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katalog-overlapping voices - Ritesinstitute

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<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong><br />

israeli and palestinian artists


Gruppenfoto mit den Künstlern / Group photo with the artists<br />

1. Reihe, von links nach Rechts / 1st Row, fRom left to Right:<br />

Prof. karlheinz essl, tal adler (curator), Ursula hofbauer, friedemann Derschmidt (curator), karin schneider (curator), asad azi, osama Zatar, shula keshet,<br />

manar Zuabi, osnat Bar-or (Parrhesia art collective), amal murkus (curator), tomer gardi (Parrhesia art collective), ofer kahana (Parrhesia art collective), Zoya cherkassky,<br />

ayoub aaa’mar (Parrhesia art collective), Raed Bawayah, günther oberhollenzer (exhibition management, essl museum), Prof. agnes essl


2. Reihe, von links nach Rechts / 2nD Row, fRom left to Right:<br />

anisa ashkar, Ronen eidelman, Jumana manna, Yoav weiss, masha Zusman, Jasmin avissar (ehefrau von / wife of osama Zatar)


inhalt / content<br />

karlheinz essl<br />

Vorwort 6<br />

Preface 7<br />

teXte / teXts<br />

karin schneider & friedemann Derschmidt<br />

…Do the right thing 10<br />

…Do the right thing 12<br />

amal murkus<br />

curator’s statement 14<br />

curator’s statement 16<br />

tal adler<br />

Brief an Den Botschafter 18<br />

Letter to the amBassaDor 21<br />

alexander ari Joskowicz<br />

Kuratorische Verantwortung unD aussteLLungen PoLitischer<br />

israeLischer unD PaLästinensischer Kunst in euroPa 30<br />

curatoriaL resPonsiBiLity anD the exhiBition of israeLi<br />

anD PaLestinian PoLiticaL art in euroPe 33<br />

adel manna<br />

Die PaLästinenser in israeL (1948–2008) 36<br />

the PaLestinians in israeL (1948–2008) 41<br />

anita shapira<br />

Die geschichte Des Zionismus 46<br />

the history of Zionism- 51<br />

Jumana manna<br />

aBenDessen mit gästen am wochenenDe 58<br />

weeKenD Dinners with the guests 60<br />

Yoav weiss<br />

statement für wien 62<br />

Vienna statement 63


kÜnstleR / aRtists<br />

tal adler 66<br />

shalom amira 80<br />

anisa ashkar 84<br />

asad azi 92<br />

raed Bawayah 98<br />

eyal Ben-Dov 104<br />

Zoya cherkassky & avdey ter-oganian 112<br />

ronen eidelman 116<br />

shula Keshet 122<br />

Jumana manna 138<br />

Parrhesia 156<br />

ritesinstitute<br />

Karin schneider & friedemann Derschmidt 172<br />

yoav weiss 176<br />

osama Zatar 182<br />

manar Zuabi 190<br />

masha Zusman 194<br />

weRkliste / list of woRks 200<br />

coPYRights & Photo cReDits 202<br />

DanksagUng / acknowleDgements 203<br />

imPRessUm 205


Vorwort<br />

Prof. karlheinz essl<br />

wir sind jedes Jahr bemüht, das künstlerische<br />

schaffen einer Region aufzugreifen, die in europa<br />

außerhalb der allgemeinen künstlerischen wahrnehmung<br />

steht, und in einer ausstellung im essl<br />

museum zu präsentieren. ich denke hier im Besonderen<br />

an die im Jahr 2003 konzipierte ausstellung<br />

>BlUt UnD honig – Zukunft ist am Balkan


preface<br />

Prof. karlheinz essl<br />

every year we try to focus on the activities of creative<br />

artists in a region that not everyone in europe is aware<br />

of in artistic terms and to present this region in an<br />

exhibition at the essl museum. examples that readily<br />

come to mind in this context are >BlooD anD<br />

honeY – the future is in the Balkans


…do the right thing<br />

it’s the hottest day of the summer.<br />

you can do nothing, you can do something, or you can …<br />

karin schneider, friedemann Derschmidt<br />

spike lees sprachwitz besteht natürlich darin,<br />

dass es schon gut wäre, in einer verworrenen<br />

situation das Richtige zu tun. aber leider sagt<br />

einem niemand, was das ist. Und es stellt sich<br />

leicht der verdacht ein, das Richtige ist bereits etwas<br />

anderes im moment, da man es tut.<br />

Von hier aus<br />

Unser interesse an israel bezog sich, aus Österreich<br />

kommend, immer klar auf die eigene geschichte.<br />

von dieser aus, und so war es immer gewesen, sprachen<br />

wir, von dieser aus fuhren wir nach israel und<br />

nicht nach chile oder tibet oder Beirut – auch gute<br />

orte für schwierige Projekte – und zunächst auch<br />

nicht nach Ramallah.<br />

wir sprachen immer von der engen verstrickung<br />

der wiener und der israelischen geschichte und<br />

meinten damit die geschichte des wiener antisemitismus<br />

und nicht nur, aber letztlich auch die der<br />

shoah – der vernichtung und vertreibung des österreichischen,<br />

des europäischen Judentums. Und<br />

wir dachten an die figur des erfolgreichen Propheten<br />

und staatskonstrukteurs theodor herzl, an die<br />

mit ihm und seinem antisemitischen wiener Umfeld<br />

verbundene geschichte des politischen Zionismus,<br />

der antwort oder einer der möglichen antworten<br />

auf diesen antisemitismus.<br />

Simple Komplexitäten, schnell erzählt<br />

Unsere intention war vor einem halben Jahr noch<br />

sehr gut in jene einfachen worte zu fassen, die wir<br />

in unseren Projekttexten immer wieder verwendeten:<br />

wir wollten ein komplexeres Bild dessen vermitteln,<br />

was hier schlicht als „nahostkonflikt“<br />

wahrgenommen und darunter subsumiert wird.<br />

Der konflikt wird hierzulande nicht selten durch<br />

nahostexperten erklärt, die gar nicht dort leben.<br />

Unsere mission zu Beginn des Projektes bestand<br />

klar in der verunklärung wenigstens dieser einen<br />

simplifizierung. Unser anliegen war und ist es,<br />

eine größere ehrfurcht vor der vielschichtigkeit und<br />

10 OVERLAPPING VOICES<br />

verworrenheit einzufordern. Die grundlage all unserer<br />

anstrengungen war die idee, möglichst alle<br />

stimmen für sich selbst sprechen zu lassen, auch<br />

oder gerade dann, wenn ihre Botschaft nicht dem<br />

mainstream entspricht oder in unserem kontext<br />

schwer verständlich ist. Das ertragen von widersprüchen<br />

ist dabei voraussetzung. auch einige der<br />

Beiträge im <strong>katalog</strong> spiegeln dieses Begehren<br />

wider.<br />

eine stimme haben wir in dem gewirr allerdings<br />

beinahe zum schweigen gebracht, sobald wir uns<br />

in die auseinandersetzung mit unseren israelischen<br />

oder palästinensischen Partnerinnen und<br />

Partnern begaben: unsere eigene.<br />

Die stimme der europäischen, österreichischen<br />

Position, die in diesem gefüge nicht unbedeutend<br />

ist. selbst dann, wenn wir uns nicht mit dieser unserer<br />

geschichte und gesellschaft identifizieren<br />

(so wie das unsere Partner mit der ihrigen oft auch<br />

nicht tun), sind wir ein teil und ein Produkt des<br />

ortes, von dem aus wir sprechen oder im Projektverlauf<br />

immer öfter schwiegen.<br />

Das verschweigen der eigenen interessen und Begehren<br />

wird jedoch in dem masse problematisch,<br />

wo wir andere auffordern, die ihrigen zu äußern.<br />

allzu leicht erliegt man der versuchung, daraus einen<br />

status der objektivität und damit einen der<br />

(europäisch-kolonialistischen) Überlegenheit abzuleiten.<br />

schließlich ist der Umstand, dass man<br />

erst einmal aufgefordert ist, zuzuhören und nicht<br />

selbst „farbe bekennen“ muss, ja auch sehr<br />

komfortabel.<br />

Die Sprache wiedergefunden<br />

immer wenn wir – gepäck und kopf voll von neuen<br />

geschichten, neuem wissen und neuen erfahrungen<br />

– nach Österreich zurückkamen, in diese<br />

so vertraute Redseligkeit, erschien uns unser in israel<br />

eingeübtes schweigen als genau das Richtige.<br />

wir hatten von unseren Partnern gelernt, einfach<br />

nur zuzuhören, ohne es besser wissen zu wollen.<br />

wir haben einen für uns neuen, weil radikalen Respekt<br />

vor den unterschiedlichsten tabus, grenzen<br />

und verletzlichkeiten des gegenübers kennen gelernt.<br />

Und diese erfahrung gab uns die gewissheit,<br />

klüger geworden zu sein. Zu hause machten wir<br />

uns zu experten und begannen über die fremde<br />

zu berichten.<br />

es geht also um die vertraute frage, wer in welchem<br />

kontext in wessen namen das wort ergreift<br />

und wer tatsächlich auch gehört wird.<br />

Diese frage stellt sich prinzipiell, aber sie stellt sich<br />

natürlich in Bezug auf eine Region, die immer wieder<br />

als folie für politische Positionierungen innerhalb<br />

europas herhalten muss, umso dringender.<br />

wir wollen hier auch darüber schreiben, wie leicht<br />

und unbedarft selbst jene, die es gar nicht wollen,<br />

in die kolonialistische falle des „expertinnentums“<br />

tappen – schlicht deshalb, weil es ihnen (uns!)<br />

schmeichelt.<br />

wir würden die strukturen der kolonisierung nicht<br />

begreifen können, wenn wir darüber hinwegblickten,<br />

wie hübsch und angenehm es sich für uns privilegierte<br />

weiße europäerinnen und europäer anfühlt,<br />

gescheit über andere zu sprechen, während<br />

wir von uns selbst und unserer geschichte schweigen,<br />

als wären wir ein unbeschriebenes Blatt.<br />

so oder so: we didn’t do the right thing. es könnte<br />

durchaus sein, dass es letztendlich kein Richtiges<br />

im falschen gibt. wir entkommen den postkolonialistischen<br />

fallen nicht so schnell.<br />

Transformationsprozesse<br />

wenn schon vermitteln, dann der eigenen gesellschaft<br />

das eigene. vermutlich waren wir einigen<br />

künstlerinnen und künstlern, die wir durch tal adler<br />

kennen lernten, deshalb so zugetan, weil sie uns<br />

Projekte vorstellten, die das in aller konsequenz<br />

in Bezug auf ihre gesellschaft tun. auch die Besucherinnen<br />

und Besucher dieser ausstellung und<br />

die leserinnen und leser dieses <strong>katalog</strong>s sind eingeladen,<br />

sich nicht speziell über israel oder über


Palästina zu verständigen, sondern darüber, wie<br />

künstlerinnen und künstleren sowie autorinnen<br />

und autoren mit ihren mitteln sich und ihre gesellschaft<br />

befragen. Und es macht eben genau diesen<br />

wichtigen Unterschied aus, ob die einen über<br />

ihre gesellschaft und damit auch über sich selbst<br />

sprechen und beides zu verändern wünschen oder<br />

ob wir über die gesellschaft der anderen sprechen,<br />

im unbegründeten und bequemen glauben, das<br />

alles habe mit unserer lebenswelt nichts zu tun.<br />

mit transformationsprozessen sind hier alle formen<br />

der veränderung und verschiebungen von<br />

Blickweisen gemeint, die sich vollziehen, sobald<br />

wir die israelisch-palästinensischen fragen nach<br />

Österreich verrücken und hier anordnen.<br />

Unsere hoffnung dabei ist, dass in Zukunft eine<br />

unvermittelte, weniger ängstliche auseinandersetzung<br />

mit den stimmen „von dort“ eine Rückwirkung<br />

auf das „hier“ hat.<br />

wir wissen natürlich, dass jene Österreicherinnen<br />

und Österreicher, die sehr sensibel mit diesen fragen<br />

umgehen wollen, Ängste und vorsicht in der<br />

auseinandersetzung mit künstlerninnen und<br />

künstlern aus israel oder Palästina entwickelt haben.<br />

Diese haltungen entstanden aus dem wissen<br />

darüber, wie schnell der in unserer gesellschaft<br />

tief verankerte antisemitismus auf den Plan gerufen<br />

wird, wenn die sprache auf israel und Palästina<br />

kommt.<br />

Basierend auf dieser vorsicht war es eine der<br />

grundlagen unserer arbeit, nicht zu glauben, „einfach<br />

machen“ zu können.<br />

Die Ängste sind begründbar. wir denken, man kann<br />

ihnen nur offensiv begegnen. nicht zuletzt kommen<br />

sie aus dem wissen darüber, wie groß das hiesige<br />

nichtwissen oder „nicht-wissen-wollen“ ist – und<br />

wie gefährlich.<br />

11


…do the right thing<br />

it’s the hottest day of the summer.<br />

you can do nothing, you can do something, or you can …<br />

karin schneider, friedemann Derschmidt<br />

the point of spike lee’s pun, of course, is the fact<br />

that it would indeed be good to do the right thing<br />

in a labyrinthine situation. But unfortunately, no<br />

one tells you what that is. and the suspicion quikkly<br />

arises that the right thing is already something<br />

else at the moment when you do it.<br />

From here<br />

Being from austria, we were interested in israel always<br />

with a clear reference to our own history. it<br />

was coming from the latter, and it had always been<br />

that way, that we spoke; it was coming from the<br />

latter that we went to israel and not to chile or tibet<br />

or Beirut – equally good places for difficult projects<br />

– nor, initially, to Ramallah.<br />

we always spoke of the close entanglement<br />

between viennese and israeli history, by which we<br />

meant the history of viennese anti-semitism and,<br />

not only but ultimately also, the history of the<br />

shoah – of the annihilation and expulsion of the<br />

austrian and european Jewry. and we were thinking<br />

of the figure of theodor herzl, the successful<br />

prophet and creator of a state, of the history of political<br />

Zionism associated with him and tied in with<br />

his anti-semitic viennese milieu; Zionism, the answer<br />

or one of the possible answers to this<br />

anti-semitism.<br />

Simple complexities, quickly told<br />

half a year ago, we could still couch our intention<br />

in the simple terms we used again and again in our<br />

project descriptions: we wanted to present a more<br />

complex picture of what is here perceived simply<br />

as the “conflict in the middle east” and subsumed<br />

under this title.<br />

in this country, middle east experts who often do<br />

not even live there explain this conflict. at the beginning<br />

of the project, our mission was clearly to<br />

render at least this one simplification less clear. it<br />

was and still is our wish to call for greater respect<br />

for the complexity and intricacy of the situation. all<br />

12 OVERLAPPING VOICES<br />

our efforts were based on the idea that we would,<br />

as far as possible, let all <strong>voices</strong> speak for themselves,<br />

even when or precisely when their message<br />

does not conform to the mainstream or is hard to<br />

understand in our context. this presupposes the<br />

ability to bear contradictions. this desire is also<br />

reflected by some of the contributions to the<br />

catalogue.<br />

Yet there is one voice we almost entirely silenced<br />

in this confusion once we engaged in dialogue with<br />

our israeli and Palestinian partners: our own voice;<br />

the voice of the european, the austrian position,<br />

one that is of no small importance in this configuration.<br />

even though we may not identify with this<br />

our history and society (as our partners frequently<br />

do not identify with theirs either), we are a part and<br />

product of the place from which we speak or, over<br />

the course of the project, more and more often remained<br />

silent.<br />

to keep silent about one’s own interests and<br />

desires, however, becomes problematic as we request<br />

that others express theirs. the temptation is<br />

only too great to deduce from this silence a status<br />

of objectivity, and hence a sense of (european-colonialist)<br />

superiority. it is very comfortable, after all,<br />

to be obliged primarily to listen and not to “show<br />

one’s colours”.<br />

Language found again<br />

every time we returned, our luggage and heads full<br />

with new stories, new knowledge, and new experiences,<br />

to austria and its only too familiar loquacity,<br />

the silence we had practiced in israel seemed<br />

to us to be exactly the right thing. we had learned<br />

from our partners simply to listen to them without<br />

wanting to know better.<br />

we came to understand a previously unfamiliar radical<br />

respect for a great variety of taboos, limitations,<br />

and vulnerabilities on the part of those we<br />

