schien er doch zu wissen, <strong>das</strong>s dies die einzige<br />

Antwort war, die er bekommen würde, <strong>und</strong> so musste er sich damit<br />

zufrieden geben.<br />

Als sie in ihrem Zimmer ankamen <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> gerade ein paar der<br />

Sachen nehmen wollte, um sie nach unten zu bringen, war <strong>Lily</strong><br />

plötzlich verschw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> sah nur noch ein kleines Kätzchen,<br />

79


<strong>das</strong> geschmeidig aufs Bett sprang, ein paar Mal hüpfte <strong>und</strong> sich dann<br />

wieder in ihre Schwester verwandelte.<br />

„Was war <strong>das</strong> denn bitte?“, fragte sie verwirrt.<br />

„Ich wollte <strong>das</strong> noch ein letztes Mal machen. Hagrid sagt ja, <strong>das</strong>s<br />

wir <strong>das</strong> in der Schule nicht dürfen, <strong>das</strong> heißt fast ein Jahr lang keine<br />

Tiere!“<br />

Die beiden Mädchen schauten sich traurig an.<br />

„Na ja, immerhin haben wir jetzt ja Hedwig <strong>und</strong> die hat es eh nicht<br />

so gern, wenn ein paar Katzen vor ihrem Käfig herumlaufen, oder?“<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Ja, du hast Recht!“<br />

Sie schaute auf den Käfig, in dem die weiße Schneeeule immer<br />

noch misstrauische Blicke auf <strong>das</strong> Bett warf, wo gerade noch <strong>das</strong><br />

rote Kätzchen gesessen hatte.<br />

<strong>Dora</strong> nahm den Käfig <strong>und</strong> ihren K<strong>of</strong>fer, während <strong>Lily</strong> noch die<br />

letzten Schulbücher <strong>und</strong> die Schachtel mit dem unbekannten Inhalt<br />

in den großen Kessel warf, den Onkel Dudley noch nicht mit nach<br />

unten genommen hatte, <strong>und</strong> ihn dann selbst mit beiden Händen<br />

schnappte, um ihn nach unten zu bringen.<br />

Dudley nahm den beiden die Sachen ab, als sie beim Auto ankamen<br />

<strong>und</strong> verstaute alles sicher im K<strong>of</strong>ferraum. Die anderen Familienmitglieder<br />

saßen bereits auf ihren Plätzen. Sam wirkte noch immer<br />

sichtlich müde, denn sie hatte ihren Kopf auf die Schulter von James<br />

gelegt, welcher neben ihr saß, <strong>und</strong> sie sagte kein Wort, was bei ihr<br />

immer als sicheres Zeichen dafür galt, <strong>das</strong>s etwas nicht stimmte.<br />

„Werdet ihr zu Weihnachten nach Hause kommen?“, fragte Dudley,<br />

als er sich hinters Steuer gesetzt hatte.<br />

Harry, <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> blickten sich an.<br />

„Wenn die Möglichkeit dazu besteht, dann schon“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Aber wir haben ja keine Ahnung von gar nichts… Wir wissen nicht,<br />

wo diese Schule ist, <strong>und</strong> wir wissen auch nicht genau, was wir dort<br />

lernen werden, wer unsere Lehrer sind <strong>und</strong> welche Schüler <strong>und</strong> wie<br />

viele Schüler dort überhaupt hinkommen.“<br />

80


„Na ja, wir kennen diesen Flitwick“, warf <strong>Lily</strong> schnell ein.<br />

„Wenn ich etwas mehr wüsste als ihr, dann würde ich es euch sagen,<br />

aber auch ich habe keine Ahnung“, erzählte Emily.<br />

„Kommen sie vor Weihnachten denn gar nicht mehr heim?“, meldete<br />

sich plötzlich auch Sam wieder zu Wort.<br />

Sie blickte traurig um sich bei diesem Gedanken. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

trauten sich gar nicht, dem Mädchen in die Augen zu blicken.<br />

„Nein, vermutlich nicht“, meinte Dudley. „Vorausgesetzt natürlich,<br />

<strong>das</strong>s sie euch nicht von den Schule schmeißen, weil ihr immer nur<br />

Unruhe stiftet.“<br />

Dudley blickte seinen ältesten Sohn mahnend an.<br />

„Keine Sorge, Dad. Glaubst du wirklich, ich lasse mich von so einer<br />

Schule schmeißen, nur damit ich nächstes Jahr wieder in eine der<br />

normalen Anstalten gehen kann <strong>und</strong> mit Mathe anhören muss? Nein,<br />

ganz sicher nicht, egal wie schlecht ich im Zaubern sein mag!“, verteidigte<br />

sich Harry.<br />

„Man, komischer Gedanke, mit einem Zauberstab herumzuwedeln,<br />

oder?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Alle anderen im Wagen nickten.<br />

„Nächstes Jahr in den Sommerferien oder vielleicht schon in diesen<br />

Winterferien können wir doch dann alles mit Zaubern erledigen.<br />

Wird <strong>das</strong> ein Spaß“, fuhr sie fort.<br />

Das Auto war gerade vor einer roten Ampel zum Stehen gekommen,<br />

als Dudley sich zu ihr umdrehte.<br />

„Oh nein“, meinte er. „Außerhalb der Schule habt ihr erst die Erlaubnis<br />

Magie zu benutzen, wenn ihr volljährig seid.“<br />

Sie starrten ihn verzweifelt an.<br />

„Nein, oder? Bis achtzehn müssen wir warten?“, fragte Harry.<br />

„Na ja, nicht ganz. In der Welt der Zauberer wird man schon mit<br />

siebzehn Jahren volljährig. Das heißt, ein Jahr früher!“<br />

„Und was, wenn wir es doch tun?“, fragte <strong>Lily</strong> ihren Onkel, der<br />

anscheinend mehr über dieses <strong>The</strong>ma wusste als alle anderen im Auto<br />

zusammen.<br />

81


„Dann kommen sie euch drauf <strong>und</strong> wenn es mehr als einmal passiert,<br />

glaube ich, dann spielen sie mit dem Gedanken euch aus der<br />

Schule zu werfen!“, antwortete er.<br />

„Aber von wo weißt du <strong>das</strong>?“, meinte <strong>Dora</strong>, als sie die Nachricht<br />

verdaut hatte.<br />

Keine Gegenstände durch Gedankenkraft bewegen <strong>und</strong> vor allem<br />

keine Kätzchen würden schier unmöglich für die beiden sein.<br />

„Hagrid hat’s mal erwähnt“, antwortete Dudley ungewöhnlich<br />

schnell.<br />

Sie fuhren noch eine Weile durch London, bis sie endlich den<br />

Bahnh<strong>of</strong> King’s Cross erreichten, wo Dudley <strong>das</strong> Auto in einer Tiefgarage<br />

zum Stehen brachte. Er hielt absichtlich nahe der kleinen<br />

Rollwagen, damit sie ihre Sachen nicht weit zu tragen hatten.<br />

Er bedeutete den Kindern, ein Stück entfernt stehen zu bleiben,<br />

während er <strong>und</strong> Emily die Sachen der Kinder auf die drei Wägen<br />

hievten, die er herbeigebracht hatte. Schließlich waren auf jedem ein<br />

Kessel, voll gestopft mit den außergewöhnlichen Schulsachen, <strong>und</strong><br />

ein K<strong>of</strong>fer mit normalen Kleidern, aber auch Spitzhüten <strong>und</strong> Zaubererumhängen.<br />

Auf zwei von ihnen platzierte Emily abschließend<br />

noch die beiden Käfige mit den Eulen von Harry <strong>und</strong> den Zwillingen.<br />

Die verletzte Eule hatte sich in den letzten Wochen so gut erholt,<br />

<strong>das</strong>s die Familie beschlossen hatte, sie noch ein paar Monate<br />

weiter aufzupäppeln <strong>und</strong> dann zu Weihnachten wieder mit in die<br />

Schule zu bringen.<br />

Emily kramte vorne im Auto <strong>und</strong> kam mit drei mittelgroßen Decken<br />

wieder hinters Auto zu den anderen, welche sie fragend musterten.<br />

„Na ja, glaubt ihr nicht, <strong>das</strong>s es auffällt, wenn wir hier mit Eulen<br />

<strong>und</strong> Kesseln herumfahren?“, fragte sie <strong>und</strong> breitete <strong>das</strong> erste Tuch<br />

über einen der Rollwägen.<br />

Sie nickten zustimmend <strong>und</strong> halfen ihrer Mutter <strong>und</strong> Tante beim<br />

verdecken aller auffälligen Gegenstände. Zugegeben, es schaute<br />

auch verdächtig aus, wenn drei Personen nebeneinander mit verdeck-<br />

82


tem Gepäck durch den Bahnh<strong>of</strong> liefen, aber es war immer noch besser,<br />

als wegen Kesseln <strong>und</strong> Eulen angestarrt zu werden.<br />

Kurz später war die ganze Familie in einem Aufzug, der sie aus der<br />

Tiefgarage bringen sollte. Emily, Dudley <strong>und</strong> die Zwillinge, die sich<br />

mit Harry abwechselten, schoben jeweils einen der schweren Wägen<br />

vor sich her, während Sam <strong>und</strong> James zwischen ihnen hin- <strong>und</strong> herliefen.<br />

In der großen Halle des Bahnh<strong>of</strong>es angekommen, schauten sich alle<br />

Familienmitglieder suchend um.<br />

„Bahngleis neun dreiviertel?“, fragte <strong>Dora</strong>, während sie die einzelnen<br />

Zahlen studierte.<br />

Auf dieser Seite des Bahnh<strong>of</strong>es gab es Bahngleis sechs, sieben,<br />

acht, neun <strong>und</strong> zehn. Neun dreiviertel war nirgendwo zu sehen.<br />

„Wir haben noch zehn Minuten, <strong>das</strong> heißt, wir sollten uns beeilen.<br />

Ich gehe zur Informationsstelle <strong>und</strong> frage nach. Wer kommt mit?“,<br />

fragte Dudley, ließ seinen Wagen stehen <strong>und</strong> wandte sich ab.<br />

Während Emily mit den zwei Jüngsten stehen blieb, rannten Harry,<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> ihrem Onkel nach. Ein etwas verwirrt aussehender<br />

alter Mann mit kurzen grauen Haaren stand beim Schalter <strong>und</strong> empfing<br />

die vier nicht gerade freudestrahlend. Vor den vieren stand außerdem<br />

ein großer, stark aussehender, wenn auch in die Jahre gekommener<br />

Mann. Als Dudley ihn fragend anblickte, deutete er ihm,<br />

<strong>das</strong>s sie ruhig vorgehen konnten, denn er selbst wollte keine Information,<br />

sondern würde nur auf jemanden warten.<br />

„Guten Tag“, begrüßte Dudley den alten Mitarbeiter des Bahnh<strong>of</strong>es.<br />

„Könnten Sie uns vielleicht sagen, wo wir – ähm – <strong>das</strong> Gleis<br />

neun dreiviertel finden?“<br />

Der alte Mann legte seine Stirn in Falten.<br />

„Macht es Ihnen Spaß einen armen, unterbezahlten, alten Mann zu<br />

verspotten? Sie sind heute schon der dritte, der <strong>das</strong> fragt <strong>und</strong> ich sehe<br />

nicht ein, warum die Leute so einen Spaß daran haben, mich nach<br />

einem dreiviertel Bahngleis zu fragen. Also verschwinden Sie <strong>und</strong><br />

83


machen sie Platz für normale Menschen“, sagte er, schnaubend vor<br />

Wut.<br />

„Psst“, machte der Mann, der ihnen gerade den Vortritt gelassen<br />

hatte.<br />

Er zog den verwirrten Dudley, der noch immer ungläubig den alten<br />

Mann hinter dem Schalter musterte, am Ellbogen zu sich <strong>und</strong> ein<br />

Stückchen weg von der Infostelle. Harry, <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> folgten ihrem<br />

Onkel.<br />

„Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Savage“, begann der<br />

Fremde. „Ich bin ein vom britischen Ministerium ausgebildeter Auror,<br />

aber heute spiele ich Wegweiser für die neuen Schüler hier! Bitte<br />

gehen Sie einfach geradewegs durch die Absperrung zwischen<br />

Bahngleis neun <strong>und</strong> zehn <strong>und</strong> bleiben Sie nicht stehen. Sehen sie da,<br />

da geht gerade jemand durch!“<br />

Er zeigte auf einen blonden, kleinen Jungen, der gefolgt von einem<br />

blonden Mann <strong>und</strong> einer rothaarigen Frau direkt durch die Absperrung<br />

trat <strong>und</strong> verschwand.<br />

„Danke“, meinte Dudley <strong>und</strong> der Wegweiser namens Savage nickte<br />

fre<strong>und</strong>lich, wenn auch nicht gerade glücklich wirkend.<br />

Dudley warf dem alten Mann hinter dem Schalter noch einen entschuldigenden<br />

Blick zu, doch dieser wandte nur sein Gesicht von<br />

ihnen ab.<br />

„Auf Wiedersehen“, verabschiedeten sich auch die Kinder von Savage.<br />

„Viel Spaß in der Schule“, meinte er. „Wiedersehen!“<br />

Die vier traten weg von ihm <strong>und</strong> nahmen wieder ihre Rollwagen an<br />

sich. Dudley erklärte seiner Frau schnell, wie sie es anstellen musste,<br />

auf <strong>das</strong> gewünschte Bahngleis zu kommen, <strong>und</strong> diese nickte ein wenig<br />

verwirrt.<br />

„Okay, ich versuche mein Glück als erster“, meinte Dudley.<br />

Er blickte sich um, ob auch wirklich niemand auf ihn schaute <strong>und</strong><br />

ging dann direkt, mit schnellem Schritt, auf die Absperrung zu. <strong>Lily</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Dora</strong> blickten ihm erstaunt hinterher, solange, bis er verschwun-<br />

84


den zu sein schien. Harry war der nächste, der, einen Rollwagen vor<br />

sich herschiebend, auf die Absperrung zuging, <strong>und</strong> genau wie auch<br />

sein Vater war er schnell verschw<strong>und</strong>en.<br />

Dann machten sich <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> gemeinsam auf den Weg. Sie<br />

gaben sich die Hand liefen auf die Absperrung zu, bereit zum Aufprall,<br />

auch wenn sie gerade gesehen hatten, <strong>das</strong>s die anderen einfach<br />

so durchgeschlüpft waren.<br />

Als sie bei der Absperrung ankamen, wurde plötzlich alles schwarz<br />

um sie <strong>und</strong> den Bruchteil einer Sek<strong>und</strong>e später war wieder Tageslicht<br />

<strong>und</strong> eine rote Dampflok zu sehen. H<strong>und</strong>erte von Leuten standen<br />

um sie herum, Kinder <strong>und</strong> Jugendliche streckten ihre Köpfe aus den<br />

Fenstern heraus, um sich von ihren Eltern zu verabschieden. Kessel<br />

<strong>und</strong> Eulen waren auf diesem Gleis alles andere als eine Seltenheit<br />

<strong>und</strong> manche Leute schauten mehr als nur komisch aus, in ihren bunt<br />

zusammen gewürfelten Kleidern. Eine Frau, bekleidet mit einem<br />

Minirock <strong>und</strong> darunter einer Hose, die aussah, als würde sie eher für<br />

Skiurlaube gedacht sein, winkte einem Mädchen zu, welches seine<br />

Hand aus dem Zug streckte <strong>und</strong> seine Mutter ein letztes Mal anlächelte,<br />

bevor es sich zurückzog.<br />

„Also, alle da?“, fragte Dudley.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> blickten sich um. Tatsächlich war auch Emily, gemeinsam<br />

mit den zwei Kleinsten, durch die Absperrung getreten.<br />

Harry unterhielt sich mit einem Jungen, der auch elf Jahre alt sein<br />

dürfte <strong>und</strong> anscheinend auch Muggeleltern hatte. Sie redeten darüber,<br />

wie ihr Brief mit der Einladung nach Hogwarts gekommen<br />

war.<br />

„Kommst du mit in mein Abteil?“, fragte der fremde Junge mit den<br />

dunklen Haaren.<br />

Er war sogar noch ein paar Zentimeter größer als Harry, wenn auch<br />

nicht so muskulös gebaut. Harry nickte <strong>und</strong> nahm einen Teil seines<br />

Gepäcks, als er dem Jungen in den Zug folgte. Sein neuer Fre<strong>und</strong><br />

nahm den zweiten Teil <strong>und</strong> die Eule <strong>und</strong> half ihm dabei, alles zu<br />

verstauen.<br />

85


Dann tauchte Harry alleine wieder auf, um sich von seinen Eltern<br />

<strong>und</strong> seinen Geschwistern zu verabschieden. Seine Mutter nahm ihn<br />

in den Arm <strong>und</strong> flüsterte ihm etwas zu <strong>und</strong> sein Vater tat <strong>das</strong>selbe.<br />

Ein lauter Pfiff war von der Lokomotive zu hören, was auch <strong>Lily</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Dora</strong> dazu brachte, ihr Gepäck mit der Hilfe von Dudley in den<br />

Zug zu bringen, wo sie es erstmal am Gang stehen ließen. Dann gingen<br />

sie noch mal hinaus, um ‚auf Wiedersehen’ zu sagen.<br />

Sam war inzwischen in Tränen ausgebrochen <strong>und</strong> Emily versuchte<br />

sie zu trösten. Auch James schaute nicht gerade glücklich, aber er<br />

versuchte stark zu bleiben. Schnell, da der Zug jeden Moment abfahren<br />

würde, umarmten sich die Kinder, verabschiedeten sich von Tante<br />

<strong>und</strong> Onkel <strong>und</strong> kletterten dann wieder zurück in den Zug, wo sie<br />

ihnen vom Fenster aus noch ein letztes Mal zuwinkten. Der schrille<br />

Pfiff der Dampflok war ein weiteres Mal zu hören <strong>und</strong> alle, die noch<br />

draußen waren, drängelten sich hinein in den langen Zug. Wenig<br />

später setzte er sich in Bewegung.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> blieben noch kurz am Gang stehen <strong>und</strong> schauten aus<br />

dem Fenster. Ihre Familie wurde immer kleiner <strong>und</strong> schließlich bog<br />

der Zug um eine Kurve <strong>und</strong> ihre Familie war verschw<strong>und</strong>en. Die<br />

meisten Schüler hatten sich inzwischen einen Platz im Zug gesichert<br />

<strong>und</strong> sich in ihre Abteile eingeschlossen. Nur wenige Nachzügler waren<br />

noch auf dem schmalen Gang, darunter die beiden Mädchen.<br />

„Komm, lass uns ein Abteil suchen“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> nickte <strong>und</strong> die beiden schleppten mühsam all ihr Gepäck auf<br />

einmal durch den Gang. Sie wollten die Suche schon beinahe aufgeben,<br />

als sie plötzlich ein leeres Abteil fanden. Die Mädchen öffneten<br />

die Tür <strong>und</strong> traten ein.<br />

„Mann, Glück gehabt, ich glaube, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> <strong>das</strong> letzte freie Abteil<br />

ist!“, stöhnte <strong>Lily</strong>, während sie ihren K<strong>of</strong>fer auf die Gepäckablage<br />

hob.<br />

„Wir waren eben spät dran, nächstes Jahr wissen wir, <strong>das</strong>s wir<br />

schneller sein müssen!“<br />

86


Als sämtliches Gepäck <strong>und</strong> der Käfig mit der Eule sicher verstaut<br />

waren, hatte <strong>Lily</strong> eine Idee. Sie erhob sich von ihrem Platz <strong>und</strong><br />

schloss die Vorhänge, so<strong>das</strong>s niemand vom Gang ins Abteil schauen<br />

konnte.<br />

<strong>Dora</strong> hatte s<strong>of</strong>ort erkannt, was <strong>Lily</strong> vorhatte, <strong>und</strong> holte <strong>das</strong> Päckchen<br />

hervor, <strong>das</strong> sie zu Hause bekommen hatten. Sie setzten sich <strong>und</strong><br />

blickten sich erwartungsvoll an, dann hob <strong>Dora</strong> den Deckel hoch. Sie<br />

konnten einen kleinen <strong>und</strong> einen großen Pergamentzettel erkennen<br />

<strong>und</strong> außerdem noch St<strong>of</strong>f, der silbern glitzerte.<br />

Jedes der Mädchen nahm sich einen Zettel. <strong>Dora</strong> las die Zeilen,<br />

welche auf dem kleineren Pergamentstück geschrieben standen. Es<br />

war die gleiche unordentliche Handschrift, die sie schon daheim in<br />

dem Brief gesehen hatte.<br />

87<br />

Hallo!<br />

Ihr habt die Schachtel also geöffnet. Bitte stellt sicher,<br />

<strong>das</strong>s auch wirklich niemand in der Nähe ist. Wenn ihr<br />

sicher seid, dann lest weiter.<br />

Ich schicke euch zwei nützliche Geschenke. Der Umhang<br />

wird euch in vielen Situationen aus der Patsche helfen.<br />

Verwendet ihn klug <strong>und</strong> passt auf ihn auf.<br />

Außerdem übergebe ich euch noch die Karte des<br />

Rumtreibers. Tippt mit eurem Zauberstab darauf <strong>und</strong><br />

sagt: „Ich schwöre feierlich, <strong>das</strong>s ich ein Tunichtgut<br />

bin!“ Zum Löschen der Karte tippt erneut darauf <strong>und</strong><br />

sagt: „Unheil angerichtet!“<br />

Ich h<strong>of</strong>fe, diese beiden Sachen helfen euch genauso, wie<br />

sie uns einst geholfen haben. Macht keinen Unsinn<br />

damit, sie sind für Notfälle gedacht.<br />

„Was sollen wir mit einem leeren Pergamentblatt anfangen?“, fragte<br />

<strong>Lily</strong>, die <strong>das</strong> Blatt noch immer zwischen ihren Fingern hin- <strong>und</strong> herdrehte,<br />

auf der Suche ob nicht doch etwas darauf stand.


„Das ist nicht leer“, erklärte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> gab ihrer Schwester den<br />

Brief.<br />

Diese nahm ihn an sich, während <strong>Dora</strong> nach ihrem Zauberstab<br />

suchte. Sie hatte ihn noch nicht aus der Schachtel genommen, seit sie<br />

ihn bei Ollivander gekauft hatten, doch jetzt schien die richtige Zeit<br />

dazu zu sein. Sie hielt ihn vorsichtig in die Höhe <strong>und</strong> schaute ihn an,<br />

bevor sie von ihrer Schwester <strong>das</strong> leere Pergamentblatt nahm. Diese<br />

ließ sich nicht davon ablenken, weiterhin den Brief zu lesen.<br />

„Ich schwöre feierlich, <strong>das</strong>s ich ein Tunichtgut bin“, murmelte <strong>Dora</strong>,<br />

als sie mit der Spitze ihres Zauberstabs auf die Karte tippte.<br />

S<strong>of</strong>ort zogen sich feine Striche über <strong>das</strong> gesamte Papier <strong>und</strong> allmählich<br />

ergab es ein kompliziert aussehendes Bild.<br />

„Was machst du da?“, fragte <strong>Lily</strong>, als sie ihre Schwester reden hörte.<br />

Sie legte den Brief zur Seite <strong>und</strong> starrte mit großen Augen auf <strong>das</strong><br />

alte Pergamentblatt. In großen, verschnörkelten Buchstaben stand<br />

jetzt darauf:<br />

DIE HOCHWOHLGEBORENEN HERREN MOONY,<br />

WURMSCHWANZ, TATZE UND KRONE<br />

HILFSMITTEL FÜR DEN MAGISCHEN TUNICHTGUT GMBH<br />

PRÄSENTIEREN STOLZ<br />

DIE KARTE DES RUMTREIBERS<br />

Bei genauerem Betrachten des Blattes konnten die beiden auch erkennen,<br />

<strong>das</strong>s es sich um eine detaillierte Karte eines riesigen Gebäudes<br />

handeln musste.<br />

„Was ist <strong>das</strong> hier?“<br />

<strong>Lily</strong> deutete mit ihrem Finger auf einen der wenigen kleinen, sich<br />

bewegenden Punkt. Darüber war der Name ‚Hermine Granger’ zu<br />

lesen. Der Punkt bewegte sich gerade zwischen zwei Abschnitten der<br />

Karte, die wahrscheinlich zwei Räume darstellten, hin <strong>und</strong> her. Ein<br />

zweiter Punkt verkündete den Namen ‚Argus Filch’ <strong>und</strong> ein dritter<br />

88


‚Mrs. Norris’. Diese beiden Punkte bewegten sich über etwas, <strong>das</strong><br />

wahrscheinlich langen Flur darstellen sollte. Mehr Punkte waren darauf<br />

nicht zu sehen.<br />

„Glaubst du, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> <strong>das</strong> Schulgebäude ist?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

<strong>Lily</strong> nickte heftig.<br />

„Und <strong>das</strong> die Leute, die sich dort befinden?“<br />

Wieder nickte ihre Schwester.<br />

„Könnte hilfreich sein“, meinte sie. „Aber jetzt bringt sie uns noch<br />

nicht viel, da wir ja noch nicht dort sind. Lass uns den Umhang anschauen!“<br />

<strong>Dora</strong> stimmte ihrer Schwester zu, tippte mit ihrem Zauberstab erneut<br />

auf die Karte <strong>und</strong> murmelte: „Unheil angerichtet!“<br />

Augenblicklich war die Karte wieder leer <strong>und</strong> nur ein altes, ausgeblichenes<br />

Blatt Pergament blieb zurück. <strong>Dora</strong> nahm den silbrigen<br />

Umhang aus der Schachtel <strong>und</strong> tauschte ihn mit der Karte aus, welche<br />

sie vorsichtig hineinlegte.<br />

„Und was sollen wir mit dem?“, fragte <strong>Lily</strong>. „Besonders hübsch ist<br />

er ja nicht! Gib mal her!“<br />

Sie nahm ihrer Schwester <strong>das</strong> silberne Teil aus der Hand <strong>und</strong> faltete<br />

es vorsichtig auseinander, bevor sie es sich über die Schultern<br />

warf. <strong>Dora</strong> verschlug es fast die Sprache. Der Kopf ihrer Schwester<br />

schwebte körperlos in der Luft.<br />

„Was ist?“, fragte diese <strong>und</strong> als <strong>Dora</strong> sprachlos dorthin zeigte, wo<br />

eigentlich <strong>Lily</strong>s Körper sein musste, blickte sie an sich hinab <strong>und</strong><br />

zuckte zusammen.<br />

„Wo ist…“<br />

Sie griff mit ihren unsichtbaren Händen dorthin, wo eigentlich ihr<br />

Bauch sein musste, <strong>und</strong> sie war sichtlich froh darüber, als sie spürte,<br />

<strong>das</strong>s er noch da war. Dann nahm sie sich den Umhang schnell wieder<br />

ab <strong>und</strong> schon stand sie wieder ganz vor ihrer Schwester.<br />

„Hat der mich unsichtbar gemacht?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ich schätze schon“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

89


Sie stand auf <strong>und</strong> nahm den Umhang an sich, zog ihn sich selbst<br />

über <strong>und</strong> schon war auch ihr Körper verschw<strong>und</strong>en. Dann zog sie ihn<br />

sich auch noch über den Kopf.<br />

„Wow, du bist komplett verschw<strong>und</strong>en“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> kam wieder unter dem Umhang hervor <strong>und</strong> hielt ihn triumphierend<br />

hoch.<br />

„Ich denke, der könnte uns wirklich mal nützlich sein, oder? Einfach<br />

so verschwinden zu können hat schon was!“, sagte <strong>Lily</strong>.<br />

„Aber wir sollten vorsichtig sein. Wir wissen immer noch nicht,<br />

wer uns diese beiden Sachen geschickt hat <strong>und</strong> vor allem warum gerade<br />

wir sie bekommen haben!“<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Hier steht auch nirgendwo ein Name, oder?“, fragte sie.<br />

Die beiden Mädchen stopften den Umhang zurück in die Schachtel<br />

<strong>und</strong> blickten noch mal den Brief <strong>und</strong> alle anderen Zettel durch, die<br />

bei dem außergewöhnlichen Geschenk zu finden gewesen waren,<br />

doch nirgendwo war auch nur die kleinste Andeutung, von wem die<br />

Sachen sein konnten.<br />

„Nein. Ich würde es aber zu gerne wissen. Uns kennt doch kein<br />

Zauberer mit Ausnahme der paar, die wir in der Winkelgasse getr<strong>of</strong>fen<br />

haben. Aber wer könnte uns dann so etwas schicken?“, fragte<br />

<strong>Dora</strong>.<br />

<strong>Lily</strong> zuckte mit ihren Schultern <strong>und</strong> musterte die beiden Gegenstände<br />

in der Schachtel, als es plötzlich an der Tür ihres Abteils klopfte.<br />

<strong>Dora</strong> schloss schnell die Schachtel <strong>und</strong> schob sie unter den Sitz,<br />

während <strong>Lily</strong> die Vorhänge öffnete. Zwei Jungs standen vor dem<br />

Fenster <strong>und</strong> winkten. <strong>Lily</strong> öffnete die Tür.<br />

„Können wir uns vielleicht hier rein setzen? Sonst sind keine Plätze<br />

mehr frei!“, sagte der etwas größere, dunkelhaarige Junge.<br />

Neben ihm stand noch ein Zweiter, etwas kleinerer, mit blonden<br />

Haaren. Die Zwillinge schien er aber trotzdem immer noch um mindestens<br />

einen halben Kopf zu überragen.<br />

90


<strong>Lily</strong> nickte <strong>und</strong> ließ die beiden zu ihnen ins Abteil, bevor sie die<br />

Tür wieder schloss.<br />

„Danke“, bedankten sich beide Jungen bei den Zwillingen.<br />

Diese lächelten nur.<br />

„Hallo, ich bin Ted. Ted Lupin“, sagte der größere der beiden.<br />

„Und ich bin Scott Mason!“, antwortete der blonde.<br />

Er hatte große, blaue Augen <strong>und</strong> starrte schüchtern um sich. Die<br />

Mädchen musterten die beiden genau, bevor sie antworteten.<br />

„Ich bin <strong>Lily</strong> Dursley <strong>und</strong>…“<br />

„… ich bin <strong>Dora</strong>“, vollendete <strong>Dora</strong> den Satz.<br />

„Oh man, ihr seht euch ja ähnlich“, meinte Ted. „Kann man euch<br />

irgendwie auseinander halten?“<br />

Die Zwillinge schüttelten den Kopf.<br />

„Bis jetzt hat es noch keiner geschafft“, sagten sie gleichzeitig.<br />

Die Jungs begannen zu lachen.<br />

„Okay, dann werden wir ein Problem kriegen“, sagte Ted. „Seid<br />

ihr <strong>das</strong> erste Jahr hier?“<br />

„Ja“, antwortete <strong>Lily</strong>. „Ihr auch?“<br />

Beide Jungs nickten.<br />

„In welches Haus würdet ihr gerne kommen? Ich will auf keinen<br />

Fall nach Slytherin!“<br />

„Ja, ich will da auch nicht hin“, antwortete Scott.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> hatten keine Ahnung, von was Ted überhaupt<br />

sprach. Slytherin? Was war denn <strong>das</strong> schon wieder? Und warum<br />

wollten sie nicht in ein Haus mit diesem Namen?<br />

„Was ist Slytherin?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Ihr stammt von Muggeln ab?“, fragte Ted.<br />

„Keine Ahnung, wir wurden aber von welchen adoptiert“, sagte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ach so. Okay, dann erklär ich euch <strong>das</strong> mal“, meinte Ted. „Es<br />

gibt in Hogwarts vier Häuser. Sie werden Gryffindor, Ravenclaw,<br />

Hufflepuff <strong>und</strong> Slytherin genannt. Also es sind keine richtigen Häuser,<br />

aber auf jeden Fall werden die Schüler in vier Gruppen, auch<br />

91


Häuser genannt, aufgeteilt. Jedes Haus hat einen eigenen Gemeinschaftsraum<br />

<strong>und</strong> eigene Schlafräume.“<br />

„Und warum wollt ihr nicht in dieses Slytherin?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Na ja, es gibt <strong>das</strong> Gerücht, <strong>das</strong> ein Großteil aller Zauberer, die<br />

jemals böse geworden ist, nach Slytherin gekommen ist“, meldete<br />

sich jetzt auch Scott zu Wort. „Mein Dad war früher dort <strong>und</strong> ich<br />

h<strong>of</strong>fe, <strong>das</strong>s ich jetzt nicht auch hinmuss.“<br />

„Meiner war in Gryffindor“, sagte Ted. „Ich will auch dort hin.<br />

Nach Gryffindor kommen nur diejenigen, die Mut im Namen tragen“,<br />

erzählte er stolz. „Er hätte sich gefreut, wenn er sehen würde,<br />

<strong>das</strong>s ich auch dahin komme!“<br />

Ted blickte etwas traurig in die R<strong>und</strong>e. Keiner der anderen schien<br />

zu wissen warum <strong>und</strong> so redete er einfach weiter.<br />

„Und, wie ist es so, bei Muggeln aufzuwachsen?“, fragte er. „Ich<br />

kenne da jemanden, der würde sich nichts sehnlicher wünschen, als<br />

mal einen Monat bei Muggeln zu leben!“<br />

Ted schüttelte den Kopf.<br />

„Na ja, es ist normal“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

„Normal? Das ich nicht lache! Ich habe diese Leute kommen sehen<br />

mit diesen Autos <strong>und</strong> ich habe gehört, <strong>das</strong>s sie Post von Menschen<br />

überliefern lassen. Stimmt <strong>das</strong>?“<br />

<strong>Lily</strong> nickte, während sich <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Scott aufgr<strong>und</strong> dieser ach so<br />

sinnvollen Unterhaltung stumm anblickten.<br />

„Ja, <strong>das</strong> stimmt. Im Vergleich zum Versenden von Post mit Eulen<br />

ist <strong>das</strong> doch sehr normal! Benutzen Zauberer keine Autos?“<br />

„Wir <strong>und</strong> Autos? Nein, wie kommst du darauf? Meine Großmutter<br />

kann zaubern. Überhaupt alle in meinem Haushalt können <strong>das</strong>. Nur<br />

die kleinen Kinder nicht! Für was sollten wir da Autos brauchen?<br />

Wir benutzen Flohpulver oder Portschlüssel. Die Erwachsenen apparieren<br />

einfach.“<br />

<strong>Lily</strong> blickte ihren Gesprächspartner mit gerunzelter Stirn an. Portschlüssel<br />

oder Flohpulver. Letzteres hörte sich eher nach einem Ungeziefervernichtungsmittel<br />

an.<br />

92


„Was sind <strong>das</strong> für Dinge?“, fragte sie.<br />

„Ach ja, tut mir leid. Ich vergesse es immer wieder!“, sagte Ted lächelnd.<br />

„Also Flohpulver streut man in die Flammen eines Kamins.<br />

Also nicht irgendein Kamin, sondern einen, der mit dem Flohnetzwerk<br />

verb<strong>und</strong>en ist. Dann werden die Flammen grün <strong>und</strong> man muss<br />

nur noch sagen, wo man hin will <strong>und</strong> schon ist man da. Portschlüssel<br />

sind verzauberte Gegenstände, die einen an den Zielort bringen <strong>und</strong><br />

Zauberer die apparieren können, lösen sich einfach so in Luft auf<br />

<strong>und</strong> kommen auf einer anderen Stelle wieder an!“<br />

„Also ich bevorzuge Autos <strong>und</strong> Flugzeuge“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

„Sind <strong>das</strong> nicht die Dinger, mit denen man fliegen kann?“, fragte<br />

Ted <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> nickte. „Also wir nehmen dafür Besen, <strong>das</strong> ist doch<br />

viel cooler!“<br />

„Ja, mit Besen fliegen. Wir haben Plakate davon in einem Schaufenster<br />

gesehen. So etwas Verrücktes. Vielleicht kannst du uns ja die<br />

Frage beantworten. Harry, also unser Adoptivbruder meint, <strong>das</strong>s es<br />

doch mit Staubsaugern viel schneller gehen müsste. Stimmt <strong>das</strong>?“<br />

Ted musterte sie mit zusammengekniffenen Augen.<br />

„Staub- was?“, fragte er.<br />

„Staubsauger sind Maschinen, mit denen man Staub wegmachen<br />

kann“, erklärte Scott grinsend.<br />

„Und von wo weißt du <strong>das</strong>?“, fragte Ted misstrauisch.<br />

„Meine Mutter ist Muggel“, meinte Scott gleichgültig.<br />

„Heißt <strong>das</strong>, ihr kennt euch gar nicht?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Nein, wir haben uns gerade erst im Gang getr<strong>of</strong>fen <strong>und</strong> festgestellt,<br />

<strong>das</strong>s wir beide im ersten Jahr sein werden. So haben wir uns<br />

zusammengetan, weil wir sonst keinen kennen“, meinte Ted. „So,<br />

aber jetzt wieder zu diesen Dreckschluckern oder was auch immer.<br />

Warum sollte man damit fliegen können?“<br />

Ted schaute <strong>Lily</strong> fragend an.<br />

„Ganz einfach. Mit Besen braucht man lange, bis man einen Raum<br />

sauber gemacht hat <strong>und</strong> mit einem Staubsauger nicht so lange. Das<br />

93


müsste doch logischerweise bedeuten, <strong>das</strong>s man mit einem Staubsauger<br />

auch schneller fliegen kann, oder?“<br />

„Ihr benutzt Besen zum Saubermachen?“, fragte Ted verunsichert.<br />

„Ja klar, was sonst?“<br />

<strong>Lily</strong> schüttelte den Kopf aufgr<strong>und</strong> dieser sinnlosen Frage.<br />

„Man, ich weiß zwar, <strong>das</strong>s Muggel manchmal komisch drauf sind,<br />

aber <strong>das</strong>s sie Besen zum Saubermachen benutzen habe ich nicht gewusst.<br />

Wir fliegen nur mit ihnen. Aber ja, ich weiß, <strong>das</strong>s Besen eigentlich<br />

von Muggeln stammen. Vielleicht wurden sie auch schon<br />

früher zum Staubkehren benutzt, bevor sie die Zauberer für sich entdeckt<br />

haben. Das wäre eine Erklärung.“<br />

Ted schien sichtlich zufrieden mit seiner schlauen Erkenntnis zu<br />

sein. Scott verdrehte die Augen <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> musste Lachen.<br />

„Und warum können dann Staubsauger nicht fliegen?“, fragte <strong>Lily</strong><br />

neugierig.<br />

Sie schien Gefallen an dieser Unterhaltung gef<strong>und</strong>en zu haben,<br />

auch wenn <strong>Dora</strong> den Sinn noch immer nicht erkennen konnte.<br />

„Werden die mit diesem Ding da betrieben… Lass mich überlegen.<br />

Diese komische Energie da, die aus diesen Dingern an der Wand<br />

kommt…“<br />

Ted überlegte eine Weile.<br />

„Meinst du Strom?“, fragte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> wandte sich wieder von den<br />

beiden ab.<br />

„Strom? Ja ja, genau <strong>das</strong> ist es. Also werden die damit betrieben?“<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Ach, okay, dann kannst du nicht damit fliegen. Dieser Strom <strong>und</strong><br />

Magie vertragen sich nicht.“<br />

„Heißt <strong>das</strong>, ihr benutzt keinen Strom?“<br />

<strong>Lily</strong> konnte sich ein Leben ohne ihn gar nicht vorstellen. Es musste<br />

stockfinster sein in der Nacht <strong>und</strong> mit was brachten die Zauberer<br />

dann Fernseher <strong>und</strong> Computer zum Laufen?<br />

„Nein, natürlich nicht“, antwortete Ted. „Alles, was Energie<br />

braucht, wird durch Zauberei versorgt.“<br />

94


<strong>Lily</strong> nickte nicht sehr überzeugt.<br />

„Also ihr reist mit Ungeziefervernichtern <strong>und</strong> auf Besen. Ist es<br />

dann nicht komisch, in so einem Muggelding wie einem Zug zu sitzen?“,<br />

fragte sie.<br />

„Na ja, eigentlich schon. Normalerweise legen wir solche Entfernungen<br />

nicht auf diese Art <strong>und</strong> Weise zurück, weil es anders doch<br />

viel schneller geht. Eigentlich habe ich keine Ahnung, warum sie uns<br />

nicht einfach über <strong>das</strong> Flohnetzwerk oder mit Portschlüsseln in die<br />

Schule lassen, aber ich denke mal, <strong>das</strong>s es wegen der Kinder von<br />

Muggeln ist, die sonst nie nach Hogwarts kommen würden. Aber<br />

sind ja nur an die neun oder zehn St<strong>und</strong>en Unterschied, also von<br />

dem…“<br />

„Wir fahren neun oder zehn St<strong>und</strong>en?“, unterbrach <strong>Lily</strong> Ted.<br />

„Ja, laut meiner Großmutter schon“, antwortete dieser.<br />

„Na <strong>das</strong> kann ja noch heiter werden“, murmelte <strong>Lily</strong>. „Okay, dann<br />

erzähl weiter, wir müssen ja wissen, auf was wir uns hier… Hey<br />

Harry!“<br />

<strong>Lily</strong> sprang auf <strong>und</strong> machte die Tür auf, weil sie Harry gerade<br />

draußen vorbeigehen sah. Er drehte sich um <strong>und</strong> kam zurück.<br />

„Hallo“, grüßte er seine Cousine.<br />

Sie setzte sich wieder, während Harry in der Tür stehen blieb. Der<br />

Junge von vorhin stellte sich hinter ihn <strong>und</strong> wartete.<br />

„Das ist übrigens Matthew Cauldwell“, sagte er <strong>und</strong> zeigte auf den<br />

Jungen hinter ihm. „Er ist der jüngste aus seiner Familie. Seine Eltern<br />

sind Zauberer <strong>und</strong> alle seine Geschwister waren auch schon in<br />

Hogwarts.“<br />

Matthew nickte den Zwillingen <strong>und</strong> auch den beiden Jungs fre<strong>und</strong>lich<br />

zu.<br />

„Und <strong>das</strong> sind Ted <strong>und</strong> Scott“, erklärte <strong>Lily</strong>. „Ted hat uns übrigens<br />

erklärt, <strong>das</strong>s man nicht mit Staubsaugern fliegen kann.“<br />

Harry schaute etwas enttäuscht.<br />

„Nicht?“, fragte er.<br />

Ted schüttelte den Kopf.<br />

95


„Nein, tut mir Leid, unmöglich. Allerdings könntest du einen<br />

Staubsauger erfinden, der nicht mit diesem Strom-Dingsda betrieben<br />

wird, dann müsste sich mit einem Zauber da was machen lassen…“<br />

„Ich kann ja noch nicht mal irgendetwas herzaubern“, murmelte<br />

Harry.<br />

„Keine Sorge Kumpel, deswegen sind wir ja hier!“<br />

Matthew klopfte ihm auf die Schulter <strong>und</strong> Harry wandte sich um.<br />

„Ihr bekommt Besuch! Ich komme später dann noch mal vorbei“,<br />

verabschiedete sich Harry nach einem Blick nach rechts.<br />

„Was? Wer…“, wollte <strong>Lily</strong> fragen, doch Harry war bereits verschw<strong>und</strong>en.<br />

Augenblicke später kam eine ältere Hexe mit einem Wagen den<br />

Flur entlang <strong>und</strong> ins Abteil der Zwillinge. Der Wagen schien voll<br />

beladen mit Süßigkeiten zu sein, welche die Zwillinge nicht kannten.<br />

Manche davon bewegten sich sogar.<br />

„Lust auf Süßigkeiten?“, fragte die Dame.<br />

„Was gibt’s denn alles?“<br />

<strong>Lily</strong> schaute die verschiedenen Dinge misstrauisch an.<br />

„Ah, noch nie Süßigkeiten von Zauberern gegessen?“, fragte sie<br />

<strong>und</strong> die Zwillinge nickten. „Es gibt Bertie Botts Bohnen in allen Geschmacksrichtungen,<br />

Bubbels Besten Blaskaugummi, Eismäuse,<br />

Gummischnecken, Schok<strong>of</strong>rösche, Kürbispasteten, Kesselkuchen,<br />

Lakritz-Zauberstäbe, Pfefferkobolde, Zischende Wissbies, Zucker-<br />

Federhalter, Zuckerwattefliegen, Schluckaufdrops, Schokokugeln,<br />

…“<br />

„Und was schmeckt gut davon?“, fragte <strong>Lily</strong> an Scott <strong>und</strong> Ted gewandt.<br />

„Hhm“, machte Ted. „Ich würde euch Bertie Botts Bohnen in allen<br />

Geschmacksrichtungen, den Blaskaugummi, die Kesselkuchen <strong>und</strong><br />

die Zucker-Federhalter empfehlen. Die zischenden Wissbies <strong>und</strong> die<br />

Eismäuse sind zwar lecker, aber sie haben komische Nachwirkungen…<br />

Außerdem kann man Schok<strong>of</strong>roschkarten sammeln, also<br />

nehmt euch welche von diesen!“<br />

96


<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> überlegten, während Ted <strong>und</strong> Scott kräftig zulangten.<br />

Genau wie die Jungs auch, nahmen sie sich ein paar Kesselkuchen,<br />

ein paar Zucker-Federhalter <strong>und</strong> Schok<strong>of</strong>rösche. Nachdem sich<br />

die Verkäuferin bedankt <strong>und</strong> verabschiedet hatte, verließ sie <strong>das</strong> Abteil<br />

wieder.<br />

Während die Zwillinge an einem der Kesselkuchen kauten, streckte<br />

Ted seine Hand aus, in der er eine kleine Papiertüte hielt.<br />

„Was ist <strong>das</strong>?“, fragte <strong>Lily</strong> misstrauisch.<br />

„Bertie Botts Bohnen in allen Geschmacksrichtungen“, meinte Ted<br />

lachend. „Nehmt euch ein paar, ich habe genug!“<br />

Jeder von den Zwillingen nahm sich eine Bohne heraus. <strong>Lily</strong> erwischte<br />

eine rote <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> eine weiße. Bevor sie sie sich in den<br />

M<strong>und</strong> steckten, ergriff jedoch Scott <strong>das</strong> Wort.<br />

„Seid vorsichtig!“, warnte er die Zwillinge <strong>und</strong> warf Ted einen<br />

finsteren Blick zu. „Das ist gemein von dir, die wissen ja gar nicht,<br />

auf was sie sich da einlassen!“<br />

Ted grinste unschuldig, während sich Scott wieder an die Zwillinge<br />

wandte.<br />

„Steckt sie nicht ganz in den M<strong>und</strong>, kostet sie nur. Es handelt sich<br />

bei diesen Bohnen nämlich wirklich um alle Geschmacksrichtungen!<br />

Die Farbe zeigt, um was es sich handeln könnte“, sagte er, während<br />

er auf die Bohnen der Mädchen blickte. „Deine könnte also entweder<br />

nach Erdbeere oder aber auch nach Blut schmecken!“<br />

Er zeigte auf die rote Bohne in <strong>Lily</strong>s Hand. Diese blickte angewidert<br />

darauf.<br />

„Und was könnte meine sein?“<br />

Scott überlegte, während er auf die weiße Bohne von <strong>Dora</strong> blickte.<br />

„Keine Ahnung. Vielleicht Schnee oder Gänseblümchen oder Käse…<br />

Könnte aber auch einfach Zucker oder Salz sein!“<br />

„Mann, du musst auch wirklich jeden Spaß verderben“, meinte<br />

Ted.<br />

97


Scott <strong>und</strong> die Mädchen lachten. <strong>Lily</strong> war die erste, die sich traute,<br />

ihre Bohne mit der Zunge zu berühren um sicher zu gehen, <strong>das</strong>s es<br />

sich um etwas Genießbares handelte.<br />

„Rote Rüben würde ich sagen“, meinte sie <strong>und</strong> steckte sich die<br />

Bohne ganz in den M<strong>und</strong>.<br />

Die anderen schauten sie angewidert an.<br />

„Was? Ich mag rote Rüben!“<br />

Alle im Abteil begannen zu lachen, dann versuchte <strong>Dora</strong> ihr Glück.<br />

„Du hattest Recht“, meinte sie an Scott gewandt, „es ist Salz!“<br />

Sie stand auf, öffnete <strong>das</strong> Fenster einen Finger breit <strong>und</strong> schon flog<br />

die Bohne davon.<br />

„Schaut nicht so, ich esse ja nicht alles“, meinte sie.<br />

Auch Ted <strong>und</strong> Scott aßen noch ein paar der Bohnen, wobei sie<br />

doch tatsächlich Schokolade <strong>und</strong> Himbeergeschmack erwischten.<br />

Erst als Ted sich die zweite in den M<strong>und</strong> steckte <strong>und</strong> daraufhin ein<br />

komisches Gesicht machte <strong>und</strong> die Bohne wieder ausspukte, steckten<br />

sie die Bohnen weg. Es hatte sich herausgestellt, <strong>das</strong>s er scharfen<br />

Pfeffer gewählt hatte.<br />

„Gehört dir schon“, meinte <strong>Lily</strong> schadenfroh.<br />

Sie versuchte den Geschmack der roten Rüben, der nun doch nicht<br />

so gut gewesen war, durch den eines Schok<strong>of</strong>rosches zu überdecken.<br />

Als sie gerade die Schokolade aß, fiel ihr die Karte im Inneren der<br />

Verpackung auf. Sie nahm sie heraus <strong>und</strong> betrachtete sie. Auf der<br />

Vorderseite stand ‚Thaddeus Thurkell’ <strong>und</strong> ein Bild von einem Zauberer,<br />

der sieben Igel mit sich trug, war zu sehen. Er versuchte<br />

krampfhaft alle Tiere festzuhalten, damit ihm nicht eines entwischen<br />

konnte. Die Igel waren damit allerdings gar nicht so einverstanden<br />

<strong>und</strong> versuchten ihm zu entkommen.<br />

<strong>Lily</strong> lachte <strong>und</strong> drehte die Karte um <strong>und</strong> las den Text, der den Zauberer<br />

auf der Vorderseite beschrieb.<br />

Thaddeus Thurkell hatte sieben Söhne, die sich allesamt<br />

als Squibs erwiesen. Enttäuscht <strong>und</strong> entnervt von seinem<br />

98


99<br />

Schicksal verwandelte er seine ‚missratenen’ Söhne in<br />

Igel.<br />

„Was sind Squibs?“, fragte <strong>Lily</strong>, als sie zu Ende gelesen hatte.<br />

„Ach, die sind sozusagen <strong>das</strong> Gegenteil von Zauberern mit Muggeleltern“,<br />

erklärte Ted. „Squibs sind Kinder von Zauberern, bei denen<br />

sich allerdings herausstellt, <strong>das</strong>s sie keine wirklichen Zauberkräfte<br />

besitzen. Der Hausmeister von Hogwarts ist angeblich ein Squib.<br />

Wen hast du da?“, fügte er hinzu, als er die Schok<strong>of</strong>roschkarte in<br />

<strong>Lily</strong>s Hand sah.<br />

„Thaddeus Thurkell“, antwortete sie.<br />

„Ach der… den hab ich drei Mal“, antwortete Ted. „Der ist nicht<br />

wirklich selten. Ein komischer Kauz. Verwandelt seine Kinder in<br />

Igel, nur weil diese nicht zaubern können <strong>und</strong> dafür drucken sie ihn<br />

dann auch noch auf Schok<strong>of</strong>roschkarten… Da könnte doch wirklich<br />

jeder berühmt werden!“<br />

„Stimmt“, antwortete <strong>Lily</strong>. „Sind da lauter berühmte Leute drauf?“<br />

„Oja, nur die Berühmtesten. Deshalb weiß ich auch nicht, was der<br />

dabei zu suchen hat.“<br />

Ted kramte etwas aus seiner Hosentasche. Es war eine kleine Box,<br />

die er vorsichtig öffnete.<br />

„Hier sind meine. Ich habe natürlich mehr, aber die anderen sind<br />

doppelt <strong>und</strong> die benutze ich zum Tauschen!“<br />

<strong>Lily</strong> beugte sich etwas zu Ted hinüber <strong>und</strong> betrachtete die Karten<br />

genau. Es war schwer zu schätzen, wie viele verschiedene es waren,<br />

aber sicher über zweih<strong>und</strong>ert.<br />

„Hier. Das ist Albus Dumbledore! Er war der Schulleiter von meinem<br />

Dad <strong>und</strong> meiner Mum. Einer der besten Zauberer aller Zeiten<br />

<strong>und</strong> der beste <strong>und</strong> beliebteste Schulleiter überhaupt!“, erklärte er.<br />

„Und <strong>das</strong> hier, <strong>das</strong> ist Godric Gryffindor! Er ist einer der vier Gründer<br />

von Hogwarts <strong>und</strong> von ihm stammt <strong>das</strong> Haus Gryffindor. Ich habe<br />

auch noch die anderen drei. Helga Hufflepuff, Rowena Rawenclaw<br />

<strong>und</strong> Salazar Slytherin.“


Während Ted <strong>Lily</strong> weiterhin die berühmten Persönlichkeiten auf<br />

den Karten vorstellte, starrten <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Scott aus dem Fenster. Sie<br />

kamen vorbei an Bergen <strong>und</strong> Bäumen, Wiesen <strong>und</strong> Feldern. Die<br />

Sonne, die eben noch hoch am Himmel gestanden hatte, senkte sich<br />

inzwischen ein wenig <strong>und</strong> ab <strong>und</strong> zu kam es <strong>Dora</strong> so vor, als könnte<br />

sie schon etwas Rötliches am Himmel erkennen. Waren sie schon so<br />

lange unterwegs?<br />

Während sie den Himmel beobachtete, griff sie manchmal in die<br />

Tüte mit den Süßigkeiten, wo sie diesmal ebenfalls einen Schok<strong>of</strong>rosch<br />

herausholte <strong>und</strong> ihn in Gedanken versunken aus seiner Verpackung<br />

befreite.<br />

100


101<br />

Harry Potter <strong>und</strong> blaue Zauberstab<br />

„Wen hast du… wow“, hörte <strong>Dora</strong> Scott sagen, als sie noch immer<br />

der langsam untergehenden Sonne zusah.<br />

Sie hatte gerade darüber nachgedacht, ob sie wohl morgen schon<br />

Unterricht haben würden <strong>und</strong> ob sie gleich mit dem Zaubern beginnen<br />

oder erst ein paar theoretische Tage oder Wochen einlegen würden.<br />

<strong>Dora</strong> drehte sich zu Scott, welcher mit <strong>of</strong>fenem M<strong>und</strong> auf die leere<br />

Verpackung in ihrer Hand starrte.<br />

„Du hast ihn!“, flüsterte er. „Ich suche Harry Potter schon mein<br />

ganzes Leben lang!“<br />

Sie nahm die Karte, die noch halb im Papier des Schok<strong>of</strong>rosches<br />

versteckt war heraus <strong>und</strong> starrte sie an. ‚Harry Potter’ stand in großen<br />

Buchstaben unter einem Bild mit einem schwarzhaarigen Zauberer.<br />

Sein Haar stand in alle Windrichtungen ab <strong>und</strong> er hatte eine Brille<br />

mit r<strong>und</strong>en Brillengläsern. Mal lächelte er aus der Karte <strong>und</strong> ein<br />

wenig später strich er sich seine Haare aus dem Gesicht <strong>und</strong> eine<br />

blitzförmige Narbe auf seiner Stirn war zu erkennen.<br />

„Wer ist <strong>das</strong>?“, fragte <strong>Dora</strong> leise.<br />

Ted <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> diskutierten noch immer über berühmte Zauberer <strong>und</strong><br />

Hexen <strong>und</strong> Ted erklärte ihr gerade, wie eine Hexe namens Gunhilda<br />

von Gorsemoor ein Mittel zur Heilung von Drachenpocken erf<strong>und</strong>en<br />

hatte. <strong>Lily</strong>, die natürlich keine Ahnung hatte, was Drachenpocken<br />

überhaupt waren, fing s<strong>of</strong>ort wieder an Ted mit Fragen darüber zu<br />

bombardieren.<br />

„Du weißt nicht, wer Harry Potter ist? Er ist wohl der berühmteste<br />

Zauberer überhaupt!“, erklärte Scott schüchtern. „Mein Dad ist ein<br />

großer Bew<strong>und</strong>erer von ihm. Harry Potter hat ihm wohl mal <strong>das</strong> Leben<br />

gerettet oder so. Weiß ich aber nicht genau. Auf jeden Fall hat er<br />

den bösesten aller Zauberer nicht nur einmal fertig gemacht. Auf<br />

mysteriöse Weise ist er allerdings vor über einem Jahrzehnt gestorben.“


<strong>Lily</strong> drehte die Schok<strong>of</strong>roschkarte herum <strong>und</strong> las den Text.<br />

Harry Potter (* 31. Juli 1980, am 2. Juli 1998) zwang<br />

Lord Voldemort zum Rückzug, als er nur ein Jahr alt<br />

war. In seinen Jahren in Hogwarts war er ein überaus<br />

guter Quidditch-Spieler, doch <strong>das</strong> ist nichts im Vergleich<br />

zu dem, w<strong>of</strong>ür er berühmt geworden ist. Der Junge, der<br />

den dunklen Lord bereits als Baby stark geschwächt<br />

hatte, besiegte ihn über sechzehn Jahre später auch ein<br />

zweites Mal <strong>und</strong> diesmal für immer in der legendären<br />

Schlacht von Hogwarts. Leider wurde er nur wenige<br />

Wochen nach seinem Triumph tot aufgef<strong>und</strong>en. Harry,<br />

wir danken dir!<br />

„Wer war dieser Lord Voldemort?“, fragte <strong>Dora</strong>, als sie den Absatz<br />

fertig gelesen hatte.<br />

Scott blickte sie mit großen Augen an.<br />

„Lord Voldemort war der größte, dunkle Magier, den es jemals gegeben<br />

hat. Er ermordete gemeinsam mit seinen Gehilfen, die auch<br />

Todesser genannt werden, h<strong>und</strong>erte, wenn nicht sogar tausende von<br />

Leuten auf brutalste Weise. Wenn Harry Potter nicht gewesen wäre,<br />

dann würde er jetzt wohl immer noch leben.“<br />

„Was ist mit Harry Potter?“, fragte plötzlich Ted.<br />

Er beugte sich, genau wie <strong>Lily</strong>, näher zu Scott <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>, welche<br />

sich noch immer gedämpft unterhielten.<br />

„<strong>Dora</strong> hat die 'Harry Potter'-Schok<strong>of</strong>roschkarte!“, antwortete Scott.<br />

Ted machte große Augen.<br />

„Du hast Harry Potter? Nicht dein Ernst! Zeig mal her!“<br />

Er nahm die Karte an sich, die <strong>Dora</strong> ihm entgegenstreckte <strong>und</strong><br />

musterte sie mit unverkennbarem Verlangen.<br />

„Wow, die ist so was von selten!“, erklärte er. „Ich suche die schon<br />

seit Ewigkeiten. Du willst sie nicht zufällig tauschen?“<br />

<strong>Lily</strong> schüttelte den Kopf für ihre Schwester.<br />

102


„Wenn die so selten ist, dann behalten wir sie natürlich!“<br />

<strong>Dora</strong> nickte.<br />

„Erzähl mehr von diesem Voldemort“, bat sie Scott.<br />

„Na ja, was soll ich noch sagen. Angeblich war er auch mal ein<br />

ganz normaler Schüler in Hogwarts <strong>und</strong> Jahre später wurde er böse.<br />

Keiner weiß so Recht warum. Man vermutet, <strong>das</strong>s die einzigen, die<br />

die meisten <strong>Geheimnis</strong>se von ihm kannten, Albus Dumbledore <strong>und</strong><br />

Harry Potter persönlich waren. Vielleicht wussten auch Ron Weasley<br />

<strong>und</strong> Hermine Granger bescheid. Das waren während Harry Potters<br />

Schulzeit seine besten Fre<strong>und</strong>e. Ron Weasley ist allerdings tot – er<br />

starb etwa ein dreiviertel Jahr nach Harry Potter – <strong>und</strong> Hermine<br />

Granger sagt, sie wisse auch nicht mehr als alle anderen. Wie Harry<br />

es geschafft hat, Voldemort zu besiegen, ist eines der größten Rätsel<br />

der Geschichte, denn dieser galt eigentlich als unbesiegbar.“<br />

Es war ganz still geworden im Abteil, während Scott diese Geschichte<br />

erzählte <strong>und</strong> sogar Ted, der sie schon in- <strong>und</strong> auswendig<br />

kennen musste, hörte gespannt zu.<br />

„Aber genaueres werden wir spätestens in Zaubereigeschichte hören“,<br />

meinte er.<br />

Die Zwillinge nickten <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> verstaute ihre neue Karte sorgfältig<br />

in ihrem K<strong>of</strong>fer, als es ein weiteres Mal jemand anklopfte. Ted<br />

zog wieder den Vorhang zu Seite <strong>und</strong> deutete einem etwas älteren<br />

Schüler, <strong>das</strong>s er eintreten durfte. Er öffnete langsam die Tür <strong>und</strong> alle<br />

vier Gesichter wandten sich ihm zu.<br />

„Mein Name ist Henry McClair. Ich bin Vertrauensschüler des<br />

fünften Jahrgangs aus dem Hause Slytherin <strong>und</strong> möchte euch bitten,<br />

euch fertig zu machen. Zieht eure Umhänge an <strong>und</strong> packt eure Sachen.<br />

Wir werden in wenigen Minuten in der Endstation Hogsmeade<br />

ankommen!“<br />

Henry sagte <strong>das</strong> in einem mehr als gelangweilten Tonfall, der darauf<br />

schließen ließ, <strong>das</strong>s er denselben Satz schon in vielen Abteilen<br />

gesagt haben musste. Als er fertig gesprochen hatte, drehte er sich<br />

auf der Stelle um. Dabei streifte sein Blick Scott.<br />

103


„Kennen wir uns?“, sagte er <strong>und</strong> in seinen Augen war ein Funkeln<br />

zu erkennen.<br />

„Nein, nicht <strong>das</strong>s ich wüsste“, antwortete Scott.<br />

„Doch, ganz sicher sogar. Wie heißt du denn?“<br />

Er musterte Scott noch immer von oben bis unten <strong>und</strong> versuchte<br />

nicht mal sein Grinsen zu verbergen.<br />

„Scott Mason“, antwortete der blonde Junge verwirrt.<br />

„Ach so, vielleicht doch nicht. Ich h<strong>of</strong>fe ich treffe einen von euch<br />

wieder in Slytherin!“, sagte er noch, bevor er sich arrogant umdrehte<br />

<strong>und</strong> die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ.<br />

„Ich h<strong>of</strong>fe, wir treffen uns nie wieder“, antwortete Ted.<br />

„Das h<strong>of</strong>fe ich auch“, schloss sich <strong>Lily</strong> ihm an.<br />

<strong>Dora</strong> blickte Scott an, welcher vor sich auf den Boden starrte, sein<br />

Gesichtsausdruck unentschlüsselbar.<br />

„Was hatte <strong>das</strong> zu bedeuten?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Keine Ahnung“, antwortete Scott ehrlich. „Ich h<strong>of</strong>fe nur, <strong>das</strong>s<br />

keine von uns nach Slytherin muss. Wenn die dort alle so sind…“<br />

„Ich glaube, wir haben gute Chancen auf ein besseres Haus! Oder<br />

glaubt ihr, <strong>das</strong>s irgendjemand von uns mal böse wird?“<br />

Alle schüttelten gleichzeitig den Kopf. Der einzige der nicht wirklich<br />

überzeugt aussah, war Scott.<br />

„Aber der Hut teilt normal alle Familienmitglieder in <strong>das</strong>selbe<br />

Haus ein“, meinte er ängstlich. „Meine Mum ist Muggel <strong>und</strong> mein<br />

Dad war in Slytherin, <strong>das</strong> heißt, <strong>das</strong>s ich fast sicher dorthin komme!“<br />

„Ach komm schon“, meinte Ted. „Der Hut entscheidet richtig <strong>und</strong><br />

du gehörst nicht nach Slytherin, da bin ich mir sicher!“<br />

„Von welchem Hut redet ihr?“, fragte <strong>Dora</strong>, die <strong>das</strong> Gespräch aufmerksam<br />

verfolgte.<br />

„Vom sprechenden Hut natürlich!“, antwortete Ted. „Der sortiert<br />

die Schüler in die vier Häuser. Du musst ihn dir einfach nur aufsetzen<br />

<strong>und</strong> er sagt dir, wo du hingehörst!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>, die heute sowieso nichts mehr überraschen konnte,<br />

nickten. Inzwischen war es fast ganz dunkel draußen.<br />

104


„Leute, wir sollten uns zusammenpacken!“, meinte <strong>Lily</strong>, als der<br />

Zug immer langsamer wurde.<br />

S<strong>of</strong>ort standen alle vier auf <strong>und</strong> kramten in ihren K<strong>of</strong>fern nach den<br />

Umhängen.<br />

„Und du glaubst, <strong>das</strong>s uns keiner blöde anschaut, wenn wir mit<br />

diesen Dingern rumlaufen?“, fragte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> deutete auf ihren Umhang.<br />

„Nein, warum denn?“<br />

Ted schaute sich den Umhang von <strong>Lily</strong> an, schien aber festzustellen,<br />

<strong>das</strong>s er ganz <strong>und</strong> gar normal war <strong>und</strong> er die Aufmerksamkeit<br />

nicht mehr auf <strong>Lily</strong> lenken würde, als sein eigener Umhang auf ihn.<br />

„Na vorher dachte ich, <strong>das</strong>s alle Hexen <strong>und</strong> Zauberer solche Umhänge<br />

tragen, aber in King’s Cross waren alle normal angezogen!“,<br />

erinnerte sie sich.<br />

„Ach nein, <strong>das</strong> war doch nicht normal! Die haben nur versucht,<br />

sich zu verkleiden, um den Muggeln nicht aufzufallen“, antwortete<br />

Ted. „Normalerweise trauen die sich in solchen Klamotten wie heute<br />

nicht auf die Strasse. Das schaut doch mehr als nur ungewöhnlich<br />

aus!“<br />

<strong>Lily</strong> kratze sich am Kopf, sagte allerdings nichts dazu. Darum hatte<br />

wohl diese eine Frau die Skihose unter dem Minirock an, weil sie es<br />

nicht gewohnt war, sich wie ein Muggel zu kleiden. Es schienen<br />

wohl wirklich zwei komplett verschiedene Welten zu sein, die da so<br />

friedlich nebeneinander existierten. Die Welt der Muggel <strong>und</strong> die<br />

Welt der Zauberer.<br />

Sie warf sich also ebenfalls den Umhang über, genau wie alle anderen<br />

im Abteil es auch gemacht hatten, <strong>und</strong> holte anschließend ihren<br />

K<strong>of</strong>fer <strong>und</strong> den Kessel von der Gepäckablage. Noch vor Ted <strong>und</strong><br />

Scott drängte sie sich, dicht gefolgt von ihrer Schwester, aus dem<br />

Abteil.<br />

Der Gang war inzwischen voll von Schülern. Manche älter, manche<br />

jünger.<br />

105


„Sag mal Ted, wie viele Jahrgänge gibt es in Hogwarts überhaupt?“,<br />

fragte sie, als sie eine Horde Mädchen an sich vorbeigehen<br />

sah, die sicher über fünfzehn Jahre alt waren <strong>und</strong> sie waren bei Weitem<br />

nicht die ältesten hier.<br />

„Sieben“, presste er mit sichtlicher Mühe hervor, da ihn gerade ein<br />

paar andere Schüler, die es eilig hatten, ihm den Weg abzuschneiden,<br />

an die Wand im Flur drängten.<br />

<strong>Lily</strong> nickte. Der Zug war inzwischen mit einem lauten Pfiff stehen<br />

geblieben <strong>und</strong> die Schülermassen drängten sich nur so aus ihren Abteilen<br />

an die frische Luft außerhalb des Zuges.<br />

Es dauerte nicht lange <strong>und</strong> auch die Zwillinge fanden sich auf dem<br />

Bahnsteig wieder. Ihr Gepäck noch immer fest umklammert, warteten<br />

sie, bis sie Ted <strong>und</strong> Scott erblickten, die auch aus dem Zug kamen.<br />

„Gepäck stehen lassen <strong>und</strong> weitergehen“, schrie ein etwas älterer<br />

Schüler. „Hey, hab ich nicht gesagt, du sollst den K<strong>of</strong>fer stehen lassen?“<br />

Er schritt auf einen verängstigt wirkenden kleinen Jungen zu, der<br />

<strong>of</strong>fensichtlich auch zum ersten Jahrgang gehörte. Er ließ den K<strong>of</strong>fer<br />

fallen <strong>und</strong> drängelte sich aus dem Sichtfeld des älteren Jungens.<br />

„Gepäck stehen lassen <strong>und</strong> weitergehen!“, begann dieser wieder zu<br />

rufen.<br />

„Erstklässler hier her!“, war eine noch lautere Stimme zu hören.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> erkannten sie s<strong>of</strong>ort <strong>und</strong> ließen ihre Blicke in die<br />

Richtung wandern, aus der die Stimme kam.<br />

„Erstklässler“, brüllte Hagrid, um den sich bereits eine kleine<br />

Traube aus Schülern gebildet hatte.<br />

Scott <strong>und</strong> Ted, die bereits bei den Zwillingen angekommen waren,<br />

ließen ebenfalls ihr Gepäck am Bahnsteig zurück <strong>und</strong> eilten den beiden<br />

nach.<br />

„Oh, hallo!“, sagte Hagrid <strong>und</strong> grinste den beiden zu. „Hab’ mich<br />

schon gefragt, wo ihr seid. Harry is’ nämlich schon früher gekomm’n!“<br />

106


„Wir wurden getrennt“, schrie <strong>Lily</strong> so laut sie konnte, um alle anderen<br />

zu übertönen.<br />

Sie standen eine Weile lang da <strong>und</strong> beobachteten die Leute um sie<br />

herum. <strong>Lily</strong> konnte auch eine ganze Menge Kutschen erkennen, in<br />

denen die Schüler, einer nach dem anderen, verschwanden. Es waren<br />

eigentlich ganz normale Kutschen, bis auf die Tatsache, <strong>das</strong>s sie<br />

ganz von alleine <strong>und</strong> ohne Pferde losfuhren.<br />

<strong>Dora</strong> blickte zu Hagrid auf. Dieser versuchte gerade mit einem<br />

Finger die Erstklässler um ihn herum abzuzählen, was ihm aber bei<br />

den ersten paar Versuchen nicht gelang, da sie wie wild durcheinander<br />

liefen.<br />

„In Zweierreihen aufstellen“, brüllte er schließlich.<br />

Alle gehorchten Hagrid, nur ein Mädchen schien ihn nicht gehört<br />

zu haben. Er ging durch die Reihe <strong>und</strong> als er bei ihm ankam, packte<br />

er es unsanft an der Schulter <strong>und</strong> sagte: „Zweierreihe hab ich gesagt!“<br />

Sie warf ihm einen bösen Blick zu, dann ging sie, ihre schwarzen<br />

langen Haare arrogant über ihre Schulter werfend, ganz ans Ende der<br />

Schlange.<br />

„Okay, wir sind alle! Kommt mit!“<br />

Hagrid schwang seine große Hand nach Rechts, wo <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

einen großen See erkennen konnten. Sie folgten Hagrid. Keiner traute<br />

sich mehr, aus der Zweierreihe zu treten, nur <strong>das</strong> schwarzhaarige<br />

Mädchen ging schon wieder irgendwo neben der geordneten Reihe<br />

aus Erstklässlern spazieren. Sie machte Grimassen in Hagrids Richtung.<br />

„Wenn ich erst mal zaubern kann, dann ist <strong>das</strong> der Erste, den ich<br />

einen Fluch auf den Hals hexe!“, meinte sie böse grinsend <strong>und</strong> zwei<br />

Mädchen, die neben ihr hergingen, lachten.<br />

Die zwei Mädchen warfen sich einen vielsagenden Blick zu, als sie<br />

<strong>das</strong> fremde Mädchen belauschten. Plötzlich stoppte Hagrid <strong>und</strong> deutete<br />

mit seinem gewaltigen Finger auf etliche Boote.<br />

„Hogwarts voraus!“, rief er gutgelaunt.<br />

107


<strong>Lily</strong> blickte auf <strong>und</strong> stupste <strong>Dora</strong> an. Am anderen Ende des Sees<br />

war ein riesiges Schloss zu erkennen, in dem sämtliche Fenster erleuchtet<br />

zu sein schienen. Es war ein gewaltiger Anblick. Alle waren<br />

still <strong>und</strong> bew<strong>und</strong>erten die vielen Türme, die vor ihnen hoch in den<br />

dunklen Nachthimmel ragten.<br />

„Zu viert in die Boote“, befahl Hagrid.<br />

<strong>Dora</strong> zählte sie schnell. Es waren genau elf Boote, wobei Hagrid<br />

eines für sich alleine in Anspruch nahm. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> teilten sich<br />

<strong>das</strong> Boot, <strong>das</strong> ganz links im Wasser schwamm mit Ted <strong>und</strong> Scott.<br />

„Alle drinn’?“<br />

Ein zustimmendes Murmeln ertönte von den Schülern.<br />

„Okay, dann los“, sagte Hagrid.<br />

Augenblicklich setzten sich alle Boote wie von Geisterhand in<br />

Bewegung <strong>und</strong> steuerten Zielstrebig auf <strong>das</strong> andere Ufer zu. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Dora</strong> hätten schwören können, einen grünen Kopf, ein Stück von ihnen<br />

entfernt, im Wasser erkennen zu können. Doch sie kamen nicht<br />

dazu, darüber nachzudenken, ob sie ihn sich nur eingebildet hatten,<br />

denn---<br />

„Köpfe runter!“, schrie Hagrid.<br />

Augenblicklich duckten sich alle <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>en später fanden sich<br />

sämtliche Boote in einer unterirdischen Höhle, die sich anscheinend<br />

unterhalb des Schlosses befinden musste, wieder.<br />

Für spärliches Licht sorgten nur ein paar Fackeln, die auf den kahlen<br />

Steinwänden befestigt waren. An einem kleinen Hafen unter der<br />

Erde hielten sie von alleine an <strong>und</strong> alle kletterten, so schnell sie<br />

konnten, aus den Booten, um mit Hagrid Schritt halten zu können,<br />

der bereits einen langen Flur entlang ging.<br />

Nach nur kurzer Zeit kamen sie wieder über die Erde <strong>und</strong> erblickten<br />

nun <strong>das</strong> Schloss in voller Größe nur wenige Meter von ihnen entfernt.<br />

Die meisten waren stehen geblieben <strong>und</strong> starrten <strong>das</strong> Gebäude<br />

mit großen Augen an, während ein paar ganz schwer zu Beeindruckende<br />

Hagrid über die lange Steintreppe folgten, die hinauf zum<br />

großen Eichentor führte.<br />

108


Hagrid klopfte <strong>und</strong> schon kurze Zeit später wurde <strong>das</strong> Tor knarrend<br />

geöffnet. Die Zwillinge waren nun auch schon auf der riesigen obersten<br />

Stufe angekommen <strong>und</strong> schauten die etwas ältere, r<strong>und</strong>liche<br />

Frau erwartungsvoll an. Sie lächelte bis über beide Ohren <strong>und</strong> sie<br />

schien wirklich erfreut darüber, die Erstklässler <strong>und</strong> Hagrid zu sehen.<br />

„Ich geh’ dann ma’ hinein. Kann ich sie dir überlass’n, Pomona?“,<br />

fragte Hagrid.<br />

„Aber klar doch“, meinte sie glücklich.<br />

Hagrid winkte den Kindern noch ein letztes Mal zu, bevor er durch<br />

die riesige Tür trat <strong>und</strong> im Schloss verschwand.<br />

„Willkommen in Hogwarts“, begrüßte sie die Neuankömmlinge.<br />

„Mein Name ist Pr<strong>of</strong>essor Pomona Sprout <strong>und</strong> ich bin die Hauslehrerin<br />

von Hufflepuff <strong>und</strong> eure zukünftige Lehrerin in Kräuterk<strong>und</strong>e.<br />

Eigentlich wollte euch hier die stellvertretende Schulleiterin Hermine<br />

Granger abholen, doch sie ist anderweitig beschäftigt. Wir beginnen<br />

bald mit der Auswahlzeremonie in der großen Halle. Bitte folgt<br />

mir!“<br />

Obwohl Pr<strong>of</strong>essor Sprout nicht gerade streng ausschaute, befolgten<br />

alle ihren Wunsch <strong>und</strong> folgten ihr geordnet in die riesengroße Eingangshalle.<br />

Es war überhaupt der größte Raum, den <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

jemals gesehen hatten. Wenn man hier Wände aufgestellt hätte, dann<br />

hätte man sicher ein Einfamilienhaus nur in dieser einen Halle unterbringen<br />

können.<br />

„Also, ihr habt noch einige Minuten Zeit, während alle anderen<br />

Schüler ihre Plätze einnehmen“, verkündete Pr<strong>of</strong>essor Sprout. „Anschließend<br />

werdet ihr euch in einer Reihe aufstellen <strong>und</strong> ich werde<br />

nacheinander eure Namen aufrufen. Wenn ihr aufgerufen werdet,<br />

kommt ihr zu mir <strong>und</strong> ich werde euch einen Zauberstab in die Hand<br />

geben. Dieser wird dann verkünden, in welches Haus ihr kommt.<br />

Macht euch bereit!“<br />

Die Lehrerin warf durch einen Spalt einen Blick in einen weiteren<br />

Raum des Schlosses.<br />

„Ich dachte, <strong>das</strong> macht ein Hut“, meinte <strong>Lily</strong> and Ted gewandt.<br />

109


Dieser zuckte mit seinen Schultern.<br />

„Dachte ich auch!“<br />

„Pr<strong>of</strong>essor, was ist mit dem Hut?“, sagte <strong>das</strong> unsympathische<br />

Mädchen mit dem etwas r<strong>und</strong>licheren Gesicht, von vorhin, <strong>das</strong> ein<br />

paar Schritte nach vorne getreten war. „Meine Mum <strong>und</strong> meine<br />

Schwestern meinen, <strong>das</strong>s ein Hut die Auswahl vornimmt!“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Sprout wandte den Blick vom Türspalt ab <strong>und</strong> blickte<br />

<strong>das</strong> Mädchen an.<br />

„Der Hut wurde leider zerstört“, antwortete Pr<strong>of</strong>essor Sprout lächelnd.<br />

„Nicht mal die Schulleiterin <strong>und</strong> deren Stellvertreterin gemeinsam<br />

konnten ihn reparieren. Tut mir leid, Miss!“<br />

Ohne sich für die fre<strong>und</strong>liche Antwort zu bedanken, drehte sich<br />

<strong>das</strong> Mädchen um <strong>und</strong> ging zurück zu ihren beiden, immer noch kichernden<br />

Fre<strong>und</strong>innen.<br />

<strong>Dora</strong> ließ ihren Blick durch sämtliche Teile der Halle gleiten, die<br />

sie erkennen konnte, als ihr eine besonders große Statue mitten im<br />

Raum auffiel. Sie erkannte den Zauberer, den <strong>das</strong> goldene Gebilde<br />

darstellen sollte, s<strong>of</strong>ort. Es war wieder dieser Harry Potter.<br />

„Guck mal da“, sagte sie zu <strong>Lily</strong>. „Der scheint echt ziemlich berühmt<br />

gewesen zu sein. Überall, wo wir hinkommen, sehen wir den.<br />

In der Winkelgasse, auf den Schok<strong>of</strong>roschkarten <strong>und</strong> jetzt sogar in<br />

der Schule.“<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Der muss ja wirklich so was wie der Superman unter den Zauberern<br />

gewesen sein, oder?“<br />

Die Mädchen lachten, dann drehten sie sich wieder zu Pr<strong>of</strong>essor<br />

Sprout um, die erneut zu reden begonnen hatte.<br />

„Es ist soweit, die Zeremonie kann beginnen. Folgt mir!“, wies sie<br />

die wartende Schülermenge an.<br />

Augenblicklich wurde es still unter den Erstklässlern, als die große<br />

Tür vor ihnen aufschwang, durch deren Spalt Pr<strong>of</strong>essor Sprout gerade<br />

eben geblinzelt hatte. Vier große Tische standen mitten in dem<br />

riesigen Raum, alle voll besetzt mit älteren Schülern. Außerdem<br />

110


stand noch ein fünfter Tisch an der Stirnseite der Halle, um den die<br />

Lehrer Platz genommen hatten. Hagrid war nicht schwer zu erkennen.<br />

Er saß links außen <strong>und</strong> gleich neben ihm saß Pr<strong>of</strong>essor Flitwick.<br />

Der Größenunterschied zwischen den beiden war gigantisch. Hagrid<br />

winkte den Zwillingen <strong>und</strong> Harry kurz zu. Die Schüler gingen hinter<br />

der Lehrerin her, direkt auf den Lehrertisch zu. Alle Augen im Raum<br />

waren auf sie gerichtet, doch <strong>das</strong> fiel den Zwillingen erstmal gar<br />

nicht auf. Sie waren so beeindruckt von dem Anblick, der sich ihnen<br />

hier bot, <strong>das</strong>s sie sich auf gar nichts anderes mehr konzentrieren<br />

konnten. H<strong>und</strong>erte von Kerzen schwebten über den Tischen, die allesamt<br />

mit goldenen Tellern <strong>und</strong> Gläsern ausgestattet waren. Die Halle<br />

hatte keine Decke <strong>und</strong> so strahlten die Sterne, die den dunklen<br />

Nachthimmel schmückten, auf die wartenden Schüler herab.<br />

<strong>Dora</strong> konnte sich von diesem Bild gar nicht losreißen, zumindest<br />

solange, bis <strong>Lily</strong> sie antupfte <strong>und</strong> auf einen der Tische zeigte. Etwas<br />

großes, weiß Schimmerndes, aber dennoch Durchsichtiges schwebte<br />

über dem Tisch <strong>und</strong> ließ sich anschließend zwischen zwei Schülern<br />

nieder.<br />

„Ist <strong>das</strong> ein Geist?“, fragte <strong>Lily</strong> mit großen Augen.<br />

„Geist, ja“, antwortete <strong>Dora</strong> außer Atem.<br />

„Hey, habt ihr schon die Decke gesehen? Cooler Zauber, nicht?“,<br />

hörten sie plötzlich eine Stimme.<br />

Ted war wieder neben ihnen aufgetaucht.<br />

„Mich interessieren ja eher mal die Geister“, flüsterte <strong>Lily</strong> ihm zu.<br />

