Broschur neu Kopie - Ulrich Stockmann
Broschur neu Kopie - Ulrich Stockmann
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Die Beihilfekontrollpolitik<br />
der Europäischen Union<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Stockmann</strong>, MdEP<br />
unter Mitarbeit von<br />
Nicole Busse<br />
Sachsen-Anhalt<br />
1
2<br />
Impressum:<br />
Herausgeber:<br />
SPD Landesverband Sachsen-Anhalt<br />
Bürgelstraße 1<br />
39104 Magdeburg<br />
Autoren:<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Stockmann</strong>, MdEP<br />
und Nicole Busse<br />
Adresse:<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Stockmann</strong>, MdEP<br />
SPD-Europabüro Sachsen-Anhalt<br />
Bürgelstraße 1<br />
39104 Magdeburg<br />
Tel. : 0391 / 5 41 12 92<br />
Fax: 0391 / 5 41 33 26<br />
E-mail: ep@ulrich-stockmann.de<br />
Die Broschüre ist im Internet abrufbar:<br />
http://www.ulrich-stockmann.de<br />
Gestaltung und Herstellung:<br />
Schmidt Druck Naumburg<br />
Tel. 03445/202529
INHALTSVERZEICHNIS<br />
DIE BEIHILFEKONTROLLPOLITIK DER EUROPÄISCHEN UNION<br />
Seite<br />
Vorwort 4<br />
I. SINN UND ZWECK DER KONTROLLE STAATLICHER BEIHILFE<br />
1. Beihilfekontrolle als Teil der Wettbewerbspolitik<br />
6<br />
2. Überblick und Beihilfebegriff 7<br />
II. DAS BEIHILFEVERBOT UND SEINE AUSNAHMEN 8<br />
1. Allgemeines<br />
2. Beihilfen in den <strong>neu</strong>en Bundesländern als Ausnahme 9<br />
gem. Art. 87 Abs. 3a) EGV<br />
III. DIE BEIHILFENAUFSICHT 10<br />
1. Grundsätze und Grenzen<br />
2. Die verschiedenen Formen staatlicher Beihilfe und die von 12<br />
der Europäischen Kommission hierzu aufgestellten Leitlinien<br />
a) allgemeine Kriterien<br />
b) Sektorale Beihilfen 12<br />
c) Regionalbeihilfen 14<br />
d) Horizontale Beihilfen 16<br />
(1.) Beihilfen für kleine und mittlere Unternehmen<br />
(2.) Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen 18<br />
für Unternehmen in Schwierigkeiten<br />
(3.) Beschäftigungsbeihilfen 20<br />
(4.) Exkurs: Privatisierungsmaßnahmen der 20<br />
Treuhandanstalt und der BvS<br />
1. Beispiel: SKET Maschinen- und 21<br />
Anlagenbau GmbH<br />
2. Beispiel: Dow/Buna SOW Leuna 22<br />
Olefinverbund GmbH (BSL)<br />
3. Beispiel: UCB Chemie GmbH, 24<br />
Linde AG<br />
IV. DAS BEIHILFEKONTROLLVERFAHREN<br />
1. Verfahrensverordnung (VVO)<br />
25<br />
2. Gruppenfreistellungsverordnungen (GVOen) 26<br />
V. FAZIT UND ZUKUNFTSAUSBLICK 27<br />
Anhang I: Art. 87 - 89 EGV 29<br />
Anhang II: Adressen 31<br />
31<br />
3
4<br />
Vorwort<br />
Die Europäische Gemeinschaft hat mit der<br />
Schaffung des Binnenmarktes im Jahr<br />
1993 eines der ehrgeizigsten und bedeutendsten<br />
Projekte der europäischen Integration<br />
verwirklicht.<br />
Sinn des Binnenmarktes ist es, den Unternehmen<br />
Wettbewerb zu gleichen Bedingungen<br />
auf allen Märkten der Mitgliedstaaten<br />
zu ermöglichen. Durch den freien Verkehr<br />
von Waren, Personen, Dienstleistungen und<br />
Kapital innerhalb des Binnenmarktes soll<br />
die Effizienz und Dynamik der Wirtschaft<br />
zum Nutzen der Konsumenten gesteigert<br />
und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft<br />
gegenüber Drittländern verbessert<br />
werden.<br />
Um die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes<br />
zu gewährleisten, ist es die Aufgabe der<br />
Europäischen Kommission, mit Hilfe der<br />
Wettbewerbspolitik unverfälschten Wettbewerb<br />
zu garantieren und alle Hindernisse<br />
für den freien Verkehr von Waren, Personen,<br />
Dienstleistungen und Kapital zu beseitigen.<br />
Ein zentrales Aufgabenfeld der Kommission<br />
ist es daher dafür zu sorgen, dass<br />
Unternehmen bzw. nationale Behörden die<br />
Dynamik des Wettbewerbs durch wettbewerbswidrige<br />
Praktiken nicht behindern.<br />
Wettbewerbswidrige Praktiken sind bei-<br />
spielsweise die Monopolisierung bestimmter<br />
Märkte oder die Aufteilung eines Marktes<br />
durch verschiedene Unternehmen aufgrund<br />
von Absprachen.<br />
Eine wichtige Voraussetzung für das reibungslose<br />
Funktionieren des europäischen<br />
Binnenmarktes ist darüber hinaus die Unterbindung<br />
wettbewerbsverzerrender staatlicher<br />
Eingriffe in Form von Beihilfen zugunsten<br />
bestimmter heimischer Unternehmen<br />
und Wirtschaftszweige.<br />
Die Beihilfenkontrollpolitik der Europäischen<br />
Union ist aus diesem Grund für den Binnenmarkt<br />
von besonderer Bedeutung. Angesichts<br />
der Exportorientierung unserer Wirtschaft<br />
liegt eine effektive Beihilfenkontrolle<br />
gerade auch im nationalen Interesse Deutschlands.<br />
Eine genaue Prüfung von Beihilfen<br />
und Subventionen durch die Europäische<br />
Kommission ist somit angemessen und notwendig.<br />
Auch Sachsen-Anhalt hat in den<br />
vergangenen Jahren von der konsequenten<br />
Beihilfepolitik und –kontrolle der EU profitiert.<br />
Grundsätzlich sind nach dem Vertrag Beihilfen,<br />
die den Wettbewerb verfälschen oder<br />
den Handel zwischen den Mitgliedstaaten<br />
beeinträchtigen, verboten. Das Beihilfeverbot<br />
kennt jedoch zahlreiche Ausnahmen.<br />
Mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar<br />
sind beispielsweise Beihilfen sozialer Art an<br />
einzelne Verbraucher oder auch Beihilfen<br />
zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen<br />
oder sonstige außergewöhnliche<br />
Ereignisse entstanden sind.<br />
Darüber hinaus unterliegen Beihilfen für<br />
durch die Teilung Deutschlands betroffene<br />
Gebiete nicht dem Beihilfeverbot. Auch können<br />
Beihilfen zur Förderung wirtschaftsschwacher<br />
Gebiete (sog. Regionalbeihilfen)<br />
und Beihilfen zur Förderung gewisser Wirt-
schaftszweige (sog. sektorale Beihilfen) mit<br />
dem EG-Vertrag vereinbar sein. Insbesondere<br />
für die <strong>neu</strong>en Bundesländer sind diese<br />
Regelungen von Bedeutung, da wir teilungsbedingt<br />
nach wie vor wirtschaftliche Rückstände<br />
aufzuholen haben und eine gezielte<br />
wirtschaftliche Förderung daher unerlässlich<br />
ist. Zweck dieser Ausnahmevorschrift ist es,<br />
wirtschaftliche Ungleichgewichte innerhalb<br />
der EU auszugleichen und damit eines der<br />
wichtigsten Ziele der EU - die Förderung des<br />
wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts und<br />
eines hohen Beschäftigungsniveaus – zu<br />
erreichen.<br />
Um dem Ziel einer harmonischen wirtschaftlichen<br />
Entwicklung näher zu kommen,<br />
brauchen wir vor allem im Osten Deutschlands<br />
eine aktive Wirtschaftsförderungspolitik.<br />
Allerdings steht diese notwendige<br />
Hilfe für wirtschaftsschwache Gebiete und<br />
einzelne Wirtschaftszweige - trotz der erwähnten<br />
Ausnahmen - grundsätzlich in einem<br />
Spannungsverhältnis zum Beihilfeverbot<br />
innerhalb des europäischen Binnenmarktes.<br />
Dieses Spannungsverhältnis kann<br />
auch künftig am besten durch eine gleichermaßen<br />
dem Schutz des Wettbewerbs und<br />
der wirtschaftlichen Entwicklung insgesamt<br />
verpflichteten Europäischen Kommission<br />
gelöst werden. Die Kommission legt daher<br />
ihrer Beihilfenpolitik eine umfassende<br />
Gemeinschaftsperspektive zugrunde, indem<br />
sie nicht nur wettbewerbs-, sondern beispielsweise<br />
ebenso sozial-, arbeitsmarkt-,<br />
umwelt- und strukturpolitische Aspekte bei<br />
der Beihilfenkontrolle berücksichtigt.<br />
Die Europäische Kommission besitzt somit<br />
bei der Genehmigung von Beihilfen einen<br />
gewissen Ermessensspielraum. Mit Blick<br />
auf die wirtschaftliche Entwicklung in den<br />
<strong>neu</strong>en Bundesländer gilt es, diesen Ermessensspielraum<br />
im Sinne der Erhaltung und<br />
Schaffung von Arbeitsplätzen zu beeinflus-<br />
sen. Eine zielgerichtete und sachgerechte<br />
Begleitung der Beihilfeverfahren sowie ein<br />
aufeinander abgestimmtes Vorgehen aller<br />
Ebenen ist dabei geboten. Dies gilt gerade<br />
auch für unser Bundesland. Im Sommer<br />
2000 zeigte der Fall SKL-M, Magdeburg,<br />
die Notwendigkeit, eine gemeinsame Linie<br />
gegenüber der Kommission zu vertreten.<br />
In Sachsen-Anhalt sind nach wie vor zahlreiche<br />
solcher sog. Notifizierungsverfahren<br />
anhängig, bei denen die Europäische Kommission<br />
über die Zulässigkeit der Zahlung<br />
von Beihilfen zu entscheiden hat. Auch mit<br />
Blick auf die Osterweiterung der Europäischen<br />
Union sowie die Einführung von<br />
Wettbewerbselementen im Bereich der<br />
Daseinsvorsorge wird die Beihilfenkontrollpolitik<br />
der Europäischen Union ein zentrales<br />
und kontroverses Thema sein.<br />
Die vorliegende Broschüre soll dazu beitragen,<br />
Sinn, Zweck und Grundsätze der<br />
Beihilfenkontrolle deutlich zu machen sowie<br />
anhand ausgewählter Beispiele die Beihilfeverfahren<br />
zu veranschaulichen. Die Broschüre<br />
stellt damit einen Leitfaden für den<br />
Umgang mit Beihilfeverfahren bereit und<br />
skizziert zugleich Möglichkeiten und Grenzen<br />
der Einflussnahme.<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Stockmann</strong>, MdEP<br />
5
6<br />
DIE BEIHILFEKONTROLLPOLITIK<br />
DER EUROPÄISCHEN UNION<br />
I. SINN UND ZWECK DER KONTROLLE<br />
STAATLICHER BEIHILFE<br />
1. Beihilfekontrolle als Teil der<br />
Wettbewerbspolitik<br />
Bereits zu Beginn der europäischen Integration<br />
mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft<br />
(EWG) am 1.1.1958<br />
wurde eine klare ordnungspolitische Grundentscheidung<br />
zugunsten einer wettbewerbsorientierten<br />
Marktwirtschaft und gegen eine<br />
staatlich gelenkte Zentralverwaltungswirtschaft<br />
getroffen. Die Marktwirtschaft ist gekennzeichnet<br />
durch das freie Zusammenspiel von Angebot<br />
und Nachfrage auf den Waren- und Dienstleistungsmärkten.<br />
Die Schaffung eines Gemeinsamen<br />
Marktes (auch Binnenmarkt<br />
genannt) durch die Integration der Volkswirtschaften<br />
der Mitgliedstaaten ist eine wesentliche<br />
Voraussetzung für die Umsetzung der<br />
Marktwirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft.<br />
Hierbei kommt dem Schutz des unverfälschten<br />
Wettbewerbs in diesem Markt<br />
herausragende Bedeutung zu.<br />
Der EG-Vertrag (EGV) nennt in seinem Art. 3<br />
Abs. 1c die Verwirklichung des Binnenmarktes<br />
als eine der unmittelbaren Aufgaben der Gemeinschaft.<br />
Diese verlangt die Beseitigung<br />
aller Hindernisse für den freien Verkehr von<br />
Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital<br />
zwischen den Mitgliedstaaten. Weitere Aufgabe<br />
ist gemäß Art. 3 Abs. 1g EGV die Errichtung<br />
und Durchführung eines Systems, „das<br />
den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes<br />
vor Verfälschungen schützt”. Durch den Schutz<br />
der vier wirtschaftlichen Grundfreiheiten und<br />
des Wettbewerbs gewährleistet die Gemeinschaft<br />
seit ihrer Gründung die wesentlichen<br />
Elemente einer freien Marktwirtschaft.<br />
Voraussetzung für das gute Funktionieren<br />
einer Marktwirtschaft ist, daß sowohl auf der<br />
Anbieter- als auch auf der Nachfragerseite<br />
ausreichender Wettbewerb zwischen den<br />
Wirtschaftsteilnehmern herrscht. Diese Voraussetzung<br />
stellt sich nicht immer von selbst<br />
ein. Es besteht die Gefahr, daß z.B. Unternehmen<br />
durch ihr Verhalten auf dem Markt (etwa<br />
durch Absprachen unter Mitbewerbern oder<br />
durch Unternehmenszusammenschlüsse) die<br />
Wettbewerbsintensität verringern. Hinzu kommen<br />
wettbewerbsverzerrende staatliche Eingriffe<br />
wie Beihilfen zugunsten bestimmter<br />
heimischer Unternehmen und Wirtschaftszweige.<br />
Unter dem Blickwinkel des mitgliedstaatlichen<br />
Systemwettbewerbs können Beihilfen<br />
als Preisnachlässe verstanden werden, welche<br />
die Anbieter von Standorten im Binnenmarkt<br />
(die Mitgliedstaaten) den Nachfragern solcher<br />
Standorte (den Unternehmen) gewähren.<br />
Um Verfälschungen des innergemeinschaftlichen<br />
Handels und einen Subventionswettlauf<br />
unter den Mitgliedstaaten zu verhindern,<br />
wurden verbindliche Regeln zum<br />
Schutz des Wettbewerbs und eine effektive<br />
hoheitliche Kontrolle ihrer Anwendung geschaffen.<br />
Im Rahmen der Wettbewerbspolitik<br />
ist in der EU bereits seit 1958 die Europäische<br />
Kommission für die Kontrolle nationaler staatlicher<br />
Beihilfen der Mitgliedstaaten zuständig.