encountered. and this experience gave us the certainty<br />

that we had become wiser. at home, we tur-<br />

ned experts ourselves and began to tell of that<br />

foreign land.<br />

at issue, then, is here the familiar question of who<br />

takes the word in which context and in which name,<br />

and who will in fact also be heard.<br />

this question arises as a matter of principle; but of<br />

course it arises with special urgency with respect to<br />

a region that is time and again made to serve as a<br />

foil for acts of political positioning within europe.<br />

we want to write here also about how quickly and<br />

naïvely even those who don’t want to walk into the<br />

colonialist pitfall of “expertise” – simply because<br />

it flatters them (and us!).<br />

we would be incapable of understanding the structures<br />

of colonization if we overlooked how neat and<br />

pleasant it feels to privileged white europeans to<br />

talk smartly about others while we pass over ourselves<br />

and our history in silence as though we were<br />

a blank slate.<br />

one way or another, we didn’t do the right thing. it<br />

might well be that there is no right thing within the<br />

wrong thing. we won’t escape the post-colonialist<br />

pitfalls.<br />

Processes of transformation<br />

if education is the mission, then it ought to be to<br />

educate one’s own society about its own affairs.<br />

we probably liked some of the artists we met<br />

through tal adler so well because they presented<br />

to us projects that do exactly this, and to the fullest<br />

degree, with respect to their own society. the<br />

visitors to the present exhibition and the readers<br />

of this catalogue are similarly invited to engage in<br />

a dialogue not specifically about israel or about Palestine<br />

but about the ways in which artists and authors,<br />

using their own means, interrogate themselves<br />

and their society. and this one important<br />

difference lies precisely here: whether they speak<br />

about their own society, and hence about themselves,<br />

and wish to change both, or whether we<br />

speak about the society of others in the unfoun


ded and comfortable belief that none of this has<br />

anything to do with our everyday world.<br />

By “processes of transformation”, we mean here<br />

all forms of change and shifts in perspective that<br />

take place once we displace the questions of israel<br />

and Palestine to austria and place them in an<br />

arrangement here.<br />

it is our hope that an immediate and less fearful<br />

engagement with the <strong>voices</strong> “from there” will in the<br />

future have effects in turn upon what is “here”.<br />

we know, of course, that those austrians who seek<br />

to address these questions in a sensitive manner<br />

have developed anxieties and cautions about engaging<br />

artists from israel or Palestine. these attitudes<br />

arose out of an awareness of how quickly the<br />

deeply rooted anti-semitism in our society is called<br />

into action once the subject of israel and Palestine<br />

comes up.<br />

Based on this caution, one of the foundations of<br />

our work was that we did not believe that we could<br />

“simply do” it.<br />

these anxieties have their justifications. we believe<br />

that the only way to deal with them is to counter<br />

them. they are the consequence not least of<br />

an awareness of how much ignorance – or how<br />

much “not wanting to know” – there is here; and<br />

how dangerous it is.<br />

13


curator´s statement<br />

amal murkus<br />

Die instrumente, die ich als sängerin verwende,<br />

sind normalerweise musikinstrumente.<br />

Das instrument, das ich am häufigsten<br />

verwende, ist meine stimme sowie<br />

all das, was meinem gesang und meiner<br />

stimme innewohnt. Die texte meiner lieder<br />

verkörpern in kreativer weise meine<br />

träume. sie sind immer untrennbar mit der<br />

situation in meinem land verbunden – mit<br />

all den ereignissen, mit all meinen erinnerungen,<br />

den erinnerungen meiner familie<br />

und meines volkes. manchmal verwandelt<br />

sich die erinnerung in eine heimat und<br />

eine identität, und das heimweh nimmt die<br />

form eines gebets oder eines traurigen gesanges<br />

an. Die heimat ist die Quelle der<br />

inspiration, insbesondere der künstlerischen<br />

inspiration. fern der heimat zu sein<br />

vermag sogar den künstler oder die künstlerin<br />

zu zerstören! oder aber es stärkt den<br />

künstler, dann nämlich, wenn er seine<br />

kraft, seine stärke und vor allem seine innere<br />

freiheit nutzt. meine stimme ermöglicht<br />

mir, grenzen zu überschreiten und in<br />

ein Buch zu reisen, aus dem ich ein gedicht<br />

auswähle, das ich singen werde.<br />

meine stimme kann ein Bild begleiten oder<br />

eine szene in einem film. meine stimme<br />

kann die grenzen einer kunstausstellung<br />

erweitern und den ausstellungsraum mit<br />

einer bestimmten atmosphäre erfüllen.<br />

Dieses mal habe ich die welt der kunst nicht als<br />

sängerin betreten, sondern als sogenannte cokuratorin<br />

einer ausstellung. ich bin ziemlich vertraut<br />

mit der kunstwelt – dennoch geht es hier um eine<br />

andere art der kreativität, die ihre eigenen „instrumente“,<br />

ihre eigene sprache hat. Diese kreativität<br />

hat die fähigkeit, in die Räume der anderen<br />

zu „fliegen“ und einen Dialog zu beginnen, ohne<br />

sprache, ja sogar ohne stimme!<br />

ein künstler besitzt nicht die fähigkeit, einem<br />

flüchtling ein haus zu bauen, noch ihn in seine<br />

heimat zurückkehren zu lassen, dorthin, wo er<br />

sein haus und eigentum zurückgelassen hat;<br />

ebenso wenig hat er die fähigkeit, ein kind wieder<br />

zum leben zu erwecken, das in einem barbarischen<br />

luftangriff starb; genauso steht er angesichts<br />

der aufgabe, einem vater, einer mutter,<br />

einem Bruder, einem freund, die in einem krieg<br />

14 OVERLAPPING VOICES<br />

Ich habe gesungen,<br />

sie haben geschossen,<br />

Ich habe geschrieben,<br />

sie haben geschossen,<br />

Ich habe gelesen,<br />

sie haben geschossen,<br />

Ich habe Klänge gespielt,<br />

sie haben geschossen,<br />

Ich habe gezeichnet,<br />

sie haben geschossen,<br />

Ich habe eine Skulptur angefertigt,<br />

sie haben geschossen … überall,<br />

… um des Rechts, der Tugend,<br />

der Schönheit und des Anlasses willen.<br />

Und du, Kamerad,<br />

Besuchst nun regelmäßig dein Grab,<br />

um die Kurse ausländischer Währungen<br />

für diesen Tag zu rezitieren.<br />

(Mohammed Maghout)<br />

getötet wurden, das leben zurückzugeben, mit leeren<br />

händen da. vor allem kann ein künstler die<br />

Besatzungsmacht nicht besiegen und er kann ihr<br />

repressives vorgehen gegen die menschen und<br />

den künstler selbst nicht unterbinden; und er kann<br />

die Beschlagnahmung jenes landes, auf dem der<br />

künstler selber leben könnte, nicht stoppen.<br />

kein anderer kleinstaat hat so viele grenzen zwischen<br />

dem individuum und seiner Umwelt errichtet<br />

wie unserer; permanente und mobile grenzen<br />

auf schritt und tritt. Überall grenzen. Die grenzen<br />

verlaufen zwischen den menschen und dem Recht<br />

auf ein normales leben. grenzen, die das alltagsleben<br />

in ein alltägliches wunder verwandeln.<br />

wer immer der künstler auch ist und unabhängig<br />

von dem feld, in dem er kreativ tätig ist – seine<br />

kreativität gibt ihm nicht die macht, die trennmauer<br />

zu entfernen. Die mauer ist ein exil. Die<br />

mauer trennt nicht nur die Palästinenser<br />

von den israelis, sondern auch die Palästinenser<br />

untereinander und von ihrem<br />

land. es ist eine mauer, die den künstler<br />

daran hindert, sein atelier und seinen arbeitsplatz<br />

zu erreichen; die mauer steht<br />

zwischen ihm und jenen orten, die man erreichen<br />

muss, um ein musikstück zu überarbeiten<br />

oder ein lied aufzunehmen – ein<br />

lied, das ohnehin nicht im Radio oder<br />

fernsehen gespielt werden wird, weil es<br />

nicht in der sprache der mehrheit gesungen<br />

wird. Der Raum, über den künstler<br />

verfügen können, wird permanent enger.<br />

Dem künstler fehlt die luft zum atmen. er<br />

will fliegen, aber er wird davon abgehalten.<br />

es gibt kein Zeichen der hoffnung. frieden<br />

und freiheit sind unerreichbar und der horizont<br />

ist von dichtem nebel verdeckt. es<br />

gibt kein Zeichen der hoffnung.<br />

in anbetracht des kampfes eines volkes<br />

um sicheren lebensraum und freiheit<br />

schwinden die eigenen sorgen. wie kann<br />

ein künstler oder eine künstlerin in so einer<br />

situation für sich eine galerie fordern<br />

oder sich um eine ausstellung oder um<br />

farben kümmern?<br />

ein wirklicher künstler hat nicht das Recht,<br />

das elend und den schmerz von millionen<br />

anderer menschen zu vergessen; millionen<br />

von flüchtlingen, exilierten, vertriebenen<br />

und staatenlosen. sie alle wurden des Rechts auf<br />

Rückkehr in ihre heimat und des Rechts auf<br />

staatsbürgerschaft in den ländern, in denen sie<br />

gegenwärtig leben, beraubt.<br />

kennzeichnend für unsere palästinensische situation<br />

ist, dass die meisten Palästinenser vor 60 Jahren<br />

entwurzelt, evakuiert, vertrieben und verbannt<br />

wurden. Bis heute leben millionen palästinensischer<br />

flüchtlinge in der Diaspora und sind der möglichkeit<br />

zur Befriedigung ihrer grundlegenden lebensbedürfnisse,<br />

ihrer bürgerlichen Rechte und des<br />

Rechts auf Rückkehr in ihre heimat, aus der sie<br />

1948 vertrieben wurden, beraubt. sie haben nicht<br />

einmal das Recht, in ihre flüchtlingslager zurückzukehren,<br />

weil diese bei jeder kriegerischen auseinandersetzung<br />

zerstört werden.<br />

seit der palästinensischen katastrophe, der nakba<br />

von 1948, haben alle Regierungen israels die exis


tenz der etwa eine million menschen umfassenden<br />

palästinensisch-arabischen minderheit in israel geleugnet.<br />

einer minderheit, zu der ich, amal, und eine<br />

beachtliche Zahl der künstler, die an dieser ausstellung<br />

teilnehmen, gehören. einerseits sind wir israelische<br />

Bürger; andererseits zählen wir zu jenen palästinensischen<br />

menschen, die an ihrem land<br />

festhielten. israel beraubt diese minderheit ihrer<br />

Rechte als staatsbürger und als nation und behandelt<br />

sie wie eine sekte ohne jede nationale Bindung.<br />

Die israelischen Behörden betrieben die bekannte<br />

Politik des teilens und herrschens: sie hoben die<br />

Rechte bestimmter gruppen aus dieser minderheit<br />

auf und beschlagnahmten ihr land, auch unabhängig<br />

von ihrer Religionszugehörigkeit.<br />

wir – die palästinensischen staatsbürger von israel<br />

– leben im staat israel in Übereinstimmung mit seinen<br />

gesetzen und vorschriften. Darüber hinaus leben<br />

wir mit einer mehrheit von über fünf millionen<br />

jüdischen einwanderern zusammen. Diese kommen<br />

von überall her, aus den verschiedenen kulturen<br />

und gesellschaften. Das einzige, was sie eint, sind<br />

die jüdische Religion und die hebräische sprache.<br />

Das hebräische verdrängte ihre jeweilige muttersprache;<br />

damit versuchen sie, eine israelisch-<br />

jüdisch-hebräische kultur zu schaffen, und diese<br />

beeinflusst nicht nur sie, die israelischen Bürger,<br />

sondern auch uns, die Palästinenser.<br />

wie also kann ein künstler unter diesen schwierigen<br />

Bedingungen arbeiten? wo und mit wem? wodurch<br />

erhält er einen impuls für seine kreativität? kommen<br />

diese impulse aus der wirklichkeit? oder sind<br />

es träume und Begehren oder beides? sind Realität<br />

und traum in wirklichkeit nicht ein und dasselbe?<br />

träumt der künstler allein oder gibt es vielleicht<br />

einen künstlerfreund aus der jüdischen<br />

mehrheitsgesellschaft, der diesen traum mit ihm<br />

teilt? ein künstler, der ihm trotz einer anderen sprache,<br />

einer anderen geschichtsauffassung und lebenswirklichkeit<br />

und einer anderen religiösen und<br />

nationalen Zugehörigkeit ähnlich ist? ein künstler,<br />

der ein vertrauter, loyaler und verständnisvoller<br />

freund ist und der an dieselben ethischen Prinzipien<br />

glaubt wie der palästinensische künstler?<br />

müssen wir denn die verbreitete geisteshaltung „die<br />

minderheit gegen die mehrheit“ übernehmen, wenn<br />

„der andere“ jemand ist, der mit uns die gegenwärtigen<br />

Probleme teilt? Der israeli ist nicht nur der soldat,<br />

der auf uns schießt, oder der Polizei- oder sicherheitsbeamte;<br />

er ist ebenso der fotograf, der<br />

taxifahrer, die Blumenverkäuferin, der Buchhändler<br />

oder der Besitzer des musikladens. Die Beziehungen<br />

untereinander sind nicht „normal“ und sie<br />

sind auch nicht klar definiert …<br />

Diese Beziehungen sind eher „stachelig“. wir versuchen<br />

unser verhältnis zur mehrheitsgesellschaft<br />

so zu gestalten, dass unsere ohnehin gefährdeten<br />

identitäten von den anderen nicht verzerrt werden.<br />

wir ergreifen gleichzeitig die initiative zum Dialog<br />

und versuchen dadurch auf unser gegenüber<br />

einzuwirken.<br />

vor mehr als einem Jahr haben wir mit den vorbereitungen<br />

für die ausstellung begonnen. meine<br />

Rolle dabei war eine bescheidene; ich arbeitete als<br />

cokuratorin der ausstellung mit dem künstler tal<br />

adler, einem engen freund, zusammen, der sich<br />

durch zweierlei auszeichnet: durch einen hohen<br />

grad an künstlerischer Urteilsfähigkeit und durch<br />

einen hohen grad an verantwortungsbewusstsein.<br />

tal verbindet taten mit worten und benutzt seine<br />

kunst dazu, die schutzbedürftigen, die marginalisierten<br />

und die Unterdrückten zu unterstützen. als<br />

cokurator der ausstellung war es tal adler, der<br />

dem Projekt am meisten Zeit und kraft widmete.<br />

wer sich in diesem feld bewegt, weiß sehr genau,<br />

wie schwierig die arbeit eines kurators ist, besonders<br />

weil es sich um eine ausstellung handelt, an<br />

der sowohl israelische als auch palästinensische<br />

künstler teilnehmen – künstler, die in jener unsicheren<br />

und semitragischen situation leben, die die<br />

Beziehung zwischen den beiden völkern bestimmt.<br />

Das Ziel meiner mitarbeit als cokuratorin war, mit<br />

meinem freund tal einen kleinen lichtstrahl aus<br />

der Dunkelheit unserer gemeinsamen wirklichkeit<br />

zu senden.<br />

Die Präsenz der österreichischen künstler friedemann<br />

Derschmidt und karin schneider war für die<br />

organisation der ausstellung sehr wichtig. obwohl<br />

sie geografisch weit vom nahen osten entfernt<br />

sind, sind wir uns künstlerisch sehr nahe. Dementsprechend<br />

waren beide künstler an unseren<br />

angelegenheiten, kämpfen und verschiedenen<br />

kreativen Prozessen interessiert. Basierend darauf<br />

widmeten sie diesem Projekt viel Zeit und energie<br />

und trugen mit einer hervorragenden videoproduktion<br />

über unser leben in diesem land auch als<br />

künstler zu der ausstellung bei.<br />

karin und friedemann besitzen ein weitreichendes<br />

und differenziertes verständnis unserer besonderen<br />

palästinensisch-israelischen wirklichkeit. sie hatten<br />

die möglichkeit, sie aus mehreren Perspektiven kennen<br />

zu lernen. sie verwendeten große mühe darauf,<br />

diese Zusammenstellung von kunst aus unserer Region<br />

einer österreichischen Öffentlichkeit zu präsentieren.<br />

an dieser wichtigen ausstellung nehmen<br />

bemerkenswerte künstler teil, die alle mit ihrem herkunftsland<br />

eng verbunden sind. Durch die kooperation<br />

mit dem essl museum als guten Partner, wurde<br />

es möglich, unsere „<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>“ (überlappende<br />