„Geister? Die sind doch nichts Besonderes, aber die Decke ist<br />

wirklich schön gemacht! Sieht wirklich echt aus!“, sagte er unbeeindruckt.<br />

Plötzlich schreckten sie zusammen, denn eine laute Stimme erhob<br />

sich. Sie kam vom Lehrertisch hinter den Erstklässlern, dem sie jetzt<br />

den Rücken zugewandt hatten <strong>und</strong> sorgfältig aneinandergereiht in<br />

einer Reihe standen.<br />

111


„Willkommen zurück in Hogwarts“, dröhnte die Stimme einer<br />

Lehrerin, wahrscheinlich magisch verstärkt, durch die Halle. „Darf<br />

ich um Ruhe bitten?“<br />

S<strong>of</strong>ort hatten auch die letzten Schüler ihre Gespräche beendet. Erst<br />

jetzt wurde <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> klar, <strong>das</strong>s sie von allen im Raum neugierig<br />

gemustert wurden <strong>und</strong> dieses Gefühl gefiel ihnen gar nicht, doch sie<br />

waren anscheinend nicht die einzigen. Ein paar der Erstklässler neben<br />

ihnen schienen immer kleiner zu werden <strong>und</strong> einige andere drehten<br />

sich auf der Stelle um zum Lehrertisch, nur um nicht den anderen<br />

Schülern in die Augen blicken zu müssen. Auch <strong>Dora</strong> blinzelte zurück,<br />

allerdings nicht wegen der anderen, sondern weil sie wissen<br />

wollte, von wem die Stimme stammte. Es war eine ziemlich alte,<br />

sehr streng aussehende Hexe, die ihr leicht ergrautes Haar zu einem<br />

straffen Knoten zusammengeb<strong>und</strong>en hatte. Sie redete in ihren Zauberstab,<br />

den sie anscheinend als Mikr<strong>of</strong>on missbrauchte.<br />

„Für alle Neuen, oder für alle, die es vergessen haben“, sagte sie<br />

mit lauter Stimme, „mein Name ist Pr<strong>of</strong>essor Minerva McGonagall<br />

<strong>und</strong> ich bin die amtierende Schulleiterin der Hogwarts-Schule für<br />

Hexerei <strong>und</strong> Zauberei. Bevor wir nun zum lang ersehnten Abendessen<br />

übergehen, wird unser magischer Zauberstab die Erstklässler in<br />

ihre Häuser einteilen. Dies ist ein sehr wichtiges Ritual an dieser<br />

Schule, denn eure Häuser hier sind gleichzeitig eure Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

eure Familien. Es gibt vier Häuser namens Gryffindor, Slytherin,<br />

Ravenclaw <strong>und</strong> Hufflepuff…“<br />

Immer wieder ließ die Schulleiterin ihren Blick warnend durch die<br />

Menge schweifen.<br />

„…Nach Gryffindor kommen nur diejenigen, die Mut im Namen<br />

tragen, während Slytherin nur diejenigen mit reinem Blut aufnimmt.<br />

Das Hause Ravenclaw besteht auf besondere Weisheit <strong>und</strong> Intelligenz<br />

<strong>und</strong> Hufflepuff hat sich zur Verpflichtung gemacht, sämtliche<br />

Schüler aufzunehmen. Also, dann will ich euch nicht länger auf die<br />

Folter spannen. Pr<strong>of</strong>essor Sprout, bitte nehmen sie den Zauberstab<br />

<strong>und</strong> beginnen sie!“<br />

112


Gerade als sie den Befehl der Schulleiterin ausführen wollte, kam<br />

eine weitere Lehrerin hinzu.<br />

„Ich bin hier“, meinte sie, gerade so laut, <strong>das</strong>s nur Pr<strong>of</strong>essor<br />

Sprout, sie selbst <strong>und</strong> ein paar der nächsten Schüler sie hören konnten.<br />

Sie war sehr jung, hatte dichtes, gewelltes braunes Haar <strong>und</strong> wirkte<br />

schon auf den ersten Blick sehr fre<strong>und</strong>lich.<br />

Sie schien sozusagen genau <strong>das</strong> Gegenteil von Pr<strong>of</strong>essor McGonagall<br />

zu sein. Mit einem Lächeln nahm sie ihrer Kollegin den Zauberstab<br />

aus der Hand <strong>und</strong> diese setzte sich auf ihren Platz am Lehrertisch,<br />

während die neue Lehrerin ihre Aufgabe übernahm.<br />

„Willkommen“, sagte sie bestimmt. „Mein Name ist Pr<strong>of</strong>essor<br />

Hermine Granger, ich bin stellvertretende Schulleiterin <strong>und</strong> werde<br />

die Auswahlszeremonie durchführen.“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> beobachteten, wie Pr<strong>of</strong>essor Granger eine Pergamentrolle<br />

entfaltete <strong>und</strong> zu lesen begann.<br />

„Also, dann wollen wir beginnen“, meinte sie. „Laura Attkins!“<br />

Ein blondes, großes Mädchen mit schulterlangen zusammengeb<strong>und</strong>enen<br />

Haaren trat langsam aus der Reihe. Ihr Zittern war unverkennbar.<br />

Langsam ging sie auf die Lehrerin zu, welche sie aufmunternd<br />

anblickte, ihr etwas zuflüsterte <strong>und</strong> ihr anschließend den komisch<br />

aussehenden Zauberstab in die Hand drückte. Er war nicht<br />

braun oder schwarz, so wie die meisten anderen, sondern meerblau.<br />

S<strong>of</strong>ort nachdem sie ihn mit ihren Fingern umklammert hatte, begann<br />

er bunte Funken zu sprühen, die sich innerhalb von wenigen<br />

Sek<strong>und</strong>en in einen rot-goldenen Löwen verwandelten.<br />

„Gryffindor“, rief Pr<strong>of</strong>essor Granger <strong>und</strong> augenblicklich war tosender<br />

Applaus vom Tisch ganz rechts zu hören.<br />

Laura lächelte leicht <strong>und</strong> ging dann auf diesen Tisch zu, wo sie<br />

freudig empfangen wurde.<br />

Die Zwillinge beobachteten wie sie in der Menge verschwand,<br />

während die Lehrerin ein Mädchen namens Bernadette Bush aufrief<br />

<strong>und</strong> es nach Ravenclaw eingeteilt wurde.<br />

113


„Cauldwell, Matthew!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> blickten wieder zu der Lehrerin. Sie erkannten den<br />

Jungen s<strong>of</strong>ort, denn Harry hatte ihn ihnen ja im Zug bereits vorgestellt.<br />

Er schien sehr ängstlich zu sein, als er den Zauberstab in die<br />

Hand nahm.<br />

Gelbe <strong>und</strong> schwarze Funken sprühten in die Luft <strong>und</strong> ein großer<br />

Dachs befand sich Sek<strong>und</strong>en später an ihrer Stelle.<br />

„Hufflepuff“, war die Antwort von Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

Glücklich darüber, endlich in der Menge verschwinden zu können,<br />

machte er sich auf den Weg zu seinem, in Glückrufe ausgebrochenen,<br />

Tisch.<br />

„Cook, Thomas!“, ertönte schon wenige Sek<strong>und</strong>en später wieder<br />

die Stimme der Lehrerin.<br />

Ein blonder Junge mit schmalem Gesicht trat auf sie zu <strong>und</strong> streckte<br />

seine Hand nach dem Zauberstab aus. Wieder bildete sich vor ihm<br />

in der Luft ein rot-golden schimmernder Löwe.<br />

„Gryffindor“, rief Pr<strong>of</strong>essor Granger <strong>und</strong> auch er rannte auf den<br />

Tisch der Gryffindors zu.<br />

Die Mädchen beobachteten, wie Julie Davis, ein kleines Mädchen<br />

mit roten kurzen Haaren, ebenfalls nach Gryffindor <strong>und</strong> Mary Donn,<br />

eines der Mädchen, die vorher darüber gelacht hatten, wie <strong>das</strong> Mädchen<br />

mit den langen schwarzen Haaren gesagt hatte, <strong>das</strong>s sie Hagrid<br />

verhexen wollte, nach Slytherin geschickt wurden.<br />

„Dursley, <strong>Dora</strong>“, rief plötzlich Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

<strong>Lily</strong> drückte <strong>Dora</strong> die Daumen, als diese auf die Lehrerin zuging<br />

<strong>und</strong> ihre Hand nach dem Zauberstab ausstreckte. <strong>Dora</strong> hatte <strong>das</strong> Gefühl,<br />

<strong>das</strong>s Pr<strong>of</strong>essor Granger sie ein wenig komisch musterte, doch<br />

sie tat es als Einbildung ab <strong>und</strong> nahm den Stab an sich. Nur wenige<br />

Momente später begann dieser in ihrer Hand zu zittern <strong>und</strong> dieselben<br />

rot-goldenen Funken wie schon bei einigen anderen, begannen durch<br />

die Luft zu fliegen, kurz bevor sich ein riesiger Löwe vor ihr in der<br />

Luft bildete.<br />

114


Schon bevor die Lehrerin <strong>das</strong> Haus verkünden konnte, gab <strong>Dora</strong><br />

den Zauberstab wieder zurück.<br />

„Gryffindor“, sagte Pr<strong>of</strong>essor Granger etwas leiser als bei den anderen<br />

<strong>und</strong> musterte <strong>Dora</strong> erneut mit demselben schwer zu deutenden<br />

Blick, wie schon Momente vorher.<br />

<strong>Dora</strong> sah ihr einige Momente in die Augen, ging dann jedoch ein<br />

paar Schritte zurück, drehte sich um <strong>und</strong> ging schnellen Schrittes auf<br />

den Tisch der Gryffindors zu, um dem Blick ihrer Lehrerin zu entkommen.<br />

Die Leute an <strong>Dora</strong>s neuem Haustisch pfiffen <strong>und</strong> schrien <strong>und</strong><br />

machten ihr s<strong>of</strong>ort Platz, als sie bei ihnen ankam. Sie setzte sich,<br />

während hinter ihr Harrys Name aufgerufen wurde. Sie versuchte<br />

nicht mehr darüber nachzudenken, ob sie schon an ihrem ersten Tag<br />

irgendetwas Falsches getan hatte, sondern konzentrierte sich auf ihren<br />

Cousin, der inzwischen den Stab in der Hand hatte.<br />

Doch wider Erwarten erschien kein großer, strahlender Löwe, sondern<br />

ein Dachs in den Farben gelb <strong>und</strong> schwarz. Tosender Lärm<br />

klang vom Nachbartisch, doch <strong>Dora</strong> war leicht enttäuscht, als Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger laut „Hufflepuff“ rief.<br />

Aber auch in diesem Moment war keine Zeit, um über irgendetwas<br />

nachzudenken, denn schon trat <strong>Lily</strong> nach vorne auf die Lehrerin zu.<br />

Sie zögerte etwas, bis sie den Zauberstab in die Hand nahm, <strong>of</strong>fensichtlich<br />

verunsichert, weil Harry <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> in unterschiedliche Häuser<br />

gekommen waren, dann ergriff sie ihn aber <strong>und</strong> s<strong>of</strong>ort setzte sich<br />

ihr breitestes Lächeln auf. Harrys Dachs hatte <strong>Lily</strong>s Löwen Platz<br />

gemacht <strong>und</strong> gleich nachdem ihr von Pr<strong>of</strong>essor Granger noch mal<br />

bestätigt wurde, <strong>das</strong>s sie nach Gryffindor kam, lief sie auf ihre<br />

Schwester zu.<br />

<strong>Dora</strong> machte ihr s<strong>of</strong>ort Platz.<br />

„Wow, ihr seht euch ja mal ähnlich“, meinte ein größerer Junge,<br />

vielleicht ein oder zwei Jahre älter als die Zwillinge, der sich über<br />

den Tisch zu ihnen herüberbeugte.<br />

115


Seine etwas längeren dunkelbraunen Haare streiften dabei die leere<br />

Schüssel, die mitten am Tisch stand. Er blickte zuerst <strong>Dora</strong> genau an<br />

<strong>und</strong> wandte seinen Kopf dann direkt auf <strong>Lily</strong>.<br />

„Das liegt daran, weil wir Zwillinge sind“, sagte <strong>Lily</strong> so ernst sie<br />

konnte, obwohl <strong>Dora</strong> merkte, <strong>das</strong>s es ihr nicht leicht fiel, <strong>das</strong> Lachen<br />

zu unterdrücken.<br />

„Echt?“, fragte der Junge grinsend <strong>und</strong> setzte sich wieder gerade<br />

hin. „Hätte ich alleine fast nicht gemerkt! Ach übrigens, ich bin Jeff<br />

Dorian. Freut mich!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> starrten ihn an, während er suchend um sich blickte.<br />

„Hey Nick…“, sagte er so laut er konnte, ohne die Auswahlszeremonie<br />

zu stören. „Beweg deinen… <strong>durchsichtige</strong>n Körper her!“<br />

Die Mädchen überlegen gerade, mit wem Jeff da sprach, als plötzlich<br />

etwas durch den Tisch in die Höhe kam.<br />

„Glaubst du etwa, ich weiß nicht, was du sagen wolltest?“, fragte<br />

der eben erschienene Geist <strong>und</strong> starrte den Jungen böse an. „Das<br />

zeugt von wenig Gefühl, wenn man bedenkt, <strong>das</strong>s ich nicht mal mehr<br />

diesen Körperteil habe, den du gemeint hast!“<br />

Doch anstatt <strong>das</strong>s Jeff sich schuldig fühlte, grinste er nur weiter.<br />

Der Geist, der anscheinend Nick hieß, drehte sich von ihm weg <strong>und</strong><br />

wollte wieder davon schweben.<br />

„Hey, jetzt spiel mal nicht immer gleich den Beleidigten!“, rief Jeff<br />

ihm nach <strong>und</strong> Nick wandte sich, noch immer mit bösem Blick, wieder<br />

ihm zu.<br />

Im Hintergr<strong>und</strong> bekamen <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> mit, wie ein Gordon Jeremy<br />

nach Slytherin <strong>und</strong> ein Lucas Jordan nach Ravenclaw eingeteilt<br />

wurden. Ein paar der Namen, die noch aufgerufen wurden, vergaßen<br />

die Zwillinge allerdings schon wenige Sek<strong>und</strong>en, nachdem sie sie<br />

gehört hatten.<br />

„Wie würdest du dich fühlen, wenn du seit Jahrzehnten körperlos<br />

durch die Gegend fliegen müsstest?“, fragte Nick zornig. „Und dann<br />

haben es diese Banausen noch nicht einmal geschafft, meinen Kopf<br />

ganz durchzutrennen! Die einzige sinnvolle Beschäftigung für einen<br />

116


Geist ist doch die Kopflosenjagd, aber nein, ich bin ja nicht kopflos!“,<br />

fluchte er vor sich hin.<br />

„Ja ja, Nick, wir kennen die Geschichte. Dreh dich mal um“, befahl<br />

er dem Geist.<br />

Dieser tat, wenn auch widerwillig, was ihm befohlen wurde <strong>und</strong> er<br />

richtete seinen Blick genau auf die Stelle, an der <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> saßen.<br />

Er blickte unschlüssig von einem Mädchen zum anderen <strong>und</strong><br />

zurück, doch er konnte nichts sagen, denn schon redete Jeff wieder.<br />

„Was ist Nick? Du wirst doch wohl nicht sagen, <strong>das</strong>s du zuviel getrunken<br />

hast <strong>und</strong> deshalb doppelt siehst, oder?“<br />

Jeff lachte <strong>und</strong> der Junge, der neben ihm saß, hatte sichtliche Mühe,<br />

nicht von der Bank zu fallen, als er Nicks Gesichtsausdruck sah.<br />

Der Geist tat so, als würde er tief Luft in den nicht vorhandenen<br />

Körper saugen <strong>und</strong> schwebte anschließend davon. Aber nicht, ohne<br />

noch ein paar Sätze wie „Als wenn ich etwas trinken könnte!“, „Was<br />

glaubt der, wer er ist?“ oder „Nur weil ich ein Geist bin, heißt <strong>das</strong><br />

noch lange nicht, <strong>das</strong>s ich keine Gefühle habe!“ über den Tisch hallen<br />

zu lassen.<br />

„<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> Dursley, darf ich vorstellen? Der Fast Kopflose<br />

Nick! Der Geist des Hauses Gryffindor!“<br />

„Sehr erfreut“, lachte <strong>Lily</strong>. „Hab gar nicht gewusst, <strong>das</strong>s Geister<br />

Gefühle haben!“<br />

„Warum Fast Kopflos?“, fragte <strong>Dora</strong> Jeff, der sich noch immer vor<br />

Lachen wand.<br />

Nicks Kopf sah eigentlich ganz stabil aus, mal abgesehen von der<br />

großen Halskrause, die er trug.<br />

„Frag ihn mal, er zeigt es normalerweise jedem. Aber ich würde<br />

dir nicht raten, vorher etwas zu essen!“<br />

Ein kleiner halbschwarzer Junge namens Jason Kirke hatte sich gerade<br />

auf der anderen Seite des Tisches, genau neben Jeff niedergelassen.<br />

Er blickte unsicher um sich. Wahrscheinlich, weil er niemanden<br />

kannte. Doch Jeff trug schnell dazu bei, ihn nicht vereinsamen<br />

zu lassen.<br />

117


„Hey, noch jemand aus der Ersten. Wie geht’s, wie steht’s, Jason?<br />

Du hast gerade echt was verpasst mit dem Fast Kopflosen Nick!“<br />

Der Junge nickte nur, zwang sich zu einem Lächeln <strong>und</strong> wandte<br />

sich dann wieder dem Geschehen vor dem Lehrertisch zu. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Dora</strong> folgten seinem Vorbild, als sie hörten, wen Pr<strong>of</strong>essor Granger<br />

als nächsten aufrief.<br />

„Ted Remus Lupin!“, sagte sie laut.<br />

Ted trat selbstsicher vor sie <strong>und</strong> nahm den blauen Zauberstab in<br />

die Hand, der s<strong>of</strong>ort einen Löwen in rot-goldenen Funken entstehen<br />

ließ. Er grinste zufrieden.<br />

„Gryffindor“, sagte die Lehrerin <strong>und</strong> schon kam Ted zufrieden auf<br />

den Gryffindortisch zu. Er setzte sich neben <strong>Lily</strong> auf die Bank.<br />

„Mann, bin ich froh, <strong>das</strong>s ich nicht in Slytherin gelandet bin“, sagte<br />

er, tief durchatmend, doch schon Sek<strong>und</strong>en später war wieder ein<br />

Lächeln auf seinem Gesicht. „Aber jetzt bin ich mal gespannt…<br />

Wenn er sagt, sein Vater war in Slytherin, sehe ich eigentlich keine<br />

große Chance…!“<br />

„Scott Mason!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> ließen den blondhaarigen Junge nicht aus den Augen,<br />

als er mit zittrigen Fingern den Zauberstab packte. Es dauerte<br />

nicht lange <strong>und</strong> silber-grüne Funken erhellten den Raum <strong>und</strong> eine<br />

riesige Schlange erschien vor Scott.<br />

„Slytherin!“, meinte Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

Scott wirkte traurig, warf einen Blick hinauf zum Lehrertisch <strong>und</strong><br />

wandte sich dann in Richtung der schreienden Slytherins, die ihn jubelnd<br />

empfingen. Im Gegensatz zu den anderen, die zu diesem Tisch<br />

geschickt worden waren, wirkte Scott überhaupt nicht glücklich <strong>und</strong><br />

stolz.<br />

<strong>Dora</strong> warf <strong>Lily</strong> einen traurigen Blick zu. Sie wussten, wie sehr sich<br />

Scott davor gefürchtet hatte, <strong>und</strong> die Wahrscheinlichkeit, <strong>das</strong>s gerade<br />

er mal ein böser Magier werden könnte, schien ihnen doch ziemlich<br />

klein. Aber der Zauberstab hatte sein Urteil verkündet <strong>und</strong> Scott<br />

nach Slytherin gesteckt.<br />

118


Gleich nach Scott wurden auch noch Daphne Newton <strong>und</strong> Sarah<br />

Parkinson zum Slytherintisch geschickt. Sarah war <strong>das</strong> arrogante<br />

Mädchen, <strong>das</strong> es Hagrid heimzahlen wollte, <strong>und</strong> Daphne war neben<br />

Mary Donn, die schon zuvor nach Slytherin eingeteilt worden war,<br />

ihre zweite Fre<strong>und</strong>in.<br />

„Schade um Scott, ich mochte den wirklich“, meinte Ted.<br />

Die Zwillinge nickten.<br />

„Du mochtest jemanden, der nach Slytherin gekommen ist?“<br />

Jeffs Gesicht war wieder über dem Tisch erschienen. Er starrte Ted<br />

mit größter Abscheu in den Augen an.<br />

„Merk dir eins: Gryffindors <strong>und</strong> Slytherins hassen sich, obwohl<br />

<strong>das</strong> Wort ‚hassen’ noch um einiges untertrieben ist!“<br />

Ted schaute Jeff an, antwortete aber nichts.<br />

„Hätte ich auch nicht gedacht“, meinte <strong>Dora</strong> traurig.<br />

„Ich auch nicht“, stimmte <strong>Lily</strong> ihr zu.<br />

„Hilfe, was hat der mit euch gemacht? Gehirnwäsche? Gedächtniszauber?<br />

Liebestrank?“, sagte Jeff außer sich <strong>und</strong> schüttelte den Kopf.<br />

„Vergesst ihn! Slytherin bleibt Slytherin <strong>und</strong> die, die dorthin kommen,<br />

die haben es verdient!“<br />

<strong>Lily</strong> schüttelte den Kopf.<br />

„Glaub mir, der hat nichts Böses an sich“, murmelte sie.<br />

Wenig überzeugt zog Jeff sich wieder auf seine Seite des Tisches<br />

zurück.<br />

Anscheinend gab es in <strong>Lily</strong>s <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>s Jahrgang ein zweites Zwillingspärchen,<br />

denn als Cindy <strong>und</strong> Michael Smith den Zauberstab<br />

nacheinander berührten, tauchte jedes Mal ein Adler aus bronzenen<br />

<strong>und</strong> blauen Funken auf. Pr<strong>of</strong>essor Granger teilte ihnen mit, <strong>das</strong>s sie<br />

zu Ravenclaw gehören würden.<br />

„Schaut mal, es beginnt zu regnen!“, meinte plötzlich jemand, ein<br />

Stück weiter den Tisch entlang, den <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> nur schwer erblicken<br />

konnten, weil mindestens vier Leute zwischen ihnen saßen.<br />

Sie wandten ihren Blick nach oben <strong>und</strong> tatsächlich: Dichte Wolken<br />

hatten inzwischen die Sterne verdeckt <strong>und</strong> es sah so aus, als würde<br />

119


es direkt in die Halle hereinregnen, doch zum Erstaunen der beiden<br />

blieben sie komplett trocken.<br />

„Diese Decke kann was“, murmelte Ted.<br />

„Und die ist wirklich verzaubert?“, wollte <strong>Dora</strong> wissen.<br />

Ted nickte.<br />

„Wow, gibt’s eigentlich was, <strong>das</strong> man mit Zauberkraft nicht<br />

hinkriegen kann?“, schwärmte <strong>Lily</strong>.<br />

Jetzt schüttelte Ted den Kopf.<br />

„Nicht viel zumindest!“<br />

Ein Andrew Stone war inzwischen auf dem Hufflepufftisch <strong>und</strong><br />

gerade schwebte wieder ein schimmernder Löwe vor dem Lehrertisch,<br />

der einer Alice Summer den Weg zum Gryffindortisch eröffnete.<br />

Kurz danach kam auch Josh Taylor schnell zu den Gryffindors, an<br />

deren Tisch die Plätze jetzt wirklich allmählich voll wurden. Doch<br />

ein Blick zu den anderen Tischen sagte <strong>Dora</strong>, <strong>das</strong>s es wohl überall so<br />

sein musste. Nur mehr ein paar Schüler warteten darauf, eingeteilt zu<br />

werden.<br />

Die letzten beiden, von denen sich die Zwillinge die Namen merken<br />

konnten, waren Ryan Valley, der ebenfalls zu ihnen an den<br />

Tisch kam <strong>und</strong> Victoria Veary, die sich zu den Hufflepuffs gesellen<br />

durfte.<br />

„So, <strong>das</strong> war’s dann. Danke, Pr<strong>of</strong>essor Granger!“, rief Pr<strong>of</strong>essor<br />

McGonagall mit magisch verstärkter Stimme durch den Raum. „Da<br />

jetzt alle wissen, wo sie hingehören, kann <strong>das</strong> Festessen beginnen!<br />

Danach werde ich noch ein paar Regeln bekannt geben! Guten Appetit!“<br />

Sie setzte sich hin <strong>und</strong> nur wenige Augenblicke später waren die<br />

goldenen Schüsseln, die schon die ganze Zeit auf den Tischen gestanden<br />

hatten, voll mit dem köstlichsten Essen. Eier, Schinken,<br />

Hühnchen, Schweinekoteletts, Kart<strong>of</strong>feln, Erbsen, Ketchup, Karotten,<br />

Tomaten, Pommes <strong>und</strong> Steaks waren nur ein kleiner Teil der<br />

verschiedenen Speisen. Außerdem waren die großen goldenen Krüge<br />

jetzt gefüllt mit Massen an Kürbissaft.<br />

120


Alle griffen kräftig zu, auch die Zwillinge, die den ganzen Tag außer<br />

dem Frühstück noch nichts als Süßigkeiten gegessen hatten.<br />

„Das übertrifft sogar Tante Emilys Essen“, meinte <strong>Lily</strong> mit vollem<br />

M<strong>und</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> hatte es gerade geschafft, sich von jeder der Schüssel etwas<br />

zu nehmen <strong>und</strong> nickte nur. Sie hatte es zwar noch nicht probiert, aber<br />

es roch köstlich.<br />

„Wie viele, meinst du, sind es?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

Während Ted mit Jeff lautstark über den morgigen Unterricht diskutierte,<br />

unterhielten sich <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> über die Geister, die überall<br />

in der Halle herumschwebten.<br />

„Ach, an die fünfzig? Vielleicht ein paar weniger oder ein paar<br />

mehr. Ist schon komisch, oder? Früher hatten wir Angst vor Geistern,<br />

bei denen wir uns sicher waren, <strong>das</strong>s sie nicht existierten, <strong>und</strong><br />

jetzt müssen wir in einem Schloss mit so vielen von denen wohnen.<br />

Und keine Frage, die sind echt!“<br />

<strong>Dora</strong> blickte um sich <strong>und</strong> ließ ihren Blick über die Tische zu den<br />

vielen Gespenstern wandern. Der Fast Kopflose Nick diskutierte auf<br />

der anderen Seite der Halle mit dem Geist einer großen Frau. <strong>Dora</strong><br />

vermutete, <strong>das</strong>s er dieses Gespräch nur als Vorwand dazu nahm, um<br />

nicht bei den Gryffindors sein zu müssen, während diese <strong>das</strong> köstlich<br />

aussehende <strong>und</strong> ebenso sehr gut schmeckende Essen verschlangen<br />

wie nichts.<br />

Nach etwa einer halben St<strong>und</strong>e – inzwischen war auch die Nachspeise,<br />

bestehend aus Apfelkuchen, Eiskrem, Zuckergusstorten, Donuts,<br />

Biskuit, Wackelpudding <strong>und</strong> vielem mehr, verschlungen – hatten<br />

alle Schüler ihr Essbesteck beiseite gelegt <strong>und</strong> unterhielten sich<br />

lautstark miteinander. Plötzlich erhob Pr<strong>of</strong>essor McGonagall ihre<br />

Stimme wieder <strong>und</strong> mit einem Mal waren die ganzen Reste von den<br />

Tellern verschw<strong>und</strong>en. Alle Augen im Raum wandten sich ihr zu.<br />

„Zum Abschluss des heutigen Festes möchte ich alle Erstklässler<br />

darauf aufmerksam machen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Betreten des Waldes auf dem<br />

Schlossgelände strengstens verboten ist. Man nennt ihn nicht um-<br />

121


sonst den ‚Verbotenen Wald’. Auch allen denen, die es vergessen<br />

haben, möchte ich nahe legen, sich diese Regel wieder in Erinnerung<br />

zu rufen!“, sagte Pr<strong>of</strong>essor McGonagall streng.<br />

<strong>Lily</strong> hätte schwören können, <strong>das</strong>s sie dabei Jeff einen mahnenden<br />

Blick zuwarf, doch dieser zuckte nur unschuldig mit seinen Schultern.<br />

„Außerdem will der Hausmeister, <strong>das</strong>s ich euch daran erinnere, auf<br />

den Gängen nicht zu zaubern, <strong>und</strong> außerdem meint er, <strong>das</strong>s Artikel<br />

aus einem Laden mit dem Namen ‚Weasleys Zauberhafte Zauberscherze’<br />

noch immer verboten sind. Die Quidditch-Auswahlspiele<br />

sind in genau einer Woche, meldet euch bei den Kapitänen der einzelnen<br />

Mannschaften, wenn ihr gerne spielen würdet. Die St<strong>und</strong>enpläne<br />

<strong>und</strong> auch alles andere Wichtige erfahrt ihr morgen beim Frühstück.<br />

So, <strong>und</strong> jetzt ab in die Betten, ihr habt morgen einen anstrengenden<br />

Tag vor euch! Erstklässler, haltet euch an die Vertrauensschüler,<br />

sie werden euch den Weg zu den Schlafsälen zeigen. Gute<br />

Nacht!“<br />

Die Stille nach Pr<strong>of</strong>essor McGonagalls Worten dauerte nur wenige<br />

Sek<strong>und</strong>en, denn augenblicklich waren abertausende Schritte auf dem<br />

Holzboden der großen Halle zu hören.<br />

„Erstklässler mir nach! Beeilt euch!“, rief ein älterer Junge nicht<br />

weit von den Zwillingen <strong>und</strong> Ted entfernt.<br />

Die drei beeilten sich, in seine Nähe zu kommen, um jemanden zu<br />

haben, der ihnen den Weg zeigen konnte. Bald schon war eine ganze<br />

Schar Erstklässler um ihn herum versammelt.<br />

„Das sind zu viele“, überlegte er. „Das sind zu viele! Hey, du da!“<br />

Der Junge schaute zu einem kleinen, sehr dünnen, verträumt aussehenden<br />

Mädchen hinab, welches ihn ängstlich anblickte.<br />

„Wurdest du nicht gerade nach Ravenclaw eingeteilt?“, fragte er.<br />

Das Mädchen nickte <strong>und</strong> der Vertrauensschüler atmete tief durch<br />

<strong>und</strong> verdrehte die Augen.<br />

122


„Die Erstklässler sollen zu Vertrauensschülern ihres Hauses gehen!“,<br />

rief er. „Alle, die nicht zu Gryffindor gehören, verschwinden<br />

auf der Stelle!“<br />

Das Mädchen lief gefolgt von ein paar anderen davon <strong>und</strong> schließlich<br />

waren nur noch <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Ted übrig, gemeinsam mit Laura<br />

Attkins <strong>und</strong> Alice Summer, zwei der anderen Mädchen, die ebenfalls<br />

nach Gryffindor gekommen waren.<br />

„Okay, dann folgt mir <strong>und</strong> bleibt zusammen“, meinte der Anführer<br />

der kleinen Gruppe <strong>und</strong> drehte sich um. „Glaubt mir, wenn ihr euch<br />

hier verlauft, dann kann es Wochen dauern, bis euch jemand findet<br />

<strong>und</strong> Jahre, bis ihr wieder von alleine zurückkommt!“<br />

<strong>Dora</strong> warf <strong>Lily</strong> einen ängstlichen Blick zu.<br />

„Nur ein Scherz, nur ein Scherz“, meinte der Vertrauensschüler,<br />

der ihr Gesicht gesehen zu haben schien.<br />

„Aber kein guter!“, flüsterte <strong>Lily</strong> ihrer Schwester zu.<br />

Sie gingen hinaus aus der großen Halle, durch den Eingangsbereich<br />

<strong>und</strong> dann einige Treppen hoch.<br />

„Merkt euch die Treppen, die verändern ihre Richtung alle paar<br />

Minuten! Also bleibt nicht zu lange auf einer, sonst kommt ihr womöglich<br />

ganz woanders hin, als euch lieb ist!“<br />

Die Erstklässler folgten ihrem Fremdenführer, der ihnen manchmal<br />

etwas über eines der Gemälde oder eine Statue erzählte, <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

fragte sich gerade, wie sie denn morgen jemals wieder hier runter<br />

finden würden, als sie plötzlich stehen blieben.<br />

„Also, hier sind wir! Das ist der Gemeinschaftsraum der Gryffindors…“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> blickten sich um. Das einzige, was sie sehen konnten,<br />

war der Gang, der an dieser Stelle endete. Sie überlegten sich<br />

gerade, ob sich der ältere Schüler mit den jüngeren einen Spaß erlauben<br />

wollte, als er fortfuhr.<br />

„…Um ihn betreten zu können, braucht ihr ein Passwort. Dieses<br />

erfahrt ihr ebenfalls bei uns Vertrauensschülern. Fürs erste ist es<br />

‚Kotzpastille’!“<br />

123


Das letzte Wort sagte er extra laut <strong>und</strong> augenblicklich schwang ein<br />

riesiges Porträt, auf dem eine sehr dicke Dame zu sehen war, zur<br />

Seite <strong>und</strong> gab einen schmalen Durchgang frei.<br />

„Also alle eintreten <strong>und</strong> viel Spaß im Gemeinschaftsraum der<br />

Gryffindors. Hat mich gefreut!“<br />

Der Junge winkte den Erstklässlern noch mal zu, dann verschwand<br />

er in der Öffnung. <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Ted blieben genauso wie die anderen<br />

beiden Mädchen noch kurz stehen.<br />

„Na, wollt ihr noch lange hier herumstehen oder darf ich mich heute<br />

irgendwann noch mal ausruhen?“, drang plötzlich eine Stimme an<br />

die Ohren der Mädchen.<br />

Sie fuhren herum, doch niemand war zu sehen.<br />

„Kommt rein hier, die fette Dame ist bekannt für ihre Unfre<strong>und</strong>lichkeit,<br />

wenn sie jemand zu lange aufhält“, flüsterte Ted <strong>und</strong> kroch<br />

als erster durch den Gang, dicht gefolgt von den Zwillingen.<br />

Sie kamen in einen r<strong>und</strong>en Raum, der größtenteils mit Möbeln in<br />

den Farben rot <strong>und</strong> gold ausgestattet war. Tische <strong>und</strong> bequem aussehende<br />

Sessel waren im ganzen Raum verteilt. Er schien ziemlich<br />

groß zu sein, doch genau konnten die Mädchen <strong>das</strong> nicht sagen, da<br />

massenhaft ältere <strong>und</strong> vor allem größere Schüler um sie herumliefen<br />

<strong>und</strong> ihnen die Sicht versperrten.<br />

„Kommt mit“, sagte Ted <strong>und</strong> ging auf ein paar leere Stühle vor<br />

dem Kamin zu. „Lasst uns noch ein paar Minuten warten, bevor wir<br />

schlafen gehen!“<br />

Sie setzten sich auf der der Sessel, die im Halbkreis um den Kamin<br />

standen.<br />

„Ja, hier kann man leben“, meinte Ted. „Wisst ihr…“<br />

Er stoppte.<br />

„Was wissen wir?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ach egal, schaut mal da!“, meinte er <strong>und</strong> deutete mit seinem Kopf<br />

in Richtung Tür.<br />

Die Zwillinge folgten seinem Blick <strong>und</strong> konnten ihren Augen nicht<br />

glauben.<br />

124


125<br />

Unterricht mal anders<br />

„Scott, wie kommst du denn hier rein?“, fragte Ted, stand auf <strong>und</strong><br />

ging auf den Neuankömmling im Gryffindor-Gemeinschaftsraum zu.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> sahen schon aus den Augenwinkeln, <strong>das</strong>s alle Blicke<br />

im Raum auf den blonden Jungen gerichtet waren. Sie standen ebenfalls<br />

auf.<br />

„Hat… Hat sich herausgestellt, <strong>das</strong>s ein Fehler passiert ist“, erklärte<br />

er stotternd. „Ich gehöre doch nach Gryffindor!“<br />

Einen Moment lang war es still.<br />

„Warst du nicht vorher in Slytherin?“, fragte plötzlich ein Mädchen,<br />

<strong>das</strong> allem Anschein nach im sechsten oder siebten Jahrgang<br />

sein musste.<br />

Inzwischen hatten sich auch noch die letzten Neugierigen zu Scott<br />

umgedreht.<br />

„Ja… ja, schon, aber <strong>das</strong> war ein Missverständnis“, murmelte er,<br />

während er den Boden vor sich ausgiebig musterte.<br />

„Wie konnte <strong>das</strong> ein Missverständnis sein? Wir haben die Schlange<br />

gesehen, die der Zauberstab ausgespuckt hat, als du ihn in die<br />

Hand genommen hast“, konterte <strong>das</strong> Mädchen.<br />

Scott wurde rot bis über beiden Ohren <strong>und</strong> wusste anscheinend<br />

nicht mehr, was er darauf antworten sollte, denn wieder war es komplett<br />

still im Raum.<br />

„Aber ihr habt doch vorher schon gesagt, <strong>das</strong>s er ins falsche Haus<br />

gekommen ist, oder?“<br />

Jeff, der an einem der hohen Fenster, von denen aus man einen<br />

w<strong>und</strong>ervollen Ausblick über <strong>das</strong> gesamte Schlossgelände hatte, gestanden<br />

hatte, kam ein paar Schritte näher zu dem Punkt, an dem<br />

Scott stand.<br />

<strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Ted begannen gleichzeitig zu nicken.<br />

„Na dann würde ich sagen: Herzlich Willkommen!“, sagte Jeff.<br />

„Wir freuen uns doch über jeden, den wir Slytherin wegnehmen<br />

können, oder?“


Jubel brach im gesamten Gemeinschaftsraum aus <strong>und</strong> ganz langsam<br />

breitete sich auch auf Scotts Gesicht ein Lächeln aus. Er schaute<br />

dankbar zu Jeff auf, welcher jetzt mit ein paar Fre<strong>und</strong>en zu singen<br />

begonnen hatte.<br />

Gryffindor ist besser dran,<br />

wir mehr um einen Mann.<br />

Slytherin wird untergehen,<br />

so was haben die noch nie gesehen.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> gingen wieder zurück zu ihren Stühlen, gefolgt von<br />

Ted <strong>und</strong> Scott, welcher sich den letzten freien Stuhl schnappte.<br />

„Na schau, wir haben es dir ja gesagt, <strong>das</strong>s nicht zwangsläufig jeder<br />

dahin kommt, wo seine Eltern waren“, sagte Ted.<br />

„Und außerdem warst du viel zu nett, um einmal böse zu werden“,<br />

stimmte <strong>Lily</strong> ihn zu.<br />

Scott bemerkte anscheinend nicht, <strong>das</strong>s noch immer ein paar ganz<br />

misstrauische ihre Blicke auf ihn gerichtet hatten, <strong>und</strong> <strong>das</strong> war auch<br />

gut so, denn nun strahlte er übers ganze Gesicht.<br />

„Man, bin ich froh, <strong>das</strong>s ich da raus bin“, stöhnte er <strong>und</strong> blickte<br />

sich in seinem neuen Zuhause auf Zeit um.<br />

„Wie ist es dazu gekommen?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

Kurz verschwand sein Lächeln <strong>und</strong> er blickte wieder zu Boden,<br />

doch <strong>das</strong> trübte seine Freude nicht lange.<br />

„Keine Ahnung. Ich war gerade im Gemeinschaftsraum der Slytherins<br />

angekommen, als mein Dad hineinkam <strong>und</strong> mich bat, mit ihm<br />

mitzukommen <strong>und</strong> dann sagte er, <strong>das</strong>s die Schulleiterin einen Fehler<br />

bei der Auswahl vermutete, <strong>und</strong> er gab mir den Zauberstab noch mal<br />

in die Hand <strong>und</strong> dann teilte der mich nach Gryffindor ein!“, erzählte<br />

er hastig.<br />

„Freut mich, Kumpel“, sagte Ted.<br />

„Und uns beide auch“, stimmte <strong>Lily</strong>.<br />

„Aber warum war dein Dad hier?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

126


„Na ja, er ist der Hauslehrer von Slytherin <strong>und</strong> unser Lehrer in<br />

Zaubertränke“, erklärte er.<br />

„Cool, <strong>das</strong> wussten wir ja gar nicht, oder?“<br />

<strong>Lily</strong> warf <strong>Dora</strong> einen fragenden Blick zu <strong>und</strong> diese schüttelte den<br />

Kopf.<br />

„Wenn du einen Vater als Lehrer hast, dann musst du ja schon total<br />

gut im Zaubern sein, oder?“, wollte <strong>Dora</strong> wissen.<br />

Scott schüttelte den Kopf.<br />

„Nein… Es ist verboten, Kindern <strong>das</strong> Zaubern beizubringen, bevor<br />

sie elf Jahre alt sind. Deswegen kann ich nicht mehr als ihr!“<br />

Dass Scott nicht mehr als <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> konnte, hätten sich die<br />

Mädchen schon zuvor denken konnten, aber dennoch sagten sie<br />

nichts, denn Hagrid hatte ja gesagt, es sei besser, wenn sie dichthalten<br />

würden.<br />

„Und, wie war’s bei den Slytherins?“, fragte Ted.<br />

„Ganz anders als hier“, antwortete Scott, froh, endlich ein anderes<br />

<strong>The</strong>ma präsentiert zu bekommen, kurz angeb<strong>und</strong>en mit grimmiger<br />

Miene.<br />

„Was heißt <strong>das</strong>?“, drängte ihn <strong>Lily</strong>.<br />

„Na ja, wenn über etwas gelacht wurde, dann war es irgendein<br />

Witz, in dem bestenfalls jemand verflucht worden oder gestorben ist.<br />

Es hat nicht zwei Minuten gedauert im Gemeinschaftsraum <strong>und</strong><br />

schon haben sich die ersten Flüche auf den Hals gehext…“<br />

Seine Erzählung wurde unterbrochen von einem ohrenbetäubenden<br />

Lachanfall. Ein paar Mädchen standen kichernd um einen Jungen,<br />

der sich vor Lachen auf dem Boden wälzte <strong>und</strong> „Hör auf! Hör auf!“,<br />

rief. Dass Jeff mit gezücktem Zauberstab daneben stand, w<strong>und</strong>erte<br />

weder <strong>Lily</strong> noch <strong>Dora</strong>.<br />

„… soviel dazu“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

Scott lachte sie an.<br />

„Ja, wenn die solche Flüche benutzt hätten, dann hätte ich <strong>das</strong> jetzt<br />

nicht erwähnt. Aber bei den Slytherins ist schon nach wenigen Mi-<br />

127


nuten ein Erstklässler mit Fledermausflügeln, die ihm aus den Ohren<br />

gewachsen waren, davongerannt.“<br />

„Man, guter Humor“, grinste Ted, doch <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> schauten<br />

angewidert.<br />

„Vielleicht hätte man dich ja nach Slytherin stecken sollen, Ted“,<br />

meinte <strong>Lily</strong>.<br />

Ted erstarrte s<strong>of</strong>ort <strong>und</strong> schaute ernst.<br />

„Mit so was macht man keine Witze!“, befahl er.<br />

„Na gut“, sagte <strong>Lily</strong>, die aufgr<strong>und</strong> seiner Reaktion in Lachen ausgebrochen<br />

war. „Dann erzähl weiter Scott. Wie hat es in deren Gemeinschaftsraum<br />

ausgesehen? Gleich, nur anderen Farben?“<br />

Scott schüttelte den Kopf.<br />

„Oh nein“, seufzte er. „Schon alleine wegen den Gemeinschaftsräumen<br />

hätte ich getauscht, glaub mir. Die sind unten im Keller in<br />

einem der Kerker, ohne Fenster <strong>und</strong> ohne natürliches Licht. Alles<br />

wird mit grünlichen Lichtern, die an Ketten von den Decken baumeln,<br />

beleuchtet <strong>und</strong> die Sessel sind hart wie Stein, genau wie alles<br />

andere auch. Die Bilder an den Wänden sind grausig <strong>und</strong> nicht so<br />

fröhlich, wie diese hier. Es ist wie in einem Friedh<strong>of</strong> mit sehr vielen<br />

Besuchern!“<br />

Er schloss seine Erzählung <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> konnte nicht anders, als sich<br />

noch mal in ihrem eigenen Gemeinschaftsraum umzusehen. Es war<br />

wirklich sehr gemütlich hier <strong>und</strong> man konnte hier sicherlich gut lernen,<br />

genauso wie sich nach einem anstrengenden Tag erholen. Was<br />

Ted da erzählte hörte sich ja schrecklich an.<br />

„Oh man, Gott sei Dank bist du da raus gekommen!“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Ja, Gott sei Dank bin ich <strong>das</strong>!“, stimmte Scott ihr zu.<br />

<strong>Dora</strong> starrte in <strong>das</strong> lodernde Feuer <strong>und</strong> merkte plötzlich, wie müde<br />

sie eigentlich war. Sie blickte auf die Uhr, um herauszufinden, wie<br />

spät es war, doch---<br />

„<strong>Lily</strong>, schau dir mal <strong>das</strong> an!“<br />

Sie zeigte ihrer Schwester ihre Armbanduhr.<br />

128


„Die war doch noch neu!“, sagte <strong>Lily</strong>, nachdem sie einen prüfenden<br />

Blick auf <strong>das</strong> Display der Digitaluhr geworfen hatte.<br />

Schwarze Punkte flackerten wirr über den Bereich, wo eigentlich<br />

die Zahlen sein sollten, <strong>und</strong> schienen sich einen wilden Kampf zu<br />

liefern.<br />

„Ja, die haben wir doch gestern erst von Onkel Dudley als Abschiedsgeschenk<br />

bekommen.“<br />

<strong>Dora</strong> schüttelte ihre Hand <strong>und</strong> klopfte mit dem Fingernagel ihres<br />

Zeigefingers auf die kleine, r<strong>und</strong>e Glasscheibe.<br />

„Was ist?“, fragte Ted.<br />

„Meine Uhr spinnt“, erklärte <strong>Dora</strong>, nahm sie sich von der Hand<br />

<strong>und</strong> schlug sie hart gegen die Holzgriffe des Stuhles, auf dem sie<br />

saß, in der H<strong>of</strong>fnung, sie könnte wieder funktionieren, wenn sie sie<br />

zu Tode prügelte.<br />

„Zeig mal“, meinte er <strong>und</strong> streckte seine Hand nach der Uhr aus.<br />

<strong>Dora</strong> ließ sie hineinfallen <strong>und</strong> beobachtete ihn, wie er <strong>das</strong> Gerät<br />

vorher kritisch musterte <strong>und</strong> dann zu lachen begann.<br />

„Die kannst du hier vergessen“, meinte er <strong>und</strong> gab <strong>Dora</strong> ihre Uhr<br />

zurück. „Wenn dir diese Uhr etwas wert ist, dann schick sie so<br />

schnell wie möglich nach Hause. Hier in Hogwarts herrscht zuviel<br />

Magie, als <strong>das</strong>s elektrische Dinge richtig funktionieren würden.<br />

Wenn du hier Uhren verwenden willst, dann nimm welche, die keinen<br />

Strom benutzen, dann geht’s!“<br />

„Magie liegt in der Luft“, murmelte <strong>Lily</strong>. „Hier bekommt dieser<br />

Spruch eine ganz neue Bedeutung… Schick sie einfach morgen mit<br />

nach Hause, wir müssen sowieso Onkel Dudley <strong>und</strong> Tante Emily<br />

eine Eule schicken!“<br />

<strong>Dora</strong> nickte <strong>und</strong> stopfte die verrückt gewordene Uhr in die Tasche<br />

ihres Umhanges. Dann stand sie auf.<br />

„Ich geh schlafen. Wir Pr<strong>of</strong>essor McGonagall gesagt hat: Morgen<br />

wird ein langer Tag“, sagte sie. „Kommst du mit, <strong>Lily</strong>?“<br />

<strong>Lily</strong> nickte <strong>und</strong> erhob sich ebenfalls.<br />

129


„Könntet ihr beide morgen hier im Gemeinschaftsraum auf uns<br />

warten? Ich bezweifle nämlich stark, <strong>das</strong>s wir den Weg bis nach unten<br />

alleine wieder finden würden“, fragte <strong>Lily</strong> die beiden Jungs.<br />

Diese nickten. Sie wünschten sich noch gute Nacht <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Dora</strong> stiegen schon wenige Augenblicke später die Wendeltreppen<br />

hinauf, in ihren Schlafsaal.<br />

„Cool“, sagte <strong>Lily</strong>, als sie ihn erreicht hatten.<br />

Fünf Himmelbetten aus Holz, mit roten Vorhängen <strong>und</strong> goldenen<br />

Mustern schmückten den Raum, genauso wie ein paar große Kästen<br />

<strong>und</strong> ein hohes Fenster, durch welches man genau auf einen Wald sehen<br />

konnte. Die Mädchen vermuteten, <strong>das</strong>s es sich dabei um den<br />

verbotenen Wald handelte.<br />

Vor den Betten stand <strong>das</strong> komplette Gepäck der Mädchen, feinsäuberlich<br />

übereinander gestapelt. Neben <strong>Lily</strong>s Bett stand noch dazu der<br />

Käfig mit Hedwig.<br />

„Na, willst du heute noch raus?“, fragte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> steckte ihren<br />

Finger zwischen zwei der dünnen, weißen Gitterstäbe des kleinen<br />

Reisekäfigs, in dem sich die Eule nicht mal richtig drehen konnte.<br />

„Glaubst du, <strong>das</strong>s wenigstens ein Kugelschreiber hier funktioniert?<br />

Ich weiß nämlich beim besten Willen nicht, wie ich mit dieser Feder<br />

<strong>und</strong> der Tinte, die Hagrid uns besorgt hat, jemals richtig schreiben<br />

können soll“, fügte sie an <strong>Lily</strong> gewandt hinzu.<br />

„Na ja, er verwendet keinen Strom, oder? Einen Versuch ist es<br />

wert!“, antwortete diese.<br />

<strong>Dora</strong> öffnete ihren K<strong>of</strong>fer <strong>und</strong> zog ein Blatt Papier <strong>und</strong> einen Kugelschreiber<br />

heraus <strong>und</strong> begann dann einen kurzen Brief zu schreiben.<br />

Hallo Onkel Dudley <strong>und</strong> Tante Emily!<br />

Wir sind vor einigen St<strong>und</strong>en gut hier in Hogwarts<br />

angekommen. Harry wird h<strong>of</strong>fentlich für ihn selbst<br />

schreiben, wenn nicht, dann sollt ihr wissen, <strong>das</strong>s es ihm<br />

auch gut geht. Wir sind leider nicht ins selbe Haus wie er<br />

130


131<br />

gekommen. Hier gibt es nämlich vier verschiedene<br />

Schülergruppen, die Häuser genannt werden.<br />

Wie geht es euch, James <strong>und</strong> Sam?<br />

Wir würden uns freuen, wenn ihr Hedwig die Antwort<br />

auf unseren Brief gleich mitgeben würdet.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

Sie schrieb den Text des Briefes fertig <strong>und</strong> faltete <strong>das</strong> Papier dann<br />

säuberlich zusammen, bevor sie die Eule aus dem Käfig ließ, welche<br />

ein freudiges Geräusch von sich gab.<br />

„Würdest du <strong>das</strong> nach Hause zu Tante Emily <strong>und</strong> Onkel Dudley<br />

bringen?“, fragte <strong>Dora</strong>, nicht sicher, ob die Eule sie auch verstehen<br />

konnte.<br />

Diese jedoch gab wieder ein Geräusch von sich, welches <strong>Dora</strong> als<br />

‚wird gemacht’ verstand. Dann band sie den Zettel um deren Fuß<br />

<strong>und</strong> öffnete <strong>das</strong> Fenster. Hedwig war s<strong>of</strong>ort auf <strong>und</strong> davon.<br />

„Intelligenter als die Post“, grinste <strong>Lily</strong>, die ihre Schwester beobachtet<br />

hatte.<br />

„Und vor allem gratis“, fügte <strong>Dora</strong> hinzu.<br />

Die Mädchen nahmen ihre K<strong>of</strong>fer <strong>und</strong> räumten so schnell sie<br />

konnten alle ihre Sachen in den Schrank. Als sie dann vor der Treppe<br />

Schritte hörten, die wohl von den anderen Mädchen stammen mussten,<br />

wünschten sie sich noch schnell gute Nacht <strong>und</strong> krochen erschöpft<br />

unter die Bettdecken, nachdem sie die Vorhänge ihrer Himmelbetten<br />

geschlossen hatten.<br />

Am nächsten Morgen war die Sonne noch nicht mal richtig hoch am<br />

Himmel zu sehen, als <strong>Dora</strong> <strong>Lily</strong> aufweckte. Sie griff sie an der<br />

Schulter <strong>und</strong> schüttelte sie.<br />

„<strong>Lily</strong>“, flüsterte sie hektisch.<br />

„Was ist?“, stöhnte ihre Schwester <strong>und</strong> sah auf die große Uhr an<br />

der Wand. „Wir haben noch über eine dreiviertel St<strong>und</strong>e bis zum<br />

Frühstück, lass mich schlafen!“


Doch <strong>Dora</strong> ignorierte sie.<br />

„Wo ist die Schachtel mit dem Umhang <strong>und</strong> der Karte?“, fragte<br />

sie.<br />

„Im Schrank, warum?“<br />

<strong>Lily</strong> drehte sich von <strong>Dora</strong> weg zur Wandseite <strong>und</strong> schloss die Augen<br />

wieder, in der H<strong>of</strong>fnung, <strong>Dora</strong> würde ihr noch ein paar ruhige<br />

Minuten vergönnen, doch falsch gedacht. Ihre Schwester ließ sich<br />

neben ihr auf <strong>das</strong> Bett sinken.<br />

„Gott sei Dank, ich dachte schon, wir hätten sie womöglich im Zug<br />

vergessen“, sagte sie.<br />

„Nein, die habe ich gestern Abend weggeräumt. Keine Angst, sie<br />

ist unverletzt“, murmelte <strong>Lily</strong>, während sie die Decke weiter bis unter<br />

ihr Kinn zog.<br />

Doch eine weitere Erschütterung des Bettes, die <strong>Dora</strong> verursachte,<br />

als sie wieder aufstand, ließ <strong>Lily</strong> nun endgültig die Augen aufschlagen.<br />

Sie drehte sich wieder um. <strong>Dora</strong> war zum Schrank gelaufen <strong>und</strong><br />

holte die braune Kartonbox aus <strong>Lily</strong>s Schrank. Dann setzte sie sich<br />

wieder auf <strong>Lily</strong>s Bett <strong>und</strong> zog den Vorhang zu. <strong>Lily</strong> schaute verwirrt.<br />

„Probieren wir die mal aus?“, flüsterte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> nahm die Karte in<br />

die Hand.<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Hast du deinen Zauberstab da?“<br />

Sie nickte erneut, beugte sich leise vor <strong>und</strong> griff durch den geschlossenen<br />

Vorhang auf <strong>das</strong> kleine Tischchen, <strong>das</strong> neben den Betten<br />

stand, wo sie den Zauberstab ergriff. Die beiden versuchten extra<br />

leise zu sein, damit die anderen drei Mädchen nicht aufwachten <strong>und</strong><br />

sehen konnten, was sie machten.<br />

„Ich schwöre feierlich, <strong>das</strong>s ich ein Tunichtgut bin“, murmelte <strong>Lily</strong><br />

<strong>und</strong> augenblicklich zogen sich wieder die feinen schwarzen Striche<br />

über <strong>das</strong> ausgeblichene Pergament <strong>und</strong> diesmal waren zwischen ihnen<br />

h<strong>und</strong>erte beschriftete Punkte zu erkennen. Hauptsächlich waren<br />

diese in den Bereich des Gryffindor-Turms, einen anderen Turm <strong>und</strong><br />

zwei unterirdische Teile des Schlosses verteilt. Einige bewegten sich<br />

132


langsam in dem herum, was die Gemeinschaftsräume sein mussten,<br />

<strong>und</strong> ein paar einzelne Punkte, die die Lehrer darstellten, wanderten<br />

in deren Räumen auf <strong>und</strong> ab. Der einzige Punkt, der sich irgendwo<br />

auf dem Flur aufhielt, was die Katze des Hausmeisters, Mrs. Norris.<br />

„Cool, oder?“, fragte <strong>Lily</strong>. „Aber mich würde wirklich interessieren,<br />

von wem <strong>das</strong> ist, oder mehr, warum derjenige <strong>das</strong> gerade uns<br />

beiden geschickt hat!“<br />

„Ich habe keine Ahnung. Vielleicht war es ja einer von diesen<br />

hier!“, antwortete <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> zeigte auf die vier Namen der Mitglieder<br />

dieser magischen Tunichtgut GmbH. „Moony, Wurmschwanz, Tatze<br />

<strong>und</strong> Krone… Das sind aber komische Namen, oder?“<br />

„Ja schon. Nachnamen vielleicht? Aber wenn du Wurmschwanz<br />

heißt… Nein… Wer könnte Bescheid wissen, wer die waren?“<br />

<strong>Dora</strong> zuckte mit den Schultern. Sie kannten ihr keine Leute, die<br />

etwas über wahrscheinlich ehemalige Schüler von Hogwarts wissen<br />

konnten außer…<br />

„Hagrid?“, fragten beide gleichzeitig.<br />

Sie grinsten.<br />

„Meinst du <strong>das</strong>s er fragt woher wir die Namen kennen? Wir können<br />

ihm ja schlecht verraten, <strong>das</strong>s wir eine Karte mit diesen Fähigkeiten<br />

haben“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Ich glaube, <strong>das</strong>s wir ihm nichts verraten müssen… Wir sagen einfach,<br />

<strong>das</strong>s wir sie in einem Buch gelesen haben. Er sieht nicht recht<br />

belesen aus <strong>und</strong> wird auch nicht wissen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> nicht stimmt…“,<br />

überlegte <strong>Lily</strong>.<br />

„Okay, wann gehen wir?“<br />

„Nach dem Unterricht heute, würde ich sagen, oder?“, fragte <strong>Lily</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Dora</strong> nickte. „Lass <strong>und</strong> hinunter in den Gemeinschaftsraum gehen.<br />

Scott <strong>und</strong> Ted sind gerade unten angekommen!“<br />

Sie zeigte auf zwei kleine Punkte, die sich in die Mitte des r<strong>und</strong>en<br />

Raumes begaben <strong>und</strong> dort stehen blieben.<br />

„Unheil angerichtet“, murmelte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> packte die Karte wieder<br />

in die Schachtel, bevor sie sich den Schulumhang anzog.<br />

133


Die Mädchen gingen leise aus dem Schlafsaal, die r<strong>und</strong>e Treppe<br />

hinab, wo Ted <strong>und</strong> Scott tatsächlich schon auf zwei Stühlen in der<br />

Mitte des Gemeinschaftsraumes saßen <strong>und</strong> sich unterhielten.<br />

„Guten Morgen“, begrüßte <strong>Lily</strong> sie als erstes. „Gehen wir?“<br />

Die Jungen nickten <strong>und</strong> gemeinsam machten sich die vier auf den<br />

Weg durch <strong>das</strong> Porträtloch. Doch schon am Ende des ersten Flurs tat<br />

sich <strong>das</strong> erste Problem auf. Zwei Treppen waren nebeneinander <strong>und</strong><br />

beide führen in unterschiedliche Richtungen.<br />

„Über welche sind wir gestern gekommen?“, fragte Ted ahnungslos.<br />

„Keine Ahnung“, antworteten die Zwillinge <strong>und</strong> Scott zeitgleich.<br />

„Okay, dann nehmen wir die linke. Irgendwann müssen wir ja runterkommen!“,<br />

schlug Ted vor.<br />

Da auch die anderen keinen vielversprechenderen Vorschlag hatten,<br />

nickten sie <strong>und</strong> folgten Ted. Sie gingen an etlichen, ihnen unbekannten<br />

Porträts vorbei. An die ersten meinte sich <strong>Dora</strong> erinnern zu<br />

können, doch je weiter sie gingen, desto fremder wurden die Bilder.<br />

Schließlich waren sie so viele Treppen hinunter gestiegen, <strong>das</strong>s <strong>Lily</strong><br />

behauptete, sie könnten unmöglich noch über der Erde sein <strong>und</strong> genauso<br />

schaute es auch aus. Es war dunkel <strong>und</strong> Fackeln beleuchteten<br />

die kahlen Wände.<br />

„Wir sind falsch“, meinte Ted <strong>und</strong> blieb stehen.<br />

Die vier schauten sich um.<br />

„Hast du ja ganz toll gemacht“, grinste <strong>Lily</strong>. „Ich hätte rechts genommen!“<br />

Ted zog eine Augenbraue in die Höhe.<br />

„Keiner hat dir verboten, sie zu nehmen“, sagte er. „Außerdem bin<br />

ich mir sicher, <strong>das</strong>s wir die ersten beiden Treppen richtig gegangen<br />

sind!“<br />

„Ist doch egal, es ist zu spät“, meinte <strong>Dora</strong>. „Wie machen wir jetzt<br />

weiter?“<br />

„Zurück können wir nicht“, antwortete Scott.<br />

134


Die anderen folgten seinem Blick hinauf <strong>und</strong> sahen, wie sich die<br />

Treppen unaufhörlich bewegten. Den gleichen Weg zurückzufinden<br />

wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.<br />

„Also geradeaus?“, fragte Ted.<br />

Alle zuckten mit den Schultern, befolgten aber <strong>das</strong> Gesagte <strong>und</strong><br />

gingen weiter. Plötzlich hörten sie Schritte hinter ihnen.<br />

„Dachte ich doch, <strong>das</strong>s ihr es seid“, sagte die Stimme eines Jungen<br />

<strong>und</strong> kam auf die vier zu.<br />

<strong>Dora</strong> atmete tief durch. Es war Jeff. Mit der einen Hand stopfte er<br />

den Rest eines Muffins in den M<strong>und</strong>, während er mit der anderen<br />

den nächsten aus seiner Umhangtasche holte.<br />

„Was macht ihr hier?“, fragte er misstrauisch.<br />

„Die große Halle suchen“, gestand <strong>Dora</strong>.<br />

„Und was machst du hier?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Essen“, murmelte er. „Sollte eigentlich schon seit zwei St<strong>und</strong>en<br />

auf dem Quidditch-Feld sein, hab mich aber verschlafen. Wie auch<br />

immer, wie kommt ihr hierher?“<br />

„Wo hast du <strong>das</strong> Essen her?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Aus der Küche“, antwortete Jeff. „Die Hauselfen haben immer<br />

ein Herz für arme Menschen wie mich, die schon vor dem Frühstück<br />

am ersten Schultag des Jahres aufs Feld müssen! Aber was macht ihr<br />

hier? Die Halle ist über uns!“<br />

„Darauf sind wir auch schon gekommen“, antwortete Ted.<br />

„Und warum seid ihr dann nicht dort?“<br />

Jeff hatte inzwischen den nächsten Muffin mit zwei Bissen hinuntergewürgt.<br />

„Weil wir dachten, hier ist es viel schöner“, murmelte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> ließ<br />

ihren Blick über die kahlen Steinmauern schweifen. „Warum wohl?<br />

Weil wir die Halle nicht gef<strong>und</strong>en haben!“<br />

Jeff legte den Kopf schief, während er zu Ende kaute.<br />

„Ich zeig sie euch“, meinte er <strong>und</strong> stampfte den Erstklässlern voraus,<br />

die ihm folgten. „Vor drei Jahren hab' ich es geschafft, die ersten<br />

beiden St<strong>und</strong>en zu verpassen… Aber wir kannten dann die ganze<br />

135


Schule in- <strong>und</strong> auswendig, denn wir haben alles mindestens dreimal<br />

gesehen, bevor wir die Halle gef<strong>und</strong>en haben. Die Bücherei, den<br />

Krankenflügel,… Wir waren sogar im Gemeinschaftsraum der<br />

Hufflepuffs. Dachten, wir müssten dort rein, weil ein paar Schüler<br />

reingekrochen sind. Gab einen riesen Aufstand, glaubt mir. Die haben<br />

Gryffindor-Besucher nicht so gerne…“<br />

Jeff führte sie eine Treppe hinauf <strong>und</strong> dann einmal quer durch den<br />

Flur <strong>und</strong> durch ein paar Türen. Plötzlich befanden sie sich in der Tür<br />

zwischen der Eingangshalle <strong>und</strong> der großen Halle.<br />

„Hier wären wir“, meinte Jeff <strong>und</strong> winkte den vieren noch mal zu,<br />

bevor er durch die hohe Tür nach draußen verschwand.<br />

„Glück gehabt“, meinte Scott, der direkt hinter Jeff in die noch leere<br />

Halle trat.<br />

Nur ein paar Schüler saßen inzwischen an den Tischen <strong>und</strong> aßen<br />

von den vielseitigen Speisen, die auf dem Tisch aufgetaucht waren.<br />

Sie setzten sich an <strong>das</strong> noch leere Ende des Gryffindor-Tisches <strong>und</strong><br />

langsam, aber sicher füllte sich auch der Rest der Halle mit den<br />

hungrigen Schülern aus allen Häusern.<br />

Tante Emily hatte die Zwillinge <strong>und</strong> ihre eigenen Kinder nie hungern<br />

lassen, aber so ein Frühstück waren sie selbst von ihr nicht gewohnt.<br />

Eier, Schinken, Speck, verschiedene Sorten von Kuchen <strong>und</strong><br />

auch die Muffins, welche Jeff vorhin gegessen hatte, lagen in den<br />

großen Schüsseln bereit. Sie langten kräftig zu, als plötzlich die junge<br />

Pr<strong>of</strong>essorin, Hermine Granger, ihren Tisch entlang schritt <strong>und</strong> jedem<br />

einen St<strong>und</strong>enplan aushändigte. Bei manchen blieb sie länger<br />

stehen, bei anderen nicht so lang. Den Zwillingen gab sie nur <strong>das</strong><br />

Blatt in die Hand, lächelte ihnen zu <strong>und</strong> ging weiter. Zu Scott sagte<br />

sie: „Freut mich, <strong>das</strong>s du in Gryffindor bist!“<br />

Scott nickte, dann blickten sie alle auf ihre St<strong>und</strong>enpläne.<br />

„Erste <strong>und</strong> zweite St<strong>und</strong>e“, las <strong>Dora</strong> vor, „haben wir Verteidigung<br />

gegen die dunklen Künste, dann Verwandlung <strong>und</strong> dann zwei Besenflugst<strong>und</strong>en.“<br />

136


„Ich wollte <strong>das</strong> ja immer schon mal machen, seit ich <strong>das</strong> Plakat in<br />

der Winkelgasse gesehen habe!“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

„Sicher bekommen wir so alte Schrottfeger zum Fliegen“, murmelte<br />

jedoch Ted.<br />

„Dir passt auch gar nichts“, stellte <strong>Lily</strong> fest.<br />

„Also haben wir Pr<strong>of</strong>essor Granger schon heute“, meinte <strong>Dora</strong>, die<br />

noch immer ihren St<strong>und</strong>enplan analysierte. „Ich weiß ja nicht, was<br />

ich von ihr halten soll…“<br />

„Wieso, ich finde sie nett“, sagte Scott.<br />

„Meinst du den Blick, den sie gestern bei der Auswahl draufhatte?“,<br />

fragte <strong>Lily</strong>, die Scotts Bemerkung ignorierte.<br />

„Hat sie dich auch so komisch angeschaut?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

<strong>Lily</strong> nickte <strong>und</strong> zuckte anschließend mit den Schultern.<br />

„Wir sollten uns auf den Weg machen, wir müssen noch unsere<br />

Bücher holen <strong>und</strong> anschließend <strong>das</strong> Klassenzimmer finden. Das kann<br />

bei uns St<strong>und</strong>en dauern!“<br />

Ted stand auf, als er seinen Satz beendet hatte, <strong>und</strong> wartete auf die<br />

anderen. Auch sie erhoben sich.<br />

„Mann, <strong>und</strong> optimistisch bist du ja auch noch“, meinte <strong>Lily</strong> grinsend.<br />

Ted streckte ihr die Zunge entgegen.<br />

„Also bitte, dann zeig du uns den Weg nach oben!“, befahl er.<br />

<strong>Lily</strong> hatte Glück <strong>und</strong> die Treppen führen sie s<strong>of</strong>ort zum Gemeinschaftsraum<br />

der Gryffindors. Sie hatte keine Ahnung, wie sie gegangen<br />

waren, aber Hauptsache war doch, <strong>das</strong>s alle glaubten, sie hätte<br />

von Anfang an gewusst, wohin sie gingen. Sie grinste, als sie durch<br />

<strong>das</strong> Portraitloch stiegen.<br />

„Glückspilz“, murmelte Ted.<br />

<strong>Lily</strong> antwortete allerdings nichts, denn sie glaubte, trotz seiner<br />

Worte einen Anflug von Bew<strong>und</strong>erung in Teds Gesicht zu sehen,<br />

<strong>und</strong> sie war sich sicher, <strong>das</strong>s es ihn störte, <strong>das</strong>s sie besser gewesen<br />

war, als er kurze Zeit zuvor.<br />

137


Wenige Minuten später – diesmal hatten sie allerdings nicht auf<br />

<strong>Lily</strong>s Können, sondern auf eine Schar anderer Erstklässler, angeführt<br />

von einem Vertrauensschüler aus dem sechsten Jahrgang, vertraut –<br />

waren sie im Klassenzimmer für Verteidigung gegen die dunklen<br />

Künste angekommen.<br />

<strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong>, Scott <strong>und</strong> Ted setzten sich in die zweite Reihe, die die<br />

einzige war, die noch komplett leer war, <strong>und</strong> somit genug Platz für<br />

die vier bot. Sie legten gerade ihre Bücher auf den Tisch <strong>und</strong> setzten<br />

sich, als die letzten Schüler gefolgt von einem ziemlich jungen Pr<strong>of</strong>essor<br />

in <strong>das</strong> Klassenzimmer kamen. Er stellte sich vor die Klasse<br />

<strong>und</strong> alle erhoben sich von ihren Plätzen.<br />

Auf den ersten Blick sah er nicht wirklich wie ein Pr<strong>of</strong>essor aus. Er<br />

hatte ein r<strong>und</strong>es Gesicht <strong>und</strong> wirkte eher ungeschickt als gelehrt,<br />

doch schon bald zeigte sich, <strong>das</strong>s der erste Eindruck täuschte.<br />

„Willkommen im ersten Schuljahr!“, sagte der Pr<strong>of</strong>essor. „Mein<br />

Name ist Pr<strong>of</strong>essor Neville Longbottom <strong>und</strong> ich unterrichte jetzt seit<br />

sagenhaften fünf Jahren <strong>das</strong> Fach ‚Verteidigung gegen die dunklen<br />

Künste’. Packt eure Bücher ein, nehmt eure Zauberstäbe <strong>und</strong> kommt<br />

zu mir!“<br />

Die Zwillinge machten schulterzuckend, was er ihnen befohlen<br />

hatte, <strong>und</strong> räumten ihre Bücher zurück in die Schultasche, dann folgten<br />

sie den anderen Schülern nach vorne.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Longbottom schwang geschickt seinen Zauberstab, als<br />

sich die Kinder zu beiden Seiten von ihm versammelt hatten, <strong>und</strong><br />

sämtliche Tische reihten sich entlang der hinteren Wand auf. Elf<br />

verwirrte Augenpaare blickten ihn an.<br />

„Stellt euch im Halbkreis auf“, sagte er bestimmt, aber dennoch<br />

fre<strong>und</strong>lich.<br />

Geduldig wartete er, bis alle um ihn herumstanden <strong>und</strong> bereit waren,<br />

seinen folgenden Worten zu lauschen.<br />

„In diesem Unterricht werdet ihr eure Bücher nicht brauchen <strong>und</strong><br />

ihr werdet keine Aufsätze als Hausaufgaben kriegen“, begann er.<br />

„Ich durfte vor einigen Jahren, als ich selbst an eurer Stelle war, ein<br />

138


paar schreckliche Jahre in diesem Fach durchleben. Die Lehrer waren<br />

vom Bösen besessen, hatten keine Ahnung von dem, was sie redeten,<br />

waren verhext, wollten diese Schule stürzen <strong>und</strong> einer von<br />

ihnen war sogar ein Todesser!“<br />

Ein erstauntes Gemurmel ging durch die Klasse, verstummte allerdings<br />

s<strong>of</strong>ort, als Pr<strong>of</strong>essor Longbottom wieder seine Stimme erhob.<br />

„Ich hatte aber <strong>das</strong> Glück, auch zwei wirklich gute Lehrer zu haben!<br />

Der Sohn eines der beiden steht hier im Raum. Ted Remus Lupin?“,<br />

fragte er.<br />

Ted trat einen Schritt nach vorne, ein wenig erstaunt wirkend.<br />

„Hattest einen tollen Vater, auch wenn du dich nicht erinnern<br />

kannst! Er war ein guter Lehrer!“, sagte Pr<strong>of</strong>essor Longbottom <strong>und</strong><br />

klopfte Ted auf die Schulter.<br />

Dieser lächelte <strong>und</strong> trat wieder zurück.<br />

„Pr<strong>of</strong>essor Lupin hat uns viel Wichtiges beigebracht, zum Beispiel,<br />

wie man einen Irrwicht fertig macht. Miese kleine Viecher. Die wissen,<br />

sie sie einem Angst machen können! Mal sehen, ob wir dieses<br />

Jahr noch zu ihnen kommen, wir haben viel vor!“, fuhr er fort. „Und<br />

der zweite Lehrer war eigentlich gar keiner. Es war Harry Potter!“<br />

Er stoppte kurz um den Schülern zeit zum Murmeln zu geben. <strong>Dora</strong><br />

wandte sich an <strong>Lily</strong>.<br />

„Das heißt, <strong>das</strong>s dieser Harry Potter noch gar nicht so alt sein<br />

kann, wenn Pr<strong>of</strong>essor Longbottom ihn kannte, oder?“, fragte sie.<br />

„Es muss also noch vor wenigen Jahren hier ziemlich 'rauf <strong>und</strong><br />

'runter gegangen sein in der Zaubererwelt!“, nickte <strong>Lily</strong>.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Longbottom räusperte sich <strong>und</strong> die Schülerschar verstummte.<br />

„Harry Potter war mein Klassenkamerad <strong>und</strong> da wir keine ordentliche<br />

Ausbildung in diesem wichtigen Fach bekommen konnten, beschloss<br />

er, es selbst in die Hand zu nehmen. Er gründete mit uns<br />

Freiwilligen eine Art Club <strong>und</strong> er lehrte uns wichtige Sachen, die uns<br />

später <strong>das</strong> Leben gerettet haben. Eine seiner wichtigsten Aussagen<br />

war, <strong>das</strong>s wir nicht wissen, wie es im Kampf ist, auch wenn wir noch<br />

139


so gut sind. Im Angesicht des Feindes ist alles anders. Deshalb ist es<br />

wichtig, die Zauber, Flüche <strong>und</strong> Gegenflüche im Schlaf zu beherrschen,<br />

um sie später auch anwenden zu können, wenn alles verloren<br />

scheint! Er hat uns <strong>das</strong> gelehrt <strong>und</strong> genau <strong>das</strong> versuche ich jetzt bei<br />

euch. Ich weiß, <strong>das</strong>s viele von euch denken werden, <strong>das</strong>s die dunklen<br />

Künste mit dem Sieg über Lord Voldemort verschw<strong>und</strong>en sind, doch<br />

ich sage euch eines: Die dunklen Künste werden nie aussterben <strong>und</strong><br />

früher oder später werden sie zurückkommen! Vielleicht in zehn Jahren<br />

oder vielleicht erst in h<strong>und</strong>ert Jahren, ich weiß es nicht, aber sie<br />

werden kommen! Wenn ihr sie nicht besiegen müsst, dann müssen<br />

es eure Kinder oder Enkelkinder! Deshalb werden wir unsere wertvolle<br />

Zeit nicht damit verschwenden, <strong>The</strong>orien über Zauber zur Verteidigung<br />

zu lesen, sondern wir werden sie ausführen. Und <strong>das</strong> solange,<br />

bis alle sie können, <strong>das</strong> verspreche ich euch. Nun sucht euch<br />

einen Partner <strong>und</strong> stellt euch gegenüber auf!“, meinte er. „Nein,<br />

nein! Ihr beiden sucht euch einen anderen Partner!“<br />

Er grinste die Zwillinge an, die sich s<strong>of</strong>ort zusammenstellen wollten.<br />

Sie sahen sich traurig um <strong>und</strong> wandten sich dann an Ted <strong>und</strong><br />

Scott. Die beiden nickten <strong>und</strong> am Ende stand <strong>Lily</strong> gegenüber von<br />

Ted <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> gegenüber von Scott. Julie Davis war die Einzige, die<br />

keinen Partner hatte <strong>und</strong> so deutete ihr Pr<strong>of</strong>essor Longbottom, zu<br />

ihm zu kommen.<br />

„Wir beginnen mit dem wahrscheinlich einfachsten, aber dennoch<br />

sehr wirkungsvollen Deffensivzauber!“, sagte er.<br />

Wieder ging aufgeregtes Geflüster durch die Klasse. Niemand hatte<br />

geglaubt, <strong>das</strong>s sie schon nach zehn Minuten zaubern würden. <strong>Dora</strong><br />

blickte mit großen Augen zu <strong>Lily</strong>, die vor Vorfreude strahlte.<br />

„Wir versuchen, den anderen zu entwaffnen“, meinte er ruhig.<br />

„Expelliarmus!“<br />

Einige Schüler zuckten zusammen aufgr<strong>und</strong> des plötzlichen Wechsels<br />

seiner Lautstärke. Nachdem er <strong>das</strong> letzte Wort geschrieen hatte,<br />

flogen elf Zauberstäbe durch die Luft <strong>und</strong> landeten hinter den verw<strong>und</strong>erten<br />

Besitzern auf dem Boden. Diese trauten sich gar nicht,<br />

140


sich zu bücken <strong>und</strong> sie wieder aufzuheben. Pr<strong>of</strong>essor Longbottom<br />

grinste.<br />

„Keine Sorge. Das ging natürlich nur, weil ihr nicht aufgepasst<br />

habt. Sonst ist es schon manchmal nicht einfach, nur einen einzigen<br />

Zauberer zu entwaffnen. Ihr habt die Zauberformel gehört. Expelliarmus.<br />

Richtet euren Zauberstab auf den eures Gegenübers <strong>und</strong> versucht<br />

euer Glück. Wechselt euch ab!“, befahl er.<br />

<strong>Dora</strong> fühlte sich etwas komisch bei dem, was sie tat. Sie gab Scott<br />

ein Zeichen, <strong>das</strong>s er beginnen konnte. Er richtete seinen Zauberstab<br />

auf sie <strong>und</strong> murmelte mindestens zehn Mal hintereinander ‚Expelliarmus’,<br />

doch nichts tat sich. Dann nickte er <strong>Dora</strong> zu.<br />

„Tut mir leid, ich schaff es nicht, probier du mal dein Glück“, sagte<br />

er.<br />

In der Klasse waren verzweifelte Rufe zu hören, doch keine Zauberstäbe<br />

verließen die Hände ihrer Besitzer. Ted schrie unablässig<br />

immer <strong>und</strong> immer wieder die Zauberformel, aber nichts tat sich. <strong>Lily</strong><br />

spielte sich inzwischen mit ihrem Zauberstab <strong>und</strong> ließ ihn auf ihrem<br />

Zeigefinger kreisen, um Ted zu zeigen, <strong>das</strong>s ihr langweilig war.<br />

„Okay“, sagte <strong>Dora</strong>.<br />

Sie richtete ihren Zauberstab auf Scott <strong>und</strong> murmelte leise ‚Expelliarmus’.<br />

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, flog Scotts Zauberstab<br />

schon in großem Bogen auf die andere Seite der Klasse.<br />

„Hast du ihn mit Absicht weggeworfen?“, fragte <strong>Dora</strong> den verw<strong>und</strong>erten<br />

Scott.<br />

Alle Schüler im Raum hatten sich zu <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Scott umgewandt.<br />

Auch Pr<strong>of</strong>essor Longbottom schaute die beiden mit großen Augen<br />

an. Scott schüttelte den Kopf.<br />

„Wie hast du <strong>das</strong> gemacht?“, fragte er.<br />

„Ich hab nur dieses Wort gesagt“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Das will ich auch probieren. Pass auf Ted“, sagte <strong>Lily</strong>.<br />

Alle Blicke richteten sich jetzt auf sie <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> war froh, <strong>das</strong>s<br />

niemand mehr auf sie selbst achtete. Auch sie beobachtete ihre Zwil-<br />

141


lingsschwester. Ted stellte sich hin <strong>und</strong> hielt seinen Zauberstab ausgestreckt<br />

in seiner Hand.<br />

„Expelliarmus“, sagte <strong>Lily</strong> wenig überzeugt <strong>und</strong> wenige Augenblicke<br />

später befand sich Teds Zauberstab neben dem von Scott.<br />

<strong>Lily</strong> schaute so als könne sie nicht glauben, was sie da gerade eben<br />

gemacht hatte <strong>und</strong> kratzte sich an der Stirn, während sie überlegte.<br />

„Ausgezeichnet“, meinte Pr<strong>of</strong>essor Longbottom <strong>und</strong> ging auf die<br />

beiden zu. „Habt ihr diesen Zauber schon mal verwendet?“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> schüttelten den Kopf.<br />

„Bis vor etwa einem Monat wussten wir nicht mal, <strong>das</strong>s es Zauberer<br />

gibt!“, antwortete <strong>Lily</strong>.<br />

„Erstaunlich“, sagte er. „Kommt nach vorn. Julie, würde es dir etwas<br />

ausmachen, mit Ted <strong>und</strong> Scott weiterzuüben? Wenn die beiden<br />

nämlich mit den Zwillingen weitermachen, hat <strong>das</strong> keinen Sinn!“<br />

Julie nickte <strong>und</strong> ging auf die Jungs zu.<br />

„Also, weitermachen!“, befahl er fre<strong>und</strong>lich.<br />

Dann wandte er sich den Zwillingen zu.<br />

„Das w<strong>und</strong>ert mich, normalerweise schafft <strong>das</strong> keiner beim ersten<br />

Mal“, sagte er. „Zeigt mir <strong>das</strong> noch mal! <strong>Lily</strong>, entwaffne <strong>Dora</strong>!“<br />

<strong>Lily</strong> tat, wie ihr befohlen wurde <strong>und</strong> schon kurz später flog <strong>Dora</strong>s<br />

Zauberstab durch die Luft, über den Kopf von Pr<strong>of</strong>essor Longbottom,<br />

welcher ihn ungeschickt mit den Fingerspitzen auffing <strong>und</strong> ihn<br />

seiner Besitzerin zurückgab. Er deutete <strong>Dora</strong>, <strong>das</strong>s sie es versuchen<br />

sollte. Sie entwaffnete <strong>Lily</strong> ohne Mühe <strong>und</strong> nachdem sie beide Pr<strong>of</strong>essor<br />