2. Überblick und Beihilfebegriff<br />
Die Artikel 87 bis 89 EGV regeln die Kontrolle<br />
staatlicher Beihilfe durch die Europäische<br />
Union. Art. 87 EGV verbietet den Mitgliedstaaten<br />
grundsätzlich, Beihilfen zu gewähren.<br />
In Absatz 1 heißt es dazu:<br />
„Soweit in diesem Vertrag nicht etwas<br />
anderes bestimmt ist, sind staatliche<br />
oder aus staatlichen Mitteln gewährte<br />
Beihilfen gleich welcher Art, die durch<br />
die Begünstigung bestimmter Unternehmen<br />
oder Produktionszweige den<br />
Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen<br />
drohen, mit dem Gemeinsamen<br />
Markt unvereinbar, soweit sie den Handel<br />
zwischen Mitgliedstaaten<br />
beeinträchtigen.”<br />
Wissenschaft und Rechtsprechung haben<br />
stets versucht, den Begriff der Beihilfe näher<br />
zu umschreiben. Wegen der Weite des<br />
Beihilfebegriffs in Art. 87 Abs. 1 EGV („Beihilfen<br />
gleich welcher Art”) muß jedoch jeder Versuch,<br />
den Begriff der Beihilfe näher zu bestimmen,<br />
darauf hinauslaufen, ihn auch einzuengen.<br />
Nach der Rechtsprechung des Europäischen<br />
Gerichtshofes (EuGH) ist eine Beihilfe eine<br />
Maßnahme, die speziell als Mittel zur Verfolgung<br />
bestimmter Ziele dient, die in der Regel<br />
nicht ohne fremde Hilfe erreicht werden könnten.<br />
Der Beihilfebegriff umfasse deshalb nicht<br />
nur positive Leistungen, sondern auch Maßnahmen,<br />
die in verschiedener Form die Belastungen<br />
verringern, welche ein Unternehmen<br />
normalerweise zu tragen habe. 1<br />
Zur Beihilfe gehören also sowohl Subventionen<br />
in traditionellem Sinne, d.h. positive, die<br />
öffentliche Hand belastende Leistungen des<br />
Staates an bestimmte Unternehmen oder bestimmte<br />
Produktionszweige, als auch die Senkung<br />
der finanziellen Verpflichtungen<br />
bestimmter Unternehmen oder bestimmter<br />
1 EuGH-Steenkolenmijnen/Höhe Behörde, 30/59-Slg. 1961, 7.<br />
Zuletzt bestätigt in EuGH-Ecotrade Srl/Altiforni e Ferriere die Servola SpA (AFS), C-200/97- Urteil vom 1.12.1998<br />
2 Vgl. Antwort der Kommission auf schriftl. Anfrage Nr. 48, Abl. 1963 Nr. 125 S. 2235<br />
Produktionszweige gegenüber dem Staat, die<br />
somit die staatlichen Einnahmen verringern.<br />
Auch die Kommission hat den Beihilfebegriff<br />
stets weit und in dieser Doppelform interpretiert.<br />
Hiernach sind Beihilfen: Zuschüsse, Befreiungen<br />
von Steuern und Abgaben, Zinszuschüsse,<br />
Übernahme von Bürgschaften zu<br />
besonders günstigen Bedingungen, die unentgeltliche<br />
oder besonders preiswerte Überlassung<br />
von Grundstücken und Gebäuden, die<br />
Lieferung von Gütern oder Dienstleistungen zu<br />
Vorzugsbedingungen, die Übernahme von Verlusten<br />
oder jede andere Maßnahme gleicher<br />
Wirkung. 2<br />
Anerkannte Charakteristika einer staatlichen<br />
Beihilfe sind:<br />
1. die Beihilfe wird vom Staat oder aus<br />
staatlichen Mitteln gewährt,<br />
2. die Beihilfe bedeutet für ihre Empfänger<br />
insgesamt eine Begünstigung,<br />
(Begünstigung bedeutet nicht, daß<br />
die Leistung unentgeltlich sein muß;<br />
es genügt, daß keine ausreichende<br />
und marktübliche Gegenleistung erfolgt,<br />
oder daß die Leistung keinem<br />
normalen wirtschaftlichen Vorgang<br />
entspricht)<br />
3. die Beihilfe wird selektiv an bestimmte<br />
Unternehmen oder Produktionszweige<br />
vergeben.<br />
Außerdem ist das Prinzip des marktwirtschaftlich<br />
handelnden Kapitalgebers das<br />
zentrale Beurteilungskriterium für die Frage, ob<br />
eine Maßnahme der öffentlichen Hand zugunsten<br />
eines öffentlichen Unternehmens eine<br />
staatliche Beihilfe ist. Es wurde von Kommission<br />
und Rat in ihrer Entscheidungs- und Rechtsetzungspraxis<br />
entwickelt, vom Parlament<br />
gebilligt und vom Gerichtshof bestätigt. 3 Diesem<br />
Prinzip zufolge liegt eine Beihilfe stets<br />
dann vor, wenn <strong>neu</strong>es Kapital für Unternehmen<br />
unter Umständen bereitgestellt wird, die für<br />
3 Vgl. die Nachweise in der Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten „Anwendung der Art. 92 und 93EWG-Vertrag und des Art. 5 der Richtlinie 80/723/EWG<br />
der Kommission über öffentliche Unternehmen in der verarbeitenden Industrie”, Abl. 1993 Nr. L 254 S. 16 Z. 13-21<br />
7
8<br />
einen privaten Kapitalgeber, der unter normalen<br />
marktwirtschaftlichen Bedingungen sein<br />
Geld anlegt, nicht annehmbar wären.<br />
II. DAS BEIHILFEVERBOT UND SEINE<br />
AUSNAHMEN<br />
1. Allgemeines<br />
Das grundsätzliche Beihilfeverbot des Art. 87<br />
Abs. 1 EGV gilt nur, soweit die Begünstigung<br />
bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige<br />
den Wettbewerb verfälscht oder zu<br />
verfälschen droht und hierdurch der Handel<br />
zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt<br />
wird. Wettbewerbsverfälschung ist jede Form<br />
der Verzerrung des aktuellen oder potentiellen<br />
Wettbewerbs einschließlich des durch die Beihilfe<br />
erschwerten Marktzutritts für <strong>neu</strong>e Unternehmen.<br />
Die Beihilfegewährung beeinträchtigt<br />
den Handel zwischen den Mitgliedstaaten oder<br />
ist hierzu geeignet, wenn sie die Ein- und Ausfuhr<br />
von Gütern, die grenzüberschreitende Erbringung<br />
von Dienstleistungen oder die Standortentscheidung<br />
von Unternehmen positiv oder<br />
negativ beeinflußt oder beeinflussen kann.<br />
Das Beihilfeverbot kennt jedoch zahlreiche<br />
Ausnahmen. Die in Art. 87 Abs. 2 EGV genannten<br />
Beihilfekategorien sind vom Beihilfeverbot<br />
ausgenommen. Sie werden als mit dem<br />
gemeinsamen Markt vereinbar angesehen, da<br />
die Auswirkungen der Beihilfe mit Sicherheit<br />
im innerstaatlichen Rahmen bleiben. Die gemeinschaftliche<br />
Beihilfenkontrolle ist hier nicht<br />
anwendbar.<br />
In Art. 87 Abs. 2 EGV heißt es:<br />
„Mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar<br />
sind:<br />
a) Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher,<br />
wenn sie ohne Diskriminierung<br />
nach der Herkunft der Waren<br />
gewährt werden;<br />
b) Beihilfen zur Beseitigung von Schäden,<br />
die durch Naturkatastrophen<br />
oder sonstige außergewöhnliche<br />
Ereignisse entstanden sind;<br />
c) Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter,<br />
durch die Teilung Deutschlands<br />
betroffener Gebiete der Bundesrepublik<br />
Deutschland, soweit sie zum<br />
Ausgleich der durch die Teilung<br />
verursachten wirtschaftlichen Nachteile<br />
erforderlich sind.”<br />
Diese Beihilfen sind zwar durch die Mitgliedstaaten<br />
bei der Kommission anzumelden, jedoch<br />
kann diese nur prüfen, ob die Beihilfen<br />
die in Art. 87 Abs. 2 EGV genannten Kriterien<br />
erfüllen und mit den allgemeinen Grundsätzen<br />
des Gemeinschaftsrechts vereinbar sind. Sind<br />
diese Bedingungen erfüllt, so muß die Kommission<br />
die Beihilfe genehmigen.<br />
Über Absatz 2 hinaus nennt Art. 87 EGV in<br />
seinem Absatz 3 fünf Kategorien, in denen Beihilfen<br />
als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar<br />
angesehen werden können. Die Entscheidung<br />
hierüber liegt hinsichtlich der ersten vier<br />
Kategorien im Ermessen der Kommission.<br />
Diese „kann” nach Art. 87 Abs. 3 a) und c)<br />
EGV Beihilfen zur Förderung wirtschaftsschwacher<br />
Gebiete (Regionalbeihilfen) und<br />
Beihilfen zur Förderung gewisser Wirtschaftszweige<br />
(sektorale Beihilfen) erlassen. Desweiteren<br />
kann die Kommission nach Art. 87<br />
Abs. 3 b) EGV Beihilfen zur Förderung wichtiger<br />
Vorhaben von gemeinsamem europäischem<br />
Interesse oder zur Behebung einer<br />
beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben<br />
eines Mitgliedstaates und nach Art. 87 Abs. 3<br />
d) EGV Beihilfen zur Förderung der Kultur und<br />
der Erhaltung des kulturellen Erbes zulassen.<br />
Der Ministerrat kann zudem mit qualifizierter<br />
Mehrheit auf Vorschlag der Kommission gem.<br />
Art. 87 Abs. 3 e) EGV weitere Ausnahmetatbestände<br />
schaffen. Hiervon hat der Rat bisher<br />
nur hinsichtlich Beihilfen für den Schiffbau<br />
Gebrauch gemacht.
Es gibt jedoch noch weitere Vorschriften,<br />
welche genauere oder strengere Regelungen<br />
als die Art. 87 bis 89 EGV enthalten, und die<br />
als das speziellere Gesetz (lex specialis) heranzuziehen<br />
sind. Als solche Ausnahmevorschriften<br />
des Gemeinschaftsrechts kommen<br />
vor allem Art. 42 für die Landwirtschaft, Art.<br />
77, 80 und 82 für den Verkehr, Art. 90 bezüglich<br />
öffentlicher Unternehmen und Art. 112<br />
Abs. 1 bezüglich der Ausfuhr in Drittstaaten in<br />
Betracht.<br />
Weitere Sonderregelungen finden sich für<br />
den Sektor Kohle und Stahl in Art. 4 c) EGKSV<br />
und für den Sektor der friedlichen Nutzung<br />
und Entwicklung der Kernenergie in Art. 6 a)<br />
EAGV.<br />
2. Beihilfen in den <strong>neu</strong>en Bundesländern<br />
als Ausnahme gem. Art. 87 Abs. 3 a)<br />
EGV<br />
Bei Beihilfen in den <strong>neu</strong>en Bundesländern ist<br />
es streitig, ob diese durch die Teilungsklausel<br />
(Art. 87 Abs. 2c) EGV) als gesetzliche Ausnahme<br />
(Legalausnahme) vom Beihilfeverbot generell<br />
freigestellt sind oder ob sie nach den Ausnahmen<br />
für Regionalbeihilfen befreit werden<br />
können (Art. 87 Abs. 3a) und c) EGV).<br />
Durch Art. 87 Abs. 2c) EGV ist der Bundesrepublik<br />
Deutschland eine privilegierte Förderkompetenz<br />
zum Ausgleich der wirtschaftlichen<br />
Nachteile der durch die Teilung Deutschlands<br />
besonders betroffenen Gebiete zugestanden<br />
worden. Jedoch geht die Europäische Kommission<br />
davon aus, daß mit der politischen Vereinigung<br />
die Gründe für die Zonenrand- und<br />
Berlin-Förderung entfallen sind 4 und auch<br />
nicht für das Gebiet der ehemaligen DDR gelten.<br />
Auf den Punkt gebracht wurde dieser Streit<br />
im Rechtsstreit um Beihilfen für VW-Werke in<br />
Sachsen. 5 Deutschland sieht diese Beihilfen<br />
4 vgl. 20. Wettbewerbsbericht der Kommission, Rdnr. 178<br />
von der Teilungsklausel erfaßt und somit als<br />
mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar an. Die<br />
Kommission hingegen wandte die Teilungsklausel<br />
für diese Beihilfen nicht an, weil sie der<br />
Auffassung ist, daß diese Vorschrift eng auszulegen<br />
sei. Sie erfasse nur unmittelbar teilungsbedingte<br />
Nachteile, vor allem die Förderrandgebietprogramme<br />
vor der Wiedervereinigung,<br />
für die diese Vorschrift vorgesehen gewesen<br />
sei. Die Wirtschaftsstruktur in den <strong>neu</strong>en Bundesländern<br />
sei nicht unmittelbar teilungsbedingt,<br />
sondern vielmehr durch die Wirtschaftspolitik<br />
der DDR entstanden.<br />
In der Mitteilung der Kommission an die<br />
Mitgliedstaaten über die Methode zur Anwendung<br />
von Art. 87 Abs. 3 a) und c) EGV auf<br />
Regionalbeihilfen wurden erstmals gemeinschaftsweit<br />
einheitliche Kriterien für die Definition<br />
von Regionalfördergebieten nach Buchstaben<br />
a) und c) festgelegt. 6 Auf der Grundlage<br />
dieser Kriterien wurden auch die <strong>neu</strong>en deutschen<br />
Länder als Regionalfördergebiete nach<br />
Art. 87 Abs. 3 a) EGV eingestuft. 7<br />
Die Ausnahmevorschrift des Art. 87 Abs. 3 a)<br />
EGV bezieht sich auf<br />
„Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen<br />
Entwicklung von Gebieten, in<br />
denen die Lebenshaltung außergewöhnlich<br />
niedrig ist oder eine erhebliche<br />
Unterbeschäftigung herrscht”.<br />
Damit soll es ermöglicht werden, das wirtschaftliche<br />
Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft<br />
auszugleichen und gleichartige<br />
Wettbewerbsvoraussetzungen zu schaffen, um<br />
zu einer wirtschaftlichen Einheit und einer harmonischen<br />
Entwicklung der Volkswirtschaften<br />
zu gelangen.<br />
Lebensstandard bzw. Unterbeschäftigung<br />
sind nicht im nationalen Durchschnitt des betreffenden<br />
Mitgliedstaates, sondern am Gemeinschaftsniveau<br />
zu messen. Dies ist not-<br />
5 Abl. L 385 v. 31.12.1994, 1-14; Klage Deutschlands Rs. C-301/96 (Abl. C 336 v. 9.11.1996, 18); Klage derKommission Rs. C-302/96 (Abl. C 336, 19)<br />
6 Abl. 1988 Nr. C 212 S. 2<br />