stimmen) zu erheben und unsere kunst<br />

einem österreichischen Publikum nahezubringen.<br />

Die ausstellung hilft den künstlern, die arbeiten<br />

einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren; sie<br />

verleiht der künstlerischen kreativität einen hohen<br />

stellenwert und somit auch den geschichten, die<br />

durch sie transportiert werden – es sind dies erinnerungen<br />

und impulse, die beides beinhalten:<br />

hoffnung wie schmerz.<br />

Die ausstellung ><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>< gibt einer<br />

neuen, mutigen stimme Raum. sie schafft eine<br />

atmosphäre, die einem nicht die luft zum atmen<br />

raubt, und eröffnet so die möglichkeit zum Dialog.<br />

Dieser Dialog gibt hoffnung auf eine freiheit von<br />

Unterdrückung – und dies ist das Bestreben jedes<br />

künstlers.<br />

ich habe keinen Zweifel daran, dass guter wille<br />

und liebe – eine große liebe zum leben – wie eine<br />

ewig leuchtende kerze in den herzen aller teilnehmer<br />

brennen.<br />

amal murkus ist eine arabisch-israelische<br />

palästinensische künstlerin, sängerin,<br />

schauspielerin sowie Radio- und<br />

fernsehmoderatorin.<br />

15


curator´s statement<br />

amal murkus<br />

the instruments that i use as a singer are<br />

usually musical instruments. my most fundamental<br />

instrument is my voice, as well<br />

as that which resides within my singing and<br />

my voice. the words of my songs embody<br />

my dreams in a creative space, a space<br />

that is inseparably connected to what is<br />

happening in my country and to all the<br />

things my memory, the memory of my parents,<br />

and the memory of my people provide.<br />

sometimes, memory turns into a<br />

homeland and an identity, and homesickness<br />

takes the form of a sacred prayer and<br />

sad singing. the homeland is the spring of<br />

inspiration and also the source of artistic<br />

inspiration. Being away from his homeland<br />

might even destroy the artist! or else it<br />

strengthens the artist, for he has used his<br />

power and strength, and most importantly,<br />

he has used his internal freedom.<br />

my voice enables me to cross borders, to<br />

take a journey in a book from which i am<br />

carrying a poem to sing. my voice can accompany<br />

a picture or a scene in a movie.<br />

it can also stretch the borders of an exhibition<br />

and provide its space with a unique<br />

ambience.<br />

this time, i entered the world of the visual<br />

arts not as a singer, but as a so-called exhibition<br />

co-curator! i am fairly familiar with the<br />

world of the visual arts. Yet it is another form<br />

of creativity; it has its own language and instruments;<br />

the ability to fly in the spaces of others and<br />

to engage in a dialogue without using a language<br />

and even without a voice!<br />

an artist does not have the capacity to build the refugee<br />

a house or to return him to his homeland<br />

where he left his house and property. he cannot<br />

bring back to life a child who became a martyr following<br />

a barbaric shelling by military aircraft; similarly,<br />

he stands with empty, outstretched hands<br />

when confronted with the challenge of returning to<br />

life a father, a mother, a brother, or a friend who was<br />

killed in a war. above all, an artist cannot defeat the<br />

occupation and quell its oppression of the people<br />

and the artist himself, or stop the confiscation of<br />

land on which the artist himself might be living.<br />

there is no other small country like ours to which<br />

to compare the number of borders that exist here<br />

1 OVERLAPPING VOICES<br />

I was singing,<br />

and you were firing bullets;<br />

I was writing,<br />

and you were firing bullets;<br />

I was reading,<br />

and you were firing bullets;<br />

I was playing notes,<br />

and you were firing bullets;<br />

I was drawing, and you were firing bullets;<br />

I was sculpting, and you were firing bullets<br />

... in all directions<br />

For the sake of justice, the good,<br />

the beauty and for the cause.<br />

And now here they are,<br />

your comrades of the long journey,<br />

Regularly they visit your tomb so they<br />

could recite today’s foreign currency rates!<br />

(Mohammed Maghout)<br />

between the individual and his environment; permanent<br />

and movable borders at every other step;<br />

borders everywhere. Borders between the human<br />

being and his right to live a normal life; borders<br />

that turn natural life into a daily miracle. Relying<br />

on his artistic creativity, the artist – whoever he is<br />

and whatever the field of his creativity – cannot<br />

destroy the separation wall. the wall is an exile.<br />

the wall does not only separate Palestinians from<br />

israelis; but Palestinians from Palestinians and Palestinians<br />

from their land. it is a wall that prevents<br />

the artist from reaching his studio and workplace;<br />

it stands between him and arriving at the intended<br />

places for revising a piece of music or recording a<br />

song which will in any case not be broadcast on radio<br />

or tv because it does not speak the language<br />

of the majority. the space available for the artist<br />

becomes continuously more narrow: the artist is<br />

suffocated; he wants to fly but is prevented from<br />

doing so! there is no sign of hope, for<br />

peace and freedom are intangible and the<br />

horizon is shrouded in heavy fog. there is<br />

no sign of hope.<br />

compared to his people’s struggle for domicile<br />

and freedom, the artist’s personal<br />

worries dwindle. how then, can an artist<br />

ask for a gallery, for an exhibition, or for<br />

colours?<br />

a real artist has no right to allow the misery,<br />

pain, and disaster of millions to fade<br />

to oblivion; millions of refugees, exiled, displaced,<br />

stateless, and deprived of their<br />

Right of Return to their home and of the<br />

right of citizenship in the countries where<br />

they currently reside. in the peculiarity of<br />

our Palestinian condition, the great majority<br />

of the Palestinian people was exposed,<br />

60 years ago, to the crimes of expulsion<br />

and evacuation. even today, millions of Palestinian<br />

refugees are still living in their<br />

camps of exile and are deprived of the basic<br />

needs of life, of their civil rights, and of<br />

the Right of Return to their homeland, from<br />

which they were expelled in 1948; they are<br />

deprived even of the right to return to their<br />

refugee camps, which are continuously<br />

destroyed whenever any conflict or dispute<br />

erupts.<br />

since the Palestinian Plight, the nakba, of<br />

1948, and all throughout the 60 years of<br />

the state of israel, consecutive israeli governments<br />

have adopted the policy of denial and non-recognition<br />

of the existence of a Palestinian arab minority<br />

living in israel, whose number amounts to more<br />

than one million (to which i myself, amal, and a<br />

recognizable number of participating artists belong).<br />

they are, on the one hand, israeli citizens;<br />

and are, on the other hand, part of the Palestinian<br />

people who hung on to their land. the state deprives<br />

this minority of its civil and collective national<br />

rights, and considers its members unrelated<br />

and disconnected sects who have no national<br />

bond. israeli authorities also did not hesitate to<br />

pursue the well-known “divide and conquer” policy,<br />

which aims at the elimination of the rights of<br />

the particular sectors of this minority, and at the<br />

confiscation of their land no matter what religion<br />

they belong to.


we – the Palestinian citizens of israel – are a collective<br />

who pursue everyday life under the Jewish<br />

state and in accordance with its laws and regulations.<br />

moreover, we live with a majority of more<br />

than five million Jewish citizens who are immigrants<br />

from different cultures and communities all<br />

around the world. their uniting factors are the Jewish<br />

religion and the hebrew language, which replaced<br />

their native tongues; and they seek to produce<br />

an israeli, Jewish, and hebrew culture that<br />

has its position, impact, output, momentum, and<br />

effect not only on the Jewish citizens, but also on<br />

us, the Palestinians.<br />

how, then, would the artist work in this impossible<br />

reality? where, and with whom? what are the most<br />

vivid stimuli for his creativity? is it reality? or is it<br />

dream and obsession, or both? are reality and<br />

dream in fact the same thing? Does the artist dream<br />

alone, or is there a fellow artist from the Jewish<br />

majority who shares his dreams? an artist who,<br />

despite his different language, narrative, reality and<br />

national and religious affiliations, is similar to him;<br />

who is a close, supportive, and understanding<br />

friend, who believes in the same set of ethics and<br />

principles as the Palestinian artist does? are we to<br />

approach the other with the mentality of majority<br />

versus minority, when the other is someone who<br />

shares with us the peculiarity of the current situation?<br />

the israeli is not only the soldier firing bullets<br />

at us, or the policeman or security guard; he<br />

is also the photographer, the taxi driver, the woman<br />

selling flowers, the bookstore salesman, and<br />

the music store owner. the relationship is not ordinary<br />

or definite, rather a thorny one. we try to<br />

build our relationship in such a way that our endangered<br />

identity is not blurred by the other, and<br />

simultaneously we take the initiative to establish a<br />

dialogue and influence him.<br />

more than a year ago, we started the preparations<br />

for this exhibition. humbly put, as the exhibition<br />

co-curator, i worked with my dear friend, the artist<br />

tal adler, who is distinguished by both his high artistic<br />

taste and a sense of responsibility. tal matches<br />

deeds and words as he uses art to support<br />

the vulnerable, the marginalized, and the<br />

oppressed.<br />

as a co-curator of the exhibition, tal adler actively<br />

dedicated most of his time and effort to this project.<br />

experts in the field recognize that the work of<br />

a curator is a difficult one; imagine what it is like,<br />

then, to be the curator of an exhibition of both Palestinian<br />

and israeli artists, who live in the semitragic<br />

and vague situation that characterizes relations<br />

between the two peoples. my participation as<br />

a co-curator aims to pull, with my friend tal, the<br />

beam of light out of the darkness of our common<br />

reality like a thin line.<br />

the presence of austrian artists friedemann Derschmidt<br />

and karin schneider in the preparation of<br />

the exhibition was a pleasant one, which provided<br />

a supportive and special atmosphere. although<br />

they are geographically far from the middle east,<br />

we are nonetheless artistically close. accordingly,<br />

both artists were interested in our issues and<br />

struggles and our different media for creativity.<br />

hence, they devoted to this project much time and<br />

effort, and contributed with a very distinguished<br />

video work on our life in this land.<br />

karin and friedemann possess initiative, spirit, and<br />

a thorough understanding of our Palestinian-israeli<br />

specificity, which they can view from various<br />

and multi-dimensional perspectives. they have put<br />

in gigantic efforts to deliver this compilation of art<br />

to the austrian public through this vastly different<br />

exhibition and the participation of truly remarkable<br />

artists who are tightly connected to their places of<br />

origin. this was done in cooperation with the essl<br />

museum, which is a co-partner in raising our “<strong>overlapping</strong><br />

<strong>voices</strong>” and delivering our art into the<br />

hands of a wide public in austria. this exhibition<br />

helps the artists and familiarizes a wider public<br />

with their work; it heightens the artists’ creativity<br />

and the stories they carry, as well as memories and<br />

incentives which contain both hope and pain.<br />

the exhibition ><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>< raises a new<br />

and brave voice; it opens a channel of dialogue<br />

that carries us toward hope and possibly toward<br />

freedom for the oppressed, which is the quest of<br />

every artist.<br />

i have no doubt that this will and love – a great love<br />

for life – beams like an ever-burning candle in the<br />

hearts of all the participants in this exhibition.<br />

amal murkus is a Palestinian artist; citizen of israel and resident in<br />

the village of kufur Yasif. singer, actor, and tv and radio presenter.<br />

1


Brief an den Botschafter<br />

tal adler<br />

an den Botschafter des staates israel in wien Jerusalem, 29/4/2008<br />

Sehr geehrter Herr Botschafter,<br />

Danke für ihre Zeit und das treffen in ihrem Büro, danke für das gespräch und das interesse an der<br />

ausstellung. ich habe normalerweise nicht die möglichkeit mit einem staatsrepräsentanten zu sprechen,<br />

schon gar nicht in einer entspannten, persönlichen situation. Unser gespräch bedeutete mir viel<br />

und ich möchte einige gedanken dazu mit ihnen teilen. Dieser Brief wird ebenso in dem <strong>katalog</strong> zur<br />

ausstellung ><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>< im essl museum in Österreich veröffentlicht, in der ich sowohl als<br />

co-kurator als auch als einer der teilnehmenden künstler mitwirke.<br />

als künstler schätzte ich von anfang an die Qualitäten, die in der öffentlichen Dimension von kunst<br />

liegen.<br />

sowohl die offiziellen großen kunstinstitutionen als auch die kleinen, alternativen, improvisierten kunsträume<br />

sehe ich dabei als möglichkeiten für einen Diskurs zwischen künstlern und Öffentlichkeit. in<br />

dem moment, da jemand seine kunst präsentiert, eröffnen sich ihm vielfältige kanäle der kommunikation:<br />

interviews und Zeitungsartikel, fernsehbeiträge oder web-Plattformen; es entsteht ein interesse<br />

an den verschiedenen Publikationen eines künstlers, seinem internetauftritt, seinen aktivitäten und<br />

seinem leben. ich erforsche verschiedene instrumente dieses öffentlichen Diskurses wie Posteraktionen,<br />

Postwurfsendungen, werbe gags, wahlkämpfe, vorträge, kuratoren Jobs, <strong>katalog</strong>texte, oder auch<br />

einen Brief an den Botschafter.<br />

mit der Zeit entwickelte ich auch ein komplexeres verständnis der israelischen politischen Realität, eine<br />

tiefere einsicht in die verschiedenen geschichten und spannungen innerhalb und zwischen den einzelnen<br />

gesellschaften in israel. aus neugier erweitere ich meinen horizont und entdeckte noch mehr<br />

komplexität, mehr erzählungen, mehr widersprüche und unglücklicherweise auch mehr Unrecht und<br />

Diskriminierung. aus schmerz und frustration heraus entstand mein Bedürfnis, andere einzubeziehen<br />