Longbottom auf dessen Befehl hin auch noch entwaffnet hatten,<br />

war er überzeugt.<br />

„Okay, anscheinend war es nicht nur Glück! Freut mich, <strong>das</strong>s es<br />

bei euch beiden so schnell geklappt hat. Ihr müsst talentiert sein!“,<br />

meinte er lächelnd. „Dann könnt ihr mir ja helfen, es den anderen zu<br />

zeigen. Geht durch die Reihen <strong>und</strong> helft, okay?“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> nickten, obwohl sie keine Ahnung hatten, wie sie<br />

den anderen helfen sollten, immerhin wussten sie ja selbst nicht, wie<br />

142


sie es machten. Sie taten gar nichts anderes, als all die anderen auch,<br />

nämlich einfach den Zauberstab zu halten <strong>und</strong> die Formel zu sagen.<br />

Nach zwei St<strong>und</strong>en verließen die Zwillinge als letztes mit Ted <strong>und</strong><br />

Scott die Klasse. Wie eine Handvoll anderer Schüler hatte es auch<br />

Scott inzwischen geschafft, Ted zu entwaffnen. Dieser ließ die<br />

Schultern hängen, als er missgelaunt einen Schritt vor den nächsten<br />

setzte.<br />

„Aber immerhin hat sich der Zauberstab von Julie bewegt, als du<br />

sie entwaffnen wolltest“, versuchte Scott ihn aufzumuntern, hatte<br />

allerdings wenig Erfolg damit.<br />

Ted atmete zur Antwort nur einmal schwer durch.<br />

„Na ja, jetzt hast du ja die nächste Chance. Wir haben Verwandlung<br />

bei der stellvertretenden Schulleiterin“, meinte <strong>Dora</strong>, die erneut<br />

ihren St<strong>und</strong>enplan aus ihrem Umhang gezogen hatte.<br />

Sie gingen noch ein paar Schritte den Flur entlang, hinter anderen<br />

Schülern aus Gryffindor her. Diese bogen in einen Raum ein <strong>und</strong> die<br />

Zwillinge folgten ihnen.<br />

In diesem Klassenzimmer waren bereits andere Schüler. Erst als<br />

Harry auf <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> zu gerannt kam, bemerkten sie, <strong>das</strong>s es die<br />

Hufflepuffs aus ihrem Jahrgang waren.<br />

„Hallo“, begrüßte er die beiden. „Lang nicht gesehen!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> nickten.<br />

„Was hattet ihr die ersten beiden St<strong>und</strong>en?“, fragte er.<br />

„Wir hatten Verteidigung gegen die dunklen Künste <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> <strong>und</strong><br />

ich haben sogar einen Entwaffnungszauber zustande gebracht!“, berichtete<br />

<strong>Lily</strong>.<br />

„Ja ja, gib nur an“, murmelte Ted.<br />

„Was, ihr durftet zaubern?“, fragte Harry.<br />

Er ignorierte Ted komplett, was diesen noch beleidigter aussehen<br />

ließ.<br />

„Ja klar, ihr nicht?“<br />

143


Die beiden setzten sich neben Harry <strong>und</strong> Matthew Cauldwell, der<br />

ihnen fre<strong>und</strong>lich zulächelte, an einen Vierertisch.<br />

„Nein“, antwortete Harry. „Ich kam noch nicht mal dazu, den Zauberstab<br />

überhaupt auszupacken. Stattdessen durften wir meterweise<br />

Pergament voll schreiben. Und <strong>das</strong> Beste ist, <strong>das</strong>s Pr<strong>of</strong>essor Binns<br />

ein Geist ist!“<br />

<strong>Dora</strong> beugte sich nach vor, um an ihrer Schwester vorbei zu Harry<br />

blicken zu können.<br />

„Ein Geist? Welches Fach hattet ihr?“, fragte sie verblüfft.<br />

„Ja, ein echter Geist. Es war Zaubereigeschichte! Und wisst ihr<br />

noch, als wir gesagt haben, <strong>das</strong>s dieses Fach doch gar nicht so langweilig<br />

sein kann?“<br />

Die Zwillinge nickten.<br />

„Nun ja, wir hatten falsch gedacht. Den Alten müsst ihr mal reden<br />

hören! Schon nach zehn Minuten lag die halbe Klasse im Halbschlaf!“<br />

„Aber er ist ein Geist, schon alleine <strong>das</strong> muss die St<strong>und</strong>e spannend<br />

machen“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

„Wieder falsch gedacht“, erklärte ihr Harry. „Zugegeben, die ersten<br />

beiden Minuten fand ich es auch noch interessant, durch ihn hindurch<br />

auf die leere Tafel <strong>und</strong> den Sessel hinter ihm zu blicken, aber<br />

selbst <strong>das</strong> war nicht mehr interessant, als er zu reden begann!“<br />

<strong>Lily</strong> wollte gerade antworten, als Pr<strong>of</strong>essor Granger die Klasse<br />

betrat. Sie lächelte in die R<strong>und</strong>e, als sie nach vorne hinter den Lehrertisch<br />

trat.<br />

„Guten Tag“, sagte sie.<br />

Alle Augen richteten sich gespannt auf die Lehrerin, welche bereits<br />

ihren Zauberstab gezückt hatte.<br />

„Im Fach Verwandlung geht es darum, Gegenstände oder Lebewesen<br />

mit dem Zauberstab <strong>und</strong> einem Zauberspruch so zu verzaubern,<br />

<strong>das</strong>s sie ihr Aussehen oder ihre Wesensart verändern“, erklärte sie.<br />

„Beginnen werden wir damit…“<br />

Sie h<strong>of</strong> einen Löffel in die Luft, damit alle ihn sehen konnten.<br />

144


„… einen Löffel in eine Gabel zu verwandeln. Das hat zwar nicht<br />

viel Sinn, ist allerdings einer der einfachsten Verwandlungszauber.<br />

Sprecht einfach folgende Formel nach <strong>und</strong> achtet auf meine Bewegungen.<br />

Das Wichtigste aber ist, <strong>das</strong>s ihr euch auf die Gestalt einer<br />

Gabel konzentriert <strong>und</strong> <strong>das</strong> voll <strong>und</strong> ganz, hört ihr?“<br />

Ein zustimmendes Gemurmel ging durch die klasse, während sie<br />

ein paar Worte sagte, ihren Zauberstab kunstvoll durch die Luft<br />

schwang <strong>und</strong> anschließend mit der Spitze auf den Löffel zeigte. Dieser<br />

verwandelte sich augenblicklich in eine glänzende Gabel.<br />

„So in etwa!“, meinte sie. „Versucht euer Glück, ich werde euch<br />

helfen. Holt euch bitte jeder einen Löffel!“<br />

Harry ging nach vorne <strong>und</strong> holte vier der alten Esslöffel an ihren<br />

Tisch, die er anschließend seinen Cousinen <strong>und</strong> Matthew übergab.<br />

„Also wie war <strong>das</strong>?“, fragte er <strong>und</strong> blickte von einem zum anderen.<br />

Matthew versuchte inzwischen mit aller Mühe, seinen Löffel zu<br />

verwandeln, dieser machte allerdings keine Anstalten, seinen Befehl<br />

zu befolgen.<br />

„Na dann mal schauen, ob <strong>das</strong> auch so einfach ist“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> blickte zu ihrer Schwester hinüber. Diese kniff die Augen zusammen,<br />

stellte sich vor, wie sich der Löffel in eine Gabel verwandelte,<br />

murmelte die Zauberworte, schwang den Zauberstab in etwa<br />

so, wie sie es bei Pr<strong>of</strong>essor Granger gesehen hatte <strong>und</strong> deutete anschließend<br />

auf den Löffel.<br />

Augenblicklich wurde die r<strong>und</strong>e Seite des Löffels schmaler <strong>und</strong><br />

teilte sich in drei Teile, welche schließlich spitz zusammenliefen <strong>und</strong><br />

wenige Momente später lag eine perfekte Gabel vor ihr.<br />

<strong>Dora</strong> machte <strong>das</strong>selbe <strong>und</strong> ein paar Sek<strong>und</strong>en später hatte auch sie<br />

eine perfekt geformte Gabel vor ihr liegen. Die beiden grinsten sich<br />

an.<br />

„So geht <strong>das</strong>“, meinte <strong>Lily</strong>, hielt ihre Gabel demonstrativ auf Augenhöhe<br />

von Harry, welcher s<strong>of</strong>ort den verzweifelten Versuch, seinen<br />

Löffel zu verhexen, aufgab.<br />

„Wie hast du <strong>das</strong> gemacht?“, fragte er laut.<br />

145


<strong>Lily</strong> legte ihr Essbesteck wieder auf den Tisch, machte <strong>das</strong>selbe<br />

wie kurz zuvor, nur stellte sie sich vor, <strong>das</strong>s sich die Gabel in ein<br />

Messer verwandeln sollte <strong>und</strong> nur kurz später lag es vor ihr.<br />

„Du musst einfach nur eine schöne Bewegung machen, die Formel<br />

sagen <strong>und</strong> an eine Gabel denken“, erklärte sie.<br />

Harry befolgte ihren Rat <strong>und</strong> machte, was sie ihm erklärt hatte.<br />

Dass sich schon wieder die kompletten beiden Reihen vor ihnen umgedreht<br />

hatten um ihnen zuzusehen, merkten <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> vor allem<br />

Harry nicht, so angestrengt konzentrierte er sich.<br />

„Ha!“, rief er plötzlich <strong>und</strong> hielt seinen Löffel in die Höhe.<br />

<strong>Lily</strong> sah ihn mit gerunzelter Stirn an.<br />

„Was ist?“, flüsterte sie.<br />

„Schau dir <strong>das</strong> an!“<br />

Harry zeigte auf seinen Löffel, aus dessen Stiel nun nicht nur der<br />

normale Löffel, sondern auch zwei Gabelspitzen auf jeder Seite der<br />

R<strong>und</strong>ung ragten.<br />

„Nicht schlecht für den Anfang“, meinte Pr<strong>of</strong>essor Granger, die<br />

gerade auf Matthews Seite des Tisches auf die vier zugeschritten<br />

kam, um zu sehen, was es da zu beobachten gab.<br />

Dann fiel ihr Blick auf <strong>Lily</strong>s Messer <strong>und</strong> auf <strong>Dora</strong>s Gabel.<br />

„Tut mir leid“, meinte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> verwandelte ihr Messer augenblicklich<br />

wieder in eine Gabel, weil sie meinte, <strong>das</strong>s der verw<strong>und</strong>erte<br />

Gesichtsausdruck von Pr<strong>of</strong>essor Granger ihr falsches Essbesteck<br />

zum Gr<strong>und</strong> hatte.<br />

„Habt ihr <strong>das</strong> schon mal gemacht oder ist <strong>das</strong> auch <strong>das</strong> erste Mal?“,<br />

fragte Pr<strong>of</strong>essor Granger die Zwillinge.<br />

„Das erste Mal“, antwortete <strong>Dora</strong>. „Aber wieso ‚auch’?“<br />

„Ich habe mit Pr<strong>of</strong>essor Longbottom gesprochen, kurz bevor ich in<br />

die Klasse bekommen bin“, antwortete die Lehrerin.<br />

Sie musterte die beiden noch mal mit einem Blick, den die Mädchen<br />

wieder nicht deuten konnten. Es war genauso wie am Vortag<br />

bei der Auswahlszeremonie. Sie hatten keine Ahnung, was sie getan<br />

hatten, <strong>das</strong>s sie von Anfang an so angeschaut wurden.<br />

146


Die anderen Schüler schauten langsam aber sicher immer verzweifelter<br />

aus, bei dem Versuch ihren Löffel zu verhexen. Harry hatte es<br />

inzwischen geschafft <strong>und</strong> sein Besteck glich bereits mehr einer Gabel.<br />

Er schaute stumm <strong>und</strong> voller Stolz auf <strong>das</strong> hinab, was er geschaffen<br />

hatte, so als könnte er <strong>das</strong> alles immer noch nicht glauben.<br />

Währenddessen verwandelten die Zwillinge <strong>das</strong>, was eigentlich einmal<br />

ein Löffel gewesen war, in dutzende verschiedene Dinge <strong>und</strong><br />

dann stritten sie darüber, wessen Teller oder wessen Tasse nun am<br />

schönsten war.<br />

Am Ende der St<strong>und</strong>e verkündete Pr<strong>of</strong>essor Granger, <strong>das</strong>s sie sich<br />

ihre Übungsgegenstände zum Üben mitnehmen dürften. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Dora</strong> verwandelten ihren Gegenstand, der jetzt eine perfekt gearbeitete<br />

Glasflasche darstellte, schnell in eine Stecknadel.<br />

„Was soll <strong>das</strong>?“, fragte Harry die beiden, als sie die Nadel in den<br />

Rucksack steckten, um sie nicht zu verlieren.<br />

„Glaubst du wir tragen eine Glasflasche rum? Die ist doch viel zu<br />

schwer“, antwortete ihm <strong>Lily</strong>.<br />

Harry runzelte die Stirn.<br />

„Du brauchst gar nicht so anzugeben!“, meinte er, aber ausnahmsweise<br />

war keine Spur von Beleidigung in Harrys Miene zu erkennen.<br />

Wahrscheinlich war er einfach zu überwältigt davon, <strong>das</strong> erste Mal<br />

im Leben etwas gezaubert zu haben, mit einem Zauberstab, der nicht<br />

aus Plastik war.<br />

Die Zwillinge verabschiedeten sich von Harry, der mit Matthew<br />

als erstes <strong>das</strong> Klassenzimmer verließ <strong>und</strong> warteten noch auf Ted <strong>und</strong><br />

Scott. Als diese zusammengepackt hatten, waren nur noch wenige<br />

Schüler im Raum.<br />

„Ihr wart wieder mal die Besten“, meinte Ted. „Wenn <strong>das</strong> <strong>das</strong> ganze<br />

Jahr so geht, dann…“<br />

„<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>?“<br />

Sie wollten gerade durch die Tür hinaus auf den Flur gehen, als sie<br />

sich umdrehten. Pr<strong>of</strong>essor Granger kam auf sie zu.<br />

„Kommt ihr beide bitte mit mir?“, fragte sie.<br />

147


<strong>Lily</strong> blickte <strong>Dora</strong> kurz an <strong>und</strong> nickte dann in Richtung der Lehrerin.<br />

Was hatten sie jetzt schon wieder angestellt? ‚Kommt ihr beide<br />

bitte mit mir?’ konnte doch niemals etwas Gutes bedeuten. Die beiden<br />

deuteten Ted <strong>und</strong> Scott weiterzugehen.<br />

„Keine Sorge, ich sage Madam Hooch, <strong>das</strong>s ihr beiden heute nicht<br />

zu ihrem Unterricht kommt! Würdet ihr eure Sachen schnell nach<br />

oben tragen? Wir treffen uns dann vor dem Tor in der Eingangshalle“,<br />

meinte sie.<br />

Die Zwillinge nickten <strong>und</strong> einen Augenblick später sahen sie nur<br />

noch den Rücken von Pr<strong>of</strong>essor Granger, die in die entgegen gesetzte<br />

Richtung des Flurs ging.<br />

„Ich wollte aber fliegen“, meinte <strong>Lily</strong> traurig.<br />

„Und ich will wissen, was ihr an uns nicht passt! Sie behandelt<br />

doch die anderen nicht so komisch!“<br />

„Was, glaubst du, hat sie vor?“<br />

<strong>Dora</strong> zuckte mit ihren Schultern. Sie schlossen sich einem Rudel<br />

älterer Schüler an, von denen sie meinten, sie im Gemeinschaftsraum<br />

gestern Abend schon mal gesehen zu haben.<br />

Im Schlafsaal angekommen schmissen sie nur schnell ihre Schultasche<br />

aufs Bett <strong>und</strong> machten sich wieder auf den Weg nach unten.<br />

Wieder hatten sie <strong>das</strong> Glück, ein paar anderen Schülern folgen zu<br />

können. Als sie die letzte Treppe zur Eingangshalle herabkamen, sahen<br />

sie auch schon Pr<strong>of</strong>essor Granger, die vor der Tür stand <strong>und</strong> auf<br />

die beiden wartete.<br />

„Dann kommt mal mit raus“, deutete sie den beiden <strong>und</strong> ging ihnen<br />

voran über die Treppe.<br />

Sie gingen ein Stück über <strong>das</strong> große Gelände, <strong>das</strong> zum Schloss gehörte.<br />

Ein Stück weiter sahen sie die anderen aus ihrer Klasse, die<br />

sich um eine grauhaarige Lehrerin versammelt hatten <strong>und</strong> ihr aufmerksam<br />

zuhörten. Mit einem ziemlich neidischen Blick wandte sich<br />

<strong>Lily</strong> ab.<br />

„Keine Sorge, ihr dürft auch fliegen!“, meinte Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

148


Es war fast so, als hätte sie <strong>Lily</strong>s Gedanken gelesen. <strong>Lily</strong> schaute<br />

zu ihr auf, doch sie blickte nur stur geradeaus <strong>und</strong> plötzlich blieb sie<br />

stehen.<br />

Sie Sonne war inzwischen an ihrem höchsten Punkt am Himmel<br />

<strong>und</strong> es war hier nur wenig kühler als Zuhause im Ligusterweg. Die<br />

langen schwarzen Umhänge verbesserten diesen Umstand auch nicht<br />

wirklich.<br />

„So, da wären wir!“, sagte Pr<strong>of</strong>essor Granger. „Accio Besen!“<br />

Schnell wie der Wind kamen zwei Besen aus dem Nichts auf sie<br />

zugesaust.<br />

„Ihr fragt euch sicher, was <strong>das</strong> soll?“, fragte sie die Schwestern.<br />

Beide nickten.<br />

„Ich denke nicht, <strong>das</strong>s ihr Hilfe von Madam Hooch braucht, wenn<br />

ihr einen Besen fliegen wollt!“, meinte sie.<br />

<strong>Dora</strong> blickte an ihr vorbei zurück an die Stelle, an der die anderen<br />

Gryffindors <strong>und</strong>, soweit sie erkennen konnte, auch die Slytherins aus<br />

ihrem Jahrgang standen. Sie waren zu weit entfernt, als <strong>das</strong>s sie genau<br />

erkennen konnte, was geschehen war, allerdings meinte sie, sehen<br />

zu können, wie sich die Lehrerin zu irgendetwas hinuntergebeugt<br />

hatte. Alle anderen standen im Halbkreis. War jemand vom<br />

Besen gefallen? Und dann sagte Pr<strong>of</strong>essor Granger, <strong>das</strong>s sie keine<br />

Hilfe benötigten?<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger drehte sich um, als sie <strong>Dora</strong>s ängstliches Gesicht<br />

sah <strong>und</strong> beobachtete die Gruppe von Menschen auf der anderen<br />

Seite der Wiese einen Moment.<br />

„Keine Sorge, <strong>das</strong> wird euch nicht passieren!“, meinte sie ruhig.<br />

Sie legte einen Besen rechts <strong>und</strong> einen links von sich auf den Boden<br />

<strong>und</strong> trat zur Seite.<br />

„So, jetzt stellt euch neben die Besen, streckt eure Hand über sie<br />

aus <strong>und</strong> sagt ‚Hoch’!“<br />

Langsamen Schrittes traten die Mädchen zu jeweils einem Besen.<br />

Sie nickten sich zu <strong>und</strong> sagten dann zeitgleich „Hoch.“ Augenblicklich<br />

hatten sie beide einen Besen in der Hand.<br />

149


Sie blickten zu Pr<strong>of</strong>essor Granger. Diese schüttelte den Kopf <strong>und</strong><br />

runzelte die Stirn.<br />

„Stimmt was nicht?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Nein, alles in Ordnung! Das war super! Jetzt steigt auf, stoßt euch<br />

ab <strong>und</strong> fliegt einmal um <strong>das</strong> Schloss!“<br />

<strong>Dora</strong> sah auf den dünnen Besenstil hinab, den sie in der Hand hielt.<br />

Sie fragte sich, wie sie darauf fliegen können sollte <strong>und</strong> blickte zu<br />

<strong>Lily</strong>, die <strong>das</strong>selbe Gesicht machte wie sie selbst.<br />

„Aber…“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

Doch Pr<strong>of</strong>essor Granger sah sie streng an.<br />

„Kein ‚Aber’, probiert es!“, befahl sie.<br />

<strong>Lily</strong> hatte ihr trotziges ‚Die will uns doch umbringen!’-Gesicht<br />

aufgesetzt, aber dennoch war sie schneller als <strong>Dora</strong>. Während diese<br />

noch überlegte, wie sie es anstellen sollte, nicht s<strong>of</strong>ort wieder herunterzufallen,<br />

oder noch besser, wie sie es anstellen sollte in die Luft<br />

zu kommen, schwang <strong>Lily</strong> ihr Bein ohne nachzudenken über den<br />

Besen, stieß sich vom Boden ab, zog den Stiel leicht nach oben <strong>und</strong><br />

schon war sie meterhoch in der Luft.<br />

<strong>Dora</strong> sah ihrer Schwester kurz zu, dann überwand sie sich <strong>und</strong><br />

machte es ihr nach <strong>und</strong> plötzlich war alles ganz einfach. Sie hatte<br />

nicht <strong>das</strong> Gefühl, sich richtig festhalten zu müssen. Es war, als würde<br />

sie von ganz alleine Gleichgewicht halten, ohne sich auch nur ansatzweise<br />

darauf zu konzentrieren. Sie dachte gar nicht darüber nach,<br />

was sie eigentlich tat, sondern sie spürte nur den kühlen Flugwind in<br />

ihrem Gesicht, während sie <strong>Lily</strong> nachjagte, die inzwischen schon über<br />

der anderen Gruppe angekommen war.<br />

Alle schauten auf zu den beiden Schwestern, die schon kurz danach<br />

um <strong>das</strong> Schloss bogen, weiter in die Höhe stiegen, bei einigen<br />

Fenstern vorbeijagten <strong>und</strong> auf der anderen Seite wieder zurück zu<br />

ihrem Ausgangspunkt flogen.<br />

Als <strong>Lily</strong> Pr<strong>of</strong>essor Granger erkennen konnte, drückte sie den Stiel<br />

nach unten <strong>und</strong> schon kurz darauf landete sie sicher auf dem Boden<br />

neben ihr. <strong>Dora</strong> kam nur einige Sek<strong>und</strong>en nach ihr auf der anderen<br />

150


Seite der Lehrerin auf dem Boden auf. <strong>Lily</strong> strahlte übers ganze Gesicht<br />

<strong>und</strong> <strong>Dora</strong> machte es ihr nach.<br />

„Mann, <strong>das</strong> war <strong>das</strong> Beste, was ich in meinem ganzen Leben gemacht<br />

habe!“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> nickte <strong>und</strong> dann blickten sie beide, noch immer strahlend,<br />

hoch zu Pr<strong>of</strong>essor Granger. Diese schüttelte erneut den Kopf <strong>und</strong><br />

setzte plötzlich ein leichtes Lächeln auf.<br />

„Hab' ich nicht gesagt, <strong>das</strong>s euch nichts passiert?“, fragte sie.<br />

Die Zwillinge nickten.<br />

„Okay, <strong>das</strong> waren die Flugst<strong>und</strong>en für euch. Ich dachte mir schon<br />

so was. Wir müssen jetzt etwas klären. Kommt bitte mit in mein Büro!“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger machte einen Schwenker mit ihrem Zauberstab,<br />

murmelte „Locomotor Besen“ <strong>und</strong> augenblicklich erhoben sich die<br />

beiden Fluggeräte <strong>und</strong> schwebten neben ihnen her, zurück in die<br />

Schule. Auf der Treppe stießen sie mit Madam Hooch <strong>und</strong> Laura<br />

Attkins zusammen.<br />

„Was ist passiert?“, fragte Hermine <strong>und</strong> musterte Laura.<br />

„Sie ist gestürzt. Wir gehen vorsorglich hoch in den Krankenflügel“,<br />

erklärte die Lehrerin mit den kurzen grauen Haaren. „Toller<br />

Flug übrigens von euch beiden“, grinste sie den Zwillingen zu, dann<br />

ging sie mit Laura ihnen voraus ins Schloss.<br />

Als ihnen ein Junge mit braunen Haaren <strong>und</strong> einer spitzen Nase<br />

entgegenkam, stoppte Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

„Hey Tom“, rief sie.<br />

Der etwa zwölf- oder dreizehnjährige Junge kam auf sie zu <strong>und</strong><br />

blieb vor ihr stehen.<br />

„Könntest du schnell zu Pr<strong>of</strong>essor Hagrid in die Hütte gehen <strong>und</strong><br />

ihn bitten, in mein Büro zu kommen?“<br />

Er nickte <strong>und</strong> verschwand in der Tür, durch die die Zwillinge gerade<br />

eben mit Pr<strong>of</strong>essor Granger gekommen waren. Schweigend folgten<br />

die beiden ihrer Lehrerin von einer Treppe zur nächsten <strong>und</strong> von<br />

einem Flur zum anderen.<br />

151


Die Überraschung<br />

Schnellen Schrittes führte Pr<strong>of</strong>essor Granger die Zwillinge in ihr Büro<br />

in einem der oberen Stockwerke. Welches es genau war, konnten<br />

die Zwillinge nicht sagen, denn hier waren sie bis jetzt noch nicht<br />

gewesen. Sie öffnete eine Tür <strong>und</strong> ließ die beiden Mädchen an sich<br />

vorbei in den Raum.<br />

<strong>Dora</strong> schaute sich um. Sie mochte dieses Büro s<strong>of</strong>ort. An allen<br />

Wänden standen Regale voller Bücher. Die meisten davon schienen<br />

ziemlich alt zu sein. Es war alles an seinem Platz <strong>und</strong> durch <strong>das</strong> hohe<br />

Fenster sahen sie hinab auf den verbotenen Wald. Sie schienen nur<br />

ein oder zwei Stockwerke unter dem Gemeinschaftsraum der Gryffindors<br />

zu sein, denn der Ausblick war genauso überwältigend. In<br />

der Mitte des Raumes stand ein kleines S<strong>of</strong>a, welches wohl dazu<br />

diente, <strong>das</strong>s Pr<strong>of</strong>essor Granger es gemütlich hatte, wenn sie sich in<br />

einem ihrer zahlreichen Bücher verkriechen wollte.<br />

Außerdem standen noch ein großer moderner Schreibtisch aus hellem<br />

Holz <strong>und</strong> ein dazu passender Drehsessel im Raum. Gegenüber<br />

dem Schreibtisch, auf der anderen Seite des Raumes, war ein kleines<br />

Stückchen Wand zu erkennen, welches nicht von Bücherregalen verdeckt<br />

war. <strong>Dora</strong> schaute genau hin <strong>und</strong> konnte ein großes Bild erkennen.<br />

Darauf zu sehen waren eine etwas jünger aussehende Hermine<br />

Granger, ein schwarzhaariger Junge, den <strong>Dora</strong> s<strong>of</strong>ort als Harry<br />

Potter wieder erkannte <strong>und</strong> ein Junge mit roten Haaren, den die<br />

Zwillinge noch nie gesehen hatten. Alle drei winkten fröhlich aus<br />

dem Bilderrahmen. Erst jetzt, als <strong>Dora</strong> dieses Foto betrachtete, fiel<br />

ihr wieder ein, was Scott erzählt hatte. Pr<strong>of</strong>essor Granger war früher<br />

einmal eng mit Harry Potter befre<strong>und</strong>et gewesen. Darunter hing ein<br />

etwas kleineres Bild, auf dem die Zwillinge wiederum Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger erkennen konnten, diesmal alleine mit dem rothaarigen jungen<br />

Mann. Er stand hinter ihr <strong>und</strong> hatte seine Arme um sie geschlungen.<br />

<strong>Dora</strong> war sich ganz sicher, <strong>das</strong>s diese beiden ein Paar waren.<br />

152


„Setzt euch“, meinte plötzlich Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

Sie hatte schon auf dem Sessel hinter ihrem Schreibtisch Platz genommen<br />

<strong>und</strong> deutete den Zwillingen, sich auf ihr S<strong>of</strong>a zu setzen. Die<br />

beiden taten, was ihnen befohlen worden war. Sie tauschten nervöse<br />

Blicke, bevor sie ihre Lehrerin ansahen.<br />

„Ich will euch jetzt nicht länger auf die Folter spannen“, sagte sie.<br />

„Das habe ich jetzt lange genug getan, aber ich war mit einfach nicht<br />

sicher…“<br />

Sie überlegte kurz <strong>und</strong> blickte dabei von <strong>Lily</strong> zu <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> wieder<br />

zurück. Die Pause dauerte ziemlich lange, bis <strong>Lily</strong> sie unterbrach.<br />

„Wobei waren sie sich nicht sicher?“, fragte sie.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger legte ihre Stirn in Falten <strong>und</strong> blickte <strong>Lily</strong> solange<br />

tief in die Augen, bis diese ihren Blick abwenden musste. Sie hatte<br />

<strong>das</strong> Gefühl, durchschaut zu werden, wann immer sie ihre Lehrerin<br />

anblickte, <strong>und</strong> dieses Gefühl gefiel ihr nicht.<br />

„Ich brauche noch eine letzte Antwort von euch, bevor ich dir diese<br />

Frage beantworte“, antwortete sie.<br />

Wieder machte sie eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr.<br />

„Ich habe gehört, <strong>das</strong>s ihr bei Dudley Dursley wohnt, aber nicht<br />

seine Kinder seid. Stimmt <strong>das</strong>?“, fragte sie.<br />

Die Zwillinge nickten.<br />

„Okay. Und wer sind eure Eltern?“<br />

„Wir wurden adoptiert, als wir erst ein paar Tage alt waren“, erzählte<br />

<strong>Dora</strong>. „Mehr wissen wir nicht.“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger nickte.<br />

„Also hat euch euer Vater oder wie auch immer ihr ihn nennt, euch<br />

nie erzählt, wer eure Eltern waren?“<br />

Sie schüttelten den Kopf.<br />

„Onkel Dudley hat gesagt, <strong>das</strong>s er es selbst nicht weiß!“<br />

Natürlich hatten sie ihn schon früher ein paar Mal gefragt, wer ihre<br />

richtigen Eltern gewesen waren, denn niemand hatte je ein <strong>Geheimnis</strong><br />

daraus gemacht, <strong>das</strong>s sie adoptiert waren, <strong>und</strong> nachdem dann die<br />

Einladung nach Hogwarts gekommen war, hatte es eine lange Dis-<br />

153


kussion über die möglichen Eltern der Zwillinge gegeben, in der die<br />

ganze Familie darüber diskutiert hatte, ob diese Zauberer gewesen<br />

waren oder nicht.<br />

„Also hat er euch nie etwas über euren Vater erzählt?“, fragte die<br />

Lehrerin.<br />

Sie Zwillinge schüttelten den Kopf.<br />

„Mit dem muss ich mal ein ernstes Wörtchen reden!“<br />

Die Mädchen rissen ihre Augen auf <strong>und</strong> starrten Pr<strong>of</strong>essor Granger<br />

ungläubig an.<br />

„Soll <strong>das</strong> heißen, <strong>das</strong>s…“, sagte <strong>Lily</strong>, „<strong>das</strong>s Sie etwas über…“<br />

Plötzlich wurde sie durch ein lautes Klopfen an der Tür unterbrochen.<br />

<strong>Dora</strong> saß einfach nur stumm da <strong>und</strong> starrte weiterhin Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger an, während <strong>Lily</strong> nicht mehr ruhig sitzen konnte <strong>und</strong> ihren<br />

Blick ständig zwischen der Tür <strong>und</strong> der Lehrerin hin- <strong>und</strong> herschweifen<br />

ließ. Es erschien niemand geringerer als Hagrid.<br />

Er duckte sich <strong>und</strong> kam in den Raum.<br />

„Du hast mich holen lass’n?“, fragte er.<br />

„Ja ganz Recht, Hagrid. Setz dich!“<br />

Sie schwenkte ihren Zauberstab <strong>und</strong> augenblicklich standen im<br />

Raum fünf Sessel mehr. Einer davon war überdimensional groß,<br />

während die andere normale Holzstühle mit Kissen waren. Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger deutete Hagrid auf dem großen Stuhl links von den Mädchen<br />

Platz zu nehmen.<br />

„Also, warum hast du mich herbestellt?“, grunzte Hagrid. „Planst<br />

du eine Party? Ich mein’, es muss doch ’nen Gr<strong>und</strong> hab’n, warum du<br />

so viele Stühle herzauberst!“<br />

„Nein, eine Party nicht direkt“, antwortete sie. „Aber ja, ich erwarte<br />

noch Gäste. Um genau zu sein die Weasleys <strong>und</strong> Neville.“<br />

„Und warum?“<br />

„Das wird eine Überraschung für alle, versprochen!“, meinte sie.<br />

„Aber du hast doch erzählt, <strong>das</strong>s <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>…“<br />

Sie blickte zu den Mädchen.<br />

„… für ihr Alter sehr gut mit ihren Kräften umgehen können!“<br />

154


Hagrid nickte.<br />

„Könntet ihr mir <strong>das</strong> zeigen? Lasst doch mal dieses goldene Buch<br />

da oben zu mir schweben!“, meinte sie.<br />

Dabei zeigte sie auf ein dickes Buch, <strong>das</strong> ganz oben auf dem Regal<br />

hinter dem S<strong>of</strong>a auf dem die Zwillinge saßen. Die beiden nickten<br />

sich zu <strong>und</strong> dann fixierte <strong>Lily</strong> <strong>das</strong> Buch mit ihrem Blick <strong>und</strong> ließ es<br />

solange horizontal durch den Raum schweben, bis es direkt über der<br />

Lehrerin angekommen war. Dann übernahm <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> ließ es mit<br />

ihrem Blick nach unten sinken, solange, bis es direkt in den Händen<br />

der Lehrerin landete.<br />

„Erstaunlich“, sagte diese <strong>und</strong> schüttelte ungläubig ihren Kopf.<br />

„Und <strong>das</strong> ganz ohne Zauberstab… Nun ja, <strong>das</strong> hatte eigentlich gar<br />

nichts damit zutun, warum ihr hier seid, oder zumindest fast nichts.<br />

Ich wollte es nur selbst mal sehen!“<br />

Die Lehrerin hatte zu lachen begonnen <strong>und</strong> es war <strong>das</strong> erste Mal,<br />

<strong>das</strong>s sie die Zwillinge anschaute <strong>und</strong> sie sicher sein konnten, <strong>das</strong>s sie<br />

nicht irgendetwas Falsches getan hatten.<br />

„Sie haben gesagt, <strong>das</strong>s sie etwas über unsere…“<br />

Wieder wurde <strong>Lily</strong> von einem lauten Klopfen, <strong>das</strong> aus der Richtung<br />

der Tür kam, unterbrochen. Sie atmete tief ein <strong>und</strong> wandte ihren<br />

Blick von Pr<strong>of</strong>essor Granger ab <strong>und</strong> ließ ihn dorthin wandern, wo<br />

jetzt Pr<strong>of</strong>essor Longbottom erschien.<br />

„Was gibt’s, Hermine?“, fragte er.<br />

„Eine Überraschung“, meinte sie. „Setz dich!“<br />

Doch Pr<strong>of</strong>essor Longbottom schüttelte den Kopf <strong>und</strong> lehnte sich an<br />

eins der Bücherregale.<br />

„Wir warten noch auf die Weasleys, dann sag ich, was los ist“,<br />

meinte die Lehrerin zu ihrem Kollegen.<br />

Dieser wirkte ziemlich verwirrt, wartete aber geduldig.<br />

„Also ihr beiden müsst mir jetzt unbedingt eine Frage beantworten.<br />

Ich wollte euch schon gestern Abend fragen, aber ich habe dann beschlossen,<br />

mich vorher noch von euren Zauber- <strong>und</strong> vor allem von<br />

euren Flugkünsten zu überzeugen“, meinte sie. „Bitte sagt mir, von<br />

155


wem ihr diesen Tarnumhang <strong>und</strong> die Karte des Rumtreibers bekommen<br />

habt!“<br />

Die Zwillinge warfen sich einen ängstlichen Blick zu, antworteten<br />

aber nicht auf die Frage, die ihnen gerade gestellt worden war.<br />

„Ich weiß, <strong>das</strong>s ihr es keinem verraten solltet. Aber Neville, also<br />

Pr<strong>of</strong>essor Longbottom, hat mir gestern Abend diese Schachtel mit<br />

den beiden Dingen gebracht. Er hat sie im Zug unter einem Sitz gef<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> den Inhalt gesehen. Dann hat er sie zu mir gebracht <strong>und</strong><br />

ich musste herausfinden, von wem sie ist, also habe ich sie geöffnet<br />

<strong>und</strong> diese Dinge gef<strong>und</strong>en. Außerdem die beiden Briefe!“, erklärte<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger. „Tut mir leid, ich hätte sie nicht gelesen, wenn<br />

ich sonst irgendwo euren Namen gef<strong>und</strong>en hätte!“<br />

Die Zwillinge nickten.<br />

„Wir wissen selbst nicht, von wem der ist!“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

„Kurz bevor wir abgefahren sind, ist <strong>das</strong> Paket bekommen!“<br />

Die Lehrerin legte ihre Stirn in Falten.<br />

„Okay… <strong>und</strong> habt ihr vorher schon mal etwas Derartiges bekommen?“<br />

Sie schüttelten ihre Köpfe.<br />

„Und ihr habt auch keine Vermutung, von wem derart wertvolle<br />

Geschenke stammen könnten?“, fragte Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

„Nein, wir wussten ja nicht mal, <strong>das</strong>s es Zauberer gibt!“, antwortete<br />

<strong>Dora</strong>.<br />

„Und heute Nachmittag wollten wir eigentlich zu Pr<strong>of</strong>essor Hagrid<br />

gehen <strong>und</strong> ihn fragen, ob er schon mal etwas von diesem Moony oder<br />

diesem Wurmschwanz gehört hat!“, fuhr <strong>Lily</strong> fort.<br />

„Sagt noch einmal Pr<strong>of</strong>essor zu mir <strong>und</strong> ich geb’ euch ’nen Pr<strong>of</strong>essor!“,<br />

meinte Hagrid lachend. „Hab’ <strong>das</strong> noch nie gemocht! Nicht<br />

mal Hermine hat damals auf den Pr<strong>of</strong>essor bestanden, obwohl sie<br />

sogar bei den unmöglichsten Leuten verlangte, <strong>das</strong>s man sie Pr<strong>of</strong>essoren<br />

nannte!“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger blickte Hagrid anklagend an.<br />

„Und <strong>das</strong> war auch Recht so!“, sagte sie.<br />

156


„Aber der war doch wirklich…“<br />

„Hagrid, <strong>das</strong> tut hier nichts zur Sache!“, sagte sie streng <strong>und</strong> wandte<br />

sich wieder an die Zwillinge, die mucksmäuschenstill auf dem S<strong>of</strong>a<br />

saßen <strong>und</strong> gespannt der Unterhaltung zwischen den Lehrern<br />

lauschten. „Wer die vier waren, kann ich euch auch sagen!“, meinte<br />

sie, jetzt wieder in ruhigem Ton. Moony war ein großartiger Zauberer<br />

namens Remus Lupin. Seinen Sohn kennt ihr ja bereits.“<br />

„Ted?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ja genau!“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger nickte.<br />

„Wurmschwanz nannte man Peter Pettigrew, Tatze war Sirius<br />

Black <strong>und</strong> Krone war James Potter! Kennt ihr einen davon?“<br />

Die Zwillinge schüttelten den Kopf.<br />

„Keinen außer dem Vater von Ted. War James Potter mit Harry<br />

Potter verwandt?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger lächelte. Sie machte eine kleine Bewegung mit<br />

ihrem Zauberstab <strong>und</strong> <strong>das</strong> Stückchen freie Wand mit den Bildern<br />

wurde plötzlich von einem Vorhang verdeckt.<br />

„Oja!“, sagte sie. „Er war Harrys Vater!“<br />

„Aber was hat <strong>das</strong> mit unseren…“<br />

Das dritte Mal, als <strong>Lily</strong> nach ihren Eltern fragen wollte, klopfte es<br />

wieder an der Tür. Sie verschränkte ihre Hände <strong>und</strong> schaute sauer zu<br />

den Neuankömmlingen. <strong>Dora</strong> musste lachen, als sie ihre Schwester<br />

beobachtete.<br />

Eine kleine, mollige Frau kam gemeinsam mit einem sehr großen,<br />

schlanken Mann herein. Beide hatten flammend rotes Haar.<br />

„Guten Tag, Mr. <strong>und</strong> Mrs. Weasley!“, begrüßte Pr<strong>of</strong>essor Granger<br />

sie.<br />

Sie war aufgestanden <strong>und</strong> ließ sich von der Frau in die Arme<br />

schließen.<br />

„Hermine, wie geht’s dir, mein Schatz?“, fragte sie, vor Freude<br />

strahlend.<br />

„Danke, sehr gut!“, antwortete die Lehrerin.<br />

157


„Du hast dich ja lange nicht gemeldet!“<br />

„Molly, lass sie erstmal erzählen, warum sie uns hergebeten hat!“<br />

Der Mann trat nach vorne <strong>und</strong> schloss die Tür hinter sich.<br />

„Bitte setzen Sie sich!“, antwortete die Pr<strong>of</strong>essorin. „Bevor ich <strong>das</strong><br />

verrate, müssen Sie mir noch eine Frage beantworten!“<br />

Sie antwortete geduldig, bis beide Platz links von <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

Platz genommen hatten.<br />

„Mrs. Weasley, es tut mir leid, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> frage, aber es ist wichtig.<br />

Wann haben Sie Ginny <strong>das</strong> letzte Mal gesehen?“<br />

Augenblicklich verschwand <strong>das</strong> Strahlen von Mrs. Weasleys Gesicht.<br />

Ihr Mann legte einen Arm um ihre Schulter. In Mrs. Weasleys<br />

Augen begannen sich Tränen zu bilden <strong>und</strong> deshalb antwortete ihr<br />

Mann.<br />

„Das war Anfang September 1998“, antwortete er.<br />

„Also etwa zweieinhalb Monate nach Harrys Tod?“<br />

Er nickte.<br />

„Ja, <strong>das</strong> passt zusammen“, meinte Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

„Was passt zusammen?“, fragte Mrs. Weasley, die sich sichtlich<br />

zusammenreißen musste.<br />

„Also, es ist so!“, begann sie zu erklären. „Sie wissen doch von<br />

dem Tarnumhang, den Harry früher hatte. Hagrid <strong>und</strong> Neville, ihr<br />

wisst auch alle davon!“<br />

Alle nickten.<br />

„Wir haben in dem Jahr vor Lord Voldemorts Fall herausgef<strong>und</strong>en,<br />

<strong>das</strong>s dieser Seit Jahrh<strong>und</strong>erten immer an die Nachkommen der einzelnen<br />

Besitzer weitergegeben wurde. Harry war also sein letzter<br />

Besitzer <strong>und</strong> jetzt hat irgendjemand ihn <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> geschickt!“<br />

Sie zeigte auf die Zwillinge. Diese sagten kein Wort, sondern warteten<br />

einfach auf <strong>das</strong>, was jetzt kommen würde. Sie hatten nämlich<br />

keine Ahnung, auf was ihre Verwandlungslehrerin eigentlich hinauswollte.<br />

„Aber wer hat ihn den beiden geschickt <strong>und</strong> warum gerade ihnen?“,<br />

fragte Mr. Weasley.<br />

158


Er lächelte den beiden Zwillingen zu.<br />

„Ich weiß nicht, wer es war, der ihnen den Umhang geschickt hat.<br />

Aber der Umhang war nicht <strong>das</strong> einzige Geschenk, <strong>das</strong> sie bekommen<br />

haben! Harry hat von Fred…“<br />

Wieder zuckte Mrs. Weasley zusammen <strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>essor Granger redete<br />

schnell weiter.<br />

„… <strong>und</strong> Georg in seinem dritten Jahr in Hogwarts eine Karte des<br />

Schlosses bekommen, auf der man alle Geheimgänge sieht <strong>und</strong> außerdem<br />

erkennen kann, wer sich alles im Schloss aufhält. Diese Karte<br />

haben die beiden ebenfalls!“<br />

Sie wartete einen Augenblick, so als würde sie erwarten, <strong>das</strong>s irgendjemand<br />

schrie, er habe die Lösung des Rätsels, vor <strong>das</strong> sie alle<br />

Anwesenden stellte.<br />

„Okay <strong>und</strong> wie ist derjenige an diese Sachen gekommen, wenn sie<br />

Harry gehörten?“, fragte Pr<strong>of</strong>essor Longbottom.<br />

„Das wollte ich ebenfalls Sie fragen, Mr. <strong>und</strong> Mrs. Weasley. Harry<br />

hat doch die Woche, nachdem Voldemort gefallen war, bei ihnen<br />

gewohnt, bis…“<br />

Sie stoppte, blickte zum Fenster. Dann wischte sie sich mit ihrer<br />

Hand über die Augen <strong>und</strong> wandte sich wieder den Anwesenden zu.<br />

„Was ich damit sagen will ist, <strong>das</strong>s er auch alle Sachen bei Ihnen<br />

hatte, <strong>das</strong> heißt, jemand muss sie aus Ihrem Haus genommen haben.<br />

Nach seinem… Nach seinem Tod! Sie wissen auch nicht, wer es gewesen<br />

sein könnte, oder?“<br />

„Nein, seit auch Ginny weg ist, haben wir die Sachen nie wieder<br />

angerührt“, meinte Mr. Weasley. „Aber wieso sollte sie jemand stehlen<br />

<strong>und</strong> an die beiden schicken?“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger lächelte.<br />

„Nun, <strong>das</strong> ist einfach zu beantworten. Diese beiden wurden von<br />

Dudley Dursley adoptiert <strong>und</strong> ihre Namen sind <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>.“<br />

<strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> fühlten sich gar nicht wohl in ihrer Rolle. Niemand<br />

redete mit ihnen. Stattdessen redete man über sie, so als wären sie<br />

nicht hier.<br />

159


„Versteht ihr nicht?“, fragte Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

Sowohl die Weasleys, Pr<strong>of</strong>essor Longbottom <strong>und</strong> auch Hagrid<br />

schüttelten verwirrt ihre Köpfe.<br />

„<strong>Lily</strong> war die Mutter von Harry. <strong>Dora</strong>, schätze ich mal, stammt<br />

von Nymphadora Tonks. Ihr wisst ja alle, was mit ihr geschehen ist.<br />

Und Dudley Dursley ist der Cousin, bei dessen Familie Harry seine<br />

ganze Kindheit verbracht hat!“<br />

Noch immer machte keiner den Eindruck, zu verstehen, was ihnen<br />

gerade erzählt wurde.<br />

„Reden Sie von Harry Potter? Der soll Onkel Dudley kennen?“,<br />

fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Er kennt ihn nicht nur, er war sein Cousin <strong>und</strong> er hat sechzehn<br />

Jahre lang im Ligusterweg gewohnt, wenn er nicht gerade in Hogwarts<br />

war!“, erklärte Hagrid.<br />

„Aber wenn Harry Potter bei ihm gelebt hat, dann hätte er doch<br />

wissen müssen, <strong>das</strong>s es Zauberer gibt <strong>und</strong> er wusste nichts von alle<br />

dem. Er hat auch noch nie einen Harry Potter erwähnt!“, warf <strong>Dora</strong><br />

ein.<br />

„W<strong>und</strong>ert mich nicht“, grunzte Hagrid leise.<br />

„Zählt doch mal eins <strong>und</strong> eins zusammen!“, sagte Pr<strong>of</strong>essor Granger<br />

plötzlich <strong>und</strong> stand auf. „Die beiden leben bei Harrys Cousin, sie<br />

heißen <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>, haben enorme Zauberkräfte, können mindestens<br />

genauso gut fliegen wie er <strong>und</strong> sie haben die Sachen bekommen,<br />

die mal ihm gehört haben! Das sind keine Zufälle <strong>und</strong> schaut sie<br />

euch an! Gebt ihnen eine r<strong>und</strong>e Brille <strong>und</strong> malt ihnen eine Narbe auf<br />

die Stirn, dann sind sie ihm wie aus dem Gesicht geschnitten!“<br />

Mrs. Weasley schaute von Pr<strong>of</strong>essor Granger, die sich inzwischen<br />

mit dem Rücken zum großen Fenster gestellt hatte, zu den Zwillingen<br />

<strong>und</strong> wieder zurück.<br />

„Du willst doch nicht etwa sagen…“, meinte sie <strong>und</strong> stoppte.<br />

„Oh doch! Das sind Harrys Kinder!“<br />

„Und <strong>das</strong> heißt…“<br />

„Ja genau, <strong>das</strong> heißt, <strong>das</strong>s Ginny ihre Mutter war!“<br />

160


Alle Blicke ruhten auf <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>. Die beiden konnten noch<br />

immer nicht glauben, was sie da gerade eben erfahren hatten. Ihr Vater<br />

war der berühmte Harry Potter gewesen? Aber warum hatte ihnen<br />

Onkel Dudley <strong>das</strong> nie erzählt, wenn ihr Vater jahrelang bei ihm gelebt<br />

hatte? Und warum hatte Harry Potter bei seinem Cousin gelebt<br />

<strong>und</strong> nicht bei seinen Eltern? Denn im Ligusterweg hatten bis vor einigen<br />

Jahren, als Vernon <strong>und</strong> Petunia wegen eines neuen Berufes<br />

ausziehen mussten, nur die beiden <strong>und</strong> Dudley gelebt. Von den Eltern<br />

von Harry Potter war nie eine Rede gewesen, genauso wenig<br />

wie von ihm selbst. Und wo war ihre Mutter? Diese Ginny?<br />

Tausende solche Fragen schwirrten in den Köpfen der Zwillinge<br />

umher, doch keine schien die richtige zu sein, die als erstes gestellt<br />

werden konnte.<br />

„Und <strong>das</strong> bedeutet…“<br />

Mrs. Weasley schaute die Zwillinge an. Jetzt rannen ihr Tränen<br />

wie Bäche aus den Augen, über die Wange auf den Umhang.<br />

„Ja, <strong>das</strong> heißt, <strong>das</strong>s Sie die Großeltern der beiden sind!“<br />

„Bist du dir da ganz sicher?“, fragte Mrs. Weasley.<br />

„Ganz sicher, ja!“<br />

Plötzlich wurden die Zwillinge von einem ohrenbetäubenden Geräusch<br />

aus den Gedanken gerissen. Sie wandten ihren Blick von ihren<br />

neuen Großeltern ab, um zu schauen, woher dieser Lärm kam. Es<br />

war Hagrid, der sich lauthals in ein handtuchgroßes Taschentuch<br />

schnäuzte.<br />

„Harry hatte Kinder?“, fragte er.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> konnten ihren Augen kaum trauen, als sie sahen,<br />

<strong>das</strong>s so ein riesiger <strong>und</strong> kaltherzig aussehender Mann wie Hagrid<br />

auch weinen konnte. Immer wieder schnäuzte er sich in sein riesiges<br />

Taschentuch.<br />

„Ja, so ist es“, bestätigte Hermine. „Seit gestern Abend hat er welche!<br />

Und Ginny hat Ihnen auch nichts gesagt?“<br />

Mr. <strong>und</strong> Mrs. Weasley schüttelten ihre Köpfe.<br />

„Nein, hat sie nicht!“, meinte Mr. Weasley.<br />

161


Mrs. Weasley löste ihre Hand aus der ihres Mannes <strong>und</strong> stand auf.<br />

Schneller als die Mädchen überhaupt realisieren konnten, was vor<br />

sich ging, hatte sie ihre Arme auch schon um die beiden geschlungen.<br />

Die Tränen in ihren Augen machten noch immer keine Anstalten,<br />

weniger zu werden.<br />

„Ich glaub es nicht, warum hat Ginny nie gesagt, <strong>das</strong>s… <strong>das</strong>s sie<br />

Kinder hat?“, fragte sie, während sie die beiden fest an sich drückte.<br />

Sie bekamen kaum mehr Luft, als sie sie nach einer Ewigkeit wieder<br />

losriss. Pr<strong>of</strong>essor Granger hatte sich zu Pr<strong>of</strong>essor Longbottom<br />

gestellt <strong>und</strong> die beiden redeten irgendwas, von dem <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

nur Bruchteile verstehen konnten.<br />

„Harry hatte Kinder?“<br />

„Ja…“<br />

„Aber er ist doch nur ein paar Wochen nach seinem Sieg über Voldemort…<br />

Na ja, du weißt schon!“<br />

„Kinder, ihr müsst mir ja soviel erzählen!“<br />

Mrs. Weasley hatte ihren Stuhl vor <strong>das</strong> S<strong>of</strong>a gestellt, um gut mit<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> sprechen zu können.<br />

„Ihr wohnt bei eurem Onkel... Wie behandelt er euch?“, fragte Mr.<br />

Weasley, der seiner Frau gefolgt war.<br />

„Sehr gut“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

Mr. Weasley runzelte seine Stirn.<br />

„Na ja, egal“, meinte Mrs. Weasley dann. „Erzählt uns ein bisschen<br />

was von euch! Wir sollen eure Großeltern sein <strong>und</strong> wussten gar<br />

nicht, <strong>das</strong>s es euch gibt! Ist <strong>das</strong> denn zu glauben?“<br />

„Was sollen wir erzählen?“, fragte <strong>Dora</strong> schüchtern.<br />

Zwei fremden Leuten irgendetwas zu erzählen, war gar nicht so<br />

einfach.<br />

„Na ja, sagt einfach mal, wie es euch hier in Hogwarts gefällt! Wie<br />

ich annehme, hat man euch ja vorher nie erzählt, <strong>das</strong>s ihr Hexen seid<br />

oder <strong>das</strong>s es so was überhaupt gibt!“<br />

„Es ist… eh ganz schön!“, antwortete <strong>Lily</strong> kurz angeb<strong>und</strong>en.<br />

162


Das <strong>das</strong> tat dem Strahlen, welches sich jetzt langsam wieder auf<br />

dem Gesicht von Mrs. Weasley ausbreitete, keinen Abbruch. Sie<br />

blickte nur ungläubig von einem Mädchen zum anderen <strong>und</strong> schüttelte<br />

dabei den Kopf. Mr. Weasley saß stumm daneben. Manchmal<br />

konnte man leise Sätze wie zum Beispiel „Ginnys Kinder…“ von<br />

ihm hören.<br />

„In welchem Haus seid ihr?“, fragte Mrs. Weasley.<br />

„Gryffindor“, antworteten beide gleichzeitig.<br />

„Gryffindor? Ach, ich wusste es! Harry <strong>und</strong> Ginny waren da<br />

auch!“, überlegte sie. „Das heißt, <strong>das</strong>s ihr Ted schon kennt?“<br />

Sie nickten.<br />

„Ja, kennen Sie ihn auch?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Oja, <strong>und</strong> ob! Ein netter Junge, nicht? Manchmal vielleicht ein<br />

bisschen anstrengend. Glaubt, er kann alles schon, bevor er es lernt,<br />

aber im Großen <strong>und</strong> Ganzen ein sehr liebes Kind!“, sagte sie.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> nickten nur. Einige Zeit verging <strong>und</strong> langsam wurden<br />

auch die Antworten der Mädchen auf die unzähligen Fragen von<br />

Mrs. Weasley länger. Hagrid verabschiedete sich als erstes von allen<br />

Anwesenden, weil er gleich eine Unterrichtsst<strong>und</strong>e abhalten musste,<br />

aber er verließ den Raum nicht, ohne den Zwillingen <strong>das</strong> Versprechen<br />

abzulocken, <strong>das</strong>s sie diese Woche noch irgendwann zu ihm<br />

hinunter in die Hütte kommen mussten. Die beiden versprachen es<br />

ihm.<br />

„Und bringt mir Harry mit! Mag den kleinen Kerl“, sagte er, dann<br />

ging er durch die Tür nach draußen.<br />

Kurz nach ihm ging auch Pr<strong>of</strong>essor Longbottom hinaus. Er winkte<br />

den Mädchen <strong>und</strong> lächelte ihnen fre<strong>und</strong>lich zu, bevor er die Tür hinter<br />

sich schloss. Dann sagte auch Pr<strong>of</strong>essor Granger, <strong>das</strong>s sie später<br />

wieder kommen würde. <strong>Dora</strong> hatte <strong>das</strong> Gefühl, <strong>das</strong>s sie einfach wollte,<br />

<strong>das</strong>s die ‚Familie’ alleine war <strong>und</strong> sich in Ruhe unterhalten konnte.<br />

Es vergingen einige St<strong>und</strong>en, in denen sich die Zwillinge mit ihren<br />

Großeltern unterhielten. Schließlich wurde <strong>das</strong> Licht im Raum leicht<br />

163


ötlich. Durch <strong>das</strong> hohe Fenster konnte man die Sonne über dem<br />

verbotenen Wald verschwinden sehen.<br />

Etwa gegen sechs Uhr nachmittags kam Pr<strong>of</strong>essor Granger zurück<br />

in den Raum <strong>und</strong> brachte ein großes Tablett mit Sandwichs <strong>und</strong> einen<br />

Krug voller Kürbissaft für alle Anwesenden, da sie <strong>das</strong> Mittagessen<br />

ja praktisch vergessen hatten <strong>und</strong> es auch nicht so schien, als<br />

ob sie zum Abendessen rechtzeitig zurück in der großen Halle sein<br />

würden.<br />

Erst jetzt viel den Zwillingen auf, <strong>das</strong>s ihr Magen schon knurrte.<br />

Aber zuviel hatten sie in den letzten St<strong>und</strong>en erfahren <strong>und</strong> es war<br />

nicht nur Gutes. Zwar wussten sie jetzt, wer ihre Eltern gewesen waren,<br />

aber sie wussten auch, <strong>das</strong>s beide nicht mehr lebten. Sie trauten<br />

sich aber auch nicht, ihre Großeltern zu fragen, was eigentlich mit<br />

ihrer Mutter passiert war, denn sie hatten ja vorher schon gesehen,<br />

wie Mrs. Weasley reagierte, wenn ihre Tochter erwähnt wurde.<br />

„… <strong>und</strong> ich dachte mir nur, <strong>das</strong>s es super wäre, wenn <strong>das</strong> Glas sich<br />

allein in die Küche bewegt <strong>und</strong> aus Spaß habe ich versucht, es vom<br />

Tisch mit meinen Augen zur Küchentür zu bewegen <strong>und</strong> tatsächlich<br />

bewegte es sich plötzlich zum Tischrand <strong>und</strong> es flog auch etwa einen<br />

Meter in der Luft in Richtung Tür <strong>und</strong> dann bin ich draufgekommen,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> eigentlich nicht möglich sein kann <strong>und</strong> erschrocken über<br />

<strong>das</strong>, was ich gemacht habe, <strong>und</strong> <strong>das</strong> Glas ist runter gefallen. Danach<br />

durfte ich es erst wegräumen <strong>und</strong> habe <strong>das</strong> Ende des Films im Fernsehen<br />

trotzdem verpasst!“, erzählte <strong>Lily</strong>.<br />

Die Weasleys hatten nämlich gerade gefragt, was ihre ersten magischen<br />

Aktivitäten gewesen waren.<br />

„Und dann ist sie zu mir gekommen <strong>und</strong> hat mich gefragt, ob ich<br />

<strong>das</strong> auch kann. Ich hab’s nie geschafft. Bei mir bewegen sich die Sachen<br />

immer nur auf <strong>und</strong> ab“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Ich wusste ja gar nicht, <strong>das</strong>s es möglich ist, <strong>das</strong>s Kinder ihre Zauberkräfte<br />

so einsetzen können“, sagte Mrs. Weasley.<br />

„Na ja, Fred hat ja auch, als er sieben war, Rons Teddy in eine<br />

Spinne verwandelt“, warf Mr. Weasley ein, allerdings schaute er<br />

164


schon einen Augenblick später so aus, als würde er seinen letzten<br />

Satz von ganzem Herzen bereuen.<br />

Mrs. Weasley lächelte gequält, als sie sich erinnerte.<br />

„Ja“, sagte sie schnell. „Ja, <strong>das</strong> hat er! Ich weiß noch, <strong>das</strong>s ich<br />

dachte, ich würde nie eine Hexe werden, auch wenn meine Eltern<br />

mir immer <strong>das</strong> Gegenteil eingeredet haben. Aber ich habe nie auch<br />

nur ein Staubkorn irgendwohin fliegen lassen, bevor ich nach Hogwarts<br />

kam.“<br />

Die Zwillinge lächelten bei dem Gedanken daran, was sie mit ihrer<br />

Magie schon alles angestellt hatten, <strong>und</strong> <strong>das</strong>s sie sich sogar in verschiedene<br />

Tiere verwandeln konnten.<br />

Als es schon fast ganz dunkel war <strong>und</strong> die große Lampe an der Decke<br />

sich von selbst eingeschalten hatte, um ihnen Licht zu spenden,<br />

kam Pr<strong>of</strong>essor Granger wieder zurück. Sie blieb jedoch in der Tür<br />

stehen.<br />

„<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>, euer Onkel ist hier <strong>und</strong> er würde gerne mit euch<br />

reden!“, sagte sie.<br />

Die Mädchen blickten Mr. <strong>und</strong> Mrs. Weasley an, welche sich langsam<br />

erhoben.<br />

„Nun ja, es ist spät geworden <strong>und</strong> eigentlich sollte ich im Ministerium<br />

sein!“, sagte Mr. Weasley.<br />

„Ihr beiden müsst mir versprechen, <strong>das</strong>s ihr über Weihnachten zu<br />

uns kommt!“<br />

Die Mädchen nickten. Sie waren sich sicher, <strong>das</strong>s unter diesen<br />

Umständen weder Onkel Dudley noch Tante Emily etwas dagegen<br />

haben würden, wenn sie nicht nach Hause kamen.<br />

„Und ihr müsst uns ganz viele Eulen schicken, okay?“, fragte sie.<br />

„Ja, <strong>das</strong> machen wir“, versprach <strong>Lily</strong>.<br />

Mrs. Weasley schloss die beiden noch mal in ihre Arme <strong>und</strong> ihr<br />

Mann gab ihnen zum Abschied die Hand.<br />

„Mr. <strong>und</strong> Mrs. Weasley, könnte ich noch ein paar Minuten mit ihnen<br />

sprechen?“, fragte Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

165


Als diese nickten, erklärte sie den Zwillingen den Weg zu dem<br />

Klassenzimmer, in dem ihr Onkel wartete <strong>und</strong> diese machten sich<br />

auch s<strong>of</strong>ort auf den Weg. Die beiden waren zwar glücklich darüber,<br />

auf einmal so nette Großeltern zu haben, wo doch Petunia <strong>und</strong> Vernon<br />

<strong>das</strong> genaue Gegenteil waren, <strong>und</strong> sie waren auch ein wenig stolz,<br />

<strong>das</strong>s wirklich der große Harry Potter ihr Dad sein sollte. Der junge<br />

Mann, den die Mädchen <strong>das</strong> erste Mal auf diesem Poster für Besen<br />

in der Winkelgasse <strong>und</strong> <strong>das</strong> zweite Mal auf einer Schok<strong>of</strong>roschkarte<br />

gesehen hatten. Der Mann, dessen Statue sogar in der Eingangshalle<br />

der Schule stand.<br />

„Was hältst du davon?“, fragte <strong>Dora</strong> auf halbem Weg.<br />

„Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung!“, antwortete <strong>Lily</strong>.<br />

„Und ich weiß auch nicht, warum uns Onkel Dudley nie etwas gesagt<br />

hat. Es kann doch fast nicht sein, <strong>das</strong>s wir die Kinder seines<br />

Cousins sind <strong>und</strong> er uns zufällig adoptiert hat, obwohl er <strong>das</strong> nicht<br />

wusste!“<br />

Jetzt, da die beiden genau darüber nachdachten, erschien es ihnen<br />

ziemlich komisch, <strong>das</strong>s sie von Onkel Dudley <strong>und</strong> Tante Emily adoptiert<br />

worden waren. Immerhin musste er damals gerade Anfang<br />

achtzehn gewesen sein <strong>und</strong> ein eigenes Kind war auf dem Weg gewesen,<br />

nämlich Harry. Und dann noch die Namen von Harry <strong>und</strong><br />

James. Hatte Harry Potters Dad, also der zweite richtige Großvater<br />

der Zwillinge nicht auch James geheißen?<br />

„Er hat es sicher gewusst“, sagte <strong>Dora</strong>.<br />

Sie traten vor die Tür eines Klassenzimmers, einen Stock unter<br />

dem von Pr<strong>of</strong>essor Granger. Als sie sie öffneten, sahen sie auch<br />

schon ihren Onkel am Lehrertisch lehnen.<br />

„Na, lang nicht gesehen, oder?“, begrüßte er die beiden lachend.<br />

„Immerhin gut eineinhalb Tage!“<br />

Die beiden wussten nicht, woran es lag, doch sein Lachen wirkte<br />

irgendwie künstlich.<br />

166


„Warum hast du uns nie erzählt, wer unser Dad gewesen ist <strong>und</strong><br />

<strong>das</strong>s er solang bei dir gewohnt hat?“, fragte <strong>Lily</strong>, als sie die Tür hinter<br />

sich geschlossen hatte.<br />

„Und warum hast du uns nicht mal gesagt, <strong>das</strong>s wir verwandt sind?<br />

Immerhin war unser Dad ja dein Cousin, soweit ich <strong>das</strong> verstanden<br />

habe“, fügte <strong>Lily</strong> hinzu.<br />

Onkel Dudley raufte sich die Haare.<br />

„Das ist leicht zu erklären“, sagte er schließlich. „Ich dachte, es<br />

wäre besser so, <strong>und</strong> ich bin noch immer der Meinung, <strong>das</strong>s es besser<br />

gewesen wäre, wenn ihr es nicht erfahren hättet!“<br />

„Aber warum?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

Sie setzte sich neben <strong>Lily</strong> auf einen der vorderen Tische, nicht weit<br />

von ihrem Onkel entfernt.<br />

„Genau deswegen! Ich wollte euch nicht traurig machen <strong>und</strong> <strong>das</strong><br />

seid ihr doch jetzt. Ihr wisst doch, was mit Harry passiert ist, oder?“<br />

„Er ist tot“, antwortete <strong>Lily</strong>. „Ja <strong>das</strong> wissen wir!“<br />

„Und jetzt sagt nicht, <strong>das</strong>s euch <strong>das</strong> nicht traurig gemacht hat, als<br />

ihr es erfahren habt!“<br />

Die Zwillinge schüttelten den Kopf. Er hatte ja einerseits Recht<br />

gehabt, aber trotzdem hätten sie es nicht für möglich gehalten, <strong>das</strong>s<br />

ihr Onkel es ihnen solange vorenthalten hatte.<br />

„Und was ist mit unserer Mutter?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ginny“, sagte er. „Ich habe sie nur einmal in meinem Leben gesehen<br />

<strong>und</strong> da nicht lange. Ich wusste nicht, was aus ihr geworden ist,<br />

aber eure Lehrerin hat mir gerade erzählt, <strong>das</strong>s sie wohl auch tot ist.“<br />

„Aber warum?“<br />

„Das weiß keiner so genau, sagt Pr<strong>of</strong>essor Granger. Tut mir leid,<br />

<strong>das</strong>s ich euch nicht mehr darüber sagen kann!“<br />

Der Dudley, der normalerweise nicht so wenig redete, wirkte heute<br />

etwas kurz angeb<strong>und</strong>en, wenn er sprach.<br />

„Und warum sind wir dann bei dir? Ich meine, wer hat uns zu dir<br />

gegeben, wenn Mum <strong>und</strong> Dad gestorben sind?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

167


„Ihr wart noch keine Woche alt <strong>und</strong> eure Mutter hat euch gebracht.<br />

Sie sagte zu mir, <strong>das</strong>s ich gut auf euch acht geben solle, weil ihr bei<br />

ihr nicht bleiben konntet. Dann ist sie wieder gegangen!“, erzählte<br />

er.<br />

„Und was war mit Dad, er hat doch solange bei dir gewohnt! Wie<br />

war er?“, führte <strong>Lily</strong> <strong>das</strong> Frage-Antwort-Spiel weiter.<br />

„Ich habe erst gemerkt, was für ein toller Kerl er war, als es schon<br />

fast zu spät war“, meinte Onkel Dudley. „Fragt nicht nach, bitte!<br />

Und verurteilt mich nicht für <strong>das</strong>, was ihr beiden über mich früher<br />

oder später erfahren werdet!“<br />

„Was werden wir denn hören?“, fragten beide Mädchen gleichzeitig.<br />

„Das ist doch jetzt egal!“, sagte er. „Und, wie gefällt es euch hier?“<br />

Der <strong>The</strong>mawechsel kam etwas früh <strong>und</strong> plötzlich für die Mädchen,<br />

doch sie sahen, <strong>das</strong>s er nicht darüber reden konnte. Vielleicht später,<br />

aber zwingen ließ sich ihr Onkel sowieso nie zu etwas, <strong>das</strong> hatten die<br />

beiden in den vergangenen elf Jahren herausgef<strong>und</strong>en. Wenn er etwas<br />

nicht machen wollte, dann ließ er es eben bleiben, egal, was andere<br />

sagten.<br />

„Es ist toll <strong>und</strong> ich denke wir können behaupten, <strong>das</strong>s wir uns<br />

ziemlich gut schlagen, oder?“, fragte <strong>Lily</strong> <strong>Dora</strong> grinsend.<br />

„Oja, wirklich“, sagte sie.<br />

„Das freut mich“, antwortete Onkel Dudley. „Wie macht sich Harry?“<br />

„Sein Löffel hatte am Ende der beiden Zauberst<strong>und</strong>en schon fast<br />

<strong>das</strong> Aussehen einer richtigen Gabel“, lachte <strong>Lily</strong>.<br />

„Na <strong>das</strong> freut mich aber, dann bekommt ihr bei uns zu Hause ab<br />

jetzt immer nur mehr einen Löffel <strong>und</strong> ihr dürft ihn auch als Gabel<br />

oder Messer benutzen“, lachte er. „Ach nein, <strong>das</strong> geht ja gar nicht,<br />

bevor ihr siebzehn seid, also können wir eurer Tante Emily keine<br />

Arbeit abnehmen beim Abwaschen!“<br />

168


„Onkel Dudley, wir sind von Mr. <strong>und</strong> Mrs. Weasley, also unseren<br />

Großeltern, über Weihnachten eingeladen worden. Dürfen wir sie<br />

über die Ferien besuchen?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

Onkel Dudley überlegte kurz.<br />

„Ja, ich denke, es spricht nichts dagegen, immerhin war euer Vater<br />

früher auch <strong>of</strong>t bei dieser Familie, wenn ich mich recht erinnere <strong>und</strong><br />

er hat sie immer gemocht. Aber Sam wird traurig sein“, antwortete<br />

er.<br />

„Und wenn wir die Ferien einfach aufteilen? Sie sind doch lang<br />

genug. Wir verbringen einfach dir erste Woche bei den Weasleys<br />

<strong>und</strong> die zweite zu Hause“, schlug <strong>Dora</strong> vor.<br />

Ihr Onkel <strong>und</strong> auch <strong>Lily</strong> stimmten zu. Dann öffnete sich die Tür<br />

<strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>essor Granger trat ein.<br />

„Ich sollte besser zurück, denn Emily müsste mit den Kindern<br />

schon zu Hause sein <strong>und</strong> sie wissen nicht, wo ich bin!“, sagte Onkel<br />

Dudley zu ihr. „Ich denke, diesmal schaffe ich <strong>das</strong> mit dem Kamin<br />

alleine.“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger winkte ab.<br />

„Keine Umstände, Hausmeister Filch hat zugestimmt, Sie wieder<br />

zu begleiten. Wir wollen ja nicht, <strong>das</strong>s sie irgendwo anders wieder<br />

auftauchen. Er wartet bereits in seinem Büro. Finden Sie den Weg<br />

alleine?“<br />

Er nickte.<br />

„Also macht’s gut, Kinder, <strong>und</strong> erzählt Harry nicht, <strong>das</strong>s ich hier<br />

war, sonst hält er mir einen Vortrag, warum ich nicht mit ihm gesprochen<br />

habe!“<br />

Die Zwillinge nickten <strong>und</strong> er ging zur Tür. Dann drehte er sich<br />

nochmal um.<br />

„Tut mir wirklich leid, aber ihr müsst wissen, <strong>das</strong>s ich es euch erzählt<br />

hätte, wenn ich gedacht hätte, <strong>das</strong>s es sinnvoll wäre!“<br />

Dann verschwand er. Jetzt waren sie wieder alleine mit Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger, genauso wie vor einigen St<strong>und</strong>en, als sie nicht gewusst hatten,<br />

was sie angestellt hatten.<br />

169


„Wenn ihr beiden etwas über eure Eltern wissen wollt, dann fragt.<br />

Ihr wisst sicher schon, <strong>das</strong>s wir mal gute Fre<strong>und</strong>e waren, <strong>und</strong> ich<br />

weiß wohl mehr über euren Dad als alle anderen hier, okay?“<br />

Sie stimmten ihr zu <strong>und</strong> obwohl sie gerade <strong>das</strong> Angebot erhalten<br />

hatten, sämtliche Fragen beantwortet zu bekommen, nutzten sie es<br />

nicht, denn Pr<strong>of</strong>essor Granger schien nicht sehr glücklich, wenn sie<br />

über ihre alten Fre<strong>und</strong>e redete. Sie wirkte eher gequält <strong>und</strong> so beließen<br />

die Zwillinge es dabei.<br />

Als keine der beiden etwas sagte, gab sie <strong>Dora</strong> <strong>das</strong> große goldene<br />

Buch in die Hand, welches sie unter ihrem Umhang hervorzog.<br />

„Das schenke ich euch!“, meinte sie. „Es steht nicht mal ein<br />

Bruchteil dessen, was wirklich passiert ist, drinnen, aber es ist besser<br />

als nichts. Ihr wisst ja, wo ihr mich findet, falls ihr noch Fragen habt.<br />

Und könntet ihr es ebenfalls so lang wie möglich geheim halten, wer<br />

euer Dad war? Denn ihr habt ja sicher schon mitgekriegt, was für<br />

eine Berühmtheit er noch immer ist <strong>und</strong> ihr hättet sonst keine Ruhe<br />

mehr, glaubt mir. Aber Ted könnt ihr es ruhig verraten, denn er weiß<br />

es sowieso bald <strong>und</strong> da wir schon dabei sind <strong>und</strong> ich gesehen habe,<br />

<strong>das</strong>s ihr <strong>of</strong>t mit Scott zusammen seid, dann könnt ihr es wohl auch<br />

ihm beichten. Er wird niemandem etwas erzählen, ich kenne ihn!“,<br />

meinte sie. „Aber jetzt beeilt euch, es ist spät geworden! In einer<br />

St<strong>und</strong>e sollten die Erstklässler im Bett sein!“<br />

„Danke, <strong>das</strong>s Sie uns <strong>das</strong> alles erzählt haben <strong>und</strong> für <strong>das</strong> Buch“,<br />

sagte <strong>Dora</strong> noch, bevor sie den Raum verließen.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger lächelte ihnen zu <strong>und</strong> sie wirkte jetzt gar nicht<br />

mehr einschüchternd, sondern sogar sehr nett. Und nicht nur <strong>das</strong>. Sie<br />

hatte den Zwillingen auch angeboten, <strong>das</strong>s sie ihr Fragen stellen<br />

könnten, die sie anscheinend nicht gerne beantwortete, <strong>und</strong> <strong>das</strong> rechneten<br />

die beiden ihr hoch an.<br />

„Was ist <strong>das</strong> für ein Buch?“, fragte <strong>Lily</strong> ihre Schwester, als sie außer<br />

Sichtweite des Klassenzimmers waren.<br />

Fast rannten die beiden den Gang entlang, denn sie versuchten, so<br />

schnell wie möglich wegzukommen.<br />

170


„Eine Geschichte der Zauberei mit besonderer Berücksichtigung<br />

der Taten Harry Potters“, las <strong>Dora</strong> vor.<br />

„Dieser Voldemort muss ja echt böse gewesen sein, wenn man so<br />

berühmt wird, wenn man ihn besiegt, oder?“<br />

<strong>Dora</strong> nickte.<br />

„Sieht so aus!“<br />

„Mann, ich kann’s echt nicht glauben“, sagte <strong>Lily</strong>. „Aber warum<br />

hat unsere Mum uns zu Onkel Dudley gebracht, als wir noch so klein<br />

waren? Wir waren nicht mal eine Woche alt, sagt er. Warum hat sie<br />

uns nicht zu ihren Eltern gebracht oder so. Die hätten ihr sicher geholfen.“<br />

„Aber du hast doch gehört, <strong>das</strong>s ihre Eltern sie nach September<br />

1998 nicht mehr gesehen haben <strong>und</strong> wir sind erst im März zur Welt<br />

gekommen.“<br />

„Stimmt, <strong>das</strong> muss heißen, sie wollte nicht, <strong>das</strong>s jemand von uns<br />

beiden erfährt!“<br />

Sie wollten gerade die erste Treppe nach oben nehmen, die sie erblicken<br />

konnten, als sie plötzlich schnelle Schritte hinter sich hören<br />

konnten.<br />

„Hey, wo wart ihr?“, rief Ted ihnen zu.<br />

Er <strong>und</strong> Scott blieben kamen vor den beiden, die sich wieder umgedreht<br />

hatten, zum Stehen.<br />

„Dachte ich es mir doch, <strong>das</strong>s ihr es wart, die da eben um die Ecke<br />

gebogen sind“, sagte er. „Wir laufen schon seit dem Abendessen vor<br />

knapp zwei St<strong>und</strong>en im Schloss umher <strong>und</strong> suchen euch!“<br />

„Tut mir leid, ging nicht schneller“, antwortete <strong>Lily</strong>.<br />

„Was macht ihr hier eigentlich?“, fragte Ted.<br />

„Zum Gemeinschaftsraum gehen!“<br />

„Da seid ihr aber falsch, wir müssen da weiter nach hinten <strong>und</strong><br />

dann nach oben!“<br />

<strong>Lily</strong> zuckte mit ihren Schultern.<br />

„Wusste ich doch“, sagte sie grinsend.<br />

171


Dann gingen sie gemeinsam ein Stück weiter den Gang entlang<br />

<strong>und</strong> eine andere Treppe hoch.<br />

„Also, wo wart ihr nachdem ihr diesen grandiosen Flug hingelegt<br />

habt?“, fragte Ted.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> warfen sich schnell einen Blick zu <strong>und</strong> nickten.<br />

„Wir müssen euch, aber besonders dir, Ted, etwas zeigen“, sagte<br />

<strong>Lily</strong>.<br />

„Wartet hier“, rief <strong>Dora</strong>, die inzwischen <strong>das</strong> Portrait der fetten<br />

Dame erblickt hatte. „Ich bin gleich zurück!“<br />

Sie ließ ihre Schwester <strong>und</strong> die Jungs alleine zurück, murmelte <strong>das</strong><br />

Passwort, kletterte in den Gemeinschaftsraum <strong>und</strong> lief direkt hoch in<br />

den Schlafsaal, wo sie <strong>das</strong> goldene Buch auf ihre Bett warf, aus einer<br />

gewissen Schachtel ein gewisses Blatt Pergament holte <strong>und</strong> dann<br />

denselben Weg wieder zurück rannte.<br />

<strong>Lily</strong> grinste ihr zu, während die anderen sie nur verwirrt anstarrten.<br />

„Wir brauchen einen Platz, wo uns keiner findet“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Vielleicht <strong>das</strong> Klassenzimmer, in dem wir gerade eben mir Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger waren?“<br />

<strong>Lily</strong> nickte <strong>und</strong> so machten sie sich auf den Weg zurück zu der leeren<br />

Klasse. Diesmal waren <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> es, die den Jungs den Weg<br />

zeigten.<br />

„Ihr macht es aber ziemlich spannend“, sagte Ted.<br />

„Das ist es auch“, stimmte <strong>Lily</strong> ihm zu, als sie die Tür einen Spaltbreit<br />

öffnete um zu sehen, ob jemand im Raum war.<br />

Als sie sah, <strong>das</strong>s alles leer war, traten sie ein. <strong>Dora</strong> legte <strong>das</strong> Pergament<br />

auf den Lehrertisch, während <strong>Lily</strong> die Tür hinter ihnen<br />

schloss.<br />

„Kennst du Moony?“, fragte sie schließlich, als sich alle vier um<br />

den Tisch versammelt hatten.<br />

„So wurde mein Dad genannt, als er zur Schule ging“, antwortete<br />

Ted. „Aber woher kennt ihr ihn?“<br />

„Wir haben etwas, <strong>das</strong> einst ihm gehört hat <strong>und</strong> sind der Meinung,<br />

<strong>das</strong>s wir es ruhig mit dir teilen können“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

172


Sie zog ihren Zauberstab aus ihrem Umhang, tippte sachte mit der<br />

Spitze gegen <strong>das</strong> Blatt <strong>und</strong> murmelte: „Ich schwöre feierlich, <strong>das</strong>s<br />

ich ein Tunichtgut bin!“<br />

Die Jungs machten große Augen, als sie sahen, was diese Berührung<br />

des Zauberstabs auslöste.<br />

„Was ist <strong>das</strong>?“, fragte Scott.<br />

„Die Karte des Rumtreibers“, erklärte <strong>Lily</strong>. „Damit kann man jeden<br />

Geheimgang <strong>und</strong> jede Person im Schloss sehen!“<br />

Ted hob die Karte auf, um genauer betrachten zu können, wie sich<br />

die kleinen schwarzen Punkte darauf mal langsam, mal schneller<br />

bewegten.<br />

„Die gehörte wirklich meinem Vater“, sagte er. „Ich habe von den<br />

anderen dreien gehört. Na ja, zumindest von zweien davon. Das waren<br />

gute Fre<strong>und</strong>e meines Vaters. Aber woher habt ihr die?“<br />

„Gef<strong>und</strong>en“, antwortete <strong>Dora</strong> schnell, bevor <strong>Lily</strong> die Wahrheit sagen<br />

konnte.<br />

Diese nickte zur Antwort.<br />

„Diese Karte ist zwar, glaub' ich, ziemlich hilfreich, wenn man hier<br />

im Schloss wohnt, aber <strong>das</strong> erklärt noch nicht, wo ihr den ganzen<br />

Tag wart“, meinte er, während er sie weiterhin mit großen Augen<br />

musterte.<br />

Dann gab er sie Scott in die Hand, welcher sich auf die Zehenspitzen<br />

hatte stellen müssen, damit er Ted über die Schulter schauen<br />

konnte.<br />

„Wir hatten sie anscheinend im Zug vergessen <strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger hat sie gesehen. Ted <strong>und</strong> Scott, versprecht ihr, <strong>das</strong>s ihr niemandem<br />

etwas sagt von dem, was wir euch gleich erzählen werden?“,<br />

fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Die beiden nickten.<br />

„Der letzte Besitzer dieser Karte war Harry Potter <strong>und</strong> der war…<br />

ja, er war unser Dad“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

Ted <strong>und</strong> Scott konnten ihre Münder kaum geschlossen halten.<br />

„Verarscht wen anderen“, sagte Ted.<br />

173


„Wir verarschen euch nicht, Pr<strong>of</strong>essor Granger ist sich sicher. Woher<br />

kennen dich die Weasleys eigentlich?“, fragte <strong>Lily</strong> Ted.<br />

„Von wo kennt ihr sie? Das ist wohl die bessere Frage!“<br />

Er blickte sie misstrauisch an.<br />

„Sie waren gerade eben hier in der Schule, weil ihre Tochter Ginny<br />

wohl unsere Mutter gewesen ist, <strong>und</strong> sie haben uns über Weihnachten<br />

zu sich nach Hause eingeladen. Das heißt, sie sind unsere Großeltern!“,<br />

erklärte sie.<br />

„Arthur <strong>und</strong> Molly Weasley?“, fragte er mit großen Augen.<br />

„Ich glaube so heißen die, ja!“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

Ted begann zu lachen.<br />

„Na dann werdet ihr wohl Weihnachten mit mir zusammen<br />

verbringen müssen“, sagte er. „Ich wohne nämlich schon seit ich ein<br />

Jahr alt bin mit meiner Großmutter bei ihnen!“<br />

„Nicht wahr, oder?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Doch wahr!“, entgegnete Ted.<br />

„Lasst mich nur außen vor…“, meinte Scott, ohne <strong>das</strong>s er von den<br />

sich bewegenden Punkten auf der Karte aufblickte.<br />

„Würden wir nie machen!“, sagte Ted <strong>und</strong> klopfte ihm fest auf die<br />

Schulter.<br />

„Spinnst du?“, fragte Scott mit einem bösen Blick.<br />

Dann begannen sie alle vier zu lachen.<br />

„Also ich weiß nicht viel über Ginny Weasley, weil bekanntermaßen<br />

nicht über sie gesprochen wird, aber ich bin mir sicher, ich hätte<br />

es erfahren, wenn sie Kinder gehabt hätte!“, meinte Ted nachdenklich,<br />

als sie sich wieder beruhigt hatten.<br />

„Es wusste anscheinend auch keiner außer ihr“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

Die vier unterhielten sich noch eine Weile darüber, warum es keiner<br />

gewusst hatte <strong>und</strong> Ted ließ immer wieder hören, <strong>das</strong>s er es nicht<br />

glauben konnten, <strong>das</strong>s ihre Eltern tatsächlich Ginny Weasley <strong>und</strong><br />

Harry Potter gewesen waren. Auch Scott machte eine verblüffte<br />

Miene.<br />

174


Nach einiger Zeit machten sie sich wieder zurück auf den Weg<br />

zum Gemeinschaftsraum, weil Pr<strong>of</strong>essor Granger ihnen ja gesagt<br />

hatte, <strong>das</strong>s die Erstklässler in einer St<strong>und</strong>e im Bett sein sollten, <strong>und</strong><br />

diese St<strong>und</strong>e war inzwischen schon lange vergangen.<br />

Sie hatten Glück <strong>und</strong> keiner sah sie auf ihrem Weg zurück.<br />

„Und kein Wort zu irgendwem“, drohte <strong>Lily</strong>, bevor sie sich kurz<br />

darauf im Gemeinschaftsraum von den Jungs verabschiedeten, um<br />

schlafen zu gehen.<br />

Die beiden lagen noch lange wach <strong>und</strong> starrten ins Dunkle. Erst<br />

jetzt, als sie in Ruhe nachdenken konnten, wurde ihnen bewusst, was<br />

sie erfahren hatten. Sie hatten nicht nur erfahren, wer ihre Eltern gewesen<br />

waren, sondern auch, <strong>das</strong>s beide tot waren.<br />

Bis jetzt hatten sie eigentlich immer geglaubt, sie eines Tages ihre<br />

Eltern treffen <strong>und</strong> mit ihnen reden würden, aber jetzt auf einmal war<br />

diese H<strong>of</strong>fnung weg. Ganz langsam wurde den beiden bewusst, was<br />

<strong>das</strong> bedeutete. Sie würden ihre Eltern nie kennenlernen können. Sie<br />

hatten ein Buch über ihren Dad <strong>und</strong> jemanden, der ihnen auch etwas<br />

von ihrer Mutter erzählen konnte, aber es war nicht <strong>das</strong>selbe. Sie waren<br />

tot.<br />

Mit einem komischen Gefühl in der Magengegend schliefen die<br />

beiden schließlich nach langer Zeit ein.<br />

175


Klatsch <strong>und</strong> Tratsch<br />

Tosender Beifall brach in der großen Halle aus, als die Zwillinge am<br />

nächsten Morgen zum Frühstück kamen. Sie schienen ziemlich die<br />

Letzten zu sein, denn sämtliche Tische waren voll besetzt. Als sie<br />

sahen, <strong>das</strong>s buchstäblich jeder im Raum sie von oben bis unten musterte,<br />

blieben sie stehen. <strong>Lily</strong> wandte sich um <strong>und</strong> schaute, ob jemand<br />

hinter ihnen stand, dem diese Blicke galten, doch da war niemand.<br />

„Komm weiter!“, zischte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> stieß ihre Schwester an.<br />

Der Lärm hielt an, während sie so schnell wie möglich unter der<br />

strahlenden Morgensonne der verzauberten Decke hindurchgingen<br />

<strong>und</strong> sich auf zwei noch leere Plätze am Gryffindortisch setzen.<br />

„Warum habt ihr uns nicht erzählt, <strong>das</strong>s Harry Potter euer Vater<br />

war?“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> schraken auf. Sie drehten sich nach links, wo sich<br />

Jeff Dorian zu ihnen gedreht hatte <strong>und</strong> sie breit grinsend anblickte.<br />

Laura Attkins, Julie Davis <strong>und</strong> Alice Summer stimmten ihm mit wildem<br />

Kopfnicken zu.<br />

„Ja, warum habt ihr <strong>das</strong> verschwiegen?“, fragte Alice.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> blickten sich entsetzt an.<br />

„Woher wisst ihr <strong>das</strong>“, fragte <strong>Dora</strong>. „<strong>und</strong> wer weiß <strong>das</strong> aller?“<br />

„Es weiß jeder hier drinnen <strong>und</strong> spätestens in ein paar St<strong>und</strong>en<br />

auch alle Zauberer außerhalb der Schule“, meinte Jeff <strong>und</strong> er hielt<br />

den beiden eine Zeitung hin.<br />

<strong>Lily</strong> ergriff sie s<strong>of</strong>ort <strong>und</strong> las den Titel des Blattes. ‚Tagesprophet’<br />

stand darauf geschrieben <strong>und</strong> von der Titelseite prangte ein riesiges<br />

Bild von <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>, welche auf der Couch im Büro von Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger saßen <strong>und</strong> überrascht aussahen. Daneben waren ein etwas<br />

kleineres Foto von Harry Potter <strong>und</strong> eines von einer jungen Frau<br />

mit roten Haaren. Es war mit der Beschreibung ‚Ginny Weasley’ abgedruckt.<br />

Das Ganze stand unter der Schlagzeile: „Harry Potters<br />

176


Kinder – Eine Verschwörung ihrer Familie gegen die Welt der Zauberer?“<br />

„Und?“, fragte Jeff. „Warum erfahren wir <strong>das</strong> erst jetzt?“<br />

„Sei mal still!“, wies <strong>Lily</strong> ihn an <strong>und</strong> dann blätterten die Mädchen<br />

auf Seite vierzehn, wo sie den Artikel zu lesen begannen.<br />

Harry Potters Kinder<br />

Eine Verschwörung ihrer Familie gegen die Welt der Zauberer?<br />

177<br />

Eine der größten Sensationen in der Geschichte der<br />

Zauberer seit dem Tod Lord Voldemorts wurde gestern<br />

Nachmittag aufgedeckt: Harry Potter hatte Kinder!<br />

Richtig gehört: Es war nicht nur ein Kind, sondern<br />

Zwillinge. Sie heißen <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> Dursley <strong>und</strong><br />

wohnten angeblich bis jetzt bei den Muggeln, bei denen<br />

auch Harry Potter einst gelebt hatte. Ihre Mutter ist die<br />

auf mysteriöse Weise getötete Hexe, Ginny Weasley. Sie<br />

war vor über elf Jahren Harrys Fre<strong>und</strong>in.<br />

Am 1. September begannen die beiden Mädchen ihre<br />

Ausbildung an der Hogwarts-Schule für Hexerei <strong>und</strong><br />

Zauberei. Genau wie ihr Vater <strong>und</strong> ihre Mutter wurden<br />

die beiden in <strong>das</strong> Haus Gryffindor eingeteilt.<br />

Wie dieses <strong>Geheimnis</strong> solange ungelüftet bleiben konnte,<br />

kann sich niemand erklären. War es eine Verschwörung<br />

von Harrys Familie, seine Kinder geheim zu halten?<br />

Warum haben sie der Zaubererwelt nicht mitgeteilt, <strong>das</strong>s<br />

unser aller Retter, Harry Potter, Nachkommen<br />

hinterlassen hat, die nun in seine Fußstapfen treten? Wie<br />

gemunkelt wird, wusste Ginny Weasleys Familie nichts<br />

von ihren Töchtern. Wollte Harry seine Töchter<br />

schützen, indem er Ginny verboten hat, jemandem von<br />

ihnen zu erzählen? Möglicherweise.