7 Für die Jahre 1994 bis 1996 vgl. Abl. 1994 Nr. C 373 S. 4; für 1997 bis Ende 1999 vgl. Abl. 1997 Nr. 288 S. 5<br />
9
10<br />
wendig, um einen Subventionswettlauf der<br />
Mitgliedstaaten zugunsten bestimmter Regionen<br />
zu unterbinden. Die Kommission erkennt<br />
die Förderbarkeit der <strong>neu</strong>en Bundesländer an,<br />
da in ihnen das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt<br />
den Schwellenwert von 75 % des Gemeinschaftsdurchschnitts<br />
nicht übersteigt.<br />
Sinnvoll eingesetzte Regionalbeihilfe kann<br />
räumliche Ungleichgewichte abbauen, Standortnachteile<br />
ausgleichen, unwirtschaftliche<br />
regionale Zusammenballungen auflösen, damit<br />
die regionale Chancengleichheit erhöhen und<br />
den Zusammenhalt der Gemeinschaft stärken.<br />
Knapp die Hälfte aller Regionalbeihilfen werden<br />
in der Europäischen Union - absolut gesehen<br />
- in Deutschland vergeben. Hauptursache<br />
hierfür ist, daß Deutschland mit den <strong>neu</strong>en<br />
Bundesländern die größten Problemgebiete<br />
aufweist und über die nötigen nationalen Mittel<br />
für die Ausgaben verfügt. 8<br />
Zu den besonders hoch subventionierten<br />
Bereichen in den <strong>neu</strong>en Bundesländern gehören<br />
Eisenbahnen, Wohnungsvermietungen und<br />
die Landwirtschaft 9 .<br />
III. Die Beihilfenaufsicht<br />
1. Grundsätze und Grenzen<br />
Das geltende Beihilfenkontrollsystem gründet<br />
auf der zutreffenden Prämisse, daß hoheitliche,<br />
aus Steuermitteln finanzierte Zuwendungen an<br />
privatwirtschaftliche Unternehmungen deren<br />
Fix- und/oder Grenzkosten künstlich senken, so<br />
daß deren Überleben bzw. Wachstum auf den<br />
jeweils relevanten Märkten erst durch eine<br />
interventionistische Wettbewerbsverfälschung<br />
zu Lasten ihrer Konkurrenten gewährleistet<br />
wird.<br />
Wie es allgemeine Voraussetzungen des<br />
8 vgl. Europäische Kommission, Erster Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, Luxemburg, 1996, S. 69<br />
9 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Wochenbericht 50/97<br />
Beihilfenaufsichtrechts und Grundprinzipien<br />
der Beihilfenpolitik der Europäischen Kommission<br />
gibt, so gibt es ebenso auch allgemeine<br />
rechtliche Schranken der Beihilfenaufsicht, an<br />
die sich die Europäische Kommission bei der<br />
Wahrnehmung ihrer Aufgaben halten muß. Die<br />
Wahrnehmung des Beihilfenaufsichtrechts ist<br />
eine administrative Kontrolltätigkeit, die sich an<br />
den „verfassungsrechtlichen” Grenzen des<br />
EGV messen lassen muß.<br />
Zu beachten sind zum einen die Grundsätze<br />
der Ermessensausübung und das Verbot des<br />
Ermessensmißbrauchs.<br />
Jede Rechtsnorm und somit auch die Artikel<br />
des EGV enthalten einen Tatbestand und eine<br />
Rechtsfolge. Im Tatbestand werden die Voraussetzungen<br />
festgelegt, bei deren Vorliegen<br />
der Adressat dieser Regelung zu einem bestimmten<br />
Handeln (der Rechtsfolge) angewiesen<br />
wird. Ist diese Rechtsfolge zwingend vorgeschrieben,<br />
spricht man von einer gebundenen<br />
Entscheidung. In einer Reihe von Rechtsnormen<br />
werden jedoch hinsichtlich der Anwendung<br />
der Rechtsfolge einer Regelung gewisse<br />
Entscheidungs- und Auswahlspielräume<br />
durch die Einräumung von Ermessen gewährt<br />
und dadurch die nötige Flexibilität für eine<br />
sachgerechte Einzelentscheidung geschaffen.<br />
Im Rahmen der Beihilfenaufsicht der Europäischen<br />
Kommission ist Ermessen also der Entscheidungsspielraum<br />
auf der Rechtsfolgenseite<br />
der Artikel des EGV, der der Kommission<br />
eingeräumt wird und der gerichtlich (durch den<br />
EuGH) nur auf Mißbrauch dieses Ermessens<br />
überprüfbar ist. Ein solcher Ermessensmißbrauch<br />
liegt z.B. vor, wenn die Kommission<br />
den ihr eingeräumten Entscheidungsspielraum<br />
gar nicht in Anspruch nimmt oder unvollständige<br />
bzw. sachfremde Erwägungen anstellt.<br />
Zum anderen ist das Willkürverbot zu beachten.<br />
Danach ist eine Ungleichbehandlung<br />
vergleichbarer Sachverhalte bzw. die Gleichbehandlung<br />
völlig verschiedenartiger Sachver-
halte nur gerechtfertigt, wenn ein sachlicher<br />
Grund (Differenzierungsgrund) gegeben ist.<br />
Dieses in Deutschland in Artikel 3 des Grundgesetzes<br />
festgelegte Verbot setzt generell den<br />
Vergleich zweier Sachverhalte (z.B. Beihilfe<br />
zugunsten zweier Unternehmen) voraus. Als<br />
Differenzierungsgrund kommt grundsätzlich<br />
jede vernünftige Erwägung in Betracht, wobei<br />
eine objektive Betrachtung geboten ist. Es genügt,<br />
wenn sich irgendein sachlich vertretbarer<br />
zureichender Grund für die Gleich- bzw. Ungleichbehandlung<br />
anführen läßt (z.B. Unternehmen<br />
sind auf verschiedenen Sektoren tätig,<br />
wobei nur bei einem bereits eine Überproduktion<br />
gegeben ist).<br />
Das Beihilfenaufsichtsrecht dient nur indirekt<br />
auch der Realisierung anderer gemeinschaftspolitischer<br />
Zielsetzungen. Eine umfassende<br />
Beihilfenpolitik, die der Verwirklichung regional-,<br />
sozial-, agrar- und wirtschaftspolitischer<br />
Zielsetzungen der Gemeinschaft dient, kann<br />
die Europäische Kommission allein mit Hilfe<br />
des Beihilfenrechts nicht betreiben. Nur wenn<br />
die Beihilfen der Mitgliedstaaten handelsbeeinträchtigend<br />
wirken, lassen sich mit den<br />
Beihilfen verfolgte und unter Umständen im<br />
Widerspruch zu anderen Gemeinschaftspolitiken<br />
stehende gesellschafts-, sozial-,<br />
umwelt- oder wirtschaftspolitische Zielsetzungen<br />
der Mitgliedstaaten abwehren.<br />
Neben diesen Mißbrauchsschranken hat die<br />
Europäische Kommission vor allem das<br />
Diskriminierungsverbot zu beachten. Sie darf<br />
weder Mitgliedstaaten, noch Unternehmen<br />
derselben Branche unterschiedlich behandeln.<br />
Um regionalen Unterschieden Rechnung zu<br />
tragen, muß die Kommission zwar gegenüber<br />
reicheren Mitgliedstaaten strengere Kontrollmaßstäbe<br />
anwenden, als gegenüber wirtschaftlich<br />
schwächeren. Der wirtschafts- und<br />
gesellschaftspolitische Handlungsspielraum<br />
der reicheren Mitgliedstaaten darf jedoch nur<br />
soweit beschnitten werden, als dies zur Verfolgung<br />
des Wettbewerbsziels der Gemeinschaft<br />
unerläßlich ist.<br />
10 vgl. Zusammenfassung der Mitteilung der Kommission über die de-minimis-Beihilfen; Abl. C 68 vom 6.3.1996, Seite 9<br />
Außerdem bildet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />
eine Schranke gegenüber überzogenen<br />
Kontrollmaßnahmen der Europäischen<br />
Kommission. Die beihilfepolitischen Reglementierungen<br />
müssen geeignet und erforderlich<br />
sein zur Erreichung eines Systems möglichst<br />
unverfälschten Wettbewerbs und sie müssen<br />
das mildeste Mittel zur Verwirklichung des<br />
Wettbewerbsziels darstellen.<br />
Diesem Grundsatz hat die Kommission durch<br />
die Schaffung der sog. de-minimis-Regelung<br />
10 Rechnung getragen. Nach dieser Regelung<br />
liegt eine Beihilfe i.S. des Art. 87 Abs. 1<br />
EGV unabhängig von der Unternehmensgröße<br />
des Empfängers dann nicht vor, wenn dieser<br />
innerhalb eines Drei-Jahres-Zeitraums - ab<br />
dem Zeitpunkt der ersten de-minimis-Beihilfe -<br />
für denselben Förderzweck, Beihilfen von nicht<br />
mehr als 100.000 Euro erhält. Beihilfen unterhalb<br />
dieses Schwellenwertes müssen also<br />
überhaupt nicht bei der Kommission angemeldet<br />
werden. Die Regelung beruht auf der Annahme,<br />
daß sich kleinere Beihilfebeträge in<br />
den meisten Fällen nicht wesentlich auf den<br />
Handel und Wettbewerb zwischen den<br />
Mitgliedstaaten auswirken.<br />
Die de-minimis-Regelung ist jedoch weder in<br />
den EGKS-Sektoren (Kohle und Stahl), noch<br />
im Schiffbau, im Verkehr, in der Landwirtschaft<br />
oder in der Fischerei anwendbar.<br />
Das in Art. 5 EGV verankerte Subsidiaritätsprinzip<br />
wirkt sich auf die Politikbereiche, in<br />
denen konkurrierende Zuständigkeiten der EG<br />
und der Mitgliedstaaten bestehen, so aus, daß<br />
den Mitgliedstaaten die Primärverantwortung<br />
zuerkannt wird und die EG nur dort zum Einschreiten<br />
befugt ist, wo nationale Maßnahmen<br />
nicht ausreichen. Nur soweit also z.B. die nationale<br />
Regionalpolitik im Widerspruch zur gemeinschaftlichen<br />
Regional- oder Wettbewerbspolitik<br />
steht, ist ein Einschreiten der Europäischen<br />
Kommission gerechtfertigt. Konkret bedeutet<br />
dies für die Fördergebietsauswahl, daß<br />
die Fördergebietsabgrenzung grundsätzlich<br />
11
12<br />
von den Mitgliedstaaten selbst getroffen werden<br />
können muß. Die Europäische Kommission<br />
kann lediglich die räumliche Ausdehnung der<br />
nationalen Förderkulisse im Verhältnis zum<br />
gesamten Staatsgebiet des betreffenden<br />
Mitgliedstaates anhand der Prioritäten der Gemeinschaft<br />
begrenzen.<br />
Schließlich muß die Europäische Kommission<br />
bei der Beanstandung von individuellen Beihilfen<br />
den Grundsatz des Vertrauensschutzes<br />
beachten. Soweit Unternehmen darauf vertrauen<br />
durften, daß die bewilligten Beihilfen<br />
gemeinschaftskonform vergeben worden sind,<br />
genießen sie Vertrauensschutz.<br />
2. Die verschiedenen Formen<br />
staatlicher Beihilfe und die von der<br />
Europäischen Kommission hierzu<br />
aufgestellten Leitlinien<br />
a) allgemeine Kriterien<br />
Im Rahmen der Ausübung ihrer Entscheidungsbefugnisse<br />
gem. Art. 87 EGV hat die<br />
Kommission drei Hauptkriterien für die Rechtmäßigkeit<br />
der Beihilfevergabe aufgestellt.<br />
Erstens soll die Beihilfe transparent sein,<br />
d.h. es soll erkennbar sein, um welche Form<br />
einer Beihilfe es sich handelt. Deshalb verlangt<br />
die Kommission, daß die Zielsetzung, die Begünstigung<br />
und die verschiedenen Arten von<br />
Kosten, die durch die Beihilfen verringert werden,<br />
von den Mitgliedstaaten bei der Notifizierung<br />
(Anmeldung) der Beihilfen genau angegeben<br />
werden müssen.<br />
Zweitens wird für die Rechtmäßigkeit eine<br />
gemeinschaftsfreundliche Gegenleistung<br />
gefordert. Diese Gegenleistung soll darin bestehen,<br />
daß mit der Beihilfe zugleich ein Beitrag<br />
zur Realisierung eines der grundsätzlichen<br />
Ziele der Gemeinschaft im Sinne des Art. 2<br />
EGV (Binnenmarkt; Wirtschafts- und Wäh-<br />
rungsunion; hohes Beschäftigungsniveau; sozialer<br />
Schutz; Wettbewerbsfähigkeit; Umweltschutz)<br />
geleistet wird.<br />
Drittens muß eine Notwendigkeit der<br />
Beihilfenvergabe für die Zielverwirklichung<br />
bestehen. Nicht gerechtfertigt ist eine Beihilfe<br />
danach, wenn die Unternehmen die Investitionen<br />
auch ohne die Beihilfe ausführen würden.<br />
Um zu gewährleisten, daß die Kommission<br />
ihre Befugnisse mit der gebotenen Transparenz<br />
ausübt und die Behörden und Unternehmen<br />
ihre Rechte genau kennen, hat sie ihre Vorgehensweise<br />
im einzelnen dargelegt und in Verordnungen,<br />
Leitlinien, Bekanntmachungen,<br />
Gemeinschaftsrahmen und Mitteilungen an die<br />
Mitgliedstaaten die Kriterien veröffentlicht,<br />
nach denen sie entscheidet, ob notifizierte<br />
Beihilfemaßnahmen freigestellt werden können.<br />
Da die Beihilfen unterschiedlichen Förderzwecken<br />
dienen und daraus unterschiedliche<br />
Anforderungen für die Rechtmäßigkeit der Beihilfen<br />
resultieren können, hat die Kommission<br />
zudem je nach Förderungszweck zwischen<br />
sektoralen Beihilfen, Beihilfen mit regionaler<br />
Zielsetzung, allgemeinen und horizontalen Beihilfen<br />
unterschieden. Entsprechend diesen verschiedenen<br />
Beihilfearten hat die Kommission<br />
einheitliche Rahmenregelungen erlassen.<br />
b) Sektorale Beihilfen<br />
Sektorale Beihilfen dienen zur Förderung der<br />
Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige. Im<br />
allgemeinen steht die Kommission sektoralen<br />
Beihilferegelungen grundsätzlich ablehnend<br />
gegenüber. Gem. Art. 87 Abs. 1 und 3 EGV hat<br />
sie jedoch die positiven, entwicklungsfördernden<br />
Auswirkungen der Beihilfe konkret<br />
festzustellen und mit den negativen Auswirkungen<br />
auf die Handelsbedingungen und auf<br />
das gemeinschaftsweite System des unverfälschten<br />
Wettbewerbs abzuwägen.