– und dafür waren für mich die öffentlichen Räume der kunst gut geeignet.<br />

allmählich begann ich, gemeinsam mit kollegen und freunden, meinen Platz als teil einer gemeinschaft<br />

zu begreifen, die sich aus den vielfältigsten Persönlichkeiten und gruppen aus israel und dem<br />

ausland zusammensetzt. alle kommen von unterschiedlichen biografischen und professionellen hintergründen,<br />

gemeinsam ist ihnen das verständnis für den dringenden Bedarf an sozialer veränderung<br />

– und nicht nur das, sie machen sich all ihre fähigkeiten zunutze, um dieses Ziel voran zu treiben. mitglieder<br />

dieser gemeinschaft machen von ihren Qualifikationen, Professionen und in vielen fällen auch<br />

von ihren Ressourcen gebrauch, um sich für die werte der gleichheit, der menschen- und Bürgerrechte,<br />

für soziale gerechtigkeit, Umweltschutz, den widerstand gegen okkupation und Diskriminierung,<br />

für solidarität und Demokratie einzusetzen. Und so findet man unter ihnen anwälte, filmemacher,<br />

lehrer, studenten, forscher, Physiker und therapeuten, Journalisten und sozialarbeiter, Designer<br />

und künstler – alle verwenden ihre kapazitäten um einen gesellschaftlichen wandel herbeizuführen.<br />

immer noch stoße ich auf erstaunen, Ressentiments oder geringachtung, wenn ich die kunst als konkrete<br />

sozial-politische handlung verstehe. immer noch gilt eine Paarung zwischen der Kunst – welche<br />

doch angeblich reinen Umgang mit dem erhabenen, dem Ästhetischen oder dem philosophischen Diskurs<br />

pflegen sollte – und der aktivistischen herangehensweise in form einer konkreten aktion oder der<br />

in form der auseinandersetzung mit den ganz einfachen angelegenheiten des lokalen, sozialen oder<br />

Politsichen, als öbszön und minderwertig.<br />

Je differenzierter mein politisches verständnis und je klarer meine politischen aussagen wurden, um<br />

so mehr wurden meine Positionen von der israelischen mehrheits-gesellschaft als „extrem“ interpretiert.<br />

Positionen, die sich aus den einfachen und ohnehin etablierten idealen der gleichheit und freiheit<br />

aller menschen, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen oder sozialen<br />

gruppe, ableiten; der wunsch nach einer harmonischen und friedlichen existenz, ohne menschen<br />

oder der natur schaden zuzufügen, ohne Rassismus oder Diskriminierung, ... aus irgend einem grund<br />

18 OVERLAPPING VOICES


hat es sich so entwickelt, dass dies alles in unserer Realität als „extrem“ angesehen wird. Und so wurde<br />

ich als „linksextrem“ definiert und fixiert, und ich hielt mich doch selbst nie für einen solchen<br />

extremisten.<br />

langsam begriff ich: Die Realität um mich herum ist extrem, nicht meine ideen.<br />

in den vergangenen Jahren habe ich an verschiedenen ausstellungen und events außerhalb israels<br />

teilgenommen. ich bemerkte das interesse nicht nur an meiner kunst, sondern auch an meinem persönlichen<br />

leben als israeli. manchmal genoss ich diese aufmerksamkeit und manchmal fühlte ich mich<br />

von der schwere dieser aufgabe belastet. ich fand mich selbst wieder in gesellschaftlichen situationen,<br />

in denen ich bei wein und käse gegenüber mehr oder weniger fremden menschen die politischen vorgänge<br />

interpretierte, Prognosen abgab, geschichte, Religion, Regierungsformen erläuterte, ... verschiedene<br />

Positionen erklärte, verteidigte, attackierte, repräsentierte. Repräsentierte?! Zeitweise nahm ich<br />

mich selber dabei wahr, etwas zu repräsentieren, etwas, jenseits meines eigenen selbst. ich ließ mich<br />

dazu hinreißen, die israelis zu vertreten, die Juden, die Zionisten, die Beduinen, die armee, die linken,<br />

die „seperation wall“ (trennungsmauer).<br />

später bemerkte ich, dass auch ich, wie sie, ein Botschafter wurde.<br />

Bei unserem treffen baten sie mich, dass ich ihnen mehr über die gruppenausstellung im essl museum<br />

erzähle. ich berichtete ihnen über unsere kuratorischen entscheidungen und über meine eigene künstlerische<br />

arbeit, die ebenfalls ausgestellt werden wird; das Projekt „Unrecognized“ („nicht anerkannt“),<br />

das die geschichte der Beduinen im negev erzählt. es ist dies die geschichte einer schwachen und<br />

diskriminierten gemeinschaft, deren lebensrealität sich, ignoriert von der offiziellen Politik, auf eine<br />

soziale katastrophe hinentwickelt. „Unrecognized“ ist ein Projekt, das zur Bewusstseinsbildung geschaffen<br />

wurde und dafür, zur veränderung der situation zu bewegen.<br />

sie sagten mir, hätten sie die ausstellung in israel besucht, so hätte ich sie vielleicht an meiner seite<br />

dafür streitend und sie gegen kritik verteidigend wiedergefunden. Jedoch, so sagten sie, eine solche<br />

arbeit sollte nicht außerhalb von israel gezeigt werden. sie erklärten, Projekte wie meines würden, aufgrund<br />

des unterschwelligen antisemitismus sowie der mangelnden fähigkeit des europäischen Publikums,<br />

die gesellschaftspolitisch-historischen Prozesse in israel wirklich zu verstehen, nur zu einer<br />

falschen, weil simplifizierenden und dichotomen vorstellung von der israelischen Realität ermutigen.<br />

interpretiert man sie oberflächlich, könnten solche kunstprojekte gefährliche und abgründige meinungen<br />

mit antisemitischem hintergrund legitimieren.<br />

sie erklärten ihre enttäuschung über die kuratorische auswahl der anderen künstlerischen arbeiten<br />

dieser gruppenausstellung im essl museum und über das versäumnis dieser ausstellung, ein ausgewogenes<br />

Bild der israelischen gesellschaft zu zeigen, vor allem das palästinensische narrativ zu betonen<br />

und lösungen anzubieten, welche das existenzrecht israels als jüdischen staat untergraben.<br />

ich stimme ihnen zu, dass die menschen hier in europa die lebenswirklichkeit in israel nicht genau<br />

verstehen. sie kennen vielleicht nicht die verschiedenen und widersprüchlichen narrative, sehen vielleicht<br />

nicht die vielschichtigkeiten unseres landes und wissen nichts über die verschiedenen gemeinschaften<br />

in israel. auch ich, als israeli, maße mir nicht an, die lebensrealität in anderen orten der welt<br />

vollkommen zu verstehen. sollte mich das jedoch davon abhalten, über die geschichte des konfliktes<br />

in nord-irland zu lernen, über die Umweltschutzbewegung in island oder mehr über die not und die<br />

sozialen kämpfe der Roma und sinti in Österreich zu erfahren?<br />

ich stimme ebenso ihren ausführungen über den antisemitismus in europa und besonders jenem in<br />

Österreich, zu. ich weiß: Dass israels diskriminierende Politik wahrgenommen oder israel als aggressor<br />

gezeigt wird, dient einigen als entschuldigung für Österreichs jüngste nazivergangenheit und zur<br />

Rechtfertigung gegenwärtiger antisemitischer ideen. Jedoch wird dies dadurch gelöst, dass die kreative<br />

arbeit jener Poeten, autoren, forscher und studenten, die sich mit politischer kritik beschäftigen,<br />

auf ihre nationalstaatlichen grenzen beschränkt wird?<br />

ich stimme ebenso ihrem statement bezüglich unseres versäumnisses, ein ausgewogenes Bild der israelischen<br />

gesellschaft zu zeichnen, zu. ich bezweifle jedoch, dass uns dies möglich gewesen wäre,<br />

selbst wenn wir es versucht hätten. abgesehen davon, dass wir natürlich bemüht waren, keine oberflächliche<br />

oder tendenziöse ausstellung zu kuratieren, leben und operieren wir immer noch in einem<br />

ganz konkreten ideologischen Umfeld. Und dieses prägt unseren Blick auf die und unser verständnis<br />

von den kunstwerken, die wir uns im Zuge unseres kuratorischen auswahlprozesses angesehen<br />

haben.<br />

gleichfalls ist es notwendig zu betonen, dass es genauso der staat israel selbst ist, der zu simplifizierenden<br />

und dichotomen wahrnehmungen dieses staates ermutigt – und zwar sowohl bezüglich seiner<br />

staatsbürger als auch im ausland. gerade solch eine polarisierende Darstellung der israelischen<br />

Realität verpflichtet zu erhöhter wachsamkeit gegenüber allen versuchen, jene stimmen zu kontrollieren<br />

und einzuschränken, die bemüht sind, die erzählungen der anderen, der schwachen, marginalisierten<br />

und ausgeschlossenen gesellschaftsteile zu erfahren und zu gehör zu bringen. israel unterscheidet<br />

sich darin natürlich nicht von anderen ländern. wie diese auch, durchläuft israel einen<br />

19


globalisierungsprozess, und auch in israel sind die verbindungen zwischen Politik, medien und privatwirtschaftlichen<br />

– gegen das allgemeinwohl gerichteten – interessen schwer durchschau- und<br />

auflösbar.<br />

ich nehme ihren vorschlag, meine arbeit nur innerhalb der grenzen israels zu zeigen, nicht an. Und<br />

doch – ich stelle mir vor, die meisten der kultur- und kunstzentren in israel wären daran interessiert,<br />

unseren Bemühungen zu folgen und solche Projekte auszustellen; die israelische gesellschaft und ihre<br />

führungskräfte wären bereit, Änderungsvorschläge eher zu akzeptieren und die versuche die Dinge<br />

von innen her zu verbessern wären erfolgreicher – ich glaube wenn das so wäre, dann würde ich mich<br />

nicht mit dieser frage beschäftigen.<br />

vielleicht, so wird mir manchmal vorgeworfen, wende ich mich nur nach außen, um aufmerksamkeit<br />

und Unterstützung zu bekommen. vielleicht jedoch – so behaupte ich – ist dies eine beabsichtigte, vorsätzlich<br />

gewählte strategie. gewählt aufgrund des glaubens an die fähigkeit der internationalen gemeinschaft,<br />

die israelische Politik zu beeinflussen und bei den schwierigen veränderungsprozessen<br />

mitzuhelfen.<br />

gewählt vielleicht auch aufgrund der historisch bedingten verantwortung europas für jene verhältnisse<br />

und Prozesse, die eventuell zur gegenwärtigen Realität in israel führten.<br />

es ist schon einigermaßen ironisch – möglicherweise dient mein handeln sogar ihren Zwecken. wenn<br />

staatsbürger frei und gefahrlos offene und oft scharfe kritik an der Regierungspolitik ihres landes üben<br />

können, und dies auch innerhalb und außerhalb der staatsgrenzen tun, so entsteht bei den Betrachtern<br />

der eindruck eines eher offenen und demokratischen staates. vielleicht können (zumindest in meiner anmaßenden<br />

fantasie) solche Projekte sogar als Beispiel dienen. anstatt kommentare zum „nahen osten“<br />

abzugeben und darüber zu diskutieren, wird das internationale Publikum seinen Blick auch nach innen<br />

richten, auf seine eigenen gesellschaften, auf die eigenen verborgenen geschichten von Rassismus, Diskriminierung,<br />

geringschätzung anderer und der verschanzung hinter selbstgerechtigkeit.<br />

Und so, aus einer gewissen kollegialität heraus, von einem Botschafter zum anderen, möchte ich gerne<br />

eine weitere fantasie mit ihnen teilen. vielleicht wird es den kunstwerken, die wir hier ausstellen, gelingen,<br />

auch sie anzusprechen: sie, einen offiziellen Repräsentanten und staatsbürger des staates israel,<br />

zu überzeugen, der gemeinschaft, die ich oben beschrieben habe, beizutreten. Der gemeinschaft<br />

jener, die sich hauptberuflich mit dem streben nach sozialer gerechtigkeit, wirklicher gleichheit und<br />

solidarität beschäftigen. vielleicht würden sie es dann auch für richtig halten, ihre hilfsmittel zur verfügung<br />

zu stellen – Büros, angestellte, ihre politischen kontakte nach israel und ins ausland – um uns<br />

in unserer Überzeugungsarbeit zu helfen. vielleicht wird es ihnen auch möglich sein, ihre angestellten<br />

im außenministerium zu verpflichten und deren angestellte in der israelischen Regierung – und alle<br />

würden der Bewegung jener Bürger folgen, die versuchen den Platz in dem sie leben zu einem besseren<br />

zu machen – zum wohle aLLer seiner Bürger.<br />

mit besten grüßen,<br />

tal adler<br />

20 OVERLAPPING VOICES


letter to the amBassador<br />

tal adler<br />

to the israeli ambassador in vienna, Jerusalem, 29/4/2008<br />

Dear sir,<br />

thank you for your time and the meeting in your office, thanks for taking an interest in the exhibition. i do<br />

not usually have the opportunity to talk with a representative of the state, certainly not in a relaxed, face-toface<br />

situation. i gave much thought to our conversation, and wanted to share some thoughts with you. this<br />

letter will also be published in the catalogue of the exhibition ><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>< in the essl museum in<br />

austria, where i am both co-curator and one of the participating artists.<br />

from my early steps as an artist i learnt to appreciate the qualities inherent in the public dimensions of<br />

art. i understood the spaces of art – both the large, official ones and the alternative, improvised ones – as<br />

places enabling a discourse between the artist and the public. as one presents one’s art, additional channels<br />

of public communication open up: interviews and articles in the written, broadcast and web-based<br />

media; an interest in the artist’s additional products, his or her publications, website and those who are<br />

linked with it, activities and life. i have explored additional tools of public discourse and experimented with<br />

street posters, mail work, spoof ads, running for elections, lectures, curatorship, a text in a catalogue, letter<br />

to an ambassador.<br />

with time, i developed a more complex understanding of israel’s political reality, of the different stories<br />

and tensions within and between the different communities. out of curiosity i broadened my vision and<br />

discovered more complexities, more narratives, more contradictions, and unfortunately more wrongdoings,<br />

discrimination and evil.<br />

out of pain, frustration and the need to involve others, i found the public platforms of art suitable.<br />

gradually i realized my place, together with friends and colleagues, as part of a community composed of individuals<br />

and groups from a variety of backgrounds and professions, in israel and abroad. common to all was<br />

the understanding of the urgent need for social change, and not only the understanding, but also harnessing<br />

the main practice of each of them, to promote this goal. members of this community make use of their profession,<br />

skills, and in many cases most of their resources, to promote values of equality, human and civil rights,<br />

social justice, environmental protection, resistance to the occupation and discrimination, solidarity, democracy…<br />

and so one finds lawyers, filmmakers, lecturers, students, researchers, physicians and therapists, journalists,<br />

social workers, designers and artists – all devoting their capabilities to making the change.<br />

it is not taken for granted, and i still encounter reactions of surprise, resentment or contempt for the use of<br />

art as a concrete social-political act. i hear of the obscene and inferior nature of the coupling between art –<br />

which is supposed to deal with the sublime, the aesthetic or a philosophical discourse – with an activist approach<br />

of a direct action, of dealing with prosaic matters of local, social, political and specific issues.<br />

in addition to that, with my political understanding and statements becoming more precise, i found israeli<br />

society, for the most part, interpreting these stands as extreme. a stance derived of simple and established<br />

ideals of equality and liberty, irrespective of ethnic or community affiliation; the desire for harmonious<br />

and peaceful social existence, without harming humans or nature, avoiding racism and discrimination…<br />

for some reason this stance has come, in our reality, to be seen as extreme. i found myself defined and<br />

confined as the ‘extreme left’, and i never considered myself such an extremist.<br />

slowly i realized that the reality around me is the extreme, not my opinions.<br />

in recent years i have participated in various exhibitions and events outside israel. i encountered much<br />

interest, not only in the art itself, but also in my personal life as an israeli. sometimes i enjoyed the attention,<br />

and sometimes i felt burdened with the duty. i found myself in social situations in front of strangers<br />

more or less, over wine and cheese, interpreting political moves, forecasting outcomes, teaching history,<br />

religion, regimes… explaining different positions, defending, attacking, representing. Representing?!<br />

at times i found myself representing something, someone, beyond my personal self. getting carried away<br />

and representing the israelis, the Jews, Zionism, the Bedouin, the army, the left, the separation wall…<br />

later i realized that i too, like you, had become an ambassador.<br />

21


in our meeting you asked me to tell you about the group exhibition at the essl museum. i told you about the<br />

curatorial decisions and about my artwork that will be exhibited as well, the project ‘Unrecognized’, which<br />

tells the story of the Bedouin community in israel’s negev. a story of a weakened and discriminated community<br />

disregarded by the state’s policy, a reality evolving into a social catastrophe. a project that was formed<br />

to raise awareness and impel change.<br />

You told me that had you visited this exhibition in israel, i might have found you at my side, arguing and defending<br />

it against critics. however, you said, such work should not be exhibited outside israel. You explained<br />

that because of hidden anti-semitism, and due to the inability of the european audience to deeply understand<br />

social-political-historical processes in israel, projects such as mine only encourage mislead perceptions<br />

and simplistic dichotomies of israeli reality. Using a shallow interpretation, dark and dangerous opinions<br />

against an anti-semitic background could be justified.<br />

You expressed your disappointment with the curatorial selection of the other artworks for the group exhibition<br />

in the essl museum, and the failure of this exhibition to present a balanced image of israel, emphasizing mainly<br />