Doch wie lässt es sich dann erklären, <strong>das</strong>s Harry zum<br />

Zeitpunkt der Geburt von <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> bereits tot war?<br />

Warum wurde uns dieses <strong>Geheimnis</strong> solange<br />

vorenthalten? Wie bekannt ist, war die Familie Harry<br />

Potters berüchtigt für ihren Hass gegen alles, was mit<br />

Magie zu tun hatte. Wollte sie sich an den Zauberern <strong>und</strong><br />

Hexen rächen, indem sie die Kinder des größten Helden<br />

aller Zeit verschwiegen haben? Wer weiß? Wir bleiben<br />

dran <strong>und</strong> werden Sie über alles informieren, was wir<br />

herausfinden können!<br />

Signiert war dieser Bericht mit dem Namen ‚Rita Kimmkorn’. Sie<br />

warfen sich erschrockene Blicke zu. Noch immer hörten sie von überall<br />

in der Halle ihre Namen <strong>und</strong> mindestens genauso <strong>of</strong>t den Namen<br />

Harry Potter. Einige Schüler ließen es sich nicht mal nehmen,<br />

mit ihren Fingern auf die Mädchen zu zeigen, so, als wären sie billige<br />

Ausstellungsobjekte hinter einer Glaswand, deren einziges Lebensziel<br />

es war, angestarrt zu werden.<br />

„<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>, kommt ihr mal bitte?“<br />

Sie drehten sich um <strong>und</strong> blickten in <strong>das</strong> Gesicht von Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger. Sie hatten sie gar nicht bemerkt, so vertieft waren sie in<br />

ihren Artikel gewesen. Wie hatte <strong>das</strong> alles nur an die Öffentlichkeit<br />

kommen können? Es war ihnen ja klar gewesen, <strong>das</strong>s es irgendwann<br />

soweit sein würde, aber <strong>das</strong>s es schon so bald war…<br />

Sie standen auf <strong>und</strong> folgten ihrer Lehrerin ein paar Schritte vom<br />

Gryffindortisch weg, in eine Ecke der großen Halle.<br />

„Kennt ihr eine Rita Kimmkorn <strong>und</strong> habt ihr mit ihr gesprochen?“,<br />

kam Pr<strong>of</strong>essor Granger gleich zum Punkt.<br />

Die Mädchen schüttelten den Kopf.<br />

„Okay, danke! Das war es auch schon. Tut mir leid, <strong>das</strong>s es an die<br />

Öffentlichkeit gekommen ist, ich weiß noch nicht genau warum. Aber<br />

soweit ich sehe, scheint es die meisten hier drinnen <strong>und</strong> sicher<br />

auch draußen zu freuen, genau wie mich <strong>und</strong> eure Großeltern!“, sag-<br />

178


te sie. „Aber trotzdem wollte ich euch <strong>das</strong> eigentlich solang wie<br />

möglich ersparen <strong>und</strong> ich habe überlegt, ob wir dem Tagespropheten<br />

erzählen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> alles nur Blödsinn ist. Aber mal ehrlich, es würde<br />

nie einer glauben, oder?“<br />

Die Zwillinge schüttelten den Kopf.<br />

„Okay, lasst euch nicht unterkriegen. In zwei oder drei Wochen<br />

werden sich alle an den Gedanken gewöhnt haben <strong>und</strong> <strong>das</strong> hier“,<br />

sagte sie während sie auf die Schüler deutete, die allesamt die Zwillinge<br />

<strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>essor Granger anstarrten, „wird schon wieder aufhören.<br />

Wenn es Probleme gibt, dann kommt vorbei! Meine Tür steht<br />

für euch beide immer <strong>of</strong>fen!“<br />

Noch bevor die Zwillinge ihr zustimmen <strong>und</strong> ihr für <strong>das</strong> Angebot<br />

danken konnten, drehte sie sich um <strong>und</strong> ging mit langen Schritten<br />

aus der großen Halle. Die beiden gingen wieder zurück zu ihrem<br />

Tisch. Sie hatten stillschweigend beschlossen, den Rat ihrer Lehrerin<br />

zu befolgen <strong>und</strong> zumindest zu versuchen, sich nicht unterkriegen zu<br />

lassen, doch <strong>das</strong> war gar nicht so einfach. Immer wieder fragten die<br />

Leute sie, wie Harry Potter gewesen sei <strong>und</strong> die beiden fragten sich,<br />

ob diese überhaupt mehr als die ersten drei Sätze gelesen hatten. Es<br />

bereitete ihnen immer wieder ein unangenehmes Gefühl, wenn jemand<br />

sie auf ihre Eltern ansprach, wo sie doch gestern erst erfahren<br />

hatten, <strong>das</strong>s diese tot waren.<br />

Plötzlich ließ ein lauter Krach alle Gesichter in seine Richtung<br />

schnellen. Einen Moment lang waren <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> glücklich darüber,<br />

doch diese Freude hielt nicht lange an. Ein Geist, nicht halb so<br />

durchsichtig wie seine anderen Kameraden, war durch die große Tür<br />

in die Halle gekommen. Das Erste was er gemacht hatte, war, eine<br />

große Vase mitten im Saal, zwischen dem Ravenclaw- <strong>und</strong> dem<br />

Hufflepufftisch zu zertrümmern. Sein breites Gesicht, welches bis<br />

knapp über die Augen von einem glockenförmigen Hut verdeckt<br />

war, hatte er zu einem heimtückischen Grinsen verformt. Anders als<br />

die anderen Geister, deren Gewand ebenfalls durchsichtig war, trug<br />

179


er eine orangefarbene Fliege <strong>und</strong> auch sein Hut schien von Menschenhand<br />

gefertigt.<br />

Er ließ einen lauten Schrei von sich, flog zwischen zwei Hufflepuffs<br />

hindurch, nahm einen großen Korb voll Gebäck <strong>und</strong> dann am<br />

er direkt auf den Gryffindortisch zu.<br />

„PEEVSY HAT ES IMMER GEWUSST, AUCH WENN IHR ES<br />

IHM NICHT GLAUBEN MÜSST, DASS POTTYS TOD KONNTE<br />

NICHT SEIN SEIN ENDE, DENN SOGAR JETZT SPRICHT ER<br />

NOCH SEINE BÄNDE“, sang er aus voller Brust <strong>und</strong> es hatte den<br />

Anschein, als würde er es geradezu genießen, keine Luft holen zu<br />

müssen, denn er sagte sein ganzes Gedicht in einem Zug. „DRUM<br />

SEID NICHT SCHEU UND ZEIGT EUCH MIR, LILY UND DO-<br />

RA: WER SEID IHR?“<br />

Er flog von einem Ende des Tisches zum anderen <strong>und</strong> wieder zurück.<br />

Die Mädchen versuchten sich so klein wie möglich zu machen<br />

<strong>und</strong> ihre Köpfe ragten kaum mehr über den Tisch, als der Geist vor<br />

ihnen anhielt. Er blickte zuerst <strong>Lily</strong> durchdringend an <strong>und</strong> wandte<br />

sich dann zu ihrer Schwester.<br />

„PEEVSY HAT SIE GEFUNDEN, DENN ER IST SCHLAU,<br />

DAS WISSEN… AARGH!“<br />

Schneller als die beiden ihm mit ihrem Blick folgen konnten, war<br />

der Geist wieder höher in die Luft gestiegen <strong>und</strong> flog in Windeseile<br />

zum Tor hinaus. Ein anderer Geist war gerade durch eben jenes hereingekommen<br />

<strong>und</strong> auf ihn zugekommen.<br />

„Peeves mag den blutigen Baron nicht“, erklärte Jeff über den<br />

Tisch hinweg, den Erstklässlerinnen.<br />

Er wollte gerade noch etwas sagen, von dem die Mädchen wussten,<br />

<strong>das</strong>s es mit absoluter Sicherheit etwas mit dem Zeitungsartikel<br />

zu tun hatte, als Harry vom Hufflepufftisch zu ihnen herübergeschlendert<br />

kam. Obwohl geschlendert wohl eher <strong>das</strong> falsche Wort<br />

war, für den Spurt den er hinlegte.<br />

„Habt ihr kurz Zeit?“, fragte er die beiden <strong>und</strong> ließ sich zwischen<br />

ihnen nieder.<br />

180


„Solange wir von hier verschwinden, gerne!“, antwortete <strong>Lily</strong>.<br />

Schon bevor Harry wieder aufstehen konnte, war <strong>Lily</strong> an ihm vorbei.<br />

Sie wagte es nicht, ihren Blick woanders hingleiten zu lassen,<br />

als zu ihrem Cousin, denn schon aus den Augenwinkeln konnte sie<br />

erkennen, wie sämtliche anderen Lebewesen, <strong>und</strong> auch jene, die eigentlich<br />

schon tot waren, mit ihren Augen allen ihren Bewegungen<br />

folgten.<br />

Schon kurz später standen die beiden draußen vor dem Tor zur<br />

großen Halle, unsichtbar von ihnen.<br />

„Also, was gibt’s?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Es hatte den Anschein, als würden einige früher mit dem Essen<br />

aufhören, nur um aus der Halle <strong>und</strong> an den Zwillingen vorbeigehen<br />

zu können.<br />

„Das ist doch alles nicht wahr, oder?“, fragte er.<br />

Wieder kamen ein paar, von denen <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> wussten, <strong>das</strong>s es<br />

Erstklässler aus Hufflepuff waren, vorbei. Auch Matthew war dabei,<br />

aber er warf nur einen kurzen Blick über Harry auf seine beiden<br />

Cousinen <strong>und</strong> ging dann weiter, in Richtung der Treppen.<br />

„Doch“, antwortete <strong>Lily</strong>.<br />

„Gestern erfahren“, half ihr <strong>Dora</strong>.<br />

Harry schaute von einer der beiden zur anderen.<br />

„Das heißt, <strong>das</strong>s Harry Potter euer Dad war? Mann, habt ihr gehört,<br />

was der in seinem Leben alles gemacht hat? Die Älteren <strong>und</strong> die<br />

Erstklässler von Zaubererfamilien haben mir <strong>und</strong> ein paar anderen<br />

gestern Abend erklärt, was der mit diesem Voldemort gemacht<br />

hat…“<br />

„Ja, <strong>das</strong> wissen wir“, antwortete <strong>Lily</strong>.<br />

Sie war nicht ganz so aufgeregt darüber wie Harry. Die beiden hatten<br />

nicht viel geschlafen in der vergangenen Nacht <strong>und</strong> daher viel<br />

Zeit gehabt, über alles nachzudenken. Es war schon so schlimm genug<br />

gewesen. Sie hatten erfahren, <strong>das</strong>s sie ihre Eltern nie kennen lernen<br />

würden, <strong>und</strong> jetzt wurden sie auch noch an jeder Ecke daran erinnert.<br />

Von jedem wurden sie angestarrt für etwas, oder besser für<br />

181


jemanden, den die Mädchen gar nicht besser kannten als alle ihrer<br />

Bew<strong>und</strong>erer. Nein, wahrscheinlich kannten sie ihn sogar schlechter.<br />

Und ihre Mutter. Getötet auf mysteriöse Weise, <strong>das</strong> schrieb die Presse.<br />

Wahrscheinlich wussten sie alle mehr darüber, von Ted ganz zu<br />

schweigen, welcher sogar in ihrem ehemaligen Heim lebte.<br />

„Und <strong>das</strong> sogar schon als kleines Baby! Mannomann! Wann hat<br />

man euch <strong>das</strong> gesagt <strong>und</strong> wer ist draufgekommen? Oh, <strong>das</strong> ist ja so<br />

was von aufregend!“<br />

„Gestern Nachmittag“, sagte <strong>Lily</strong>. „Lass uns ein Stück weiter weggehen,<br />

<strong>das</strong> hält ja keiner aus.“<br />

Sie gingen ein Stück weiter weg <strong>und</strong> lehnten sich an die Wand, nahe<br />

dem großen Eichentor, <strong>das</strong> von den Schlossgründen ins Innere<br />

des Schlosses führte.<br />

Ja, gestern Nachmittag hatte sich so einiges verändert. Es war klar<br />

gewesen, <strong>das</strong>s es an die Öffentlichkeit kommen würde. Irgendwann.<br />

Aber wenigstens ein paar Tage hätten sich die Mädchen gewünscht.<br />

Ein paar Tage, in denen sie nachdenken konnten. In denen sie realisieren<br />

konnten, was es bedeutete.<br />

„Und dann die Geschichte bei der legendären Schlacht um Hogwarts!<br />

Wie er <strong>das</strong> gemacht hat…“<br />

Harry schien sich in dieser Schule ziemlich schnell <strong>und</strong> gut eingelebt<br />

zu haben, denn schon jetzt schien er in seinem Redefluss, über<br />

Sachen, die er eigentlich gar nicht wissen konnte, nicht zu bremsen.<br />

Die Mädchen hörten nur halb hin. Einerseits waren sie froh, der Halle<br />

mit den vielen neugierigen Gesichtern entkommen zu sein. Andererseits<br />

war ein Harry, der ihnen die größten Heldentaten ihres verstorbenen<br />

Vaters erzählte, auch nicht gerade eine große Hilfe. Die<br />

beiden schauten sich kurz in die Augen, nur um festzustellen, <strong>das</strong>s<br />

sie beide gleich ratlos waren. Dann schauten sie in entgegen gesetzte<br />

Richtungen.<br />

„Und er konnte Quidditch spielen wie kein anderer. Einmal, da soll<br />

er sogar den Schnatz halb verschluckt haben, wenn nicht sogar…“<br />

182


<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> wünschten sich nichts sehnlicher, als einfach zurück<br />

in den Schlafsaal laufen zu können. Aber sie hatten Unterricht. Zaubereigeschichte<br />

stand auf dem Programm. Zaubereigeschichte… <strong>Dora</strong>s<br />

Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Wieder ein Fach, in dem<br />

man mit Sicherheit etwas über den großartigen Harry Potter hören<br />

würde.<br />

„… auf einem <strong>The</strong>stral zum Zaubereiministerium geflogen sein,<br />

wo er dann wieder mit Voldemort gekämpft…“<br />

Ein weiteres Knäuel Schüler kam aus der Halle. Diese paar machten<br />

nicht mal die Anstalt, wenigstens der Höflichkeit halber in eine<br />

andere Richtung zu schauen, denn sie deuteten mit ihren Fingern auf<br />

die Zwillinge.<br />

„Dann ist dir h<strong>of</strong>fentlich auch schon aufgefallen“, platzte <strong>Lily</strong><br />

plötzlich heraus, „<strong>das</strong>s der Mann, unser Dad, der auf dem was auch<br />

immer, wohin auch immer geflogen ist, jetzt tot ist! Genauso wie<br />

unsere Mum!“<br />

Harry brach mitten in seiner Erzählung ab, seinen M<strong>und</strong> vor<br />

Schreck weit geöffnet. <strong>Lily</strong> funkelte ihn böse an, während <strong>Dora</strong> noch<br />

immer angestrengt in eine andere Richtung blickte. Einen Moment<br />

lang sah Harry in die Augen seiner Cousine, dann hielt er ihrem<br />

Blick nicht mehr stand. Sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt, so<br />

als würde sie jeden Moment auf den nächst besten losgehen <strong>und</strong> in<br />

diesem Fall war <strong>das</strong> Harry.<br />

„<strong>Dora</strong>, komm! Wir holen unsere Sachen <strong>und</strong> gehen ins Klassenzimmer!“<br />

<strong>Dora</strong> nickte. Sie schaute Harry unverwandt an. Auf seinem Gesicht<br />

war noch immer ein Ausdruck tiefsten Entsetzens. Ob er entsetzt<br />

war, weil <strong>Lily</strong> ihn angeschrieen hatte, oder eher deswegen, weil er<br />

nicht über seine Worte nachgedacht hatte, <strong>das</strong> konnte <strong>Dora</strong> nicht<br />

ausnehmen.<br />

Sie rannte ein paar Schritte, um auf gleiche Höhe wie <strong>Lily</strong> zu<br />

kommen, dann ging sie schnellen Schrittes neben ihr her. Harry<br />

183


starrte wie versteinert die alte Wand des Schlosses an, nicht in der<br />

Lage dazu, sich umzudrehen.<br />

„Er hat’s nicht so gemeint“, sagte <strong>Dora</strong>, doch <strong>Lily</strong> machte nicht<br />

den Anschein, als wollte sie sich beruhigen. „Du kennst ihn doch, er<br />

redet immer, bevor er nachdenkt!“<br />

<strong>Lily</strong> blieb abrupt stehen <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> hatte alle Mühe, nicht an ihr<br />

vorbeizulaufen. Sie drehte sich um. Einen Moment noch schien <strong>Lily</strong><br />

sauer zu sein, doch schon im nächsten Augenblick schüttelte sie den<br />

Kopf <strong>und</strong> plötzlich wirkte sie ganz anders. Traurig.<br />

„Dann soll er lernen, nachzudenken, bevor er etwas sagt. Was<br />

würde er sagen, wenn wir die ganze Zeit über Onkel Dudley reden,<br />

obwohl wir gerade erst erfahren haben, <strong>das</strong>s er tot ist?“<br />

„Das Gleiche wie du eben, schätze ich!“, sagte <strong>Dora</strong>. „Komm, lass<br />

uns nach oben gehen <strong>und</strong> unsere Sachen aus dem Schlafsaal holen.<br />

Wenn wir noch länger warten, werden schon alle oben sein!“<br />

<strong>Lily</strong> nickte. Das, was sie jetzt am wenigsten wollte, war, <strong>das</strong>s ein<br />

Haufen starrender Gryffindors sie im Gemeinschaftsraum willkommen<br />

hieß.<br />

Wenige Minuten später kamen sie beim Porträt der fetten Dame<br />

an, die sie, diesmal ohne sich zu beklagen, durchließ. <strong>Dora</strong> glaubte<br />

sogar in ihrem Gesicht erkennen zu können, <strong>das</strong>s sie die Neuigkeiten<br />

bereits gehört hatte. Es war wohl wirklich niemand mehr übrig im<br />

ganzen Schloss, der sie als normale Schülerinnen betrachtete.<br />

Nur wenige Gryffindors waren im Gemeinschaftsraum <strong>und</strong> es waren<br />

vor allem ältere. Fünftklässler <strong>und</strong> älter, schätzten die Zwillinge.<br />

Wahrscheinlich hatten sie die ersten St<strong>und</strong>en frei, denn einige kauerten<br />

über Büchern <strong>und</strong> Hausaufgaben <strong>und</strong> <strong>das</strong> schon am zweiten Unterrichtstag<br />

im neuen Schuljahr.<br />

Doch als <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> auftauchten, konnten selbst die hartnäckigsten<br />

Büffler sich nicht mehr auf die Schrift in den Büchern, die<br />

sie gerade lasen, konzentrieren.<br />

So schnell wie möglich, ohne auffällig zu wirken, durchquerten sie<br />

den Raum <strong>und</strong> dann liefen sie die Treppe zu den Schlafsälen hoch.<br />

184


„Ich hasse <strong>das</strong> jetzt schon“, sagte <strong>Lily</strong>. „H<strong>of</strong>fentlich ist es wirklich<br />

so, wie Pr<strong>of</strong>essor Granger sagt, <strong>und</strong> die finden es irgendwann langweilig,<br />

uns anzustarren.“<br />

„Ganz sicher“, sagte <strong>Dora</strong>, jedoch war sie von ihren eigenen Worten<br />

nicht wirklich überzeugt.<br />

Als sie, beladen mit ihren Rucksäcken, wieder nach unten in den<br />

Gemeinschaftsraum kamen, sah die Sache schon anders aus. Jetzt<br />

schien ganz Gryffindor versammelt zu sein. Vor dem Porträtloch,<br />

hinter ein paar anderen Schülern, sahen die beiden Ted <strong>und</strong> Scott.<br />

Ted winkte ihnen zu <strong>und</strong> da sie sowieso keine andere Wahl hatten,<br />

als schnellstmöglich aus dem Raum zu verschwinden, gingen die<br />

beiden direkt auf sie zu.<br />

„Raus hier!“, befahl <strong>Lily</strong>, als sie sich einen Weg durch die starrende<br />

Menge zu den Jungs gebahnt hatten.<br />

Diese nickten <strong>und</strong> kletterten den Mädchen voran aus dem Raum.<br />

Sie gingen ein paar Schritte, bis Ted <strong>das</strong> Wort ergriff.<br />

„Hey, ich dachte eigentlich, <strong>das</strong>s ihr es noch geheim halten wollt!“,<br />

sagte er.<br />

Sie befanden sich gerade auf einer Treppe, die unruhig zu zittern<br />

begann, <strong>und</strong> sie rannten die letzten paar Stufen, bevor sie sich in<br />

Bewegung setzte <strong>und</strong> die Richtung änderte.<br />

„Wollten wir auch“, antwortete <strong>Lily</strong>. „Keine Ahnung, wer es verraten<br />

hat. Pr<strong>of</strong>essor Granger weiß es, glaub' ich, selbst nicht, oder?“<br />

<strong>Dora</strong> nickte. Es hatte nicht den Anschein gemacht, als würde sie<br />

wissen, wer damit an die Presse gegangen war. Auch die Zwillinge<br />

selbst hatten keine Ahnung. Die beiden hatten definitiv niemandem<br />

etwas gesagt außer Scott <strong>und</strong> Ted <strong>und</strong> <strong>das</strong>s jemand sie belauscht hatte,<br />

war unmöglich, denn sie hätten ihn auf der Karte des Rumtreibers,<br />

die Ted <strong>und</strong> Scott während des gesamten Gesprächs nicht aus<br />

den Augen gelassen hatten, bemerkt.<br />

Dann wussten noch ihre Großeltern, Pr<strong>of</strong>essor Longbottom <strong>und</strong><br />

Hagrid davon, aber die Zwillinge konnten sich beim besten Willen<br />

nicht vorstellen, <strong>das</strong>s jemand von ihnen etwas weitererzählt hatte.<br />

185


Die Letzte, die noch übrig blieb, war Pr<strong>of</strong>essor Granger. Aber was<br />

würde sie davon haben? Und schließlich schien sie ja selbst keine<br />

Ahnung davon zu haben.<br />

Das Einzige, was sich die beiden von diesem Schuljahr erwartet<br />

hatten, war, <strong>das</strong>s es aufregend sein würde <strong>und</strong> <strong>das</strong>s sie vielleicht erfahren<br />

würden, was es mit ihren besonderen Fähigkeiten auf sich<br />

hatte. Aber inzwischen kamen immer mehr Fragen auf, die ihnen<br />

keiner beantworten konnte <strong>und</strong> die viel wichtiger waren.<br />

„Aber wer könnte es dann weitergesagt haben?“, fragte Scott.<br />

„Wenn Pr<strong>of</strong>essor Granger gesagt hat, <strong>das</strong>s es besser ist, wenn ihr es<br />

geheim haltet, dann hat sie doch sicher darauf geachtet, <strong>das</strong>s euch<br />

keiner belauscht, während sie es euch gesagt hat, oder?“<br />

Die Zwillinge <strong>und</strong> auch Ted nickten.<br />

„Komische Sache!“, meinte Ted.<br />

„Wir sollten uns jetzt am besten drei Wochen lang irgendwo verkriechen,<br />

wo uns keiner findet, dann hätte wenigstens dieses Gerede<br />

über uns nachgelassen“, sagte <strong>Lily</strong>. „Und dabei wissen wir es doch<br />

selbst erst seit gestern <strong>und</strong> wir wissen sogar noch viel weniger als<br />

alle anderen!“<br />

„Wisst ihr was, lasst uns über was anderes reden!“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

Obwohl vor allem Ted richtig eifrig schien, zu erraten, wer es herumerzählt<br />

hatte, gab er doch klein bei.<br />

Sie gingen die letzten Schritte auf <strong>das</strong> Klassenzimmer zu, in dem<br />

Zaubereigeschichte stattfinden würde. Es war noch leer, bis auf ein<br />

paar Schülerinnen, die die vier nicht kannten. Diese blickten nicht<br />

auf, als sie die Tür hinter sich wieder schlossen <strong>und</strong> auch nicht, als<br />

sie sich zwei Reihen hinter den eifrig diskutierenden Mädchen niederließen.<br />

<strong>Dora</strong> wollte es gerade ihrer Schwester nachmachen, die ihr Geschichtsbuch<br />

aus der Tasche holte <strong>und</strong> auf den Tisch legte, als sie<br />

plötzlich aufhorchte, als sie den Namen ihres Dads hörte.<br />

„Meine Schwester hat erzählt, <strong>das</strong>s er der größte Angeber der ganzen<br />

Schule war <strong>und</strong> immer alles nach seinem Kopf gelaufen ist!<br />

186


Würde mich nicht w<strong>und</strong>ern, wenn seine Kinder genauso sind!“, sagte<br />

Sarah Parkinson.<br />

Erst jetzt erkannte <strong>Dora</strong> <strong>das</strong> Mädchen, <strong>das</strong> Hagrid am ersten Schultag<br />

nicht hatte gehorchen wollen. Sie schaute von dem Knäuel von<br />

Slytherins weg, hinüber zu ihrer Schwester, doch diese schien noch<br />

nichts gehört zu haben. <strong>Dora</strong> kannte <strong>Lily</strong> so gut, <strong>das</strong>s sie wusste,<br />

<strong>das</strong>s sie dieses Gerede der Mädchen nicht einfach so ignoriert hätte,<br />

wenn sie ohnehin schon so sauer war. Deshalb begann sie, sie in ein<br />

Gespräch über die mögliche erste Unterrichtsst<strong>und</strong>e in Zaubereigeschichte<br />

zu verwickeln, was auch ziemlich gut klappte. Sie merkte<br />

auch weiterhin nichts von dem Gerede über ihren Dad, zwei Reihen<br />

vor ihnen. <strong>Dora</strong> versuchte angestrengt, wegzuhören, doch ab <strong>und</strong> zu<br />

war es nicht zu vermeiden, <strong>das</strong>s sie ein oder zwei Sätze hörte. Die<br />

Slytherins schienen wirklich kein gutes Haar am Vater der Zwillinge<br />

lassen zu wollen.<br />

Doch allmählich wurden ihre Stimmen übertönt von dem aufgeregten<br />

Geschnatter anderer Gryffindors <strong>und</strong> Slytherins, die langsam den<br />

Raum füllten. Schon kurz nachdem alle Stühle besetzt waren, tauchte<br />

zwischen den Schülern ein Geist auf.<br />

Einige schauten ihn erstaunt an <strong>und</strong> fragten andere, was er da<br />

machte. Nur einige wenige, darunter die Zwillinge, wussten, <strong>das</strong>s<br />

dies der Lehrer in diesem Fach war.<br />

Er war ziemlich klein <strong>und</strong> r<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> schaute starr geradeaus,<br />

um ja keinem Schüler direkt in die Augen zu sehen. Auch war er der<br />

erste Mensch oder besser gesagt Geist in diesem Schloss, dem die<br />

Zwillinge egal zu sein schienen.<br />

Nachdem er vollkommen durch den Boden in die Klasse gekommen<br />

war, schwebte er nach vorne <strong>und</strong> blieb vor der Tafel stehen <strong>und</strong><br />

drehte sich zur Klasse um, seinen Blick auf einen Punkt in der Luft<br />

geheftet.<br />

„Cuthbert Binns lautet mein Name <strong>und</strong> Zaubereigeschichte ist<br />

mein Spezialgebiet. Wir beginnen dieses Jahr mit dem Beginn der<br />

Zauberei. Es wird um Kriege zwischen Zwergen <strong>und</strong> Kobolden, aber<br />

187


auch um berühmte Zauberer wie Merlin gehen. Was ihr euch nicht<br />

merken könnt, notiert ihr euch bitte.“<br />

S<strong>of</strong>ort nahmen alle eine leere Rolle Pergament <strong>und</strong> eine Feder zur<br />

Hand. <strong>Lily</strong>, die zum ersten Mal eine solche in der Hand hatte, drehte<br />

sie umständlich hin <strong>und</strong> her, tauchte sie in die Tinte <strong>und</strong> als sie probieren<br />

wollte, wie man damit schreiben konnte, bildete sich s<strong>of</strong>ort<br />

ein riesiger Tintenfleck auf dem Blatt. Sie atmete genervt tief durch,<br />

schmiss die Feder zurück in die Schultasche <strong>und</strong> zog einen Kugelschreiber<br />

heraus. Mit diesem machte sie einen Strich auf dem Blatt<br />

<strong>und</strong> nickte dann zufrieden.<br />

Ted, der links von ihr saß, schielte misstrauisch nach rechts. Vermutlich<br />

kannte er auch keine Kugelschreiber.<br />

„Willst du nicht auch versuchen, mit der Feder zu schreiben? Ich<br />

weiß nicht, ob <strong>das</strong> die Lehrer hier durchgehen lassen!“, flüsterte <strong>Dora</strong><br />

ihrer Schwester zu.<br />

Diese zuckte nur mit den Schultern.<br />

„Anderen würden sie es wohl auch nicht durchgehen lassen, gleich<br />

in der ersten Schulst<strong>und</strong>e ums Schloss zu fliegen, oder?“, antwortete<br />

sie.<br />

Noch während <strong>Lily</strong> diesen Satz beendete, begann Pr<strong>of</strong>essor Binns<br />

zu sprechen. <strong>Dora</strong> traute ihren Ohren kaum. Als er ihnen erklärt hatte,<br />

was sie dieses Jahr erwarten würde, hatte er nicht so langweilig<br />

geklungen, wie Harry ihnen versprochen hatte, doch was er jetzt sagte,<br />

löste in den Köpfen der Zwillinge <strong>und</strong> wohl auch der anderen ein<br />

plötzliches Gefühl von Müdigkeit aus.<br />

„Zauberer gibt es, solang es menschliches Leben auf diesem Planeten<br />

gibt. Anfangs wussten die Urzeitzauberer nicht, <strong>das</strong>s sie es waren,<br />

die Dinge geschehen ließen, die sie sich nicht erklären konnten,<br />

genau wie die Kinder von Muggeln noch heutzutage. Eine ihrer ersten<br />

Errungenschaften war <strong>das</strong> Feuer, von dem Muggel erst später in<br />

der Lage waren, es zu entzünden…“<br />

Die Sätze kamen eintönig aus dem <strong>durchsichtige</strong>n M<strong>und</strong>. Der<br />

Geist machte keine Pausen <strong>und</strong> keine Absätze in seinem Text. In den<br />

188


vielen Jahren, in denen er dieses Fach unterrichtet hatte, musste er<br />

alles auswendig gelernt haben. Hinter ihm schrieb eine weiße Kreide<br />

die wichtigsten Stichworte von selbst an die Tafel.<br />

Genau wie Harry gesagt hatte, war es die ersten paar Minuten noch<br />

erträglich, der Kreide durch den Körper des Pr<strong>of</strong>essors zuzuschauen<br />

<strong>und</strong> gelegentlich eine kleine oder in <strong>Dora</strong>s Fall eher krakelige Notiz<br />

auf <strong>das</strong> Pergament zu schreiben, doch allmählich hatten sowohl sie<br />

als auch <strong>Lily</strong> <strong>das</strong> Gefühl, jedes Wort aufzuschreiben, da sie kein<br />

Wort im Kopf behielten. Verbissen lauschte <strong>Lily</strong> dem Geleier des<br />

Pr<strong>of</strong>essors <strong>und</strong> versuchte, wenigstens ein bisschen aufzuschreiben,<br />

doch schließlich schmiss sie den Kugelschreiber auf den Tisch <strong>und</strong><br />

lehnte sich zurück, in der H<strong>of</strong>fnung, <strong>das</strong>s sie dann alles von <strong>Dora</strong><br />

abschreiben konnte, doch diese schaffte es, dank ihrer Feder, noch<br />

weniger aufzuschreiben <strong>und</strong> gab es schließlich auf.<br />

„Nein, <strong>Dora</strong>, wenn du aufhörst, von wem soll ich dann abschreiben?“,<br />

fragte sie.<br />

<strong>Dora</strong> zuckte mit den Schultern <strong>und</strong> blickte sich um. Einige ganz<br />

eifrige, starrten noch immer auf ihr Blatt, doch die meisten Schüler<br />

hatten sich schon nach diesen wenigen Minuten zurückgelehnt <strong>und</strong><br />

starrten gelangweilt in die Luft.<br />

Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen <strong>und</strong> ihn auf Scott<br />

<strong>und</strong> Ted ruhen. Diese beiden waren dann wohl die Einzigen, von denen<br />

sie abschreiben konnten, doch auch sie machten keinen besonders<br />

guten Eindruck. Scott klebte mit seiner Nase fast am Pergament<br />

<strong>und</strong> setzte ziemlich <strong>of</strong>t zum Schreiben von irgendetwas an, doch ebenso<br />

schnell strich er alles wieder durch. Er schüttelte alle paar Sek<strong>und</strong>en<br />

den Kopf. Ted hingegen schaukelte mit seinem Stuhl, hatte<br />

seine Hände hinter dem Kopf verschränkt <strong>und</strong> die Augen geschlossen.<br />

Auf seinen Lippen hatte er ein breites Grinsen.<br />

„Keine Ahnung!“, antwortete <strong>Dora</strong> auf die Frage ihrer Schwester.<br />

„Aber wir haben sicher auch hier Tests <strong>und</strong> Schularbeiten <strong>und</strong> was<br />

machen wir dann?“, fragte sie.<br />

„Weiß ich auch nicht!“<br />

189


„Kassettenrekorder oder Mikr<strong>of</strong>one funktionieren hier sicher auch<br />

nicht, oder?“<br />

<strong>Dora</strong> schüttelte den Kopf.<br />

„Verdammt, nicht mal als Schlaflied aufnehmen können wir dieses<br />

Gejaule!“<br />

Obwohl in der Zwischenzeit ein ziemlicher Lärmpegel in der Klasse<br />

aufgekommen war <strong>und</strong> sich auch die Letzten zurückgelehnt hatten,<br />

redete Pr<strong>of</strong>essor Binns unbeirrt weiter.<br />

„Was habt ihr alle?“, fragte Ted plötzlich, öffnete seine Augen <strong>und</strong><br />

gähnte herzhaft.<br />

„Wir machen uns Sorgen“, schnauzte <strong>Lily</strong> ihn an, „<strong>das</strong>s wir unsere<br />

Prüfungen hier verhauen <strong>und</strong> <strong>das</strong> sollte du auch! Du versuchst ja<br />

noch nicht mal zuzuhören!“<br />

Ted begann nur, noch breiter zu grinsen, so als hätte er nur darauf<br />

gewartet, <strong>das</strong>s ihm vorgeworfen wurde, er würde nicht aufpassen.<br />

„Wenn du im Haus der Weasleys wohnst, brauchst du auch nicht<br />

aufzupassen!“, sagte er <strong>und</strong> deutete mit seinem Daumen über seine<br />

Schulter.<br />

<strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Scott blickten auf den Punkt am Boden, auf den<br />

Ted zeigte <strong>und</strong> dort sahen sie eine große Rolle Pergament <strong>und</strong> eine<br />

Feder, die in etwa <strong>das</strong> Gleiche machte, wie die Kreide an der Tafel,<br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong> gelbliche Papier von alleine voll schrieb. Allerdings schien<br />

sie sogar ganze Sätze <strong>und</strong> nicht nur Stichwörter zu schreiben.<br />

„Aber niemandem verraten, die sind noch in der Testphase.<br />

Manchmal machen sie Rechtschreibfehler, aber vom Sinn her erfassen<br />

sie die Texte die sie hören richtig <strong>und</strong> fassen sie auch gleich auf<br />

<strong>das</strong> Wichtigste zusammen. George besitzt da so einen Scherzartikelladen<br />

<strong>und</strong> die sollen der Kracher werden, da sind sich er <strong>und</strong> Lee sicher!“<br />

<strong>Lily</strong> blickte einen Moment lang stumm auf die Feder, dann schaute<br />

sie Ted an, ihr Gesicht funkelnd vor Zorn.<br />

„Und warum sagst du <strong>das</strong> nicht gleich? Wir haben noch versucht<br />

hier aufzupassen <strong>und</strong> dabei waren die ganzen Minuten umsonst?“<br />

190


„Psst, leiser!“, zischte <strong>Dora</strong>.<br />

Alle außer Pr<strong>of</strong>essor Binns hatten sich umgedreht <strong>und</strong> starrten <strong>Lily</strong><br />

an. Diese sah sich um, verschränkte die Arme vor der Brust <strong>und</strong><br />

lehnte sich wieder zurück.<br />

„Na ja, war ganz lustig euch zuzusehen. Überhaupt dir mit deinem<br />

komischen Ding da! Wo kommt denn da eigentlich die Tinte rein?“<br />

Er zeigte auf den Kugelschreiber, der noch immer am Tisch lag.<br />

„Das ist ein Kugelschreiber <strong>und</strong> Federn zum Schreiben sind ja so<br />

was von veraltet!“, fauchte <strong>Lily</strong>, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.<br />

„Jetzt komm schon, ich schenk dir dafür auch eine von diesen<br />

Dingern!“<br />

Wieder zeigte er nach hinten, wo die Feder noch immer unablässig<br />

über <strong>das</strong> Papier wanderte. <strong>Lily</strong> beäugte ihn einen Moment lang misstrauisch,<br />

doch als er eine weitere Feder aus dem Rucksack holte,<br />

welche genau gleich aussah, allerdings grün statt blau war, erhellte<br />

sich ihr Gesicht schlagartig.<br />

„Wenn <strong>das</strong> so ist…“, sagte sie <strong>und</strong> nahm <strong>das</strong> Geschenk an sich.<br />

„Danke!“<br />

Sie wollte gerade die Kappe von der Spitze der Feder ziehen, als<br />

Ted sie zurückhielt.<br />

„Nein, die sollen noch geheim bleiben. Leg dein Blatt auf den Boden,<br />

dann kannst du sie verwenden!“, sagte er. „Ihr anderen beiden<br />

kriegt auch eine. Ich frag mal nach, wann George <strong>und</strong> Lee wieder<br />

welche fertig haben. Mir geben sie nämlich immer die Sachen zum<br />

Testen, aber im Moment habe ich nur diese zwei!“<br />

<strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Scott nickten.<br />

„Wer sind George <strong>und</strong> Lee?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Noch immer hatte sie Teds Satz von vorhin im Kopf. Er hatte gesagt,<br />

<strong>das</strong>s man nicht aufpassen musste, wenn man bei den Weasleys<br />

wohnte. Dann mussten die beiden also etwas mit ihren Großeltern zu<br />

tun haben.<br />

191


„Wie soll ich <strong>das</strong> erklären?“, fragte Ted. „Ach ja. George muss<br />

dann wohl euer Onkel sein… Und Lee ist sein bester Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

Geschäftspartner. Sie leiten ‚Weasleys Zauberhafte Zauberscherze’.“<br />

„Das Geschäft in der Winkelgasse?“, fragte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> erinnerte<br />

sich daran, wie sie einkaufen gewesen waren <strong>und</strong> keine Zeit mehr für<br />

dieses Geschäft gehabt hatten.<br />

„Ja, genau <strong>das</strong>“, antwortete Ted. „Allerdings müsstet ihr schon<br />

Glück haben, George oder Lee dort zu treffen. Sie reisen in der ganzen<br />

Welt umher, denn inzwischen ist ‚Weasleys Zauberhafte Zauberscherze’<br />

auf der ganzen Welt zu finden. In China, in Frankreich, in<br />

Amerika <strong>und</strong> in vielen anderen Ländern.“<br />

„Wow“, antwortete <strong>Lily</strong>. „Wir scheinen echt bekannte Verwandte<br />

zu haben <strong>und</strong> ziemlich gut zaubern müssen die auch können!“<br />

Sie blickte bew<strong>und</strong>ernd hinab auf den Boden, wo sich nun schon<br />

zwei Federn einen Wettkampf lieferten.<br />

„Ja, <strong>und</strong> weißt du, was <strong>das</strong> Beste an denen da ist?“, fragte Ted.<br />

<strong>Lily</strong> schüttelte den Kopf.<br />

„Wenn Binns uns heute aufgibt, einen Aufsatz über die Anfänge<br />

der Zauberei zu schreiben, dann kannst du ihm gleich diese Mitschrift<br />

hier abgeben, denn jede Feder schreibt unterschiedliche Zusammenfassungen<br />

von dem, was gesagt wird. Auf Fehler solltest du<br />

den Text noch überprüfen, aber sonst ist er perfekt. Das sagt zumindest<br />

George!“, meinte Ted.<br />

„Aber trotzdem hättest du es gleich sagen können!“<br />

Ted grinste <strong>und</strong> lehnte sich wieder zurück <strong>und</strong> schloss die Augen.<br />

Leise begann er irgendein Lied zu summen. Die anderen drei schüttelten<br />

ihre Köpfe, machten es ihm dann aber nach <strong>und</strong> am Ende der<br />

St<strong>und</strong>e kamen sie w<strong>und</strong>erbar erholt aus dem Klassenzimmer, während<br />

viele andere sich die Augen rieben oder gähnten. Tatsächlich<br />

hatte ihnen Pr<strong>of</strong>essor Binns ganz zum Ende der St<strong>und</strong>e aufgetragen,<br />

<strong>das</strong>s sie eineinhalb Rollen Pergament über die Anfänge der Zauberei<br />

schreiben sollen. <strong>Lily</strong> hatte nun sogar zweieinhalb <strong>und</strong> Ted über drei.<br />

192


Sie wollten gerade eine Treppe betreten, als <strong>Dora</strong> Peeves um eine<br />

Ecke biegen sah. Sein Gesicht wirkte seltsam griesgrämig. Mit gesenktem<br />

Kopf schwebte er auf die Zwillinge, Ted <strong>und</strong> Scott zu.<br />

<strong>Lily</strong> zog <strong>Dora</strong> hinter die Statue eines Zwerges, die in etwa die<br />

Größe von Hagrid hatte, um neuen Gesängen über sie <strong>und</strong> ihre Eltern<br />

zu entgehen, doch Peeves machte nicht den Anschein, als hätte er<br />

wieder losgebrüllt. Er schwebte einfach so durch die Menge der<br />

Schüler hindurch, an der Statue vorbei <strong>und</strong> alle mussten ihm aus dem<br />

Weg gehen, da er nicht einmal aufblickte.<br />

Erleichtert machten sie sich wieder auf den Weg nach unten zu den<br />

Kerkern, wo Zaubertränke stattfinden sollte. Scott schien ziemlich<br />

aufgeregt. Immerhin war dies die erste St<strong>und</strong>e, die sein Vater unterrichten<br />

würde.<br />

Als sie in den Kerker eintraten, blendete sie erstmal <strong>das</strong> Licht. Pr<strong>of</strong>essor<br />

Mason war gerade dabei, auch noch die letzten Fackeln an den<br />

Wänden zwischen den zahlreichen Fenstern anzuzünden <strong>und</strong> auf der<br />

Decke schien derselbe Zauber zu liegen, wie auf der der großen Halle,<br />

nur mit dem Unterschied, <strong>das</strong>s hier die Sonne schien <strong>und</strong> in der<br />

Halle an diesem Tag nicht. Durch die Fenster, von denen sich <strong>Lily</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Dora</strong> sicher waren, <strong>das</strong>s sie da eigentlich nicht sein konnten,<br />

weil sie mitten im Schloss waren, konnte man strahlend blauen<br />

Himmel sehen, auf den sich hie <strong>und</strong> da eine kleine Wolke verirrte.<br />

Es war, als wären sie auf dem höchsten <strong>und</strong> sonnigsten Turm des<br />

Schlosses, obwohl sie ganz sicher unten in den Kerkern waren.<br />

„Haltet mir einen Platz frei!“, sagte Scott <strong>und</strong> ging danach auf seinen<br />

Vater zu, welcher ihn freudig begrüßte <strong>und</strong> einige Worte mit<br />

ihm redete. Die Ähnlichkeit war deutlich zu erkennen. Sein Dad hatte<br />

ebenso strohblonde Haare, die er ordentlich zurückgekämmt hatte,<br />

<strong>und</strong> er war mit Sicherheit noch nicht über dreißig Jahre alt.<br />

Währenddessen suchten sich die anderen drei einen Platz, wie gewohnt<br />

ganz hinten im Klassenzimmer. Die ersten beiden Zaubertrankst<strong>und</strong>en<br />

verbrachten sie damit, einen Trank zu mischen, dessen<br />

193


Wirkung es sein sollte, die Hautfarbe eines jeden, der ihn trank, in<br />

ein mittleres Braun zu verwandeln.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Mason ging von einem Kessel zum anderen <strong>und</strong> gab<br />

Tipps, wie sie ihre Tränke verbessern konnten <strong>und</strong> nach eineinhalb<br />

St<strong>und</strong>en mussten sie dann selbst einen kleinen Schluck nehmen, um<br />

zu testen, ob sie alles richtig gemacht hatten. Während Scott giftgrün<br />

<strong>und</strong> Ted strahlendrot wurde, schafften es <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> zumindest<br />

ein bisschen näher an die Farbe braun heran. Beide wurden pechschwarz.<br />

Ihr Können beim Ausführen verschiedener Hexerein schien ihnen<br />

beim genauen Mischen von Zutaten nicht wirklich zu helfen, denn<br />

bis jetzt fanden sie dieses Fach am anstrengendsten <strong>und</strong> es war <strong>das</strong><br />

Einzige, in dem sie nicht s<strong>of</strong>ort die Besten waren. Ein paar andere<br />

schafften es auf dunkle Brauntöne.<br />

Jason Kirke, dessen Hautfarbe von vorn herein halbschwarz war,<br />

ging am Ende der St<strong>und</strong>e mit der besten Wertung aus dem Raum,<br />

obwohl sein Trank ganz anders aussah, als er sollte. Er war sogar<br />

noch viel schlimmer als der von <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>. Doch jedes Mal<br />

wenn Pr<strong>of</strong>essor Mason an ihm vorbeikam, beugte er sich so tief über<br />

seinen Kessel, damit er den misslungenen Trank nicht sehen konnte<br />

<strong>und</strong> als er ihn kosten sollte, beobachtete <strong>Lily</strong> ihn dabei, wie er <strong>das</strong><br />

kleine Glasfläschchen unbemerkt wieder zurückkippte, anstatt es zu<br />

trinken. Pr<strong>of</strong>essor Mason schien zu denken, <strong>das</strong>s sein Trank so gut<br />

war <strong>und</strong> er genau <strong>das</strong> richtige Braun erwischt hatte <strong>und</strong> somit bekam<br />

er alle Punkte.<br />

„Wir hätten uns in eine Katze verwandeln sollen, nachdem wir dieses<br />

Zeug hier getrunken haben“, flüsterte <strong>Lily</strong> zu der immer noch<br />

schwarzen <strong>Dora</strong>. „Ich frage mich, wie viele Punkte er uns dann gegeben<br />

hätte!“<br />

Als wenige Minuten später alle wieder ihre ursprüngliche Hautfarbe<br />

zurückhatten, durften sie zum Mittagessen gehen. Widerwillig<br />

gaben auch <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> ihrem knurrenden Magen nach, obwohl<br />

194


sie sich schöneres vorstellen konnten, als in die überfüllte Halle mit<br />

den vielen Schaulustigen zu kommen.<br />

„Und <strong>das</strong> Beste daran ist, <strong>das</strong>s ihr beide diesmal nicht die Besten<br />

wart!“, sagte Ted, als sie in die Halle kamen. „Aber ihr werdet schon<br />

noch sehen! Wenn wir erstmal in Verwandlung damit beginnen, uns<br />

selbst zu verwandeln, oder Teile von uns, dann übertreffe ich euch<br />

um Längen!“<br />

„Man kann nicht alles haben!“, antwortete <strong>Lily</strong>, während sie durch<br />

die Tür traten <strong>und</strong> auf ihren Tisch zugingen.<br />

Wenn Ted wüsste, <strong>das</strong>s sie sich in Tiere verwandeln konnte…<br />

„Aber <strong>das</strong> hier könnt ihr haben!“<br />

Die vier blickten sich um <strong>und</strong> sahen Pr<strong>of</strong>essor Granger auf sich<br />

zukommen. Sie trug eine große Schachtel in ihren Händen, welche<br />

sie <strong>Lily</strong> in die Hand drückte.<br />

„Viele Briefe!“, antwortete sie. „Ich h<strong>of</strong>fe, ihr seid mir nicht böse,<br />

<strong>das</strong>s ich sie abfange, bevor sie zu euch kommen, aber es ist mir lieber,<br />

wenn ich sie überprüfe, denn nicht jeder mochte eure Eltern.<br />

Versteht ihr?“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> nickten.<br />

„Und der hier dürfte euch interessieren. Ich habe ihn nicht gelesen,<br />

aber er ist von der Person mit dem Umhang <strong>und</strong> der Karte!“<br />

Sie zog einen weiteren Umschlag aus ihrem Umhang hervor <strong>und</strong><br />

legte ihn oben auf die Schachtel.<br />

„Den Rest lasse ich euch am Abend bringen <strong>und</strong> wenn noch mehr<br />

kommen, dann bekommt ihr die natürlich auch!“<br />

Schon jetzt waren sich <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> sicher, <strong>das</strong>s sie nicht einen<br />

der Briefe lesen würden. Nachdem Pr<strong>of</strong>essor Granger gesagt hatte,<br />

<strong>das</strong>s nicht alle ihre Eltern mochten, waren sich die beiden sicher,<br />

<strong>das</strong>s sie von Lesern des Tagespropheten waren <strong>und</strong> nach den neugierigen<br />

Schülern waren sie wirklich alles andere als an dem Inhalt dieser<br />

Briefe interessiert. Doch sie nickten ihrer Lehrerin zu, welche<br />

sich gleich darauf auf den Weg zum Lehrertisch machte.<br />

195


<strong>Lily</strong> stellte die Schachtel neben sich auf den Boden, als sie sich an<br />

den Tisch setzten. Wieder wurden die beiden von allen Seiten begrüßt<br />

<strong>und</strong> angestarrt. Sie versuchten so gut wie möglich alle anderen<br />

zu ignorieren <strong>und</strong> noch bevor sie sich von dem köstlichen Essen<br />

nahmen, <strong>das</strong> ihnen geboten wurde, öffnete <strong>Lily</strong> den Briefumschlag<br />

des Unbekannten <strong>und</strong> zog <strong>das</strong> zusammengefaltete Blatt heraus. Die<br />

Mädchen begannen die paar Zeilen zu lesen.<br />

Hallo <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>!<br />

Es ist also an die Öffentlichkeit gekommen, wer euer<br />

Dad <strong>und</strong> eure Mum sind. Es tut mir leid, ich wollte <strong>das</strong><br />

nicht.<br />

Es wäre besser gewesen, wenn ihr es selbst nie erfahren<br />

hättet, aber jetzt ist es zu spät. Ich werde mein Bestes<br />

geben, damit euch beiden nichts passiert.<br />

Bitte tut mir den Gefallen <strong>und</strong> behaltet diese Eule. Ich<br />

habe ihr aufgetragen, s<strong>of</strong>ort in die Eulerei zu fliegen,<br />

wenn sie euch den Brief überbracht hat. Keine Sorge,<br />

auch wenn ihr euch nicht gemerkt habt, wie sie aussieht,<br />

wird sie euch erkennen!<br />

Wenn euch irgendetwas seltsam vorkommt oder euch<br />

irgendjemand etwas Böses will, dann schickt sie zurück<br />

zu mir. Sie wird den Weg finden!<br />

Haltet diesen Brief wieder geheim, ich bitte euch!<br />

Und passt auf euch auf!<br />

<strong>Lily</strong> wartete, bis <strong>Dora</strong> den Brief ebenfalls fertig gelesen hatte. Diese<br />

schaute sie nur verwirrt an <strong>und</strong> zuckte mit ihren Schultern. Danach<br />

schmiss <strong>Lily</strong> den Brief auf die Schachtel <strong>und</strong> die beiden begannen zu<br />

essen.<br />

196


197<br />

Weasleys Zauberhafte Tagträume<br />

Die nächsten paar Wochen vergingen nur schleichend. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

kannten plötzlich Schüler, von denen sie gar nicht glaubten, sie<br />

schon irgendwo einmal gesehen zu haben, doch jeder wollte mit ihnen<br />

sprechen <strong>und</strong> wenn möglich sogar mit ihnen befre<strong>und</strong>et sein.<br />

Im Gemeinschaftsraum <strong>und</strong> in der großen Halle wurden ihnen<br />

Plätze von Leuten freigehalten, von denen sie nur wenige vom Sehen<br />

her kannten <strong>und</strong> plötzlich war es ganz einfach, Bekanntschaften zu<br />

knüpfen.<br />

Unter normalen Umständen, so dachte <strong>Lily</strong>, wäre <strong>das</strong> sicher eine<br />

mehr als positive Entwicklung gewesen, doch in dieser Situation<br />

wünschte sie sich nur, einfach in Ruhe gelassen zu werden. Auf<br />

einmal von allen erkannt zu werden, nur weil ihr Dad berühmt gewesen<br />

war, gefiel ihr nicht. Vor allem, weil dieser, da waren sich die<br />

Zwillinge ganz sicher, zumindest entfernt wegen seines Sieges über<br />

Voldemort schließlich getötet worden war.<br />

Nicht alle hatten ihn gemocht, <strong>das</strong> hatte Pr<strong>of</strong>essor Granger ihnen ja<br />

gesagt, <strong>und</strong> welchen anderen Gr<strong>und</strong> hätte es geben können, <strong>das</strong>s jemand<br />

ihn ermordet hatte? Ein Anhänger Voldemorts musste etwas<br />

damit zu tun gehabt haben.<br />

Harry Potter hatte also nach Meinung der Zwillinge für seine berühmteste<br />

Tat schwer bezahlen müssen, nämlich mit seinem Leben.<br />

Sie versuchten, nicht <strong>of</strong>t darüber zu sprechen, aber manchmal ließ es<br />

sich nicht vermeiden. Es gab einfach zu viele Fragen, von denen sie<br />

sich wünschten, nur eine davon beantworten zu können.<br />

„Ted, warum trinkst du eigentlich immer dieses Zeug?“, fragte <strong>Lily</strong><br />

eines Morgens beim Frühstück in der großen Halle.<br />

Wie immer hatten die beiden alle Angebote anderer abgeschlagen<br />

<strong>und</strong> sich am Ende wieder zu Scott <strong>und</strong> Ted gesetzt. Schon von Anfang<br />

an hatte <strong>Lily</strong> Ted beobachtet, wie er aus einer Glasflasche, die<br />

er in seiner Schultasche umherschleppte, trank. Noch nie hatte sie<br />

ihn etwas vom Tisch trinken sehen.


„Was?“, fragte er <strong>und</strong> stellte seine Flasche neben sich auf den<br />

Tisch.<br />

<strong>Lily</strong> deutete darauf.<br />

„Ach, <strong>das</strong> schmeckt einfach besser“, meinte er. „Und außerdem<br />

vertrag ich dieses Kürbiszeugs da nicht!“<br />

Sie zog die Augenbrauen hoch <strong>und</strong> nahm einen Schluck von ihrem<br />

Kürbissaft. Ihrer Meinung nach schmeckte er sogar sehr gut. Besser<br />

als alle Getränke, die sie zu Hause im Ligusterweg zu trinken bekamen.<br />

Vielleicht lag <strong>das</strong> aber auch nur daran, <strong>das</strong>s unterwegs <strong>das</strong> Essen<br />

immer besser schmeckt…<br />

Plötzlich kam ein Schwall Eulen durch eines der Fenster der Halle.<br />

Da Pr<strong>of</strong>essor Granger darauf achtete, <strong>das</strong>s sie sämtliche Post für <strong>Lily</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Dora</strong> abfing, blickten die beiden gar nicht auf. Sie wussten genau,<br />

<strong>das</strong>s sie heute Abend, wie jeden anderen Tag, eine volle<br />

Schachtel mit Briefen bekommen würden. Doch plötzlich landete<br />

eine Eule genau vor ihnen <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> konnte gerade noch eine Schale<br />

mit Brötchen beiseite schieben, so<strong>das</strong>s die Eule nicht darauf landete.<br />

Sie streckte <strong>Lily</strong> ihren Fuß hin, so<strong>das</strong>s diese <strong>das</strong> kleine Paket, <strong>das</strong><br />

daran geb<strong>und</strong>en war, abnehmen konnte. Schon Sek<strong>und</strong>en später war<br />

der Vogel wieder mit schweren Flügelschlägen davongeflogen.<br />

<strong>Dora</strong> fasste hinüber zu dem Paket <strong>und</strong> riss den Brief ab, der mit<br />

Klebeband daran befestigt war. In großen bunten Lettern stand darauf<br />

geschrieben ‚Weasleys Zauberhafte Zauberscherze’ <strong>und</strong> darunter<br />

standen unverkennbar die Namen der Zwillinge <strong>und</strong> der Hinweis,<br />

<strong>das</strong>s sie sich in der großen Halle der Hogwarts-Schule für Hexerei<br />

<strong>und</strong> Zauberei befanden.<br />

„Ah, George war gerade noch rechtzeitig“, sagte Ted, der ebenfalls<br />

ein ähnliches Paket erhalten hatte. „Das müssen die beiden Federn<br />

sein, um die ich ihn gebeten habe!“<br />

Dann schaute er zu den Zwillingen.<br />

„Ach, er hat euch auch etwas geschickt? Hätte ich mir denken<br />

können. Hab' ihm nämlich erzählt, <strong>das</strong>s ihr begeistert von seiner Feder<br />

seid <strong>und</strong> natürlich wurde ihm schon gesagt, wer ihr seid.“<br />

198


Während <strong>Dora</strong> den Brief auseinanderfaltete, machte <strong>Lily</strong> sich<br />

schon am Geschenkpapier der Schachtel zu schaffen. Doch bevor sie<br />

es völlig abgestreift hatte, tupfte <strong>Dora</strong> sie an <strong>und</strong> die beiden begannen<br />

den Brief zu lesen.<br />

199<br />

Liebe <strong>Lily</strong>, liebe <strong>Dora</strong>!<br />

Ich war sehr erfreut als meine Mum, also eure<br />

Großmutter, mir von euch erzählt hat. Ich freue mich<br />

darauf, euch zu Weihnachten kennen zu lernen <strong>und</strong> es tut<br />

mir leid, <strong>das</strong>s ich euch nicht schon früher geschrieben<br />

habe, aber es gab eine kleine Auseinandersetzung<br />

zwischen eurer Großmutter <strong>und</strong> mir. Sie war nämlich der<br />

Meinung, <strong>das</strong>s ich euch diese kleine Aufmerksamkeit<br />

nicht schicken darf. Sie meinte, <strong>das</strong>s ich euch nicht auch<br />

noch auf dumme Gedanken bringen soll. Deshalb bitte<br />

ich euch, die Sachen im Paket niemals vor ihr zu<br />

erwähnen.<br />

Trotzdem bin ich mir sicher, <strong>das</strong>s ihr sie weise benutzen<br />

werdet, zum Beispiel, um in Zaubereigeschichte besser<br />

schlafen <strong>und</strong> trotzdem mitschreiben zu können oder um<br />

eine Prüfung zu verpassen, von der ihr sowieso sicher<br />

seid, sie nicht bestehen zu können. Ihr seht also, diese<br />

Dinge sind nur für gute Zwecke geeignet. Ted wird euch<br />

<strong>das</strong> bestätigen können.<br />

Wenn ihr mit etwas besonders zufrieden seid oder etwas<br />

nicht funktioniert, dann teilt mir <strong>das</strong> bitte mit. Viele<br />

Sachen davon sind nämlich noch in der<br />

Entwicklungsphase.<br />

Ich wünschte euch noch viel Spaß in der Schule <strong>und</strong>,<br />

wenn ihr Nachschub von irgendetwas braucht, dann lasst<br />

mich <strong>das</strong> wissen. Und nicht vergessen: In Gegenwart<br />

eurer Großmutter ist diese Sache streng vertraulich zu<br />

behandeln.


Ich kann es gar nicht mehr erwarten, bis endlich<br />

Weihnachten ist <strong>und</strong> ich euch endlich kennen lernen<br />

kann.<br />

Mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen,<br />

George Weasley<br />

„Nett von ihm, neue Familienmitglieder so zu begrüßen, oder?“,<br />

fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ja, ziemlich nett“, nickte <strong>Dora</strong>. „Packen wir <strong>das</strong> gleich aus?“<br />

Schon bevor sie diesen Satz beendet hatte, hatte <strong>Lily</strong> schon damit<br />

begonnen, <strong>das</strong> Papier endgültig abzureißen <strong>und</strong> den Inhalt der kleinen<br />

Pappschachtel auf den Tisch zu kippen. Alles in allem konnten<br />

sie lauter bunte Verpackungen erkennen.<br />

Ted beugte sich herüber <strong>und</strong> betrachtete die Geschenke, die die<br />

Zwillinge von George bekommen hatten. Dann blickte er auf <strong>und</strong><br />

überreichte sowohl Scott als auch <strong>Dora</strong> eine Feder in einer <strong>durchsichtige</strong>n<br />

Plastikverpackung. Scott bekam eine in der Farbe gelb <strong>und</strong><br />

<strong>Dora</strong> eine in rot.<br />

„Was ist <strong>das</strong>?“, fragte <strong>Lily</strong>, als <strong>Dora</strong> gerade ihre Feder entgegen<br />

nahm.<br />

Sie hielt eine <strong>durchsichtige</strong> Verpackung mit allerhand bunten Süßigkeiten<br />

in die Höhe. Ted betrachtete sie <strong>und</strong> runzelte die Stirn.<br />

„George denkt wohl auch nicht mit. Er hätte euch wenigstens einen<br />

Zettel mitschicken können, auf dem steht, w<strong>of</strong>ür diese Süßigkeiten<br />

zuständig sind. Aber okay, die meisten hier drinnen wissen es sowieso<br />

auswendig <strong>und</strong> er dachte wohl, <strong>das</strong>s ich es euch sowieso erkläre“,<br />

meinte er. „Also <strong>das</strong> ist der Klassiker schlecht hin im Geschäft von<br />

George. Man nennt sie ‚Nasch- <strong>und</strong> Schwänzleckereien’. Es gibt sie<br />

in verschiedenen Sorten. Meine Lieblingssorte ist <strong>das</strong> Nasblutnougart.<br />

Das tut am wenigsten weh. Wenn ihr eine Seite davon esst,<br />

dann bekommt ihr furchtbares Nasenbluten <strong>und</strong> ihr könnt sagen, ihr<br />

wollt in den Krankenflügel. Wenn euch die Lehrer entlassen haben,<br />

dann schluckt ihr die nächste Hälfte <strong>und</strong> es verschwindet augenblick-<br />

200


lich. Der Tag gehört dann euch <strong>und</strong> ihr könnt machen, was ihr wollt.<br />

Es gibt auch noch Kotzpastillen <strong>und</strong> einiges anderes. Probiert es einfach<br />

mal aus!“<br />

<strong>Lily</strong> betrachtete anerkennend die Verpackung in ihren Händen <strong>und</strong><br />

drehte sie hin <strong>und</strong> her um die verschiedenen Süßigkeiten darin zu<br />

erkennen. Dann schmiss sie sie zurück in die Box.<br />

Währenddessen schnappte sich <strong>Lily</strong> eine bunte, dünne Kunstst<strong>of</strong>fverpackung.<br />

Es fühlte sich an, als würde sie nur ein wenig Staub oder<br />

Pulver enthalten. Auf der Rückseite las sie den Text, der umrahmt<br />

war von einem Muster aus Herzchen <strong>und</strong> Blümchen.<br />

201<br />

Ihr wollt mal so richtig abschalten können <strong>und</strong> noch<br />

dazu schön träumen? Dann habt ihr hier <strong>das</strong> richtige<br />

Mittel in Händen. Einfach die Verpackung aufreißen <strong>und</strong><br />

losträumen. Eure größten Wünsche erfüllen sich<br />

(natürlich nur im Traum). Die ideale Dosis für eine<br />

Schulst<strong>und</strong>e. Dauer genau eine dreiviertel St<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

wenn der Lehrer euch etwas fragt, dann antwortet ihr<br />

mit Sicherheit richtig. Außerdem schreibt ihr wie durch<br />

Zauberhand von alleine <strong>das</strong> mit, was euch der Lehrer<br />

erzählt. Niemandem wird etwas auffallen <strong>und</strong> es werden<br />

die schönsten Schulst<strong>und</strong>en eures Lebens werden.<br />

Einzige Nebenwirkung: Anschließende Deprimiertheit,<br />

weil ihr bemerkt, <strong>das</strong>s sämtliche Träume nur im Schlaf<br />

zur Realität geworden sind.<br />

<strong>Dora</strong> drehte <strong>das</strong> Päckchen noch mal um <strong>und</strong> schaute ein paar Sek<strong>und</strong>en<br />

auf <strong>das</strong> blonde Mädchen auf der Vorderseite, <strong>das</strong> mit einem Lächeln<br />

auf den Lippen schrieb, während der Zauberer neben ihr, vermutlich<br />

ein Lehrer, unablässig stumme Worte von sich gab. Dann<br />

legte <strong>Dora</strong> es zurück auf den Stapel der anderen, gleichen Päckchen.<br />

Insgesamt fünf davon hatten sie bekommen.