Hierzu hat die Kommission unterschiedliche<br />
Beihilfenkodizes für einzelne Wirtschaftsbereiche<br />
(z.B. den Schiffbau, die Textil-, die Kraftfahrzeug-,<br />
die Kunstfaserindustrie und den<br />
Telekommunikationsbereich) entwickelt und in<br />
sog. Gemeinschaftsrahmen festgelegt. Diesen<br />
liegen folgende einheitliche Beurteilungskriterien<br />
zugrunde: Sektorale Beihilfen dürfen<br />
grundsätzlich nicht nur auf die Lage eines bestimmten<br />
Unternehmens, sondern müssen auf<br />
die Entwicklung eines bestimmten Wirtschaftszweiges<br />
ausgerichtet sein. Das Unternehmen<br />
soll also zu dem Kreis der Begünstigten nicht<br />
allein wegen seiner schlechten wirtschaftlichen<br />
Lage, sondern grundsätzlich nur deshalb gehören,<br />
weil es einem bestimmten benachteiligten<br />
Gewerbe- oder Industriezweig angehört. Die<br />
Kommission stuft sektorale Beihilfen zudem<br />
nur dann als für die Entwicklung notwendig<br />
ein, wenn die geförderten Maßnahmen nicht<br />
ohnehin in dem betroffenen Wirtschaftssektor<br />
üblich sind und sie nicht von anderen Wettbewerbern<br />
ohne Beihilfe durchgeführt werden.<br />
Die Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit<br />
einer regionalen Investitionsbeihilfe wird beispielsweise<br />
nach dem Gemeinschaftsrahmen<br />
für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie 11 im<br />
Wege einer Kosten-Nutzen-Analyse ermittelt.<br />
Hierbei werden die Kosten für die standortungebundenen<br />
Projektteile, die der Kapitalgeber<br />
übernehmen muß, um sein Investitionsvorhaben<br />
in dem betreffenden Gebiet durchführen<br />
zu können, mit den Kosten verglichen,<br />
die er für ein gleiches Projekt an einem Alternativstandort<br />
zu übernehmen hätte. Dadurch<br />
können die spezifischen Nachteile des betreffenden<br />
Fördergebiets ermittelt werden. Die<br />
Kommission genehmigt regionale Investitionsbeihilfen<br />
in den Grenzen dieser regionalen<br />
Nachteile bei einer Investition an einem Vergleichsstandort.<br />
Als Alternativanlage muß ein<br />
Standort im Europäischen Wirtschaftsraum<br />
(EWR) oder in einem mittel- und osteuropäischen<br />
Staat gewählt werden, wenn die hauptsächlich<br />
für die europäischen Märkte bestimmte<br />
Produktion von Kraftfahrzeugen oder<br />
11 Abl. 1997 Nr. C 279 S. 1<br />
12 Abl. C 78 vom 18.03.2000, S. 8<br />
Kraftfahrzeugteilen Gegenstand der Investition<br />
ist.<br />
Aktuelles Beispiel hierzu ist die Entscheidung<br />
der Kommission vom 24.11.1999 12 , in welcher<br />
diese Zweifel an der Rechtmäßigkeit staatlicher<br />
Beihilfen für die „gläserne Fabrik”, das<br />
spektakuläre Prestigeobjekt des VW- Konzerns<br />
in der Dresdner Innenstadt, äußerte und deshalb<br />
ein Prüfverfahren eingeleitet hat. Geprüft<br />
werden Regionalbeihilfen und Investitionszulagen<br />
für:<br />
- die Fabrik zur Montage eines <strong>neu</strong>en<br />
Fahrzeugs der Oberklasse D (im<br />
Wettbewerb zu den Modellen Audi A8,<br />
BMW-Reihe 7 etc.) in Dresden am<br />
Straßburger Platz („gläsernes Werk”),<br />
- für ein Zwischenlager in Dresden-<br />
Friedrichstadt,<br />
- für ein Karosseriewerk und eine Lakkiererei,<br />
die aus Umweltgründen am<br />
VW-Standort Mosel bei Zwickau gebaut<br />
werden.<br />
Die Gesamthöhe dieser Investitionen beläuft<br />
sich auf 1,536 Milliarden DM und verteilt sich<br />
auf den Zeitraum 1999 - 2002.<br />
Bei der Beurteilung der Beihilfen geht es zunächst<br />
um deren Höhe. VW macht geltend,<br />
daß die Kosten in Sachsen um die beantragte<br />
Summe höher liegen als an den ursprünglich<br />
gleichfalls ins Kalkül gezogenen tschechischen<br />
Standorten Prag, Mlada Boleslav und Kvasiny.<br />
Der finanzielle Ausgleich dieser Standort-<br />
Nachteile wäre aber nur zulässig, wenn der<br />
Aufbau der gläsernen Fabrik in Prag die bestmögliche<br />
Alternative zu Dresden wäre. Dies<br />
wird von den Wettbewerbshütern schon deshalb<br />
bezweifelt, weil VW nach eigenem Bekunden<br />
auf das Image des Standortes Deutschland<br />
setzt. In Tschechien gebaute Oberklasse-<br />
Wagen wären nach ihrer Einschätzung nur mit<br />
deutlich höherem Werbeaufwand an den<br />
Kunden zu bringen. Aus subjektiven Gründen<br />
würden die Kunden einem in Deutschland her-<br />
13
14<br />
gestellten Fahrzeug dem in der tschechischen<br />
Republik hergestellten Erzeugnis den Vorzug<br />
geben. Auch gäbe es vor dem tschechischen<br />
Beitritt zur Gemeinschaft möglicherweise Auslieferungsprobleme,<br />
die potentielle Käufer abschrecken<br />
könnten.<br />
Außerdem sind die Kosten-Nutzen-Analysen,<br />
mit denen VW und die Bundesregierung die<br />
finanziellen Nachteile der tschechischen Standorte<br />
nachzuweisen suchen, nach Einschätzung<br />
der Prüfer lückenhaft. Die Einwände reichen<br />
von den zugrundegelegten Wechselkursen zwischen<br />
D-Mark und tschechischer Krone über<br />
die veranschlagten Lohnkosten-Differenzen bis<br />
zu Material- und Investitions-Mehrkosten.<br />
Die Kommission bezweifelt zudem die Unabhängigkeit<br />
des Bewertungsausschusses, der<br />
den Wert des Grundstücks Straßburger Platz in<br />
Dresden unter der Annahme ermittelt hat, daß<br />
dieses Gebäude keinen Geschäftswert besitze.<br />
Sie hegt daher den Verdacht, daß VW schon<br />
beim Kauf des Grundstücks für die gläserne<br />
Fabrik eine verdeckte Beihilfe von 3,3 Millionen<br />
DM erhalten hat.<br />
Skeptisch betrachten die Wettbewerbshüter<br />
schließlich, daß die Anlagen am Standort Mosel<br />
als Neuinvestitionen eingestuft werden.<br />
Gemäß dem Gemeinschaftsrahmen setzt eine<br />
Neuansiedlung einen <strong>neu</strong>en, noch nicht erschlossenen<br />
Standort voraus. Im Gegensatz<br />
zur Erweiterung in einem vorhandenen Werk<br />
steht ein Unternehmen bei der Neuansiedlung<br />
vor folgenden Schwierigkeiten: Mangel an angemessener<br />
Infrastruktur, fehlende Logistikeinrichtungen,<br />
Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften<br />
für die besonderen Bedürfnisse des<br />
Unternehmens und Fehlen einer Zuliefererstruktur.<br />
Können diese Leistungen jedoch, wie<br />
im vorliegenden Fall bei VW, von einer in der<br />
Nähe gelegenen Einheit derselben Gruppe erbracht<br />
werden, ist das Vorhaben nach Ansicht<br />
der Kommission als Erweiterung anzusehen,<br />
selbst wenn es an einem noch nicht erschlossenen<br />
Standort durchgeführt wird.<br />
13 Abl. C 74 v. 10.3.1998, 9<br />
Die deutschen Behörden sind nun aufgefordert,<br />
ihren Standpunkt bezüglich dieser sektoralen<br />
Beihilfen für VW in nachprüfbarer und<br />
nachvollziehbarer Weise darzulegen.<br />
c) Regionalbeihilfen<br />
Nachdem die Kommission ihre Leitlinien für<br />
staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung<br />
zunächst in verschiedenen Mitteilungen veröffentlicht<br />
hatte, hat sie am 16.12.1997 <strong>neu</strong>e<br />
Leitlinien 13 angenommen, die die Beurteilungskriterien<br />
vereinheitlichen und die bisherigen<br />
Dokumente durch einen einzigen Text ersetzen.<br />
Diese Leitlinien sind auf sämtliche Regionalbeihilfen<br />
mit Ausnahme von Beihilfen zur Förderung<br />
der Herstellung, Verarbeitung und<br />
Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse<br />
des Anhangs II des EGV, der Fischerei<br />
und des Kohlebergbaus anwendbar. Die <strong>neu</strong>en<br />
Leitlinien für Regionalbeihilfen sind hingegen<br />
nicht abschließend, da für manche Wirtschaftszweige,<br />
denen im Rahmen der Regionalbeihilfe<br />
Mittel zufließen können, sektorspezifische<br />
Beihilferegelungen (s.o.) gelten.<br />
Die Beihilfen, die Gegenstand dieser Leitlinien<br />
sind, dienen dem Zweck eine den Schwierigkeiten<br />
der Regionen angepaßte unterschiedlich<br />
intensive Förderung zu gewährleisten.<br />
Regionalbeihilfen sind bestimmten Gebieten<br />
vorbehalten und streben gezielt die<br />
Entwicklung dieser Gebiete an.<br />
In Deutschland sind Regionalbeihilfen in erster<br />
Linie im Hinblick auf die <strong>neu</strong>en Bundesländer<br />
bedeutsam. Die nationale Grundlage für<br />
die Förderung mit regionaler Zweckbestimmung<br />
wurde insbesondere durch Ausweitung<br />
der „Rahmenpläne zur Verbesserung der regionalen<br />
Wirtschaftsstruktur” auf die <strong>neu</strong>en Bundesländer<br />
geschaffen. Danach werden die<br />
Regionalbeihilfen vom Bund und den Ländern<br />
im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe gewährt<br />
(Art. 91a Abs. 1 Nr. 2 GG). Ziel der Ge-
meinschaftsaufgabe ist es, Investitionsanreize<br />
zur Schaffung und Sicherung von dauerhaften<br />
und qualifizierten Arbeitsplätzen zu geben.<br />
Bezuschußt werden Investitionsvorhaben der<br />
gewerblichen Wirtschaft einschließlich des<br />
Fremdenverkehrsgewerbes und der Ausbau der<br />
wirtschaftsnahen Infrastruktur. 14 Der Bund und<br />
die Länder stellen die Haushaltsmittel dafür je<br />
zur Hälfte zur Verfügung. Vorhaben in den <strong>neu</strong>en<br />
Ländern und Berlin werden zum Teil von der<br />
EU kofinanziert, die sich mit ihrem EG-<br />
Regionalfonds (EFRE) an der regionalen Wirtschaftsförderung<br />
beteiligt. Die investitionsbereiten<br />
Unternehmen müssen vor Beginn des<br />
Vorhabens bei den Wirtschaftsministerien der<br />
Länder bzw. bei von diesen benannten Stellen<br />
die Anträge auf Zuschüsse stellen. Allerdings<br />
besteht selbst bei Erfüllung der im Rahmenplan<br />
genannten Kriterien kein Rechtsanspruch<br />
auf die beantragten Mittel.<br />
Die geplante Beihilferegelung muß im Hinblick<br />
auf ihre Zielrichtung vom Begriff der<br />
Regionalbeihilfe erfaßt sein. Erfaßt werden<br />
Beihilfen für Erstinvestitionen, Beihilfen für die<br />
Schaffung von Arbeitsplätzen und unter bestimmten<br />
Voraussetzungen auch Betriebsbeihilfen:<br />
Beihilfen für Erstinvestitionen<br />
Diese umfassen neben der Errichtung einer<br />
<strong>neu</strong>en Betriebsstätte auch die Erweiterung<br />
bzw. auch die grundlegende Umstrukturierung<br />
einer bereits geschlossenen Betriebsstätte.<br />
Auch die Übernahme eines bereits geschlossenen<br />
oder ohne Übernahme zu schließenden<br />
Unternehmens wird als Erstinvestition angesehen,<br />
wenn es sich nicht um ein Unternehmen<br />
in Schwierigkeiten handelt. 15 Als beihilfefähige<br />
Ausgaben erfaßt werden unter bestimmten<br />
Voraussetzungen jetzt auch immaterielle Investitionen,<br />
nämlich die Anschaffung von Patenten,<br />
Betriebslizenzen und patentierten technischen<br />
Kenntnissen.<br />
Beihilfen für die Schaffung von<br />
Arbeitsplätzen<br />
Eine Arbeitsbeschaffung liegt vor, wenn sich<br />
die Zahl der Arbeitsplätze in einem bestimmten<br />
Bezugszeitraum erhöht. Im gleichen Zeitraum<br />
gestrichene Arbeitsplätze sind abzuziehen. Von<br />
den Leitlinien erfaßt werden nur an Erstinvestitionen<br />
gebundene Arbeitsplätze, im Gegensatz<br />
zu den Leitlinien für Beschäftigungsbeihilfen,<br />
die sich auf nicht investitionsgebundene<br />
Arbeitsplätze beziehen.<br />
Betriebsbeihilfen<br />
Betriebsbeihilfen sind Beihilfen, mit denen<br />
die laufenden Ausgaben des Unternehmens<br />
gesenkt werden sollen. Sie werden üblicherweise<br />
in Form von Steuerermäßigungen und<br />
Senkung der Soziallasten gewährt. Als Regionalbeihilfen<br />
sind sie grundsätzlich verboten.<br />
Die Leitlinien sehen jedoch vor, bei angemessener<br />
Höhe, zeitlicher Begrenzung und einem<br />
entsprechenden Beitrag zur Regionalentwicklung<br />
die Förderung als von Art. 87 Abs. 3 a)<br />
oder c) EGV erfaßt anzusehen.<br />
Bei der Prüfung von Beihilfen mit regionaler<br />
Zielsetzung wendet die Kommission ihre Leitlinien<br />
in einem dreistufigen Verfahren an:<br />
Erster Schritt: Voraussetzung für die Genehmigung<br />
eines nationalen Regionalbeihilferahmens<br />
ist zunächst, daß sich die geplante<br />
Förderung auf Gebiete des Art. 87 Abs. 3 a)<br />
oder c) EGV bezieht. Die von der Kommission<br />
vorgenommene Verteilung geht von dem<br />
Grundsatz aus, daß der Ausnahmecharakter<br />
der Beihilfen es gebietet, eine Höchstgrenze<br />
des Gesamtumfangs der Fördergebiete festzusetzen,<br />
die unter dem Gesamtumfang der nicht<br />
geförderten Gebiete liegen muß. Als Meßeinheit<br />
dient der betroffene Bevölkerungsanteil, so daß<br />
sich der Grundsatz der Kommission dahingehend<br />
konkretisiert, daß die Fördergebietsbevölkerung<br />
der Gemeinschaft unter 50 % der<br />
14 „Wirtschaftliche Förderung in den <strong>neu</strong>en Bundesländern”, herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaft, März 1997, S. 16<br />
15 Hier gelten die Leitlinien für Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, Abl. C 368 v. 23.12.1994, 12.<br />
15
16<br />
Gemeinschaftsbevölkerung liegen muß. Dieser<br />
Prozentsatz stellt den sog. Fördergebietsbevölkerungsplafond<br />
dar. Er wurde von der<br />
Kommission zeitgleich mit der Annahme der<br />
Leitlinien auf 42,7% der Unionsbevölkerung<br />
festgesetzt. Unter Berücksichtigung dieser<br />
Gesamthöchstgrenze wurde die nationale<br />
Fördergebietsbevölkerungshöchstgrenze für<br />
Deutschland auf 34,9% 16 festgelegt.<br />
Diese gilt für den Zeitraum 2000-2006.<br />
Innerhalb dieses Rahmens und unterhalb der<br />
festgelegten maximalen Beihilfeintensitäten<br />
teilt in einem zweiten Schritt jeder Mitgliedstaat<br />
die von ihm nach objektiven, nachprüfbaren<br />
Kriterien ausgewählten Regionalfördergebiete,<br />
in der die vorgesehenen Gebiete und<br />
Beihilfeintensitäten festgelegt werden (sog.<br />
Regionalförderkarte) der Kommission mit. Die<br />
Beihilfeintensität spiegelt die Bedeutung der<br />