Palestinian narratives and offering solutions which undermine the existence of israel as a Jewish state.<br />

i agreed that people here in europe do not understand well the reality of life in israel. they might not know<br />

the different and contradicting narratives, might not see the complexities or know about the different communities.<br />

i too, as an israeli, do not presume to fully understand life’s reality in other places. should this prevent<br />

me from learning about the history of the conflict in northern ireland, the environmentalist civil movement<br />

in iceland, or the plight and social struggle of the gypsies in austria?<br />

i agree as well with your understanding of anti-semitism in europe and especially in austria. i know that by<br />

seeing israel’s discriminative policies or seeing israel as an aggressor, some use it as an excuse for their recent<br />

history as a nation during nazi times and justify their current anti-semitic ideas. however, should restricting<br />

the creative work of poets, writers, researchers and scholars dealing with political critique to the boundaries<br />

of their national states exclusively solve this?<br />

i also agree with your statement about the failure of our exhibition to create a balanced view of israel. i question<br />

our ability to succeed in this, had we tried. apart from trying not to create a superficial or tendentious<br />

show of course, we still live and operate in a certain ideological sphere that influenced our way of seeing and<br />

understanding the artworks and our curatorial job.<br />

likewise, it’s worth mentioning that it is the state of israel as well, which encourages simplistic and dichotomous<br />

perceptions of the reality in israel, both among its citizens and abroad. such a polar view of reality is<br />

bound to develop even further in the wake of attempts to control and limit the <strong>voices</strong> trying to explore and<br />

uncover the narratives of others, and the weakened, excluded and marginalized parties. no differently than<br />

other countries, israel is going through global processes, and in israel too, the ties between politics, media<br />

and private economic interests contrary to the public weal are hard to loosen and evaluate.<br />

i do not accept your suggestion to limit the exhibiting of my work to within israel’s borders only. and yet,<br />

i imagine that if most cultural and art centers in israel were interested in joining the efforts and exhibit such<br />

projects; if israel’s society and its leaders were to accept proposals for amendment faster; and if attempts to<br />

improve things from within would have been more fruitful, i guess i wouldn’t be dealing with this question.<br />

Perhaps – as is sometimes claimed against me – i turn outside only for attention and support. Perhaps –<br />

as i claim – this is out of a deliberate, pre-meditated strategy. out of the belief in the capability of the international<br />

community to affect israel’s policies and assist in the difficult process of change. Perhaps also<br />

because of europe’s historic responsibility for the circumstances and processes which eventually led to<br />

israel’s current reality.<br />

somewhat ironically, i might even serve your purposes. when citizens freely and safely present open and<br />

often harsh criticism of their government’s policy, and do so within the country and outside of it, the impression<br />

received is one of a more open and democratic state.<br />

Perhaps even (at least in my pretentious fantasies) such projects can even serve as an example. instead of<br />

discussing and making statements on ‘the situation in the middle east’, the international audience will also<br />

look inward, at its own communities, at its own hidden stories of racism, discrimination, disregard, and<br />

entrenchment in self-righteousness.<br />

and so, out of a certain collegiality, as one ambassador to another, i’d like to share with you one more fantasy.<br />

Perhaps the artworks that we are showing here in austria will succeed in appealing to you too: an official<br />

representative and israeli citizen, convincing you to join the community i have described above, of those who<br />

employ their occupation in the pursuit of social justice, true equality and solidarity. Perhaps you would then<br />

think it right to use the means at your disposal, offices, employees and your political contacts in israel and<br />

abroad to help us in our advocacy efforts. Perhaps you will also be able to enlist your employers in the ministry<br />

of foreign affairs, and their employers in the israeli government, and all would join one movement of<br />

citizens who are trying to transform the place they live in, making it better and befitting aLL its inhabitants.<br />

with all the best,<br />

tal adler<br />

22 OVERLAPPING VOICES


40<br />

MEINUNG<br />

Die Realität ist extrem, nicht meine Ideen!<br />

Dürfen Israelis im Ausland Israel<br />

kritisieren? Offener Brief des Künstlers<br />

Tal Adler an den israelischen<br />

Botschafter Dan Ashbel zur Schau<br />

„Overlapping Voices“ im Essl Museum.<br />

S<br />

Plus<br />

und Minus<br />

E M a i l EGYD GSTÄTTNER<br />

S<br />

ehr geehrter Herr Botschafter, ich bedanke<br />

mich für das Gespräch, es be-<br />

deutete mir viel, und ich möchte ei-<br />

nige Gedanken dazu mit Ihnen teilen.<br />

Als Künstler schätzte ich von Anfang an<br />

die öffentliche Dimension von Kunst. Mit<br />

der Zeit entwickelte ich auch eine tiefere<br />

Einsicht in die israelische politische Realität.<br />

Ich begann, meinen Platz als Teil einer<br />

Gemeinschaft zu begreifen, die sich aus<br />

den vielfältigsten Persönlichkeiten und<br />

Gruppen aus Israel und dem Ausland zusammensetzt.<br />

Gemeinsam ist ihnen das<br />

dringende Bedürfnis nach sozialer Veränderung.<br />

Anwälte, Filmemacher, Lehrer,<br />

Physiker, Journalisten, Sozialarbeiter,<br />

Künstler – alle machen sie von ihren Qualifikationen,<br />

Professionen und oft Ressourcen<br />

Gebrauch, um sich für Menschen- und<br />

Bürgerrechte, soziale Gerechtigkeit, den<br />

Widerstand gegen Okkupation und Diskriminierung,<br />

für Solidarität und Demokratie<br />

einzusetzen.<br />

Mein Leben als Israeli<br />

Immer noch stoße ich auf Ressentiments<br />

oder Geringachtung, wenn ich die Kunst<br />

als konkrete sozial-politische Handlung<br />

verstehe. Je differenzierter mein politisches<br />

Verständnis, je klarer meine politischen<br />

Aussagen wurden, um so mehr wurden<br />

meine Positionen von der israelischen<br />

Mehrheitsgesellschaft als „extrem“ interpretiert.<br />

Positionen, die sich aus den Idealen<br />

der Gleichheit und Freiheit aller Menschen<br />

ableiten; der Wunsch nach einer<br />

harmonischen und friedlichen Existenz,<br />

ohne Rassismus oder Diskriminierung –<br />

aus irgendeinem Grund hat es sich so entwickelt,<br />

dass dies alles in unserer Realität<br />

als „extrem“ angesehen wird. So wurde ich<br />

chweiz. Entdecke das Plus“, steht auf<br />

dem Bus, der uns, Rosa und mich, in<br />

Genf zum Flughafengebäude bringt.<br />

Faszinierend, wie unsere westlichen Nachbarn<br />

metaphorisch das Allerletzte aus ihrer<br />

Flagge holen. Auf die österreichische übertragen<br />

müsste es analog heißen: „Österreich.<br />

Entdecke das Minus.“ Gar so schwer<br />

zu finden ist es ja nicht, so breit und fett,<br />

wie es zwischen den beiden roten Balken<br />

liegt. Und da entdecke ich am Kiosk auch<br />

schon eine Zeitung mit der Schlagzeile „Le<br />

monstre d’Amstetten!“ Mon dieu! Immer<br />

dieser widerliche Kerl<br />

und seine Das-Gesetzbin-ich-Visage!<br />

Was<br />

hatten wir Österreicher<br />

im Ausland schon alles<br />

zu leiden: Hitler! Haider!<br />

Waldheim! Dazu noch Unterweger,<br />

Fuchs und Prikopil. Und jetzt dieser ungenierte<br />

Privatkerkermeister und Lustverbrecher.<br />

Wenigstens haben wir den nicht gewählt.<br />

Und wen haben die Schweizer? Gerade<br />

mal Blocher. Lächerlich! Dort Freud –<br />

hier Jung. Da sind natürlich auch die Triebverbrechen<br />

nicht ganz so spektakulär. Bei<br />

der Gelegenheit fällt mir ein: Der österreichische<br />

Teamchef stammt – aus Amstetten!<br />

Aber Hickersberger ist ein ganz, ganz netter<br />

Mensch. Man hat ihn seinerzeit extra aus<br />

der Trainerkollektion „Köbi Kuhn“ genommen.<br />

Amstetten braucht dringend einen<br />

guten Menschen, und Hickersberger steht<br />

lokal zusätzlich mächtig unter Druck.<br />

In der Straßenbahn säuselt eine sanfte<br />

Frauenstimme: Broschänäräh! Broschänäräh!<br />

Immer wieder Broschänäräh. Bald aber<br />

ist Rosa hinter das Geheimnis gekommen:<br />

Prochain arrêt! Bien! Aber wo aussteigen?<br />

Wo umsteigen? Nirgendwo ist auf das Stadion<br />

hingewiesen! Das Ramada Encore Hotel<br />

liegt direkt im Stadionareal, ist baulich<br />

an das Oval angeschlossen und dient als<br />

Verbindungsglied zum Einkaufscenter auf<br />

der anderen Seite. Ob es eine Möglichkeit<br />

„In Genève wird zwar die<br />

Schweizer Gruppe gespielt, aber<br />

ohne Schweiz. Symbolträchtig.“<br />

„Der Wunsch nach Freiheit, Gleichheit, Menschenrechten – dies alles wird in unserer Realität als ,extrem‘ angesehen.“ [Clemens Fabry]<br />