Es waren noch mehr Sachen auf dem Tisch, doch sie waren nun<br />

ziemlich die letzten in der großen Halle <strong>und</strong> so packten sie alles zurück<br />

in die Schachtel <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> stopfte sie in ihren Rucksack, bevor<br />

sie sich auf den Weg zu Zaubereigeschichte machten.<br />

„Sag mal Ted, klappt <strong>das</strong> wirklich, was da auf den Päckchen gestanden<br />

hat? Ich meine, <strong>das</strong>s man alles von selbst mitschreibt, was<br />

der Lehrer sagt <strong>und</strong> alle Fragen richtig beantwortet, obwohl man überhaupt<br />

nichts davon mitkriegt, weil man eigentlich träumt?“<br />

Ted überlegte einen Moment lang. Er schien nicht so recht zu wissen,<br />

was <strong>Dora</strong> meinte, doch dann nickte er.<br />

„Du meinst die Tagträume? Oh ja, die klappen perfekt! Ich hab sie<br />

einmal daheim ausprobiert. Na ja, <strong>das</strong> ging in die Hose, weil ich alles<br />

aufgeschrieben habe, was die Leute um mich herum gesprochen<br />

haben. Aber immer wenn sie mich etwas gefragt haben, habe ich ihnen<br />

geantwortet… Also für Zaubereigeschichte genau <strong>das</strong> richtige,<br />

falls du darauf hinauswolltest!“<br />

„Na ja, ich weiß nicht“, antwortete <strong>Dora</strong>. „Was ist, wenn es dann<br />

doch nicht klappt <strong>und</strong> Binns etwas merkt?“<br />

Sie setzten sich gerade wieder an ihrem Stammplatz.<br />

„Ach komm schon. Binns ist <strong>das</strong> doch so was von egal. Wenn du<br />

laut zu schnarchen beginnst merkt er auch nichts!“, antwortete Ted.<br />

„Weißt du was? Ich hab auch noch ein paar davon übrig. Was haltet<br />

ihr davon, wenn wir uns abwechseln <strong>und</strong> jede St<strong>und</strong>e zwei von uns<br />

ins Land der Träume abtauchen <strong>und</strong> die anderen beiden aufpassen?<br />

Dann haben wir immer zweimal die komplette Mitschrift der St<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> viermal eine Zusammenfassung.“<br />

„Ich bin dabei!“, antwortete <strong>Lily</strong>.<br />

Alle vier waren gerade dabei, ihre Federn hinter sich auf dem Boden<br />

zu platzieren, um sie vor den anderen zu verstecken <strong>und</strong> trotzdem<br />

an ihre Hausaufgaben zu kommen.<br />

„Also versuchen wir beide es heute?“, fragte Ted.<br />

<strong>Lily</strong> nickte <strong>und</strong> auch die anderen beiden stimmten zu. Als Pr<strong>of</strong>essor<br />

Binns schließlich in die Klasse kam, diesmal durch die Decke<br />

202


von oben herab, vergrub <strong>Dora</strong> ihr Gesicht in ihren Händen auf dem<br />

Tisch, während sich Scott zurücklehnte <strong>und</strong> die Augen schloss. <strong>Lily</strong><br />

<strong>und</strong> Ted nahmen beide ein Päckchen heraus <strong>und</strong> öffneten es. S<strong>of</strong>ort<br />

kam eine kleine Wolke von silbernem Pulver heraus, welche eigenständig<br />

auf ihr Gesicht zukam.<br />

Einen Moment noch war <strong>Lily</strong> neugierig, was gleich passieren würde,<br />

doch schneller als geplant merkte sie nur mehr, wie sie gegen<br />

ihren Willen ein Blatt Pergament <strong>und</strong> ihren Kugelschreiber hervorholte<br />

<strong>und</strong> Wörter zu schreiben begann, die sie gar nicht hörte <strong>und</strong> an<br />

die sie gar nicht dachte, während <strong>Dora</strong> sie aufmerksam beobachtete.<br />

Ein bunter Schwall aus Lichtern überwältigte sie <strong>und</strong> schon wenig<br />

später war sie in einem dunklen Raum.<br />

Sie wusste genau, <strong>das</strong>s sie träumte, <strong>und</strong> es war, als wäre es Realität.<br />

Nur kannte sie den Raum nicht. Er war voll gestellt mit alten Regalen.<br />

Einige davon schienen von irgendetwas ziemlich schwer beschädigt<br />

worden zu sein. Tiefe Spuren von Gewalt waren darauf zu<br />

erkennen. Waren es Menschen gewesen? Oder eher Tiere? Nach den<br />

Abdrücken der Klauen im Holz zu schließen, war es wohl eher die<br />

zweite Möglichkeit.<br />

<strong>Lily</strong> blickte sich um. Sollte <strong>das</strong> Pulver nicht bewirken, <strong>das</strong>s ihre<br />

größten Träume Wahrheit wurden? Eigentlich schon. Aber sie war<br />

sich sicher, <strong>das</strong>s ein dunkler, zerstörter Raum nicht ihr größter<br />

Traum war.<br />

Plötzlich hörte sie Schritte. Instinktiv versteckte sie sich hinter einem<br />

der Regale, vor einem zugenagelten Fenster. Dann öffnete sich<br />

eine Tür, nicht weit von ihr entfernt, <strong>und</strong> eine abgemagerte Hexe<br />

kam in den Raum. Sie wirkte seltsam mitgenommen. Einen Menschen<br />

von so erbärmlichem Aussehen hatte <strong>Lily</strong> noch nie gesehen.<br />

Ihre Wangen waren eingefallen <strong>und</strong> ihre Augen traten merkwürdig<br />

weit hervor. Jeder Teil ihres Körpers, der nicht aus Haut <strong>und</strong> Knochen<br />

bestanden hatte, schien entfernt geworden zu sein <strong>und</strong> ihr Anblick<br />

erinnerte <strong>Lily</strong> mehr an eine Leiche als an eine lebendige Frau.<br />

203


Sie schwankte schwer atmend, aber trotzdem mit einem zufriedenen<br />

Lächeln auf den Lippen auf einen Tisch zu, der mit einem<br />

schmutzigen, weißen Tischtuch überdeckt war.<br />

<strong>Lily</strong> stockte der Atmen. Die Decke hob <strong>und</strong> senkte sich langsam.<br />

Lag darunter etwa ein Mensch? Ohne darüber nachzudenken verkroch<br />

sie sich noch weiter hinter dem Regal. Sie wagte es kaum zu<br />

atmen. Was, wenn man sie hier erblicken würde? Es war nur ein<br />

Traum, <strong>das</strong> wusste <strong>Lily</strong>, aber es war alles zu echt, um leichtsinnig zu<br />

werden.<br />

Vorsichtig hob die Frau anschließend <strong>das</strong> Tuch in die Höhe <strong>und</strong> ihr<br />

Grinsen wurde noch breiter, als sie es ganz vom Tisch zog <strong>und</strong> hinunter<br />

auf den Boden warf. Zum Vorschein kamen eine spitze Nase<br />

<strong>und</strong> blonde, etwas längere Haare. Dann, mit einem Ruck, öffnete der<br />

Mann seine Augen.<br />

„Lucius, wie geht es dir?“, fragte die Frau <strong>und</strong> trat ein paar Schritte<br />

zurück.<br />

Der Mann namens Lucius setzte sich langsam auf. Irgendetwas<br />

schien ihm furchtbare Qualen zu bereiten, denn sein Gesicht war<br />

plötzlich verzerrt vor Schmerzen.<br />

„Was ist los? Lucius, du bist zu schwach, leg dich wieder hin!“,<br />

keuchte die Frau.<br />

Doch Lucius winkte mit gequältem Gesichtsausdruck ab.<br />

„Nein, keine Sorge, mir geht es gut. Aber er ist zu schwach. Das<br />

Buch <strong>und</strong> der Ring waren nicht genug. Du musst mehr besorgen“,<br />

keuchte er. „Tut mir leid, ich kann dir dabei nicht helfen. Er ist zu<br />

schwach!“<br />

Die Frau trat wieder etwas näher. Erst jetzt fiel <strong>Lily</strong> auf, <strong>das</strong>s auch<br />

der Mann genauso ausgezehrt wirkte wie die Frau an seiner Seite. So<br />

als hätte er monate-, oder besser: jahrelang nichts zu essen bekommen.<br />

„Aber woher denn? Ich weiß nicht, wo ich sie finden kann! Diese<br />

beiden hatte der Geist. Aber die anderen fünf könnten überall sein!“,<br />

204


sagte die Frau. „Und vielleicht sind einige davon zerstört. Ich weiß<br />

es nicht!“<br />

Lucius stemmte beide Hände gegen seine Stirn <strong>und</strong> atmete ein paar<br />

Mal tief durch.<br />

„Er braucht sie aber. Ich denke nicht, <strong>das</strong>s es alle sein müssen.<br />

Finde wenigstens ein oder zwei weitere, dann wird er stark genug<br />

sein <strong>und</strong> ich kann dir bei der Suche helfen!“<br />

Die Frau nickte.<br />

„Okay, ich gebe mein Bestes“, antwortete sie. „Aber jetzt leg dich<br />

hin <strong>und</strong> ruh dich aus!“<br />

Lucius tat, wie ihm befohlen wurde <strong>und</strong> er legte sich wieder zurück<br />

auf den Tisch. Die Frau hob zögernd <strong>das</strong> Tischtuch auf.<br />

„Wir werden sie rächen, <strong>das</strong> verspreche ich dir, Narzissa!“, sagte<br />

er, bevor die Frau ihn wieder komplett zudeckte.<br />

Einige Sek<strong>und</strong>en blieb sie noch reglos vor dem Tuch stehen, dann<br />

wandte sie sich um <strong>und</strong> verließ den Traum wieder.<br />

<strong>Lily</strong> ließ sich langsam zu Boden sinken. Obwohl sie sich sicher<br />

war, <strong>das</strong>s ihr Umhang, der an der rauen Wand streifte, eigentlich Geräusche<br />

von sich hätte geben müssen, herrschte weiterhin Grabesstille<br />

im Raum. Auch die Schritte dieser Narzissa, die eben aus dem<br />

Raum gegangen war, waren verklungen.<br />

Von wegen, ihre größten Träume würden <strong>Lily</strong> erfüllt werden. Alles,<br />

was sie fühlte, war Angst. Große Angst. Was würden sich die<br />

anderen denken? Sie saß sicher nicht lächelnd im Klassenzimmer,<br />

wie <strong>das</strong> Mädchen auf der Verpackung. Ihr Gesicht hatte sicher einen<br />

Ausdruck tiefster Angst angenommen. Was würde sich <strong>Dora</strong> denken?<br />

Sie hatte es sicher schon bemerkt.<br />

<strong>Lily</strong> streckte ihren Arm aus, um eine Dose zu nehmen. Der verblichenen<br />

Aufschrift nach zu urteilen, war darin mal Farbe gewesen.<br />

Doch die Dose ließ sich keinen Millimeter weit anheben <strong>und</strong> auch<br />

nicht verschieben, obwohl sich <strong>Lily</strong> sicher war, <strong>das</strong>s sie nicht schwer<br />

war.<br />

205


Sie versuchte es noch bei einigen anderen Gegenständen, doch<br />

auch diese ließen sich nicht verschieben. Sogar ein Spinnennetz neben<br />

ihr schien hart wie Stahl zu sein. Selbst mit aller Kraft konnte<br />

<strong>Lily</strong> die dünnen Fäden nicht zerstören <strong>und</strong> auch die Spinne, die weiter<br />

weg darin saß, schien sich nicht von ihr ablenken zu lassen.<br />

Sie versuchte, mit ihren Fingernägeln auf dem Boden ein leises<br />

Geräusch zu machen, doch sie hörte nichts. Auch nicht, als sie mit<br />

einem Fuß ziemlich fest auf den Boden trat. Es war, als würde sie<br />

hier für die Umgebung um sie herum gar nicht existieren.<br />

Die Spinne kletterte ein paar Zentimeter weiter hinauf <strong>und</strong> versetzte<br />

ihr Netz in Schwingung. <strong>Lily</strong> versuchte, es ruhig zu halten, doch<br />

<strong>das</strong> Netz war stärker. Wenn es zurück schwang, konnte <strong>Lily</strong> es nicht<br />

aufhalten, egal wie sehr sie sich anstrengte.<br />

Langsam stand sie auf <strong>und</strong> trat lautlos hinter dem Regal hervor. Sie<br />

wusste zwar, <strong>das</strong>s es ihr im Notfall nichts helfen würde, aber instinktiv<br />

umklammerte sie ihren Zauberstab im Umhang, als sie an dem<br />

zugedeckten Tisch vorbeiging, auf dem unter der Decke der Mann<br />

lag. Das Tischtuch hob sich unablässig alle paar Sek<strong>und</strong>en an, wenn<br />

er einatmete <strong>und</strong> doch schien auch er <strong>Lily</strong> nicht zu hören.<br />

Die Tür war einen Spaltbreit <strong>of</strong>fen. Zu wenig, als <strong>das</strong>s <strong>Lily</strong> hätte<br />

hindurch treten können. Sie versuchte die Tür weiter aufzumachen,<br />

doch auch diese bewegte sich keinen Millimeter.<br />

Der nächste Raum war genauso schwarz, nur etwas kleiner. <strong>Lily</strong><br />

konnte nicht viel erkennen, außer ein paar weiteren Regalen, die ebenso<br />

zerstört wirkten wie die in ihrem Raum.<br />

Lange Zeit tat sich gar nichts. <strong>Lily</strong> versuchte immer wieder die Tür<br />

zu bewegen, denn es war der einzige Ausgang aus diesem Raum.<br />

Alle Fenster waren vernagelt <strong>und</strong> es gab keine andere Türe. Doch sie<br />

hatte keine Chance.<br />

Würde sie wirklich nach einer Dreiviertelst<strong>und</strong>e wieder aufwachen?<br />

Sie h<strong>of</strong>fte es mehr als alles andere, denn einen anderen Ausweg<br />

wusste sie nicht.<br />

206


Minuten waren vergangen, als sie plötzlich ein leises Geräusch<br />

durch den Spalt in der Tür hörte. Sie lief hin <strong>und</strong> blickte hindurch.<br />

Eine weitere Türe im anderen Raum war aufgegangen <strong>und</strong> fahles<br />

Licht fiel herein <strong>und</strong> blendete sie. Als dieses wieder verschw<strong>und</strong>en<br />

war, sah sie eine Gestalt. Sie wollte sich gerade wieder hinter dem<br />

Regal verstecken, als sie bemerkte, <strong>das</strong>s die Frau im anderen Raum<br />

stehen blieb.<br />

Es war wieder diese Narzissa <strong>und</strong> bei genauerem Hinschauen<br />

konnte <strong>Lily</strong> noch jemanden erkennen. Es war Peeves, der in der<br />

Dunkelheit nur sehr schwer zu erkennen war.<br />

„Sie haben mich herbestellt?“, fragte er.<br />

„Ja, ich habe einen Auftrag. Du erinnerst dich doch an <strong>das</strong> Buch<br />

<strong>und</strong> an den Ring?“<br />

„Das waren meine Trophäen. Die will ich wieder haben!“, sagte er.<br />

„Die wirst du nie wieder bekommen <strong>und</strong> wenn du nicht deinen<br />

M<strong>und</strong> hältst <strong>und</strong> meine Befehle befolgst, dann warst du einmal!<br />

Glaub mir, aber es gibt Möglichkeiten für eine Hexe wie mich, um<br />

einen Poltergeist ein für alle Mal zu zerstören! Du magst zwar nie<br />

lebendig gewesen sein, aber nach meiner Behandlung wirst du fähig<br />

sein zu spüren, wie sich der Tod anfühlt!“, drohte Narzissa Peeves.<br />

Dieser schien noch ein wenig <strong>durchsichtige</strong>r zu werden <strong>und</strong> sein<br />

Gesicht verfinsterte sich noch mehr, als es <strong>das</strong> schon in den letzten<br />

Wochen getan hatte. Nicht einmal hatte <strong>Lily</strong> ihn seit jenem Tag in<br />

der großen Halle lachen oder spotten gesehen. Er war nur mehr mit<br />

gesenktem Kopf durch die Schule geflogen.<br />

„Zu Befehl! Ich gebe mein Bestes. Was für einen Auftrag haben<br />

Sie?“, fragte er.<br />

Ein zufriedenes Grinsen trat auf <strong>das</strong> dürre Gesicht von Narzissa.<br />

„Ein paar davon müssten in der Schule zu finden sein. Fürs erste<br />

genügen mir ein oder zwei Dinge. Sie sind aber mit Sicherheit alle<br />

kaputt, genau wie <strong>das</strong> Tagebuch <strong>und</strong> der Ring. Ich brauche den Becher<br />

von Hufflepuff, <strong>das</strong> Medaillon von Slytherin, <strong>das</strong> Diadem von<br />

Ravenclaw oder einen Teil von Nagini, der Schlange Lord Volde-<br />

207


morts. Letzteres wird allerdings sehr schwer zu finden sein!“, meinte<br />

sie.<br />

„Und wo soll ich diese Dinge finden?“, fragte Peeves, noch immer<br />

mit einem Ausdruck tiefsten Entsetzens auf dem Gesicht.<br />

„Das ist mir ziemlich egal, deshalb beauftrage ich dich, mir diese<br />

Dinge zu besorgen. Es ist in deinem Interesse, glaub mir!“<br />

Mit einem hämischen Grinsen wandte sich die Hexe anschließend<br />

von Peeves ab <strong>und</strong> ging wieder hinaus ins Tageslicht. Peeves<br />

schwebte noch einige Minuten still in der Luft. Seinen Kopf stützte<br />

er auf seine weißen Arme. So verzweifelt hatte <strong>Lily</strong> ihn noch nie gesehen<br />

<strong>und</strong> allmählich tat sie ihm sogar leid.<br />

Es war <strong>of</strong>fensichtlich, <strong>das</strong>s die Drohungen von Narzissa ernst gemeint<br />

waren <strong>und</strong> Peeves keine Wahl hatte. Er musste diese Gegenstände<br />

finden, sonst würde es ihn bald nicht mehr geben.<br />

Peeves blickte auf <strong>und</strong> plötzlich verschwamm wieder alles r<strong>und</strong><br />

um <strong>Lily</strong> in bunte Farben. Ein H<strong>of</strong>fnungsschimmer machte sich in<br />

<strong>Lily</strong> breit <strong>und</strong> schon wenige Augenblicke später erblickte sie <strong>das</strong><br />

Klassenzimmer vor sich.<br />

„Und als Hausaufgabe liefern Sie mir bitte eine Rolle Pergament<br />

über den Untergang von Rubutas, dem ersten König der Trolle.“<br />

Alle standen auf <strong>und</strong> auch <strong>Lily</strong> packte <strong>das</strong> voll geschriebene Blatt<br />

Pergament ein. Sie überflog es noch kurz <strong>und</strong> sah, <strong>das</strong>s sie wirklich<br />

wortwörtlich die ganze St<strong>und</strong>e aufgeschrieben hatte. Fünf Rollen<br />

Pergament hatte sie dafür benötigt. Außerdem nahm sie noch ihre<br />

zweieinhalb Rollen Hausübung vom Boden <strong>und</strong> stopfte sie dazu in<br />

den Rucksack.<br />

„Und, wie war’s?“, fragte <strong>Dora</strong>, als Pr<strong>of</strong>essor Binns durch die<br />

Wand <strong>das</strong> Klassenzimmer verlassen hatte.<br />

<strong>Lily</strong> schaute <strong>das</strong> erste Mal auf.<br />

„Ich schreib George gleich, <strong>das</strong>s sein Tagtraumpulver Mist ist. Okay,<br />

ich bin zwar sauer auf Peeves, wegen seinem Auftritt am ersten<br />

Schultag, aber mein größter Wunsch ist es sicher nicht, <strong>das</strong>s er von<br />

208


einer durch geknallten Hexe bedroht wird!“, zischte sie <strong>und</strong> warf<br />

sich den Rucksack über ihre Schulter.<br />

Ted schaute ebenfalls alles andere als glücklich aus, als <strong>Lily</strong> sich<br />

zu ihm umwandte, um zu fragen, ob er auch so einen Mist geträumt<br />

hatte.<br />

„Was für einen Alptraum hattest du denn?“, fragte sie missgelaunt.<br />

„Alptraum? Wovon redest du?“, antwortete er.<br />

„Na, so wie du ausschaust, wurden dir auch nicht deine größten<br />

Träume erfüllt in diesem Tagtraum, oder?“<br />

„Und ob“, meinte Ted. „Ich bin nur traurig, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> nicht die Realität<br />

war. Mann, wäre mein Leben perfekt, wenn dieser Traum Wirklichkeit<br />

würde…“<br />

Sie blieben an einer Ecke im Schulh<strong>of</strong> stehen, denn sie hatten noch<br />

einige Minuten übrig bis zum Beginn der nächsten St<strong>und</strong>e. Und diese<br />

wollten sie im Freien verbringen, denn vermutlich war es einer<br />

der letzten zumindest halbwegs warmen Tage dieses Jahres.<br />

„Was hast du denn geträumt?“, fragte Scott.<br />

Ted blickte ihn an <strong>und</strong> begann plötzlich zu lachen.<br />

„Wenn ich euch <strong>das</strong> erzähle, dann lauft ihr weg <strong>und</strong> wollt nie wieder<br />

etwas mit mir zu tun haben, <strong>das</strong> verspreche ich euch!“, antwortete<br />

er. „Und warum meintest du, <strong>das</strong>s es ein Alptraum war?“<br />

<strong>Lily</strong> zuckte mit ihren Schultern. Alles was in der letzten Dreiviertelst<strong>und</strong>e<br />

in Echtzeit in ihrem Kopf abgelaufen war, hatte sich dort<br />

eingeprägt <strong>und</strong> sie schaffte es nicht, auch nur Teile davon zu verbannen.<br />

Sie konnte nicht anders, als die ganze Zeit darüber nachzudenken<br />

<strong>und</strong> aus irgendeinem Gr<strong>und</strong> wünschte sie sich, Peeves zu sehen.<br />

Sie wusste zwar, <strong>das</strong>s es nur ein Traum gewesen war, aber sie wollte<br />

sicher gehen, <strong>das</strong>s es ihm gut ging, egal was für ein Ekel er manchmal<br />

war. So eine Drohung hatte nicht mal er verdient.<br />

„Keine Ahnung, ich kann mich nicht mehr so gut daran erinnern“,<br />

log sie, doch sie war sich sicher, <strong>das</strong>s ihre Schwester ihre Lüge<br />

durchschaute <strong>und</strong> sie ihr bei der erstbesten Möglichkeit alles erzählen<br />

musste.<br />

209


Schon ein paar St<strong>und</strong>en später sah <strong>Lily</strong> Peeves wieder. Er schwebte<br />

einen Gang entlang <strong>und</strong> würdigte sie <strong>und</strong> die anderen drei keines<br />

Blickes. Er schaute schlimmer aus denn je. Fast so schlimm sogar<br />

wie in <strong>Lily</strong>s Traum. Sie wollte den Gedanken aus ihrem Kopf vertreiben,<br />

aber konnte es wirklich sein, <strong>das</strong>s ihr Traum etwas mit der<br />

Realität zutun hatte? War es möglich, <strong>das</strong>s Peeves nur wegen ihr so<br />

leiden musste? Vielleicht war es wirklich ein Wunsch von ihr gewesen,<br />

Peeves loszuwerden <strong>und</strong> möglicherweise hatte sie <strong>das</strong> Ganze<br />

deswegen geträumt <strong>und</strong> nun musste Peeves darunter leiden.<br />

„Was ist los?“, fragte <strong>Dora</strong>, als sie ein paar Schritte hinter die<br />

Jungs zurückgefallen <strong>und</strong> somit außer Hörweite waren.<br />

„Es geht um meinen Traum von heute. Den aus der Packung von<br />

den Weasleys. Irgendetwas ist da falsch gelaufen“, erklärte <strong>Lily</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> nickte.<br />

„Dachte ich mir schon. Du bist nämlich viel ruhiger als normalerweise,<br />

seit Zaubereigeschichte!“, meinte sie. „Gehen wir nach draußen<br />

zum See? Da können wir reden!“<br />

<strong>Dora</strong> machte Scott <strong>und</strong> Ted schnell klar, <strong>das</strong>s sie sich erst zum Abendessen<br />

wieder sehen würden, weil sie nach draußen gehen wollten<br />

<strong>und</strong> diese mussten zustimmen, da sie beide noch massenhaft<br />

Hausaufgaben zu erledigen hatten, die die Zwillinge nicht machen<br />

mussten, weil sie alle Flüche <strong>und</strong> Gegenflüche auf Anhieb ausführen<br />

konnten, ohne lange zu üben.<br />

Draußen setzten sich die beiden unter eine große Eiche, in der Nähe<br />

des Sees. <strong>Lily</strong> begann s<strong>of</strong>ort, ihren Traum in allen Einzelheiten zu<br />

erzählen.<br />

„Aber <strong>das</strong> beweist doch, <strong>das</strong>s es wirklich nur ein Traum war, auf<br />

den du keinen Einfluss hattest“, meinte <strong>Dora</strong>, als <strong>Lily</strong> gerade dabei<br />

war zu erzählen, <strong>das</strong>s sie nichts bewegen konnte.<br />

„Ja schon, aber eigentlich hätten mir doch alle meine Wünsche erfüllt<br />

werden sollen“, meinte sie.<br />

<strong>Dora</strong> überlegte einen Moment.<br />

210


„Ich weiß auch nicht, aber vielleicht war einfach <strong>das</strong> Verfallsdatum<br />

der Packung abgelaufen oder sonst was. Möglicherweise lag es daran,<br />

<strong>das</strong>s du einen Alptraum hattest <strong>und</strong> dir nichts Gutes passiert ist“,<br />

antwortete sie.<br />

„Ja, möglicherweise. Aber schau dir mal Peeves an. Der schaut<br />

aus, als würde ihn wirklich ernsthaft etwas bedrücken. Was ist, wenn<br />

mein Traum für ihn Wahrheit wird <strong>und</strong> ich ihn somit vielleicht sogar<br />

umbringe, oder wie man <strong>das</strong> bei einem Geist nennt?“<br />

<strong>Dora</strong> ließ ihren Blick über den See schweifen, hinüber zum verbotenen<br />

Wald, aus dem ab <strong>und</strong> zu unidentifizierbare Geräusche zu vernehmen<br />

waren.<br />

„Ich weiß nicht. Aber ich denke, du solltest dir nicht zu viele Gedanken<br />

darüber machen. Wahrscheinlich war wirklich nur etwas Falsches<br />

in der Packung. In der nächsten Zaubereigeschichtsst<strong>und</strong>e bin<br />

sowieso ich dran <strong>und</strong> dann sehen wir es!“<br />

„Willst du <strong>das</strong> wirklich machen?“, fragte <strong>Lily</strong> <strong>Dora</strong>.<br />

Diese nickte.<br />

„Na klar! Wenn Ted so etwas Tolles träumt, <strong>das</strong>s er dann den ganzen<br />

Tag traurig rum läuft, weil es nicht wahr ist, dann möchte ich <strong>das</strong><br />

auch probieren“, lachte sie.<br />

„Na gut. Wenn du meinst… Dann warte ich eben bis nächste Woche<br />

<strong>und</strong> mache mir dann weiter Sorgen darüber, wenn ich mir sicher<br />

bin, <strong>das</strong>s es kein Fehler an der Packung war!“<br />

Die beiden lachten <strong>und</strong> blieben noch eine Weile in der warmen<br />

Abenddämmerung sitzen, während sie beobachteten, wie die Sonne<br />

immer weiter hinüber zum verbotenen Wald wanderte.<br />

Eine Woche später war es wieder soweit. Zaubereigeschichte stand<br />

auf dem St<strong>und</strong>enplan. Obwohl Peeves von Tag zu Tag deprimierter<br />

ausschaute, zwang sich <strong>Lily</strong> dazu, nicht mehr über ihren Traum<br />

nachzudenken. Es hatte sie auch ein bisschen beruhigt, <strong>das</strong>s sie in<br />

der Nacht nie in diesen dunklen Raum zurückgekehrt war, sondern<br />

nur schöne Träume hatte.<br />

211


Man konnte erst einen Teil der Hand von Pr<strong>of</strong>essor Binns sehen,<br />

welcher es an diesem Tag vorzog, durch die Tafel mit ihrer verzauberten<br />

Kreide zu schweben, als <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Scott gleichzeitig ihr Päckchen<br />

an Traumpulver aufrissen.<br />

Von Ted hatte sie erfahren, <strong>das</strong>s auch dieses neue Pulver noch in<br />

der Entwicklungsphase steckte. Es gab zwar einen Vorgänger davon,<br />

aber bei diesem waren die Schüler weder ansprechbar noch schrieben<br />

sie <strong>das</strong> Gesprochene mit.<br />

<strong>Lily</strong> beobachtete <strong>Dora</strong> dabei, wie sie schon wenige Sek<strong>und</strong>en später<br />

zu schreiben begann, während diese nur mehr buntes Licht sah<br />

<strong>und</strong> wenige Augenblicke später ihre Augen öffnete.<br />

<strong>Dora</strong> kannte diesen Ort. Sie war noch nie da gewesen, doch <strong>Lily</strong><br />

hatte ihr ausgiebig von den zerstörten Regalen <strong>und</strong> den vernagelten<br />

Fenstern erzählt. Ebenso von dem Mann unter der weißen Tischdecke,<br />

der den Namen Lucius trug.<br />

Sie atmete tief durch <strong>und</strong> ging dann zur Tür, welche diesmal geschlossen<br />

war. Genau wie sie geahnt hatte, konnte sie nicht mal die<br />

Klinke hinunterdrücken.<br />

<strong>Dora</strong> hatte vorher extra die Packung mit dem Traumpulver auf ein<br />

Verfallsdatum überprüft, doch sie hatte keines gef<strong>und</strong>en, was soviel<br />

bedeuten musste, wie <strong>das</strong>s dieses Zeug ewig hielt. Trotzdem war sie<br />

jetzt hier.<br />

Sie ging von einer Ecke des Raumes zur anderen, doch sie fand<br />

nichts Interessantes oder gar Wichtiges. Dann bemerkte sie, wie jemand<br />

die Tür öffnete. Kurz überlegte sie, ob sie einfach stehen bleiben<br />

sollte, denn sie war sich sicher, <strong>das</strong>s niemand sie würde sehen<br />

können, doch zur Sicherheit versteckte auch sie sich hinter dem Regal,<br />

<strong>das</strong> ihr <strong>Lily</strong> beschrieben hatte.<br />

<strong>Dora</strong> erkannte die Frau s<strong>of</strong>ort. <strong>Lily</strong> hatte sie gut beschrieben <strong>und</strong><br />

trotzdem erschütterte <strong>Dora</strong> dieser Anblick. Etwas so Erbärmliches<br />

hatte sie lange nicht mehr gesehen.<br />

Die Frau stellte einen alten Sessel neben den bedeckten Tisch <strong>und</strong><br />

hob anschließend die Decke nur ein bisschen an <strong>und</strong> schlug sie so-<br />

212


weit zurück, <strong>das</strong>s <strong>Dora</strong> gerade noch den Kopf des Mannes erblicken<br />

konnte.<br />

„Hast du etwas?“, fragte er die Frau.<br />

„Nein, dieser blöde Geist ist nicht in der Lage dazu, noch mehr zu<br />

finden. Aber er gibt sich alle Mühe <strong>und</strong> ich habe ihm gedroht, <strong>das</strong>s<br />

er nicht mehr lange auf dieser Welt sein wird, wenn er mir nicht zumindest<br />

einen der ehemaligen Horkruxe bringt!“, erzählte sie ihm.<br />

„Okay, <strong>das</strong> ist gut. Bitte beeil dich. Ich kann nichts machen, bevor<br />

er wieder genug Kraft hat, außer hier zu liegen. Ich würde dir gerne<br />

helfen, aber <strong>das</strong> geht in diesem Zustand nicht. Hast du eigentlich<br />

schon etwas über die Sicherheitsmaßnahmen im Schloss herausgef<strong>und</strong>en?“<br />

Die Frau schüttelte den Kopf.<br />

„Unmöglich. Es war Glück, <strong>das</strong>s ich es einmal hinein geschafft<br />

habe. Die einzige Verbindung zum Inneren ist Peeves“, sagte sie.<br />

„Granger?“, fragte er.<br />

„Ja. Und Longbottom <strong>und</strong> auch.... Was haben wir nur falsch gemacht?<br />

Es ist, als würden sie etwas ahnen. Ich weiß nicht, warum sie<br />

plötzlich so vorsichtig sind!“, antwortete sie.<br />

„Die haben die Potterkinder, <strong>das</strong> heißt sie müssen vorsichtig sein.<br />

Es gibt noch andere Anhänger Lord Voldemorts da draußen <strong>und</strong> <strong>das</strong><br />

wissen die. Die Kinder wären mit Sicherheit schon seit dem ersten<br />

Tag tot, wenn sie nicht beschützt werden würden! Mach dich aber<br />

jetzt bitte wieder auf die Suche, ich will so schnell wie möglich hier<br />

raus. Wir beide gemeinsam mit ihm sind stark genug um auch die<br />

stärksten Abwehrflüche zu umgehen <strong>und</strong> <strong>das</strong> auszuführen, was sich<br />

so viele von uns wünschen!“<br />

Die Frau nickte <strong>und</strong> deckte Lucius dann wieder komplett zu, bevor<br />

sie den Raum verließ. <strong>Dora</strong> wagte erst jetzt wieder, zu atmen.<br />

Schutzmaßnahmen waren ihretwegen aufgebaut worden?<br />

Sie musste sich mehr als nur einmal dazu zwingen, daran zu denken,<br />

<strong>das</strong>s dies alles nur ein Traum war, aber es war einfach zu echt<br />

<strong>und</strong> jetzt wusste sie auch, warum <strong>Lily</strong> die letzte Woche über so ko-<br />

213


misch gewesen war. Es war unmöglich, <strong>das</strong> alles einfach so als<br />

Traum abzustempeln.<br />

Die Tatsache, <strong>das</strong>s sie selbst jetzt diesen Traum von <strong>Lily</strong> weiterträumte,<br />

machte den Versuch, alles als Einbildung durchgehen zu<br />

lassen, auch nicht einfacher.<br />

Sie lehnte sich an eine Wand des Raumes <strong>und</strong> wartete. Wenn sie<br />

nicht gewusst hätte, <strong>das</strong> nach einer dreiviertel St<strong>und</strong>e alles zu Ende<br />

sein würde, hätte sie jetzt wahrscheinlich Panik bekommen, aber so<br />

dachte sie einfach verbissen daran, <strong>das</strong>s sie bald wieder im Klassenzimmer<br />

sein würde.<br />

Doch der Satz von Lucius, <strong>das</strong>s sie mit Sicherheit schon seit dem<br />

ersten Tag tot wären, wenn sie nicht beschützt worden wären, hatte<br />

sich in ihr Gehirn gebrannt. Gab es wirklich so viele Zauberer da<br />

draußen, die sie hassten? Nur deswegen, weil ihr Dad den bösesten<br />

aller Zauberer vernichtet hatte?<br />

Und warum musste Peeves diese Gegenstände suchen? Diese<br />

Horkruxe, wie Narzissa sie heute genannt hatte. Sie mussten etwas<br />

sein, <strong>das</strong> Lucius stärken konnte. Etwas, <strong>das</strong> ihm die Qualen nehmen<br />

konnte, welchen er im Moment ausgesetzt war. Und wenn dies geschehen<br />

war, dann wollten sie die Flüche durchbrechen <strong>und</strong> in die<br />

Schule einbrechen um…<br />

<strong>Dora</strong> wagte es nicht, daran zu denken. Wenn er erst stark genug<br />

war, wollte er sie <strong>und</strong> ihre Schwester dann wirklich töten? Es hatte<br />

sich zumindest so angehört, als wäre <strong>das</strong> die Tat, die sich so viele<br />

wünschten.<br />

Lange Zeit saß sie einfach so da <strong>und</strong> dachte über <strong>das</strong> nach, was gerade<br />

eben geredet worden war. Es war nicht viel gewesen, aber einiges,<br />

über <strong>das</strong> sie sich klar werden musste. Oder nicht? Es war doch<br />

nur ein Traum.<br />

Hatte sich George mit seiner neuen Verwandtschaft einen Scherz<br />

erlauben wollen <strong>und</strong> ihnen anstatt schöner Träume Alpträume zugeschickt?<br />

<strong>Dora</strong> kannte ihn zwar nicht, aber sie konnte sich nicht vorstellen,<br />

warum er <strong>das</strong> hätte machen sollen.<br />

214


Sie war heilfroh, als bunte Lichter sie anschließend in die Realität<br />

zurückholten, wo Pr<strong>of</strong>essor Binns gerade wieder die heutigen<br />

Hausaufgaben verkündete, die die verzauberte Feder schon lange für<br />

sie erledigt hatte.<br />

Sie packte alles ein, während <strong>Lily</strong> sie fragend anstarrte.<br />

„Ich bin wieder da“, meinte <strong>Dora</strong>, „<strong>und</strong> wir müssen reden!“<br />

„Was gibt’s neues im Traumland?“, fragte Ted <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Scott, als<br />

sie die Klasse verließen.<br />

„Frag nicht, ich muss mir erstmal drüber klar werden, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> alles<br />

nicht echt ist“, meinte Scott traurig.<br />

Dann wandte sich Ted an <strong>Dora</strong>.<br />

„Und bei dir? Doch keine Alpträume wie bei deiner Schwester,<br />

oder?“<br />

<strong>Dora</strong> schüttelte den Kopf.<br />

„Nein, ganz <strong>und</strong> gar nicht“, antwortete sie <strong>und</strong> dann fügte sie leise<br />

an <strong>Lily</strong> gewandt hinzu, „wenn man mal davon absieht, <strong>das</strong>s Lucius<br />

vorhat, uns mit der Hilfe der Dinge, die Peeves finden soll, zu ermorden!“<br />

<strong>Lily</strong> machte große Augen.<br />

„Du hast Recht, wir müssen reden! Hast du dieses Nasenblutzeugs<br />

da?“, fragte sie <strong>Dora</strong>.<br />

„Nein, auf keinen Fall! Ich schlucke auf keinen Fall etwas von dem<br />

Zeug! Schau mal, was <strong>das</strong> Traumpulver angerichtet hat! Da warte<br />

ich lieber noch die nächsten zwei St<strong>und</strong>en!“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

<strong>Lily</strong> schaute etwas enttäuscht aus, doch dann erinnerte sie sich daran,<br />

wie Ted vor kurzer Zeit einmal zwei Tage lang nicht aufgetaucht<br />

war, weil er zuviel von einer der Leckerein gegessen hatte <strong>und</strong> ihn<br />

Madam Pomfrey, die Schulkrankenschwester, nicht mehr aus dem<br />

Krankenflügel gelassen hatte. Nicht mal Besuch durfte er empfangen.<br />

Also nickte sie <strong>und</strong> die beiden machten sich auf den Weg zu<br />

den Kerkern.<br />

Die beiden beschlossen, <strong>das</strong> Mittagessen heute ausfallen zu lassen,<br />

<strong>und</strong> liefen s<strong>of</strong>ort nach Zaubertränke wieder hinaus zur großen Eiche<br />

215


eim See, um sich unter ihre weit verzweigten Äste zu setzen, damit<br />

der leichte Nieselregen ihnen nichts anhaben konnte.<br />

„Also, was ist passiert?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> erzählte ihr alles, was sie gesehen <strong>und</strong> gehört hatte. Anschließend<br />

dachten beide angestrengt nach.<br />

„Glaubst du noch immer, <strong>das</strong>s alles ein Traum war?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> zuckte mit ihren Schultern.<br />

„Keine Ahnung“, antwortete sie. „Irgendwie kann ich mir <strong>das</strong> nicht<br />

vorstellen. Es ist schon komisch, <strong>das</strong> wir <strong>das</strong> Gleiche geträumt haben,<br />

oder?“<br />

„Ja, <strong>das</strong> stimmt! Aber mich würde es interessieren, was es mit diesen<br />

Horkruxen oder so auf sich hat!“, meinte <strong>Lily</strong>. „Wie können<br />

Dinge wie ein Buch, ein Ring oder ein Teil einer Schlange einen<br />

Zauberer stark machen?“<br />

Sie schauten sich ratlos an, dann nickten sie gleichzeitig, standen<br />

auf <strong>und</strong> liefen hinter zu der Hütte von Hagrid. Bis jetzt waren sie nur<br />

am ersten Freitag des Schuljahres bei ihm gewesen <strong>und</strong> mit Sicherheit<br />

würde er sich freuen, wenn sie ihn endlich wieder besuchen kamen.<br />

Sie erblickten ihn schon von weitem, wie er hinter seiner Hütte mit<br />

einer großen Schaufel in der Erde stocherte. Als er ihre schnellen<br />

Schritte hören konnte, wandte er sich s<strong>of</strong>ort zu ihnen um.<br />

„Hallo Hagrid“, riefen die beiden wie aus einem M<strong>und</strong>e.<br />

Er begann s<strong>of</strong>ort zu grinsen <strong>und</strong> warf die Schaufel in hohem Bogen<br />

beiseite.<br />

„Aber hallo!“, sagte er. „’ne Tasse Tee gefällig?“<br />

Die Zwillinge nickten. Noch vor ihnen war Hagrid bei der Eingangstür<br />

angekommen <strong>und</strong> hielt sie auf, damit die Zwillinge eintreten<br />

konnten. Ein großer Kessel köchelte über dem Feuer im Kamin<br />

vor sich hin. Hagrids Hütte bestand aus genau einem Raum, dessen<br />

gesamter Platz von einem riesigen Bett, einem Tisch <strong>und</strong> ein paar<br />

überdimensionalen Sesseln beansprucht wurde. An den Wänden hin-<br />

216


gen Kochtöpfe <strong>und</strong> Felle von Tieren. Auch ein weißes Horn <strong>und</strong> lange,<br />

silberne Haare gehörten zum Schmuck dieses Raumes.<br />

Die Mädchen setzten sich zu zweit auf einen der Stühle <strong>und</strong> hatten<br />

Mühe damit, im Sitzen auf den Tisch zu sehen, so hoch war dieser.<br />

Im Vergleich zu Hagrid wirkte er aber immer noch mickrig.<br />

„Erzählt mal, wie geht’s euch? Was macht die Schule <strong>und</strong> die Lehrer?<br />

Ihr stellt euch ja nich’ blöd an, hab' ich gehört!“, meinte er, während<br />

er heißes Wasser in drei riesige Becher kippte <strong>und</strong> diese anschließend<br />

auf den Tisch vor <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> stellte.<br />

Einen behielt er für sich.<br />

„Ähm… Alles okay“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

Hagrid lächelte <strong>und</strong> schnappte sich drei große Teebeutel, die er in<br />

die Becher gab. Dann stellte er ein paar von den Keksen auf den<br />

Tisch, die <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> schon bei ihrem ersten Besuch hier bekommen<br />

hatten. Damals hatte nicht viel gefehlt, <strong>das</strong>s die beiden<br />

sämtliche Zähne verloren hätten, so hart waren diese Kekse. Deshalb<br />

ließen sie es diesmal lieber gleich bleiben.<br />

„Is’ es noch immer so schlimm da ob’n? Oder hab’n sich schon alle<br />

an euch gewöhnt?“, fragte Hagrid.<br />

„Na ja, sie schauen nicht mehr so blöd, aber sonst hat sich nicht<br />

viel verändert“, erklärte <strong>Dora</strong>.<br />

Wieder nickte er.<br />

„Dauert noch, dauert noch!“, antwortete er. „Aber warum seid ihr<br />

denn gekomm’n? Ich weiß noch genau, Harry hatte immer ’nen<br />

Gr<strong>und</strong> für seine Besuche!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> schauten sich kurz an, dann nickte <strong>Lily</strong>.<br />

„Wir wollten dich fragen, was Horkurxe sind <strong>und</strong> wie die einen<br />

Zauberer stark machen können“, sagte <strong>Lily</strong>.<br />

Hagrids Gesichts verfinsterte sich augenblicklich <strong>und</strong> es nahm s<strong>of</strong>ort<br />

einen Ausdruck größter Abscheu an. Die Zwillinge schauten ihn<br />

gespannt an.<br />

„Egal woher ihr dies’n Unsinn habt, vergesst ihn ganz schnell wieder.<br />

Das ist nichts für euch!“, schnaube er. „Und jetzt trinkt!“<br />

217


S<strong>of</strong>ort nahmen die Zwillinge große Schlucke aus ihren vollen Bechern<br />

mit heißem Tee. Dass Hagrid ihnen darauf keine Antwort<br />

mehr geben würde, hatte er ihnen mit seinem Gesichtsausdruck mehr<br />

als klar gemacht.<br />

218


219<br />

Briefe an Unbekannt<br />

Die ganze Schule war in Aufruhr. Es war Samstag <strong>und</strong> <strong>das</strong> große<br />

Quidditch-Spiel zwischen Gryffindor <strong>und</strong> Slytherin sollte an diesem<br />

Tag stattfinden. Zwar regnete es draußen in Strömen, aber dennoch<br />

ließ sich die Stimmung dadurch kein bisschen senken.<br />

Auch <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> waren gespannt darauf, ihr erstes Quidditch-<br />

Spiel zu sehen. Schon bei ihrer dritten Flugst<strong>und</strong>e in diesem Jahr<br />

hatten ein paar Gryffindorspieler sie gesehen <strong>und</strong> ihnen versprochen,<br />

<strong>das</strong>s ab dem nächsten Jahr die beiden die Positionen der beiden<br />

Siebtklässler einnehmen würden, egal ob sie wollten oder nicht, <strong>und</strong><br />

es interessierte die beiden, was dann auf sie zukommen würde.<br />

Gleich nach dem Frühstück machten sich alle Schüler auf den Weg<br />

nach draußen zum Spielfeld, von dem sechs große Torstangen weit<br />

in den Himmel ragten. Die Zwillinge quetschten sich zwischen Ted,<br />

Scott <strong>und</strong> den anderen Gryffindormädchen aus ihrem Jahrgang auf<br />

die überfüllten Bänke.<br />

Lautes Gejohle kam von allen Ecken des großen Stadions <strong>und</strong> der<br />

Stadionsprecher, bei diesem Spiel ein Ravenclaw aus dem fünften<br />

Jahrgang, testete lautstark sein Mikr<strong>of</strong>on.<br />

Ted begann s<strong>of</strong>ort damit, den Gryffindors bei ihren Schlachtgesängen<br />

zu helfen <strong>und</strong> allmählich wurde die Lautstärke im Stadion unerträglich,<br />

doch ihren Höhepunkt erreichte sie, als Madam Hooch gefolgt<br />

von den beiden Teams in die Mitte des Rasens Schritt.<br />

Die Gryffindors waren komplett in rot-goldene Umhänge gekleidet,<br />

während die Slytherins grün-silberne trugen. Die Kapitäne der<br />

beiden Mannschaften schüttelten sich die Hände.<br />

„GRYFFINDOR GEGEN SLYTHERIN!“, bellte der Stadionsprecher.<br />

„DIE ABSCHEU ZWISCHEN ANTHONY HANSON, DEM<br />

SLYTHERIN-KAPITÄN UND AMANDA MELORE, DER KAPI-<br />

TÄNIN VON GRYFFINDOR IST KLAR ZU ERKENNEN, SO-<br />

GAR NOCH VON HIER OBEN!“


Dann war kurze Zeit ein leises Rascheln durch <strong>das</strong> Mikr<strong>of</strong>on zu<br />

hören.<br />

„JA, PROFESSOR GRANGER, ICH HABE MICH GEIRRT. DIE<br />

BEIDEN WERDEN SICHER NOCH EIN LIEBESPAAR! UND<br />

SIE SIND IN DER LUFT.“<br />

Alle vierzehn Spieler schossen gleichzeitig in die Luft <strong>und</strong> kurze<br />

Zeit später ließ Madam Hooch die Bälle frei. Nicht mal einige Sek<strong>und</strong>en<br />

lang konnten die Zwillinge den goldenen Schnatz erkennen,<br />

dann war er verschw<strong>und</strong>en. Direkt vor ihnen lieferten sich die sechs<br />

Jäger einen verbitterten Kampf um den Quaffel, während die Treiber<br />

mit all ihrer Kraft auf die Klatscher einschlugen. Etwas weiter oben<br />

konnten die Zwillinge Jeff Dorian <strong>und</strong> einen anderen Sucher erkennen.<br />

Die beiden hatten den Schnatz wohl genauso schnell aus den<br />

Augen verloren wie die Zwillinge.<br />

„DER QUAFFEL IST IM BESITZ DER SLYTHERINS UND SIE<br />

VERTEIDIGEN IHN MIT ALLEN MITTELN. HALT DICH FEST,<br />

SHEENA! OH MANN, DIE LASSEN WIRKLICH NICHTS AN-<br />

BRENNEN! ABER NEIN, GRYFFINDOR! LOS, MACH SCHON<br />

TREWHELLA!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> kamen gar nicht dazu dem Ball mit ihrem Blick überall<br />

hin zu folgen, so schnell war er unterwegs. Er flog von einer<br />

der Gryffindorjägerinnen zu den anderen, während die Jäger der<br />

Slytherins mit der Ellbogentaktik versuchten, den Quaffel wieder<br />

zurückzuholen.<br />

„UND EIN KLATSCH VON KENT TRIFFT SHEENA!“, keifte<br />

der Ravenclaw ins Mikr<strong>of</strong>on. „SIE VERLIERT DEN QUAFFEL,<br />

ABER HALT… MELORE FÄNGT IHN AUF. UND SIE WEICHT<br />

KENTS KLATSCHER AUS! GUT GEMACHT, AMANDA, DAS<br />

WAR KNAPP! UND… JA, DER QUAFFEL IST VORBEI AN<br />

PARKER! WAS FÜR EIN TOR!“<br />

Der Quaffel war gerade durch den mittleren Ring der Slytherins<br />

geflogen, nur haarscharf an den Händen des Hüters vorbei. Tosender<br />

Lärm brach im Stadion aus, unterbrochen von den Buuhrufen der<br />

220


Slytherins. Doch es dauerte keine zwei Sek<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die Slytherinjäger<br />

hatten den Ball schon wieder in die Mitte des Feldes gebracht.<br />

„SLYTHERIN IM QUAFFELBESITZ! CAMPBELL SAUST<br />

VORBEI AN ALLEN ANDEREN UND ER IST DIREKT VOR<br />

MILANO, DEM GRYFFINDOR-HÜTER. HALT IHN AUF, ED-<br />

WARD! NEIN! TOR FÜR SLYTHERIN. DAS WAR WOHL ZU<br />

FRÜH GEFREUT!“<br />

Vor, hinter <strong>und</strong> neben <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> begannen alle enttäuscht zu<br />

schreien <strong>und</strong> die Slytherins johlten vor Freude.<br />

„JA, ICH WERDE MICH ZUSAMMENREISSEN UND UN-<br />

PARTEIISCH SEIN, PROFESSOR GRANGER. HAST DU GANZ<br />

TOLL GEMACHT, CAMPBELL, ABER MACH DAS JA NICHT<br />

NOCH MAL!“<br />

Ein Mädchen mit rotem Umhang hatte den Quaffel an sich genommen.<br />

Elegant flog es um einen Klatscher herum, welcher s<strong>of</strong>ort<br />

wieder von einem der Treiber der Slytherins auf es zurückgefeuert<br />

wurde, doch es schaffte es ein zweites Mal auszuweichen.<br />

„JA, ICH WILL MEINE STELLE ALS STADIONSPRECHER<br />

BEHALTEN, PROFESSOR GRANGER. UND TREWHELLA IST<br />

NAHE AM TOR DER SLYTHERINS!“<br />

Über zwei St<strong>und</strong>en dauerte <strong>das</strong> Spektakel an <strong>und</strong> obwohl sie nicht<br />

gedacht hatten, <strong>das</strong>s sie an einem Spiel solange hätten interessiert<br />

sein können, wurde ihnen nicht langweilig. Die spektakulären Flugmanöver<br />

der Spieler beider Mannschaften waren atemberaubend anzusehen,<br />

auch wenn manche Taktiken der Slytherins ein wenig gewalttätig<br />

erschienen.<br />

Plötzlich sahen sie Jeff quer über <strong>das</strong> Spielfeld hinweg fliegen <strong>und</strong><br />

dann schnell zum Boden sinken. Kurz bevor er auf den Boden knallte,<br />

schloss <strong>Dora</strong> die Augen <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>en später brachen alle um sie<br />

herum in Jubelgeschrei aus.<br />

„HANSON WAR ZU LANGSAM! JEFF DORIAN HAT DEN<br />

SCHNATZ! WIE SPANNEND ER ES IMMER MACHT, WENN<br />

ER IHN ENTDECKT, IST ATEMBERAUBEND! GRYFFINDOR<br />

221


GEWINNT! TOLLES SPIEL! DREIHUNDERTZWANZIG ZU<br />

HUNDERTVIERZIG! DAS WAR’S! DAS SPIEL IST AUS!“<br />

<strong>Dora</strong> öffnete ihre Augen wieder <strong>und</strong> blickte hinab. Alle um sie<br />

herum waren aufgesprungen <strong>und</strong> feierten den Sieg der Gryffindors.<br />

Jeff saß nun, den wild flatternden Schnatz in den vom Regen nassen<br />

Händen, auf den Schultern seiner Teamkameraden <strong>und</strong> ließ sich vom<br />

Publikum feiern, während die Slytherins die Köpfe hängen ließen<br />

<strong>und</strong> vom Spielfeld gingen.<br />

„Also die können lange warten, bis ich da mitspiele“, sagte <strong>Dora</strong><br />

auf dem Weg zurück ins Schloss.<br />

„Wieso denn? Wird doch lustig <strong>und</strong> <strong>das</strong> Fliegen dürfte bei uns<br />

auch nicht <strong>das</strong> Problem sein, oder?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Nein, <strong>das</strong> nicht, aber trotzdem. Stell dir mal vor, wenn du so einen<br />

Klatscher übersiehst. Ist da eigentlich schon mal wer gestorben?“<br />

<strong>Lily</strong> blickte <strong>Dora</strong> ungläubig an.<br />

„Schon lange nicht mehr, aber ja, es gab schon welche“, antwortete<br />

Ted, der sich von hinten neben die Zwillinge gesellte.<br />

„Na gute Aussichten“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Mach dir keine Gedanken darüber, die lassen uns sowieso keine<br />

andere Wahl. Du warst ja dabei, als sie <strong>das</strong> gesagt haben“, meinte<br />

<strong>Lily</strong>.<br />

„Na dann können wir Pr<strong>of</strong>essor Granger gleich sagen, sie soll die<br />

Sicherheitsmaßnahmen hier wegnehmen. Wenn wir sowieso sterben…“,<br />

murmelte <strong>Dora</strong> leise, doch nicht leise genug, denn Ted<br />

schaute sie s<strong>of</strong>ort fragend an.<br />

„Wovon redest du?“, fragte er <strong>und</strong> musterte sie misstrauisch.<br />

<strong>Dora</strong> zuckte mit den Schultern.<br />

„Davon, <strong>das</strong>s sie lange warten können, bis ich da mitspiele“, antwortete<br />

<strong>Dora</strong>.<br />

„Nein, du hast was von Sicherheitsmaßnahmen gesagt!“<br />

„Hab ich nicht!“<br />

222


„Doch, hast du! Ich hab’s gehört. Was für Sicherheitsmaßnahmen<br />

betreibt Pr<strong>of</strong>essor Granger <strong>und</strong> was will sie schützen?“, fragte Ted.<br />

„Uns vor dir“, meinte <strong>Lily</strong> zum Spaß <strong>und</strong> ging ein wenig schneller,<br />

um so zu tun, als hätte sie Angst vor Ted.<br />

<strong>Dora</strong> folgte ihrem Beispiel <strong>und</strong> auch Scott lachte mit den beiden,<br />

doch Ted blieb stehen. <strong>Lily</strong> zuckte mit ihren Schultern <strong>und</strong> die drei<br />

gingen ohne Ted durch <strong>das</strong> große Tor, zurück ins Schloss <strong>und</strong> hinauf<br />

in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors.<br />

„Hab' ich ihn jetzt beleidigt?“, fragte <strong>Lily</strong>, als sie sich mit <strong>Dora</strong><br />

<strong>und</strong> Scott auf den Boden vor dem Kamin gesetzt hatten, um ihre vor<br />

Kälte schlotternden Körper zu wärmen.<br />

„Weiß nicht, keine Ahnung“, antwortete Scott. „Ich glaube es aber<br />

nicht. An ihm ist doch noch jede Beleidigung spurlos abgeprallt!“<br />

„Da hast du Recht“, überlegte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> zuckte mit den Schultern.<br />

Wenige Tage später waren die drei, gemeinsam mit Ted, der sich<br />

auch wieder beruhigt hatte, auf dem Weg zu Zaubereigeschichte.<br />

„Darf ich mal dein Pulver probieren <strong>und</strong> du meins? Ich will schauen,<br />

ob ich von deinem auch Alpträume kriege“, fragte <strong>Lily</strong> kurz vor<br />

dem Klassenzimmer.<br />

Ted zuckte mit seinen Schultern <strong>und</strong> sie tauschten die bunten,<br />

gleich aussehenden Kunstst<strong>of</strong>fbeutel aus.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> hatten beschlossen, <strong>das</strong>s <strong>Lily</strong> dieses Mal mit Ted ihr<br />

Traumpulver tauschen sollte, damit die beiden einen Serienfehler,<br />

der nur ihre Päckchen betraf, ausschließen konnten. Bei Ted hatte<br />

<strong>das</strong> Pulver schließlich immer funktioniert <strong>und</strong> bei den Zwillingen<br />

noch nie.<br />

Wie sie erwartet hatten, machte es keinen Unterschied, <strong>das</strong>s <strong>Lily</strong><br />

Teds Pulver verwendet hatte, <strong>und</strong> so befand sie sich kurz nach Beginn<br />

der St<strong>und</strong>e in dem finsteren Raum. Es gab nur einen Unterschied:<br />

Lucius lag nicht in seinem Bett, sondern er stand bei einem<br />

der zugenagelten Fenster <strong>und</strong> hatte ein Brett ein wenig zur Seite geschoben,<br />

um hindurchspähen zu können.<br />

223


<strong>Lily</strong> trat etwas näher an ihn heran, doch alles, was sie erkennen<br />

konnte, war ein Wald, der ein Stückchen entfernt lag. Sonst war auch<br />

draußen nichts, durch <strong>das</strong> sie hätte erfahren können, wo sie war.<br />

Sie ging um Lucius herum <strong>und</strong> plötzlich fiel ihr auf, <strong>das</strong>s er ein<br />

Buch in einer seiner Hände hielt. Es schienen viele Seiten zu fehlen<br />

<strong>und</strong> genau wie der ganze Raum war auch <strong>das</strong> Buch seltsam zerstört.<br />

Ob <strong>das</strong> alles etwas miteinander zutun hatte?<br />

Auf derselben Hand, in der er es trug, sah sie auch einen Ring.<br />

Einst schien er kunstvoll verziert gewesen zu sein, doch der Stein in<br />

ihm war bis zur Unkenntlichkeit zerstört worden. Über seine andere<br />

Hand hatte er etwas wie einen verkohlen Haarreif gehängt. Ravenclaws<br />

Diadem, kam es <strong>Lily</strong> schlagartig in den Sinn.<br />

Sie schaute sich um, ob sie noch andere Dinge finden konnte, doch<br />

es waren nur diese drei. Kein Anzeichen von einem Becher, einer<br />

Schlange oder einem Medaillon.<br />

Bei genauerem Betrachten viel ihr auf, <strong>das</strong>s sämtlicher gequälter<br />

Ausdruck auf dem Gesicht von Lucius verschw<strong>und</strong>en war <strong>und</strong> sie<br />

stolperte ein paar Schritte von ihm weg. Er grinste hämisch hinaus<br />

zum Wald, so, als könne er es gar nicht mehr erwarten, endlich hinaus<br />

zu können.<br />

Das hieß also, <strong>das</strong>s er stärker geworden war. Es musste tatsächlich<br />

<strong>das</strong> Diadem sein. Einer dieser Horkruxe, die er so dringend benötigte<br />

<strong>und</strong> es musste ihn tatsächlich gestärkt haben. Auch wenn <strong>Lily</strong> nicht<br />

wusste, wie ein verkohltes Stück Metall es anstellte, jemandem zu<br />

Kraft zu verhelfen <strong>und</strong> schreckliche Qualen von einem zu nehmen.<br />

<strong>Lily</strong> lehnte sich zurück an eine Wand <strong>und</strong> beobachtete Lucius aufmerksam.<br />

Nach fast einer Dreiviertelst<strong>und</strong>e dachte sie, <strong>das</strong>s heute<br />

wohl nichts Interessantes mehr passieren würde, als plötzlich wieder<br />

Narzissa in den Raum kam.<br />

„Mach schnell, Lucius, wir müssen hier weg“, keuchte sie <strong>und</strong><br />

stützte sich mit ihren Händen auf den Knien ab.<br />

„Was ist passiert?“, fragte der Mann.<br />

224


Er hörte sich anders an, als noch <strong>das</strong> letzte Mal. Irgendetwas in<br />

seiner Stimme hatte sich verändert.<br />

„Granger kommt. Sie benötigt diese Hütte wohl für irgendetwas,<br />

ich weiß nicht. Auf jeden Fall ist sie in wenigen Minuten hier!“<br />

Sie blickte ihn flehend an.<br />

„Aber wohin soll ich? Er ist noch nicht so weit!“, antwortete Lucius.<br />

„Egal, wir müssen einfach nur weg. Lass uns erstmal in den Wald<br />

gehen, dann müssen wir nicht zu weit weg vom Schloss“, meinte sie<br />

<strong>und</strong> nach einer kurzen Pause nickte Lucius.<br />

„Okay, lass uns los. Wir können nicht riskieren, <strong>das</strong>s sie uns hier<br />

findet! Dieses Schlammblut wird die dritte im B<strong>und</strong>e sein, die ihr<br />

Leben lassen muss!“, höhnte er, dann ging er auf Narzissa zu, welche<br />

sich wieder zur Tür umwandte <strong>und</strong> sie öffnete.<br />

Die beiden verließen den Raum <strong>und</strong> plötzlich wurde <strong>Lily</strong> ebenfalls<br />

aus dem Raum gezogen. Ihre Füße bewegten sich von selbst <strong>und</strong> sie<br />

konnte nicht hier bleiben, obwohl sie es wollte. Mit aller Kraft versuchte<br />

sie, ihre Füße zum Stehen zu bringen, doch sie schaffte es<br />

nicht. Sie ging, einige Meter hinter Narzissa <strong>und</strong> Lucius, durch den<br />

Raum, den sie bis jetzt nur durch den Türspalt gesehen hatte <strong>und</strong><br />

dann öffnete Narzissa eine weitere Türe nach draußen. Lucius folgte<br />

ihr wankend, aber dennoch nicht mehr schwach aussehend.<br />

Gerade als auch <strong>Lily</strong> durch die Tür trat <strong>und</strong> in der Ferne <strong>das</strong><br />

Schloss erkennen konnte, begannen bunte Farben um sie herum zu<br />

wirbeln <strong>und</strong> plötzlich stand sie nicht mehr draußen im Regen, sondern<br />

saß im warmen Klassenzimmer, den Kugelschreiber noch immer<br />

in der Hand.<br />

Sie blickte zu <strong>Dora</strong>.<br />

„Er hat <strong>das</strong> Diadem“, flüsterte sie ihr zu.<br />

<strong>Dora</strong> öffnete die Augen <strong>und</strong> starrte <strong>Lily</strong> ängstlich an.<br />

„Was heißt <strong>das</strong>?“, fragte sie.<br />

„Das heißt, <strong>das</strong>s er stark genug ist, um zu gehen. Und sie befinden<br />

sich nicht weit weg von uns. Von der Hütte aus konnte ich <strong>das</strong><br />

225


Schloss erkennen. Lucius <strong>und</strong> Narzissa haben vor, in den Wald zu<br />

gehen, weil sie sich vor Pr<strong>of</strong>essor Granger verstecken sollen. Sie soll<br />

angeblich die dritte sein, die er ermorden will. Aber er ist noch nicht<br />

soweit, er braucht noch mehr von diesen Gegenständen“, erzählte<br />

<strong>Lily</strong>.<br />

Kurz darauf läutete es zum Ende der St<strong>und</strong>e <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> sammelte<br />

noch all ihre Pergamentblätter <strong>und</strong> ihre verhexte Feder ein <strong>und</strong> dann<br />

stand dann auf.<br />

„Wo ist eigentlich Ted?“, fragte sie.<br />

Es war ihr noch gar nicht aufgefallen, <strong>das</strong>s der Platz links neben<br />

ihr nicht besetzt war, als sie aufgewacht war, so verbissen hatte sie<br />

über den Traum nachgedacht.<br />

„Der wollte mal ausprobieren, wie die Kotzpastillen wirken, anstatt<br />

wieder irgendetwas zu träumen“, sagte <strong>Dora</strong>.<br />

„Jetzt ist er im Krankenflügel, denn er hat es nicht geschafft, die<br />

zweite Hälfte hinunterzuwürgen, als ich mit ihm hochgegangen bin.<br />

Dieser Plan ist wohl daneben gegangen!“, erzählte Scott weiter.<br />

<strong>Lily</strong> runzelte die Stirn.<br />

„Na dann, es ist ja nicht <strong>das</strong> erste Mal schief gelaufen. Schön langsam<br />

sollte er wissen, <strong>das</strong>s dieses Zeug nichts für ihn ist!“, meinte sie.<br />

Die anderen beiden nickten ihr zustimmend zu, als sie die Klasse<br />

verließen.<br />

Nach dem Mittagessen ließen <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> Scott alleine im Gemeinschaftsraum<br />

mit seinen Hausaufgaben zurück <strong>und</strong> gingen in eine<br />

überdachte Ecke des Pausenh<strong>of</strong>es.<br />

<strong>Lily</strong> erzählte <strong>Dora</strong> genau, was sie dieses Mal gesehen hatte <strong>und</strong><br />

nachdem auch dieses Mal dieser Traum fortgesetzt worden war, waren<br />

sich die beiden sicher, <strong>das</strong>s es kein Zufall sein konnte.<br />

„Was hältst du davon, wenn wir einfach mal Peeves fragen, ob er<br />

schon <strong>das</strong> Medaillon gef<strong>und</strong>en hat? Wenn es alles nur ein Traum ist,<br />

dann würde er es als Scherz oder so auffassen, wenn wir ihm nach<br />

einem Medaillon fragen…“, schlug <strong>Dora</strong> vor.<br />

226


„…<strong>und</strong> wenn nicht, dann verrät er sich sicher irgendwie. Guter<br />

Plan! Lass ihn uns suchen! Ich habe ihn jetzt öfters im siebten Stock<br />

bei diesem Wandteppich von Barnabas dem Bekloppten gesehen.<br />

Vielleicht finden wir ihn dort!“<br />

Die beiden machten sich auf den Weg nach oben, doch sie waren<br />

noch nicht mal im vierten Stock, als Peeves, der nicht <strong>das</strong> kleinste<br />

bisschen Interesse an ihnen zeigte, auf sie zukam.<br />

Sie stellten sich genau in seinen Weg, doch er machte nicht den<br />

Eindruck, <strong>das</strong>s er sie überhaupt bemerkt hatte, <strong>und</strong> flog einfach weiter<br />

auf sie zu.<br />

„Hey, Peeves“, rief <strong>Lily</strong>, als er nur mehr wenige Zentimeter von<br />

ihrem Gesicht entfernt war.<br />

Er blieb stehen <strong>und</strong> schüttelte den Kopf, dann schlug er ein paar<br />

Mal die Augen auf <strong>und</strong> zu <strong>und</strong> blickte zuerst <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> dann <strong>Dora</strong> an.<br />

„Ihr beiden… Als wenn ich nicht schon genug Ärger hätte wegen<br />

euch“, murmelte er <strong>und</strong> wollte in einem Bogen um die Zwillinge herumfliegen,<br />

doch diese versperrten ihm wieder den Weg.<br />

„Wir wollten dich was fragen“, begann <strong>Dora</strong>.<br />

Er runzelte seine <strong>durchsichtige</strong> Stirn <strong>und</strong> zog sich die orangefarbene<br />

Fliege fester um den Hals.<br />

„Aber ich will nicht, <strong>das</strong>s ihr mich etwas fragt!“, keifte er zurück.<br />

Peeves flog einen größeren Bogen <strong>und</strong> schaffte es schließlich um<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> herum.<br />

„Hey, hast du <strong>das</strong> Medaillon schon gef<strong>und</strong>en?“, rief <strong>Lily</strong> ihm nach,<br />

als er schon einige Meter von ihnen entfernt war.<br />

Eine Gruppe neugieriger Hufflepuffs drehte sich um, um den Herd<br />

des Lärmes zu sehen, <strong>und</strong> blieb interessiert stehen, als sie <strong>Lily</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Dora</strong> erkennen konnte.<br />

Peeves drehte sich wider Erwarten zu den beiden zurück <strong>und</strong><br />

schaute sie misstrauisch an.<br />

„Was hast du gefragt?“, sagte er <strong>und</strong> kam einige Meter zurück zu<br />

den Mädchen.<br />

„Ob du <strong>das</strong> Medaillon schon gef<strong>und</strong>en hast“, wiederholte sich <strong>Lily</strong>.<br />

227


„Woher wisst ihr… Ach, ich habe keine Ahnung, wovon ihr redet!“,<br />

sagte Peeves <strong>und</strong> schneller als die beiden schauen konnten,<br />

war er dann um die nächste Ecke verschw<strong>und</strong>en.<br />

<strong>Lily</strong> schaute <strong>Dora</strong> triumphierend an.<br />

„Okay, er hat sich verraten <strong>und</strong> er weiß sogar sehr wohl, wovon<br />

wir reden!“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> nickte.<br />

„Das heißt, <strong>das</strong>s nichts davon geträumt war <strong>und</strong> <strong>das</strong>s wir <strong>und</strong> auch<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger in ziemlich großer Gefahr sind.“<br />

S<strong>of</strong>ort verschwand <strong>Lily</strong>s triumphierender Gesichtsausdruck <strong>und</strong> sie<br />

nickte ebenfalls.<br />

„Ja, ich schätze mal, <strong>das</strong>s es <strong>das</strong> heißt. Aber er hat erst drei Sachen.<br />

Wenn wir nur wüssten, wo wir die Schlange, den Becher oder <strong>das</strong><br />

Medaillon finden können… Wir müssen irgendetwas unternehmen!“<br />

„Erinnerst du dich an den Brief, den wir vor ein paar Wochen bekommen<br />

haben?“, fragte <strong>Dora</strong> plötzlich.<br />

<strong>Lily</strong> schüttelte den Kopf.<br />

„Das müssen tausende gewesen sein. Vielleicht findest du ja einen<br />

Weg, ihn noch ungenauer zu beschreiben!“<br />

„Du weißt schon… Den von diesem einen, der uns den Umhang<br />

<strong>und</strong> die Karte geschickt hat!“, erklärte <strong>Dora</strong>. „In dem er uns geschrieben<br />

hat, <strong>das</strong>s wir seine Eule verwenden sollen, um ihm zu<br />

schreiben, wenn uns irgendetwas Merkwürdiges passiert!“<br />

„Du willst ihm schreiben?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Immer wieder schaute sie nervös im Gang auf <strong>und</strong> ab, um sicher zu<br />

gehen, <strong>das</strong>s sie auch niemand belauschte.<br />

„Genau <strong>das</strong> habe ich vor“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Aber glaubst du, <strong>das</strong>s die Eule immer noch da ist?“<br />

<strong>Dora</strong> zuckte mit ihren Schultern.<br />

„Keine Ahnung, lass uns schnell den Brief schreiben <strong>und</strong> dann<br />

nachschauen!“, meinte sie.<br />

Da <strong>Lily</strong> auch keine bessere Idee hatte, stimmte sie zu <strong>und</strong> sie liefen<br />

gemeinsam zurück in den Schlafsaal.<br />

228


„Aber was ist, wenn <strong>das</strong> eine Falle ist?“, fragte <strong>Lily</strong>, als <strong>Dora</strong> sich<br />

gerade <strong>Lily</strong>s Kugelschreiber aus ihrem Rucksack schnappte <strong>und</strong> ein<br />

Stück leeres Pergament suchte.<br />

„Ach, du hast zu viele schlechte Horrorfilme gekuckt. Glaubst du<br />

etwa, einer, der uns töten will, schenkt uns einen Mantel, damit wir<br />

uns unsichtbar machen <strong>und</strong> vor ihm verstecken können?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Nein, du hast ja Recht. Aber jetzt schreib endlich mal Onkel Dudley,<br />

<strong>das</strong>s er dir einen eigenen Kugelschreiber schicken soll!“<br />

<strong>Dora</strong> ignorierte den letzten Satz ihrer Schwester.<br />

„Was soll ich ihm schreiben?“, fragte sie.<br />

„Weiß nicht. Aber du bist besser im Briefeschreiben, also vertrau<br />

ich dir ausnahmsweise“, grinste <strong>Lily</strong>.<br />

„Wo du Recht hast…“<br />

<strong>Dora</strong> überlegte kurz, dann begann sie zu schreiben.<br />

229<br />

Hallo!<br />

Sie wissen nicht zufällig, was Horkruxe sind, oder?<br />

Wenn ja, dann erzählen Sie uns bitte davon. In welcher<br />

Weise können Dinge wie ein Becher, ein Diadem, eine<br />

Schlange oder ein Buch einen Menschen stärker<br />

machen?<br />

Bitte antworten Sie so schnell wie möglich.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

<strong>Lily</strong> las noch ein paar Mal ihren Brief durch <strong>und</strong> rollte <strong>das</strong> Stück<br />

Pergament dann zusammen. Sie wollte diesem Fremden nichts von<br />

ihren Träumen erzählen, geschweige denn davon, <strong>das</strong>s jemand vorhatte,<br />

sie zu töten. <strong>Lily</strong> hatte ja in gewisser Weise Recht <strong>und</strong> sie<br />

wussten nichts über den Fremden <strong>und</strong> auch nicht, ob er ihnen seine<br />

Nettigkeit nur vorspielte.<br />

Aber aus der Frage nach den Horkruxen konnte er ja schlecht alle<br />

diese Informationen ablesen <strong>und</strong> schließlich war die Information, die


die Zwillinge benötigten, die, was es mit diesen Horkruxen, diesen<br />

komischen alten Gegenständen, auf sich hatte. Sie wussten nicht,<br />

was sie sonst unternehmen konnten, <strong>und</strong> dies war <strong>das</strong> Einzige, worauf<br />

sie sich im Moment konzentrieren konnten. Die Frage nach den<br />

Horkruxen.<br />

„Okay, lass uns in die Eulerei gehen“, sagte <strong>Dora</strong> schließlich, als<br />

sie ein Band r<strong>und</strong> um die Pergamentrolle gewickelt hatte, mit dem<br />

sie sie am Fuß der Eule befestigen konnte.<br />

<strong>Lily</strong> sprang von ihrem Bett <strong>und</strong> die beiden machten sich auf den<br />

Weg. Es war <strong>das</strong> erste Mal, <strong>das</strong>s sie dorthin gingen, <strong>und</strong> s<strong>of</strong>ort, als<br />

sie die Tür öffneten, kam ihnen Hedwig entgegen. Sie setzte sich auf<br />

<strong>Dora</strong>s Schulter <strong>und</strong> schmiegte sich an sie.<br />

<strong>Dora</strong> streichelte ihr vorsichtig über den Kopf. Währenddessen kam<br />

aus dem dunklen Raum mit den vielen kleinen Fenstern auch eine<br />

zweite Eule auf sie zugeflogen. Sie war etwas kleiner als die<br />

Schneeeule auf <strong>Dora</strong>s Schulter <strong>und</strong> schien schon etwas älter zu sein.<br />

<strong>Lily</strong> streckte ihre Hand aus <strong>und</strong> sie ließ sich darauf nieder.<br />

„Kannst du unseren Brief an wen auch immer übergeben?“, fragte<br />

<strong>Lily</strong>.<br />

Der Vogel machte ein Geräusch, welches sich stark nach einem Ja<br />

in der Sprache der Eulen anhörte. Auch wenn sich <strong>Lily</strong> alles andere<br />

als sicher war, band sie die Pergamentrolle am Fuß der fremden Eule<br />

fest <strong>und</strong> schon kurz später war sie durch eines der Fenster davongeflogen.<br />

„Tut mir leid, Hedwig, aber du bekommst heute keine Arbeit. Wir<br />

wussten nämlich nicht, wer derjenige ist, dem dieser Brief gehört. Ist<br />

eine lange Geschichte, aber <strong>das</strong> nächste Mal darfst du fliegen!“<br />

Die Eule wirkte etwas enttäuscht <strong>und</strong> flog s<strong>of</strong>ort von <strong>Dora</strong>s Schulter,<br />

zurück auf die vielen Stangen, auf denen noch zahlreiche andere<br />

Eulen ruhten.<br />

„Glaubst du, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> die Richtige war?“, fragte <strong>Dora</strong>, auf dem<br />

Weg zurück in den Gemeinschaftsraum.<br />

„Sie hat uns auf jeden Fall erkannt“, antwortete <strong>Lily</strong>.<br />

230


<strong>Dora</strong> nickte.<br />

„Wir werden ja sehen“, meinte sie.<br />

Für Zaubertränke hatten die Mädchen noch einen zwei Pergamentrollen<br />

langen Aufsatz über die Bedeutung von Nieswurz zu schreiben<br />

<strong>und</strong> da ihre Zauberfeder leider nicht dazu in der Lage war, ihre<br />

Informationen selbst nachzuschlagen, mussten sie sich selbst an die<br />

Arbeit machen, auch wenn sie nicht wussten, wie sie sich konzentrieren<br />

sollten, beim Gedanken, <strong>das</strong>s da draußen im verbotenen Wald<br />

jemand nur darauf wartete, <strong>das</strong>s sie ihm in die Quere kamen. Eigentlich<br />

wären sie in dieser Situation wieder zu Hagrid gegangen, denn<br />

er war derjenige, dem sie von allen Lehrern am meisten vertrauten,<br />

doch seine Hütte war direkt neben dem Wald <strong>und</strong> keine der beiden<br />

traute sich dort hin, auch nicht mit Hilfe des Umhanges.<br />

„Ist Ted noch immer nicht zurück?“, fragte <strong>Dora</strong>, als sie sich zu<br />

Scott an den Tisch im Gemeinschaftraum setzten.<br />

Er schüttelte den Kopf.<br />

„Der sollte sich mal auf eine Allergie gegen dieses Nasch- <strong>und</strong><br />

Schwänzzeug testen lassen“, meinte er.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> nickten zustimmend, bevor sie sich an ihre<br />

Hausaufgaben machten. Sie hatten noch nicht mal einen Satz fertig<br />

geschrieben, als Jeff durch <strong>das</strong> Porträtloch kletterte <strong>und</strong> auf die beiden<br />

zukam.<br />

„<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>, ihr sollt euch auf der Stelle bei Pr<strong>of</strong>essor Granger<br />

melden. Sie ist in ihrem Büro!“, sagte er.<br />

„Wir?“, fragten die beiden gleichzeitig.<br />

„Na ja, wenn ihr noch zwei andere Mädchen kennt, die sie als die<br />

‚Dursley-Zwillinge’ bezeichnet haben könnte, dann könnte es sein,<br />

<strong>das</strong>s ich euch verwechsle. Nein, im Ernst. Was habt ihr angestellt?<br />

Sie wirkte irgendwie aufgeregt!“, meinte Jeff.<br />

„Keine Ahnung“, sagten die Zwillinge gleichzeitig <strong>und</strong> packten ihre<br />

Pergamentblätter wieder zusammen.<br />

„Dann erzählt es mir später. Wenn Granger jemanden zu sich ruft,<br />

dann muss er schon echt was angestellt haben! Ich musste erst<br />

231


zweimal in meinen zwei vergangenen Jahren zu ihr, obwohl ihr euch<br />

sicher sein könnt, <strong>das</strong>s meine Liste an Regelverstößen mehr als zwei<br />

Punkte enthält!“, meinte Jeff.<br />

Ja, <strong>das</strong>s diese Liste länger war, war gar keine Frage. So wie <strong>Lily</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Dora</strong> Jeff kannten, hätte er wohl für jede Woche hier eine neue<br />

Liste benötigt, um alle Regelverstöße festhalten zu können.<br />

Sie kletterten wieder hinaus auf den Gang <strong>und</strong> ein Stockwerk hinunter,<br />

zum Büro von Pr<strong>of</strong>essor Granger. Vorsichtig klopfte <strong>Lily</strong> an<br />

<strong>und</strong> s<strong>of</strong>ort wurde die Tür von innen geöffnet <strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>essor Granger<br />

hieß sie willkommen.<br />

Sie deutete ihnen, auf dem blassgelben S<strong>of</strong>a in der Mitte des Raumes<br />

Platz zu nehmen, <strong>und</strong> setzte sich anschließend selbst auf den<br />

Stuhl hinter ihrem Lehrertisch.<br />

„Erstmal wollte ich euch sagen, <strong>das</strong>s Rita Kimmkorn, diejenige,<br />

die den Bericht im Tagespropheten geschrieben hat, dafür verantwortlich<br />

ist, <strong>das</strong>s jeder euer <strong>Geheimnis</strong> erfahren hat. Sie war zu der<br />

Zeit im Büro von Mr. Weasley, als ich ihn abholen ließ. Sie hat eine<br />

gute Story gewittert <strong>und</strong> sich in einen Käfer verwandelt.“<br />

Die Mädchen schauten sie fragend an.<br />

„Ja, sie ist ein Animagus, <strong>das</strong> heißt sie kann sich in ein gewisses<br />

Tier verwandeln, <strong>das</strong> ihrem Charakter entspricht. Bei ihr ist es ein<br />

Käfer, vermutlich deswegen, weil ihr Charakter oder vielleicht auch<br />

ihr Gehirn die Größe eines solchen hat… Aber egal, auf jeden Fall<br />

hat sie sich im Mantel von Mr. Weasley verkrochen <strong>und</strong> ist mit ihm<br />

hierher gekommen. Nun ja, <strong>und</strong> hier hat sie alles gehört. Allerdings<br />

hat sie sich als Animagus nie beim Ministerium registrieren lassen,<br />

was soviel heißt, wie <strong>das</strong>s sie nach Askaban kommt, falls es jemand<br />

der zuständigen Behörde sagt. Sollte sie noch einmal eine derartige<br />

Show abziehen, dann kommt sie aus diesem Gefängnis nicht mehr<br />

raus, <strong>das</strong> verspreche ich euch! Aber <strong>das</strong> war nicht der Gr<strong>und</strong>, warum<br />

ich euch hierher bestellt habe!“, meinte sie.<br />

„Pr<strong>of</strong>essor Hagrid war gerade eben bei mir <strong>und</strong> er hat mir erzählt,<br />

<strong>das</strong>s ihr vor einiger Zeit bei ihm wart <strong>und</strong> ihn etwas gefragt habt. Er<br />

232


wusste nicht so richtig, ob es wichtig genug sei, um mir davon zu<br />

erzählen, aber Gott sei Dank hat er es am Ende doch gemacht“,<br />

meinte sie <strong>und</strong> musterte die Stelle, von der die Zwillinge wussten,<br />

<strong>das</strong> dort <strong>das</strong> Bild von ihr <strong>und</strong> ihren beiden besten ehemaligen Fre<strong>und</strong>en<br />

hing. „Also, wer hat euch von den Horkruxen erzählt?“<br />

Die Zwillinge schauten sich an <strong>und</strong> zuckten nervös mit den Schultern.<br />

„Hab ich gelesen“, meinte <strong>Dora</strong> schließlich, wenig überzeugend.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger blickte sie mit hochgezogener Augenbraue an.<br />

„Wo hast du <strong>das</strong> gelesen?“, fragte sie.<br />

„In einem Buch in der Bibliothek“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

„Das kann aber nicht sein. Ich habe vor Jahren selbst danach gesucht<br />

<strong>und</strong> in der Bibliothek war nur ein Buch, in dem die Horkruxe<br />

namentlich erwähnt wurden <strong>und</strong> selbst dort stand keine Beschreibung<br />

davon. Sämtliche Bücher an der Schule, die dieses <strong>The</strong>ma behandeln<br />

<strong>und</strong> auch <strong>das</strong> Buch, welches ich gerade eben erwähnt habe,<br />

befinden sich jetzt hier in diesem Raum. Also bitte sagt mir die<br />

Wahrheit. Ihr müsst wissen, Horkruxe sind wirklich mächtige<br />

schwarzmagische Objekte <strong>und</strong> die meisten, die von ihnen wissen,<br />

sind selbst keine gutartigen Zauberer, also wer hat euch von ihnen<br />

erzählt?“<br />

„Keine Ahnung“, sagte <strong>Lily</strong> schnell. „Die hat jemand in der Winkelgasse<br />

erwähnt, als wir dort waren. Wir kennen aber seinen Namen<br />

nicht!“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger blickte von einem Mädchen zum anderen <strong>und</strong><br />

zurück, während sie tief durchatmete.<br />

„Okay, ich verstehe, <strong>und</strong> glaubt mir, ich weiß, <strong>das</strong>s ihr lügt. Ich<br />

war lange genug mit eurem Dad befre<strong>und</strong>et <strong>und</strong> er hat auch immer<br />

versucht, alles selbst zu lösen, bevor er Hilfe angenommen hat, <strong>und</strong><br />

eure Mum war da nicht viel anders. Aber manchmal ist es besser,<br />

Hilfe anzunehmen, versteht ihr?“, fragte sie.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger wirkte nicht etwa sauer, sondern total fre<strong>und</strong>lich<br />

<strong>und</strong> sie lächelte die Zwillinge an, die zur Antwort nickten.<br />

233


„Harry – euer Dad – hatte damals <strong>of</strong>t Angst, <strong>das</strong>s ihm niemand<br />

glauben würde <strong>und</strong> <strong>of</strong>t war <strong>das</strong> auch der Fall, aber davor braucht ihr<br />

keine Angst zu haben. Alle Lehrer an dieser Schule kannten euren<br />

Vater <strong>und</strong> alle hier wollen euch nur helfen, insbesondere ich. Ich habe<br />

nicht nur einmal gesehen, wie sich Harry verhalten hat, wenn ihn<br />

etwas bedrückt hat, <strong>und</strong> ich beobachte euch nun schon seit einiger<br />

Zeit <strong>und</strong> irgendetwas stimmt nicht. Wenn ihr also denkt, <strong>das</strong>s ihr mir<br />

vertrauen könnt, dann kommt bitte zu mir. Egal, was es ist, ich werde<br />

mein Bestes tun, um euch zu helfen!“<br />

Wieder nickten <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>.<br />

„Okay, ihr dürft gehen“, meinte Pr<strong>of</strong>essor Granger nach einer kurzen<br />

Pause. „Wenn ihr mich braucht, dann findest ihr mich hier!“<br />

Ohne zu zögern standen die beiden auf <strong>und</strong> verließen den Raum,<br />

ohne sich noch einmal zu ihrer Lehrerin umzudrehen. Sie wussten ja,<br />

<strong>das</strong>s sie es nur gut meinte, aber wie sollten sie ihr <strong>das</strong> mit den Träumen<br />

erklären? Auch wenn sie jetzt sagte, <strong>das</strong>s sie ihnen alles glauben<br />

würde, so war es doch ziemlich unglaubwürdig, wenn sie ihr von<br />

einem Traum erzählten, den sie während der Geschichtsst<strong>und</strong>e gehabt<br />

hatten <strong>und</strong> in dem jemand gesagt hatte, <strong>das</strong>s er sie <strong>und</strong> auch<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger töten wolle. Auch wenn die beiden wussten, <strong>das</strong>s<br />

es wahr war, würde sie ihnen <strong>das</strong> nie glauben, da waren sich die beiden<br />

sicher. Sie wussten nicht viel von dem, was ihr Dad einst erlebt<br />

hatte, doch sie konnten sich nicht vorstellen, <strong>das</strong>s es etwas derartig<br />

Unglaubwürdiges war, <strong>das</strong> er seinen Lehrern nicht hatte erzählen<br />

wollen.<br />

„Was hältst du davon, wenn wir mit Ted <strong>und</strong> Scott darüber reden?“,<br />

schlug <strong>Lily</strong> vor, als sie nicht mehr weit vom Portrait der fetten<br />

Dame entfernt waren. „Die würden uns glauben <strong>und</strong> vielleicht<br />

wissen die was über Horkruxe. Immerhin leben sie schon ihr ganzes<br />

Leben lang bei Zauberern <strong>und</strong> Hexen.“<br />

<strong>Dora</strong> überlegte <strong>und</strong> nickte dann.<br />

„Was glaubst du, wie die beiden darauf reagieren würden?“, fragte<br />

sie.<br />

234


„Ich denke, sie würden uns nicht im Stich lassen <strong>und</strong> uns dabei<br />

helfen, etwas über die Horkruxe herauszufinden!“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

„Und du denkst nicht, <strong>das</strong>s sie uns Abstand von uns halten werden,<br />

wenn wir ihnen von den komischen Träumen erzählen?“<br />

„Nein, so sind die beiden nicht <strong>und</strong> Ted steht sowieso darauf, mysteriöse<br />

Sachen aufzudecken <strong>und</strong> überall Verschwörungen zu sehen<br />

wo keine sind, <strong>das</strong> hab' ich schon bemerkt!“<br />

Die Mädchen lachten <strong>und</strong> setzten sich wieder zu Scott, welcher<br />

noch immer nicht mit seiner Hausübung fertig war. Er hatte erst eine<br />

halbe Rolle Pergament voll geschrieben <strong>und</strong> brauchte noch mindestens<br />

eineinhalb. Wahrscheinlich strengte er sich einfach doppelt soviel<br />

an wie die Zwillinge, weil er seinem Dad, dem Zaubertrankmeister<br />

an der Schule, alle Ehre machen wollte, denn als die beiden<br />

ihre zwei Rollen geschrieben haben, kauerte er noch immer über<br />

dem letzten Viertel.<br />

„Was habt ihr beiden bitte über Nieswurz geschrieben?“, fragte er,<br />

als er sah, <strong>das</strong>s die Zwillinge damit begannen, ihre Hausaufgaben<br />

einzuräumen.<br />

<strong>Dora</strong> zog ihre s<strong>of</strong>ort wieder aus dem Rucksack <strong>und</strong> legte sie vor<br />

Scott.<br />

„Kannst du gerne alles abschreiben, was nicht vollkommener Mist<br />

ist. Ich hab alles doppelt <strong>und</strong> dreifach <strong>und</strong> in riesiger Schrift geschrieben!“,<br />

lachte sie.<br />

„Hätte ich auch mal dran denken sollen“, meinte Scott <strong>und</strong> blickte<br />

hinab auf seine winzige Schreibschrift <strong>und</strong> dann versuchte er die<br />

Klaue zu entziffern, die <strong>Dora</strong> mit ihrer Feder zu Papier gebracht hatte.<br />

Sie nahm sich fest vor, zu Weihnachten ein paar Kugelschreiber<br />

von zu Hause mitgehen zu lassen.<br />

„Also ich versteh ja nicht, wie du mit diesem Ding so schön<br />

schreiben kannst“, meinte sie <strong>und</strong> kniete sich auf ihren Sessel, um<br />

Scott beim Schreiben zusehen zu können.<br />

„Jahrelange Übung“, meinte er.<br />

235


„Oder einfach nie gelernt, mit normalen Geräten zu schreiben“,<br />

meinte <strong>Lily</strong>, während sie ihren Kugelschreiber zwischen ihren Fingern<br />

drehte.<br />

„Mann, hat Ted sich vergiftet mit dem Zeug, oder was?“, seufzte<br />

sie nach einiger Zeit.<br />

Die Zwillinge hatten sich vorgenommen, den Jungs von ihren<br />

Träumen zu erzählen, sobald Ted wieder anwesend war, doch der<br />

ließ auf sich warten. Langsam wurde es draußen schon dunkel <strong>und</strong><br />

sie mussten sich gleich auf den Weg zum Abendessen machen. Ein<br />

Ereignis, zu dem man Ted normalerweise nicht zweimal einladen<br />

musste, doch heute schien er es nicht für so wichtig zu halten. Oder<br />

ging es ihm wirklich so schlecht? Wenn er bis morgen nicht da war,<br />

würden sie ihn besuchen gehen, egal, was Madam Pomfrey dazu<br />

sagte.<br />

Als <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> vom Abendessen zurückkamen, beschlossen sie,<br />

ziemlich bald schlafen zu gehen. Ted war noch immer nicht da <strong>und</strong><br />

es hatte auch keinen Sinn mehr, noch auf ihn zu warten, da waren<br />

sich die beiden sicher <strong>und</strong> außerdem waren sie müde.<br />

„Sag mal, denkst du nicht auch <strong>of</strong>t, <strong>das</strong>s es besser gewesen wäre,<br />

wenn wir einfach im Ligusterweg geblieben <strong>und</strong> in eine andere<br />

Schule gegangen wären?“, fragte <strong>Dora</strong>, als sie im noch leeren<br />

Schlafsaal ankamen.<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Ja, sogar ziemlich <strong>of</strong>t. Fast jeden Tag. Dann hätten wir vermutlich<br />

nie erfahren, <strong>das</strong>s unsere Eltern nicht mehr am Leben sind <strong>und</strong> es<br />

würde auch da draußen im Wald gerade niemand sein, der uns aus<br />

irgendeinem Gr<strong>und</strong> nicht leiden kann. Es war doch alles so einfach,<br />

bevor wir hierher gekommen sind, oder?“<br />

„Ja, <strong>das</strong> war es, aber ich schätze mal, <strong>das</strong>s es jetzt zu spät ist. Wenn<br />

wir nur wüssten, wo die restlichen drei Horkruxe sind. In seinem jetzigen<br />

Zustand kann uns dieser Lucius nichts anhaben <strong>und</strong> Narzissa<br />

alleine kommt hier nicht rein. Aber was ist, wenn er auch noch die<br />

restlichen drei findet?“<br />

236


<strong>Lily</strong> zuckte mit ihren Schultern.<br />

„Dann haben wir wohl keine Chance“, seufzte sie.<br />

Plötzlich klopfte etwas am Fenster. Die Mädchen wandten sich um<br />

<strong>und</strong> sahen ein paar leuchtende Augen. Sie wichen zurück, doch dann<br />

erkannten sie, <strong>das</strong>s es sich um dieselbe Eule handelte, die sie noch<br />

nicht lange zuvor mit dem Brief an den Unbekannten weggeschickt<br />

hatten.<br />

<strong>Dora</strong> öffnete <strong>das</strong> Fenster <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> nahm ihr den Brief ab. Die Eule<br />

setzte sich oben auf einen der Kleiderkästen <strong>und</strong> vergrub ihren Kopf<br />

in ihren Flügeln.<br />

„Sie soll vermutlich auf eine Antwort warten“, meinte <strong>Dora</strong>, als sie<br />

<strong>und</strong> <strong>Lily</strong> dem Tier zuschauten. „Na komm, mach auf“, drängte sie<br />

ihre Schwester.<br />

237<br />

Hallo <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>!<br />

Eine Schlange, ein Becher, ein Diadem <strong>und</strong> ein Buch.<br />

Das waren die Horkruxe von Voldemort. Sie wurden<br />

zerstört <strong>und</strong> existieren nicht mehr. Wer hat euch davon<br />

erzählt? Nicht viele wussten davon <strong>und</strong> keine guten<br />

Hexen oder Zauberer hätten euch davon erzählt. Ihr<br />

müsst also irgendwo an die falsche Sorte von Magiern<br />

gekommen sein!<br />

Was meint ihr damit, wenn ihr sagt, <strong>das</strong>s sie jemanden<br />

stark machen können? Sie können jemanden sozusagen<br />

unsterblich machen, aber stärker nicht. Zumindest nicht,<br />

soweit ich weiß.<br />

Bitte erzählt mir alles darüber, es ist wichtig! Seid<br />

Jahren tue ich mein Bestes, damit ihr beiden sicher seid,<br />

<strong>und</strong> um <strong>das</strong> weiterhin machen zu können, müsst ihr mal<br />

alles erzählen, was ihr wisst.<br />

Und macht schnell, sonst könnte es zu spät sein.<br />

Wieder keine Unterschrift.