staatlichen Beihilfe aufgrund des Verhältnisses<br />
zwischen Beihilfebetrag und gefördertem<br />
Investitionsbetrag wider (% der förderfähigen<br />
Investitionenskosten). Dabei ergibt sich der<br />
Beihilfebetrag aus dem Vorteil, der dem Beihilfeempfänger<br />
im Vergleich zu den Kosten, die<br />
er ohne staatliche Investitionen selber tragen<br />
müßte, entsteht. Die Beihilfeintensität wird in<br />
einer Prozentzahl im Verhältnis zur jeweiligen –<br />
von der Investitionsform abhängigen – Bemessungsgrundlage<br />
ausgedrückt. So werden z.B.<br />
Beihilfen für Erstinvestitionen als Prozentsatz<br />
des Gesamtinvestitionswertes (Grundstücke,<br />
Gebäude und Anlagen) berechnet.<br />
In einem dritten Schritt meldet jeder Mitgliedstaat<br />
die Regionalbeihilferegelungen an, auf<br />
deren Grundlage Beihilfen in den Regionalfördergebieten<br />
vergeben werden sollen. Innerhalb<br />
der Geltungsdauer der Fördergebietskarte<br />
können diese Beihilferegelungen im beschleunigten<br />
Verfahren angemeldet werden. Die Prüfung<br />
kann deshalb beschleunigt erfolgen, da<br />
die erforderliche Grundsatzabwägung zwischen<br />
der Inkaufnahme von Wettbewerbsverfälschungen<br />
und dem Beitrag der Beihilfe für die<br />
16 Abl. C 16 vom 21.1.1999<br />
17 Abl. C 90 vom 26.3.1998<br />
regionale Entwicklung bereits anläßlich der<br />
Genehmigung der Regionalkarte getroffen<br />
worden ist. Eine vertiefte Prüfung im Einzelfall<br />
ist jedoch nicht ausgeschlossen und vor allem<br />
bei Ad-hoc-Beihilfen erforderlich, die nicht im<br />
Rahmen eines allgemeinen Regionalförderprogramms<br />
in Anwendung auf Einzelfälle vergeben<br />
werden. In diesen Fällen muß der Beitrag<br />
der Beihilfe zur regionalen Entwicklung<br />
vom angemeldeten Mitgliedstaat nachgewiesen<br />
werden.<br />
Nach der sog. Kohärenzmitteilung 17 der<br />
Kommission bzgl. der Verschränkung von<br />
Strukturfonds und Beihilfekontrollpolitik müssen<br />
alle Operationen, die Gegenstand einer<br />
Finanzierung durch die Strukturfonds sind, mit<br />
den EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen<br />
vereinbar sein. So stimmt auch die Festlegung<br />
der Regionalfördergebiete nach Art. 87 Abs.<br />
3a) EGV mit den Auswahlkriterien für Ziel 1-<br />
Gebiete nach den Strukturfonds überein. Geographische<br />
Grundlage für die Gebiete ist die<br />
zwischen den Mitgliedstaaten und dem Europäischen<br />
Amt für Statistik (Eurostat) vereinbarte<br />
Nomenklatur der statistischen Gebietseinheiten<br />
(NUTS) 18 . Für Regionalfördergebiete<br />
nach Art. 87 Abs. 3a) EGV wird die Ebene<br />
NUTS I herangezogen, die in Deutschland den<br />
Bundesländern entspricht. Förderungswürdig<br />
ist eine Region, deren Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt<br />
(BIP), gemessen in Kaufkraftstandards<br />
(KKS), 75% des Gemeinschaftsdurchschnitts<br />
nicht überschreitet. 19<br />
Die Differenz zwischen dem gemeinschaftlichen<br />
Fördergebietsbevölkerungsplafond und<br />
dem Prozentsatz der Fördergebiete, die nach<br />
Art. 87 Abs. 3a) EGV freigestellt sind, von der<br />
grundsätzlichen Unvereinbarkeit von Beihilfen<br />
mit dem Gemeinsamen Markt gem. Art. 87<br />
Abs. 1 EGV, bildet sodann die gemeinschaftliche<br />
Höchstgrenze für Fördergebiete nach Art.<br />
87 Abs. 3c) EGV. Hierbei obliegt es ebenfalls<br />
den Mitgliedstaaten selbst, der Kommission<br />
ein Verzeichnis der nationalen Fördergebiete<br />
vorzuschlagen.<br />
18Die Systematik der statistischen Gebietseinheiten NUTS nimmt eine geographische Unterteilung der Gemeinschaft auf drei Ebenen vor (vgl. jeweils die<br />
korrespodierende Gebietseinheit in Deutschland): 69 Gebietseinheiten der NUTS-Ebene I (Bundesländer), 173 der NUTS-Ebene II (Regierungsbezirke)<br />
und 1039 der NUTS-Ebene III (Kreise)
Um die Vergleichbarkeiten der Beihilfeintensitäten<br />
in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten<br />
zu gewährleisten, rechnet die Kommission<br />
die Bruttoangaben der Mitgliedstaaten<br />
nach einem in Anhang I der Leitlinien dargestellten<br />
Verfahren auf das Nettosubventionsäquivalent<br />
(NSÄ) um. Zu diesem Zweck<br />
werden alle Formen von Beihilfen für ein beliebiges<br />
Land auf einen gemeinsamen Nenner<br />
gebracht. Das NSÄ ist der endgültige Vorteil,<br />
den das Unternehmen nach Abzug der<br />
Körperschaftssteuer aus der Beihilfe zieht.<br />
Die Kommission setzt für die beiden<br />
Fördergebietskategorien Höchstgrenzen (in %<br />
NSÄ) fest, die im Vorschlag der Mitgliedstaaten<br />
nicht überschritten werden dürfen. Die<br />
maximale Beihilfeintensität für die Gebiete des<br />
Art. 87 Abs. 3a) EGV beträgt 50% und für Gebiete<br />
des Art. 87 Abs. 3c) EGV 20%. Desweiteren<br />
sehen die Leitlinien zusätzliche Zuschläge<br />
für Beihilfen zugunsten kleiner und<br />
mittlerer Unternehmen (KMU) vor. Der Zuschlag<br />
beträgt 15% (Gebiete des Art. 87 Abs.<br />
3a) EGV) oder 10% (Gebiete des Art. 87 Abs.<br />
3c) EGV). Von diesen Zuschlägen ausgenommen<br />
sind Unternehmen des Verkehrssektors.<br />
Werden mehrere Regionalbeihilferegelungen<br />
gleichzeitig angewandt, so gelten die höchstzulässigen<br />
Intensitäten der Leitlinien für den<br />
Gesamtbetrag. Für diese Kumulierungsvorschrift<br />
ist es nicht von Bedeutung, ob lokale,<br />
regionale, nationale oder gemeinschaftliche<br />
Einrichtungen die Beihilfe gewähren. Dies bedeutet<br />
insbesondere, daß auch Beihilfen, die<br />
im Rahmen der Strukturfonds der Gemeinschaft<br />
gewährt werden, nicht zu einer Überschreitung<br />
der zulässigen Regionalförderhöchstgrenze<br />
führen dürfen.<br />
d) Horizontale Beihilfen<br />
Unter dem Begriff der horizontalen Beihilfen<br />
werden alle nicht sektorbezogenen, aber auf<br />
bestimmte Ziele ausgerichteten Beihilfen verstanden.<br />
Dies sind im wesentlichen Beihilfen<br />
19 Die Berechnungsmethoden sind in Anhang I bis III zu den Leitlinien abgedruckt (Abl. C 74 v. 10.3.1998,29)<br />
20 Abl. C 213 vom 23.07.1996, S. 4<br />
für Forschung und Entwicklung (F&E), Umweltschutz,<br />
Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen,<br />
für kleine und mittlere Unternehmen<br />
(KMU) sowie Beschäftigung und Ausbildung.<br />
Entsprechend den allgemeinen Grundvoraussetzungen<br />
für die Anwendung des Ausnahmetatbestandes<br />
des Art. 87 Abs. 3c) EGV stellt<br />
die Europäische Kommission bezüglich der<br />
Zulässigkeit von horizontalen Beihilfen in erster<br />
Linie darauf ab, daß nachteilige Effekte (d.h.<br />
Wettbewerbsverzerrungen) im Gemeinschaftsspektrum<br />
nicht entstehen oder daß diese möglichst<br />
gering sind und auf dem betroffenen<br />
Markt die Wettbewerbssituation nicht zum<br />
Nachteil der Unternehmen anderer Mitgliedstaaten<br />
verändert wird. Infolgedessen werden<br />
von der Kommission als Abwägungskriterien<br />
die Beihilfeintensität, die Exportorientierung<br />
und die Größe der begünstigten Unternehmen<br />
angeführt. Die Kommission gibt horizontal angelegten<br />
Maßnahmen, mit denen die Förderung<br />
der Strukturanpassung verbunden ist, den<br />
Vorzug vor den von ihr prinzipiell negativ beurteilten<br />
sektoralen Beihilfen, weil sie sich von<br />
Umstrukturierungs- bzw. Strukturanpassungsmaßnahmen<br />
eine Verbesserung der Rahmenbedingungen<br />
für die Unternehmen der Gemeinschaft<br />
verspricht.<br />
(1.) Beihilfen für kleine und<br />
mittlere Unternehmen<br />
In Bezug auf Beihilfen für kleine und mittlere<br />
Unternehmen (KMU) hat die Kommission stets<br />
eine grundsätzlich befürwortende Haltung eingenommen.<br />
20 Begründet wird die Befürwortung<br />
spezifischer KMU-Beihilfen vor allem vor<br />
dem Hintergrund der Rolle der KMU bei der<br />
Schaffung von Arbeitsplätzen und generell als<br />
Faktor sozialer Stabilität und wirtschaftlicher<br />
Dynamik mit besonderen Problemen, denen<br />
sich KMU im Vergleich zu großen Unternehmen<br />
gegenübersehen. Als wichtigster Nachteil<br />
werden die Schwierigkeiten beim Zugang zu<br />
Kapital und Kredit angesehen, deren Ursachen<br />
in unzulänglicher Information, der Zurückhal-<br />
17
18<br />
tung der Kapitalmärkte, Risiken einzugehen<br />
sowie den begrenzten Sicherheiten, die ein<br />
KMU bieten kann, liegen.<br />
Das mittlere Unternehmen ist ein Unternehmen,<br />
das den folgenden Kriterien entspricht:<br />
- Es beschäftigt weniger als<br />
250 Personen,<br />
- hat entweder einen Jahresumsatz von<br />
höchstens 40 Mio. Euro oder eine<br />
Jahresbilanzsumme von höchstens<br />
27 Mio. Euro,<br />
- ist unabhängig.<br />
Ein kleines Unternehmen ist ein Unternehmen,<br />
das den folgenden Kriterien entspricht:<br />
- Es beschäftigt weniger als 50 Personen,<br />
- hat einen Jahresumsatz von höchstens<br />
7 Mio. Euro oder eine Jahresbilanssumme<br />
von höchstens 5 Mio. Euro,<br />
- ist unabhängig.<br />
Die Kriterien gelten für das gesamte Unternehmen<br />
(einschließlich Tochtergesellschaften<br />
in anderen Mitgliedstaaten und außerhalb der<br />
EU).<br />
Beihilfen können für materielle Investitionen<br />
(Grundstücke, Gebäude und Anlagen), für immaterielle<br />
Investitionen (Ausgaben für Technologietransfer)<br />
und für Soft-Beihilfen (Beratung,<br />
Verbreitung von Kenntnissen etc.) gewährt<br />
werden. Die Höchstbeihilfe beträgt in Nichtfördergebieten<br />
15% für kleine und 7,5% für<br />
mittlere Unternehmen. In regionalen Fördergebieten<br />
gem. Art. 87 Abs. 3a) EGV beträgt<br />
die Höchstgrenze 15% und in Fördergebieten<br />
gem. Art. 87 Abs. 3c) EGV 10% zusätzlich zur<br />
regionalen Höchstgrenze von 50%.<br />
Aktuelles Beispiel hierzu ist der Beschluß der<br />
Europäischen Kommission vom 02.03.2000,<br />
die geplante Investitionsbeihilfe in Höhe von<br />
21 Abl. C 368 vom 23.12.1994 und Abl. C 283 vom 19.09.1997<br />
49,91 Mio. DM für ein Werk des Kunstfaserherstellers<br />
Delon Filament GmbH in Rudolstadt<br />
(Thüringen) zu genehmigen. Die<br />
Maßnahme soll dem Unternehmen helfen, die<br />
Produktion von Polyamid-Textilfilamentgarn<br />
nach umfangreichen Investitionen in dem fraglichen<br />
Werk fortzusetzen. Insgesamt belaufen<br />
sich die Investitionskosten des Vorhabens auf<br />
104,384 Mio. DM. Da das Vorhaben eine erhebliche<br />
Verringerung der Produktionskapazitäten<br />
zur Folge hat, und die Beihilfeintensität<br />
im Rahmen der für KMU des Sektors zulässigen<br />
Grenze von 50% bleibt, gelangte die Kommission<br />
in ihrer Untersuchung zu der Feststellung,<br />
daß die Maßnahme den Voraussetzungen<br />
des Beihilfekodexes für die Kunstfaserindustrie<br />
entspricht.<br />
(2.) Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen<br />
für Unternehmen in<br />
Schwierigkeiten<br />
Die Notwendigkeit einer systematischen<br />
Kontrolle von Beihilfen nach einheitlichen Kriterien<br />
vor dem Hintergrund der zunehmenden<br />
Marktöffnung und Marktintegration im Europäischen<br />
Wirtschaftsraum wird bei Beihilfen an<br />
Unternehmen in Schwierigkeiten besonders<br />
deutlich. Beihilfen an zahlungsunfähige oder<br />
kurz vor der Insolvenz stehende Unternehmen<br />
verhindern oder verzögern notwendige strukturelle<br />
Anpassungsprozesse und überwälzen die<br />
Last des Strukturwandels ganz oder teilweise<br />
auf leistungsfähige Unternehmen. Daher sind<br />
diese Beihilfen grundsätzlich negativ zu beurteilen.<br />
Die Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen<br />
Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung<br />
von Unternehmen in Schwierigkeiten 21<br />
nennen jedoch verschiedene Voraussetzungen,<br />
unter denen Beihilfen genehmigungsfähig<br />
sind.<br />
Rettungsbeihilfen (sie verschaffen dem Unternehmen<br />
eine kurze Atempause von im allgemeinen<br />
höchstens sechs Monaten, während
der eine langfristige Lösung seiner finanziellen<br />
Probleme ausgearbeitet werden kann) müssen<br />
folgende Voraussetzungen erfüllen:<br />
- Es muß sich um Liquiditätsbeihilfen in<br />
Form von Kreditbürgschaften oder von<br />
rückzahlbaren Krediten zum Marktzinssatz<br />
handeln;<br />
- ihre Höhe muß auf den für die Weiterführung<br />
des Unternehmens notwendigen<br />
Betrag begrenzt sein;<br />
- sie dürfen nur für den Zeitraum gezahlt<br />
werden (höchstens sechs Monate), der<br />
erforderlich ist, um den Sanierungsplan<br />
zu konzipieren;<br />
- die müssen durch akute soziale Gründe<br />
gerechtfertigt sein, und die durch sie<br />
ermöglichte Weiterführung des Unternehmens<br />
darf die Lage des Wirtschaftszweiges<br />
in den anderen Mitgliedstaaten<br />
nicht beeinträchtigen (diese<br />
Gefahr besteht immer, da durch die<br />
Aufrechterhaltung von Unternehmen,<br />
die normalerweiser vom Markt verdrängt<br />
würden, besonders starke Wettbewerbsverzerrungen<br />
hervorgerufen<br />
werden);<br />
- sie sollen nur einmal gewährt werden.<br />
Umstrukturierungsbeihilfen (sie sind Bestandteil<br />
eines realistischen, zusammenhängenden<br />
und weitreichenden Plans zur Wiederherstellung<br />
der langfristigen Rentabilität eines<br />
Unternehmens) können nur unter den folgenden<br />
Voraussetzungen gewährt werden:<br />
- Der Kommission muß ein tragfähiges<br />
Umstrukturierungs-/Sanierungsprogramm<br />
vorgelegt werden (dies gilt<br />
nicht für KMU, wenn die Beihilfe aufgrund<br />
einer genehmigten Regelung<br />
gewährt wird);<br />
- Es müssen Maßnahmen ergriffen werden,<br />
um unzumutbare Wettbewerbsverfälschungen<br />
zu vermeiden (z.B.<br />
Reduzierung von Kapazitäten);<br />
22 Bull. EU 7/8-1999/ Ziff. 1.3.43.<br />
- Die Beihilfe beschränkt sich auf das für<br />
die Durchführung der Umstrukturierungsmaßnahmen<br />