als „linksextrem“ definiert und hielt mich<br />

doch selbst nie für einen Extremisten.<br />

Langsam begriff ich: Die Realität um<br />

mich herum ist extrem, nicht meine Ideen.<br />

In den vergangenen Jahren nahm ich an<br />

verschiedenen Ausstellungen und Events<br />

außerhalb Israels teil. Ich bemerkte das Interesse<br />

nicht nur an meiner Kunst, sondern<br />

auch an meinem Leben als Israeli. Ich ließ<br />

mich dazu hinreißen, die Israelis zu vertreten,<br />

die Juden, die Zionisten, die Beduinen,<br />

die Armee, die Linken. Allmählich bemerkte<br />

ich, dass auch ich ein Botschafter wurde.<br />

Bei unserem Treffen baten Sie mich, Ihnen<br />

mehr über die Gruppenausstellung<br />

im Essl Museum zu erzählen. Ich berichtete<br />

Ihnen über unsere kuratorischen Entscheidungen<br />

und meine eigene künstlerische<br />

Arbeit, die ebenfalls ausgestellt wird;<br />

das Projekt „Unrecognized“ („nicht anerkannt“),<br />

das die Geschichte der Beduinen<br />

gäbe, ins Innere zu kommen, fragen wir den<br />

Rezeptionisten. Er winkt ab. But we came<br />

from Vienna by plane, especially for this<br />

reason! Der Rezeptionist denkt nach, blickt<br />

sich argwöhnisch um, dann gibt er uns ein<br />

Zeichen: Follow me! Das Hotel hat mehrere<br />

Konferenzsäle. Einer davon hat eine riesige<br />

Panoramaglaswand und ist in den VIP-Bereich<br />

des Stadions hineingebaut. Hier dürfen<br />

wir uns ausnahmsweise umsehen und<br />

auch ein paar Erinnerungsfotos schießen.<br />

Ich bin ein wenig stolz. Letzte Woche hat<br />

mir ein Redakteur des Bayerischen Rund-<br />

funks erzählt, ihm sei es<br />

nicht gestattet worden,<br />

auch nur kurz ins Innere<br />

des Stadions zu<br />

kommen und ein paar<br />

Sekunden zu drehen.<br />

Und das trotz der Genfer Freundlichkeitskurse.<br />

(Say: „Swiss!“ Say: „Cheese!“) Die<br />

Stühle werden wahrscheinlich noch frisch<br />

gestrichen, meint der Rezeptionist.<br />

Naturgemäß hat die französische<br />

Schweiz viel von Frankreich, wie Frankreich<br />

viel von seinen ehemaligen Kolonien hat. In<br />

Genève wird zwar die Schweizer Gruppe<br />

gespielt, aber ohne Schweiz. Das ist durchaus<br />

symbolträchtig. Wir bedanken uns<br />

beim Rezeptionisten und fragen: „What do<br />

you think? Will the Swiss team succeed?“ –<br />

„I don’t know! I’m Portuguese!“<br />

Von Genf nach Basel fährt man wie aus<br />

einem Land ins andere: Von Nichtganzfrankreich<br />

nach Nichtganzdeutschland. An<br />

der Zuginnenwand fragt Rousseau über<br />

dem Fenster: Heureux, mon jeune ami, le<br />

pays où l’on n’a pas besoin d’aller chercher<br />

la paix dans un désert! Mais où est ce pays?<br />

Nachdenklich rasen wir an Nyon vorbei, an<br />

Neuchâtel und Biel, Moutier und Delémont.<br />

Großes Lob der SBB! In der ÖBB habe ich<br />

noch keinerlei Innenwandliteratur bemerkt.<br />

·······································································<br />

Der Klagenfurter Autor schickt bis zur Fußball-Europameisterschaft<br />

im Juni jeden Donnerstag ein EMail.<br />

·······································································<br />

im Negev erzählt – eine schwache, diskriminierte<br />

Gemeinschaft, deren Lebensrealität<br />

sich, ignoriert von der offiziellen Politik,<br />

auf eine soziale Katastrophe hinentwickelt.<br />

Sie sagten mir, hätten Sie die Ausstellung<br />

in Israel besucht, hätten Sie vielleicht an<br />

meiner Seite dafür gestritten; doch eine<br />

solche Arbeit solle nicht außerhalb von Israel<br />

gezeigt werden. Projekte wie meines<br />

würden, aufgrund des unterschwelligen<br />

Antisemitismus und der mangelnden Fähigkeit<br />

des europäischen Publikums, die<br />

Prozesse in Israel zu verstehen, zu einer falschen,<br />

weil simplifizierenden und dichotomen<br />

Vorstellung von der israelischen Realität<br />

ermutigen. Oberflächlich interpretiert,<br />

könnten solche Projekte gefährliche Meinungen<br />

mit antisemitischem Hintergrund<br />

legitimieren.<br />

Sie zeigten sich enttäuscht über die kuratorische<br />

Auswahl und das Versäumnis der<br />

Ausstellung, ein ausgewogenes Bild der israelischen<br />

Gesellschaft zu zeigen, darüber,<br />

dass die Schau vor allem das palästinensische<br />

Narrativ betone und Lösungen anbiete,<br />

die das Existenzrecht Israels als jüdischer<br />

Staat untergraben.<br />

Warum ich im Ausland ausstelle<br />

Ich stimme Ihnen zu, dass die Menschen in<br />

Europa die Lebenswirklichkeit in Israel<br />

nicht genau verstehen. Auch ich, als Israeli,<br />

maße mir nicht an, die Lebensrealität in<br />

anderen Orten der Welt vollkommen zu<br />

verstehen. Sollte mich das aber davon abhalten,<br />

über die Geschichte des Konfliktes<br />

in Nordirland zu lernen, die Umweltschutzbewegung<br />

in Island oder die Not der<br />

Roma und Sinti in Österreich?<br />

Ich weiß: Dass Israels diskriminierende<br />

Politik wahrgenommen, Israel als Aggressor<br />

gezeigt wird, dient einigen als Entschuldigung<br />

für Österreichs Nazivergangenheit<br />

und zur Rechtfertigung antisemitischer<br />

Ideen. Aber wird dies dadurch gelöst,<br />

dass die kreative Arbeit jener Autoren, Forscher<br />

oder Studenten, die sich mit politischer<br />

Kritik beschäftigen, auf ihre nationalstaatlichen<br />

Grenzen beschränkt wird?<br />

Ich stimme ebenso Ihrem Statement bezüglich<br />

unseres Versäumnisses zu, ein ausgewogenes<br />

Bild der israelischen Gesellschaft<br />

zu zeichnen. Ich bezweifle jedoch,<br />

dass uns dies möglich gewesen wäre, selbst<br />

wenn wir es versucht hätten. Wir leben<br />

und operieren immer noch in einem ganz<br />

konkreten ideologischen Umfeld. Dieses<br />

prägt unseren Blick auf die Kunstwerke, die<br />

wir uns im Zuge unseres kuratorischen<br />

Auswahlprozesses angesehen haben.<br />

Auch ist es notwendig, zu betonen, dass<br />

der Staat Israel selbst ebenfalls zu simplifizierenden<br />

und dichotomen Wahrnehmungen<br />

dieses Staates ermutigt – sowohl bezüglich<br />

seiner Staatsbürger als auch im<br />

Ausland. Gerade solch eine polarisierende<br />

Darstellung verpflichtet zu erhöhter Wachsamkeit<br />

gegenüber Versuchen, jene Stimmen<br />

einzuschränken, die bemüht sind, die<br />

Erzählungen der marginalisierten Gesellschaftsteile<br />

zu erfahren und zu Gehör zu<br />

bringen.<br />

Ich nehme Ihren Vorschlag, meine Arbeit<br />

nur innerhalb der Grenzen Israels zu<br />

zeigen, nicht an. Und doch – ich stelle mir<br />

vor, die meisten der Kultur- und Kunstzentren<br />

in Israel wären daran interessiert, unseren<br />

Bemühungen zu folgen; wenn die is-<br />

Donnerstag, 15. Mai 2008<br />

GASTKOMMENTAR VON TAL ADLER<br />

raelische Gesellschaft und ihre Führungskräfte<br />

Änderungsvorschläge mehr akzeptieren<br />

würden, die Versuche, die Dinge von<br />

innen her zu verbessern, erfolgreicher wären<br />

– ich glaube, dann würde ich mich<br />

nicht mit dieser Frage beschäftigen.<br />

Vielleicht, so wird mir manchmal vorgeworfen,<br />

wende ich mich nur nach außen,<br />

um Aufmerksamkeit und Unterstützung zu<br />

bekommen. Vielleicht ist meine Tätigkeit<br />

im Ausland aber eine vorsätzliche Strategie.<br />

Gewählt aufgrund des Glaubens an die<br />

Fähigkeit der internationalen Gemeinschaft,<br />

die israelische Politik zu beeinflussen<br />

und bei den schwierigen Veränderungsprozessen<br />

mitzuhelfen. Gewählt vielleicht<br />

auch aufgrund der historisch bedingten<br />

Verantwortung Europas.<br />

Ironischerweise dient mein Handeln<br />

vielleicht sogar Ihren Zwecken. Wenn<br />

Staatsbürger frei heraus offene, oft scharfe<br />

BRIEF UND GEGENBRIEF<br />

Der offene Brief Tal Adlers an den<br />

israelischen Botschafter in Österreich Dan<br />

Ashbel sowie dessen Entgegnung (S. 41)<br />

entstanden nach einem persönlichen<br />

Gespräch zwischen den beiden im Vorfeld<br />

der Schau „Overlapping Voices“ im Essl<br />

Museum, Klosterneuburg. Von 16. 5. bis<br />

26. 10. sind Werke israelischer und<br />

palästinensischer Künstler zu sehen. Tal<br />

Adler, geb. 1969 in Jerusalem, ist Künstler<br />

und Co-Kurator der Ausstellung.<br />

Kritik an der Regierungspolitik ihres Landes<br />

üben können, entsteht der Eindruck<br />

eines eher offenen und demokratischen<br />

Staates. Vielleicht können (zumindest in<br />

meiner anmaßenden Fantasie) solche Projekte<br />

sogar als Beispiel dienen. Anstatt<br />

Kommentare zum „Nahen Osten“ abzugeben<br />

und darüber zu diskutieren, wird das<br />

internationale Publikum vielleicht seinen<br />

Blick auch nach innen richten, auf seine eigenen<br />

Gesellschaften, auf die eigenen verborgenen<br />

Geschichten von Rassismus, Geringschätzung<br />

anderer und der Verschanzung<br />

hinter Selbstgerechtigkeit.<br />

Vielleicht kann die Kunst Sie überzeugen<br />

Und so, aus einer gewissen Kollegialität heraus,<br />

von einem Botschafter zum anderen,<br />

möchte ich gerne eine weitere Fantasie mit<br />

Ihnen teilen. Vielleicht wird es den Kunstwerken<br />

hier gelingen, auch Sie anzusprechen:<br />

Sie, einen offiziellen Repräsentanten<br />

und Staatsbürger des Staates Israel, zu<br />

überzeugen, der Gemeinschaft, die ich<br />

oben beschrieben habe, beizutreten.<br />

Der Gemeinschaft jener, die sich hauptberuflich<br />

mit dem Streben nach sozialer<br />

Gerechtigkeit, wirklicher Gleichheit und<br />

Solidarität beschäftigen. Vielleicht würden<br />

Sie es dann auch für richtig halten, Ihre<br />

Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen – Büros,<br />

Angestellte, politische Kontakte –, um<br />

uns in unserer Überzeugungsarbeit zu helfen,<br />

vielleicht würden dann auch Sie der<br />

Bewegung jener Bürger folgen, die versuchen,<br />

den Platz, in dem sie leben, zu einem<br />

besseren zu machen – zum Wohle ALLER<br />

seiner Bürger.