<strong>Dora</strong> schaute <strong>Lily</strong> an <strong>und</strong> diese nickte. Daraufhin holte sie ein neues<br />

Blatt Pergament aus ihrem Rucksack <strong>und</strong> begann eine Antwort zu<br />

schreiben. Diesmal beschloss sie, alles zu erzählen, was sie wusste.<br />

Schlimmer konnte es nicht mehr werden <strong>und</strong> dieser Unbekannte<br />

wusste anscheinend ziemlich viel über die sechs Horkruxe <strong>und</strong> somit<br />

hatten sie eine große Chance, <strong>das</strong>s er ihnen etwas darüber erzählte<br />

<strong>und</strong> ihnen womöglich sogar sagen konnte, wo sich einer davon befand.<br />

Sie mussten diesen kleinen H<strong>of</strong>fnungsschimmer einfach ergreifen.<br />

Hallo!<br />

Wir haben vor einigen Wochen im Fach<br />

Zaubereigeschichte ein Tagtraumpulver namens<br />

„Weasleys Zauberhafte Tagträume“ ausprobiert.<br />

Eigentlich sollten uns in diesen Träumen sämtliche<br />

Wünsche erfüllt werden, doch wir landeten in einem<br />

dunklen Raum. Bei allen anderen funktioniert <strong>das</strong> Pulver<br />

richtig, nur bei mir <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> nicht. Dreimal haben wir es<br />

bis jetzt benutzt <strong>und</strong> immer wieder sind wir dort<br />

gelandet. Dieser Raum befindet sich in einer kleinen<br />

Hütte irgendwo in der Nähe vom Schloss Hogwarts. Man<br />

kann es nämlich von der Vordertür aus sehen.<br />

Darin lag ein Mann namens Lucius auf einem Tisch <strong>und</strong><br />

eine Frau namens Narzissa drohte Peeves, dem<br />

Poltergeist. Er sollte ihr den Becher von Hufflepuff,<br />

einen Teil von der Schlange Nagini, <strong>das</strong> Diadem von<br />

Ravenclaw oder <strong>das</strong> Medaillon von Slytherin bringen,<br />

sonst würde sie ihn töten.<br />

Die ersten beiden Male lag der Mann auf seinem Tisch<br />

<strong>und</strong> er konnte sich kaum bewegen. Er hatte zu wenige<br />

von diesen ehemaligen Horkruxen. So hat die Frau diese<br />

Dinge genannt. Beim dritten Mal aber hatte er außer<br />

dem Buch <strong>und</strong> dem Ring auch schon <strong>das</strong> Diadem von<br />

238


239<br />

Ravenclaw <strong>und</strong> er war stärker. Er stand vor einem<br />

vernagelten Fenster <strong>und</strong> schaute hinaus zum verbotenen<br />

Wald.<br />

Dann kam wieder diese Frau <strong>und</strong> sie sagte ihm, <strong>das</strong>s sie<br />

s<strong>of</strong>ort aus der Hütte mussten, weil Pr<strong>of</strong>essor Granger sie<br />

sonst finden würde. Der Mann hat gesagt, <strong>das</strong>s sie die<br />

dritte sein wird, die sterben wird, wenn er erstmal noch<br />

mehr von diesen Horkruxen hat. Die ersten beiden sollen<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> ich sein. Er sagte, <strong>das</strong>s er, mit der Hilfe von der<br />

Frau <strong>und</strong> irgendjemand anderem, stark genug sei, um<br />

sämtliche Flüche zu durchbrechen, durch die Hogwarts<br />

geschützt ist <strong>und</strong> <strong>das</strong>s er <strong>das</strong> erledigen würde, was sich<br />

so viele wünschen. Nämlich uns beide zu töten.<br />

Anschließend sind die beiden in den verbotenen Wald<br />

gegangen, um sich dort vor Pr<strong>of</strong>essor Granger zu<br />

verstecken.<br />

Also, was genau sind die Horkruxe <strong>und</strong> wissen Sie<br />

womöglich, wo wir sie finden können? Wenn er noch<br />

eins oder zwei davon findet, dann schätzen wir, <strong>das</strong>s es<br />

zu spät sein wird. Das darf nicht geschehen, wir müssen<br />

schneller sein!<br />

Mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen,<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

So schnell wie <strong>Dora</strong> den Brief geschrieben hatte, rollte sie ihn zusammen<br />

<strong>und</strong> rief die Eule vom Schrank zu sich herunter. Diese ließ<br />

sich ohne Probleme den Brief an den Fuß binden <strong>und</strong> schon war sie<br />

wieder auf <strong>und</strong> davon.<br />

„Hast du ihm alles erzählt?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> überlegte <strong>und</strong> nickte dann.<br />

„Ich denke ja“, meinte sie <strong>und</strong> überflog den Brief im Gedächtnis<br />

noch einmal. „Aber mich interessiert es, warum alle so auf <strong>das</strong> <strong>The</strong>-


ma Horkruxe reagieren. Zuerst Hagrid, dann Pr<strong>of</strong>essor Granger <strong>und</strong><br />

jetzt auch noch der da!“<br />

<strong>Dora</strong> zeigte auf den Brief, den sie gerade eben erhalten hatten.<br />

„Ja, die müssen schon was Besonderes sein!“, antwortete <strong>Lily</strong>.<br />

Mit einem komischen Gefühl im Bauch schloss <strong>Lily</strong> schließlich<br />

wieder <strong>das</strong> Fenster, durch welches die Eule gerade eben den Raum<br />

verlassen hatte, <strong>und</strong> setzte sich auf ihr Bett.<br />

„Ich denke, wir sollten besser schlafen gehen. Wir haben Ted <strong>und</strong><br />

Scott morgen viel zu erklären!“, meinte sie.<br />

„Falls Madam Pomfrey ihn nicht noch einen Tag mehr einsperrt!“,<br />

sagte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> nickte.<br />

„H<strong>of</strong>fentlich nicht. So gefährlich können die Dinger ja nicht sein!“<br />

240


241<br />

Geständnisse<br />

Als die Mädchen am nächsten Morgen zum Frühstück gingen, saßen<br />

Ted <strong>und</strong> Scott bereits am Gryffindortisch. Beide waren schon halb<br />

fertig mit dem Essen, als sich <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> zu ihnen setzten.<br />

„Na, hast du dieses Gift wieder aus dir 'raus gebracht?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Oh ja, hat aber auch lang genug gedauert. Madam Pomfrey hat<br />

sich echt angestrengt <strong>und</strong> mir die halbe Nacht lang versucht ein Gegenmittel<br />

zu verabreichen!“, erzählte er grinsend. „Aber George <strong>und</strong><br />

Lee versprechen echt nicht zu viel von dem Zeug <strong>und</strong> eigentlich sollten<br />

die <strong>das</strong> Doppelte verlangen, denn wenn heute nicht Samstag wäre,<br />

dürfte ich noch mal einen Tag lang schwänzen <strong>und</strong> mich ausschlafen!“<br />

Er schaute zufrieden <strong>und</strong> nahm sich ein weiteres Marmeladebrötchen.<br />

„Dann hast du ja auch sicher nichts dagegen, heute einen zwei Seiten<br />

langen Aufsatz über Nieswurz zu schreiben <strong>und</strong> den Aufsatz für<br />

Geschichte brauchst du ja auch noch!“, meinte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> s<strong>of</strong>ort verschwand<br />

<strong>das</strong> Grinsen von Teds Gesicht.<br />

„Ja, somit wäre auch dieser Samstag dann wieder gelaufen. Danke<br />

auch!“<br />

„Aber bevor du dich an die Arbeit machst, brauchen wir dich <strong>und</strong><br />

Scott noch. Lasst uns nach oben in den Gemeinschaftsraum gehen.<br />

Der sollte sowieso fast leer sein, weil die Älteren heute in Hogsmeade<br />

sind!“, sagte <strong>Dora</strong>.<br />

Scott schaute neugierig von seinem Frühstück auf.<br />

„Für was braucht ihr uns?“, fragte er.<br />

„Wir haben beschlossen, <strong>das</strong>s wir keine Angst davor haben, <strong>das</strong>s<br />

ihr nichts mehr mit uns zu tun haben wollt, wenn wir euch von unseren<br />

Träumen in Zaubereigeschichte erzählen!“, meine <strong>Lily</strong> <strong>und</strong><br />

machte eine spöttische Grimasse in Richtung Ted, doch dieser begann<br />

nur zu lachen.


„Na dann wird’s ja jetzt endlich mal interessant hier, wenn ihr uns<br />

von euren Alpträumen erzählt!“, spottete er zurück. „Da werden wir<br />

ja ein Gruselmärchen zu hören bekommen.“<br />

„Ja, wenn’s ein Märchen wäre, dann wäre es gruselig“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Aber leider ist es <strong>das</strong> nicht!“<br />

„Was meinst du damit?“, fragte Ted.<br />

„Hier hören zu viele zu“, antwortete <strong>Lily</strong>.<br />

„Also von mir aus können wir s<strong>of</strong>ort wieder hoch gehen, ich bin<br />

fertig!“, sagte Ted s<strong>of</strong>ort <strong>und</strong> sprang auf.<br />

„Aber wir noch nicht. Fünf Minuten noch!“<br />

Nachdem auch die Zwillinge fertig gegessen hatten, setzten sie<br />

sich wieder vor den Kamin im Gemeinschaftsraum. Es war bis jetzt<br />

der kälteste Tag in diesem Herbst <strong>und</strong> die meisten der Zuhausegebliebenen<br />

hatten sich in ihre Schlafsäle zurückgezogen. Nur eine andere<br />

Gruppe Erstklässler stand neben einem der Fenster <strong>und</strong> diskutierte<br />

über irgendetwas.<br />

„Okay, aber jetzt los. Wir sind gespannt, oder Scott?“, fragte Ted<br />

neugierig.<br />

Scott nickte aufgeregt.<br />

„Okay, zu allererst wollten wir euch fragen, ob ihr wisst, was<br />

Horkruxe sind“, sagte <strong>Lily</strong>.<br />

Die Jungs schüttelten den Kopf.<br />

„Okay, <strong>das</strong> dachten wir uns. Du erinnerst dich doch daran, <strong>das</strong>s<br />

<strong>Dora</strong> Sicherheitsmaßnahmen erwähnt hat. Diese waren allerdings<br />

nicht, um uns vor dir zu schützen, wie du sicher weißt, denn vor dir<br />

hat niemand hier Angst.“<br />

Ted streckte <strong>Lily</strong> die Zunge entgegen, doch diese fuhr fort, ohne<br />

darauf einzugehen.<br />

„Also Pr<strong>of</strong>essor Granger <strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>essor Longbottom müssen irgendetwas<br />

unternommen haben, um uns hier drinnen zu schützen,<br />

weil es wohl einigen da draußen lieber wäre, wenn unser Dad keine<br />

Kinder gehabt hätte, <strong>und</strong> zwei von denen namens Narzissa <strong>und</strong> Lucius<br />

sind im Moment draußen im Wald <strong>und</strong> warten darauf, bis Peeves<br />

242


ihnen ein weiteres dieser Horkruxe bringt, damit sie stark genug<br />

werden, um hier einzudringen <strong>und</strong>… Ja, was sie dann vorhaben, <strong>das</strong><br />

könnt ihr euch da denken!“<br />

Scott <strong>und</strong> Ted machten große Augen.<br />

„Woher wisst ihr <strong>das</strong>?“, fragte Scott.<br />

„Zaubereigeschichte. Wir haben beide immer von diesen beiden<br />

geträumt <strong>und</strong> gestern sind sie dann aus dieser Hütte draußen verschw<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> in den Wald gegangen, weil Pr<strong>of</strong>essor Granger sie<br />

für irgendetwas benötigt hat. Sie war schon auf dem Weg zu ihr!“<br />

„Das war gestern?“, fragte Ted. „Wo war diese Hütte <strong>und</strong> wie habt<br />

ihr sie gesehen? Wart ihr dort?“<br />

„Ja, gestern in der Geschichtsst<strong>und</strong>e. Die Hütte ist ganz in der Nähe<br />

des Schlosses. Man kann es vom Eingang aus sehen <strong>und</strong> sie ist<br />

auch nicht weit entfernt vom verbotenen Wald! Ja, zumindest haben<br />

wir geträumt, <strong>das</strong>s wir dort waren. Aber es war nicht nur ein Traum,<br />

Peeves hat uns alles bestätigt.“<br />

Ted überlegte einen Moment.<br />

„Wie hat es dort drinnen ausgesehen? Ich denke nämlich, ich weiß,<br />

was ihr meint“, fragte er.<br />

„Vernagelte Fenster, viele Regale <strong>und</strong> es war ziemlich dunkel!“,<br />

überlegte <strong>Lily</strong>.<br />

„Meine Großmutter hat mir davon erzählt. Mein Dad ist früher <strong>of</strong>t<br />

mit seinen Fre<strong>und</strong>en dort gewesen. Man nennt sie die heulende Hütte!“,<br />

erklärte er.<br />

„Und ihr beiden versucht nicht uns einzureden, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> alles nur<br />

Einbildung ist?“, fragte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> betrachtete die Jungs.<br />

Scott schien wenig überzeugt zu sein, doch Ted schüttelte den<br />

Kopf.<br />

„Wie soll es Einbildung sein, wenn ihr eine Hütte beschreibt, die<br />

ihr noch nie gesehen habt <strong>und</strong> die es tatsächlich gibt?“, fragte er.<br />

„Und die Namen Lucius <strong>und</strong> Narzissa kenne ich auch von irgendwo.<br />

Wenn sie mit Nachnamen Malfoy heißen, dann waren es früher mal<br />

berüchtigte Todesser!“<br />

243


„Keine Ahnung, ich glaube sie haben ihren Nachnamen nie erwähnt“,<br />

sagte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> auch <strong>Dora</strong> schüttelte ihren Kopf.<br />

„Und es passt zusammen“, meinte Ted. „Sie waren volle zehn Jahre<br />

in Askaban <strong>und</strong> da sie viele andere Todesser verraten haben, wurde<br />

ihnen versprochen, <strong>das</strong>s sie wieder freikommen würden, wenn sie<br />

zehn Jahre überlebten. Das stand vor einem Jahr oder so im Tagespropheten.<br />

Gab große Aufregung bei meiner Grandma <strong>und</strong> den<br />

Weasleys. Die mochten die Malfoys nämlich nie!“<br />

„Ja, ich denke, <strong>das</strong>s ich diesen Bericht damals auch gelesen habe.<br />

Die waren anscheinend nicht wirklich beliebt. Mein Dad <strong>und</strong> meine<br />

Mum haben sich auch total drüber aufgeregt! Haben die nicht mal<br />

Voldemort bei sich wohnen lassen?“, fragte Scott.<br />

Ted nickte.<br />

„Ja, <strong>das</strong> haben sie. Waren echte Mistkerle! Damals hatte diese<br />

Narzissa sogar noch eine Schwester namens Bellatrix. Schien ziemlich<br />

verknallt in Voldemort oder zumindest seine Macht zu sein!“,<br />

sagte er.<br />

„Welche Haarfarbe hatte Lucius?“, fragte <strong>Dora</strong> um ganz sicher zu<br />

gehen, <strong>das</strong>s sie auch denselben meinten.<br />

Ted runzelte die Stirn.<br />

„Die Malfoys sind blond, wenn mich nicht alles täuscht!“<br />

„Ja, unser Lucius war auch blond.“<br />

„So, <strong>und</strong> jetzt erzählt uns alles noch mal von vorne. Was sind diese<br />

Horkruxe genau, nach denen du uns vorher gefragt hast <strong>und</strong> warum<br />

brauchen die Malfoys sie?“, fragte Ted.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> erzählen ihnen die Geschichte in allen Einzelheiten<br />

noch mal.<br />

„Slytherins Medaillon?“, fragte Scott plötzlich, als <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

bei den Horkruxen angekommen waren.<br />

Die Mädchen nickten.<br />

„Wir haben ein altes, kaputtes Medaillon mit dem Wappen von<br />

Slytherin drauf zu Hause. Man kann es nicht mehr gut erkennen, aber<br />

Mum hat mir mal erklärt, was es einst darstellen sollte. Das ist<br />

244


sicher <strong>das</strong>, was ihr meint <strong>und</strong> jetzt liegt es zu Hause in einer Kiste<br />

auf dem Dachboden. Ich weiß nicht mehr, woher wir es haben!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> machten große Augen.<br />

„Kannst du uns <strong>das</strong> besorgen?“, fragte sie. „Es darf auf keinen Fall<br />

in die Hände von den beiden kommen <strong>und</strong> die würden alles dafür<br />

geben!“<br />

Scott nickte.<br />

„Ich kann Mum heute noch eine Eule schicken <strong>und</strong> morgen in der<br />

Früh können wir es haben. Ich denke nämlich nicht, <strong>das</strong>s sie in<br />

nächster Zeit irgendwann vorhat, sich dieses alte Ding um den Hals<br />

zu hängen!“<br />

Die vier lachten.<br />

„Okay, ich würde sagen, <strong>das</strong>s du dann den Brief schreibst, während<br />

wir diese Eule dort versorgen!“<br />

<strong>Dora</strong> zeigte auf <strong>das</strong> Fenster, vor dem noch immer die anderen<br />

Erstklässler standen. Sie schauten alle zu der Eule, die gerade damit<br />

begonnen hatte, anzuklopfen, doch niemand machte den Anschein,<br />

als würde er sie heute noch von alleine reinlassen.<br />

„Hey, Alice, könntest du mal aufmachen?“, rief <strong>Lily</strong> quer durch<br />

den Raum.<br />

Alice nickte <strong>und</strong> ließ die Eule herein, welche gleich auf die Zwillinge<br />

zuflog <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> ihr Bein hinstreckte. Danach setzte sie sich<br />

auf den Vorsprung des Kamins <strong>und</strong> begann wie schon am Vortag zu<br />

warten.<br />

„Von wem ist die?“, fragte Ted, der die Eule ausgiebig betrachtete.<br />

„Von dem, von dem wir den Umhang haben. Wir haben ihm gestern<br />

die ganze Geschichte geschrieben“, erklärte <strong>Lily</strong>.<br />

„Seid ihr verrückt? Was ist, wenn der euch vorher mit Geschenken<br />

von seiner Gutmütigkeit überzeugen will <strong>und</strong> euch jetzt fertig<br />

macht?“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> zuckten mit den Schultern.<br />

„Wir haben keine andere Wahl. Wir können nichts machen!“,<br />

meinte <strong>Dora</strong>.<br />

245


„Und außerdem: was wäre, wenn du jetzt s<strong>of</strong>ort eine Eule an die<br />

Malfoys schickst <strong>und</strong> uns deine Nettigkeit nur vorgespielt hast, damit<br />

wir dir vertrauen? Das ist <strong>das</strong>selbe. Wir wissen nicht, wem wir<br />

vertrauen können, es bleibt uns aber nichts anderes übrig. Was sollen<br />

wir zwei alleine machen?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Ted zuckte mit den Schultern.<br />

„Ja okay, ihr habt Recht. Aber ich bezweifle stark, <strong>das</strong>s jemals irgendjemand<br />

hier reinkommen wird ins Schloss. Ihr seid erst in Gefahr,<br />

sobald ihr alleine rausgeht oder Ferien habt!“<br />

<strong>Lily</strong> schüttelte den Kopf.<br />

„Nein, Lucius hörte sich zu zuversichtlich an <strong>und</strong> er meinte, <strong>das</strong>s<br />

er mit Narzissa <strong>und</strong> der Hilfe von irgendjemand anderem stark genug<br />

ist, um hier rein zu kommen. Er ist sich ganz sicher!“<br />

„Wollt ihr mitlesen?“, fragte <strong>Dora</strong> Ted <strong>und</strong> <strong>Lily</strong>.<br />

Scott war nämlich noch immer damit beschäftigt, den Brief an seine<br />

Mutter zu senden. Die beiden nickten <strong>und</strong> setzten sich auf beide<br />

Seiten neben <strong>Dora</strong>, die den Brief in ihren Händen hielt. Schnell begannen<br />

sie die hastig geschriebenen Worte zu lesen.<br />

Hallo <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>!<br />

Geht s<strong>of</strong>ort ins Büro von Pr<strong>of</strong>essor Granger. Ich bin<br />

davon ausgegangen, <strong>das</strong>s ihr es ihr nicht erzählt habt<br />

<strong>und</strong> deswegen habe ich <strong>das</strong> übernommen. Seid mir nicht<br />

böse, aber ihr könnt ihr vertrauen. Sie wird nur ihr<br />

Bestes tun, um euch zu helfen.<br />

Doch macht euch keine Sorgen. Darüber, <strong>das</strong>s ihr diese<br />

Tagträume in Zaubereigeschichte verwendet habt, werde<br />

ich ihr nichts erzählen, denn <strong>das</strong> würde sie nur aufregen.<br />

Über die Horkruxe kann ich euch nicht mehr sagen, tut<br />

mir leid. Ich weiß selbst nicht, wie sie jemanden stärken<br />

können. Vielleicht weiß Pr<strong>of</strong>essor Granger mehr<br />

darüber.<br />

246


247<br />

Was die restlichen drei Horkruxe angeht, so kann ich<br />

wenigstens dafür garantieren, <strong>das</strong>s den beiden die<br />

Schlange nicht in die Hände fällt. Zufällig weiß ich<br />

nämlich wo sie ist <strong>und</strong> ich werde sie noch heute<br />

bekommen <strong>und</strong> sicher aufbewahren.<br />

Mit den anderen beiden werde ich mir alle Mühe geben,<br />

um sie ebenfalls sicher zu stellen, doch leider weiß ich<br />

nicht, wo sie sich befinden.<br />

Tut mir leid, <strong>das</strong>s ich euch keine positiveren Nachrichten<br />

übermitteln kann. Aber versprecht mir bitte, <strong>das</strong>s ihr<br />

euch vom verbotenen Wald fernhaltet. Geht nicht raus<br />

aufs Gelände, egal was passiert. Auch nicht zum Fliegen.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger wird sich eine Entschuldigung für<br />

euch überlegen.<br />

Passt auf euch auf <strong>und</strong> behaltet diese Eule wieder. Sie<br />

wird bei euch im Schlafsaal wohnen, da ihr die Eulerei<br />

nicht gefällt.<br />

<strong>Dora</strong> schrieb schnell in ein paar Sätzen zurück, <strong>das</strong>s sie mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit morgen früh schon <strong>das</strong> Medaillon haben würden,<br />

<strong>und</strong> schickte die Eule zurück.<br />

Dann standen die Zwillinge auf.<br />

„Wo geht ihr hin?“, fragte Scott, der eben auch seinen Brief an seine<br />

Mum abgeschickt hatte.<br />

„Zu Pr<strong>of</strong>essor Granger!“, antwortete <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> gab ihm den Brief<br />

des Unbekannten in die Hand, damit auch er ihn lesen konnte. „Wir<br />

erzählen euch dann alles!“<br />

Dann machten sie sich auf den Weg nach unten zu Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

Zweimal in zwei Tagen. Dass sie es so <strong>of</strong>t schaffen würden, ins<br />

Büro ihres Hauslehrers bestellt zu werden, hätten die beiden auch<br />

nicht geglaubt. (nd dann noch von jemandem, den sie nicht kannten!<br />

<strong>Lily</strong> klopfte an <strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>essor Granger rief sie s<strong>of</strong>ort herein. Sie<br />

hatte ihren Kopf auf die Hände gestützt <strong>und</strong> las einen Brief, von dem


<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> annahmen, <strong>das</strong>s es der war, von dem ihnen geschrieben<br />

worden war.<br />

Die beiden setzten sich, während ihre Lehrerin die Zeilen hastig<br />

überflog. Schließlich blickte sie auf. Es schien, als hätte sie Tränen<br />

in den Augen.<br />

„Ich dachte, es wäre vorbei“, meinte sie leise <strong>und</strong> schüttelte den<br />

Kopf.<br />

Eine kurze Pause trat ein, doch dann veränderte sich ihre Stimme<br />

<strong>und</strong> plötzlich klang sie wieder geschäftsmäßig ruhig.<br />

„Wenn so etwas passiert, dann sagt es mir bitte“, meinte sie.<br />

Die Zwillinge nickten.<br />

„Sie glauben es also?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ja, ich habe euch doch gestern gesagt, <strong>das</strong>s ihr euch darüber keine<br />

Sorgen machen müsst. Glaubt mir, zwar gab es bei eurem Dad einen<br />

Gr<strong>und</strong>, warum er viele außergewöhnliche Sachen gesehen oder erlebt<br />

hat, <strong>und</strong> bei euch sehe ich im Moment noch keinen, aber trotzdem<br />

habe ich in den Jahren, in denen ich mit ihm befre<strong>und</strong>et war,<br />

gelernt, <strong>das</strong>s nicht alles in Büchern steht, was man wissen <strong>und</strong> glauben<br />

muss, <strong>und</strong> wenn insbesondere ihr, als seine Töchter, zu mir<br />

kommt <strong>und</strong> mir irgendwelche noch so unglaublichen Geschichten<br />

erzählt, wo werde ich sie zumindest nachprüfen <strong>und</strong> mir nicht denken,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> nicht sein kann. Diese Sache hier ist dieselbe <strong>und</strong> ich<br />

brauche gar nicht zu überlegen, ob es einfach nur normale Träume<br />

gewesen sind. Wenn woher hättet ihr wissen sollen, <strong>das</strong>s ich gestern<br />

in die Heulende Hütte gegangen bin? Es wussten nämlich nur insgesamt<br />

fünf Leute davon <strong>und</strong> keiner von ihnen hätte euch etwas davon<br />

erzählt!“, meinte sie.<br />

Wieder nickten die Zwillinge. Es war einleuchtend, <strong>das</strong>s sie ihnen<br />

aufgr<strong>und</strong> dieser Tatsache glaubte.<br />

„Aber denkt darüber nicht weiter nach. Ich werde s<strong>of</strong>ort Pr<strong>of</strong>essor<br />

Longbottom <strong>und</strong> einige andere Lehrer <strong>und</strong> ein paar befre<strong>und</strong>ete Auroren<br />

damit beauftragen, den Wald zu durchsuchen, <strong>und</strong> wenn sie<br />

248


sich noch dort aufhalten, dann werden wir die beiden finden. Deshalb<br />

hattet ihr auch die Frage wegen den Horkruxen, stimmt’s?“<br />

„Ja“, antwortete <strong>Lily</strong>. „Wir wollten wissen, wo wir die finden können!“<br />

„Nun ja, ich schätze, die meisten, die noch auf dem Schulgelände<br />

waren, haben sie inzwischen. Das Tagebuch, den Ring <strong>und</strong> <strong>das</strong> Diadem!<br />

Nach diesem Ring habe ich den ganzen Wald durchsucht, denn<br />

euer Dad hat ihn einst dort gelassen, aber ich habe ihn niemals gef<strong>und</strong>en.<br />

Mich würde interessieren, wer ihn die ganzen Jahre über hatte,<br />

denn die Malfoys waren bis vor kurzem in Askaban. Ich schätze<br />

mal, <strong>das</strong>s diese Narzissa, von der ihr ihm geschrieben habt, Mrs.<br />

Malfoy war, oder?“<br />

Die Zwillinge nickten.<br />

„Wir glauben schon!“, antwortete <strong>Dora</strong>. „Haben Sie eigentlich<br />

schon mehr über den oder die herausgef<strong>und</strong>en, der uns diese Briefe<br />

schreibt?“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger schüttelte den Kopf <strong>und</strong> starrte aus dem Fenster.<br />

„Glaubt mir, wenn ich es wüsste, wäre ich mehr als glücklich darüber.<br />

Ich habe schon versucht, eine Eule hinter einem seiner oder<br />

ihrer Vögel herzuschicken, doch sie wurde abgehängt. Diese Person<br />

hat alles sorgfältig geplant, damit niemand ihre Identität herausfindet!“<br />

„Wir haben gehört, wie Lucius etwas von Sicherheitsmaßnahmen<br />

im Schloss erzählt hat, ohne die wir schon längst nicht mehr hier wären,<br />

<strong>und</strong> er meinte, <strong>das</strong>s Sie <strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>essor Longbottom diese errichtet<br />

hatten. Aber warum denn? Haben Sie etwas von dem Plan der<br />

Malfoys geahnt?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Wieder schüttelte die Lehrerin ihren Kopf.<br />

„Ihr müsst wissen, <strong>das</strong>s einige Lehrer hier ebenfalls mit dem Briefeschreiber<br />

in Verbindung stehen. Als Pr<strong>of</strong>essor Longbottom mir in<br />

der letzen Augustwoche erzählt hat, <strong>das</strong>s er einen Brief erhalten habe,<br />

in dem er darauf hingewiesen wurde, <strong>das</strong>s er s<strong>of</strong>ort damit beginnen<br />

sollte, Defensivzauber <strong>und</strong> –flüche zu unterrichten, dachte ich<br />

249


mir schon, <strong>das</strong>s irgendetwas nicht stimmt“, erzählte sie. „Ich habe<br />

ihn dann darum gebeten, <strong>das</strong> zu tun. Schaden kann es ja niemandem<br />

<strong>und</strong> er war sowieso von Anfang an der Meinung, <strong>das</strong>s Verteidigung<br />

gegen die dunklen Künste bis jetzt nie richtig unterrichtet wurde,<br />

<strong>und</strong> so hat er gleich damit begonnen. Noch am selben Tag, in dem<br />

dann der Artikel im Tagespropheten erschienen ist, habe auch ich<br />

einen Brief von ihm oder ihr bekommen. Ich wurde darauf hingewiesen,<br />

<strong>das</strong>s ihr nicht mehr in Sicherheit seid, hier in der Schule <strong>und</strong><br />

auch sonst nirgendwo <strong>und</strong> <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> ganze Schloss so gut wie<br />

möglich abriegeln solle, damit niemand hier reinkommt. Doch anscheinend<br />

haben sich die beiden noch am selben Tag auf dem<br />

Schlossgr<strong>und</strong> eingenistet <strong>und</strong> zumindest <strong>das</strong> Tagebuch gestohlen. Ich<br />

war zu langsam damit, <strong>das</strong> Schloss abzusichern.“<br />

Sie atmete tief durch.<br />

„Macht euch bitte keine Sorgen, euch wird nichts passieren, dafür<br />

sorge ich, auch wenn ich nicht weiß, womit wir es eigentlich zu tun<br />

haben! Ihr werdet erstmal im Schloss bleiben. Flugunterricht braucht<br />

ihr beiden sowieso nicht <strong>und</strong> Kräuterk<strong>und</strong>e ist ebenfalls entschuldigt.<br />

Ich erzähle Pr<strong>of</strong>essor Sprout schon irgendeine Geschichte, damit ihr<br />

nicht hinaus müsst. Ted <strong>und</strong> Scott, von denen ich annehme, <strong>das</strong>s sie<br />

davon wissen, werden ebenfalls <strong>das</strong> Schulgebäude nicht mehr verlassen.“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger fasste sich an den Kopf <strong>und</strong> überlegte.<br />

„Aber warum denn? Sie sind doch nicht in Gefahr, oder?“, fragte<br />

<strong>Lily</strong>.<br />

„Wahrscheinlich nicht, aber wie gesagt, ich weiß nicht, womit wir<br />

es zu tun haben. Euer Dad konnte früher manchmal in den Kopf von<br />

Lord Voldemort schauen <strong>und</strong> umgekehrt konnte dieser ihn schon fast<br />

kontrollieren. Wenn wir es wieder mit ihm zu tun haben, was ich<br />

aufgr<strong>und</strong> der Horkruxe vermute, dann wäre es möglich, <strong>das</strong>s er sich<br />

Zugang zu euren Gedanken verschaffen kann <strong>und</strong> schon weiß, <strong>das</strong>s<br />

die beiden etwas davon wissen. Das sind allerdings nur Möglichkeiten<br />

<strong>und</strong> ich weiß nicht, ob überhaupt etwas davon zutrifft. Vielleicht<br />

250


will Malfoy auch nur eine Sammlung der Horkruxe aufmachen. Allerdings<br />

ist <strong>das</strong> auch eher unwahrscheinlich, da er dadurch nicht<br />

stärker würde. Niemand weiß genügend über diese Objekte, um sagen<br />

zu können, welche Kräfte sie haben. Ich weiß nur sicher, <strong>das</strong>s<br />

euer Dad, sein bester Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> ich alle zerstört haben, <strong>und</strong> kann<br />

mir nicht vorstellen, <strong>das</strong>s sie in diesem Zustand noch jemandem nützen…“<br />

„Aber warum haben Sie sie zerstört? Waren sie gefährlich?“<br />

„Das ist nicht wichtig <strong>und</strong> ich werde euch zu diesem <strong>The</strong>ma auch<br />

nichts Weiteres sagen. Außerdem ist es sowieso egal, da sie kaputt<br />

sind, <strong>und</strong> nach meinem Wissen sind Horkruxe sowieso nur für etwas<br />

gut, wenn sie unversehrt sind. Also vergesst dieses <strong>The</strong>ma einfach!“<br />

Warum wollte den beiden niemand etwas darüber erzählen? Es waren<br />

doch nur normale Gegenstände, hinter denen die Malfoys her<br />

waren, <strong>und</strong> trotzdem schienen sich alle vor ihnen zu fürchten. Zumindest<br />

alle jene, die schon einmal etwas von diesen Gegenständen<br />

gehört hatten.<br />

Doch gefährlich schienen sie nicht zu sein. Scott hatte schließlich<br />

schon lange eines bei sich auf dem Dachboden deponiert <strong>und</strong> er war<br />

noch am Leben <strong>und</strong> es schien ihm auch gut zu gehen.<br />

„Und was sollen wir jetzt machen? Wir können doch nicht den<br />

ganzen Tag 'rumsitzen <strong>und</strong> nichts gegen die Malfoys machen, oder?“,<br />

fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger musterte sie mit hochgezogener Augenbraue.<br />

„Und ob ihr <strong>das</strong> könnt <strong>und</strong> genauso werdet ihr <strong>das</strong> auch machen.<br />

Wir kümmern uns darum. Auch wenn wir alle hier wissen, <strong>das</strong>s ihr<br />

beide außergewöhnliches Talent habt, wissen wir auch, <strong>das</strong>s ihr noch<br />

viel zu lernen habt, <strong>und</strong> ihr könntet es nicht mit ihnen aufnehmen.<br />

Das muss euch klar sein. Deshalb bitte ich euch, mir alles zu erzählen,<br />

was ihr erfahrt, <strong>und</strong> ich bitte euch auch darum, <strong>das</strong>s ihr nichts<br />

macht <strong>und</strong> auf keinen Fall <strong>das</strong> Gebäude verlasst. Hab ich mich klar<br />

ausgedrückt?“<br />

Plötzlich wirkte sie viel strenger als sonst.<br />

251


„Ja, verstanden“, meinten die beiden gleichzeitig.<br />

„Okay, dann dürft ihr jetzt gehen <strong>und</strong> Ted <strong>und</strong> Scott sagen, <strong>das</strong>s sie<br />

auf keinen Fall hinaus dürfen! Und bitte kommt s<strong>of</strong>ort zu mir, wenn<br />

ihr etwas erfahrt! Ich werde jetzt erstmal alles für die Durchsuchung<br />

des Waldes vorbereiten! Passt auf euch auf!“<br />

Die beiden nickten <strong>und</strong> gingen so schnell sie konnten wieder nach<br />

oben in den Gemeinschaftsraum.<br />

„Na toll, wie sollen wir es dann anstellen, <strong>das</strong>s wir an <strong>das</strong> letzte<br />

Horkrux kommen? Wir können es doch nicht einfach so irgendwo<br />

vor sich hin gammeln lassen, oder? Früher oder später wird Peeves<br />

es für die beiden auftreiben!“, meinte <strong>Lily</strong> sauer, als sie zurück durch<br />

<strong>das</strong> Portraitloch kletterten.<br />

Der Gemeinschaftsraum war jetzt komplett leer <strong>und</strong> düsteres, Licht<br />

fiel durch die großen Fenster herein. Die Lampe an der Decke war<br />

hell erleuchtet, obwohl es erst knapp vor dem Mittagessen war, doch<br />

die dichten Wolken draußen machten es der Sonne schier unmöglich,<br />

ihre Strahlen zur Erde zu schicken.<br />

„Und?“, fragte Ted.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> zuckten mit ihren Schultern.<br />

„Wir dürfen alle vier <strong>das</strong> Schloss nicht mehr verlassen. Nicht mal<br />

für Kräuterk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> für die Flugst<strong>und</strong>en!“, erklärte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> setzte<br />

sich mit verschränkten Armen auf einen Sessel.<br />

„Was?“, fragte Ted. „Das ist doch nicht ihr Ernst, oder?“<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Doch, ihr voller Ernst!“<br />

„Aber was haben wir damit zu tun? Ich meine, warum sollen auch<br />

wir hier drinnen bleiben? Niemand will Scott <strong>und</strong> mich umbringen,<br />

oder habe ich da etwas Wichtiges übersehen?“<br />

„Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht“, erklärte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong><br />

starrte zum Fenster hinaus in Richtung des verbotenen Waldes.<br />

Hagrid ging gerade aus seiner Hütte <strong>und</strong> direkt dorthin, wo die<br />

Malfoys vielleicht gerade auf ein Opfer warteten. Wenn irgendjemandem<br />

etwas passieren würde, dann wäre es die Schuld von ihr<br />

252


<strong>und</strong> <strong>Lily</strong>. Die beiden waren schließlich der Gr<strong>und</strong>, aus dem sich die<br />

Malfoys in der Nähe der Schule eingenistet hatten.<br />

„Aber Pr<strong>of</strong>essor Granger ist trotzdem der Meinung, <strong>das</strong>s es sicherer<br />

für euch beide ist, wenn auch ihr nicht mehr hinaus geht“, meinte<br />

<strong>Lily</strong>. „Sie sagt, <strong>das</strong>s sie auch nicht genau weiß, womit wir es zu tun<br />

haben <strong>und</strong> wir müssten auf alles gefasst sein. Oder besser: sie müsste<br />

auf alles gefasst sein, weil wir dürften ja, wenn es nach ihr ginge,<br />

nicht mal mehr aus unseren Schlafsälen!“<br />

„Und sie glaubt tatsächlich, <strong>das</strong>s wir uns auch daran halten?“, fragte<br />

Ted ungläubig.<br />

„Nein, ich schätze eher, <strong>das</strong>s sie h<strong>of</strong>ft, <strong>das</strong>s wir uns daran halten.<br />

Nicht mehr <strong>und</strong> nicht weniger!“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

Ted setzte ein breites Lächeln auf.<br />

„Wusste ich es doch, <strong>das</strong>s es hier nicht <strong>das</strong> ganze Jahr so langweilig<br />

sein wird. Gott sei Dank haben wir euch beide getr<strong>of</strong>fen, denn<br />

mit euch ist wenigstens was los hier!“<br />

„Haha, du bist ja so was von witzig, Ted!“, meinte <strong>Lily</strong> missgelaunt.<br />

Die Tatsache, <strong>das</strong>s sie hier darauf warten sollten, bis die Malfoys<br />

einen Weg in die Schule zu ihnen gef<strong>und</strong>en hatten, war für sie alles<br />

andere als eine willkommene Abwechslung.<br />

„Hey, wir schaffen <strong>das</strong> schon! Immerhin hat Scotty ja bei sich zu<br />

Hause eines der Horkruxe liegen <strong>und</strong> jetzt müssen wir nur noch <strong>das</strong><br />

letzte finden“, versuchte Ted sie aufzumuntern, was allerdings<br />

gründlich fehlschlug.<br />

„Hey, ich bin kein H<strong>und</strong> <strong>und</strong> habe auch keinen H<strong>und</strong>enamen!“,<br />

zischte Scott, doch die anderen ignorierten ihn.<br />

„Und wenn man dann noch die Tatsache berücksichtigt, <strong>das</strong>s die<br />

Malfoys Peeves haben <strong>und</strong> sich frei bewegen können <strong>und</strong> wir nicht<br />

hinaus dürfen, dann sieht auch alles mehr als rosig für uns aus!“,<br />

entgegnete sie.<br />

253


„Der Optimismus, wie er leibt <strong>und</strong> lebt“, murmelte Ted. „Also, an<br />

alle hier, die noch nicht aufgegeben haben: Habt ihr eine Ahnung,<br />

wo <strong>das</strong> letzte Horkrux sein könnte?“<br />

<strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Scott schüttelten ihre Köpfe.<br />

Inzwischen war es kurz vor Weihnachten. Pr<strong>of</strong>essor Granger erzählte<br />

den Zwillingen, <strong>das</strong>s sie alles Erdenkliche unternommen hatte, doch<br />

die Suche nach Lucius <strong>und</strong> Narzissa Malfoy war vergeblich gewesen.<br />

Sie mussten ihr Versteck gewechselt haben <strong>und</strong> waren jetzt auf<br />

keinen Fall mehr irgendwo auf den Schlossgründen. Auch im<br />

Schloss selbst konnten sie sich nicht aufhalten, da <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> die<br />

Karte des Rumtreibers alle paar Tage genau absuchten.<br />

Auch von Hufflepuffs Becher hatten die beiden nichts gehört, geschweige<br />

denn ihn in die Finger bekommen. Das einzig Positive war,<br />

<strong>das</strong>s Scotts Mum ihm <strong>das</strong> Medaillon s<strong>of</strong>ort geschickt hatte ohne groß<br />

nachzufragen, w<strong>of</strong>ür er es benötigte. Er trug es nun immer bei sich,<br />

da ihnen der Fremde in einem Brief geschrieben hatte, <strong>das</strong>s sie es nie<br />

aus den Augen lassen sollten. Ihm wäre es am liebsten gewesen,<br />

wenn er selbst darauf Acht geben könnte, doch er hatte noch keine<br />

Möglichkeit gef<strong>und</strong>en, wie sie es ihm übergeben konnten, denn ein<br />

Transport per Eule wäre zu riskant. Die Malfoys könnten den Vogel<br />

abfangen. Er hatte ihnen nur geraten, <strong>das</strong> Medaillon nie aus den Augen<br />

zu lassen <strong>und</strong> aus irgendeinem Gr<strong>und</strong> sollten sie auch Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger nichts davon erzählen, <strong>das</strong>s es im Besitz der vier war.<br />

Die Zeit schleppte sich nur so dahin. Vorher hatten sich die Mädchen<br />

<strong>und</strong> auch Ted <strong>und</strong> Scott immer auf die Flugst<strong>und</strong>en gefreut,<br />

doch in den letzten Wochen wollte man sie nicht mal in die Nähe<br />

von Besen lassen. Es sei zu ihrem eigenen Besten, hieß es nur immer,<br />

wenn sie fragten, ob sie nicht doch einmal raus dürften. Nicht<br />

mal zu Hagrid durften sie gehen, auch wenn dieser Pr<strong>of</strong>essor Granger<br />

versicherte, <strong>das</strong>s er sie abholen <strong>und</strong> zurückbringen würde.<br />

Harry verbrachte unterdessen fast jeden seiner freien Abende bei<br />

ihm, denn Hagrid schien lange auf jemanden gewartet zu haben, der<br />

254


die gleiche Vorliebe für gefährliche Tiere hatte. So erzählte Harry<br />

den Zwillingen bei jeder Gelegenheit von neuen, ihnen unbekannten<br />

Lebewesen, die überall auf der Erde verstreut lebten. Viele von ihnen<br />

sogar im verbotenen Wald.<br />

Zwar war bekannt, <strong>das</strong>s auch Harry ein Verwandter von Harry Potter<br />

war, aber Pr<strong>of</strong>essor Granger sah aus irgendeinem Gr<strong>und</strong> keine<br />

Notwendigkeit, auch ihn im Schloss einzusperren. Vermutlich, weil<br />

er keine Ahnung von den Träumen der Zwillinge hatte <strong>und</strong> somit<br />

keine Gefahr für die Malfoys darstellte. Allmählich hatten <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong>,<br />

Scott <strong>und</strong> Ted sogar die Vermutung, <strong>das</strong>s die Suche nach den<br />

beiden komplett aufgegeben worden war, denn die Versorgung mit<br />

Informationen über den Fortschritt der Verfolgung oder eben nicht<br />

hatte mit der Zeit fast komplett aufgehört. Jeder Tag, an dem sie<br />

nichts von Pr<strong>of</strong>essor Granger hörten, brachte ihnen diese Vermutung<br />

nur noch näher.<br />

Harry machte sich ebenfalls ziemlich gut in den Fächern, in denen<br />

Zauberei gefragt war, <strong>und</strong> seine anfänglichen Zweifel, <strong>das</strong>s er gar<br />

nicht zum Zaubern geschaffen war, waren schnell vergessen. Er war<br />

immer einer der ersten, die es schafften, irgendetwas richtig zu verwandeln.<br />

Mit Ausnahme der Zwillinge natürlich. Die beiden konnte<br />

niemand schlagen.<br />

In Zaubertränke waren sie zwar nicht zusammen in einer Gruppe,<br />

aber dennoch bekam er auf alle Aufsätze bessere Benotungen. Die<br />

einzigen Fächer, die er gar nicht beherrschte, waren Zaubereigeschichte<br />

<strong>und</strong> Kräuterk<strong>und</strong>e. Immer wenn er eine Hausaufgabe<br />

schreiben musste, kam er zu den Zwillingen <strong>und</strong> bat sie um deren<br />

Aufgaben, die die verzauberte Feder geschrieben hatte. Er bew<strong>und</strong>erte<br />

sie dafür, <strong>das</strong>s sie alles so genau mitschrieben, denn sie hatten<br />

ihm nichts davon erzählt, <strong>das</strong>s sie eine derartige Feder besaßen. Astronomie<br />

war ebenfalls keine seiner Stärken, genauso wenig wie von<br />

den Zwillingen. Sternbilder erkennen gehörte einfach nicht zu ihren<br />

Hobbys.<br />

255


Es freute die vier, <strong>das</strong>s die letzten beiden Flugst<strong>und</strong>en vor Weihnachten<br />

abgeblasen worden waren, weil es bei diesem Wetter zu gefährlich<br />

war, Erstklässler in die Luft zu lassen. Deshalb hatten sie<br />

drinnen im warmen Klassenzimmer <strong>The</strong>oriest<strong>und</strong>en über die Entwicklung<br />

von Besen <strong>und</strong> die Quidditch-Nationalmannschaften. So<br />

konnten die Zwillinge <strong>und</strong> ihre beiden Fre<strong>und</strong>e wenigstens daran<br />

teilnehmen, auch wenn es keine angemessene Entschädigung war.<br />

„Sagt mal, was haltet ihr davon, wenn wir Peeves mal einen Besuch<br />

abstatten?“, fragte Ted, als sie von der letzten Flugst<strong>und</strong>e im<br />

Klassenzimmer zurück zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors<br />

spazierten.<br />

„Was willst du ihn fragen?“, fragte Scott.<br />

„Na ja, es ist doch zum Verrücktwerden, <strong>das</strong>s wir hier gar nichts<br />

erfahren. Der ist so verzweifelt, <strong>das</strong>s er uns vielleicht sogar etwas<br />

sagt!“, meinte Ted.<br />

Die Zwillinge <strong>und</strong> Scott nickten.<br />

„Zu verlieren haben wir doch nichts, oder?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Also los, wo finden wir ihn?“, meinte <strong>Lily</strong>, sichtlich froh darüber,<br />

<strong>das</strong>s endlich einmal jemand etwas vorgeschlagen hatte, was sie unternehmen<br />

konnten.<br />

Die anderen drei überlegten.<br />

„Der hängt noch immer auffällig <strong>of</strong>t mit Barnabas rum“, stellte<br />

<strong>Dora</strong> schließlich fest. „Wir müssen doch auch mal Glück haben, oder?“<br />

Sie nickten <strong>und</strong> machten sich auf den Weg in den siebten Stock.<br />

Gerade, als sie die Treppe hochstiegen, wollte Peeves einen anderen<br />

Gang nehmen, doch sie sahen ihn noch rechtzeitig <strong>und</strong> Ted rief ihm<br />

hinterher.<br />

„Hey Peevsy“, schrie er <strong>und</strong> einige verw<strong>und</strong>erte Augenpaare wanden<br />

sich zu ihm.<br />

Das von Peeves war ebenfalls darunter.<br />

256


„Mach keine Witze mit ihm“, mahnte ihn <strong>Dora</strong>. „Er hat auch im<br />

Moment ein ziemlich schweres… ähm… eine ziemlich schwere Existenz<br />

hier im Schloss!“<br />

Ted verdrehte die Augen <strong>und</strong> die vier gingen auf den verdattert<br />

aussehenden Poltergeist zu.<br />

„Na, wie geht’s, alter Kumpel?“, fragte er grinsend.<br />

Peeves warf ihm einen finsteren Blick zu <strong>und</strong> wandte sich von den<br />

Vieren ab, um davon zu schweben.<br />

„Was machst du eigentlich immer hier?“, fragte Ted.<br />

„Ich?“, fragte Peeves <strong>und</strong> drehte sich wieder zurück. „Ich wüsste<br />

nicht, was dich <strong>das</strong> angeht!“<br />

Er zog sich seine Fliege enger um den Hals <strong>und</strong> machte ein ernst<br />

aussehendes <strong>und</strong> wichtigtuerisches Gesicht.<br />

„Hast du schon <strong>das</strong> Medaillon, die Schlange oder den Becher gef<strong>und</strong>en?“,<br />

fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Der Geist wandte seinen Blick von Ted ab <strong>und</strong> schaute plötzlich<br />

<strong>Lily</strong> an. Er schien kurz zu überlegen, was er am besten antworten<br />

sollte.<br />

„Wovon redest du?“, zischte er mit schmalen Lippen <strong>und</strong> zusammengezogenen<br />

Augenbrauen.<br />

„Ach, von gar nichts“, sagte <strong>Dora</strong> schnell. „Wir wollten dich nur<br />

mal fragen, was du immer hier treibst <strong>und</strong> warum du uns jetzt ignorierst,<br />

wo du doch am Anfang des Jahres soviel Spaß daran hattest,<br />

Lieder über uns zu singen!“<br />

„Das geht dich genauso wenig an wie den da!“, sagte Peeves zickig<br />

<strong>und</strong> deutete auf Ted.<br />

„Aber du hast keines dieser drei Dinge gef<strong>und</strong>en, oder?“, fragte<br />

dieser ihn.<br />

„Was wollt ihr von mir?“<br />

Plötzlich wirkte der Geist ziemlich aufgelöst.<br />

„Lasst mich doch in Ruhe. Wenn ich welche gef<strong>und</strong>en hätte, würde<br />

ich euch <strong>das</strong> auch nicht verraten. Das geht niemanden etwas an!“<br />

257


Er drehte sich ruckartig von den Vieren weg <strong>und</strong> schwebte seitlich<br />

ins nächste Klassenzimmer, dessen Tür <strong>of</strong>fen war. Da die vier hören<br />

konnten, <strong>das</strong>s darin Leute waren, konnten sie ihm unmöglich folgen<br />

<strong>und</strong> so blieb ihnen nicht anderes übrig, als es für den heutigen Tag<br />

bleiben zu lassen. Dennoch waren sie alle vier beruhigt.<br />

„Er hat den Hufflepuffbecher also nicht gef<strong>und</strong>en!“, meinte Ted<br />

triumphierend.<br />

„Nein, ganz sicher nicht, <strong>das</strong> hätten wir bemerkt! Der war zu deprimiert“,<br />

antwortete <strong>Lily</strong>, ebenfalls lächelnd.<br />

Scott blickte die beiden böse an, während sie der fetten Dame <strong>das</strong><br />

Passwort sagten <strong>und</strong> zurück in den Gemeinschaftsraum kletterten.<br />

„Tut der euch gar nicht leid?“, fragte er. „Er wird ermordet, wenn<br />

er ihnen diese Gegenstände nicht bringt. Die Malfoys waren nicht<br />

umsonst zehn Jahre lang in Askaban. Die machen keine Witze!“<br />

Doch Ted zuckte nur mit den Schultern.<br />

„Was ich bis jetzt über diesen Geist gehört habe, so hätte er es nur<br />

verdient!“, meinte er.<br />

„Aber weil wir hier in Gryffindor <strong>und</strong> nicht in Slytherin sind, sollten<br />

wir ihm eigentlich helfen, oder nicht?“, versuchte Scott weiterhin<br />

Peeves zu verteidigen.<br />

„Da hat er Recht“, meinte auch <strong>Dora</strong>.<br />

„Na ja, vielleicht irgendwann mal, wenn er netter zu uns wird“,<br />

gab Ted missmutig nach. „Ach, wie ist <strong>das</strong> jetzt eigentlich wegen<br />

Weihnachten?“<br />

Ted schaute <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> an. Die beiden hatten keine Ahnung,<br />

was er mit dieser plötzlichen Frage meinte.<br />

„Wir kommen die erste Woche zu euch <strong>und</strong> die zweite nach Hause!“,<br />

wiederholte <strong>Lily</strong> <strong>das</strong>, was sie schon so <strong>of</strong>t besprochen hatten.<br />

„Das war doch so ausgemacht!“<br />

„Ja, schon klar!“, meinte Ted. „Aber lässt Pr<strong>of</strong>essor Granger überhaupt<br />

jemanden von uns hier weg?“<br />

Die anderen drei schauten sich fragend an <strong>und</strong> überlegten. So, wie<br />

sie derzeit von der stellvertretenden Schulleiterin behandelt wurden,<br />

258


konnten sie sich gut vorstellen, die nächsten beiden Wochen im Gemeinschaftsraum<br />

verbringen zu müssen, weil nicht mal genug Leute<br />

im Schloss waren, um sie auf den Gängen vor möglicher Gefahr zu<br />

schützen. Wie würde es dann erst außerhalb der Schule oder gar bei<br />

Muggeln aussehen?<br />

„Also mein Dad hat gestern noch gesagt, <strong>das</strong>s wir über Weihnachten<br />

zu unseren Großeltern fahren <strong>und</strong> die beiden Wochen dort<br />

verbringen!“, sagte Scott schließlich. „Er nimmt mit mir gleich <strong>das</strong><br />

Flohnetzwerk von der Schule, zu ihr.“<br />

„Was, wenn Pr<strong>of</strong>essor Granger ihm gar nichts davon erzählt hat,<br />

<strong>das</strong>s sie uns hier einsperrt? Vielleicht weiß er gar nichts davon!“,<br />

meinte Ted.<br />

„Ach quatsch“, winkte Scott ab. „Der weiß von dieser Horkrux-<br />

Geschichte. Er will mir zwar nichts erzählen, aber er sagte, <strong>das</strong>s er es<br />

auch besser findet, <strong>das</strong>s wir erstmal im Haus bleiben. Das heißt, sie<br />

müsste ihm alles erzählt haben, außer <strong>das</strong>s sie uns zu Weihnachten<br />

hier lassen will, <strong>und</strong> <strong>das</strong> glaube ich nicht. Die lassen sich schon was<br />

einfallen. Wir waren über Weihnachten noch nie unterwegs, sondern<br />

immer zu Hause. Ich denke, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> kein Zufall ist. Dad will mich<br />

nicht dort haben, wo jeder mich vermutet!“<br />

Die anderen drei nickten. Es stimmte allerdings, <strong>das</strong>s es komisch<br />

gewesen wäre, wenn Pr<strong>of</strong>essor Granger Scotts Dad alles erzählt hätte,<br />

nur nicht, <strong>das</strong>s sein Sohn zu Weihnachten besser in der Schule<br />

bleiben sollte. Außerdem war sie wahrscheinlich selbst auch nicht<br />

anwesend, wie die meisten anderen Lehrer.<br />

„Dann h<strong>of</strong>fen wir mal, <strong>das</strong>s sie uns anderen dreien auch unsere<br />

Freiheit lässt!“, meinte <strong>Lily</strong>. „Könnte ja sein, <strong>das</strong>s du so was wie einen<br />

Lehrer-Sohn-Bonus bekommst!“<br />

Doch Scott schüttelte den Kopf.<br />

„Nein, <strong>das</strong> glaube ich nicht“, antwortete er. „Die lässt sich schon<br />

was einfallen. Wollt ihr sie nicht mal fragen gehen? Immerhin reisen<br />

wir übermorgen früh ab!“<br />

259


Die Zwillinge, welche es sich gerade vor dem Kamin gemütlich<br />

gemacht hatten, standen wieder auf <strong>und</strong> nickten.<br />

„Dann werden wir <strong>das</strong> wohl mal machen“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger kam gerade aus ihrem Büro, als die vor ihrer<br />

Tür ankamen. Sie schaute sie fragend an.<br />

„Wolltet ihr zu mir?“, wollte sie von den beiden wissen.<br />

Sie nickten.<br />

„Ja, wir wollten Sie fragen, ob wir über Weihnachten zu den<br />

Weasleys <strong>und</strong> danach nach Hause dürfen!“, fragten sie.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger begann zu lächeln.<br />

„Aber sicher, ich kann euch ja schlecht hier einsperren!“, meinte<br />

sie <strong>und</strong> die Zwillinge atmeten erleichtert aus. „Allerdings dürft ihr<br />

die Gr<strong>und</strong>stücke der Häuser nicht verlassen. Ich wollte mich gerade<br />

auf den Weg zu den Weasleys machen. Wir werden nämlich ein paar<br />

Schutzmaßnahmen ergreifen. Mit eurem Onkel ist bereits alles abgesprochen.<br />

Er hat ebenfalls nichts dagegen, wenn wir ein paar Zaubersprüche<br />

<strong>und</strong> Flüche aussprechen, damit niemand hineinkommt.<br />

Aber darüber macht euch keine Sorgen. Ich kenne einige Auroren,<br />

die froh sind, wenn sie wieder mal ein paar Flüche aussprechen dürfen,<br />

<strong>und</strong> die werden auch während der Ferien anwesend sein! Also<br />

bringt euch in Weihnachtsstimmung <strong>und</strong> packt alles zusammen, was<br />

ihr mitnehmen wollt.“<br />

„Danke!“, meinten die Zwillinge gleichzeitig <strong>und</strong> sie wollten gerade<br />

gehen, als Pr<strong>of</strong>essor Granger sie zurückrief.<br />

„Wartet noch, ich habe etwas vergessen. Ihr beide <strong>und</strong> Ted werdet<br />

nicht wie üblich mit dem Hogwarts-Express zurück nach King’s<br />

Cross fahren, sondern ihr werdet <strong>das</strong> Flohnetzwerk benutzen <strong>und</strong><br />

schon morgen Abend abreisen. Wir verwenden den Kamin im Büro<br />

von Pr<strong>of</strong>essor Longbottom. Bitte sagt auch Ted, <strong>das</strong>s er morgen<br />

gleich nach dem Abendessen seine Sachen holen <strong>und</strong> dorthin kommen<br />

soll, einverstanden?“<br />

„Machen wir“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

260


„So, aber jetzt muss ich erstmal los. Es muss noch so einiges vorbereitet<br />

werden bis morgen!“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger winkte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> noch zu, bevor sie über<br />

eine Treppe am Ende des Flures verschwand.<br />

„Na toll, jetzt haben wir auch noch Auroren am Hals während der<br />

Ferien“, stöhnte <strong>Lily</strong>. „Unsere eigene Leibgarde für die Weihnachtsferien<br />

<strong>und</strong> komplettes Ausgehverbot. Ich frage mich, wie die uns<br />

dann vom Haus der Weasleys zu uns nach Hause bringen wollen.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger erlaubt uns doch sicher nicht, mit der Bahn zu<br />

fahren…“<br />

<strong>Dora</strong> schüttelte wild ihren Kopf.<br />

„Nein, ganz sicher nicht. Aber ist nicht <strong>das</strong> Flohnetzwerk <strong>das</strong> mit<br />

den Kaminen? Vielleicht schicken die uns ja über den Kamin nach<br />

Hause!“, grinste sie.<br />

Bei diesem Gedanken musste auch <strong>Lily</strong> lachen. Sie dachte an <strong>das</strong><br />

Gesicht von Onkel Dudley <strong>und</strong> Tante Emily, wenn sie plötzlich wie<br />

aus dem Nichts, kohlschwarz <strong>und</strong> staubig im Kamin auftauchten.<br />

„Nein!“, sagten sie dann beide gleichzeitig.<br />

Vor allem Ted war ziemlich glücklich über die Neuigkeit, <strong>das</strong>s er<br />

Weihnachten nicht in der Schule verbringen musste, <strong>und</strong> noch mehr<br />

darüber, <strong>das</strong>s er schon einen halben Tag vor seinen Mitschülern abreisen<br />

durfte.<br />

„Aber dafür haben wir Auroren <strong>und</strong> wir dürfen <strong>das</strong> Haus nicht verlassen!“,<br />

wollte <strong>Lily</strong> ihn zurück aus seinem Freudentanz holen, doch<br />

er ließ sich nicht beirren.<br />

„Ihr dürft vielleicht nicht raus, aber die kriegen es mit meiner Oma<br />

zu tun, wenn die uns nicht am vier<strong>und</strong>zwanzigsten Dezember wegfahren<br />

lassen“, meinte er. „An diesem Tag fahren wir nämlich jedes<br />

Jahr am Morgen gemeinsam weg <strong>und</strong> kommen irgendwann in der<br />

Nacht zurück. Meine Grandma regelt <strong>das</strong> schon!“<br />

„Dann viel Glück“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Da darf sie sich aber lange mit Pr<strong>of</strong>essor Granger zusammensetzen“,<br />

stimmte auch <strong>Lily</strong> ihrer Schwester zu. „Jetzt, nachdem wir mit<br />

261


ihr gesprochen haben, finde ich es noch ungewöhnlicher, <strong>das</strong>s sie<br />

uns überhaupt aus der Schule lässt. Ich finde ihr Verhalten etwas zu<br />

übervorsichtig. Wir haben ihr doch gesagt, <strong>das</strong>s Lucius oder sein<br />

Helfer nicht stark genug ist, um uns anzugreifen, wenn er nicht mehr<br />

dieser Dinge findet!“<br />

Doch Ted zuckte gelassen mit seinen Schultern.<br />

„Die gibt schon nach“, meinte er nur. „Sie kennt meine Grandma<br />

schon lang genug, um zu wissen, was gut für sie ist!“<br />

„Na toll, <strong>das</strong> heißt dann, <strong>das</strong>s ich alleine bei meinen Großeltern<br />

<strong>und</strong> meinen Eltern sitzen darf, während ihr drei euren Spaß habt!“,<br />

murmelte Scott <strong>und</strong> legte seine Stirn in Falten, während er seine freien<br />

Tage zu überdenken schien.<br />

„So in etwa“, meinte Ted. „Zumindest wenn du annimmst, <strong>das</strong>s<br />

man mit denen beiden da Spaß haben kann.“<br />

Er grinste den Zwillingen selbstsicher zu. <strong>Lily</strong> schnitt eine Grimasse.<br />

„Die Frage ist hier, mit wem man keinen Spaß haben kann!“<br />

Sie diskutierten noch eine Zeit lang weiter über die bevorstehenden<br />

Weihnachtsferien, bevor sie ihre Aufsätze über die Herstellung der<br />

ersten Besen zu schreiben begannen. Über zwei St<strong>und</strong>en saßen sie<br />

daran, da Madam Hooch für je zwei der Schüler nur ein Buch hatte<br />

<strong>und</strong> sie sich darum streiten mussten, wer es als nächstes haben konnte.<br />

<strong>The</strong>oriest<strong>und</strong>en in diesem Fach hatten also auch ihre Nachteile.<br />

Madam Hooch schien nämlich darauf gekommen zu sein, was den<br />

anderen Lehrern so am Stellen der Hausaufgaben gefiel, so<strong>das</strong>s sie<br />

es jetzt auch selbst machte.<br />

262


263<br />

Ein ZW als Weihnachtsgeschenk<br />

„Schöne Ferien, Kumpel“, meinte Ted zu Scott, als er gemeinsam<br />

mit <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> durch <strong>das</strong> Portraitloch kletterte.<br />

Der Gemeinschaftsraum war voll mit Schülern, die den Zwillingen<br />

zuwinkten <strong>und</strong> ihnen schöne Ferien wünschten. Die meisten waren<br />

aber einfach nur verw<strong>und</strong>ert, warum die drei Erstklässler schon einen<br />

Tag früher abreisen durften, doch der einzige, der sich zu fragen<br />

getraut hatte, war Jeff <strong>und</strong> dem hatten sie nur gesagt, <strong>das</strong>s ihre Großeltern<br />

mit ihnen schon früh am Morgen des nächsten Tages in Urlaub<br />

fahren wollten.<br />

Scott winkte den dreien noch nach, dann schloss sich <strong>das</strong> Loch<br />

wieder <strong>und</strong> <strong>das</strong> Portrait der fetten Dame, die anscheinend aufgr<strong>und</strong><br />

der Feiertage eine weitere fette Dame zu sich eingeladen hatte, versperrte<br />

Ihnen die Sicht. Die beiden Frauen hatten große goldene Becher<br />

in ihren Händen <strong>und</strong> waren seltsam rot im Gesicht. Die Tatsache,<br />

<strong>das</strong>s sie lautstark Weihnachtslieder sangen, bestärkte die Zwillinge<br />

nur in dem Verdacht, <strong>das</strong>s die beiden alle sechs Weinflaschen,<br />

die im Bild lagen, alleine getrunken hatten.<br />

Ted schaute die beiden ungläubig an, kratzte sich ziemlich auffällig<br />

am Kopf <strong>und</strong> wandte sich dann ab.<br />

„Kommt, sonst schickt die Granger noch ein paar Auroren hier<br />

rauf, weil sie glaubt, <strong>das</strong>s man uns entführt hat!“, meinte er.<br />

Die Zwillinge drehten sich ebenfalls vom Portrait weg <strong>und</strong> nickten.<br />

„Nein, die stehen schon um euer Haus versammelt, da bin ich mir<br />

sicher“, entgegnete <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> verdrehte die Augen. „Frohe Weihnachten<br />

sag' ich da nur!“<br />

„Ja, frohe Weihnachten… <strong>und</strong> <strong>das</strong> alles nur wegen euch“, grinste<br />

Ted.<br />

„Tu nicht so, als ob dir <strong>das</strong> Ganze nicht gefallen würde“, meinte<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> Ted zuckte mit den Schultern, als sie mit ihren K<strong>of</strong>fern die<br />

Treppe hinunter kletterten.