notwendige Mindestmaß.<br />
Die Beihilfeempfänger<br />
müssen einen bedeutenden Beitrag<br />
leisten.<br />
- Das Unternehmen muß den Umstrukturierungsplan<br />
vollständig durchführen.<br />
- Kontrolle durch die Kommission erfolgt<br />
anhand von Jahresberichten. KMU<br />
und Unternehmen in Fördergebieten:<br />
Die Kommission stellt hinsichtlich<br />
der Kapazitätsherabsetzung und der<br />
Berichterstattung weniger strenge<br />
Anforderungen. Im Gegensatz zu Großunternehmen,<br />
für die jeder Einzelfall<br />
angemeldet werden muß, können für<br />
KMU auch Beihilferegelungen, die<br />
nicht an ein bestimmtes Vorhaben oder<br />
an eine bestimmte Zeit gebunden sind,<br />
genehmigt werden.<br />
Die Kommission steht den Beihilfen für die<br />
Sozialkosten von Umstrukturierungen positiv<br />
gegenüber. Soziale Maßnahmen bestehen in<br />
der Praxis vorwiegend in der Form von Entlassungs-<br />
und Vorruhestandszahlungen sowie<br />
der Übernahme von Schulungs-, Bildungs- und<br />
Beratungskosten.<br />
Am 08.07.1999 hat die Kommission <strong>neu</strong>e<br />
Leitlinien 22 für die Beurteilung der Vereinbarkeit<br />
staatlicher Beihilfen zur Rettung und<br />
Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten<br />
mit dem Gemeinsamen Markt angenommen.<br />
Die Kontrolle staatlicher Beihilfen<br />
wird nach diesen Leitlinien – unter Beibehaltung<br />
der Grundsätze der bisherigen Regelung<br />
– strenger ausfallen. Dies gilt insbesondere für<br />
die Definition des Begriffs „Unternehmen in<br />
Schwierigkeiten”, von denen <strong>neu</strong>e und auf den<br />
Vermögenswerten untergegangener Firmen<br />
gegründete Unternehmen ausgenommen sind,<br />
und für das Verbot der er<strong>neu</strong>ten Gewährung<br />
von Umstrukturierungsbeihilfen oder Beihilfen<br />
anderer Art (z.B. zur Förderung der Regional-<br />
19
20<br />
entwicklung oder des Umweltschutzes) zugunsten<br />
von Unternehmen, die schon einmal eine<br />
Umstrukturierungsbeihilfe erhalten haben.<br />
(3.) Beschäftigungsbeihilfen<br />
Mit den Leitlinien für Beschäftigungsbeihilfen<br />
23 verfolgt die Kommission ein dreifaches<br />
Ziel: erstens wird die Anwendung von Art.<br />
87 EGV auf staatliche Maßnahmen zur Beschäftigungslage<br />
erläutert, zweitens soll mit<br />
ihnen Kohärenz zwischen der Wettbewerbspolitik<br />
und anderen Gemeinschaftspolitiken<br />
hergestellt werden, und drittens werden die<br />
Kriterien erläutert, unter welchen die grundsätzlich<br />
positive Haltung der Kommission gegenüber<br />
Beschäftigungsbeihilfen zu Ausnahmen<br />
vom grundsätzlichen Beihilfenverbot<br />
führen kann.<br />
Positiv beurteilt werden befristete Beihilfen<br />
zur Schaffung <strong>neu</strong>er, zusätzlicher und/oder<br />
zukunftsorientierter Arbeitsplätze, soweit sie<br />
mit Umstrukturierungsmaßnahmen verbunden<br />
sind oder positive Auswirkungen für benachteiligte<br />
Gruppen von Arbeitnehmern wie Jugendliche,<br />
Frauen, Behinderte, Um- und Aussiedler,<br />
Flüchtlinge, ältere- und Langzeitarbeitslose<br />
haben. Ebenfalls grundsätzlich befürwortet<br />
werden Beihilfen zur Schaffung von Arbeitsplätzen<br />
in KMU und in regionalen Fördergebieten.<br />
Die Leitlinien sehen keine genauen Höchstgrenzen<br />
oder Höchstintensitäten vor. Sie enthalten<br />
aber einige qualitative Hinweise:<br />
- Die Beihilfe muß vorübergehend sein;<br />
- Der Beihilfebetrag je Arbeitnehmer<br />
muß gerechtfertigt sein;<br />
- Er sollte nicht höher sein, als für die<br />
Schaffung von Arbeitsplätzen erforderlich<br />
ist;<br />
23 Abl. C 334 vom 12.12.1995, S. 4<br />
- Er sollte keinen allzu hohen Anteil der<br />
Gesamtproduktionskosten des Unternehmens<br />
darstellen.<br />
Negativ beurteilt werden Beschäftigungsbeihilfen,<br />
die lediglich die Herabsetzung der<br />
Arbeitskosten bewirken, ohne einer ganz besonderen<br />
Notwendigkeit oder einer Politik der<br />
Gemeinschaft zu entsprechen.<br />
(4.) Exkurs:Privatisierungsmaßnahmen<br />
der Treuhandanstalt<br />
und der BvS<br />
Die Treuhandanstalt und ihre Nachfolgerin,<br />
die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte<br />
Sonderaufgaben (BvS), sind Anstalten des öffentlichen<br />
Rechts mit dem gesetzlichen Auftrag<br />
zur Umstrukturierung der Wirtschaft, der<br />
Ablösung einer sozialistischen Planwirtschaft<br />
durch eine soziale Marktwirtschaft. Hierzu waren<br />
unstreitig umfangreiche öffentliche Subventionen<br />
notwendig. Mit ihrer Entscheidung<br />
vom 18.09.1991 hat sich die Kommission<br />
grundsätzlich zur Ausübung der Beihilfenkontrolle<br />
auf die Tätigkeit der Treuhandanstalt<br />
ausgesprochen. Angesichts der historisch bedingten<br />
Sonderfunktionen und der wirtschaftlichen<br />
Dringlichkeiten hat die Kommission die<br />
Tätigkeiten von Treuhandanstalt und BvS jedoch<br />
einer gesonderten Beurteilung unterworfen.<br />
Dabei wurden vier Bereiche einer intensiveren<br />
Kontrolle durch die Kommission unterzogen:<br />
der Bereich der Finanzierung von Firmen,<br />
die im Besitz der Treuhandanstalt waren;<br />
der Bereich des Verkaufs von Firmengruppen;<br />
der Bereich des Verkaufs von Firmen unter<br />
dem Marktpreis sowie der Bereich der Reprivatisierungen.<br />
Bei der Beurteilung von Tätigkeiten der BvS<br />
prüft die Kommission in zwei Stufen zunächst,<br />
ob es sich um Beihilfen handelt und sodann,<br />
ob diese Beihilfen nach einer der Ausnahmetatbestände<br />
genehmigt werden können. Maßnahmen<br />
der Treuhandanstalt im Zusammen-
hang mit Altschulden und Altlasten stellen<br />
keine Beihilfe dar. Bei der Beurteilung des<br />
Beihilfecharakters von Bürgschaften, Krediten<br />
und Kapitalzuführungen durch den Staat wendet<br />
die Kommission das Prinzip des marktwirtschaftlich<br />
handelnden Kapitalgebers an,<br />
welches auch für öffentliche Unternehmen gilt.<br />
Danach liegt dann keine Beihilfe vor, wenn ein<br />
privater Kapitalgeber in der gleichen Situation<br />
unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen<br />
(als „ordentlicher Kaufmann”) dem<br />
Unternehmen ebenfalls Kapital zugeführt hätte.<br />
Unternehmensverkäufe im Wege der Privatisierung<br />
und Reprivatisierung bereiten hinsichtlich<br />
der Beurteilungskriterien besondere<br />
Schwierigkeiten. Dies gilt auch für die sog.<br />
Zweitprivatisierungen bei denen das betreffenende<br />
Unternehmen nach der ersten Privatisierung<br />
in Konkurs gefallen ist und nun eine<br />
zweite Privatisierung mit einem <strong>neu</strong>en Investor<br />
durchgeführt wird. Grundsätzlich gilt, daß Privatisierungen<br />
zum Marktpreis keine Beihilfe<br />
enthalten. Ist jedoch kein Käufer bereit, den<br />
tatsächlichen Preis („positiven Preis”) für ein<br />
Unternehmen zu bezahlen, und entschließt<br />
sich die BvS dennoch zum Verkauf, so kann<br />
dies als Beihilfe ausgelegt werden, wenn die<br />
Schließung des Unternehmens die billigere<br />
Lösung gewesen wäre.<br />
Die Kommission prüft dann, ob für diese Beihilfe<br />
der Ausnahmetatbestand des Art. 87 EGV<br />
in Betracht kommt. Besonders relevant ist in<br />
diesem Zusammenhang Art. 87 Abs. 3c) EGV<br />
als Ausnahmetatbestand für Rettungs- und<br />
Umstrukturierungsbeihilfen für Unternehmen<br />
in Schwierigkeiten (s.o.).<br />
1. Beispiel: SKET Maschinen- und<br />
Anlagenbau GmbH 24<br />
SKET Maschinen- und Anlagenbau GmbH<br />
(„SKET MAB”) ist ein Nachfolgeunternehmen<br />
der SKET Schwermaschinenbau Magdeburg<br />
24 Entscheidung der Kommission vom 20.07.1999, Abl. L 30 vom 4.2.2000, S. 25<br />
GmbH („SKET SMM”), welche im Oktober<br />
1996 das Gesamtvollstreckungsverfahren beantragen<br />
mußte.<br />
Die BvS war zunächst Alleingesellschafter<br />
von SKET MAB. Gemäß dem Privatisierungsvertrag<br />
vom Januar 1998 übernahmen zwei<br />
Investoren, die Enercon-Gruppe über Aloys<br />
Wobben und die LMB-Gruppe über Heinz<br />
Buse, jeweils 50% der Anteile von SKET MAB.<br />
Der Verkauf erfolgte auf der Grundlage einer<br />
öffentlichen Ausschreibung und das Angebot<br />
der Investoren war das beste, das eingereicht<br />
wurde. Der Kaufpreis von 1 DM wurde an die<br />
BvS gezahlt. Die Investoren übernahmen von<br />
der BvS eine Bankbürgschaft in Höhe von<br />
5 Mio. DM.<br />
Das Unternehmen SKET MAB erhielt staatliche<br />
Beihilfen in Form von Zuschüssen und Darlehen<br />
in Höhe von 57,8 Mio. DM. Deutschland<br />
meldete dieses Beihilfepaket nach der Privatisierung<br />
bei der Kommission an.<br />
Gegen dieses Beihilfepaket wurde seitens<br />
der Kommission das förmliche Prüfverfahren<br />
eingeleitet, weil diese Zweifel im Hinblick auf<br />
die Vereinbarkeit der Beihilfe als Umstrukturierungsbeihilfe<br />
mit dem Gemeinsamen<br />
Markt hatte. Insbesondere war die Kommission<br />
aufgrund der erhaltenen Auskünfte der Auffassung,<br />
daß der Umstrukturierungsplan hinsichtlich<br />
der Umstrukturierungsmaßnahmen und<br />
der damit verbundenen Kosten zu vage war.<br />
Außerdem waren nur wenige Finanzdaten<br />
übermittelt worden, und es war unklar, ob das<br />
Unternehmen in einem angemessenen Zeitraum<br />
rentabel gemacht werden könnte. Die<br />
fehlende Information über die Entwicklung der<br />
Kapazität von SKET MAB bedeutete ferner,<br />
daß die Auswirkungen der Beihilfe auf ihre<br />
Wettbewerber schwer zu bestimmen waren.<br />
Wegen der mangelnden Informationen hinsichtlich<br />
der Umstrukturierungsmaßnahmen<br />
und ihrer Kosten war es außerdem schwierig<br />
festzustellen, ob die Beihilfe sich auf das für<br />
die Umstrukturierung erforderliche Minimum<br />
21
22<br />
beschränkte. Außerdem fehlte zur Zeit der Einleitung<br />
des Verfahrens ein privater Investor.<br />
Nachdem die Kommission zunächst festgestellt<br />
hatte, daß die oben genannten Maßnahmen<br />
Beihilfen i.S.d. Art. 87 Abs. 1 EGV darstellen,<br />
da diese einem Unternehmen auf einem<br />
für die Mitgliedstaaten relevanten Markt gewährt<br />
wurden und somit geeignet sind, den<br />
Wettbewerb zu verfälschen, prüfte sie die Ausnahmetatbestände<br />
des Art. 87 Abs. 3 EGV.<br />
Nach Auffassung der Kommission können die<br />
Beihilfemaßnahmen, die SKET MAB gewährt<br />
wurden, welche Teile der Vermögenswerte und<br />
Ressourcen eines Konkursunternehmens<br />
(SKET SMM) übernahm, als Umstrukturierungsbeihilfen<br />
für Unternehmen in Schwierigkeiten<br />
gem. Art. 87 Abs. 3c) EGV behandelt<br />
werden. Für die Beurteilung der Zulässigkeit<br />
der staatlichen Beihilfen waren somit die Leitlinien<br />
für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen<br />
von Unternehmen in Schwierigkeiten<br />
(s.o.) heranzuziehen.<br />
Zur Erfüllung der in den Leitlinien dargelegten<br />
Kriterien müssen alle Umstrukturierungspläne<br />
ein Unternehmen in Schwierigkeiten<br />
innerhalb einer angemessenen Frist und auf<br />
der Grundlage realistischer Annahmen wieder<br />
zu langfristiger Rentabilität führen. Dies konnte<br />
für SKET MAB bejaht werden. Seine ökonomische<br />
Leistung entsprach dem, was zum Zeitpunkt<br />
der Privatisierung projiziert wurde. Die<br />
investierenden Unternehmen hatten bereits<br />
eine Verbesserung der Auftragslage von SKET<br />
MAB erzielt, und eine Wiederherstellung der<br />
Rentabilität innerhalb eines angemessenen<br />
Zeitraumes schien realistisch.<br />
Eine weitere Voraussetzung für die Genehmigung<br />
einer Umstrukturierungsbeihilfe besteht<br />
darin, daß jede unzumutbare Wettbewerbsverfälschung<br />
durch die Beihilfe zu vermeiden<br />
ist. So muß der Empfänger der Beihilfe im Falle<br />
struktureller Überkapazität auf dem relevanten<br />
Markt seine Kapazität endgültig reduzieren.<br />
25 Entscheidung der Kommission vom 26.05.1999, Abl. L 269 vom 19.10.1999, S. 36<br />
Die Kommission konnte jedoch nicht feststellen,<br />
daß der für SKET MAB relevante Sektor,<br />
der Schwermaschinenbau, in dem der Windturbinenmarkt<br />
einen Submarkt bildet, eine<br />
strukturelle Überkapazität aufweist. Insbesondere<br />
für die Produktion von Windgeneratoren<br />
ist Deutschland zur Zeit der größte Markt in<br />
der Europäischen Gemeinschaft und auch<br />
weltweit.<br />
Außerdem müssen sich Umfang und Intensität<br />
der Beihilfe auf das für die Umstrukturierung<br />
notwendige Mindestmaß beschränken<br />
und in einem Verhältnis zu dem aus Gemeinschaftssicht<br />
erwarteten Nutzen stehen. Von<br />
dem Investor wird erwartet, daß er aus eigenen<br />
Mitteln einen erheblichen Beitrag zu dem Umstrukturierungsplan<br />
leistet. Im Fall von SKET<br />
MAB beläuft sich der Beitrag der Investoren<br />
auf 25,3 Mio. DM (Investitionen, Schulungskosten<br />
für Personal, Rückzahlung von Darlehen)<br />
und damit auf etwa 25% der Umstrukturierungskosten.<br />
Die Kommission sieht diesen<br />
Beitrag der Investoren als angemessen an.<br />
Nach Abschluß des Prüfungsverfahrens erklärte<br />
die Kommission die Maßnahmen, die die<br />
Bundesrepublik Deutschland zugungsten von<br />
SKET MAB in Höhe von 57,8 Mio. DM durchgeführt<br />
hat, als mit dem Gemeinsamen Markt<br />
im Sinne von Art. 87 Abs. 3c) EGV vereinbar.<br />
2. Beispiel: Dow/Buna SOW Leuna<br />
Olefinverbund GmbH (BSL) 25<br />
Im Zuge der Privatisierung der Chemieproduktion<br />
in Leuna (Sachsen-Anhalt) durch die<br />
Treuhandanstalt und die BvS wurde ein Betriebsteil<br />
an die Dow/Buna SOW Leuna Olefinverbund<br />
GmbH (BSL) veräußert. Der dieser<br />
Veräußerung zugrundeliegende Privatisierungsvertrag<br />
zwischen BvS und BSL, und die daraufhin<br />
geflossenen staatlichen Beihilfen in<br />
Höhe von 9,5 Mrd. DM wurden durch die Kommission<br />
am 29.05.1996 genehmigt.