Donnerstag, 15. Mai 2008 MEINUNG 41<br />

Das ewige Klischee „Nahost-Konflikt“<br />

„Ich bedaure, dass am 60. Geburtstag<br />

meines Landes der arabisch-israelische<br />

Konflikt Hauptthema einer Kunstausstellung<br />

wird“: Entgegnung auf den<br />

offenen Brief von Tal Adler (s. Seite 40).<br />

V<br />

quergeschrieben<br />

Abkehr vom Utilitarismus<br />

Das Brauchbare und das Wertvolle<br />

sind nicht dasselbe.<br />

A<br />

or einem Jahr wurde ich von Prof.<br />

Essl überrascht, als er mir mitteilte,<br />

dass er dem Staat Israel ein Ge-<br />

schenk zum 60. Unabhängigkeitstag in<br />

Form einer israelischen Kunstausstellung<br />

bereiten wolle. So eine Ausstellung im renommierten<br />

Essl Museum wäre einerseits<br />

eine Chance für israelische Künstler, sich<br />

auf der internationalen Bühne vorzustellen,<br />

andererseits würde sie dem österreichischen<br />

Publikum Israel, seine Menschen,<br />

Natur, Kultur und Kunst, sein Leben,<br />

ja seine Seele, näher bringen.<br />

Der Staat Israel wurde vor 60 Jahren unter<br />

schwierigsten Umständen gegründet.<br />

Damals musste man unverbesserlicher Optimist<br />

sein, um an sein langjähriges Überleben<br />

zu glauben. Am 14. Mai 1948 brachen<br />

die arabischen Staaten einen Krieg vom<br />

Zaun, um sein Entstehen im Keim zu ersticken.<br />

Zu diesem Zeitpunkt lebten in Israel<br />

ca. 650.000 Juden, 6000 verloren im Unabhängigkeitskrieg<br />

ihr Leben. Seitdem musste<br />

Israel seine Existenz mehrmals verteidigen.<br />

Bis heute verneinen mehrere arabische<br />

Staaten das einfache Existenzrecht des<br />

Staates Israel. Israel, auf der anderen Seite,<br />

hat den Willen zu Frieden und friedlicher<br />

Nachbarschaft schon in seiner Unabhängigkeitserklärung<br />

1948 verankert und strebt<br />

unermüdlich weiter in diese Richtung.<br />

Araber sind gleichberechtigte Bürger<br />

Der Staat Israel ist so groß (oder klein) wie<br />

Niederösterreich. In seinem 60. Jahr leben<br />

in ihm rund 7,2 Millionen Menschen. Viele<br />

sind neu eingewandert oder gehören einer<br />

Einwandererfamilie an. In den ersten drei<br />

Jahren nach der Gründung fanden fast<br />

700.000 Überlebende der Shoah wie auch<br />

Juden aus arabischen Ländern Zuflucht. Israel<br />

öffnete seine Tore für jeden Juden und<br />

jede Jüdin. Verfolgte und gepeinigte Menschen<br />

aus aller Herren Ländern haben in<br />

Israel eine Heimat gefunden. Zwischen<br />

1990 und 1999 kamen fast eine Million Einwanderer<br />

aus der ehemaligen Sowjetunion,<br />

mehrere zehntausende aus Äthiopien. 2008<br />

leben in Israel ca. 5,8 Millionen Juden.<br />

In Israel leben ca. 1,3 Millionen arabische<br />

Bürger. Nach dem Unabhängigkeitskrieg<br />

waren es 150.000. Auch die arabische<br />

Dan Ashbel ist seit 2005 Botschafter Israels in Österreich.<br />

Er war u. a. Presse- und Kulturattaché in Bonn<br />

und London, zudem Generalkonsul in Philadelphia.<br />

meinung@diepresse.com<br />

m letzten Abend einer für interessierte<br />

Laien gedachten Vortragsserie, die ich<br />

vor einigen Monaten über die<br />

„schönste Formel“ hielt, in der die berühmtesten<br />

mathematischen Konstanten p (das<br />

Verhältnis von Umfang zu Durchmesser<br />

eines Kreises), e (die Basis des natürlichen<br />

Logarithmus) und i (die sogenannte imaginäre<br />

Einheit, die mit sich selbst multipliziert<br />

minus eins ergibt) ineinander verknüpft<br />

sind, war ein maßgeblicher Wissenschaftsjournalist<br />

anwesend, der nach dem Vortrag<br />

wohlwollend kritisch bemerkte: „All dies<br />

klingt ja ganz aufregend und interessant.<br />

Aber was mir bei Ihnen fehlte, war eine Erklärung,<br />

wozu man denn diese Formel<br />

überhaupt braucht.“<br />

„Wozu braucht man das?“ Diese entwaffnende<br />

Frage begleitet den Mathematikunterricht<br />

seit seinen Anfängen in grauer Vorzeit.<br />

Und in den letzten Jahrzehnten meinten<br />

die Gestalter der Lehrpläne dieser obstinat<br />

gestellten, in Frageform verhüllten Anklage,<br />

Rechnung leisten zu müssen. Extrem<br />

erlebt man es bei der sogenannten „Mathe-<br />

Bevölkerung Israels ist nicht aus einem Fell.<br />

Die Mehrheit bilden die Moslems, dazu<br />

kommen Christen der verschiedensten Kirchen<br />

wie auch Drusen. All diese ethnischen<br />

wie religiösen Gruppen sind gleichberechtigte<br />

Bürger (nicht „Mitbürger“). Die arabische<br />

Sprache gemeinsam mit dem Hebräischen<br />

sind die offiziellen Sprachen (siehe Orts- und<br />

Straßentafeln). Die arabischen Bürger sind in<br />

der Knesset (dem Parlament) wie auch als<br />

Minister in der Regierung vertreten. Sie genießen<br />

– selbstverständlich – alle zivilen<br />

Rechte und Freiheiten, es gibt keine Beschränkung<br />

beim Bau von neuen Moscheen<br />

oder Kirchen. Im Gegenteil, der Staat subventioniert<br />

die religiösen Dienste.<br />

Wo bleiben palästinensische NGOs?<br />

Auf diesem vielfältigen Hintergrund ist in<br />

den letzten 60 Jahren in Israel ein menschliches<br />

und kulturelles Mosaik entstanden, das<br />

seinesgleichen sucht. Die gegenseitige geistige<br />

Befruchtung, die geopolitischen, historischen<br />

und theologischen Gegebenheiten haben<br />

dazu beigetragen, dass Israel nicht nur<br />

eine führende Kraft in Landwirtschaft, Wissenschaft<br />

und technischer Innovation ist. Sie<br />

sind auch der Nährboden für ein vielschichtiges<br />

und faszinierendes kulturelles und<br />

künstlerisches Schaffen.<br />

Wer einen Blick auf die israelische Kulturszene<br />

wirft, ist von der Vielfalt und Originalität<br />

beeindruckt. Trotz der „politischen und<br />

kriegerischen Auseinandersetzungen“, wie<br />

Prof. Essl im Vorwort zum Ausstellungs<strong>katalog</strong><br />

schreibt, hat – im Gegensatz zur Meinung<br />

von Prof. Essl – sehr wohl „eine kontinuierliche<br />

berufliche und wissenschaftliche<br />

Ausbildung der Menschen“ stattgefunden.<br />

Mehr noch, in den letzten Jahren erhielten<br />

drei israelische Wissenschaftler den Nobel-<br />

matik im Kontext“, wo abstraktes Denken<br />

kaum noch vorkommt. Das Schwergewicht<br />

wird allein darauf gelegt, „wirkliche“ Anwendungen<br />

der Mathematik zu vermitteln, durch<br />

Aufgaben, die an die „Lebenswelt“ der Schülerinnen<br />

und Schüler angelehnt sind.<br />

Ein Lehrer, der seit 30 Jahren an einem<br />

deutschen Gymnasium unterrichtet, berichtete<br />

vor kurzem einer Redakteurin der „Welt“,<br />

wie wenig ihn dieser Trend begeistert: Viele<br />

seiner Schülerinnen und Schüler leiden darunter.<br />

Sie könnten sich mit Mathematik besser<br />

anfreunden, wenn sie nicht immer diesen<br />

Sachzwängen unterworfen wären. Doch laut<br />

äußern dürfe er seine Kritik nicht, denn sonst<br />

werde er schnell als „unwilliger, altmodischer<br />

Lehrer“ abgestempelt.<br />

Von der am 25. April in „Science“ erschienenen<br />

Studie „The Advantage of Abstract Examples<br />

in Learning Math“ erhalten endlich Kritiker<br />

wissenschaftlich fundierte Rückendeckung:<br />

Studierende, die ausschließlich abstrakt<br />

gelernt hatten, schneiden bei Eignungstests<br />

deutlich besser ab als jene, die nur mit<br />

anwendungsorientierten Aufgaben vertraut<br />

waren. Für Sebastian Walcher von der TH Aachen<br />

ist dieses ernüchternde Ergebnis wenig<br />

überraschend: Wird in der Schule bloß eine<br />

große Anzahl von Pseudoproblemen kreiert<br />

GASTKOMMENTAR VON DAN ASHBEL<br />

preis, immer mehr internationale Hightech-Firmen<br />

bauen Forschungszentren in<br />

Israel auf. In der Ausstellung „Overlapping<br />

<strong>voices</strong>“ werden Sie nur sehr wenig, wenn<br />

überhaupt, von dieser Vielseitigkeit sehen.<br />

Statt sich dem weiten Feld künstlerischen<br />

Schaffens zu widmen, verfällt die Ausstellung<br />

dem ewigen Klischee des „Nahost-<br />

Konflikts“. Vier Projekte werden den BesucherInnen<br />

vorgestellt. Alle von israelischen<br />

NGOs. Alle beschäftigen sich mit Aspekten<br />

des menschlichen Konflikts. Wenn das Thema<br />

die Menschen der Region ist, wo sind<br />

die arabischen oder palästinensischen<br />

NGO-Projekte gegen Terror, für Menschenrechte<br />

in der arabischen Welt? Wo die<br />

Künstler, die sich mit der Flucht hunderttausender<br />

Juden aus den arabischen Ländern<br />

nach der Gründung des Staates Israel<br />

beschäftigen? Geben Sie sich keine Mühe,<br />

sie zu suchen, Sie werden sie nicht finden.<br />

Stattdessen werden Sie unter den Kuratoren<br />

und Künstlern einige finden, die sich als<br />

Palästinenser darstellen, obwohl sie israelische<br />

Bürger sind. Es ist ihr gutes Recht, sich<br />

darzustellen, wie sie wollen. Könnten Sie<br />

sich aber einen Künstler, eine Künstlerin<br />

aus einem arabischen Land vorstellen, der<br />

sich als Jude, Zionist oder Israeli darstellen<br />

würde, dürfte, könnte? Wieder einmal wird<br />

die Münze dort gesucht, wo es Licht gibt,<br />

und nicht, wo sie verloren gegangen ist.<br />

Ich bedaure, dass am 60. Geburtstag meines<br />

Landes der arabisch-israelische Konflikt<br />

Hauptthema einer Kunstausstellung wird.<br />

Ich erlaube mir aber trotzdem die Hoffnung,<br />

dass auch diese Ausstellung einige<br />

seiner BesucherInnen zu einer Beobachtung<br />

des Landes, seiner Menschen und seiner<br />

kunstschaffenden Szene vor Ort, nämlich<br />

in Israel selber, animieren wird.<br />

VON RUDOLF TASCHNER<br />

und wird jede mathematische Aufgabe in<br />

einen Sachzusammenhang gepresst, bereitet<br />

man keineswegs gut für das Studium vor.<br />

Auch wenn es manche Schulexperten<br />

nicht wahrhaben wollen: Schülerinnen und<br />

Schüler haben Freude am abstrakten Lernen,<br />

es ist für sie, die ohnedies auf Schritt und<br />

Tritt mit der „lebensnahen“ Schule bedrängt<br />

werden, zuweilen befreiend, mit Zahlen umzugehen<br />

und geometrische Figuren in den<br />

Blick zu nehmen, die nur für sich stehen.<br />

Für die Mathematiklehrerinnen und -lehrer<br />

ebenso. Wirtschaftsmathematik, Statistik<br />

und Wahrscheinlichkeitsrechnung – Gebiete,<br />

die mit vollem Recht zum Lehrinhalt gehören<br />

– tragen ihre unmittelbare Anwendbarkeit<br />

ohnehin in sich. Da tut es gut, wenn man<br />

auch Mathematik l’art pour l’art unterrichten<br />

kann, als schönen Unterrichtsgegenstand,<br />

der sich in seiner Abstraktheit selbst genügt.<br />

Denn von dieser in sich selbst ruhenden Ästhetik<br />

waren diese Lehrkräfte während des<br />

Studiums fasziniert. Man soll sie nicht daran<br />

hindern, diese Faszination weiterzugeben.<br />

Rudolf Taschner ist Mathematiker und Betreiber des<br />

math.space im Wiener Museumsquartier.<br />

meinung@diepresse.com<br />

60 Jahre Israel sind<br />

60 Jahre Katastrophe<br />

VON OMAR AL-RAWI<br />

Die Welt feiert Israel – uns sei es<br />

gestattet, der „Nakba“ zu gedenken.<br />

D<br />

ie einen feiern 60 Jahre Staatsgründung,<br />

die anderen reden von der<br />

„Nakba“, auf Arabisch „Katastro-<br />

phe“. So eng kann Freude und Leid beieinander<br />

liegen. Die einen feiern ein rundes<br />

Jubiläum, die anderen warten noch immer<br />

auf ihren Staat. Keiner redet von dem<br />

Existenzrecht des palästinensischen Staates.<br />

Gewiss stellt ihn keiner explizit in Frage,<br />

doch implizit wird alles getan, um es<br />

zu verunmöglichen. Allein die illegalen<br />

Siedlungen zerfransen das Gebiet und lassen<br />

es wie einen Fleckerlteppich aussehen,<br />

wirtschaftlich und politisch nicht<br />

überlebensfähig. Eine Politik der vollendeten<br />

Tatsachen.<br />

Politische und militärische Übermacht<br />

Ben Gurion selbst äußerte einst seine Besorgnis<br />

darüber, dass die Araber Israel nie<br />

anerkennen würden. Denn die biblische<br />

Legitimation ist einseitig, die zwar für die<br />

Juden gelten mag, aber ein solcher Anspruch<br />

kann andere nicht verpflichten,<br />

schon gar nicht die Araber, die unmittelbare<br />

Kontrahenten im Konflikt sind. Der<br />

Schrecken des Holocaust ist das schlagende<br />

Argument in dieser Diskussion,<br />

schließlich nannte niemand Geringerer<br />

als Abba Eban die Grenzen von 1967 als<br />

die Grenzen von Auschwitz.<br />

Doch auch diese Legitimation ist nur<br />

zum Teil universalistisch, denn die Palästinenser<br />

haben mit dem Holocaust nichts<br />

zu tun. Noch frisch in Erinnerung ist die<br />

Weigerung des damaligen Außenministers<br />

von Ägypten, Amr Musa, in den 90er-<br />

Jahren, den sonst obligaten Besuch in der<br />

Holocaust-Gedenkstätte in Yad Vashem<br />

abzustatten, mit dem Hinweis, die Araber<br />

seien nicht für den Holocaust zu verpflichten.<br />

Was den Arabern übrigbleibt, ist die<br />

Anerkennung der Faktizität Israels. Und<br />

hier scheint der einzig mögliche pragmatische<br />

Weg der Lösung. Israel sollte mehr<br />

pragmatische als dogmatische Diskussionen<br />

zulassen. Angebote auf einen längeren<br />

Waffenstillstand von zehn Jahren und<br />

mehr sollten akzeptiert werden. Denn politisch<br />

wie militärisch sind die Israelis<br />

übermächtig. Sie, vor allen anderen, tragen<br />

die Verantwortung dafür, dass der<br />

tote Punkt überwunden wird.<br />

Jerusalem ist schon ethnisch geteilt<br />

Die Hamas wird sich in eine politische Bewegung<br />

verwandeln, sofern sie die Gelegenheit<br />

dazu bekommen würde. Solche<br />

Metamorphosen hat es in der Geschichte<br />

schon öfters gegeben. Und eine Lösung<br />

der großen Brocken – Status Jerusalems,<br />

Siedlungen, Rückkehrrecht der vertriebenen<br />

Palästinenser – muss dringend angegangen<br />

werden. Tony Judt meint zwar, es<br />

wird keine Rückkehr vertriebener Palästinenser<br />

geben; umgekehrt ist es aber Zeit,<br />

jüdische Rückkehransprüche aufzugeben.<br />

Denn Jerusalem ist, wie er meint, schon<br />

jetzt ethnisch geteilt und wird am Ende<br />

die Hauptstadt beider Staaten sein. Auch<br />

Israel wird es nicht erspart bleiben, dunkle<br />

Seiten seiner Geschichte aufzuarbeiten<br />

und Wiedergutmachungen zu leisten.<br />

Das Jahr der Staatsgründung Israels ist<br />

auf das engste mit dem Kontext des Zweiten<br />

Weltkriegs verknüpft. Angelika Merkel<br />

hat das nicht vergessen. Doch sollte sie<br />

auch überlegen, ob nicht Deutschland für<br />

das Schicksal der Palästinenser und die<br />

vielen noch vertriebenen Flüchtlinge eine<br />

historische Verantwortung trägt.<br />

Die Muslime Europas als Zuwanderer<br />

haben mit dieser dunklen Geschichte Europas,<br />

Gott sei Dank, nichts zu tun. Doch<br />

verpflichtet uns unsere neue Heimat genauso,<br />

ihre Geschichte mitzutragen. Man<br />

kann sich nicht nur die Rosinen aussuchen.<br />

Daher werden wir Mitstreiter gegen<br />

jegliche Form von Rassismus, Antisemitismus<br />

und Islamfeindlichkeit sein. Aber<br />

wir werden uns mit der legitimen Forderung<br />

der Palästinenser solidarisieren.<br />

Und es sei uns gestattet, der „Nakba“ zu<br />

gedenken.<br />

Omar Al-Rawi, geboren 1961 in Bagdad, ist<br />

Integrationsbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft<br />

in Österreich.<br />

meinung@diepresse.com


aUsstellUngsaUfBaU / assemBling of the eXhiBition<br />

29


Kuratorische Verantwortung und<br />

ausstellungen politischer israelischer<br />

und palaestinensischer Kunst in europa<br />

alexander ari Joskowicz<br />

kuratiert oder veranstaltet man ausstellungen palästinensischer<br />

und israelischer politischer kunst<br />

in europa, sieht man sich mit zwei gegensätzlichen<br />

Positionen konfrontiert. Die erste Position meint,<br />

es sei nicht notwendig, solche werke in einem europäischen<br />

land zu kontextualisieren, nicht einmal<br />

wenn sie in einer gesellschaft gezeigt werden,<br />

die zutiefst in die shoah verwickelt war (wie zum<br />

Beispiel der österreichischen). Die kunstwerke<br />

sprechen für sich selbst, und egal welche verstrickungen<br />

es zwischen der israelischen, österreichischen<br />

und palästinensischen geschichte gab,<br />

sie unterscheiden sich qualitativ nicht von den verstrickungen<br />

in der geschichte anderer länder. aus<br />

dieser Perspektive muss die tatsache, dass viele<br />

Österreicher vor einem halben Jahrhundert in<br />

nazi-verbrechen involviert waren, nicht bedeuten,<br />

dass die Österreicher von heute unfähig sind, die<br />

israelische und palästinensische Realität unbeeinflusst<br />

wahrzunehmen. Die zweite Position vertritt<br />

die ansicht, dass die Österreicher und Österreich<br />

als gesellschaft so tief in die naziverbrechen verstrickt<br />

waren, dass eine ausstellung politischer<br />

kunst, die in irgendeiner weise mit Juden in Zusammenhang<br />

steht, von umfangreichen erklärungen<br />

über die geschichte des österreichischen<br />

antisemitismus und das schicksal der österreichischen<br />

Juden während des Zweiten weltkriegs<br />

begleitet sein muss.<br />

Die erste Position ist nur schwer aufrechtzuerhalten,<br />

wenn man bedenkt, dass die österreichische<br />

und die jüdische geschichte nicht einfach nur<br />

„verstrickt“ sind. vielmehr wird die österreichische<br />

wahrnehmung von Juden, israelis und Palästinensern<br />

immer noch stark von Bildern, Debatten und<br />

gefühlen beeinflusst, die auf die naziherrschaft in<br />

Österreich zurückgehen. Die idee einer österreichischen<br />

nation begann in der nachkriegszeit akzeptanz<br />

zu finden, als die Österreicher versuchten,<br />

sich von den vorgeblich deutschen (d. h. nicht österreichischen)<br />

verbrechen zu distanzieren. es<br />

30 OVERLAPPING VOICES<br />

wäre unredlich zu behaupten, dass Österreich –<br />

eine nation, deren existenz geradezu auf der Distanzierung<br />

von den verbrechen gegen die Juden<br />

gründet – ein neutraler ort für die ausstellung von<br />

kunst sei, die die konsequenzen der gründung<br />

eines „jüdischen staates“ beleuchtet. in einem<br />

land wie Österreich sowie in anderen ländern, in<br />

deren geschichte es starke nationalsozialistische<br />

oder antisemitische gefühle gab, ist die Diskussion<br />

über die schuld, die israel und die israelis auf<br />

sich geladen haben, oft teil eines versuches, anschuldigungen<br />

abzuwehren, die eigenen staatsbürger<br />

seien in die verbrechen des nationalsozialismus<br />

verwickelt gewesen. was, wenn nicht die<br />

geschichte des nationalsozialismus, würde einer<br />

solchen ausstellung in großen teilen europas lokale<br />

Relevanz geben?<br />

Die zweite Position geht zwar viel sensibler mit fragen<br />

der politischen verortung um, weist aber ebenfalls<br />

fallstricke auf. Dieser aufsatz setzt sich mit<br />

der möglichkeit einer besonderen form von kontextualisierung<br />

auseinander, die sich bewusst ist,<br />

welche einschränkungen und gefahren darin liegen,<br />

moralisch bestimmte wahrnehmungsinstruktionen<br />

für Betrachter zu schaffen. es soll erörtert<br />

werden, mit welcher art von intervention tatsächlich<br />

ein Raum geschaffen wird, der es ermöglicht,<br />

sich mit der arbeit und der politischen Botschaft<br />

eines künstlers auseinanderzusetzen, auch in<br />

einem kontext, der besondere historische sensibilität<br />

verlangt. obwohl es hier im speziellen um<br />

den holocaust und israelische und palästinensische<br />

kunst geht, lassen sich die angestellten<br />

Überlegungen auch auf andere Zusammenhänge<br />

anwenden – auf die frage beispielsweise, wie die<br />

geschichte der kolonialbeziehungen und der europäischen<br />

islamophobie die Rezeption politischer<br />

kunst aus früheren kolonien in nordafrika und im<br />

nahen osten in verschiedenen europäischen ländern<br />

heute beeinflusst. letztendlich sollte dieser<br />

aufsatz nicht als erklärung der kuratorischen ent-<br />

scheidungen gesehen werden (die eigenständig<br />

getroffen wurden), sondern als ein versuch, mit<br />

den kuratoren und den anderen veranstaltern der<br />

ausstellung in Dialog zu treten.<br />

Intervention und Erklärung<br />

Die Rezeptionserfahrung des Publikums wird nicht<br />

nur durch die anordnung im ausstellungsraum bestimmt.<br />

sie wird von vielen zusätzlichen elementen<br />

beeinflusst, von denen einige kontrolliert werden<br />

können (wie etwa der ausstellungstitel) und andere<br />

nicht (beispielsweise die öffentliche identität<br />

von veranstaltern und kuratoren). einer der aspekte,<br />

die nicht geändert werden können, ist die<br />

tatsache, dass die künstler als israelis und Palästinenser<br />

markiert werden. egal welchen titel die<br />

ausstellung trägt und wie sehr sich die kuratoren<br />

auch anstrengen, vorgefasste kategorien zu meiden,<br />

die „<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>“ werden immer als<br />