Von allen Wänden wurden ihnen Weihnachtsgrüße nachgerufen.<br />

So gut gelaunt hatten die Mädchen <strong>und</strong> Ted die Bilder noch nie erlebt.<br />

Jedes Einzelne war weihnachtlich geschmückt. Ein paar Trolle<br />

schmückten einen Weihnachtsbaum, der auch nicht viel hübscher zu<br />

werden schien, als sie selbst waren, <strong>und</strong> ein Einhorn hatte eine<br />

Christbaumspitze an seinem Horn, als es ihnen glücklich entgegen<br />

wieherte.<br />

„Also, diese Bilder werde ich in der Woche bei uns daheim ziemlich<br />

vermissen“, meinte <strong>Dora</strong> lächelnd, während sie einen Zwerg dabei<br />

beobachtete, wie er ins Bild der Trolle schlich, um eine<br />

Christbaumkugel zu stehlen.<br />

Diese waren aber zu sehr mit ihrem Meisterwerk beschäftigt <strong>und</strong><br />

bemerkten ihn nicht. Im Nachbarbild führte er einen Siegestanz auf,<br />

bei dem ihm die Kugel auf den Boden fiel <strong>und</strong> zerbrach. Dann<br />

schmollte er kurz, bevor er sich die nächste Kugel stahl.<br />

„Ach ja, Muggelbilder sind ja so schön unbeweglich“, sagte Ted<br />

<strong>und</strong> schüttelte den Kopf. „Diese Menschen sind so was von langweilig.<br />

Ich versteh überhaupt nicht, wie Muggel leben können!“<br />

„Die schaffen <strong>das</strong> besser, als du glaubst“, meinte <strong>Lily</strong>. „Uns hat<br />

zumindest nie etwas gefehlt, als wir noch nichts von Zauberern<br />

wussten. Jetzt ist <strong>das</strong> natürlich schon ein wenig anders! Ohne Zauberei<br />

könnte ich mir <strong>das</strong> Leben jetzt schon nicht mehr vorstellen! Wo<br />

wir gerade davon reden: Locomotor K<strong>of</strong>fer!“<br />

<strong>Lily</strong> hatte ihren Zauberstab hervorgezogen <strong>und</strong> ihn auf den K<strong>of</strong>fer<br />

gerichtet, welcher jetzt mühelos vor ihr her schwebte. <strong>Dora</strong> machte<br />

es ihrer Schwester nach, nur Ted mühte sich lieber weiter ohne Zauberkraft<br />

die Stufen hinunter. Inzwischen hatte er kapiert, <strong>das</strong>s er gar<br />

nicht zu versuchen brauchte, den Zwillingen in Sachen Zauberei etwas<br />

nachzumachen, denn <strong>das</strong> ging sowieso immer schief.<br />

„Ach, da seid ihr ja schon!“, hörten die drei plötzlich eine Stimme<br />

hinter sich.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger kam lächelnd zu ihnen geeilt <strong>und</strong> führte denselben<br />

Zauberspruch bei Teds K<strong>of</strong>fer aus, den eben die Zwillinge an-<br />

264


gewendet hatten. Der Junge nickte ihr dankbar zu <strong>und</strong> streckte sich<br />

erst einmal, nachdem er von dieser Last befreit worden war.<br />

„Ich war gerade auf dem Weg nach unten in Pr<strong>of</strong>essor Longbottoms<br />

Büro. Er wartet bereits!“, informierte die Lehrerin die drei Kinder.<br />

Sie nickten <strong>und</strong> folgten ihr schweigend nach unten, wo ihr Lehrer<br />

für Verteidigung gegen die dunklen Künste bereits in der Tür auf sie<br />

wartete.<br />

„Die Verbindung zum Haus der Weasleys wurde genehmigt“, sagte<br />

er zu Pr<strong>of</strong>essor Granger, bevor er den Zwillingen zuzwinkerte.<br />

„Sehr gut, dann müssen wir <strong>das</strong> nicht mal illegal machen!“, antwortete<br />

sie. „Und die Auroren?“<br />

„…sind froh, <strong>das</strong>s sie mal was Vernünftiges zu tun bekommen. Gute<br />

Idee, beim Zaubereiministerium fünf von ihnen zu bestellen <strong>und</strong><br />

zu sagen, du bräuchtest sie für einen Transport von trolligen Torfschnüfflern<br />

für Hagrid. Die sind so froh, endlich mal jemanden beschützen<br />

zu können, <strong>das</strong>s sie sich gar nicht dafür interessieren, wovor<br />

eigentlich!“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger lachte.<br />

„Dachte ich mir schon! Das letzte Mal, als ich mit Dean <strong>und</strong> Cho<br />

gesprochen habe, meinten die beiden, <strong>das</strong>s sie gerade aus einem Frisiersalon<br />

kämen. War natürlich ein riesiges Desaster, vor allem für<br />

die K<strong>und</strong>en!“<br />

„Cho Chang?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

Als sie den Namen Cho hörte, musste sie unwillkürlich an ihren<br />

Besuch bei Madame Malkins denken. Also gab es schon zwei Sachen,<br />

die Ms. Chang nicht wirklich konnte. Nämlich Schneidern <strong>und</strong><br />

Haareschneiden. Aber <strong>das</strong> gehörte vermutlich auch nicht zur Ausbildung,<br />

geschweige denn zu den Interessen eines Aurors.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger nickte.<br />

„Kennst du sie?“, fragte sie.<br />

„Ja, wir haben sie bei Madame Malkins getr<strong>of</strong>fen! Sie schien ganz<br />

nett zu sein, aber ziemlich genervt von ihrem Job!“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

265


Ihre Lehrerin nickte wieder.<br />

„Ist sie auch eine von denen, die auf uns aufpassen sollen?“, fragte<br />

<strong>Lily</strong>.<br />

„Ja, sie wird die zweite Woche bei euch sein, also im Ligusterweg!<br />

Stellt jetzt eure K<strong>of</strong>fer dahin, die werden Pr<strong>of</strong>essor Longbottom <strong>und</strong><br />

ich nachbringen, damit ihr nicht mehr daran denken müsst. Ihr habt<br />

noch nie Flohpulver benutzt, schätze ich mal!“<br />

Die Zwillinge schüttelten den Kopf.<br />

„Ich schon“, meinte Ted.<br />

„Ja, du wohnst bei den Weasleys, da ist mir <strong>das</strong> klar! Du darfst es<br />

den beiden vormachen!“<br />

Ted grinste zufrieden, da er den Zwillingen endlich etwas voraushatte.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Longbottom hielt ihm eine kleine Schüssel hin. Die<br />

Zwillinge konnten noch nicht sehen, was sich darin befand, doch<br />

Ted griff zielsicher hinein.<br />

„Darf ich?“, fragte er <strong>und</strong> als die beiden Lehrer nickten, trat Ted<br />

näher an den großen Kamin <strong>und</strong> warf <strong>das</strong> Pulver, welches er sich gerade<br />

eben aus der Schüssel genommen hatte, in die Flammen.<br />

Augenblicklich färbten sich diese grün <strong>und</strong> die Zwillinge staunten<br />

nicht schlecht, als er einfach so ins Feuer trat <strong>und</strong> es aussah, als würde<br />

er die Flammen gar nicht spüren. Auch seine Kleider bekamen<br />

nichts ab.<br />

„Fuchsbau“, sagte Ted laut <strong>und</strong> schon einige wenige Augenblicke<br />

später waren die Flammen wieder rot <strong>und</strong> Ted verschw<strong>und</strong>en.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> machten große Augen, während Pr<strong>of</strong>essor Granger<br />

nur lächelte.<br />

„Ihr braucht nur etwas Flohpulver ins Feuer zu streuen, bevor ihr<br />

den Kamin betretet, <strong>und</strong> dann sagt ihr laut <strong>und</strong> deutlich ‚Fuchsbau’!“,<br />

erklärte Pr<strong>of</strong>essor Longbottom, welcher ebenfalls mit einem<br />

Lächeln auf den Lippen die Zwillinge beobachtete.<br />

„Und sagt es wirklich deutlich. Euer Dad ist mal in einer ziemlich<br />

unschönen Gegend angekommen, nur weil er etwas zu viel Asche in<br />

den M<strong>und</strong> bekommen hat!“, meinte die Lehrerin.<br />

266


Augenblicklich legte sich ein Schleier von Traurigkeit über Pr<strong>of</strong>essor<br />

Grangers Lächeln <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> ging schnell auf ihren Lehrer zu, um<br />

sich ein wenig von dem Pulver zu nehmen, damit sie nicht mehr über<br />

ihren Vater hören musste. Noch immer war es einfacher für beide,<br />

wenn sie nichts über ihre Eltern hören mussten. Es interessierte sie<br />

schon sehr, aber immer wenn sie daran dachten oder darüber redeten,<br />

wurden sie vor eine Tatsache gestellt. Nämlich die, <strong>das</strong>s beide Eltern<br />

tot waren. Was hatte es also für einen Sinn, über sie zu reden? Es tat<br />

nur weh.<br />

„Zum ‚Fuchsbau’?“, fragte <strong>Lily</strong> schnell <strong>und</strong> als die Lehrer nickten,<br />

trat sie an den Kamin. „Warum wollen wir in einen Fuchsbau?“<br />

<strong>Dora</strong> zuckte mit den Schultern, während Pr<strong>of</strong>essor Longbottom es<br />

zu erklären begann.<br />

„So wird <strong>das</strong> Haus der Weasleys genannt. Keine Sorge, ihr landet<br />

nicht irgendwo im Wald!“, meinte er.<br />

<strong>Lily</strong> deutete ihm, <strong>das</strong>s sie verstand, <strong>und</strong> obwohl ihr nicht ganz wohl<br />

bei der Sache war, warf sie <strong>das</strong> leicht grünliche Pulver in den Kamin<br />

<strong>und</strong> wartete kurz. Schon wenige Momente später war die Feuerstelle<br />

voll von grünen Flammen <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> nahm all ihren Mut zusammen<br />

<strong>und</strong> trat hinein.<br />

Sie erschrak fast. Das Feuer war wirklich überhaupt nicht heiß,<br />

sondern es war angenehm warm. <strong>Lily</strong> sah <strong>Dora</strong> noch einmal hilfesuchend<br />

an, bevor sie laut „Fuchsbau“ sagte.<br />

Sie konnte gerade noch <strong>Dora</strong>s ängstlichen Gesichtsausdruck sehen<br />

<strong>und</strong> schon war der Boden unter ihren Füßen verschw<strong>und</strong>en. Obwohl<br />

sie merkte, <strong>das</strong>s sie sich nicht von selbst bewegte, schwirrten h<strong>und</strong>erte<br />

von Kaminen am ihren Augen vorbei.<br />

Sie hatte mit dem Schwindel zu kämpfen, so schnell drehten sich<br />

die Lichter, die von den hell erleuchtenden Zimmern außerhalb der<br />

Kamine zu kommen schienen.<br />

Doch <strong>das</strong> Ganze kam <strong>Lily</strong> länger vor als es eigentlich war, denn<br />

schon kurze Zeit später stand sie plötzlich wieder sicher am Boden<br />

<strong>und</strong> trat schnell aus dem Kamin, als sie Ted erkennen konnte.<br />

267


Noch etwas schwindlig <strong>und</strong> unsicher auf den Beinen trat sie neben<br />

ihn. Andere Personen waren ihr in der Hektik noch gar nicht aufgefallen,<br />

doch noch bevor sie mehr als zwei Schritte aus dem Kamin<br />

gemacht hatte, spürte sie, wie sie von zwei Armen umschlungen<br />

wurde.<br />

Mrs. Weasley war auf sie zugestürzt <strong>und</strong> hatte sie s<strong>of</strong>ort in ihre<br />

Arme geschlossen. <strong>Lily</strong> musste regelrecht um Luft kämpfen, doch<br />

ihre Großmutter hatte keine Zeit, um sie zu zerquetschen, denn<br />

schon ließ sie los <strong>und</strong> rannte auf <strong>Dora</strong> zu, die hinter <strong>Lily</strong> aus dem<br />

Kamin gewackelt kam.<br />

Ted hatte ein Grinsen auf den Lippen <strong>und</strong> formte lautlos die Worte<br />

„Ha ha!“ <strong>Lily</strong> verdrehte die Augen <strong>und</strong> wandte sich von ihm ab. Erst<br />

jetzt merkte sie, wie viele Leute in dem kleinen Raum standen.<br />

S<strong>of</strong>ort erkannte sie Mr. Weasley wieder, der ihr freudig zuwinkte<br />

<strong>und</strong> dann auf sie zukam <strong>und</strong> ihr die Hand reichte. Hinter ihr kamen<br />

jetzt auch noch Pr<strong>of</strong>essor Granger <strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>essor Longbottom aus<br />

dem Kamin <strong>und</strong> allmählich wurde es richtig eng im Raum.<br />

„Hallo, freut mich, <strong>das</strong>s ihr hier seid!“, sagte ihr Großvater zu den<br />

Zwillingen.<br />

Nach ihm begrüßte sie noch ein lächelnder Mann, der noch roteres<br />

Haar hatte als Mr. Weasleys. Dessen Haare waren nämlich inzwischen<br />

ein wenig angegraut. Dieser Mann stellte sich mit „Percy<br />

Weasley“ vor <strong>und</strong> gab an, <strong>das</strong>s er Stellvertretender Zaubereiminister<br />

<strong>und</strong> ganz nebenbei noch ein Onkel der Zwillinge war. Nach ihm kam<br />

ein Charlie, ebenfalls ein Onkel, <strong>und</strong> als Letztes George, der die beiden<br />

mit einem breiten Lächeln begrüßte.<br />

Außer ihnen winkte den beiden noch eine ältere Frau von einem<br />

Stuhl am Tisch zu, von der die Zwillinge annahmen, <strong>das</strong>s es sich um<br />

Teds Großmutter handelte. Neben ihr saß eine junge Frau, die sich<br />

mit dem Namen Conny vorstellte <strong>und</strong> Charlies Frau war, soweit die<br />

Zwillinge <strong>das</strong> alles in der kurzen Zeit <strong>und</strong> durch all den Lärm hindurch<br />

mitbekommen konnten.<br />

268


„So, <strong>und</strong> jetzt alle hinaus! Hinaus, hinaus!“, schrie Mrs. Weasley<br />

plötzlich <strong>und</strong> der gesamte Lärm verstummte augenblicklich <strong>und</strong> alle<br />

wandten sich s<strong>of</strong>ort der Tür zu.<br />

Auch die Zwillinge <strong>und</strong> Ted wollten sich umdrehen <strong>und</strong> hinausgehen,<br />

doch Mrs. Weasley hielt sie zurück.<br />

„Ihr doch nicht“, lächelte sie. „Ihr habt eine weite Reise hinter euch<br />

<strong>und</strong> ihr habt sicher Hunger!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> dachten an <strong>das</strong> großartige Abendessen, <strong>das</strong> sie noch<br />

vor einer halben St<strong>und</strong>e gierig verschlungen hatten, <strong>und</strong> konnten sich<br />

nicht vorstellen, wie sie noch etwas in ihren Magen bekommen sollten,<br />

doch ihre Großmutter war schneller <strong>und</strong> mit einem geschickten<br />

Schwenker mit ihrem Zauberstab war der Tisch vollkommen bedeckt<br />

mit köstlich aussehenden Speisen <strong>und</strong> drei Tellern.<br />

„Setzt euch, setzt euch“, meinte sie mit Tränen in den Augen. „Genau<br />

wie euer Vater. Ihr seht aus, als würdet ihr mir gleich auf der<br />

Stelle verhungern!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> sahen sich an <strong>und</strong> zuckten mit den Schultern. Dann<br />

kletterten sie hinter Ted an den Tisch. Er setzte sich neben seine<br />

Großmutter <strong>und</strong> begann mit ihr zu sprechen.<br />

„Ihr glaubt ja gar nicht, wie sehr wir uns freuen!“, fuhr sie fort <strong>und</strong><br />

wuselte um den Tisch herum, um jedem der drei Kinder etwas von<br />

ihrem Essen zu geben.<br />

Ted langte gleich auch selbst kräftig zu.<br />

„Wir uns auch“, sagte <strong>Dora</strong>, während sie mit großen Augen ihren<br />

Teller anstarrte, welcher sich wie von alleine immer mehr füllte.<br />

Mrs. Weasley strahlte den Zwillingen noch mal zu, dann ging sie<br />

zum Kamin, um noch mehr Holz in <strong>das</strong> Feuer zu legen, welches sowieso<br />

schon viel zu heiß brannte <strong>und</strong> den kleinen Raum schon fast<br />

stickig machte.<br />

Die Mädchen schauten sich um <strong>und</strong> bemerkten, <strong>das</strong>s die Möbel<br />

ziemlich alt sein mussten. Überhaupt schien die ganze Einrichtung<br />

schon bessere Tage erlebt zu haben, denn alles wies grobe Spuren<br />

von Gewalteinwirkung auf.<br />

269


Ecken von den Tischen waren abgeschlagen, tiefe Furchen hatten<br />

sich auf der Tischplatte gebildet <strong>und</strong> einige Sesselbeine waren abgebrochen<br />

<strong>und</strong> einfach mit einem weiteren Holzstück wieder repariert<br />

worden.<br />

Doch auf der anderen Seite hatten <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> noch nie ein Haus<br />

gesehen, in dem man sich gleich so gut zu Hause fühlen konnte, wie<br />

in diesem. Sie wussten nicht, woran es lag, doch es gefiel ihnen auf<br />

Anhieb.<br />

„Oma, hast du schon mit Pr<strong>of</strong>essor Granger geredet, wegen dem<br />

vier<strong>und</strong>zwanzigsten?“, fragte Ted seine Großmutter, als er einen<br />

großen Bissen hinuntergeschluckt hatte.<br />

Die Zwillinge wussten noch immer keine Möglichkeit, um auch<br />

nur ansatzweise aufessen zu können. Sie kauten minutenlang am selben<br />

Bissen des köstlichen Essens herum <strong>und</strong> schauten aufmerksam<br />

um sich.<br />

„Ihr wird nichts anderes übrig bleiben“, meinte die alte Frau.<br />

Ted nickte <strong>und</strong> stopfte sich einen weiteren Bissen in den M<strong>und</strong>.<br />

Den ganzen Abend lang mussten die Zwillinge Antworten auf die<br />

verschiedensten Fragen geben <strong>und</strong> immer wieder von vorne erzählen,<br />

wie es ihnen in der Schule denn gefiel <strong>und</strong> wie sie sich anstellten.<br />

Die beiden erwähnten dann meistens ihre mittelmäßigen Erfolge<br />

in den Fächern, in denen sie nicht zaubern mussten, statt ihrer außergewöhnlichen<br />

Leistungen, über die vermutlich sowieso alle schon<br />

längst Bescheid wussten.<br />

Mrs. Weasley stand nicht einmal vom Tisch auf <strong>und</strong> hörte sich jede<br />

Geschichte auch noch zum elften oder zum zwölften Mal an, während<br />

sich die anderen Leute um den Tisch abwechselten.<br />

Es war schon fast Mitternacht, als sich die beiden Pr<strong>of</strong>essoren wieder<br />

verabschiedeten. Sie hatten die meiste Zeit bei George gestanden<br />

oder gesessen <strong>und</strong> mit ihm gesprochen, wenn er nicht gerade bei den<br />

Zwillingen gewesen war.<br />

Doch schließlich verscheuchte Mrs. Weasley alle in ihre Schlafräume<br />

<strong>und</strong> deutete auch <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>, ihr zu folgen.<br />

270


„Tut mir leid“, meinte sie auf dem Weg nach oben, in eine der<br />

zahlreichen oberen Etagen, „aber ihr wisst ja, wie <strong>das</strong> ist. Alle wollen<br />

natürlich alles wissen. Es war ein ziemlicher Schock, als wir alle<br />

von euch erfahren haben. Ihr wisst ja gar nicht, wie es hier drunter<br />

<strong>und</strong> drüber gegangen ist! Und dann wollte die ganze Familie schon<br />

heute hierher kommen, weil sie euch alle kennen lernen wollten, aber<br />

<strong>das</strong> ging natürlich nicht <strong>und</strong> so haben wir dann entschieden, <strong>das</strong>s<br />

ein paar unserer, also auch eurer, Verwandten erst morgen anreisen.<br />

Sonst wärt ihr wohl heute gar nicht mehr ins Bett gekommen! Also<br />

hier ist euer Zimmer!“<br />

Sie deutete auf eine Tür <strong>und</strong> blieb ein wenig entfernt stehen.<br />

„Was, es gibt noch mehr Verwandte?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Mrs. Weasley lächelte <strong>und</strong> nickte.<br />

Die beiden schüttelten ihre Köpfe <strong>und</strong> Mrs. Weasley nickte.<br />

„Aber jetzt ins Bett, sonst verschlaft ihr morgen den ganzen Tag.<br />

Eure K<strong>of</strong>fer hat euer Großvater bereits hoch getragen. Ich h<strong>of</strong>fe, ihr<br />

fühlt euch wohl bei uns!“, meinte sie. „Gute Nacht!“<br />

Sie drückte noch mal beide Mädchen gleichzeitig an sich <strong>und</strong><br />

wandte sich dann wieder der Treppe zu, während <strong>Lily</strong> die Zimmertür<br />

öffnete.<br />

Der kleine Raum wirkte, als ob er sehr lange nicht genutzt worden<br />

wäre, denn auf den Regalen konnte man dicke Staubschichten erkennen.<br />

Doch im Gegensatz zu den anderen Räumen, die die beiden<br />

bis jetzt gesehen hatten, war er überhaupt nicht kaputt. Das Bett<br />

wirkte sogar noch ziemlich neu.<br />

Außer diesem Bett waren noch zwei Matratzen auf dem Boden, ein<br />

Schreibtisch unter dem etwas staubigen Fenster <strong>und</strong> ein großer<br />

Schrank hinter der Tür. Obwohl durch all diese Gegenstände kaum<br />

Platz war, wirkte der Raum ziemlich gemütlich.<br />

An der Wand über dem Bett konnte man ein Poster erkennen mit<br />

einer Gruppe singenden Hexen. Laute waren allerdings nicht zu vernehmen<br />

<strong>und</strong> der Titel des Posters war ‚Schicksalsschwestern’. An<br />

271


der gegenüberliegenden Seite des Zimmers hing ein zweites Poster,<br />

dieses Mal mit einem Quidditch-Kapitän.<br />

Die Mädchen schlossen die Türe <strong>und</strong> hüpften über die Matratzen<br />

auf den Schreibtisch zu. Noch mitten auf dem Weg verwandelte sich<br />

<strong>Lily</strong> plötzlich in <strong>das</strong> kleine rote Kätzchen, <strong>das</strong> sie jetzt schon so lange<br />

nicht mehr gewesen war, <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> machte es ihr nach. Doch<br />

während sich <strong>Dora</strong> auf einer Decke zusammenrollte, sprang <strong>Lily</strong> im<br />

Raum umher. Nach einer Weile verwandelte sich <strong>Dora</strong> wieder zurück<br />

<strong>und</strong> stand auf.<br />

„Das hab ich vermisst!“, seufzte sie.<br />

Kurze Zeit später stand auch <strong>Lily</strong> wieder vor ihr, doch sie wandte<br />

sich s<strong>of</strong>ort ab <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> meinte in dem kurzen Moment, in dem sie<br />

sie angesehen hatte, einen alles anderen als zufriedenen Gesichtsausdruck<br />

bei ihrer Schwester gesehen zu haben.<br />

„Was ist?“, fragte sie, doch <strong>Lily</strong> schob den Schreibtisch ein wenig<br />

zur Seite <strong>und</strong> hob etwas auf, <strong>das</strong> <strong>Dora</strong> im ersten Moment nicht erkennen<br />

konnte. „Was hast du da?“<br />

<strong>Lily</strong> wischte mit dem Ärmel ihres Pullovers über <strong>das</strong> viereckige<br />

Etwas in ihren Händen.<br />

„Ein Bild“, meinte sie schließlich <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> stellte sich neben sie,<br />

um es auch sehen zu können. „Das hab ich gerade gesehen!“<br />

<strong>Lily</strong> hielt <strong>das</strong> Bild so, <strong>das</strong>s <strong>Dora</strong> es ebenfalls anschauen konnte <strong>und</strong><br />

s<strong>of</strong>ort fiel ihr <strong>das</strong> zerbrochene Glas auf. Es schaute nicht aus, als ob<br />

es beim Hinunterfallen zerbrochen wäre. Mehr sah es aus, als ob es<br />

mutwillig zerstört worden war.<br />

Doch viel mehr Aufmerksamkeit wandten die beiden dem Foto unter<br />

dem Glas zu. Es zeigte unverkennbar die Eltern der Zwillinge,<br />

von denen sie sich, wenn auch unfreiwillig, inzwischen einige Fotos<br />

hatten anschauen müssen <strong>und</strong> sie so natürlich s<strong>of</strong>ort erkannten.<br />

Die beiden umarmten sich <strong>und</strong> lachten zufrieden <strong>und</strong> glücklich. <strong>Lily</strong><br />

wollte gerade die Schublade öffnen, um <strong>das</strong> Bild darin verschwinden<br />

zu lassen, als ihr ein Zeitungsbericht auffiel, der zerknittert darin<br />

lag. <strong>Lily</strong> wollte <strong>das</strong> Bild einfach darauf fallen lassen <strong>und</strong> die riesige<br />

272


Schlagzeile <strong>und</strong> <strong>das</strong> Bild ignorieren, doch <strong>Dora</strong> war schneller <strong>und</strong> sie<br />

zog <strong>das</strong> alte Blatt Papier heraus.<br />

Der Junge der lebte wurde ermordet<br />

Unter mysteriösen Umständen kam Harry Potter, der Retter der<br />

Welt der Zauberer, letzte Nacht ums Leben!<br />

273<br />

Harry Potter, der Junge, der überlebte, der Junge, der<br />

im Alter von nur siebzehn Jahren den, dessen Name nicht<br />

genannt werden darf, besiegte, ist tot.<br />

Gestern, genau vor einer Woche rettete Harry Potter die<br />

Welt der Zauberer, aber darüber wurde in den letzten<br />

Tagen genug berichtet. Er wurde <strong>und</strong> wird gefeiert wie<br />

ein Held <strong>und</strong> <strong>das</strong> vollkommen zu Recht, doch er wollte<br />

sich nicht auf seinem Sieg ausruhen.<br />

Wie seine Fre<strong>und</strong>in Ginny Weasley erzählte, hatte er<br />

gestern Morgen <strong>das</strong> Haus verlassen, um seine Muggel-<br />

Verwandtschaft, die ihn Jahre lang unerträglich<br />

behandelt hatte, zu besuchen <strong>und</strong> er wollte versuchen,<br />

mit seinem Cousin Dudley Dursley Frieden zu schließen<br />

oder wenigstens mit ihm zu reden.<br />

Niemand weiß, warum <strong>und</strong> von wem, doch Harry Potter<br />

wurde noch im Haus seiner Verwandten ermordet.<br />

Nachdem sein Cousin die Zaubererschaft benachrichtigt<br />

hatte, wurden natürlich alle möglichen Untersuchungen<br />

durchgeführt <strong>und</strong> alle Personen, die sich zum<br />

Tatzeitpunkt im Haus bef<strong>und</strong>en hatten, wurden unter<br />

Einfluss von Veritaserum befragt.<br />

Es kann ausgeschlossen werden, <strong>das</strong>s die Dursleys mit<br />

dem plötzlichen Tod Harry Potters zu tun hatten. Onkel<br />

<strong>und</strong> Tante konnten nichts aussagen, da sie sich beim<br />

Besuch ihres Neffen in einem kleinen Schrank unter der<br />

Treppe eingeschlossen hatten, doch Dudley Dursleys


Aussage gibt allen Gr<strong>und</strong> zur Annahme, <strong>das</strong>s es sich um<br />

Todesser handelte.<br />

Er beschrieb zwei Menschen mit dunklen Masken,<br />

höhnischem Gelächter <strong>und</strong> alles, was er sonst noch hatte<br />

erkennen können, war ein grüner Blitz. Er sagte, <strong>das</strong><br />

alles sei von einem Moment auf den anderen passiert. Sie<br />

hätten sich gerade über persönliche Dinge unterhalten,<br />

als die beiden Eindringlinge plötzlich da waren.<br />

Sek<strong>und</strong>en später seinen die Personen auch schon wieder<br />

verschw<strong>und</strong>en gewesen, mit einem lauten Knall, <strong>und</strong><br />

Harry Potter habe tot am Boden gelegen.<br />

Dudley Dursley war nicht in der Lage gewesen, auch nur<br />

ein einziges sinnvolles Wort über seine Lippen zu<br />

bekommen, bevor er von den Auroren den<br />

Wahrheitstrank eingeflößt bekommen hatte.<br />

Er <strong>und</strong> seine Eltern befinden sich zurzeit an einem<br />

geheimen Ort, wo sie von den besten Heilern seelisch<br />

versorgt werden.<br />

Obwohl die Ermittlungen auf Hochtouren laufen, konnte<br />

man noch keine Hinweise auf die möglichen Täter<br />

finden. Wer ist nur so grausam <strong>und</strong> tötet den Menschen,<br />

der uns <strong>das</strong> Leben erst wieder lebenswert gemacht hat?<br />

Wer weiß, vielleicht wären wir inzwischen alle tot, wenn<br />

er nicht gewesen wäre.<br />

Es ist eine Tragödie. Anhänger Harry Potters sind am<br />

Boden zerstört <strong>und</strong> inzwischen laufen Trauerzeremonien<br />

im ganzen Land, ja auf der ganzen Welt. Wir halten Sie<br />

auf dem Laufenden!<br />

Als <strong>Dora</strong> fertig gelesen hatte, wollte sie <strong>Lily</strong> den Zeitungsartikel in<br />

die Hand geben, doch diese lehnte ab.<br />

„Komm, lies <strong>das</strong>! Onkel Dudley war dabei, als Dad gestorben ist!“,<br />

meinte <strong>Dora</strong>.<br />

274


Widerwillig nahm dann auch <strong>Lily</strong> den Ausschnitt <strong>und</strong> begann ihn<br />

zu lesen. Sie bemühte sich, nicht auf <strong>das</strong> Bild der weinenden Ginny<br />

zu blicken, welches ihr groß entgegenschaute.<br />

<strong>Dora</strong> beobachtete ihre Schwester mit großen Augen <strong>und</strong> begann<br />

erst wieder zu sprechen, als diese <strong>das</strong> Blatt sinken ließ.<br />

„Sie haben sich gehasst <strong>und</strong> wollten sich versöhnen“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Und plötzlich waren die zwei Todesser da, nur eine Woche nachdem<br />

er Voldemort getötet hatte.“<br />

Die beiden Mädchen ließen sich auf eine der beiden Matratzen nieder<br />

<strong>und</strong> schauten sich an.<br />

„Warum hat er uns nie etwas davon erzählt?“, fragte <strong>Lily</strong>. „Es muss<br />

ihn doch selbst völlig fertig gemacht haben!“<br />

„Wer weiß“, murmelte <strong>Dora</strong>. „Vielleicht hat er es gerade deswegen<br />

niemals erzählt. Weil er einfach nicht wollte, <strong>das</strong>s wir es wissen! Das<br />

könnte ich sogar verstehen!“<br />

Eine Weile waren die Mädchen still <strong>und</strong> sie überlegten. Ihre Eule<br />

Hedwig, die Pr<strong>of</strong>essor Granger ebenfalls mit in den Fuchsbau genommen<br />

hatte, scharrte unruhig auf dem Boden des Käfigs, in dem<br />

sie gefangen war.<br />

„Es war ihr Zimmer, oder?“, fragte <strong>Dora</strong> schließlich.<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Ja, <strong>und</strong> ich glaube, <strong>das</strong>s es <strong>das</strong> einzige Zimmer ist, in dem Grandma<br />

nie staubgewischt oder zusammengeräumt hat. Es ist, als wäre<br />

sie gerade eben noch hier gewesen!“<br />

„Weißt du was?“, fragte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> stand auf. „Ich will <strong>das</strong> Bett<br />

nicht haben, überlassen wir es Victoire, oder?“<br />

<strong>Lily</strong> stimmte ihrer Schwester s<strong>of</strong>ort zu, bevor die beiden <strong>das</strong> alte<br />

Zeitungsblatt wieder zurück in die Schublade gleiten ließen <strong>und</strong> sich<br />

ihr Schlafgewand aus den K<strong>of</strong>fern holten.<br />

Am nächsten Morgen war es <strong>Dora</strong>, die als erste aufwachte. Sie<br />

blinzelte verschlafen zu dem Fenster, durch <strong>das</strong> die Sonne schon einen<br />

breiten Streifen Licht ins Zimmer warf. Es musste also schon<br />

ziemlich spät am Morgen sein.<br />

275


Sie blieb eine Weile sitzen, dann stand sie auf <strong>und</strong> ging leise nach<br />

draußen auf den Gang <strong>und</strong> die Stufen hinunter, um zum Badezimmer<br />

zu kommen, welches ihre Großeltern den beiden am Abend noch gezeigt<br />

hatten, doch ein paar Meter vor der Tür blieb sie stehen <strong>und</strong><br />

lauschte. <strong>Dora</strong> war sich sicher, <strong>das</strong>s sie ihre Ohren nicht täuschten.<br />

Es war eindeutig die Stimme von Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

Sie trat etwas näher ans Treppengeländer <strong>und</strong> spähte einen Stock<br />

hinunter. Und wirklich stand ihre Lehrerin da <strong>und</strong> redete leise, aber<br />

aufgebracht mit einem schwarzen Mann, der etwa in ihrem Alter zu<br />

sein schien, obwohl <strong>Dora</strong> <strong>das</strong> sehr schwer einschätzen konnte. Sie<br />

wollte sich gerade umdrehen, <strong>und</strong> ins Bad gehen, als sie plötzlich<br />

den Namen Malfoy vernehmen konnte.<br />

Schnell drehte sie sich wieder zurück <strong>und</strong> beugte sich ein wenig<br />

über <strong>das</strong> Geländer der Treppe hinunter, um <strong>das</strong> Gespräch besser verstehen<br />

zu können. Sie hatte Glück, denn ein alter Schrank versperrte<br />

den beiden den Blick <strong>und</strong> sie konnten <strong>Dora</strong> nicht erkennen.<br />

„Sie waren am Bahnh<strong>of</strong>?“, war <strong>das</strong> erste, <strong>das</strong> <strong>Dora</strong> richtig verstehen<br />

konnte.<br />

„Ja, genau. Sie sahen viel älter aus als damals <strong>und</strong> sie wirkten mehr<br />

tot als lebendig, aber es waren die Malfoys“, meinte Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

Der schwarze Mann überlegte kurz, bevor er wieder antwortete. Er<br />

zuckte mit den Schultern.<br />

„Glaubst du wirklich, <strong>das</strong>s wir soviel in diese Geschichte reininterpretieren<br />

sollten? Es deutet nichts außer einem übergeschnappten<br />

Geist darauf hin, <strong>das</strong>s die Malfoys wirklich einen Plan aushecken!<br />

Außerdem kann ich mir nicht denken, was sie davon hätten, wenn<br />

sie <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> etwas tun.“<br />

Wieder trat eine kurze Stille ein. Pr<strong>of</strong>essor Granger trat unruhig<br />

von einem Bein aufs andere <strong>und</strong> blickte in alle möglichen Richtungen.<br />

Es sah so aus, als würde sie h<strong>of</strong>fen, irgendwo im Vorhaus eine<br />

passende Antwort zu finden.<br />

276


„Dean… Ich weiß es nicht <strong>und</strong> ich weiß auch nicht, was ich glauben<br />

soll. Es ist ziemlich unglaubwürdig… Aber es gab früher <strong>of</strong>t<br />

Momente, in denen ich <strong>und</strong> Ron…“<br />

<strong>Dora</strong> sah, wie die Lehrerin zusammenzuckte <strong>und</strong> sich dann von ihrem<br />

Gegenüber abwandte.<br />

„Es gab eben <strong>of</strong>t Momente, in denen ich Harry nicht geglaubt habe.<br />

Es war alles zu unglaubwürdig <strong>und</strong> er hatte zu wenige Beweise, um<br />

eine handfeste <strong>The</strong>orie aufzustellen, doch meistens behielt er Recht.<br />

Ich habe einfach Angst, <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> nicht zu glauben, weil es viel<br />

zu sehr wie damals ist. Auch Harry konnte immer wieder in die Gedanken<br />

von Voldemort blicken, wenn auch nicht so wie die Zwillinge!<br />

Und außerdem…“<br />

Wieder stockte die Lehrerin.<br />

„Was <strong>und</strong> außerdem?“, fragte der Mann namens Dean.<br />

„Und außerdem warnt er uns immer wieder davor!“<br />

Dean trat zurück <strong>und</strong> lehnte sich gegen den Türrahmen.<br />

„Du meinst den, von dem du mir gestern erzählt hast?“, fragte er.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger nickte.<br />

„Aber du hast doch noch nicht mal eine Ahnung, von wo er all <strong>das</strong><br />

weiß, geschweige denn, wer er ist, ob du ihn kennst <strong>und</strong> vor allem,<br />

ob du ihm vertrauen kannst!“<br />

„Ja, <strong>das</strong> weiß ich, aber ich habe einfach <strong>das</strong> Gefühl, <strong>das</strong>s er niemandem<br />

etwas Böses will. Vor allem nicht den Zwillingen. Warum<br />

hätte er ihnen sonst den Tarnumhang geschickt?“<br />

Dean warf seinen Kopf in den Nacken <strong>und</strong> überlegte eifrig.<br />

„Okay, okay. Aber warum kommt er dann nicht einfach <strong>und</strong> erzählt<br />

alles, was er weiß? Mit seiner Hilfe hättet ihr die Malfoys womöglich<br />

schon lange <strong>und</strong> es wäre erst gar nicht so weit gekommen!“<br />

„Ja, <strong>das</strong> stimmt. Ich weiß es ja auch nicht, was sich er oder sie dabei<br />

denkt! Er scheint soviel zu wissen <strong>und</strong> ich habe keine Ahnung,<br />

warum er sein Wissen nicht mit uns teilen will! Es würde sicher einiges<br />

erklären!“<br />

277


„Na gut, danke <strong>das</strong>s du mir davon erzählt hast. Ich werde aufpassen!“,<br />

meinte Dean <strong>und</strong> stellte sich wieder gerade hin.<br />

„Danke“, sagte Pr<strong>of</strong>essor Granger. „Natürlich könnten die Malfoys<br />

am Bahnh<strong>of</strong> in Hogsmeade auch etwas anderes erledigt haben, aber<br />

sicher ist sicher. Und vergiss nicht, <strong>das</strong>s du niemandem etwas sagst!<br />

Cho verständige ich persönlich, alle anderen brauchen nichts davon<br />

zu erfahren!“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger ging an dem Fremden vorbei, indem sie ihm<br />

noch mal zulächelte. Er lachte zurück <strong>und</strong> ging in Richtung Küche<br />

davon, während die Lehrerin <strong>das</strong> Haus durch die Haustür verließ.<br />

<strong>Dora</strong> ging ein paar Schritte zurück <strong>und</strong> überlegte eifrig. Die Malfoys<br />

waren am Bahnh<strong>of</strong> in Hogsmeade gewesen? Wollten sie die<br />

Mädchen etwa dort erwischen? Oder waren sie vielleicht doch nur<br />

zufällig dort gewesen? Aber <strong>das</strong> Schlimmste war, <strong>das</strong>s Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger selbst nicht genau wusste, ob sie die ganze Geschichte, die<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> erzählten, glauben sollte.<br />

Langsam schlich <strong>Dora</strong> wieder nach oben um <strong>Lily</strong> zu wecken. Mitten<br />

auf der Treppe kam ihr Ted entgegen.<br />

„Morgen“, murmelte er verschlafen <strong>und</strong> wollte an <strong>Dora</strong> vorbeigehen,<br />

doch diese hielt ihn zurück.<br />

„Komm mit“, meinte sie.<br />

Ted blickte sie fragend mit großen Augen an.<br />

„Aber ich hab Hunger“, sagte er.<br />

„Der läuft dir nicht davon. Ich muss euch was erzählen“, forderte<br />

<strong>Dora</strong> ihn auf. „Es ist wichtig!“<br />

Ted verdrehte die Augen <strong>und</strong> kam wieder auf <strong>Dora</strong>s Höhe.<br />

„Aber wenn ich verhungere, bist du schuld“, murmelte er, noch etwas<br />

verschlafen.<br />

„Das Risiko gehe ich ein“, sagte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> die beiden machten sich<br />

auf den Weg nach oben in <strong>das</strong> Zimmer, in dem sich <strong>Lily</strong> befand.<br />

<strong>Dora</strong> öffnete die Tür <strong>und</strong> trat, dicht gefolgt von Ted, ein. Ihre<br />

Schwester war inzwischen wach <strong>und</strong> sie drehte sich zur Tür um, als<br />

sie die beiden kommen hörte.<br />

278


„Guten Morgen!“, seufzte sie. „Oh Mann, da beginnt der Tag doch<br />

gleich mal schön, wenn man dich gleich als ersten sieht!“<br />

Ted streckte ihr die Zunge entgegen <strong>und</strong> die beiden lachten, nur<br />

<strong>Dora</strong> hielt sich aus ihren Zankereien vollkommen heraus. Sie dachte<br />

nach.<br />

„Daran wirst du dich hier wohl gewöhnen müssen <strong>und</strong> glaub mir,<br />

es ist nicht meine Schuld, <strong>das</strong>s ich hier bin. Eigentlich sollte ich jetzt<br />

beim Frühstück sitzen, wenn deine Schwester mich nicht geholt hätte!“,<br />

gab er zurück.<br />

Jetzt war es <strong>Lily</strong>, die <strong>Dora</strong> fragend anblickte.<br />

„Warum hast du ihn geholt? Stimmt was nicht?“, fügte sie hinzu,<br />

als sie <strong>Dora</strong>s besorgtes Gesicht sah.<br />

Ted ging um die Matratzen herum <strong>und</strong> setzte sich auf den Stuhl,<br />

der vor dem Schreibtisch stand, während sich <strong>Dora</strong> neben <strong>Lily</strong> auf<br />

den Boden setzte.<br />

„Pr<strong>of</strong>essor Granger war hier <strong>und</strong> sie hat mit einem Dean gesprochen.<br />

Ich vermute, <strong>das</strong>s es ein Auror war, der hier auf uns aufpassen<br />

soll!“, begann <strong>Dora</strong> zu erzählen.<br />

„Was hat sie gesagt?“, fragte <strong>Lily</strong> neugierig.<br />

„Eigentlich nur, <strong>das</strong>s die Malfoys am Bahnh<strong>of</strong> in Hogsmeade waren<br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong>s sie nicht weiß, ob sie uns glauben soll“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

<strong>Lily</strong> machte große Augen <strong>und</strong> Ted ließ die Feder sinken, die er gerade<br />

eben vom Schreibtisch genommen hatte.<br />

„Was?“, fragte <strong>Lily</strong>. „Sie waren in Hogsmeade? Heute bei der Abreise<br />

der anderen?“<br />

„Sie haben nicht gesagt, wann, aber ich schätze ja“, nickte <strong>Dora</strong>.<br />

„Pr<strong>of</strong>essor Granger macht sich zwar ziemliche Sorgen, aber sie ist<br />

sich nicht sicher, ob die beiden auch wirklich wegen uns dort waren<br />

<strong>und</strong> der Auror machte auch keinen überzeugten Eindruck. Aber okay,<br />

wir wissen ja nicht, wie viel er weiß. Aber zumindest Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger sollte sich sicher sein!“<br />

Einen Moment lang war es still im Raum, bevor Ted <strong>das</strong> Schweigen<br />

unterbrach.<br />

279


„Es ist doch klar, <strong>das</strong>s sie euch dort auflauern wollten. Alles andere<br />

wäre ein zu großer Zufall!“, sagte er.<br />

Die Mädchen nickten.<br />

„Aber <strong>das</strong> ist es gar nicht, was mir Sorgen macht, denn wir wissen<br />

ja schon, <strong>das</strong>s sie uns nicht gerade mögen. Sorgen macht mir, <strong>das</strong>s<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger uns nicht glaubt. Sie hat immer gesagt, wir sollen<br />

ihr alles erzählen, denn sie würde uns glauben, egal wie unglaubwürdig<br />

alles sei. Und jetzt auf einmal weiß sie nicht mehr, was wahr<br />

ist <strong>und</strong> was nicht!“, sagte <strong>Dora</strong>.<br />

„Aber warum sperrt sie uns dann ein <strong>und</strong> will nicht mal, <strong>das</strong>s wir<br />

Hagrid besuchen gehen?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> überlegte, doch ihr fiel keine Antwort auf diese Frage ein.<br />

„Das ist doch klar! Sie will, <strong>das</strong>s ihr glaubt, sie würde euch glauben!“,<br />

sagte Ted. „Sie weiß zwar nicht, ob es stimmt, will aber kein<br />

Risiko eingehen. Deshalb auch die Auroren hier im Haus! Du sagst,<br />

sie hätte mit einem Dean gesprochen? Ich schätze, <strong>das</strong>s es Mr. Thomas<br />

war. Er ist ein Auror aus ihrem Jahrgang früher in Hogwarts!<br />

Was hat er gesagt?“<br />

„Er hat gesagt, <strong>das</strong>s er es nicht für sehr glaubwürdig hält!“, meinte<br />

<strong>Dora</strong>.<br />

„Also eins weiß ich ganz genau“, meldete sich <strong>Lily</strong> plötzlich zu<br />

Wort. „Und zwar, <strong>das</strong>s ich es mir jetzt gut überlege, was ich der<br />

Granger erzähle <strong>und</strong> was nicht!“<br />

Sie blickte wütend zwischen Ted <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> hin <strong>und</strong> her.<br />

„Ja, ich auch“, stimmte <strong>Dora</strong> ihr zu.<br />

Die drei standen kurze Zeit später auf <strong>und</strong> machten sich auf den<br />

Weg nach unten, wo Mrs. Weasley schon mit einem riesigen Frühstück<br />

auf sie wartete.<br />

Gleich danach kam Teds Großmutter aus dem Wohnzimmer <strong>und</strong><br />

holte Ted für ihren Ausflug ab. Sie meinten, <strong>das</strong>s sie am nächsten<br />

Morgen wohl wieder da sein würden. Mrs. Weasley <strong>und</strong> die Zwillinge<br />

wünschten den beiden noch viel Spaß für ihren Ausflug <strong>und</strong> erzählte<br />

den Mädchen, <strong>das</strong>s Ted <strong>und</strong> seine Grandma jedes Jahr zu<br />

280


Weihnachten den Friedh<strong>of</strong> besuchten, auf dem seine Eltern begraben<br />

worden waren, als Ted noch ganz klein war.<br />

Den ganzen restlichen Tag verbrachten die Zwillinge damit, gemeinsam<br />

mit ihren Großeltern, ihren Onkeln <strong>und</strong> den anderen Verwandten<br />

den Christbaum <strong>und</strong> <strong>das</strong> ganze Haus weihnachtlich zu<br />

schmücken. Auch der Auror vom Morgen, Dean Thomas, wie er sich<br />

vorstellte, half tatkräftig mit <strong>und</strong> bis auf die schlechte Stimmung, die<br />

zwischen <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> wegen ihrer Erkenntnis am Morgen herrschte,<br />

wurde es ein lustiger Tag.<br />

Am Abend kamen dann auch noch Bill, ein weiterer Onkel der<br />

Zwillinge, seine Frau Fleur <strong>und</strong> ihre Tochter Victoire. Sie war ein<br />

Jahr jünger als die Zwillinge <strong>und</strong> sie erzählte s<strong>of</strong>ort, <strong>das</strong>s sie nächstes<br />

Jahr in Hogwarts beginnen wollte <strong>und</strong> hatte tausend Fragen an<br />

die Zwillinge.<br />

Die fragte sie über die Lehrer aus <strong>und</strong> welche Unterrichtsfächer die<br />

beiden am interessantesten fanden, wollte sie auch wissen. Die drei<br />

verstanden sich s<strong>of</strong>ort ziemlich gut <strong>und</strong> die Zwillinge waren s<strong>of</strong>ort<br />

beeindruckt vom Aussehen ihrer Cousine <strong>und</strong> noch mehr von dem<br />

ihrer Mutter. Als sie Bill <strong>das</strong> erste Mal erblickten, mussten <strong>Lily</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Dora</strong> s<strong>of</strong>ort daran denken, was ihnen Hagrid einst in der Winkelgasse<br />

erzählt hatte: Eins der Weasleykinder war von einem Werwolf<br />

angegriffen worden. Damit musste Hagrid wohl Bill gemeint haben.<br />

Sein Gesicht wies tiefgehende Verletzungen auf, deren Verursachung<br />

schon viele Jahre zurückliegen musste.<br />

An diesem Tag wurden <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Victoire ziemlich früh ins<br />

Bett geschickt, damit sie am nächsten Tag ausgeschlafen waren. Sie<br />

befolgten diese Aufforderung <strong>und</strong> schon um halb neun Uhr abends<br />

lagen die beiden auf ihren Matratzen, während es sich Victoire im<br />

Bett bequem gemacht hatte.<br />

Schon kurze Zeit später war sie eingeschlafen <strong>und</strong> die Zwillinge<br />

unterhielten sich noch eine Weile über <strong>das</strong> Gespräch, <strong>das</strong> <strong>Dora</strong> in der<br />

Früh belauscht hatte.<br />

281


„Aber ich dachte, <strong>das</strong>s er noch zu schwach wäre, um uns etwas antun<br />

zu können“, sagte <strong>Lily</strong>.<br />

„Na ja, vielleicht haben sie den Becher von Hufflepuff ja inzwischen<br />

auch schon“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Wenn wir <strong>das</strong> nur wüssten. Sobald die ihn haben, können sie womöglich<br />

auch in die Schule oder vielleicht sogar hier rein, egal wie<br />

viele Auroren Pr<strong>of</strong>essor Granger positioniert hat! Warte mal… Hast<br />

du noch was von diesem Tagtraumpulver?“<br />

„Du willst doch nicht etwa“, flüsterte <strong>Dora</strong>.<br />

„Oh doch, genau. Also hast du noch was?“<br />

<strong>Dora</strong> schüttelte den Kopf in der Dunkelheit.<br />

„Ja, in Hogwarts habe ich noch was, aber hier nicht“, meinte sie.<br />

„Okay, dann müssen wir bis dahin warten. Man, warum sind wir da<br />

nicht früher draufgekommen? Wir könnten doch alles wissen, was<br />

die planen <strong>und</strong> statt Peeves auszufragen hätten wir einfach nachschauen<br />

können, ganz ohne Gefahr!“<br />

„Stimmt eigentlich“, stimmte <strong>Dora</strong> ihrer Schwester zu.<br />

Am nächsten Morgen wurden die drei Mädchen wach, als jemand<br />

lautstark gegen ihre Zimmertüre hämmerte <strong>und</strong> sie s<strong>of</strong>ort aufriss. Es<br />

war Ted, der ziemlich müde, aber trotzdem sehr aufgeregt wirkte.<br />

„Aufwachen, es gibt Geschenke“, rief er.<br />

„Du schon wieder“, zischte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> öffnete langsam die Augen.<br />

„Sagte ich doch, <strong>das</strong>s du dich daran gewöhnen musst!“<br />

Ted setzte sich auf den Sessel beim Schreibtisch <strong>und</strong> wartete. In<br />

seiner Hand hielt er etwas, <strong>das</strong> aussah, wie eine schwarze Platte mit<br />

goldenen Verzierungen auf der Rückseite. Er legte es vor sich auf<br />

den Tisch <strong>und</strong> tupfte mit dem Finger ab <strong>und</strong> zu drauf.<br />

„Was hast du da?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Ein Geschenk von Pr<strong>of</strong>essor Granger“, meinte er abwesend, ohne<br />

auch nur von der Platte aufzublicken.<br />

Erst jetzt sahen <strong>Lily</strong> die großen Geschenkstapel, die neben ihren<br />

Füßen auf den Matratzen lagen. Die beiden blickten auf zu Victoire,<br />

282


die schon kräftig mit dem Zerreißen des Geschenkpapiers beschäftigt<br />

war.<br />

<strong>Lily</strong> kletterte auch s<strong>of</strong>ort auf ihren Stapel zu <strong>und</strong> begann die Geschenke<br />

zu öffnen. Das erste war groß <strong>und</strong> weich <strong>und</strong> wie es sich<br />

herausstellte, war es ein selbst gestrickter Pullover von ihrer Grandma.<br />

Auf dem von <strong>Lily</strong> war ein großes L <strong>und</strong> auf dem von <strong>Dora</strong> ein<br />

D. Erst jetzt sahen die beiden, <strong>das</strong>s auch Ted den gleichen trug, nur<br />

mit einem T <strong>und</strong> Victoire hatten neben ihr einen auf dem sich vermutlich<br />

ein V befand.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> grinsten sich an <strong>und</strong> legten die Pullover beiseite. Sie<br />

hatten zu Weihnachten noch nie etwas selbst Gemachtes bekommen,<br />

da Tante Emily nicht wirklich gut handarbeiten konnte.<br />

Von Tante Emily <strong>und</strong> Onkel Dudley hatten die beiden ein riesiges<br />

Federpennal mit allerhand verschiedenen Muggelstiften bekommen.<br />

Vermutlich hatten sie einmal zu <strong>of</strong>t erwähnt, <strong>das</strong>s sie Federn hassten,<br />

oder es war ihrem Onkel <strong>und</strong> ihrer Tante einfach zu anstrengend, die<br />

Tintenkleckse auf den Pergamentblättern zu entziffern. Außerdem<br />

hatten sie noch normale Blöcke bekommen, da sie auch erwähnt hatten,<br />

wie sehr sie Pergament hassten. Für jede gab es noch ein Paar<br />

neue Handschuhe <strong>und</strong> eine Schachtel voller Süßigkeiten.<br />

„Hey, guck mal“, meinte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> hielt eine Packung mit Tagtraumpulver<br />

in die Luft.<br />

„Onkel George hat wirklich ein Händchen für richtige Geschenke<br />

zum richtigen Zeitpunkt“, antwortete <strong>Dora</strong>, die ebenfalls gerade drei<br />

oder vier neue Packungen des Traumpulvers aus dem Geschenkspapier<br />

befreite.<br />

„Ted, hast du Hunger? Hier sind ein paar Kotzpastillen, die verträgst<br />

du doch so super!“, grinste <strong>Lily</strong>.<br />

Onkel George hatte ihnen eine ganze Box voll Nasch- <strong>und</strong><br />

Schwänzleckerein zukommen lassen. Von Bill <strong>und</strong> Fleur bekamen<br />

beide ein Parfüm, von Charlie ein Buch, wie man am besten mit<br />

Drachen kämpfte, <strong>und</strong> von Percy bekamen sie noch mal eine Schach-<br />

283


tel von Naschsachen, von denen man aber nicht s<strong>of</strong>ort Nasenbluten<br />

oder sonstige Beschwerden bekam.<br />

Auch von Hagrid hatten die beiden noch etwas zu Essen bekommen,<br />

<strong>das</strong> verdächtig nach seinen Steinplätzchen aussah. Die Mädchen<br />

grinsten <strong>und</strong> legten es weg, bevor sie <strong>das</strong> letzte Päckchen öffneten.<br />

Als sie sahen, <strong>das</strong>s es von Pr<strong>of</strong>essor Granger war, waren sie sich<br />

schon fast sicher, <strong>das</strong>s es <strong>das</strong> Selbe war, <strong>das</strong> Ted so aufmerksam anstarrte.<br />

Sie öffneten die flachen Geschenke <strong>und</strong> zogen anschließend<br />

aus einer weiteren Verpackung dieselben schwarzen Bretter wie Ted.<br />

<strong>Lily</strong> drehte es hin <strong>und</strong> her <strong>und</strong> untersuchte auch die Schachtel, fand<br />

aber nichts, <strong>das</strong> darauf hinwies, was es war. Auf der Verpackung<br />

standen nur die Buchstaben ZW <strong>und</strong> es war ein Zauberer zu sehen,<br />

der <strong>das</strong>selbe machte wie Ted. Nämlich mit den Fingern auf <strong>das</strong> Brett<br />

zu klopfen.<br />

„Ted?“, fragte <strong>Lily</strong>, doch dieser gab nur ein leises Grunzen von<br />

sich. „TED!“<br />

Widerwillig drehte sich Ted zu <strong>Lily</strong> um <strong>und</strong> schaute sie mit gerunzelter<br />

Stirn an.<br />

„Was ist?“, fragte er. „Ich bin beschäftigt!“<br />

„Womit?“, fragte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> schaute von ihm zu dem Brett.<br />

„Geht dich nichts an“, murmelte er.<br />

„Nein, sie meint, was <strong>das</strong> hier ist!“, sagte <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> hielt ihr eigenes,<br />

schwarzes, verziertes Brett in die Luft.<br />

„Ach so, ihr wisst <strong>das</strong> gar nicht?“, fragte er.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> schüttelten ihre Köpfe.<br />

„Das nennt man Zauberweb. Pr<strong>of</strong>essor Granger ist eine der Hexen,<br />

die seit Jahren daran mitarbeiten <strong>und</strong> es ist gerade erst auf dem<br />

Markt erschienen. Es ist aber so teuer, <strong>das</strong>s es sich noch fast niemand<br />

leisten kann, aber man liest inzwischen in jeder Zeitung davon!“,<br />

erklärte Ted.<br />

„Und was ist es jetzt genau? Was macht man damit?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

„Na ja, in der Zeitung meinten sie immer, <strong>das</strong>s die Muggel schon<br />

lang so etwas hätten. Sie nennen es Internet. Pr<strong>of</strong>essor Granger, die<br />

284


selbst von Muggeln abstammt, kannte es natürlich <strong>und</strong> setzte sich<br />

dafür ein, <strong>das</strong>s auch Zauberer auf dieses Internet zugreifen können.<br />

Natürlich führte sie die Zauber so aus, <strong>das</strong>s die Muggel nichts sehen<br />

können, was wir Zauberer im Zauberweb veröffentlichen, aber wir<br />

können alles anschauen, <strong>das</strong> die Muggel machen. Mr. Weasley war<br />

von Anfang an begeistert <strong>und</strong> er war auch der erste, dem Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger eines geschenkt hat!“<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> machten große Augen. Mit Internet waren die beiden<br />

ja aufgewachsen, aber in der Zaubererwelt hatten sie es nun wirklich<br />

nicht vermutet. Die beiden betrachteten die schwarze Platte <strong>und</strong><br />

drehten sie hin <strong>und</strong> her.<br />

„Ah, okay. Und wie starte ich die?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Starten?“, fragte Ted. „Ach so, du nimmst den Zauberstab <strong>und</strong><br />

klopfst dreimal drauf!“<br />

<strong>Lily</strong> machte s<strong>of</strong>ort was Ted ihr sagte <strong>und</strong> tatsächlich verwandelte<br />

sich die Seite, die nicht von dem Muster bedeckt war, in ein buntes<br />

Gemisch aus sich bewegenden Bildern <strong>und</strong> Wörtern.<br />

Außerdem formte sich am unteren Rand noch so etwas, wie eine<br />

Tastatur. Die Mädchen tippten mit ihren Fingern auf die vielen Wörter<br />

<strong>und</strong> sie fanden heraus, <strong>das</strong>s es sich eigentlich um gar nichts vom<br />

Muggelinternet unterschied. Die einzige Ausnahme war, <strong>das</strong>s sie<br />

nicht in Muggelforen oder -chats gelangen konnten, dafür gab es aber<br />

umso mehr Seiten von Zauberern.<br />

Sie drückten lange Zeit auf dem Zauberweb herum, bis sie schließlich,<br />

kurz vor Mittag, von ihrer Großmutter zum Frühstück gerufen<br />

wurden, <strong>das</strong>s sie auf keinen Fall ausfallen lassen wollte.<br />

Widerwillig rissen sich die drei von ihrem ZW los <strong>und</strong> gingen,<br />

dicht gefolgt von Victoire, die ihnen aufgeregt zugesehen hatte, die<br />

Treppe hinab.<br />

285


Zauberschule vs. Muggelschule<br />

Die Tage vergingen wie im Flug <strong>und</strong> es dauerte nicht lange, bis sich<br />

die Mädchen so fühlten, als würden sie schon ewig zur Familie<br />

Weasley gehören. Ihre zahlreichen neuen Verwandten machten es<br />

ihnen aber auch nicht allzu schwer, sich einzugewöhnen, denn die<br />

beiden wurden von Anfang an so behandelt, als wären sie schon immer<br />

da gewesen.<br />

Gleich am Tag nach Weihnachten hatten sich die beiden zusammen<br />

mit Ted in ihrem Zimmer eingeschlossen <strong>und</strong> <strong>das</strong> Tagtraumpulver<br />

ein weiteres Mal benutzt, allerdings hatte sich nicht wirklich viel geändert.<br />

Die Malfoys hatten mitten im Wald gestanden <strong>und</strong> über irgendjemanden<br />

geredet, den die Zwillinge nicht kannten. Auch Ted<br />

hatte den Namen noch nie gehört <strong>und</strong> die drei waren sich einig, <strong>das</strong>s<br />

es nichts mit ihnen zu tun hatte.<br />

Allerdings schien es, als wäre er wieder ein bisschen mehr zu Kräften<br />

gekommen. Ob er den Becher von Hufflepuff gef<strong>und</strong>en hatte?<br />

<strong>Dora</strong> hatte schon daran gedacht, als sie Pr<strong>of</strong>essor Granger belauscht<br />

<strong>und</strong> dabei gehört hatte, <strong>das</strong>s die beiden am Bahnh<strong>of</strong> gesichtet worden<br />

waren. Ohne einen weiteren dieser Horkruxe, da waren sich alle<br />

drei sicher, hätte er sich nicht so weit von seinem Versteck entfernen<br />

können.<br />

Das machte den Zwillingen die meisten Sorgen. Doch sie wollten<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger nichts davon sagen, obwohl sie ziemlich <strong>of</strong>t zu<br />

Besuch kam. Sie wussten ja jetzt, <strong>das</strong>s sie sowieso nicht wusste, wie<br />

viel sie den Zwillingen glauben sollte <strong>und</strong> ob sie sich ernsthaft Sorgen<br />

machen musste. Das einzige, was sie taten, war, dem Unbekannten<br />

zu schreiben, <strong>das</strong>s der Becher wahrscheinlich schon im Besitz<br />

der Malfoys war. Über <strong>das</strong> ZW sendeten die beiden gemeinsam mit<br />

Ted s<strong>of</strong>ort eine Nachricht an Scott, damit dieser <strong>das</strong> Medaillon ja<br />

nicht aus den Augen ließ. Aber mehr konnten sie nicht unternehmen.<br />

Eigentlich, <strong>das</strong> war ihnen klar, konnten sie gar nichts machen außer<br />

abzuwarten. Egal ob sie hier, bei den Dursleys oder in Hogwarts wa-<br />

286


en. Sie mussten sich auf ihre Beschützer verlassen <strong>und</strong> durften sich<br />

ja nicht aus deren Schutzbereich bewegen. Tag für Tag überlegten<br />

die drei, was sie unternehmen konnten. Einfallen wollte ihnen jedoch<br />

nichts.<br />

Viel zu schnell war die Woche auch schon wieder um <strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger stand ein weiteres Mal vor der Haustüre der Weasleys.<br />

Sie sagte, <strong>das</strong>s bei den Dursleys alles für ihre Ankunft vorbereitet<br />

sei.<br />

„Wie kommen wir eigentlich zu den Dursleys?“, fragte <strong>Dora</strong>, als<br />

sie sich um den Küchentisch versammelt hatten <strong>und</strong> vor ihnen ein<br />

letztes Festmahl von Mrs. Weasley aufgetischt wurde.<br />

„Über <strong>das</strong> Flohnetzwerk“, meinte Pr<strong>of</strong>essor Granger. „Wir haben<br />

den Kamin kurzfristig angeschlossen <strong>und</strong> werden die Verbindung<br />

s<strong>of</strong>ort wieder aufheben, wenn ihr dort seid. Nur der Sicherheit zuliebe,<br />

damit keine ungebetenen Gäste auftauchen können!“<br />

Die Zwillinge nickten, doch beide runzelten die Stirn <strong>und</strong> sahen<br />

sich an. Pr<strong>of</strong>essor Granger gab sich alle Mühe, damit die Zwillinge<br />

dachten, sie würde sich Sorgen um sie machen. Das Vertrauen der<br />

beiden schien ihr ziemlich wichtig zu sein.<br />

Doch schon Sek<strong>und</strong>en später grinsten die beiden. Also doch über<br />

<strong>das</strong> Flohnetzwerk. Ob Tante Emily <strong>und</strong> Onkel Vernon wohl Bescheid<br />

wussten, <strong>das</strong>s in Kürze Leute aus ihrem Kamin gekrochen<br />

kommen würden?<br />

„Wissen Onkel Dudley <strong>und</strong> Tante Emily <strong>das</strong>?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger nickte.<br />

„Ja, wir haben alles mit ihnen abgesprochen“, antwortete sie.<br />

„Schade“, lachte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> die Erwachsenen <strong>und</strong> Ted blickten sie<br />

fragend an, doch sie schüttelte nur den Kopf.<br />

„Hat mich gefreut, <strong>das</strong>s ihr hier wart <strong>und</strong> ich finde es schade, <strong>das</strong>s<br />

ihr schon wieder weg müsst!“, meinte Mrs. Weasley, als sich alle<br />

vom Tisch erhoben <strong>und</strong> in Richtung Kamin gingen. „Aber ihr müsst<br />

mir versprechen, im Sommer wieder zu kommen! Und Harry soll<br />

auch mit, wenn er Lust hat! Scheint ja ein lustiger kleiner Kerl zu<br />

287


sein <strong>und</strong> außerdem gehört er auch zur Familie! Immerhin ist er auch<br />

mit unserem Harry verwandt gewesen…“<br />

Ihre Großmutter blickte kurz abwesend aus dem Fenster, bevor sie<br />

sich wieder an die Zwillinge wandte <strong>und</strong> versuchte, ein Lächeln über<br />

die Lippen zu bringen.<br />

„Versprecht ihr mir <strong>das</strong>?“, fragte sie.<br />

„Aber klar“, antworteten die Zwillinge wie aus einem M<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

kaum hatten sie ausgesprochen, da wurden sie auch schon beide auf<br />

einmal von Mrs. Weasley umarmt.<br />

„Und ihr versprecht mir auch, <strong>das</strong>s ihr mir viele Briefe schreibt?<br />

Ihr müsst mir <strong>und</strong> eurem Großvater alles erzählen! Wir haben ja soviel<br />

nachzuholen!“<br />

Sie lockerte ihre Umarmung kurz <strong>und</strong> schaute die Zwillinge fragend<br />

an. Doch als diese nickten, wurden sie s<strong>of</strong>ort wieder fest umschlungen.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger lächelte den Zwillingen zu, die kaum<br />

Luft bekamen.<br />

Mrs. Weasley drückte sie unendliche Sek<strong>und</strong>en, bis sich Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger kurz räusperte. Die Zwillinge blickten sie erleichtert an <strong>und</strong><br />

tatsächlich ließ ihre Großmutter sie los, stürzte sich aber gleich auf<br />

die Lehrerin.<br />

„Pass mir ja auf die beiden auf“, meinte sie streng. „Und du versprich<br />

mir auch, <strong>das</strong>s du dich wieder öfter meldest.“<br />

Sie sprach plötzlich ein wenig leiser, doch die Zwillinge konnten<br />

sie gerade noch verstehen.<br />

„Auch für uns ist es nicht leicht, nach dem, was mit… mit Ron passiert<br />

ist, aber <strong>das</strong> ist elf Jahre her…“<br />

Sie wischte sich mit dem Ärmel ihres Pullovers über die nassen<br />

Augen.<br />

„Und insbesondere du solltest nach vorne blicken. Auch wenn er<br />

nicht mehr da ist, so haben wir dich trotzdem gern <strong>und</strong> Arthur <strong>und</strong><br />

ich würden uns freuen, dich öfter zu Gesicht zu bekommen!“<br />

Die beiden Frauen ließen sich los <strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>essor Granger nickte.<br />

288


„Ich werde mein Bestes geben!“, sagte sie, dann war es einige Sek<strong>und</strong>en<br />

still, während die beiden sich anschauten. „Ja, also habt ihr<br />

alles?“, fragte die Lehrerin dann in einem unnatürlich hohen Ton.<br />

<strong>Dora</strong> deutete auf die gepackten K<strong>of</strong>fer <strong>und</strong> auf den Käfig mit Hedwig.<br />

„Alles da“, sagte <strong>Lily</strong>.<br />

„Okay, dann los. Bis bald, Mrs. Weasley!“, verabschiedete sich<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger <strong>und</strong> die Zwillinge nickten ihrer Großmutter zu,<br />

welche sich jetzt mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augen<br />

wischte.<br />

„Ich werde euch vermissen!“, sagte sie.<br />

„Ich euch nicht“, meinte Ted lächelnd. „Wir sehen uns ja eh schon<br />

in nicht mal eine Woche wieder!“<br />

„Dir auch noch schöne Ferien“, spottete <strong>Lily</strong>.<br />

„Bis bald“, verabschiedete sich auch <strong>Dora</strong>, dann nahmen zuerst <strong>Lily</strong>,<br />

dann <strong>Dora</strong> ein wenig von dem Flohpulver, bevor sie in den Kamin<br />

traten <strong>und</strong> in den grünen Flammen laut „Ligusterweg Nummer<br />

4“ sagten.<br />

„<strong>Lily</strong>!“, war <strong>das</strong> erste, was diese hören konnte, als sie aus dem<br />

Kamin gestiegen kam.<br />

Sam stürzte s<strong>of</strong>ort auf sie zu <strong>und</strong> umarmte sie stürmisch. <strong>Lily</strong> hatte<br />

Mühe, sich auf den Beinen zu halten <strong>und</strong> als sie sich wieder gefangen<br />

hatte, zog sie ihre kleine Schwester schnell weg vom Kamin, in<br />

dem gerade <strong>Dora</strong> zum Vorschein kam.<br />

S<strong>of</strong>ort ließ Sam <strong>Lily</strong> los <strong>und</strong> rannte zu <strong>Dora</strong>. <strong>Lily</strong> nutzt die freie<br />

Zeit, um sich umzusehen. Die gesamte Familie Dursley hatte sich im<br />

Wohnzimmer versammelt <strong>und</strong> vor allem James schaute die Zwillinge<br />

unsicher an <strong>und</strong> als dann noch Pr<strong>of</strong>essor Granger aus dem Kamin<br />

kam, sprang er schnell zu seinen Vater auf den Schoß.<br />

Doch <strong>das</strong> waren nicht alle. Im Türrahmen lehnte noch eine weitere<br />

Person, die <strong>Dora</strong> s<strong>of</strong>ort erkannte. Es war Cho Chang, die Aurorin,<br />

die im Sommer bei Madame Malkins, aufgr<strong>und</strong> des Arbeitsmangels<br />

im Zaubereiministerium, ausgeholfen hatte.<br />

289


<strong>Dora</strong> winkte ihr zu <strong>und</strong> sie zwinkerte.<br />

„Hallo ihr beiden! Toller Auftritt übrigens!“, begrüßte Onkel Dudley<br />

seine beiden Adoptivtöchter lächelnd <strong>und</strong> betrachtete dabei abwechselnd<br />

die beiden <strong>und</strong> dann die Rußflecken auf dem Teppich, die<br />

sie mit jedem Schritt hinterließen.<br />

„Das ist kein Problem!“, meinte Pr<strong>of</strong>essor Granger, die Onkel Dudleys<br />

Blicken gefolgt war, <strong>und</strong> sie machte eine knappe Bewegung mit<br />

ihrem Zauberstab, woraufhin alle Flecken verschwanden.<br />

„Das hätte ich auch gekonnt!“, meinte Harry, der die großen Augen<br />

seiner Mutter sah.<br />

„Aber du darfst in den Ferien nun mal nicht zaubern!“, erinnerte<br />

ihn Pr<strong>of</strong>essor Granger.<br />

„Weiß ich“, meinte Harry. „Meine Eltern erinnern mich ja <strong>of</strong>t genug<br />

daran!“<br />

Er schaute seinen Vater mit bösen Augen an, musste dabei aber ein<br />

Grinsen unterdrücken.<br />

„Tja, ich erinnere mich noch gut an die Eulen, die man bekommt,<br />

wenn man sich nicht daran hält!“, meinte Onkel Dudley.<br />

Ein paar Sek<strong>und</strong>en wusste niemand wovon er sprach.<br />

„Dad?“, fragte <strong>Dora</strong> plötzlich.<br />

Onkel Dudley nickte. Pr<strong>of</strong>essor Granger, die die K<strong>of</strong>fer <strong>und</strong> die<br />

Eule der Zwillinge mitgebracht hatte, stellte alles ab <strong>und</strong> drehte sich<br />

schnell wieder um.<br />

„Cho, übernimmst du?“, fragte sie knapp.<br />

Ms. Chang nickte.<br />

„Okay, dann sehen wir uns in zwei Tagen. Ich schau dann hier mal<br />

nach dem Rechten! Auf Wiedersehen!“<br />

„Warten Sie“, hielt Dudley sie zurück. „Wir haben etwas vergessen!“<br />

Er zeigte auf die Eule, die neben dem S<strong>of</strong>a auf dem Boden in ihrem<br />

Käfig schlief.<br />

290


„Die gehört nach Hogwarts. Sie war verletzt, als sie im Sommer<br />

den Brief brachte! Sah ziemlich schlimm aus, aber inzwischen geht<br />

es ihr wieder gut“, sagte er.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger betrachtete <strong>das</strong> schlafende Tier.<br />

„Ach, hier ist sie also geblieben“, sagte Pr<strong>of</strong>essor Granger nachdenklich.<br />

„Aber wir haben inzwischen Ersatz <strong>und</strong> ihr hattet wahrscheinlich<br />

genug Arbeit damit, sie wieder ges<strong>und</strong> zu pflegen. Also<br />

falls James oder Sam sie wollen, dann sollen sie sie haben. Immerhin<br />

ist die Wahrscheinlichkeit groß, <strong>das</strong>s mindestens einer der beiden<br />

nach Hogwarts kommt!“<br />

Die Augen der beiden Kleinen begannen zu leuchten. Wie <strong>Lily</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Dora</strong> wussten, hatten sich hauptsächlich die beiden die letzten Monate<br />

über um <strong>das</strong> kranke Tier gekümmert <strong>und</strong> es schien ihnen richtig<br />

ans Herz gewachsen zu sein.<br />

„Was sagt man da?“, fragte Tante Emily.<br />

„Danke!“, sagten James <strong>und</strong> Sam gleichzeitig.<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger lachte <strong>und</strong> drehte sich um.<br />

„Also bis übermorgen!“<br />

Kurz nachdem sie ausgesprochen hatte, war sie auch schon verschw<strong>und</strong>en.<br />

Die gesamte Familie Dursley blickte ihr fragend hinterher.<br />

„Die hatte es aber eilig!“, meinte Emily nachdenklich. „So war sie<br />

doch normalerweise nicht!“<br />

Die anderen zuckten mit den Schultern <strong>und</strong> Cho Chang war die erste,<br />

die etwas dazu sagte.<br />

„Ich denke, sie mag es einfach nicht, wenn jemand vor ihr über<br />

Harry redet!“, meinte sie an Onkel Dudley gewandt. „Sie hat <strong>das</strong> alles<br />

immer noch nicht verkraftet. Es ist zwar lange her, aber sie hat<br />

gleich ihre drei besten Fre<strong>und</strong>e auf einmal verloren!“<br />

Als am Abend Onkel Dursley <strong>und</strong> Tante Emily zusammen mit den<br />

beiden Kleinen zu den Nachbarn gingen, schien für <strong>Dora</strong> die richtige<br />

Zeit gekommen zu sein. Sie hatte schon den ganzen Tag darauf gewartet,<br />

endlich mit Cho reden zu können. Sie wollte wissen, was die-<br />

291


se Aurorin alles wusste, denn Dean Thomas schien ja ziemlich in<br />

alles eingeweiht gewesen zu sein, doch mit ihm hatten die Zwillinge<br />

nicht reden wollen. Bei Ms. Chang fühlten sich die beiden einfach<br />

wohler <strong>und</strong> vor allem <strong>Dora</strong> hatte sie von Anfang an gemocht.<br />

Die Zwillinge saßen gemeinsam mit Harry <strong>und</strong> Ms. Chang auf der<br />

Couch <strong>und</strong> sahen fern. Als Harry den Raum verließ, drehte <strong>Dora</strong> den<br />

Fernseher leiser <strong>und</strong> schaute ihre Aufpasserin an.<br />

„Wir müssen Sie etwas fragen!“, sagte <strong>Dora</strong> leise, damit Harry<br />

auch sicher nichts hören konnte.<br />

Ms. Chang konnte sich nur schwer vom Fernseher losreißen. Die<br />

Zwillinge hatten <strong>das</strong> Gefühl, <strong>das</strong>s sie wohl noch nicht <strong>of</strong>t ein solches<br />

Muggelgerät gesehen haben musste.<br />

„Ja, natürlich!“, sagte sie abwesend, während sie immer wieder<br />

zwischen den Zwillingen <strong>und</strong> dem Fernseher hin <strong>und</strong> her blickte.<br />

„Würden Sie uns sagen, warum man Sie hierher bestellt hat?“,<br />

fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Ms. Chang schaute sie an <strong>und</strong> zuckte mit den Schultern.<br />

„Damit ich aufpasse, falls die Malfoys hier auftauchen sollten!“,<br />

sagte sie. „Ich dachte, ihr wisst <strong>das</strong>!?“<br />

„Ja, schon! Aber was genau wurde Ihnen erzählt?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

Ms. Chang runzelte die Stirn.<br />

„Hermine, also Pr<strong>of</strong>essor Granger, hat Mr. Thomas <strong>und</strong> mir nur gesagt,<br />

<strong>das</strong>s die Malfoys wohl irgendwas im Schilde führen, Peeves<br />

etwas damit zu tun haben scheint <strong>und</strong> <strong>das</strong>s wir uns keine Sorgen machen<br />

sollen, wenn ihr Post von irgendeinem Fremden bekommt,<br />

denn dieser scheint vertrauenswürdig zu sein. Aber wieso wollt ihr<br />

<strong>das</strong> wissen?“, fragte sie.<br />

Die Zwillinge überlegten kurz.<br />

„Das ist wirklich alles?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

Ms. Chang nickte.<br />

„Ja, <strong>das</strong> ist alles. Ich weiß auch nicht wirklich, was <strong>das</strong> soll, denn<br />

die Malfoys würden euch nie im Leben etwas antun. Die waren jahrelang<br />

in Askaban <strong>und</strong> können sich doch mit Sicherheit kaum aus<br />

292


ihrem Wohnzimmer bewegen, aber Pr<strong>of</strong>essor Granger meinte, <strong>das</strong>s<br />

sie sich besser fühlt, wenn jemand bei euch ist <strong>und</strong> ihr müsst verstehen,<br />

<strong>das</strong>s ich diese Arbeit anderen Beschäftigungen vorziehe! Als sie<br />

ins Ministerium gekommen ist <strong>und</strong> meinte, <strong>das</strong>s sie Mr. Thomas <strong>und</strong><br />

mich braucht, um trollige Torfschnüffler für Pr<strong>of</strong>essor Hagrid zu<br />

transportieren, da waren wir schon ganz aus dem Häuschen. Aber als<br />

sie dann erzählt hat, worum es wirklich geht, da wären wir am liebsten<br />

feiern gegangen. So eine spannende Aufgabe hatten wir noch<br />

nie!“<br />

Die Zwillinge begannen zu lächeln.<br />

„Und Sie haben nicht nachgefragt, wie Pr<strong>of</strong>essor Granger überhaupt<br />

auf die Idee kommt, <strong>das</strong>s die Malfoys hinter uns her sind?“,<br />

fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Nein. Das Risiko, <strong>das</strong>s ich diesen Job verliere, gehe ich nicht ein!“<br />

„Wer ist hinter euch her?“, fragte plötzlich jemand. „Wusste ich es<br />

doch, <strong>das</strong>s da etwas nicht stimmt!“<br />

Harry tauchte plötzlich in der Wohnzimmertür auf <strong>und</strong> schaute die<br />

Zwillinge fragend an. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> schauten sich erschrocken an.<br />

Sie konnten nicht auch noch ihm davon erzählen, wo sie doch schon<br />

dafür verantwortlich waren, <strong>das</strong>s Ted <strong>und</strong> Scott ebenfalls eingesperrt<br />

wurden.<br />

Er trat zur Couch <strong>und</strong> stellte sich vor die Zwillinge.<br />

„Jetzt kommt schon! Es hat doch sicher etwas damit zu tun, <strong>das</strong>s<br />

ihr in Hogwarts nicht aus dem Schloss dürft! Nicht mal zu den Flugst<strong>und</strong>en<br />

dürft ihr!“<br />

Harry schaute die beiden böse an.<br />

„Pr<strong>of</strong>essor Granger… sie meinte, <strong>das</strong>s… <strong>das</strong>s…“, begann <strong>Dora</strong>.<br />

Er zog eine Augenbraue hoch <strong>und</strong> sah <strong>Dora</strong> fragend an.<br />

„Sie meinte, <strong>das</strong>s ihr jemand einen Brief geschrieben hat, indem<br />

stand, <strong>das</strong>s er unseren Dad nicht gemocht hatte <strong>und</strong> <strong>das</strong>s sie besser<br />

auf uns aufpassen soll!“, erzählte <strong>Lily</strong> schnell.<br />

„Ja genau. So war es!“, stimmte auch <strong>Dora</strong> zu.<br />

293


Harry ging zum Fenster, schaute kurz nach draußen <strong>und</strong> drehte sich<br />

dann wieder zu den Zwillingen um.<br />

„Also ich bin zwar nicht in Ravenclaw, aber blöd bin ich auch<br />

nicht!“, sagte er. „Wenn es so wäre, dann würden die nicht auch<br />

noch eure beiden Fre<strong>und</strong>e, Ted <strong>und</strong> Scott, einsperren, oder?“<br />

<strong>Lily</strong> überlegte kurz.<br />

„Ähm… die beiden werden nicht eingesperrt. Die weigern sich nur<br />

aus dem Schulgebäude zu gehen, solang sie nicht wissen, warum wir<br />

nicht raus dürfen!“<br />

Harry zog seine Augenbrauen hoch.<br />

„Wer’s glaubt!“, meinte er. „Ich finde es schon noch raus, <strong>und</strong><br />

wenn ich Hagrid bestechen muss. Der sagt es mir schon irgendwann!“<br />

Er drehte sich um <strong>und</strong> stapfte wütend aus dem Wohnzimmer. Einen<br />

Moment lang sagte niemand etwas <strong>und</strong> nur die gedämpften Stimmen<br />

aus dem Fernseher durchbrachen die drückende Stille, die zwischen<br />

den Zwillingen herrschte. Sie sahen sich nur schuldig an.<br />

„Pr<strong>of</strong>essor Granger lässt euch nicht aus dem Schloss?“, fragte Ms.<br />

Chang nach eine Weile ungläubig.<br />

Die Zwillinge schüttelten ihre Köpfe.<br />

„Wir müssen schon froh sein, wenn sie uns allein nach unten zu<br />

den Kerkern gehen lässt!“, meinte <strong>Lily</strong> missgelaunt.<br />

„Ach, übertreib nicht!“, forderte ihre Schwester sie auf.<br />

„Dann scheint sie sich wirklich Sorgen zu machen“, meinte Ms.<br />

Chang. „Sonst würde sie euch nie eine St<strong>und</strong>e verpassen lassen, egal<br />

ob es eine Flugst<strong>und</strong>e oder etwas anderes ist. So ist sie nicht!“<br />

„Oder aber sie will nur unser Vertrauen nicht verlieren oder später<br />

nicht daran schuld sein, wenn uns was passiert!“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ja, daran will sie sicher nicht schuld sein“, meinte Ms. Chang.<br />

„Sie würde nie wollen, <strong>das</strong>s den Töchtern ihrer beiden besten Fre<strong>und</strong>e<br />

etwas zustößt! Sie tut mit Sicherheit alles, damit es euch gut geht<br />

<strong>und</strong> damit ihr euch wohl fühlt, also bitte verzeiht ihr <strong>das</strong>. Pr<strong>of</strong>essor<br />

Granger wollte noch nie jemandem etwas Böses!“<br />

294


Die Zwillinge nickten. Es schien ja alles einleuchtend, was Ms.<br />

Chang sagte, aber wenn in den Augen von Pr<strong>of</strong>essor Granger doch<br />

sowieso keine Gefahr bestand, wovor wollte sie sie dann schützen?<br />

Sie wollte anscheinend wirklich nur auf Nummer sicher gehen.<br />

„Wir sind wieder da!“, schrie plötzlich jemand, als die Zwillinge<br />

die Haustüre aufgehen hörten.<br />

Sam kam hereingestürzt <strong>und</strong> sie zwängte sich auf der Couch zwischen<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>. Sie schaute fragend von einem Mädchen zum<br />

anderen.<br />

„Also was wollt ihr spielen?“, fragte sie, als die beiden nichts sagten.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> schauten sich leicht genervt an, dann standen sie auf<br />

<strong>und</strong> folgten ihrer kleinen Cousine, die Treppe hoch in ihr Zimmer.<br />

„Habt ihr wirklich gezaubert?“, fragte Sam, als sie aus ihrer Truhe<br />

Spielzeug kramte. „Harry erzählt immer, <strong>das</strong>s er mit einem Zauberstab<br />

zaubern kann <strong>und</strong> <strong>das</strong>s er <strong>das</strong> in der Schule lernt. Ist <strong>das</strong> wahr?“<br />

Sam drehte sich wieder zu den Zwillingen um <strong>und</strong> diese nickten.<br />

„Aber er sagt immer, <strong>das</strong>s ich es niemandem in meiner Schule erzählen<br />

darf. Warum muss ich dann schreiben <strong>und</strong> rechnen lernen,<br />

wenn ihr zaubern dürft?“, fragte sie <strong>und</strong> machte einen Schmollm<strong>und</strong>.<br />

„Weil wir älter sind als du. Wir mussten auch erstmal schreiben<br />

<strong>und</strong> rechnen lernen. Wenn du so alt bist wie wir, dann darfst du<br />

wahrscheinlich auch zaubern lernen!“, erklärte <strong>Dora</strong> ihrer kleinen<br />

Cousine.<br />

„Aber <strong>das</strong> dauert ja noch sooo lange“, beschwerte sich Sam. „Und<br />

warum konntet ihr dann <strong>das</strong> schon vorher? Ich meine <strong>das</strong>s ihr Kätzchen<br />

werden konntet <strong>und</strong> <strong>das</strong>s ihr Dinge durch die Luft fliegen lassen<br />

könnt. Warum musstet ihr <strong>das</strong> nicht in der Schule lernen <strong>und</strong><br />

wieso kann ich <strong>das</strong> nicht?“<br />

„Glaub mir, <strong>das</strong> wüssten wir selbst gern“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

Sam drückte beiden einen Würfel in die Hand <strong>und</strong> stellte <strong>das</strong><br />

Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel vor den Zwillingen auf.<br />

295


„Mami hat auch gesagt, <strong>das</strong>s sie nicht weiß, warum ihr <strong>das</strong> könnt!“,<br />

sagte sie, während sie von jeder Farbe vier Spielfiguren aus der Box<br />

sortierte. „Aber ich will <strong>das</strong> auch gerne können!“<br />

„Das lernst du dann schon in der Schule. Du musst nur noch ein<br />

bisschen warten! Schau, James kann ja auch nicht zaubern!“<br />

„Ja, aber er darf schon nächstes Jahr. Er ist ja dann schon elf Jahre<br />

alt <strong>und</strong> ich bin dann erst acht!“, meinte Sam.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> lächelten sich an.<br />

„Wer beginnt?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Sam war inzwischen fertig damit, alles auf den Boden ihres Zimmers<br />

zu räumen <strong>und</strong> die drei setzten sich ebenfalls dorthin <strong>und</strong> Sam<br />

begann zu würfeln.<br />

„Ich!“, sagte sie <strong>und</strong> schon war ihre Trauer darüber, <strong>das</strong>s sie noch<br />

nicht zaubern durfte, verflogen.<br />

Die Tage vergingen schnell <strong>und</strong> bald war auch schon wieder der<br />

letzte Abend angebrochen. Sam versuchte jeden Tag wieder, die<br />

Zwillinge zu überreden, nicht wieder zurück nach Hogwarts zu gehen.<br />

Sie sagte, <strong>das</strong>s es einfach schrecklich sei hier, ohne sie <strong>und</strong> <strong>das</strong>s<br />

James alleine nicht auszuhalten wäre, denn wenn dieser Harry nicht<br />

hatte, dann wollte er den ganzen Tag mit ihr streiten.<br />

Die Zwillinge lächelten <strong>und</strong> erklärten ihr, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> nicht ging. Aber<br />

sie versprachen ihr, den ersten Monat in den Sommerferien sicher<br />

jeden Tag mit ihr zu spielen. Dieser Vorschlag zauberte ein Lächeln<br />

auf <strong>das</strong> Gesicht ihrer Cousine.<br />

Emily brachte gerade Sam zu Bett, während sich die anderen Familienmitglieder<br />

um den großen Tisch versammelt hatten, wo sie gerade<br />

eben zu Abend gegessen hatten.<br />

„Onkel Dudley, wir wissen, <strong>das</strong>s Dad hier gelebt hat früher“, sagte<br />

<strong>Dora</strong> plötzlich. „Aber warum erzählst du nie etwas davon?“<br />

Onkel Dudley schloss die Augen <strong>und</strong> legte Gabel <strong>und</strong> Messer weg.<br />

Dann schaute er die Zwillinge abwechselnd an. In den letzten Wochen<br />

waren sie neugierig geworden. Sie wollten wissen, wer <strong>und</strong> vor<br />

allem wie ihre Eltern gewesen waren.<br />

296


Es dauerte eine Weile, bis Onkel Dudley zu sprechen begann.<br />

„Ihr wollt also etwas über ihn wissen? Ich wusste nicht, ob ich etwas<br />

sagen sollte oder nicht… Wisst ihr, damals war alles nicht ganz<br />

einfach!“<br />

Er machte eine kurze Pause.<br />

„Was war nicht einfach?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ich nehme an, <strong>das</strong>s ihr gehört habt, <strong>das</strong>s es ihm hier nicht besonders<br />

gut ging, oder?“<br />

Die Zwillinge nickten. Es war kein großes <strong>Geheimnis</strong>, <strong>das</strong>s er es<br />

nie leicht gehabt hatte bei den Dursleys. Aber wie genau es dazu gekommen<br />

war wussten die beiden nicht.<br />

„Aber wieso?“, antworteten ihm beide gleichzeitig.<br />

„Na ja, ihr kennt doch meine Eltern. Erinnert ihr euch noch daran,<br />

wie sie eure Briefe gesehen haben? Genauso haben sie damals auch<br />

bei Harry reagiert. Mein Dad hat uns sogar auf eine Insel verschleppt,<br />

damit sie euren Vater nicht finden konnten. Er war immer<br />

für alles, was normal ist. Und dann meine Mum. Sie war nie gut auf<br />

ihre Schwester zu sprechen, weil diese eine Hexe war, sie selbst aber<br />

nicht. Als sie Harry dann bekommen haben, hat sich ihr Hass von<br />

ihrer Schwester praktisch auf ihn übertragen <strong>und</strong> als dann immer<br />

mehr zum Vorschein kam, <strong>das</strong>s auch er ein Zauberer war, dann war<br />

es endgültig vorbei. Sie wollten auf keinen Fall, <strong>das</strong>s jemand mitbekommt,<br />

wen sie da bei sich zu Hause versteckten <strong>und</strong> so behandelten<br />

sie ihn schlecht. Ich frage mich jetzt noch immer, wie er <strong>das</strong> ausgehalten<br />

hat…“<br />

Wieder machte Onkel Dudley eine kurze Pause, diesmal aber sagte<br />

niemand etwas. Auch Harry <strong>und</strong> James hörten gespannt zu.<br />

„Ich will aber jetzt nicht den beiden die ganze Schuld geben… Ich<br />

habe schon ganz früh festgestellt, <strong>das</strong>s ich besser behandelt worden<br />

bin, wenn ich Harry entweder ignoriert oder gequält habe. Damals<br />

war ich ein verwöhntes Kind <strong>und</strong> habe <strong>das</strong> gemacht, was mir selbst<br />

geholfen hat. An andere gedacht habe ich nie bis… bis er mir <strong>das</strong><br />

Leben gerettet hat. Erst dann habe ich zu denken begonnen. Ich habe<br />

297


darüber nachgedacht, ob ich mich wohl an seiner Stelle auch gerettet<br />

hätte <strong>und</strong> bin zu dem Entschluss gekommen, <strong>das</strong>s ich jemanden, der<br />

mich über Jahre hinweg so behandelt hätte, nie geholfen hätte. Ich<br />

habe es gerade noch geschafft, ihm zu sagen, <strong>das</strong>s es mir leid tut <strong>und</strong><br />

<strong>das</strong>s ich ein egoistischer Mistkerl war, als…“<br />

Er stoppte seine Erzählung <strong>und</strong> stand auf. Auf dem Fensterbrett<br />

stützte er sich mit beiden Armen ab <strong>und</strong> sah hinaus in die Dunkelheit,<br />

zu den hell erleuchteten Fenstern der Nachbarn. Dann wandte er<br />

sich ab <strong>und</strong> ging zur Tür.<br />

„Kinder, es ist spät. Ihr solltet jetzt ins Bett!“<br />

Onkel Dudley drehte sich nicht mehr um, sondern stieg die Treppe<br />

hinauf, vermutlich in sein Schlafzimmer. Die Kinder blieben um den<br />

Tisch herum sitzen.<br />

„Ich hab <strong>das</strong> gar nicht gewusst, <strong>das</strong>s unser Dad euren Dad nicht<br />

gemocht hat“, sagte James nach einer kurzen Stille.<br />

„Hab ihm alles erzählt, was wir in Hogwarts so erfahren haben. Er<br />

weiß also alles“, grinste Harry.<br />

Die Zwillinge lächelten.<br />

„Ja, aber er hat nur getan, was gut für ihn war, also ich verstehe ihn<br />

schon!“, sagte <strong>Dora</strong> nachdenklich. „Aber es w<strong>und</strong>ert mich, <strong>das</strong>s er<br />

uns beide dann aufgenommen hat, obwohl ihm über Jahre hinweg<br />

immer gesagt wurde, <strong>das</strong>s alles Magische verboten gehört.“<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Irgendwann werden wir es schon erfahren. Wir wissen ja nicht<br />

mal, wie genau wir überhaupt hier her gekommen sind <strong>und</strong> vor allem<br />

aus welchem Gr<strong>und</strong>!“, sagte sie.<br />

„Er wird es euch erzählen. Aber es scheint auch für ihn nicht leicht<br />

zu sein, also lasst ihm Zeit“, meinte Harry.<br />

Es gab soviel herauszufinden über die ersten Lebensmonate der<br />

Zwillinge <strong>und</strong> über deren Eltern. Es bestand also kein Gr<strong>und</strong>, Onkel<br />

Dudley etwas zu fragen, was noch Zeit hatte <strong>und</strong> ihm nur <strong>das</strong> Leben<br />

schwer machen würde.<br />

298


„<strong>Lily</strong>, wir gehen jetzt besser auch schlafen, wir werden morgen<br />

sehr früh abgeholt. Wie kommt es eigentlich, <strong>das</strong>s du heute nicht mit<br />

dem Hogwarts-Express gefahren bist?“, fragte <strong>Dora</strong> ihren Cousin.<br />

„Na glaubst du, ich geh einen Tag früher wieder zur Schule? Da<br />

kennst du mich schlecht! Komm mit, James, wir gehen schlafen“,<br />

sagte Harry.<br />

„Ich dachte, dir gefällt es in Hogwarts!“, überlegte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ja, tut es ja auch, aber <strong>das</strong> heißt nicht, <strong>das</strong>s ich mich wie ein Streber<br />

verhalten <strong>und</strong> früher da sein muss, wenn es nicht sein muss! Außerdem<br />

möchte ich auch mal so eine Extrabehandlung wie ihr bekommen<br />

<strong>und</strong> mit Flohpulver bin ich auch noch nie gereist!“<br />

„Wer als erstes oben ist!“, rief James.<br />

Augenblicklich rannten alle los <strong>und</strong> es gab lautes Getrampel im<br />

Treppenhaus. <strong>Lily</strong> war die erste, die oben angekommen war. Gr<strong>und</strong><br />

dafür war, <strong>das</strong>s sie sich wieder in <strong>das</strong> rote Kätzchen verwandelt hatte.<br />

Harry schaute sie böse an.<br />

„Hast du wohl sehr vermisst in Hogwarts, oder?“, fragte er.<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Und wie!“, sagte sie.<br />

„Darfst du <strong>das</strong> überhaupt? Ich dachte zaubern ist verboten!“, sagte<br />

Harry mit einem siegessicheren Grinsen auf den Lippen.<br />

„Ach, die schmeißen mich schon nicht gleich raus beim ersten Mal<br />

<strong>und</strong> wenn die mich ermahnen, dann mach ich es eben nicht mehr.<br />

Wenn nicht, dann ist alles gut!“, erwiderte <strong>Lily</strong>.<br />

Dann verabschiedeten sich die Mädchen von James (Harry redete<br />

sowieso nicht mehr mit ihnen) <strong>und</strong> gingen in ihr Schlafzimmer. Das<br />

Fenster war den ganzen Tag über <strong>of</strong>fen gewesen <strong>und</strong> auf dem Fensterbrett<br />

saß die Eule des Unbekannten mit einem Brief <strong>und</strong> einem<br />

Paket, welches in braunes Papier eingewickelt war.<br />

<strong>Lily</strong> nahm den Brief, während <strong>Dora</strong> den leeren Käfig von Hedwig<br />

öffnete <strong>und</strong> die andere Eule hineinließ, damit diese an Wasser <strong>und</strong><br />

Futter kam.<br />

„Komm, lies mit!“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

299


<strong>Dora</strong> stellte sich neben ihre Schwester <strong>und</strong> begann ebenfalls zu lesen.<br />

Liebe <strong>Lily</strong>, liebe <strong>Dora</strong>!<br />

Es tut mir leid, <strong>das</strong>s ich euch erst jetzt antworte! Aus<br />

Gründen, die ich euch jetzt nicht nennen kann, konnte ich<br />

euch nicht früher eine Eule schicken.<br />

Danke, <strong>das</strong>s ihr mir so schnell von den Malfoys <strong>und</strong> dem<br />

vierten Horkrux berichtet habt. Ehrlich gesagt habe ich<br />

mich schon gew<strong>und</strong>ert, <strong>das</strong>s sie den Becher solange nicht<br />

gef<strong>und</strong>en haben, denn sie haben viel Macht, vor allem<br />

über Peeves, <strong>und</strong> vermutlich haben sie inzwischen alles<br />

durchsucht <strong>und</strong> auf den Kopf gestellt, woran sie kommen<br />

konnten. Ihr müsst vorsichtig sein. Geht nicht aus dem<br />

Haus oder aus dem Schloss!<br />

Doch seid beruhigt, die anderen beiden Gegenstände<br />

scheinen für den Moment sicher zu sein! Doch schon<br />

alleine der Becher in ihren Händen wäre vernichtend.<br />

Inzwischen wissen wir ja, <strong>das</strong>s Lucius immer stärker<br />

wird, wenn er einen Horkrux bekommt <strong>und</strong> er konnte<br />

schon nach dem letzten Horkrux in den Wald flüchten.<br />

Das heißt, <strong>das</strong>s er, als er am Bahnh<strong>of</strong> war, wohl den<br />

Becher schon hatte.<br />

Die beiden werden euch nichts tun, <strong>das</strong> verspreche ich<br />

euch! Ich tue alles, damit ihr sicher seid, egal wo ihr<br />

euch aufhaltet! Ich bin in eurer Nähe <strong>und</strong> passe auf!<br />

Besorgt euch viel von diesem Tagtraumpulver <strong>und</strong> schaut<br />

so <strong>of</strong>t wie möglich bei den Malfoys vorbei. Wenn<br />

irgendetwas Besonderes vorfällt, dann richtet mir <strong>das</strong><br />

bitte s<strong>of</strong>ort aus! Ich will auf der Stelle einen Brief<br />

erhalten, verstanden?<br />

Keine Sorge, wenn ihr wollt, <strong>das</strong>s ich Pr<strong>of</strong>essor Granger<br />

nichts sage, dann mache ich <strong>das</strong> auch nicht. Ich dachte<br />

300


301<br />

eigentlich, <strong>das</strong>s sie euch glauben wird, egal wie<br />

unglaublich eure Geschichte scheint. Ich werde wohl<br />

noch etwas Überzeugungsarbeit leisten müssen!<br />

Ich h<strong>of</strong>fe, euch geht es gut! Wie war euer Weihnachtsfest<br />

bei den Weasleys? Erzählt mir davon!<br />

Wie schon gesagt konnte ich euch nicht früher schreiben,<br />

doch hier habe ich noch ein kleines Weihnachtsgeschenk<br />

für euch! Viel Spaß damit!<br />

<strong>Lily</strong> drückte <strong>Dora</strong> den Brief in die Hand <strong>und</strong> öffnete <strong>das</strong> Geschenk.<br />

Es kam ein Buch zum Vorschein. In großen Lettern wurde auf dem<br />

Umschlag „Quidditch im Wandel der Zeiten“ verkündet. Autor des<br />

Werkes war Kennilworthy Whisp <strong>und</strong> innen im Umschlag stand in<br />

schnörkeliger Schrift der Name „Harry Potter“.<br />

„Das hat Dad gehört“, meinte <strong>Lily</strong> leise.<br />

„Und er scheint es ziemlich <strong>of</strong>t gelesen zu haben“, antwortete <strong>Dora</strong>,<br />

die <strong>das</strong> Weihnachtsgeschenk des Unbekannten genau betrachtete.<br />

Man erkannte genau, <strong>das</strong>s es <strong>of</strong>t durchgeblättert worden war <strong>und</strong><br />

einige Ecken von Seiten waren umgebogen.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> blätterten die Seiten durch <strong>und</strong> betrachteten die Bilder<br />

mit den Menschen, die durch die Lüfte sausten. Anfangs auf Besen<br />

aus dem Mittelalter, mit denen sie um Kirchturmspitzen flogen<br />

<strong>und</strong> dann auf modernen Rennbesen, auf denen sie dem kleinen, goldenen<br />

Schnatz hinterher jagten.<br />

„Na dann sind wir ja gut gerüstet, wenn die uns nächstes Jahr spielen<br />

sehen wollen!“, stellte <strong>Lily</strong> fest. „Schön langsam glaube ich sogar,<br />

<strong>das</strong>s wir <strong>das</strong> schaffen könnten!“<br />

„S<strong>of</strong>ern wir dann aus dem Schloss dürfen“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Ja, <strong>das</strong> ist die Gr<strong>und</strong>voraussetzung! Schreibst du ihm noch schnell<br />

zurück?“<br />

Während sich <strong>Lily</strong> in ihr neues altes Buch vertiefte, schrieb <strong>Dora</strong><br />

ein paar Sätze auf ein neues Blatt Papier.