Am 10.12.1997 beschloß die Kommission<br />
das Verfahren er<strong>neu</strong>t zu eröffnen, da die durch<br />
Deutschland übermittelten Änderungsverträge<br />
zwischen BSL und BvS zu tiefgreifenden Veränderungen<br />
bei der Kapazität und den Beihilfezahlungen<br />
geführt hatten, wodurch das Verhältnis<br />
zwischen Kapazitäten und staatlichen<br />
Beihilfesummen nicht mehr eingehalten wurde,<br />
welches in der urspünglichen Entscheidung<br />
der Kommission genehmigt worden war.<br />
Die Kommission hegte ernsthafte Bedenken,<br />
ob die Veränderungen der Produktionskapazitäten<br />
im Zuge der Umstrukturierung von BSL,<br />
z.B. die Erhöhung der Produktion von<br />
Chemical-grade-Ethylen und die Kapazitätserweiterungen<br />
des Benzol- und des Butadienwerks,<br />
noch durch die Entscheidung der<br />
Kommission vom 29.05.1996 gedeckt waren.<br />
Somit wäre nicht ausgeschlossen, daß die Kapazitätserweiterungen<br />
nachteilige Auswirkungen<br />
auf den Wettbewerb und den Handel<br />
zwischen Mitgliedstaaten gehabt hätten. Nach<br />
der Stellungnahme Deutschlands und seiner<br />
Verpflichtung, die Beteiligung der BvS an der<br />
Finanzierung der Kapazitätserweiterung vertraglich<br />
auszuschließen, wurden diese Bedenken<br />
jedoch nicht mehr aufrechterhalten.<br />
Außerdem gab es aus Sicht der Kommission<br />
Anhaltspunkte dafür, daß die Energielieferverträge,<br />
die zwischen BSL und VKR (VEBA)<br />
geschlossen wurden, Beihilfeelemente enthielten.<br />
Diese Verträge wurden für einen Zeitraum<br />
von 19 Jahren (bis Ende 2014) geschlossen.<br />
Für die verbleibende Umstrukturierungszeit<br />
(bis 31.05.2000), während der gemäß dem<br />
Privatisierungsvertrag die Verluste von der BvS<br />
gedeckt werden, sahen die Lieferverträge Preise<br />
vor, mit denen die Durchschnittspreise für<br />
die Lieferung von Strom- und Wärmekraft tatsächlich<br />
bei weitem übertroffen wurden. Für<br />
den Zeitraum nach der Umstrukturierung,<br />
wenn mögliche Verluste der BSL von Dow<br />
selbst getragen werden müssen, waren gemäß<br />
den Verträgen Energiepreise vorgesehen, die<br />
anfänglich beträchtlich unterhalb des Durchschnittspreises<br />
lagen. Diese würden dann<br />
schrittweise jährlich angehoben, bis sie im<br />
Jahr 2014 die Durchschnittspreise erreicht hätten.<br />
Eine von der Kommission in Auftrag gegebene<br />
Studie kam jedoch zu dem Schluß, daß die<br />
Energielieferverträge keine Beihilfeelemente<br />
enthalten. Die von der BSL in der Umstrukturierungsphase<br />
zu zahlenden Preise je<br />
kWh seien zwar relativ hoch, Liberalisierungseffekte<br />
auf dem Strommarkt seien jedoch noch<br />
nicht spürbar, d.h. es gab weder andere<br />
Stromlieferanten, noch war die BSL in der<br />
Lage, ein eigenes Kraftwerk zu betreiben. Während<br />
des Umstrukturierungszeitraumes könne<br />
die VKR ihre Stellung als Monopollieferant für<br />
BSL ausnutzen, um in dieser Zeit einen wesentlich<br />
größeren Teil ihrer Istkosten aus der<br />
Vergangenheit hereinzuholen, als danach. Diese<br />
Preise würden auch nicht von den Preisen<br />
abweichen, die für sehr große gewerbliche<br />
Abnehmer in den <strong>neu</strong>en Bundesländern während<br />
dieses Zeitraums erwartet werden.<br />
Die Studie kam auch zu dem Ergebnis, daß<br />
die von der Kommission problematisierte Übernahme<br />
eines Teils der Finanzierung des VKR-<br />
Kraftwerks durch die BSL in Deutschland<br />
gebräuchlich und sogar in § 6 des deutschen<br />
Energiewirtschaftsgesetzes vorgesehen sei. Ein<br />
finanzieller Eigenbetrag seitens eines Stromgroßabnehmers<br />
ist folglich charakteristisch für<br />
<strong>neu</strong>e Energieverbraucher in Deutschland.<br />
Das von der Kommission er<strong>neu</strong>t eröffnete<br />
Verfahren hat folglich gezeigt, daß keine zusätzliche<br />
Beihilfe zugunsten von BSL vorliegt,<br />
und daß die zu zahlenden Beihilfen dem Betrag<br />
entsprechen und auf die Kapazitäten beschränkt<br />
sind, die von der Kommission am<br />
29.05.1996 genehmigt wurden.<br />
23
24<br />
3. Beispiel: UCB Chemie GmbH, Linde<br />
AG 26<br />
Dieser Fall betrifft ebenfalls die Privatisierung<br />
der Chemieproduktion in Leuna (Sachsen-Anhalt)<br />
durch die Treuhandanstalt und die BvS.<br />
1993 veräußerte die Treuhand den Betriebsteil<br />
Amine an die UCB Chemie GmbH. Dem Verkauf<br />
als solchem war ein offenes, bedingungsfreies<br />
und transparentes Bieterverfahren<br />
vorausgegangen. Die UCB war der einzige Bieter<br />
und bezahlte einen Kaufpreis von 6,6 Mio.<br />
DM. Die Treuhand verpflichtete sich, Kohlenmonoxid,<br />
welches bei der Aminproduktion benötigt<br />
wird, für einen Zeitraum von zehn<br />
Jahren zum Marktpreis zu liefern. Zum Zeitpunkt<br />
des Vertragsschlusses rechnete die Treuhand<br />
damit, einen Investor zu finden, der die<br />
Anlage zur Herstellung von Kohlenmonoxid<br />
übernehmen würde. Diese Erwartung erfüllte<br />
sich jedoch nicht.<br />
Nachdem die UCB es abgelehnt hatte, die<br />
CO-Produktion in eigener Verantwortung zu<br />
übernehmen, wurde der Betriebsteil Amine von<br />
der Linde AG übernommen. Diese stimmte zu,<br />
von den Investitionskosten für die CO-Anlage<br />
in Höhe von insgesamt 12 Mio. DM einen Anteil<br />
von 3 Mio. DM zu zahlen, während die öffentliche<br />
Hand 9 Mio. DM abdeckte.<br />
Die Kommission ist der Auffassung, die Beteiligung<br />
der BvS von 9 Mio. DM sowie jede<br />
weitere finanzielle Hilfe für den Bau der CO-<br />
Anlage müsse als staatliche Beihilfe im Sinne<br />
von Art. 87 Abs. 1 EGV gewertet werden, da<br />
diese aus staatlichen Mitteln bestritten werden,<br />
den Wettbewerb zu verfälschen drohen,<br />
den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen<br />
und die Linde AG begünstigen, da<br />
sie nicht für diese Ausgaben aufkommen muß,<br />
die sie andernfalls selbst zu tragen hätte. Mit<br />
Schreiben vom 30.03.1999 hat die Kommission<br />
deshalb dem Mitgliedstaat Deutschland<br />
ihren Beschluß zur Eröffnung des Prüfverfahrens<br />
nach Art. 88 Abs. 2 EGV mitgeteilt.<br />
26 Abl. C 194 vom 10.07.1999, S. 14<br />
Bei ihrer Prüfung berücksichtigt die Kommission,<br />
daß die Regionen der <strong>neu</strong>en Bundesländer<br />
in Deutschland zu den Fördergebieten nach<br />
Art. 87 Abs. 3a) EGV gehören, in denen die<br />
Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist<br />
und eine erhebliche Unterbeschäftigung<br />
herrscht.<br />
Die Kommission zieht nicht in Betracht, daß<br />
die Beihilfe zur Wiederherstellung der Rentabilität<br />
eines Unternehmens in Schwierigkeiten<br />
gewährt wird und deshalb der Ausnahmetatbestand<br />
des Art. 87 Abs. 3c) EGV zu prüfen<br />
wäre. Die deutsche Regierung habe keine Angaben<br />
vorgelegt, aus denen hervorginge, daß<br />
mit den Maßnahmen ein bestehendes Unternehmen<br />
in Schwierigkeiten umstrukturiert werden<br />
soll, da Deutschland behauptet, daß die<br />
Vereinbarung überhaupt keine staatlichen Beihilfen<br />
enthält, weil sie sich am Prinzip des privaten<br />
Kapitalgebers orientiere.<br />
Nach Ansicht der Kommission lassen die<br />
durch Deutschland übermittelten Informationen,<br />
insbesondere die Tatsache, daß die CO-<br />
Produktion in die bereits vorhandene Produktion<br />
der Linde AG integriert worden ist, den<br />
Schluß zu, daß die finanzielle Hilfe für eine<br />
Erstinvestition gewährt wird und das vorrangige<br />
Ziel der Beihilfe in der Förderung der regionalen<br />
Entwicklung gem. Art. 87 Abs. 3a) EGV<br />
besteht.<br />
Derzeit kann die Kommission keine befürwortende<br />
Haltung zu dem Zuschuß von 9 Mio.<br />
DM einnehmen, da regionale Investitionsbeihilfen<br />
nach Art. 87 Abs. 3a) EGV eine entsprechende<br />
Höchstgrenze nicht überschreiten<br />
dürfen. Bei kleinen und mittleren Unternehmen<br />
liegt diese Obergrenze bei 50% der<br />
förderfähigen Investitionskosten. Bei großen<br />
Unternehmen darf die Beihilfe 35% der<br />
förderfähigen Investitionskosten nicht überschreiten.<br />
Da sich die Linde AG nur mit 3 Mio.<br />
DM an den Gesamtinvestitionskosten von 12<br />
Mio. DM, d.h. mit nur 25% beteiligt, geht die
Kommission im gegenwärtigen Stadium davon<br />
aus, daß die zulässige Höchstgrenze überschritten<br />
ist.<br />
Die Kommission hat daher die Bundesrepublik<br />
Deutschland aufgefordert, ihr innerhalb<br />
eines Monats alle zur Beurteilung dieses Falls<br />
erforderlichen Unterlagen, Angaben und Daten<br />
zu übermitteln, damit die Kommission eine<br />
abschließende Entscheidung erlassen kann.<br />
Diese steht zur Zeit noch aus.<br />
IV. DAS BEIHILFEKONTROLL-<br />
VERFAHREN<br />
1. Verfahrensverordnung (VVO)<br />
Das Forum zur Austragung beihilfenpolitischer<br />
Meinungsverschiedenheiten zwischen<br />
den Mitgliedstaaten, den betroffenen<br />
Unternehmen und der Europäischen Kommission<br />
ist das Verfahren der Beihilfenaufsicht nach<br />
Art. 88 EGV. In diesem Verfahren entscheidet<br />
die Kommission über die Vereinbarkeit von<br />
Beihilfen mit dem gemeinsamen Markt. Durch<br />
dieses Verfahren setzt die Kommission das<br />
Verbot der mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren<br />
Beihilfen nach Art. 87 Abs. 1 EGV<br />
durch und läßt die fakultativen Ausnahmen<br />
nach Art. 87 Abs. 3 EGV zu. Für das Verfahren<br />
der Beihilfenaufsicht gelten die rechtsstaatlichen<br />
Garantien des Gemeinschaftsrechts. Mit<br />
der Beihilfenaufsicht korrespondiert deshalb<br />
eine umfangreiche Klagebefugnis der Betroffenen<br />
(der Mitgliedstaaten und der Förderungsbegünstigten).<br />
Außerdem ist damit die<br />
Kontrollierbarkeit der Entscheidungen der Europäischen<br />
Kommission durch den Europäischen<br />
Gerichtshof (EuGH) gem. Art. 230 EGV<br />
verbunden.<br />
Art. 88 EGV ist etwas unübersichtlich und<br />
läßt einige Verfahrensfragen offen. Die Rechtsprechung<br />
des Gerichtshofs sowie die Praxis<br />
und zahlreiche Bekanntmachungen seitens der<br />
Kommission konnten nur begrenzt zur Klärung<br />
und Gewährleistung von Rechtssicherheit bei-<br />
tragen. Der Rat hat deshalb auf der Grundlage<br />
eines Kommissionsvorschlags eine umfassende<br />
Verfahrensverordnung 27 erlassen, die den<br />
Art. 88 EGV ergänzt und am 16.04.1999 in<br />
Kraft getreten ist.<br />
Die Kontrolle der staatlichen Beihilfe durch<br />
die Gemeinschaft beruht auf einem System<br />
der vorherigen Genehmigungen. Aufgrund<br />
dieses Systems besteht zum einen die Verpflichtung<br />
zur Anmeldung jeder beabsichtigten<br />
Gewährung oder Umgestaltung staatlicher<br />
Beihilfen bei der Kommission. Die Beihilfevorhaben<br />
müssen also von dem betreffenden<br />
Mitgliedstaat (Zentralbehörden) notifiziert werden.<br />
Die Notifizierungen werden in der Regel<br />
über die Ständige Vertretung des betreffenden<br />
Mitgliedstaats an das Generalsekretariat der<br />
Kommission geschickt.<br />
Zum anderen besteht das Verbot der Durchführung<br />
der Maßnahme bevor die Kommission<br />
abschließend und positiv entschieden hat. Das<br />
Durchführungsverbot gem. Art. 88 Abs. 3 Satz<br />
3 EGV hat unmittelbare Wirkung: interessierte<br />
Dritte (insbesondere Wettbewerber des beihilfebegünstigten<br />
Unternehmens) können deshalb<br />
vor den innerstaatlichen Gerichten die<br />
Einhaltung dieses Verbots geltend machen.<br />
Die Einführung einer <strong>neu</strong>en Beihilfe oder die<br />
Umgestaltung einer bestehenden Beihilfe wird<br />
nach ihrer Anmeldung bei der Kommission<br />
einer Vorprüfung von maximal zwei Monaten<br />
unterzogen. Die Zweimonatsfrist beginnt an<br />
dem Tage, an dem die Kommission über sämtliche<br />
für die Beurteilung des Falles erforderlichen<br />
Auskünfte verfügt. Sind die Informationen<br />
unvollständig, so wird die Kommission<br />
von dem betreffenden Mitgliedstaat zusätzliche<br />
Auskünfte innerhalb von 20 Tagen anfordern.<br />
Die Kommission kann danach ohne Einleitung<br />
eines Verfahrens entscheiden, keine Einwände<br />
gegen die notifizierte Maßnahme zu erheben,<br />
weil es sich gar nicht um eine Beihilfe handelt<br />
oder weil keine Zweifel an ihrer Vereinbarkeit<br />
mit dem Gemeinsamen Markt i.S.v. Art. 87<br />
Abs. 2 oder 3 EGV bestehen.<br />
27 Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22.03.1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 88 des des EG-Vertrages (Abl. EG 1999 L 83/1)<br />
25
26<br />
In allen anderen Fällen eröffnet die Kommission<br />
ein Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EGV,<br />
wenn sie bezüglich der Vereinbarkeit der<br />
notifizierten Beihilfemaßnahmen mit dem Gemeinsamen<br />
Markt Bedenken hat. In diesen<br />
Fällen leitet die Kommission das förmliche<br />
Prüfverfahren ein. Sie veröffentlicht eine Zusammenfassung<br />
des Beihilfefalls im Amtsblatt<br />
und fordert die Beteiligten zur Stellungnahme<br />
auf. Das Verfahren wird durch die Annahme<br />
einer abschließenden Entscheidung beendet.<br />
Diese kann entweder positiv (die Beihilfe darf<br />
gewährt werden), negativ (die Beihilfe darf<br />
nicht gewährt werden) oder unter bestimmten<br />
Bedingungen positiv sein (die Beihilfe darf gewährt<br />
werden, wenn bestimmte Bedingungen/<br />
Auflagen erfüllt werden). Für eine solche Untersuchung<br />
sind höchstens 18 Monate vorgesehen.<br />
Rechtswidrig ist jede Beihilfe, die entgegen<br />
Art. 88 Abs. 3 EGV, d.h. ohne Anmeldung oder<br />
nach Anmeldung aber vor abschließender Entscheidung<br />
der Kommission gewährt wird (Ausnahme:<br />
die Kommission hat innerhalb von zwei<br />
Monaten nach Notifizierung der Beihilfe keine<br />
Entscheidung erlassen, dann gilt die Beihilfe<br />
als genehmigt). Schon während der Prüfung<br />
kann die Kommission einstweilige Maßnahmen<br />
treffen. Nachdem sie dem betreffenden<br />
Mitgliedstaat Gelegenheit zur Äußerung gegeben<br />
hat, kann sie diesem aufgeben, alle rechtswidrigen<br />
Beihilfen einstweilig zurückzufordern,<br />
bis die Kommission eine Entscheidung über die<br />
Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen<br />
Markt erlassen hat. Folgende Kriterien<br />
müssen dazu erfüllt sein:<br />
- Nach geltender Praxis bestehen hinsichtlich<br />
des Beihilfecharakters der<br />
betreffenden Maßnahme keinerlei<br />
Zweifel,<br />
- ein Tätigwerden ist dringend geboten,<br />
und<br />
- ein erheblicher und nicht wiedergutzumachender<br />
Schaden für einen Konkurrenten<br />
ist ernsthaft zu befürchten.<br />
28 Abl. L 142 vom 14.05.1998, S. 1<br />
Insoweit die Prüfung nicht mit einer Genehmigung<br />
endet, weil die Beihilfe nicht nur<br />
prozedural rechtswidrig, sondern auch materiell<br />
mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar<br />
ist, ist die Kommission nach der <strong>neu</strong>en Verfahrensordnung<br />
gezwungen, den betroffenen<br />
Mitgliedstaat zur Rückforderung schon gewährter<br />
Beihilfeteile zu verpflichten. Die Befugnisse<br />
der Kommission zur Rückforderung von<br />
Beihilfen gelten für eine Frist von zehn Jahren.<br />
Bereits seit Mitte der 1980er Jahre hatte<br />
die Kommission eine Politik der systematischen<br />
Verpflichtung zur Rückforderung (einschließlich<br />
Zinsen) verfolgt. Insgesamt ist das System<br />
auf eine möglichst schnelle Rückerstattung<br />
rechtswidriger Beihilfen ausgerichtet, weil die<br />
verursachte Wettbewerbsverzerrung im Laufe<br />
der Zeit immer weniger reparabel wird.<br />