Hallo!<br />

Uns geht es sehr gut, danke!<br />

Danke für <strong>das</strong> Weihnachtsgeschenk. <strong>Lily</strong> beginnt gerade<br />

damit es zu lesen, während ich hier schreibe. Nachdem<br />

die anderen uns sowieso schon gesagt haben, <strong>das</strong>s wir<br />

nächstes Jahr Quidditch spielen müssen, schadet es uns<br />

wohl nicht, <strong>das</strong> Buch zu lesen.<br />

Nach dem Aussehen des Buches zu urteilen, muss Dad es<br />

<strong>of</strong>t gelesen haben, stimmt’s?<br />

Weihnachten mit den Weasleys war große Klasse. Die<br />

sind alle total nett <strong>und</strong> von Onkel George haben wir<br />

auch großen Nachschub an Tagtraumpulver bekommen.<br />

Wir können die Malfoys also noch ein paar Mal<br />

beobachten.<br />

Wenn wir etwas herausfinden, dann teilen wir es Ihnen<br />

natürlich so schnell wie möglich mit <strong>und</strong> wir werden<br />

versuchen, vorsichtig zu sein.<br />

<strong>Lily</strong>, Ted <strong>und</strong> ich überlegen schon die ganzen Ferien,<br />

was wir unternehmen können, doch uns fällt nichts ein.<br />

Die Malfoys sind da draußen <strong>und</strong> werden immer stärker.<br />

Was können wir machen?<br />

Danke nochmals für <strong>das</strong> Buch!<br />

Liebe Grüße,<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

„Okay, ich bin fertig, lass mich mitlesen!“, sagte <strong>Dora</strong>, während sie<br />

den Brief am Bein der Eule befestigte.<br />

Diese machte sich s<strong>of</strong>ort auf den Weg aus dem Fenster. <strong>Dora</strong> blickte<br />

ihr noch hinterher.<br />

„Mich würde interessieren, wo die hinfliegt <strong>und</strong> vor allem, zu wem<br />

sie fliegt!“, meinte sie, in Gedanken versunken. „Mach Platz!“<br />

302


<strong>Dora</strong> legte sich neben <strong>Lily</strong> ins Bett <strong>und</strong> begann ebenfalls zu lesen.<br />

Doch <strong>das</strong> taten die beiden nicht mehr lange, denn es war inzwischen<br />

fast zehn Uhr <strong>und</strong> wenn sie morgen schon um sechs Uhr abreisen<br />

mussten, dann war es höchste Zeit, um schlafen zu gehen.<br />

Nachdem <strong>Dora</strong> in ihr Bett gegangen war <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> <strong>das</strong> Licht ausgeschaltet<br />

hatte, dauerte es nicht lange, bis die beiden tief <strong>und</strong> fest eingeschlafen<br />

waren.<br />

Am nächsten Morgen wurden <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> bereits kurz nach fünf<br />

ziemlich unsanft geweckt. Sam war ins Zimmer gelaufen <strong>und</strong> hatte<br />

sich einen Spaß daraus gemacht, auf den Betten der Zwillinge herum<br />

zu hüpfen.<br />

„Ihr sollt aufstehen, hat Mami gesagt!“, schrie sie.<br />

„Sam“, murmelte <strong>Dora</strong>. „Geh runter von meinem Fuß!“<br />

„Und halt deinen M<strong>und</strong>“, fügte <strong>Lily</strong> hinzu.<br />

„Nein, eure Lehrerin kommt bald <strong>und</strong> holt euch ab! Ihr müsst wieder<br />

mit dem Kamin fahren! Also steht auf!“, brüllte <strong>das</strong> kleine Mädchen<br />

fröhlich.<br />

„Ja“, keuchte <strong>Lily</strong>, die Augen immer noch geschlossen. „Wir kommen<br />

schon!“<br />

„Aber Mami sagt, ich soll euch solange aufwecken, bis ihr wirklich<br />

aufsteht!“, jammerte Sam <strong>und</strong> hüpfte wieder auf <strong>Lily</strong>s Bett.<br />

„Aua, <strong>das</strong> war meine Hand!“, schrie diese <strong>und</strong> riss die Augen auf.<br />

„Was tust du eigentlich um so eine Zeit schon hier? Du solltest doch<br />

eigentlich schlafen!“<br />

Sam hüpfte auf <strong>Lily</strong>s Bett wie auf einem Trampolin, dann sprang<br />

sie auf den Boden <strong>und</strong> drehte <strong>das</strong> Licht auf.<br />

„Nein! Gestern beim Schlafengehen hat mir Mami gesagt, <strong>das</strong>s sie<br />

mich heute aufweckt, damit ich euch <strong>und</strong> Harry noch sehen kann,<br />

bevor ihr wieder weggeht!“<br />

„Das ist aber nett von Tante Emily“, meinte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> setzte sich<br />

langsam auf.<br />

Etwa fünf Minuten später waren die Zwillinge aus ihren Betten gekommen<br />

<strong>und</strong> packten, mit Sams Hilfe, noch ihre restlichen Sachen in<br />

303


ihre K<strong>of</strong>fer. Ihre Hilfe war jedoch nicht von langer Dauer, denn als<br />

sie <strong>das</strong> Buch des Unbekannten sah, nahm sie es s<strong>of</strong>ort an sich <strong>und</strong><br />

blätterte die Seiten durch, welche sie mit großen Augen anstarrten.<br />

„Warum bewegen sich die Fotos da?“, fragte sie kurze Zeit später.<br />

„Das ist ein Zauberbuch. Da bewegen sich alle Bilder!“, erklärte<br />

<strong>Dora</strong> ihrer kleinen Cousine.<br />

„Krieg ich so ein Buch dann auch mal?“, fragte diese.<br />

„Aber klar doch! Du kriegst sogar viele, wo sich die Bilder bewegen!“,<br />

meinte <strong>Lily</strong>.<br />

„Cool“, antwortete Sam <strong>und</strong> starrte weiter in <strong>das</strong> Buch.<br />

„Darf ich es jetzt haben? Ich will es mitnehmen?“<br />

Sam stand vom Boden auf <strong>und</strong> reichte <strong>das</strong> Buch an <strong>Lily</strong>, welche es<br />

vorsichtig mit in ihren K<strong>of</strong>fer packte.<br />

„Ach ja, ihr sollt euch beeilen, weil <strong>das</strong> Frühstück schon fertig<br />

ist!“, meinte Sam dann. „Ich geh jetzt zu Harry <strong>und</strong> sag dem, <strong>das</strong>s er<br />

aufstehen soll!“<br />

Sie winkte den beiden noch zu, dann lief sie aus dem Zimmer.<br />

„Klar, <strong>das</strong>s sie ihn wieder länger schlafen gelassen hat!“, meinte<br />

<strong>Lily</strong>.<br />

„Sie wollte uns eben vorher sehen“, antwortete <strong>Dora</strong> grinsend.<br />

„Ja, schon klar! Ich werde sie auch furchtbar vermissen!“, sagte <strong>Lily</strong><br />

<strong>und</strong> gähnte. „Wir hätten früher schlafen gehen sollen!“<br />

<strong>Dora</strong> nickte.<br />

„Der Fremde ist schuld, der hat uns mit seinem Brief <strong>und</strong> dem<br />

Buch wach gehalten! Es gehört ihm mal gesagt, <strong>das</strong>s er am Tag<br />

schreiben soll! Bist du fertig?“<br />

Auch <strong>Lily</strong> hatte alles eingepackt <strong>und</strong> so machten sich die beiden<br />

auf den Weg nach unten, obwohl sie nicht wussten, w<strong>of</strong>ür es jetzt<br />

extra für sie um solch eine Zeit Frühstück gab. In Hogwarts hätten<br />

sie sowieso etwas bekommen.<br />

Harry kam etwa zwanzig Minuten nach den Zwillingen die Treppe<br />

hinab. Sam hatte es nicht geschafft ihn zu wecken <strong>und</strong> so musste<br />

Tante Emily ihn holen. Gähnend betrat er <strong>das</strong> Wohnzimmer.<br />

304


„Mann, sie ist doch noch gar nicht da! Warum musste ich dann<br />

schon aufstehen?“, murmelte er <strong>und</strong> legte sich auf die Couch, wo er<br />

gleich wieder die Augen schloss.<br />

Kurz nach ihm kam auch James ins Wohnzimmer gestürzt.<br />

„Ich geh heute nicht in die Schule“, verkündete er lautstark.<br />

Tante Emily blickte durch die Tür aus der Küche zu ihm<br />

„Warum willst du denn schon wieder nicht zur Schule?“, fragte sie<br />

gelangweilt.<br />

„Weil Harry, <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> in eine Schule gehen, in der es lustig<br />

ist <strong>und</strong> die brauchen nicht so einen Blödsinn zu lernen wie ich!“,<br />

meckerte er <strong>und</strong> setzte sich vor Harrys Beine auf <strong>das</strong> S<strong>of</strong>a. „Er hat<br />

mir gestern Abend alles erzählt, was die dort machen dürfen <strong>und</strong> ich<br />

will da auch s<strong>of</strong>ort hin! Immerhin bin ich nur ein Jahr jünger als<br />

Harry <strong>und</strong> warum darf ich dann nicht?“<br />

Tante Emily lächelte <strong>und</strong> trat ins Wohnzimmer.<br />

„Warte noch zirka neun Monate, dann darfst du auch dorthin. Aber<br />

wenn du heute nicht in die Schule gehst <strong>und</strong> sitzen bleibst, dann<br />

musst du noch ein Jahr länger auf diese Schule, also überlege es dir<br />

gut!“, meinte sie.<br />

„Immer <strong>das</strong>selbe! Harry hat es sowieso immer besser als ich!“<br />

James stand auf <strong>und</strong> verließ sauer den Raum. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> lachten<br />

<strong>und</strong> sogar Harry auf dem S<strong>of</strong>a hob die M<strong>und</strong>winkel an, während<br />

Tante Emily nur die Augen verdrehte.<br />

„Harry, ich hab dir doch gesagt, du sollst ihm nicht so vorschwärmen.<br />

Du siehst ja, was dabei rauskommt!“, meinte sie.<br />

„Tut mir leid, Mum. Ich konnte nicht anders. Du glaubst ja gar<br />

nicht, wie neidisch der war!“, lachte Harry, der plötzlich hellwach<br />

war. „Es musste einfach sein!“<br />

Tante Emily schüttelte den Kopf <strong>und</strong> ging wieder zurück in die<br />

Küche, während <strong>Lily</strong> den Fernseher aufdrehte.<br />

„Willst du auch noch was essen, Harry?“, kam wenig später eine<br />

Stimme aus der Küche, doch niemand achtete weiter darauf, weil<br />

305


genau in diesem Moment die Flammen im Kamin grün wurden <strong>und</strong><br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger auftauchte.<br />

Sek<strong>und</strong>en später erschien auch Ms. Chang im Wohnzimmer.<br />

„Hallo Kinder!“, begrüßte Pr<strong>of</strong>essor Granger <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong>, Harry <strong>und</strong><br />

Sam, welche schnell zu ihrer Mutter in die Küche gelaufen war.<br />

„Seid ihr soweit?“<br />

Die Zwillinge nickten <strong>und</strong> Harry sprang auf.<br />

„Ich muss noch schnell meinen K<strong>of</strong>fer holen!“, rief er.<br />

Wie der Krach wenige Augenblicke später bestätigte, hatte Harry<br />

seinen K<strong>of</strong>fer noch nicht mal gepackt. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> lächelten <strong>und</strong><br />

holten ihre K<strong>of</strong>fer, welche sie vorher schon am Treppenabsatz platziert<br />

hatten, gemeinsam mit dem Eulenkäfig, in dem Hedwig ruhig<br />

schlummerte, ins Wohnzimmer.<br />

Kurze Zeit danach kam auch Harry völlig außer Puste wieder herab,<br />

James im Schlepptau.<br />

„Gut, dann wären wir ja soweit!“, meinte Pr<strong>of</strong>essor Granger, welche<br />

sich in der Zwischenzeit mit Ms. Chang <strong>und</strong> mit Tante Emily<br />

unterhalten hatte. „Wir müssen uns sowieso beeilen, da ich noch etwas<br />

für Hagrid zu erledigen habe. Der hat sich wieder mit ein paar<br />

Tieren abgegeben, die nicht aufs Schlossgelände gehören!“<br />

Die Lehrerin verdrehte genervt aber lächelnd die Augen.<br />

„Trollige Torfschnüffler?“, fragte Ms. Chang.<br />

„Nein, die gibt es doch gar nicht… Obwohl… für die Viecher, die<br />

Hagrid jetzt züchten wollte, war mir auch noch kein Name bekannt!“<br />

Die drei Frauen lachten.<br />

„Danke für deine Hilfe Cho! Und Emily, danke, <strong>das</strong>s wir hier so<br />

ein Durcheinander verursachen durften. War sicher nicht so einfach,<br />

wenn wir hier einfach fremde Leute im Haus platzieren! Wir hören<br />

voneinander!“<br />

„Schon okay!“, meinte Tante Emily. „Mit Cho kamen hier, denke<br />

ich, alle gut klar! Du kannst uns gerne wieder einmal besuchen,<br />

wenn du willst!“, fügte sie an Ms. Chang gewandt hinzu.<br />

Diese nickte.<br />

306


„Das werde ich ganz bestimmt tun! Hermine, ist eigentlich der Apparierschutz<br />

bereits aufgehoben?“<br />

Pr<strong>of</strong>essor Granger bejahte <strong>und</strong> Ms. Chang winkte den Kindern <strong>und</strong><br />

Emily noch schnell zu, bevor sie mit einem ohrenbetäubenden Knall<br />

verschwand.<br />

„Wo ist Ms. Chang hin?“, fragte Sam kleinlaut <strong>und</strong> kam hinter dem<br />

Rücken ihrer Mutter hervor.<br />

„Sie hat sich weggezaubert!“, antwortete Pr<strong>of</strong>essor Granger ihr.<br />

„Das wirst du auch mal lernen, wenn du nach Hogwarts kommst!“<br />

Sams Augen begannen zu strahlen.<br />

„Das ist cooler als euer Buch!“, sagte sie zu <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>.<br />

„Also, dann werden wir jetzt wirklich gehen! Harry, mach es einfach<br />

so wie <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong>. Die wissen schon, wie <strong>das</strong> geht mit dem<br />

Flohpulver!“<br />

„Auf Wiedersehen!“, verabschiedete sich Pr<strong>of</strong>essor Granger <strong>und</strong><br />

winkte den zwei Kleinen zu.<br />

Nachdem sich auch die drei Kinder von Tante Emily, James <strong>und</strong><br />

Sam verabschiedet hatten, traten sie nacheinander in den Kamin <strong>und</strong><br />

schon wenige Sek<strong>und</strong>en später standen sie in Pr<strong>of</strong>essor Longbottoms<br />

Büro im meilenweit entfernten Schloss Hogwarts.<br />

307


Wenn Peeves zuschlägt<br />

„So sieht man sich wieder“, hörte <strong>Lily</strong> s<strong>of</strong>ort, als sie die Augen öffnete<br />

<strong>und</strong> aus dem Kamin trat.<br />

Es war nicht etwa Pr<strong>of</strong>essor Longbottom, der sie in seinem Büro<br />

erwartete, sondern Ted <strong>und</strong> Scott.<br />

„Ebenfalls erfreut“, meinte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> schüttelte genervt ihren Kopf,<br />

bevor sie zur Seite trat, um Platz zu machen, für <strong>Dora</strong>, die bald auftauchen<br />

sollte.<br />

„Ha, Scott, ich hab es dir doch gesagt! Jetzt weiß ich, wie man die<br />

beiden auseinander halten kann! Wenn ich <strong>Lily</strong> so begrüße, dann<br />

regt sie sich auf. <strong>Dora</strong> würde nichts sagen!“, triumphierte Ted.<br />

<strong>Lily</strong> zog eine Augenbraue hoch <strong>und</strong> schaute Ted fragend an.<br />

„Glaubst du mir nicht? Warte!“<br />

Hinter <strong>Lily</strong> kam gerade <strong>Dora</strong> zum Vorschein.<br />

„So sieht man sich wieder“, wiederholte Ted seine Begrüßung.<br />

<strong>Dora</strong> klopfte sich den Staub vom Umhang <strong>und</strong> lächelte.<br />

„Hallo!“, antwortete sie.<br />

„Schau, sagte ich doch! <strong>Dora</strong> ist nicht so gemein wie du. Die begrüßt<br />

mich fre<strong>und</strong>lich, während du in diesem neuen Jahr noch nicht<br />

ein nettes Wort mit mir gewechselt hast!“, meinte Ted, stolz aufgr<strong>und</strong><br />

seiner neuen Entdeckung.<br />

„Du hast es auch nicht verdient!“, erwiderte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> tat, als wäre<br />

sie sauer.<br />

Inzwischen war auch Harry, dicht gefolgt von Pr<strong>of</strong>essor Granger,<br />

aus dem Kamin getreten <strong>und</strong> die Lehrerin bedeutete ihnen, <strong>das</strong>s sie<br />

den Raum verlassen durften.<br />

„Scott, <strong>Dora</strong>, Harry, gehen wir!“<br />

Scott <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> sahen sich an <strong>und</strong> zuckten mit den Schultern, dann<br />

warfen sie Ted einen entschuldigenden Blick zu.<br />

„Und was mach ich?“, rief Ted den vieren hinterher, nachdem sie<br />

aus dem aus dem Büro gegangen waren.<br />

Er lief ihnen hinterher, bis er <strong>Dora</strong> eingeholt hatte.<br />

308


„Was hat deine Schwester gegen mich?“, fragte er mit gerunzelter<br />

Stirn, während sie den langen Gang entlang liefen.<br />

„Ihr beide habt genau den gleich Charakter <strong>und</strong> <strong>das</strong> verträgt sich<br />

anscheinend nicht“, antwortete sie.<br />

Ted schaute sie verwirrt an <strong>und</strong> zuckte mit den Schultern.<br />

„Versteh ich nicht“, meinte er.<br />

„Meine Schwester versteht es auch nicht, aber Scott stimmt mir zu,<br />

stimmt’s?“<br />

Scott nickte.<br />

„Wie, du verstehst <strong>das</strong>?“, fragte Ted.<br />

„Ihr wollt beide immer Recht haben <strong>und</strong> ihr redet beide gerne <strong>und</strong><br />

wenn beide Recht haben wollen <strong>und</strong> beide zur gleichen Zeit reden<br />

wollen, dann kann <strong>das</strong> nicht gut gehen!“, meinte Scott.<br />

Ted kratzte sich demonstrativ am Kopf <strong>und</strong> ging einige Schritte<br />

voraus.<br />

„Ihr habt sie doch beide nicht alle!“, rief er ihnen noch zu, bevor er<br />

sich zu <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> Harry gesellte, die gerade miteinander über die<br />

ständig betrunkene Fre<strong>und</strong>in der fetten Dame sprachen, die sich heute<br />

im Gemälde eines ebenso betrunkenen Ritters aufhielt.<br />

S<strong>of</strong>ort war er mitten im Gespräch mit den beiden <strong>und</strong> die Begrüßung<br />

von eben schien vergessen zu sein.<br />

„Okay, <strong>das</strong> müssen wir noch analysieren“, meinte Scott zu <strong>Dora</strong>.<br />

„Immerhin haben wir ja schon darüber diskutiert, warum die beiden<br />

immer streiten. Aber warum sie sich gleich danach wieder verstehen<br />

<strong>und</strong> nett zueinander sind, <strong>das</strong> wissen wir nicht!“<br />

„Gute Idee. Da haben wir wenigstens wieder Gesprächsst<strong>of</strong>f für die<br />

nächsten drei Monate!“, grinste <strong>Dora</strong>.<br />

„Find ich gut“, meinte Scott ebenfalls lächelnd.<br />

Harry musste sich relativ bald von den anderen verabschieden, da<br />

sein Gemeinschaftsraum im Keller lag <strong>und</strong> er einen anderen Weg<br />

gehen musste. So machten sie sich allein auf den Weg nach oben.<br />

Die Schule war um diese Tageszeit noch wie ausgestorben <strong>und</strong> niemand<br />

außer ein paar Geistern <strong>und</strong> den Bewohnern der verschiedenen<br />

309


Gemälde war zu sehen. Auch der Gemeinschaftsraum war noch<br />

vollkommen leer, als die Zwillinge <strong>und</strong> ihre Fre<strong>und</strong>e ihn betraten.<br />

Das Auspacken der K<strong>of</strong>fer war schnell geschehen <strong>und</strong> als sie dies<br />

so leise wie möglich erledigt hatten, um die anderen Mädchen im<br />

Schlafsaal nicht zu wecken, kehrte auch in den Gemeinschaftsraum<br />

der Gryffindors langsam Leben ein.<br />

Die beiden stiegen also langsam wieder die Wendeltreppe hinab,<br />

um dort auf Ted <strong>und</strong> Scott zu warten. Sie setzten sich zu den anderen<br />

Jungs aus ihrem Jahrgang, die inzwischen aufgestanden waren <strong>und</strong><br />

sich hier versammelt hatten.<br />

„Wann seid ihr denn angekommen?“, fragte Ryan Valley, ein ziemlich<br />

großer, etwas stärker gebauter Junge mit schwarzen, halblangen<br />

Haaren. „Wir haben gerade Ted <strong>und</strong> Scott vorbeilaufen sehen, sind<br />

aber nicht dazu gekommen, die beiden zu fragen!“<br />

„Wir sind eben erst angekommen“, meinte <strong>Dora</strong>. „Vor etwa einer<br />

Viertelst<strong>und</strong>e.“<br />

„Und wieso?“, wollte Josh Taylor, ein etwas kleiner Junge mit<br />

Brille <strong>und</strong> blonden Haaren, wissen.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> sahen sich kurz an. Allmählich hatten sie diese ewigen<br />

Ausreden satt.<br />

„Weil Ted <strong>und</strong> wir beide den Hogwarts-Express verpasst haben, zu<br />

dem uns eigentlich unsere Großeltern, bei denen Ted ja wohnt, hätten<br />

bringen sollen“, erklärte <strong>Lily</strong>.<br />

„Genau, <strong>und</strong> Scott ist vermutlich mit seinem Dad hier angekommen!“,<br />

setzte <strong>Dora</strong> die Lüge fort.<br />

Die vier Jungs schienen <strong>das</strong> einleuchtend zu finden <strong>und</strong> sie nickten.<br />

„Wie war’s im Hogwarts-Express?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Sie zuckten mit den Schultern.<br />

„In etwa genauso wie zu Schulbeginn, nur <strong>das</strong>s wir uns jetzt bereits<br />

kannten <strong>und</strong> wussten, wohin wir uns setzen sollten“, meinte Josh.<br />

„Und wie war’s die Ferien über mit Ted?“<br />

„Anstrengend“, presste <strong>Lily</strong> hervor.<br />

„War ganz lustig“, widersprach <strong>Dora</strong> ihrer Schwester.<br />

310


Josh wollte gerade noch etwas sagen, als alle aufblickten. Jemand<br />

in den Jungenschlafsälen hatte laut geschrieen <strong>und</strong> jetzt hörte man<br />

lautes Getrampel auf der Treppe <strong>und</strong> jemand schimpfte laut.<br />

„Ted!“, stellten <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> gleichzeitig fest.<br />

Plötzlich ging die Tür auf <strong>und</strong> Peeves schwebte so schnell an den<br />

Schaulustigen vorbei, wie sie es überhaupt noch nie erlebt hatten.<br />

Zwei Gryffindors, die gerade durch <strong>das</strong> Portraitloch in den Gemeinschaftsraum<br />

geklettert kamen, mussten zur Seite springen, damit der<br />

Poltergeist nicht direkt in sie hineinkrachte.<br />

Sek<strong>und</strong>en später kamen Ted <strong>und</strong> Scott in den Raum gestürmt.<br />

„Dieser verdammte Geist hat es!“, rief Ted den Zwillingen im Vorbeilaufen<br />

zu.<br />

„Das Medaillon“, keuchte Scott.<br />

Die Zwillinge rissen ihre Augen auf, sprangen aus ihren Stühlen<br />

<strong>und</strong> liefen hinter den beiden Jungen her, welche immer noch versuchten,<br />

dem Geist zu folgen, welcher allerdings längst aus ihrer<br />

Sicht verschw<strong>und</strong>en war.<br />

Sie liefen einige Stockwerke abwärts, doch es hatte keinen Sinn.<br />

Peeves, der nicht den lästigen Umweg über die Treppen nehmen<br />

musste, sondern direkt im Treppenhaus nach unten schweben konnte,<br />

war schneller. Vor dem Wandteppich von Barnabas dem Bekloppten<br />

stoppte Ted <strong>und</strong> die anderen drei blieben ebenfalls stehen.<br />

„Wo ist dieses Mistvieh?“, schrie Ted wütend.<br />

Eine Gruppe Hufflepuffs drehte sich aufgeschreckt zu ihm um.<br />

„Wie war <strong>das</strong> möglich?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

Tausend Gedanken machten sich in ihrem Kopf breit. Was würde<br />

geschehen, wenn sie <strong>das</strong> Medaillon nicht zurück bekamen? Dann<br />

fehlte den Malfoys nur mehr ein einziger Horkrux.<br />

„Ich wollte mich umziehen <strong>und</strong> habe es weggelegt, als er hinter<br />

dem Vorhang hervorkam <strong>und</strong> es genommen hat! Ich weiß nicht, warum<br />

er davon wusste, <strong>und</strong> ich habe nicht daran gedacht, <strong>das</strong>s er im<br />

Schlafsaal sein könnte, sonst hätte ich besser aufgepasst“, sagte Scott<br />

leise. „Tut mir leid.“<br />

311


„Das braucht dir nicht Leid zu tun. Du kannst nichts dafür!“, überlegte<br />

<strong>Dora</strong>.<br />

„Wir müssen ihn finden“, sagte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> schaute sich um. „Tagtraumpulver?<br />

Er will es doch sicher den Malfoys geben.“<br />

Doch Scott schüttelte seinen Kopf.<br />

„Was hätte <strong>das</strong> für einen Sinn? Auch wenn wir dann wüssten, wo<br />

die beiden sind, so wäre es schon zu spät. Wir müssen den Geist<br />

noch finden, bevor er es ihnen geben kann!“, meinte er.<br />

Die anderen stimmten ihm zu. Scott hatte Recht, es war egal, wo<br />

die Malfoys waren. Wenn sie den Horkrux hatten, war es zu spät. Es<br />

wäre nur Zeitverschwendung.<br />

„Aber wo sollen wir dieses miese Ding auftreiben? Der Geist wird<br />

<strong>das</strong> Medaillon s<strong>of</strong>ort den Malfoys übergeben wollen“, meinte Ted,<br />

noch immer schnaubend vor Wut.<br />

„Ja, davon kannst du ausgehen“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

Ted begann, auf <strong>und</strong> ab zu gehen, während <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong> <strong>und</strong> Scott<br />

sich schweigend anstarrten.<br />

„Wo ist dieser miese Poltergeist?“, fragte Ted laut. „Wo könnte er<br />

hin sein? Und was macht er immer auf diesem Gang? Das hat doch<br />

sicher auch irgendetwas damit zu tun. Und gerade jetzt ist er natürlich<br />

nicht hier. Verdammt, ich will wissen, wo er ist!“<br />

„Ted, leise! Da kommt Filch!“, zischte <strong>Lily</strong>.<br />

„Schnell, da rein!“, meinte Ted <strong>und</strong> zeigte auf eine Tür, gegenüber<br />

dem Wandteppich.<br />

Die vier hatten inzwischen gelernt, nie darauf zu warten, bis Filch<br />

ihnen zu nahe kam, denn sogar, wenn sie nichts gemacht hatten,<br />

setzte es immer minutenlange Vorträge oder Strafarbeiten. Also versteckten<br />

sie sich in dem dunklen Raum <strong>und</strong> warteten etwa eine Minute,<br />

bis er nicht mehr in Sicht war.<br />

„Kommt, lasst uns wieder von hier verschwinden <strong>und</strong> Peeves suchen“,<br />

meinte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> wollte gerade die Tür nach draußen wieder<br />

öffnen, doch <strong>Dora</strong> hielt sie zurück.<br />

„Warte“, meinte sie. „Schau dich hier um!“<br />

312


<strong>Lily</strong> blickte sich um. Der Raum war voll mit verstaubten Regalen,<br />

auf denen viele kleinere oder größere Gegenständen standen. Die<br />

meisten schienen ziemlich alt zu sein, doch hin <strong>und</strong> wieder konnte<br />

man auch etwas erkennen, auf dem die Staubschicht sich noch nicht<br />

zentimeterdick abgesetzt hatte. Ein Tafelschwamm schien noch<br />

ziemlich neu hier zu sein <strong>und</strong> einige Pokale glänzten ebenfalls noch.<br />

Ted zog seinen Zauberstab aus seinem Schulumhang <strong>und</strong> murmelte<br />

‚Lumos’. Augenblicklich begann die Spitze zu leuchten <strong>und</strong> die vier<br />

konnten sich besser umsehen.<br />

Vor einem großen Schreibtisch, auf dem nur eine Feder, ein Tintenfass<br />

<strong>und</strong> ein dickes Buch lagen, blieben sie stehen. <strong>Dora</strong> las die<br />

oberste Seite. Es schien eine Art Tagebuch zu sein, jedoch gab es zu<br />

jedem Tag mehrere Einträge.<br />

<strong>Dora</strong> las einige der Einträge, während sich die anderen drei weiter<br />

umsahen.<br />

313<br />

345.303<br />

Filchs Katzenfutterdosen versteckt. Ist an die Decke<br />

gegangen, dieser alte Trottel! Was wird nur sein kleines<br />

mieses Kätzchen sagen, wenn sie nichts mehr zu fressen<br />

bekommt?<br />

Souvenirs: Fünf Dosen mit Katzenfutter<br />

345.304<br />

Tonvase aus dem obersten Stockwerk nach unten<br />

geworfen! Hätte mehr Spaß gemacht, wenn Schüler ganz<br />

unten gestanden hätten! Dann hätte es wohl ein paar<br />

Geister mehr gegeben hier in Hogwarts. Aber <strong>das</strong><br />

Gesicht von Filch war es wert, als er die Sauerei<br />

aufräumen musste.<br />

Souvenir: Wischmob von Filch


„Hey Leute!“, flüsterte <strong>Dora</strong> gerade so laut, <strong>das</strong>s die anderen sie verstehen<br />

konnten.<br />

Sie kamen s<strong>of</strong>ort zurück.<br />

„Jetzt wissen wir, was unser <strong>durchsichtige</strong>r Fre<strong>und</strong> immer hier<br />

macht! Das ist sein Souvenirraum! Er lässt bei jedem seiner Streiche<br />

irgendetwas mitgehen <strong>und</strong> <strong>das</strong> alles schreibt er hier hinein!“, erklärte<br />

<strong>Dora</strong> <strong>und</strong> hielt <strong>das</strong> Buch hoch.<br />

„Dieses verdammte Vieh“, fluchte Ted.<br />

„Ted beruhige dich, <strong>das</strong> bringt nichts“, sagte Scott.<br />

„Aber er ist nicht hier. Wir müssen ihn jetzt finden. Nimm <strong>das</strong><br />

Buch mit, <strong>Dora</strong>. Vielleicht finden wir darin was. Wir kommen einfach<br />

noch mal wieder, wenn wir ihn haben! Jetzt ist <strong>das</strong> hier nicht so<br />

wichtig“, sagte <strong>Lily</strong>.<br />

Die anderen nickten <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> versteckte <strong>das</strong> Buch unter ihrem<br />

Umhang. Sie schaute sich noch ein letztes Mal um. Über wie viele<br />

Jahre hatte er hier wohl Souvenirs gesammelt? Der Zahl im Buch<br />

nach zu urteilen, mussten es schon einige sein.<br />

Dann verließen die drei den Raum wieder. Sie liefen die ganze<br />

Schule ab, doch es hatte keinen Sinn. Peeves musste <strong>das</strong> Schulgebäude<br />

inzwischen verlassen haben <strong>und</strong> dieser Verdacht bestätigte<br />

sich, als sie den Fast Kopflosen Nick nach dem Poltergeist fragten.<br />

Nick antwortete ihnen, <strong>das</strong>s dieser gerade an ihm vorbei aus dem<br />

Schloss geschwebt sei <strong>und</strong> sich ziemlich komisch verhalten habe,<br />

denn er hatte den Hausgeist der Gryffindors überhaupt nicht beachtet,<br />

was normalerweise sonst nie vorkam. Irgendeinen Gr<strong>und</strong> für eine<br />

Auseinandersetzung fand er für gewöhnlich immer.<br />

„Mist! Das war’s also! Es hat auch keinen Sinn, ihm in den Wald<br />

zu folgen, denn er wäre sowieso schneller bei den Malfoys als wir!“,<br />

sagte Ted.<br />

„Und jetzt?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> Scott sahen sich hilflos an, während Ted mit seinem Fuß<br />

gegen die riesige Statue eines Kobolds trat <strong>und</strong> nur um Haaresbreite<br />

Nick verpasste.<br />

314


„Pass gefälligst auf, wo du hintrittst!“, schrie dieser auf.<br />

„Als ob dir <strong>das</strong> wehtun würde“, murmelte Ted.<br />

Nick warf ihm noch einen vernichtenden Blick zu <strong>und</strong> schwebte<br />

dann durch den Boden ins nächstgelegene untere Stockwerk. Nicht<br />

mal <strong>Dora</strong> sagte etwas zu Teds Unhöflichkeit dem Geist gegenüber,<br />

was sie normalerweise immer tat. Sie überlegten alle vier fieberhaft.<br />

„Es hat keinen Sinn. Das Einzige, was wir machen können, ist, die<br />

Malfoys zu beobachten! Kommt mit hoch!“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

Die anderen folgten ihr stumm nach oben, zurück zum Gemeinschaftsraum.<br />

Während Ted <strong>und</strong> Scott dort warteten <strong>und</strong> den anderen<br />

Gryffindors irgendwelche Erklärungen aufzutischen versuchten, zogen<br />

sich <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> in ihren Schlafsaal zurück, in dem Gott sei<br />

Dank niemand mehr war.<br />

Jetzt kam es ihnen zu Gute, <strong>das</strong>s Pr<strong>of</strong>essor Granger sie schon kurz<br />

vor sechs Uhr morgens abgeholt hatte, denn so hatten sie noch ein<br />

wenig über eine St<strong>und</strong>e Zeit, also genau richtig für <strong>das</strong> Tagtraumpulver.<br />

„Wer geht?“, fragte <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> ging s<strong>of</strong>ort zum Schrank, um<br />

sich eine Türe mit dem Pulver, <strong>das</strong> sie zu Weihnachten bekommen<br />

hatten, zu nehmen.<br />

„Ich will“, sagte sie <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Okay, dann passe ich auf, falls die anderen kommen sollten“, antwortete<br />

sie.<br />

Ein paar Sek<strong>und</strong>en später öffnete <strong>Dora</strong> ihre Augen <strong>und</strong> fand sich<br />

mitten im Wald wieder. Nur ein paar Meter von ihr entfernt saß Lucius<br />

Malfoy auf dem Stamm eines umgefallenen Baumes. Er blickte<br />

erwartungsvoll durch die mit Schnee bedeckten Bäume nach oben in<br />

den Himmel. Irgendetwas schien ihn nervös zu machen.<br />

Wenig später kam seine Frau aus dem Dickicht. <strong>Dora</strong> setzte sich<br />

ein Stück entfernt neben den Mann <strong>und</strong> wartete.<br />

„Was wollte der Geist?“, fragte er laut, stand auf <strong>und</strong> ging auf Mrs.<br />

Malfoy zu.<br />

315


„Er hat <strong>das</strong> Amulett! Der ist doch zu mehr zu gebrauchen, als wir<br />

dachten!“, meinte sie, zog <strong>das</strong> goldene, kaputte Schmuckstück aus<br />

einer Tasche ihres abgenutzten Umhangs <strong>und</strong> drückte es ihrem Mann<br />

in die Hand.<br />

„Gute Arbeit, Narzissa! Jetzt brauchen wir nur noch diese Schlange,<br />

aber <strong>das</strong> ist erstmal nicht so wichtig. Ich schätze, <strong>das</strong>s ich mithilfe<br />

des Amuletts stark genug bin!“<br />

Er nahm <strong>das</strong> Amulett <strong>und</strong> hängte es sich selbst um den Hals. Dann<br />

schloss er die Augen <strong>und</strong> es sah aus, als würde er warten, <strong>das</strong>s etwas<br />

mit ihm geschieht, doch zumindest äußerlich konnte man nichts erkennen.<br />

„Lucius?“, fragte Mrs. Malfoy, plötzlich etwas leiser als zuvor.<br />

Er öffnete seine Augen wieder <strong>und</strong> schaute sie an.<br />

„Was ist?“<br />

„Wir haben ein Problem!“, sagte sie <strong>und</strong> druckste in wenig herum.<br />

Ihr Mann bedeutete ihr weiterzureden.<br />

„Der Geist sagt, <strong>das</strong>s diese Gören Bescheid wissen. Er meinte, sie<br />

hätten ihn schon <strong>of</strong>t nach den Horkruxen gefragt <strong>und</strong> dieses Amulett<br />

hatte ein Erstklässler, vermutlich ein Fre<strong>und</strong> der beiden, um den<br />

Hals. Sie müssen einen furchtbaren Aufstand gemacht haben, als er<br />

es gerade eben gestohlen hat. Sie scheinen also von uns zu wissen<br />

<strong>und</strong> auch davon, <strong>das</strong>s wir diese Gegenstände suchen!“, berichtete<br />

Mrs. Malfoy.<br />

Er überlegte kurz.<br />

„Aber woher sollten die von uns wissen? Niemand hat uns gesehen!“,<br />

zischte Lucius Malfoy <strong>und</strong> sah sich dabei um, so als ob er irgendwo<br />

Spione vermutete.<br />

<strong>Dora</strong> zuckte unwillkürlich zusammen, als er sich in ihre Richtung<br />

drehte, obwohl sie genau wusste, <strong>das</strong>s er ihre Anwesenheit nicht ahnen<br />

konnte.<br />

„Das ist keine gute Nachricht“, meinte er nach einer Weile. „Was<br />

wissen die Lehrer? Vor allem dieses Schlammblut Granger?“<br />

Ms. Malfoy zuckte mit ihren Schultern.<br />

316


„Ich weiß es nicht. Der Geist konnte mir dazu nichts sagen. Aber<br />

ich habe eben nachgedacht <strong>und</strong> ich glaube, <strong>das</strong>s sie etwas davon<br />

weiß. Die zwei waren ja auch nicht am Bahnh<strong>of</strong> in Hogsmeade vor<br />

Weihnachten <strong>und</strong> gestern auch nicht. Die Lehrerin passt auf!“<br />

„Das heißt, sie wissen es. Aber wie?“, fragte Mr. Malfoy laut.<br />

Seine Frau wich ein paar Schritte zurück. Beim ersten Besuch hatte<br />

sie noch besorgt um ihren Mann gewirkt, doch von Mal zu Mal<br />

schien ihre Angst vor ihm größer zu werden.<br />

„Ich weiß es nicht Lucius! Tut mir leid!“, antwortete sie ehrfürchtig.<br />

„Der Geist hat sicher niemandem etwas verraten, der hat zu viel<br />

Angst <strong>und</strong> uns kann auch niemand gesehen haben, dafür habe ich<br />

gesorgt!“<br />

Die beiden überlegten eine Weile, dann durchbrach Mr. Malfoy die<br />

Stille.<br />

„Ist doch egal, bald kann uns sowieso niemand mehr aufhalten <strong>und</strong><br />

bis jetzt sucht doch auch noch niemand nach uns! Wir haben also<br />

noch genügend Zeit! Wir kriegen diese zwei Gören <strong>und</strong> wenn die<br />

erstmal erledigt sind, dann werden die Todesser freiwillig zurückkommen,<br />

wenn sie sehen, wozu ich fähig bin!“<br />

<strong>Dora</strong> zuckte zusammen <strong>und</strong> sprang auf, als plötzlich aus Malfoys<br />

Kehle ein viel zu hohes, ohrenbetäubendes Lachen kam. Sogar die<br />

Tiere flüchteten eilig aus ihren Verstecken zwischen den Bäumen<br />

<strong>und</strong> überall um sie herum begann es furchtbar zu rascheln. <strong>Dora</strong> lief<br />

ein kalter Schauer über den Rücken <strong>und</strong> sie ging langsam um Malfoy<br />

herum, um sein Gesicht sehen zu können. Dieser Mensch konnte<br />

doch eben unmöglich so gelacht haben! Oder doch?<br />

Narzissa Malfoys Augen hatten sich geweitet, als sie <strong>das</strong> unmenschlich<br />

hohe Gelächter gehört hatte <strong>und</strong> sie wich noch ein paar<br />

Schritte weiter zurück.<br />

Ihr Mann legte seinen Kopf schief <strong>und</strong> betrachtete sie lachend.<br />

„Was hast du, Liebling?“, fragte er.<br />

Mrs. Malfoy stolperte rückwärts über einen Ast, konnte sich jedoch<br />

gerade noch aufrecht halten.<br />

317


„Was … was war <strong>das</strong> gerade eben?“, fragte sie.<br />

Die Angst stand der Frau ins Gesicht geschrieben.<br />

„Das war er“, sagte Mr. Malfoy mit einem Strahlen in den Augen.<br />

„Ich merke es schon seit dem Becher, <strong>das</strong>s er immer stärker zurückkommt!<br />

Es klappt! Alles funktioniert genauso, wie wir es uns in den<br />

vergangenen zehn Jahren in Askaban überlegt haben! Nun dauert es<br />

nicht mehr lange!“<br />

Narzissa Malfoy konnte sich nicht mehr auf ihren Beinen halten<br />

<strong>und</strong> fiel rücklings zu Boden <strong>und</strong> auch <strong>Dora</strong> wich erneut zurück, als<br />

ein bunter Wirbel aus Farben sie plötzlich zurück in die Realität holte.<br />

<strong>Lily</strong> hatte sich über sie gebeugt <strong>und</strong> starrte ihre Schwester fragend<br />

an.<br />

„Ist die St<strong>und</strong>e schon um?“, war <strong>das</strong> erste, <strong>das</strong> <strong>Dora</strong> fragte.<br />

<strong>Lily</strong> schüttelte ihren Kopf.<br />

„Nein! Schnell, setz dich auf, da kommt jemand! Ich hab <strong>das</strong> Aufwachpulver<br />

von George benutzt, <strong>das</strong>s er uns beim Abschied noch in<br />

die Hand gedrückt hat!“, erklärte <strong>Lily</strong>.<br />

<strong>Dora</strong> setzte sich schnell gerade auf ihr Bett, als sich auch schon die<br />

Türe öffnete <strong>und</strong> die anderen drei Mädchen hereinkamen.<br />

„Stimmt es? Peeves hat Scott ein Erbstück gestohlen?“, fragte Julie<br />

Davis aufgebracht <strong>und</strong> starrte die Zwillinge an.<br />

Diese nickten.<br />

„Komisch, denn ein Dieb war er bis jetzt noch nie, oder?“, meinte<br />

Laura Attkins.<br />

Die Mädchen überlegten kurz.<br />

„Habt ihr etwas gef<strong>und</strong>en, als ihr ihm nachgelaufen seid?“<br />

Alle drei standen jetzt um <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> herum <strong>und</strong> schauten sie<br />

fragend an, doch die Zwillinge schüttelten nur ihre Köpfe.<br />

„Nein, leider nicht. Er ist verschw<strong>und</strong>en!“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Schreckliches Biest. Kein W<strong>und</strong>er, <strong>das</strong>s Filch den nicht mag“,<br />

zischte <strong>Lily</strong>.<br />

„Was war es eigentlich genau, <strong>das</strong> er gestohlen hat?“, meldete sich<br />

jetzt auch Alice Summer zu Wort.<br />

318


„Ein Medaillon“, erklärten ihr <strong>Lily</strong>.<br />

„Ein einfaches, aber wertvolles Medaillon!“, fügte <strong>Dora</strong> hinzu.<br />

„War Scott schon bei Pr<strong>of</strong>essor Granger?“, fragte Laura. „Die<br />

nimmt es doch sicher nicht so einfach hin, wenn einem ihrer Schüler<br />

etwas von diesem verkorksten Poltergeist gestohlen wird. Sie mag<br />

ihn doch selbst nicht, wie alle anderen Lehrer hier auch!“<br />

„Nein, aber ich schätze, <strong>das</strong>s er es noch tun wird!“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

„Komm, wir gehen wieder nach unten <strong>und</strong> fragen ihn, was er macht,<br />

ja?“<br />

<strong>Dora</strong> bedeutete ihrer Schwester, <strong>das</strong>s sie ihr folgen sollte <strong>und</strong> diese<br />

tat <strong>das</strong> auch.<br />

„Sagt uns dann, ob er <strong>das</strong> Medaillon wiederbekommen hat, okay?“,<br />

rief Laura noch hinterher.<br />

Die Zwillinge lächelten <strong>und</strong> nickten, dann gingen sie aus dem<br />

Schlafsaal nach unten.<br />

„Was hast du gesehen?“, fragte <strong>Lily</strong>, mitten auf der Wendeltreppe.<br />

„Erzähle ich dir, wenn wir Scott <strong>und</strong> Ted gef<strong>und</strong>en haben! Ich will<br />

es nicht zweimal sagen!“, meinte <strong>Dora</strong>.<br />

<strong>Lily</strong> nickte <strong>und</strong> die beiden liefen nach unten, wo die Jungs schon<br />

auf sie warteten.<br />

„Habt ihr zu Hause noch gefrühstückt?“, fragte <strong>Dora</strong>.<br />

Die beiden bejahten ihre Frage.<br />

„Okay, dann kommt mit. Flitwicks Klassenzimmer ist sicher noch<br />

leer, wir warten darin auf die anderen!“<br />

Ted <strong>und</strong> Scott nickten <strong>und</strong> dann gingen sie, so schnell sie, ohne<br />

Aufmerksamkeit zu erregen, konnten nach unten ins Klassenzimmer<br />

für Zauberkunst, welches tatsächlich noch leer war. Kein W<strong>und</strong>er,<br />

die meisten anderen mussten in der Zwischenzeit beim Frühstück<br />

sitzen <strong>und</strong> niemand kam freiwillig eine halbe St<strong>und</strong>e vor Beginn des<br />

Unterrichts in die Klasse.<br />

„Also erzähl!“, drängte <strong>Lily</strong> ihre Schwester, als diese die Tür hinter<br />

sich schloss <strong>und</strong> sich vergewisserte, <strong>das</strong>s ihnen auch niemand zuhörte.<br />

319


<strong>Dora</strong> zögerte nicht lange, sondern beschloss, nur die wichtigsten<br />

Dinge zu erzählen. Wer wusste, wie viel Zeit die vier noch alleine<br />

hatten.<br />

„Die Malfoys haben <strong>das</strong> Medaillon <strong>und</strong> sie wissen, <strong>das</strong>s wir ahnen,<br />

<strong>das</strong>s sie etwas vorhaben!“, meinte sie.<br />

„Wie kommst du darauf?“, fragte Ted.<br />

„Sie haben es gesagt, deshalb komme ich darauf!“, antwortete <strong>Dora</strong>.<br />

„Die beiden haben aber keine Ahnung, woher wir davon wissen!“<br />

„Das ist gut“, meinte Scott.<br />

„Sehr gut sogar“, stimmte ihm <strong>Lily</strong> zu. „Wie sieht Malfoy aus?“<br />

<strong>Dora</strong> zog eine Augenbraue in die Höhe.<br />

„Keine Ahnung“, antwortete sie, <strong>und</strong> setzte sich auf den Tisch neben<br />

ihre Schwester, während die beiden Jungs vor ihnen stehen blieben.<br />

„Irgendetwas stimmt mit ihm nicht!“<br />

„Was heißt <strong>das</strong>?“, fragte Ted.<br />

<strong>Dora</strong> überlegte.<br />

„Keine Ahnung, sagte ich doch schon. Er meinte, <strong>das</strong>s irgendwer<br />

immer stärker wird. Aber er sprach dabei nicht von sich. Und dann<br />

hat er so komisch gelacht. Sein Lachen hörte sich nicht an wie <strong>das</strong><br />

eines Menschen Es war grauenhaft hoch!“, erzählte sie.<br />

Die anderen drei rissen ihre Augen auf <strong>und</strong> starrten sie entsetzt an.<br />

„Und du bist sicher, <strong>das</strong>s er so gelacht hat <strong>und</strong> <strong>das</strong>s es nicht jemand<br />

anderer war?“, fragte Scott.<br />

<strong>Dora</strong> nickte.<br />

„Ganz sicher sogar!“, antwortete sie. „Das ist es ja, was mir Angst<br />

macht! Einmal redet er von jemand anderem, der stärker wird <strong>und</strong> im<br />

nächsten Moment sagt er, <strong>das</strong>s er selbst bald unbesiegbar sein wird.<br />

Was hat <strong>das</strong> zu bedeuten?“<br />

Auf diese Frage wusste niemand eine Antwort.<br />

„Ich weiß es nicht, aber wir müssen auf jedem Fall dem Unbekannten<br />

mitteilen, was passiert ist“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

„Aber wie? Wir haben ja noch nicht mal seine Eule zurück. Und<br />

ich bezweifle stark, <strong>das</strong>s Hedwig ihn finden würde! Wenn es so ein-<br />

320


fach wäre, wüsste Pr<strong>of</strong>essor Granger schon lange, wer er ist“, überlegte<br />

<strong>Dora</strong>.<br />

<strong>Lily</strong> nickte.<br />

„Okay, dann können wir gar nichts machen im Moment, oder?“,<br />

fragte Scott. „Hat er sonst noch etwas gesagt? Oder seine Frau?“<br />

„Nein, zumindest nichts, <strong>das</strong> jetzt für uns wichtig wäre. Oder doch!<br />

Nachdem die Malfoys <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> mich umgebracht haben, wollen sie<br />

die Todesser wieder zusammentrommeln. Oder besser gesagt: Die<br />

Todesser werden von alleine auf sie zukommen, wenn sie sehen, was<br />

die Malfoys für eine Macht haben!“<br />

„Aber da werden sie nicht viel Glück haben“, stellte Ted fest. „Soweit<br />

ich weiß, sitzen die meisten von ihnen, die noch am Leben sind,<br />

sowieso noch in Askaban. Die Malfoys sind doch nur nach zehn Jahren<br />

schon freigekommen, weil alle anderen sie als Schwächlinge <strong>und</strong><br />

Nichtsnutze bezeichnet haben! Das stand im Tagespropheten!“<br />

„Und Askaban ist sicher, schätze ich mal, oder?“, fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Ted <strong>und</strong> Scott nickten.<br />

„Es ist <strong>das</strong> sicherste Gefängnis der Welt! Es wird von Dementoren<br />

bewacht <strong>und</strong> diese gehorchen nur dem Ministerium!“, meinte Ted.<br />

„Aber es ist bereits zweimal passiert, <strong>das</strong>s sie sich Voldemort angeschlossen<br />

haben. Das war die beiden Male, als Voldemort auf dem<br />

Höhepunkt seiner Macht war.“<br />

„Das ist allerdings wahr“, meinte Ted.<br />

„Und warum verwenden die diese Dementoren dann noch als Wachen?“,<br />

fragte <strong>Lily</strong>.<br />

Ted zuckte mit seinen Schultern.<br />

„Weil es nichts Sichereres gibt! Jede Wache hat ihre Schwachstelle<br />

<strong>und</strong> die Dementoren sind verlässlich! Meine Grandma sagt immer,<br />

<strong>das</strong>s sie so etwas wie machtbesessen sind“, erklärte Ted. „Sie befolgen<br />

immer nur die Anweisungen, die von der Quelle mit der größten<br />

Macht kommen, <strong>und</strong> diese Quelle ist nun mal <strong>das</strong> Ministerium!“<br />

„Aber als Voldemort an der Macht war, hatte er noch viel mehr<br />

Einfluss“, sagte Scott. „Alle hatten Angst oder Ehrfurcht vor ihm<br />

321


<strong>und</strong> die Dementoren spürten <strong>das</strong> <strong>und</strong> somit sind sie auf seine Seite<br />

gewechselt. Aber ich bezweifle stark, <strong>das</strong>s es die Malfoys jemals<br />

soweit bringen werden, <strong>das</strong>s selbst Dementoren zu ihnen gehören!“<br />

Die Zwillinge atmeten durch.<br />

„Das ist gut, dann brauchen wir uns wenigstens um Todesser keine<br />

Sorgen zu machen <strong>und</strong> außerdem wollen sie die sowieso erst wieder<br />

versammeln, wenn wir tot sind <strong>und</strong> <strong>das</strong> müssen sie erstmal schaffen!“,<br />

meinte <strong>Lily</strong> triumphierend. „Sie trauen sich doch sicher nicht<br />

ins Schloss, oder?“<br />

„Nein, ganz sicher nicht“, stimmte <strong>Dora</strong> ihr zu. „Und um den letzten<br />

Horkrux müssen wir uns auch keine Sorgen machen. Der Unbekannte<br />

meinte, <strong>das</strong>s er sicher ist … Obwohl, wenn er so sicher ist<br />

wie <strong>das</strong> Medaillon, dann sind wir in ernsthafter Gefahr! Dem Optimismus<br />

nach zu schließen, welchen Malfoy an den Tag legt, wären<br />

wir dann nicht mal mehr hier drin sicher!“<br />

Jemand drückte die Türklinge nach unten <strong>und</strong> eine ganze Schar<br />

Schüler trat ein. Es waren die Ravenclaws aus ihrem Jahrgang, die<br />

mit ihnen in Zauberkunst unterrichtet wurden. <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> sprangen<br />

vom Tisch <strong>und</strong> die vier setzten sich auf ihre Plätze ganz hinten.<br />

„Das heißt, wir warten solange ab, bis wir die Eule wieder haben,<br />

<strong>und</strong> dann schreiben wir dem Unbekannten. Er sagte doch, wir sollen<br />

uns keine Sorgen machen! Er wird <strong>und</strong> schon helfen <strong>und</strong> außerdem<br />

ist er irgendwo in unserer Nähe!“, flüsterte <strong>Lily</strong>.<br />

„Du hast Recht!“, antwortete <strong>Dora</strong>. „Wenn wir uns hier verrückt<br />

machen, dann bringt <strong>das</strong> auch niemandem etwas <strong>und</strong> vor allem tun<br />

wir den Malfoys nur einen Gefallen, wenn wir aus Angst irgendeinen<br />

Fehler begehen!“<br />

<strong>Lily</strong> nickte <strong>und</strong> grinste.<br />

„Wird schon gut gehen“, meinte sie.<br />

<strong>Dora</strong> lächelte zurück.<br />

„Aber sicher doch. Leise jetzt, Flitwick ist da!“<br />

Der kleine Pr<strong>of</strong>essor Flitwick betrat die Klasse <strong>und</strong> die Zwillinge<br />

hatten Mühe damit, ihn überhaupt erkennen zu können, denn sein<br />

322


Kopf überragte nur um einige Zentimeter die Tische der ersten Reihe.<br />

Doch dieser Umstand schien ihm überhaupt nichts auszumachen,<br />

denn ohne mit der Wimper zu zucken kletterte er auf seinen Sessel<br />

<strong>und</strong> stellte sich auf den Stapel mit Büchern, der darauf aufgebaut<br />

war.<br />

„Sehr geehrte Gryffindors, liebe Ravenclaws! Wir setzen den Unterricht<br />

fort. Vor sich finden Sie jetzt…“<br />

Flitwick wedelte mit seinem Zauberstab, woraufhin vor den Schülern<br />

winzige Behälter mit Stecknadeln auftauchten.<br />

„… eine kleine Menge von Stecknadeln, mit denen Sie mit Hilfe<br />

des Wingardium-Leviosa-Zaubers Ihren Namen in die Luft vor sich<br />

schreiben sollen!“, verkündete er.<br />

Ein verzweifeltes Raunen ging durch die Klasse <strong>und</strong> die anderen<br />

Schüler schauten sich fragend an, während <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> gleichzeitig<br />

grinsend ihre Zauberstäbe hoben, die Zauberformel murmelten<br />

<strong>und</strong> sich wie aus dem Nichts vor ihnen in der Luft ihr Name, bestehend<br />

aus lauter Stecknadeln, bildete.<br />

Die vier Unterrichtsst<strong>und</strong>en an diesem Tag vergingen wie im Flug<br />

<strong>und</strong> während sich die anderen Erstklässler aus Gryffindor über die<br />

Flugst<strong>und</strong>en aufregten, die ihnen Madame Hooch aufgebrummt hatte,<br />

weil die Schüler über Weihnachten so lange nicht geflogen waren,<br />

machten es sich <strong>Lily</strong>, <strong>Dora</strong>, Ted <strong>und</strong> Scott im Gemeinschaftsraum<br />

bequem.<br />

Ted <strong>und</strong> Scott diskutierten wieder einmal über ihre Lieblingsmannschaften<br />

in Quidditch, während <strong>Lily</strong> <strong>das</strong> Buch las, welches ihnen der<br />

Unbekannte am Vortag geschickt hatte. <strong>Dora</strong> hielt Peeves’ Tagebuch<br />

in der Hand, welches aus dem Schlafsaal geholt hatte <strong>und</strong> nun war<br />

sie in seine Streiche vertieft.<br />

Die Sonne löste sich inzwischen wieder vom ihrem Mittelpunkt am<br />

Himmel <strong>und</strong> wanderte langsam, aber sicher in Richtung Westen.<br />

„Hey, hört mal zu“, sagte <strong>Dora</strong> plötzlich.<br />

323


Ted, der gerade einen Vortrag über die letzten Weltmeisterschaften<br />

in Quidditch gehalten hatte, stoppte seine Erzählung <strong>und</strong> <strong>Lily</strong> blickte<br />

aus ihrem Buch auf.<br />

„Ich hab was gef<strong>und</strong>en“, sagte <strong>Dora</strong> leise, damit nur ihre Fre<strong>und</strong>e<br />

sie hören konnten. „Hier steht, <strong>das</strong>s Peeves den Ring einst im verbotenen<br />

Wald entdeckt hatte, als er einem Einhorn eine Stinkbombe<br />

hinterher warf <strong>und</strong> <strong>das</strong> Tagebuch hat er in irgendeiner Kammer gef<strong>und</strong>en,<br />

in der er einer Riesenschlange einen Giftzahn gezogen hat!<br />

Allerdings hat eine Schreckschraube namens Narzissa Malfoy sie<br />

ihm gestohlen!“<br />

Sie machte eine kurze Pause.<br />

„Ach ja, hier geht’s weiter. Dann hat die Alte ihm aufgetragen <strong>das</strong><br />

Diadem <strong>und</strong> die anderen unnützen Mistdinge zu finden. Das Diadem<br />

hatte er auch relativ bald gef<strong>und</strong>en. Es war in seiner Souvenirkammer,<br />

auch wenn es nicht seine Souvenirkammer war!“<br />

<strong>Dora</strong> runzelte ihre Stirn <strong>und</strong> las den Absatz noch mal durch. Doch<br />

es stimmte, was sie da gerade erzählt hatte.<br />

„Er hat es in seiner Kammer gef<strong>und</strong>en, obwohl es nicht seine<br />

Kammer war?“, wiederholte Ted mit hochgezogener Augenbraue.<br />

<strong>Dora</strong> nickte.<br />

„Das hat er geschrieben“, meinte sie.<br />

„Der hat sie wohl nicht mehr alle! Filch hat ihn wohl zu <strong>of</strong>t mit<br />

seinem Wassereimer erwischt!“, sagte Ted kopfschüttelnd. „Aber<br />

jetzt wissen wir wenigstens genau, woher sie die ersten drei Horkruxe<br />

hatten, auch wenn uns <strong>das</strong> keinen großen Vorteil einbringt!“<br />

„Da hat er Recht“, meinte auch <strong>Lily</strong>.<br />

„Na ja, mal schauen, vielleicht finde ich noch etwas!“, sagte <strong>Dora</strong>.<br />

So lange, bis auch die anderen Erstklässler schließlich halb erfroren<br />

wieder in den Gemeinschaftsraum kamen, gingen die vier wieder<br />

ihren ursprünglichen Beschäftigungen nach. Dann ließen sie es gut<br />

sein <strong>und</strong> machten sich über ihre Hausaufgaben in Zaubereigeschichte<br />

<strong>und</strong> Zaubertränke her.<br />

324


<strong>Dora</strong> hatte, außer ein paar besonders witzigen Streichen, nichts<br />

Wichtiges mehr in Peeves Tagebuch finden können, doch sie hatte<br />

erst ein paar Seiten durch <strong>und</strong> <strong>das</strong> Buch war lange. Sie war froh, <strong>das</strong>s<br />

es wenigstens nie langweilig wurde, sonst hätte sie es wohl bald aufgegeben,<br />

<strong>das</strong> alte Buch zu durchsuchen, doch Peeves schien ein<br />

wirklich heiteres ‚Leben’ in Hogwarts verbracht zu haben, zumindest<br />

bis die Malfoys plötzlich ohne Vorwarnung aufgetaucht waren. So<br />

fiel es <strong>Dora</strong> nicht wirklich schwer, nach Informationen zu suchen.<br />

Etwa eine halbe St<strong>und</strong>e vor dem Abendessen verabschiedeten sich<br />

die Mädchen von Ted <strong>und</strong> Scott <strong>und</strong> gingen hoch in den Schlafsaal.<br />

Eigentlich wollten sie sich noch ein wenig ausruhen, denn die Aufgaben<br />

in Zaubereigeschichte, die sie diesmal nicht nur aus ihren geschummelten<br />

Mitschriften übernehmen konnten, hatten sie schrecklich<br />

ermüdet, doch schon als sie die Tür öffneten, waren sie wieder<br />

hellwach.<br />

So schnell wie möglich liefen die beiden zum Fenster <strong>und</strong> öffneten<br />

es, damit die Eule, die davor saß, herein konnte. Wie immer in Hogwarts<br />

flatterte <strong>das</strong> Tier s<strong>of</strong>ort auf den Schrank, als <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> ihr<br />

den Brief abgenommen hatten, <strong>und</strong> dort wartete es dann, bis die<br />

Zwillinge den Brief gelesen <strong>und</strong> ihre Antwort an den Unbekannten<br />

fertiggestellt hatten.<br />

<strong>Lily</strong> faltete den Brief auseinander <strong>und</strong> beide begannen zu lesen.<br />

325<br />

Liebe <strong>Lily</strong>, liebe <strong>Dora</strong>!<br />

Freut mich, <strong>das</strong>s euer Weihnachten ein Erfolg war!<br />

Wusste ich es doch, <strong>das</strong>s ich euch mit dem Buch eine<br />

Freude machen kann. Ja, ihr habt Recht! Ich denke, <strong>das</strong>s<br />

dieses Buch euren Dad länger beschäftigt hat, als alle<br />

anderen Schulbücher zusammen! Passt also gut darauf<br />

auf!<br />

Tut mir leid, aber ihr könnt gar nichts machen. Seid einfach<br />

nur vorsichtig! Das ist wohl <strong>das</strong> Sinnvollste, <strong>das</strong> ihr


vier machen könnt! Und natürlich die Malfoys beobachten<br />

<strong>und</strong> mir alles erzählen! Das ist wichtig!<br />

Ich h<strong>of</strong>fe, in Hogwarts ist alles klar!?<br />

Meldet euch bei mir!<br />

Bis bald!<br />

„Du darfst wieder antworten“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

„Ja ja, ich weiß, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> besser kann“, antwortete <strong>Dora</strong> <strong>und</strong><br />

nahm einen der zahlreichen neuen Kugelschreiber aus ihrem Rucksack,<br />

die sie aus der Muggelwelt mitgebracht hatte.<br />

Statt Pergament verwendete sie auch normales Muggelpapier. Davon<br />

hatte sie ebenfalls mehrere Blöcke dabei <strong>und</strong> außerdem hatten<br />

ihr Onkel Dudley <strong>und</strong> Tante Emily versprochen, <strong>das</strong>s sie s<strong>of</strong>ort<br />

Nachschub schicken würden, wenn sie danach fragte.<br />

Wenige Minuten später hatte <strong>Dora</strong> den Brief fertig gestellt <strong>und</strong> sie<br />

reichte ihn <strong>Lily</strong>, damit diese ihn sich noch durchlesen konnte, bevor<br />

er an den unbekannten Empfänger geschickt wurde.<br />

Guten Abend!<br />

Ja, in Hogwarts ist soweit alles klar, allerdings gibt es<br />

Probleme mit den Malfoys. Das Medaillon ist in ihrem<br />

Besitz. Peeves hat es Scott heute in seinem Schlafsaal<br />

gestohlen <strong>und</strong> wir konnten den Geist nicht aufhalten. Es<br />

tut uns leid!<br />

Ich (<strong>Dora</strong>) habe gleich darauf <strong>das</strong> Tagtraumpulver<br />

verwendet <strong>und</strong> wieder die Malfoys gesehen. Narzissa<br />

Malfoy hat ihrem Mann gerade <strong>das</strong> Medaillon von<br />

Slytherin übergeben <strong>und</strong> daraufhin hat dieser total<br />

komisch gelacht. Das Lachen klang auf keinen Fall<br />

menschlich. Es war eine komische hohe Stimme, die aber<br />

sicher von Malfoy kam. Wie ist <strong>das</strong> möglich? Wissen Sie<br />

dafür eine Erklärung?<br />

326


327<br />

Außerdem meinte Mr. Malfoy, <strong>das</strong>s er bald stark genug<br />

sein würde, <strong>und</strong> wenn sie uns erst umgebracht haben,<br />

dann werden sie die Todesser wieder<br />

zusammentrommeln. Das ist sein Plan.<br />

Jetzt fehlt den beiden also nur noch die Schlange, dann<br />

haben sie alle Horkruxe. Wie gesagt, es tut uns leid. Wir<br />

konnten nichts dagegen unternehmen. Peeves war zu<br />

schnell.<br />

Wir haben allerdings Peeves’ Kammer gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ich<br />

habe sein Tagebuch mitgenommen. Darin steht, <strong>das</strong>s die<br />

Malfoys ihre ersten beiden Horkruxe, also <strong>das</strong> Tagebuch<br />

<strong>und</strong> den Ring, von Peeves gestohlen haben. Der hatte<br />

diese beiden Dinge als Souvenirs von irgendwelchen<br />

Streichen mitgehen lassen <strong>und</strong> in seiner Kammer<br />

versteckt. Die Malfoys müssen irgendwie dorthinein<br />

gekommen sein <strong>und</strong> sie haben sie sich geholt. Danach<br />

haben sie Peeves aufgetragen, auch die anderen Dinge<br />

zu suchen.<br />

Das ist alles, was wir im Moment wissen. Bitte antworten<br />

Sie schnell!<br />

Mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen,<br />

<strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong><br />

„Gut gemacht, können wir so abschicken“, meinte <strong>Lily</strong>.<br />

Die fremde Eule war inzwischen eingeschlafen <strong>und</strong> es dauerte einige<br />

Zeit, bis <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> sie wach bekommen hatten. Sie klopften<br />

einfach so lang an den Schrank, bis selbst die anscheinend halb taube<br />

Eule nicht mehr schlafen konnte. Anschließend lockten die beiden<br />

sie vom Schrank <strong>und</strong> schickten sie mit dem neuen Brief wieder weg.<br />

Sie schauten ihr noch nach, wie sie über den verbotenen Wald davonflog.<br />

„Aber wenn sie über den Wald fliegt, dann ist er anscheinend doch<br />

nicht in der Nähe, oder?“, fragte <strong>Dora</strong>.


„Keine Ahnung, aber ich fände es toll, zu wissen, wo er sich aufhält!“,<br />

antwortete ihre Zwillingsschwester.<br />

Sie warteten noch einige Minuten <strong>und</strong> betrachteten den Mond, der<br />

sich langsam über dem Wald blicken ließ, dann gingen sie langsam<br />

hinunter zum Abendessen, um Ted <strong>und</strong> Scott zu erzählen, <strong>das</strong>s sie<br />

den Brief an den Unbekannten abgeschickt hatten.<br />

Spät in der Nacht, als die anderen drei Mädchen bereits tief schliefen,<br />

waren <strong>Lily</strong> <strong>und</strong> <strong>Dora</strong> noch immer wach. <strong>Dora</strong> hatte es aufgegeben,<br />

sämtliche Einträge in Peeves Buch in umgekehrter Reihenfolge<br />

durchzulesen, sondern sie beschlossen, nur noch nach wichtigen Einträgen<br />

Ausschau zu halten. Dazu hatte sie die erste Seite aufgeschlagen.<br />

Der Eintrag mit der Nummer eins hatte nur den Inhalt, <strong>das</strong>s Peeves<br />

es endlich geschafft hatte, einen passenden Raum für seine Habseligkeiten<br />

zu finden, doch dann erblickte <strong>Dora</strong> ein Gedicht, auf der<br />

Innenseite des Einbandes, <strong>das</strong>s ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkte.<br />

Der siebte Tag, des siebten Monates,<br />

Des siebten Jahres von Hogwarts einst war,<br />

Als ein schreckliches Ereignis dem Hausmeister sich bot dar.<br />

Sieben Schüler auf der siebten Treppe standen,<br />

Was er jedoch nicht konnt’ ahnden.<br />

So blieb er stehen <strong>und</strong> wartete,<br />

Worin dieses Treffen wohl ausartete.<br />

Plötzlich packten Schüler Eins <strong>und</strong> Zwei<br />

Einen Sack Federn so schwer wie Blei.<br />

Schüler Drei <strong>und</strong> Vier<br />

Nahmen eine Kiste mit Butterbier.<br />

Schüler Fünf <strong>und</strong> Sechs<br />

Ergriffen ein ihm unbekanntes Gewächs.<br />

Der Schüler Sieben machte nichts dergleichen,<br />

Sondern er versuchte den anderen auszuweichen.<br />

Er stellte sich hinter sie <strong>und</strong> zählte Eins, zwei, drei,<br />

328


329<br />

Als wäre ihm alles einerlei.<br />

Als er war angekommen bei der Zahl Sieben,<br />

Da verhielten sich die anderen ganz durchtrieben.<br />

Blei, Butterbier <strong>und</strong> Gewächs, alle drei flogen,<br />

Auf den Hausmeister <strong>und</strong> rissen ihn zu Boden.<br />

Sieben Minuten vergingen, er rührte sich kaum,<br />

Dann kam es ihm vor, als sei es ein Traum.<br />

Er lebte, doch neben ihm, gebrechlich <strong>und</strong> weiß,<br />

Erhob sich ein zwielichtiger Poltergeist.<br />

Als verkörperlichtes Unheil wurde er geboren,<br />

Ewige Rache dem Hausmeister: Das hat er geschworen!<br />

„<strong>Lily</strong>?“, fragte <strong>Dora</strong>. „Weißt du eigentlich, wie Poltergeister geschaffen<br />

werden?“<br />

<strong>Lily</strong> blickte auf <strong>und</strong> schaute ihre Schwester an.<br />

„Geister sind tote Menschen, die nicht mit ihrem Leben abschließen<br />

konnten, oder?“, fragte sie.<br />

„Eigentlich ja!“, stimmte <strong>Dora</strong> ihrer Schwester zu. „Aber Peeves’<br />

Tagebuch nach zu urteilen, sind Poltergeister keine richtigen Geister.<br />

Hast du dich niemals gefragt, wieso Peeves nicht durch Wände gehen<br />

kann? Und warum Dinge anfassen <strong>und</strong> sie uns nachschmeißen<br />

kann?“<br />

<strong>Lily</strong> schüttelte den Kopf.<br />

„Um ehrlich zu sein nicht!“, sagte sie.<br />

<strong>Dora</strong> lachte.<br />

„Ja, ich mich vorher auch nicht. Aber jetzt schon. Poltergeister wie<br />

Peeves sind sozusagen <strong>das</strong> Unheil in Geisterform <strong>und</strong> Peeves hat es<br />

einem Hausmeister von Hogwarts zu verdanken, <strong>das</strong>s es ihn überhaupt<br />

gibt! Ich denke, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> der Gr<strong>und</strong> ist, warum er ihn so hasst!<br />

Aber lies selbst! Bringt uns zwar nicht weiter, ist aber trotzdem interessant!“<br />

<strong>Lily</strong> stand auf <strong>und</strong> setzte sich zu ihrer Schwester ins Bett, wo diese<br />

ihr <strong>das</strong> Gedicht zeigte.


„Ist ja cool!“, meinte <strong>Lily</strong>, als sie es fertig gelesen hatte. „Ich dachte<br />

gar nicht, <strong>das</strong>s dieser Geist eine Geschichte hat! Aber wenn man<br />

genau darüber nachdenkt, dann ist dieses Gedicht einleuchtend! Das<br />

würde erklären, warum er anders als die anderen Geister hier ist!“<br />

<strong>Dora</strong> nickte.<br />

„Okay, aber jetzt ist genug. Ich geh jetzt schlafen!“, meinte sie kurze<br />

Zeit später.<br />

Ihre Schwester stimmte ihr zu <strong>und</strong> so machten sich die beiden fertig<br />

für die Nacht <strong>und</strong> es dauerte nicht lange, bis alle fünf Mädchen<br />

im Schlafsaal tief <strong>und</strong> fest schliefen.<br />

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