Darüber hinaus überwacht die Kommission<br />
fortlaufend alle bestehenden und von ihr genehmigten<br />
Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen<br />
dahingehend, daß sie nur in einer von<br />
der Genehmigung gedeckten Weise umgesetzt<br />
und angewandt werden. Kommt die Kommission<br />
im Rahmen der erstmaligen Prüfung oder<br />
der fortlaufenden Überwachung zu dem<br />
Schluß, daß eine staatlich Beihilfe mit dem<br />
Gemeinsamen Markt nach Art. 87 EGV unvereinbar<br />
ist oder daß sie mißbräuchlich angewandt<br />
wird, so entscheidet sie, daß der betreffende<br />
Mitgliedstaat die Beihilfe binnen einer<br />
bestimmten Frist aufzuheben oder umzugestalten<br />
hat.<br />
2. Gruppenfreistellungsverordnungen<br />
(GVOen)<br />
Mit der Verordnung (EG) Nr. 994/98 des<br />
Rates vom 7.5.1998 über die Anwendung der<br />
Artikel 87 und 88 EGV auf bestimmte Gruppen<br />
horizontaler Beihilfen (Ermächtigungsverordnung)<br />
28 verfügt die Kommission jetzt<br />
auch über eine eindeutige Rechtsgrundlage,<br />
um im Verordnungswege Subventionen, die<br />
über einen bestimmten Zeitraum einen festge-
setzten Betrag nicht überschreiten bzw. bestimmten<br />
Beihilfetypen entsprechen, nicht als<br />
Beihilfen zu qualifizieren und daher von der<br />
Anmeldeverpflichtung des Art. 88 Abs. 3 EGV<br />
auszunehmen.<br />
Die Kommission hatte die Artikel 87 und 88<br />
EGV mittels zahlreicher Entscheidungen durchgeführt<br />
und ihre Vorgehensweise in einer Anzahl<br />
von Bekanntmachungen dargelegt. In<br />
Anbetracht der erheblichen Erfahrungen der<br />
Kommission bei der Anwendung der Artikel 87<br />
und 88 EGV und der von ihr auf der Grundlage<br />
dieser Bestimmungen angenommenen allgemeinen<br />
Texte war es im Hinblick auf eine wirksame<br />
Überwachung und aus Gründen der<br />
Verwaltungsvereinfachung angezeigt, die Kommission<br />
zu ermächtigen, in den Gebieten, auf<br />
denen sie über ausreichende Erfahrung verfügt,<br />
um allgemeine Vereinbarkeitskriterien<br />
festzulegen, mittels Verordnung zu erklären,<br />
daß bestimmte Gruppen von Beihilfen mit dem<br />
Gemeinsamen Markt gemäß einer oder mehrer<br />
Bestimmungen des Art. 87 Abs. 2 und 3 EGV<br />
zu vereinbaren sind und von dem Verfahren<br />
nach Art. 88 Abs. 3 EGV freigestellt werden.<br />
Diese sog. Gruppenfreistellungsverordnungen<br />
(GVOen) erhöhen die Verfahrenseffizienz<br />
und -tranzparenz, sowie die Rechtssicherheit.<br />
Jede GVO hat zwingende<br />
Bedingungen festzulegen in Bezug auf den<br />
Zweck der Beihilfe, die Gruppen der Begünstigten,<br />
die Beihilfeintensitäten bzw. Beihilfehöchstbeträge,<br />
die Kumulierung der Beihilfen<br />
und ihre Überwachung.<br />
Am 28.07.1999 hat die Kommission die Entwürfe<br />
von drei Verordnungen zur gruppenweisen<br />
Freistellung von staatlichen KMU-Beihilfen,<br />
Ausbildungsbeihilfen und De-minimis-Beihilfen<br />
vom generellen Beihilfeverbot auf der Grundlage<br />
der Ermächtigungsverordnung angenommen.<br />
29 Die genannten Gruppen von Beihilfen<br />
brauchen damit, sofern sie bestimmte Voraussetzungen<br />
erfüllen, künftig nicht mehr bei der<br />
Kommission angemeldet zu werden.<br />
29 Bull. EU 7/8-1999/ Ziff. 1.3.44. und die einzelnen Begründungen hierzu<br />
Bei den GVOen wird das ex-ante-Notifizierungsverfahren<br />
des Art. 88 Abs. 3 EGV durch eine<br />
ex-post-Überwachung ersetzt. Die ex-post-<br />
Kontrolle soll sowohl durch die Kommission als<br />
auch auf mitgliedstaatlicher Ebene erfolgen.<br />
Da die Freistellungsverordnungen in den Mitgliedstaaten<br />
unmittelbar gelten und für die<br />
Gerichte sowie nationalen Verwaltungsbehörden<br />
unmittelbar anwendbar sind, steht es den<br />
nationalen Gerichten bei Konkurrentenklagen<br />
zu, die Voraussetzungen der GVOen zu überprüfen<br />
und bei Fehlern die Unvereinbarkeit mit<br />
dem Gemeinschaftsrecht auszusprechen mit<br />
der Folge, daß die gewährte Beihilfe zurückzuzahlen<br />
ist.<br />
Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, der<br />
Kommission mindestens einmal jährlich gemäß<br />
den besonderen Anforderungen der Kommission<br />
einen Bericht über die Durchführung der<br />
Gruppenfreistellungen zu übermitteln. Die Kommission<br />
gewährt allen Mitgliedstaaten Zugang<br />
zu diesen Berichten.<br />
V. FAZIT UND ZUKUNFTSAUSBLICK<br />
Insbesondere in Rezessionsphasen, aber<br />
auch zur Flankierung von Strukturanpassungen<br />
oder zum Erhalt von bedrohten Arbeitsplätzen<br />
greifen die Mitgliedstaaten entgegen allen politischen<br />
Absichtserklärungen immer wieder<br />
zum Instrument der Wirtschaftsförderung<br />
durch Subventionen. Das der Beihilfenkontrolle<br />
innewohnende Spannungsverhältnis zwischen<br />
nationaler Wirtschaftsförderungspolitik einerseits<br />
und dem rechtlichen Beihilfeverbot andererseits<br />
kann auch künftig im konkreten<br />
Einzelfall am besten durch eine gleichermaßen<br />
dem Schutz des Wettbewerbs und der wirtschaftlichen<br />
Entwicklung der Gemeinschaft<br />
insgesamt verpflichteten Kommission gelöst<br />
werden. Es ist davon auszugehen, daß allein<br />
bei der Kommission die Kompetenz und die<br />
Wissensansammlung zur Beurteilung von<br />
grenzüberschreitenden, negativen Auswirkungen<br />
als Fall eines Marktversagens des System-<br />
27
28<br />
wettbewerbs der Standortanbieter vorliegt.<br />
Nur sie verfügt über eine klare Ausrichtung auf<br />
die Wahrung des gemei<strong>neu</strong>ropäischen Wohls,<br />
die derartige negative Auswirkungen zu verhindern<br />
bestimmt ist. Daher ist es naheliegend,<br />
ihre zentrale Kontrollaufgabe noch auszubauen.<br />
Die Beihilfekontrollpraxis der Kommission,<br />
die in ständiger Fortschreibung, Änderung und<br />
Neueinführung von Rahmenregelungen und<br />
Leitlinien besteht, beinhaltet jedoch auch die<br />
Gefahr, daß die Rechtssicherheit vermindert,<br />
der bürokratische Aufwand erhöht und die<br />
Transparenz der Beihilfenaufsicht erschwert<br />
wird. Die Schaffung von erhöhter Transparenz<br />
muß daher ein primäres Anliegen der Kommission<br />
zur Schaffung von Rechtssicherheit und<br />
Gleichheit bei der Anwendung der Beihilfegrundsätze<br />
sein. Nur dadurch läßt sich ein etwaiges<br />
Mißtrauen der Mitgliedstaaten gegenüber<br />
uneinheitlicher Handhabung des Beihilfeaufsichtsrechts<br />
weitgehend verhindern.<br />
Durch die Verfahrens- und die Ermächtigungsverordnung<br />
in Beihilfesachen wurde<br />
diesem Anliegen bereits Rechnung getragen,<br />
insbesondere durch eine vorsichtige dezentralisierte<br />
mitgliedstaatliche Anwendung im Rahmen<br />
der Ermächtigungsverordnung und eine stärkere<br />
Transparenz und Greifbarkeit des Beihilfenrechts<br />
durch die Verfahrensverordnung. Wichtig<br />
ist auch die Entlastung der Kommission, die<br />
durch diese Freistellungsverordnungen erreicht<br />
werden kann.<br />
Wesentlich für die Zukunft ist auch eine stärkere<br />
Berücksichtigung des mitgliedstaatlichen<br />
Systemwettbewerbs in der Beihilfekontrollpraxis<br />
ebenso wie eine verstärkte Analyse der<br />
Auswirkungen auf den Wettbewerb (auf den<br />
Gütermärkten und auf dem Markt der Standortanbieter).<br />
Die Kommission hat am 24.11.1999 eine Mitteilung<br />
30 an das Europäische Parlament und<br />
den Rat angenommen, in der sie ihre<br />
Binnenmarktstrategie für die kommenden fünf<br />
Jahre darlegt und deren übergeordnetes Ziel<br />
30 Bull. EU 11-1999, 1.3.22<br />
darin besteht, die Leistungsfähigkeit des Binnenmarktes<br />
zum Nutzen von Bürgern und Unternehmen<br />
ständig zu verbessern. Diese<br />
Strategie ist auf folgende vier große Ziele ausgerichtet:<br />
- die Lebensqualität der Bürger verbessern;<br />
- die Effizienz der gemeinschaftlichen<br />
Güter- und Kapitalmärkte stärken;<br />
- die Rahmenbedingungen für Unternehmen<br />
verbessern: durch gemeinsame<br />
Anstrengungen sicherstellen, daß<br />
die Marktintegration nicht durch<br />
wettbewerbsfeindliche Praktiken untergraben<br />
wird, unlauteren Steuerwettbewerb<br />
im Binnenmarkt sowie die<br />
verbleibenden Hindernisse für den<br />
grenzüberschreitenden Handel beseitigen,<br />
die Wirksamkeit des Rechtsrahmens<br />
verbessern, die Belastung<br />
beseitigen, die den Unternehmen, insbesondere<br />
den KMU, durch gesetzliche<br />
Auflagen entsteht, und ihnen helfen,<br />
die Möglichkeiten des Binnenmarktes<br />
zu nutzen;<br />
- die Errungenschaften des Binnenmarktes<br />
in einer Welt im Wandel nutzen.<br />
Auch in Zukunft legt die Europäische Kommission<br />
ihrer Beihilfepolitik also eine umfassende<br />
Gemeinschaftsperspektive zugrunde,<br />
indem sie nicht nur wettbewerbs-, sondern<br />
auch sozial-, arbeitsmarkt-, verbraucherschutz-,<br />
umwelt-, industrie-, struktur- und sogar<br />
bildungs- und forschungspolitische Aspekte<br />
bei der Beihilfekontrolle berücksichtigt.<br />
Ein hohes Beihilfenniveau ist eine der Hauptursachen<br />
für Wettbewerbsverzerrungen. Daher<br />
ist eine strikte Beihilfepolitik und -kontrolle<br />
auch weiterhin von großer Bedeutung, wenn<br />
Europa seine Wettbewerbsfähigkeit auf den<br />
Weltmärkten erhalten und verbessern will.
ANHANG I<br />
Artikel 87 EGV<br />
(1) Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes<br />
bestimmt ist, sind staatliche oder aus<br />
staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich<br />
welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter<br />
Unternehmen oder Produktionszweige<br />
den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen<br />
drohen, mit dem Gemeinsamen Markt<br />
unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen<br />
Mitgliedstaaten beeinträchtigen.<br />
(2) Mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar<br />
sind:<br />
a) Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher,<br />
wenn sie ohne Diskriminierung nach<br />
der Herkunft der Waren gewährt werden;<br />
b) Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die<br />
durch Naturkatastrophen oder sonstige<br />
außergewöhnliche Ereignisse entstanden<br />
sind;<br />
c) Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter,<br />
durch die Teilung Deutschlands betroffener<br />
Gebiete der Bundesrepublik Deutschland,<br />
soweit sie zum Ausgleich der durch<br />
die Teilung verursachten wirtschaftlichen<br />
Nachteile erforderlich sind.<br />
(3) Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar<br />
können angesehen werden:<br />
a) Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen<br />
Entwicklung von Gebieten, in denen<br />
die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig<br />
ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung<br />
herrscht;<br />
b) Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben<br />
von gemeinsamem europäischem<br />
Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen<br />
Störung im Wirtschaftsleben<br />
eines Mitgliedstaats;<br />
c) Beihilfen zur Förderung der Entwicklung<br />
gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete,<br />
soweit sie die Handelsbedingungen<br />
nicht in einer Weise verändern,<br />
die dem gemeinsamen Interesse<br />
zuwiderläuft;<br />
d) Beihilfen zur Förderung der Kultur und der<br />
Erhaltung des kulturellen Erbes, soweit sie<br />
die Handels- und Wettbewerbsbedingungen<br />
in der Gemeinschaft nicht in einem<br />
Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen<br />
Interesse zuwiderläuft;<br />
e) sonstige Arten von Beihilfen, die der Rat<br />
durch eine Entscheidung mit qualifizierter<br />
Mehrheit auf Vorschlag der Kommission<br />
bestimmt.<br />
Artikel 88 EGV<br />
(1) Die Kommission überprüft fortlaufend in<br />
Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die in<br />
diesen bestehenden Beihilferegelungen. Sie<br />
schlägt ihnen die zweckdienlichen Maßnahmen<br />
vor, welche die fortschreitende Entwicklung<br />
und das Funktionieren des Gemeinsamen<br />
Marktes erfordern.<br />
(2) Stellt die Kommission fest, nachdem sie<br />
den Beteiligten eine Frist zur Änderung gesetzt<br />
hat, daß eine von einem Staat oder aus staatlichen<br />
Mitteln gewährte Beihilfe mit dem gemeinsamen<br />
Markt nach Artikel 87 unvereinbar<br />
ist oder daß sie mißbräuchlich angewandt<br />
wird, so entscheidet sie, daß der betreffende<br />
Staat sie binnen einer von ihr bestimmten Frist<br />
aufzuheben oder umzugestalten hat.<br />
Kommt der betreffende Staat dieser Entscheidung<br />
innerhalb der festgesetzten Frist<br />
nicht nach, so kann die Kommission oder jeder<br />
betroffene Staat in Abweichung von den Artikeln<br />
226 und 227 den Gerichtshof unmittelbar<br />
anrufen.<br />
Der Rat kann einstimmig auf Antrag eines<br />
Mitgliedstaats entscheiden, daß eine von diesem<br />
Staat gewährte oder geplante Beihilfe in<br />
Abweichung von Artikel 87 oder von den nach<br />
Artikel 89 erlassenen Verordnungen als mit<br />
dem Gemeinsamen Markt vereinbar gilt, wenn<br />
außergewöhnliche Umstände eine solche Entscheidung<br />
rechtfertigen. Hat die Kommission<br />
bezüglich dieser Beihilfe das in Unterabsatz 1<br />
dieses Absatzes vorgesehene Verfahren bereits<br />
eingeleitet, so bewirkt der Antrag des betreffenden<br />
Staates an den Rat die Aussetzung dieses<br />
Verfahrens, bis der Rat sich geäußert hat.<br />
29
30<br />
Äußert sich der Rat nicht binnen drei Monaten<br />
nach Antragstellung, so entscheidet die<br />
Kommission.<br />
(3) Die Kommission wird von jeder beabsichtigten<br />
Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen<br />
so rechtzeitig unterrichtet, daß sie sich<br />
dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, daß<br />
ein derartiges Vorhaben nach Artikel 87 mit<br />
dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, so<br />
leitet sie unverzüglich das in Absatz 2 vorgesehene<br />
Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat<br />
darf die beabsichtigte Maßnahme nicht<br />
durchführen, bevor die Kommission eine abschließende<br />
Entscheidung erlassen hat.<br />
Artikel 89 EGV<br />
Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission<br />
und nach Anhörung des Europäischen Parlaments<br />
mit qualifizierter Mehrheit alle zweckdienlichen<br />
Durchführungsverordnungen zu den<br />
Artikeln 87 und 88 erlassen und insbesondere<br />
die Bedingungen für die Anwendung des Artikels<br />
88 Absatz 3 sowie diejenigen Arten von<br />
Beihilfen festlegen, die von diesem Verfahren<br />
ausgenommen sind.
ANHANG II<br />
Adressen<br />
Europäische Kommission<br />
Generaldirektion Wettbewerb<br />
Task Force Neue Länder<br />
200, rue de la Loi<br />
B - 1049 Brüssel<br />
Bundesministerium der Finanzen<br />
Referat E C 3<br />
Detlef-Rohwedder-Haus<br />
Wilhelmstraße 97<br />
D - 10117 Berlin<br />
Ministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
des Landes Sachsen-Anhalt<br />
Referat 51<br />
Wilhelm-Höpfner-Ring 4<br />
D - 39116 Magdeburg<br />
Verbindungsbüro des Landes Sachsen-Anhalt<br />
bei der Europäischen Union<br />
Boulevard Saint Michel 80<br />
B - 1040 Brüssel<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Stockmann</strong>, MdEP<br />
Europäisches Parlament<br />
ASP 12 G 263<br />
Rue Wiertz<br />
B - 1047 Brüssel<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Stockmann</strong>, MdEP<br />
Europabüro für Sachsen-Anhalt<br />
Bürgelstraße 1<br />
D - 39104 Magdeburg<br />
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