israelische und palästinensische stimmen verstanden<br />

werden.<br />

im Zusammenhang mit dieser identifizierung mit<br />

einer „seite“ eines konfliktes gibt es zwei Probleme.<br />

erstens könnten die arbeiten als authentische<br />

stimme oder repräsentativer ausdruck der<br />

gefühle einer seite angesehen werden. Da dieses<br />

thema von kritikern wie künstlern häufig angesprochen<br />

wird, werde ich nicht weiter darauf eingehen.<br />

ein zweites Problem, dem viel weniger aufmerksamkeit<br />

geschenkt wird, ist die tatsache, dass<br />

Besucher mit geringer kenntnis der politischen<br />

Umstände im nahen osten sich auf die pädagogische<br />

funktion der arbeiten konzentrieren werden.<br />

sie werden danach trachten, aus ihnen grundlegende<br />

informationen über die politische situation<br />

zu gewinnen, anstatt sie als politischen kommentar<br />

zu lesen.<br />

Das gilt sogar für Projekte, die nicht offenkundig<br />

etwas zu erklären versuchen. Das Projekt von Yoav<br />

weiss, das die „grenzmauer“ in israel kommentiert,<br />

ist ein gutes Beispiel. in seinem statement


schreibt weiss, dass stücke der Berliner mauer<br />

letztendlich um gutes geld verkauft wurden, sobald<br />

das Bauwerk seine kontrollfunktion verloren<br />

hatte. laut weiss wird der israelischen mauer sicher<br />

ein ähnliches schicksal beschieden sein, und<br />

teile davon werden bald zu begehrten souvenirs<br />

werden. er offeriert ein besonderes schnäppchen<br />

für frühentschlossene, die sich bereits jetzt ihr<br />

stück von der mauer sichern wollen.<br />

im israelischen kontext ist die arbeit von weiss<br />

eine intervention. Die interpretation seiner arbeiten<br />

im land selbst basiert immer darauf, dass die<br />

Betrachter die israelische mauer und die Realität,<br />

für die sie steht, schon kennen. wir sollten uns<br />

nicht so sehr darüber gedanken machen, dass einzelne<br />

Betrachter in Österreich oder anderswo in<br />

europa die tatsache übersehen könnten, dass<br />

weiss ironisch spricht. wichtiger ist, dass sogar<br />

jene europäischen Betrachter, die die arbeit als<br />

ironischen kommentar verstehen, beim verweis<br />

auf die weniger bekannte mauer in israel an die<br />

bekanntere Berliner mauer denken werden. wenn<br />

sich umsichtige österreichische Betrachter die arbeit<br />

von weiss mit dem Ziel anschauen, die mauer<br />

in israel zu verstehen, ihre konsequenzen und ihre<br />

politische Bedeutung, dann tun sie das unvermeidlich<br />

beeinflusst davon, was sie über die Berliner<br />

mauer wissen. Die arbeit von weiss wird für jene,<br />

die mit der geschichte der israelischen mauer<br />

nicht vertraut sind, eine größtenteils pädagogische<br />

funktion haben.<br />

kurz gesagt: Der Unterschied ist, dass in israel die<br />

kunst hauptsächlich in einem kontext interveniert,<br />

während sie in Österreich auch erklärt. Damit erhebt<br />

sich die frage: würde der zusätzliche pädagogische<br />

wert, der sich daraus ergibt, dass politische kunst<br />

verpflanzt und in einer gruppenausstellung im ausland<br />

gezeigt wird, nicht verlangen, dass sich die kuratoren<br />

auch mit dieser ebene irgendwie auseinan-<br />

dersetzen?<br />

ein lösungsweg könnte die schaffung eines getrennten<br />

Raums sein, der den informationsbedarf<br />

der Besucher stillt und über den kontext der ausgestellten<br />

kunst auskunft gibt. Dabei geht es nicht<br />

darum, einzelne kunstwerke zu erklären – beispielsweise<br />

ein hinweisschild aufzustellen, das erläutert,<br />

wie die installation von weiss zu lesen ist.<br />

sondern darum, durch ein zusätzliches informationsangebot<br />

die kunst von der funktion des lehrmittels<br />

zu befreien, für die sie nicht recht taugt. im<br />

essl museum werden in einem separaten Raum<br />

informationen über aspekte wie die geschichte<br />

der vom staat israel gebauten mauer oder ein glossar<br />

bereitgestellt, und – dieser ansatz lässt den<br />

kunstwerken mehr Raum, ihre eigene autonome<br />

sprache zu entwickeln.<br />

Zugleich hat ein solches arrangement den nachteil,<br />

dass kunst- und informationsteil miteinander<br />

konkurrieren könnten. schließlich können information<br />

und hintergrund kaum neutral bleiben. sowohl<br />

die ausgestellten kunstwerke als auch die in-<br />

formationen sind politische interventionen. für<br />

dieses Problem gibt es keine einfache lösung.<br />

Bestenfalls sollte der informationsteil darauf abzielen,<br />

den kontext der verschiedenen kunstwerke<br />

auf flexible art zu erklären, indem er die politischen<br />

Debatten, auf die verwiesen wird, in einen historischen<br />

Bezugsrahmen stellt. anstatt offen politische<br />

erklärungen zur gebauten mauer abzugeben,<br />

sollte er die geschichte der Diskussion über<br />

dieses Projekt aufzeigen, einschließlich der geschichte<br />

der darin verwendeten terminologie (wie<br />

z. B. „apartheid wall“, „security barrier“ und „separation<br />

fence“), sowie gegensätzlicher argumente<br />

zur legitimität der mauer und ihrer konsequenzen<br />

für das leben von Palästinensern und israelis. es<br />

geht hier weder darum eine art politischer objektivität<br />

zu behaupten, noch darum kunstwerke vor<br />

kuratorischen eingriffen zu schützen, um ihre vermeintliche<br />

authentizität zu bewahren. vielmehr ist<br />

das Ziel, sie nicht auf die bloße illustration einer<br />

programmatischen erklärung anderer autoren zu<br />

reduzieren. was für einen sinn hätte es, eine komplexe<br />

arbeit wie jene von Yoav weiss zu zeigen,<br />

wenn daneben eine lange abhandlung (oder sogar<br />

eine politische erklärung) der kuratoren über<br />

ihre ablehnung der mauer zu finden wäre?<br />

Seltsame Bedeutungen, seltsame<br />

Bundesgenossen<br />

ein zweiter Problemkreis erschließt sich, wenn die<br />

Besucher ein kunstwerk zwar nicht als ausgangspunkt<br />

für eine erklärung, sondern als intervention<br />

ansehen – aber als eine intervention, die themen<br />

anspricht, die israelischen oder palästinensischen<br />

Betrachtern nicht in den sinn kommen würden.<br />

Der kern dieses Problems liegt darin, dass die politische<br />

Botschaft der ausgestellten kunstwerke ursprünglich<br />

oft nicht an ein österreichisches Publikum<br />

gerichtet war. arbeiten wie die Dokumentation<br />

von tal adler über die nicht anerkannten Beduinendörfer<br />

könnten als interventionen in mehreren<br />

kontexten gesehen werden. adler verwendet eine<br />

sprache, die dem Publikum in tel aviv genauso<br />

zugänglich ist wie dem Publikum in london oder<br />

wien. Und doch versucht er nicht, gegenwärtige<br />

österreichische Bilder von israelis, Juden, Palästinensern<br />

und Beduinen zu hinterfragen, die von<br />

der österreichischen geschichte kollektiver antijüdischer<br />

gewalt, den Debatten zur schuld am genozid<br />

und vom antisemitismus beeinflusst<br />

werden.<br />

sogar die auswahl der kuratoren und die organisation<br />

der ausstellung haben in Österreich eine<br />

andere Bedeutung als innerhalb der israelischen<br />

und palästinensischen gesellschaft. Die tatsache<br />

allein, dass ein jüdischer israeli und eine Palästinenserin<br />

als kuratoren fungieren, sowie die tatsache,<br />

dass die arbeiten von palästinensischen und<br />

israelischen künstlern seite an seite gezeigt werden,<br />

ist ein statement gegen jene, die einer solchen<br />

Bündnisbildung feindlich gegenüberstehen.<br />

für die israelis und Palästinenser kann dies als<br />

Beleg für die möglichkeit eines gemeinsamen<br />

kampfes gegen die Besetzung dienen. Das muss<br />

jedoch nicht die primäre interpretation in Österreich<br />

sein. in Österreich könnte die tatsache, dass<br />

kuratoren und künstler paritätisch von „beiden<br />

seiten“ kommen, das trügerische gefühl verstärken,<br />

dass die Österreicher als unbeteiligte Dritte<br />

auftreten könnten. auch wenn beide kuratoren in<br />

ihrem widerstand gegen die israelische Besetzung<br />

eine gemeinsame sicht haben, gibt es immer noch<br />

das gefühl, dass allein weil beide identitäten präsent<br />

sind, die Österreicher zu so etwas wie neutralen<br />

vermittlern werden; eine Rolle, für die sie,<br />

wie oben beschrieben, in diesem fall schlecht gerüstet<br />

sind.<br />

Die frage ist, wie eine ausstellung mit der tatsache<br />

umgehen soll, dass die österreichischen medien<br />

die israelis und damit auch die Palästinenser<br />

immer durch die Brille der österreichischen vergangenheit<br />

sehen. vielleicht ist in diesem fall die<br />

metapher der Brille auch zu schwach: es geht<br />

nicht um eine fehlerhafte lesart, sondern um Projektion.<br />

Politische kunst aus israel/Palästina kann<br />

eine chance zur auseinandersetzung mit historischen<br />

themen darstellen, die nicht immer offen<br />

angesprochen werden. Die Diskussion bei einem<br />

jüngst in wien abgehaltenen israelischen filmfestival<br />

kann als Beispiel dafür dienen. nach der vorführung<br />

eines films über eine liebesaffäre zwischen<br />

zwei frauen in der israelischen armee boten<br />

die veranstalter den Zusehern die gelegenheit, den<br />

film mit dem Regisseur zu diskutieren. in der Diskussion<br />

erwähnte eine österreichische frau im Publikum<br />

den selbstmord ihres großvaters, der in der<br />

wehrmacht gekämpft hatte. ein anderes mitglied<br />

des Publikums beschuldigte sie daraufhin des faschismus.<br />

innerhalb von minuten hatte sich die<br />

Diskussion von einem gespräch über sexuelle<br />

identitäten in israel auf einen polemischen austausch<br />

über die österreichische Beteiligung an den<br />

nazikriegsverbrechen verlagert. Der film wurde<br />

nicht missverstanden. er wurde nur zum anlass<br />

für eine vollkommen andere Debatte.<br />

im oben beschriebenen kontext hat jede Beschäftigung<br />

mit israelischer Politik – besonders wenn es<br />

um die missachtung von menschenrechten geht,<br />

wie in der Dokumentation von tal adler über nicht<br />

anerkannte Beduinendörfer – das Potenzial, zu einer<br />

wiederaufnahme der Diskussion über die kollektive<br />

österreichische geschichte und die familiengeschichte<br />

einzelner Österreicher zu führen.<br />

teil des argumentes für die veranstaltung dieser<br />

ausstellung über israelische und palästinensische<br />

politische kunst war die tatsache, dass es spannend<br />

ist zu sehen, wie eine solche Debatte in Österreich<br />

funktioniert. leider haben die Umstände<br />

auch das Potenzial, sich hinderlich auf eine Rezeption<br />

auszuwirken, die einen differenzierten<br />

Blick auf die israelische und palästinensische Politik<br />

und ihre konflikte erlauben würde. eine auf-<br />

31


arbeitung der frage der österreichischen schuld<br />

und der historischen verantwortung kann auch<br />

den versuch unterminieren, über eine simplifizierte<br />

sicht hinauszugelangen, die eine komplexe situation<br />

auf eine unkomplizierte aufteilung in täter<br />

und opfer im nahen osten reduziert.<br />

was kann es bedeuten, über eine solche ausstellung<br />

im österreichischen kontext unter diesen Umständen<br />

politisch zu reflektieren? sollte es einen<br />

extrateil geben und anweisungen für die kunstvermittler<br />

darüber, wie man mit der Reflexion der<br />

nazivergangenheit in kunstwerken, die dieses<br />

thema gar nicht ansprechen wollten, umgehen<br />

soll? was bedeutet das für die palästinensische<br />

kunst, die nur indirekt teil dieser konstellation ist?<br />

statt klaren antworten kann dieser aufsatz nur eine<br />

Reihe von abschließenden Bemerkungen und vorschlägen<br />

anbieten:<br />

1) auch wenn wir davon ausgehen, dass die wahrnehmung<br />

israels in Österreich stark von der geschichte<br />

des europäischen Judentums und des genozids<br />

an den europäischen Juden beeinflusst ist,<br />

ist eine ausstellung über israel wahrscheinlich der<br />

am wenigsten geeignete ort, um die geschichte des<br />

antisemitismus anzusprechen. Das geschieht wohl<br />

besser in museen, die den Besuchern anregungen<br />

geben, wie sie über Diversität in ihrem eigenen Umfeld<br />

nachdenken können. 1 Das Ziel sollte darin bestehen,<br />

den perfekten Raum für österreichische<br />

wahrnehmungen zu bieten, der den Besuchern erlaubt,<br />

die interventionen der künstler zu verstehen<br />

– und nicht darin, kunstwerke über palästinensische<br />

und israelische Politik und lebensrealität<br />

dazu zu verwenden, erneut über österreichische<br />

geschichte nachzudenken.<br />

2) weiters können wir lediglich vermuten, dass die<br />

geschichte des österreichischen antisemitismus<br />

für die wahrnehmung der Besucher relevant ist,<br />

unter der annahme, dass der typische Besucher<br />

ein geborener Österreicher ohne migrationshintergrund<br />

ist und seine familiengeschichte möglicherweise<br />

einen Bezug zu naziverbrechen aufweist.<br />

32 OVERLAPPING VOICES<br />

Die Besucher von kunstausstellungen können jedoch<br />

unterschiedlicher herkunft sein, was es problematisch<br />

erscheinen lässt, wenn ausstellungsmacher<br />

von einem typischen oder idealbesucher<br />

ausgehen. Der oben vorgeschlagene „Reflexionsraum“<br />

wäre daher am sinnvollsten, wenn er von<br />

den kunstvermittlern des museums im Dialog mit<br />

tatsächlichen Besuchern geschaffen würde.<br />

3) wer in Österreich veranstaltungen über israel<br />

oder Palästina organisiert, nimmt gemeinhin an,<br />

dass eine Diskussion dann erfolgreich war, wenn<br />

niemand einen unangebrachten Bezug zum nationalsozialismus<br />

hergestellt hat. es besteht selbstverständlich<br />

die gefahr, dass vergleiche letztlich<br />

auf eine gleichsetzung der Politik der nazis und<br />

jener der israelis hinauslaufen. naive vergleiche<br />

sind nicht nur unangemessen im österreichischen<br />

kontext; sie sind auch problematisch für den politischen<br />

aktivismus von Palästinensern und israelis.<br />

sie reduzieren die israelischen und palästinensischen<br />

stimmen auf vertreter von schulddiskursen,<br />

statt sich mit den vorgebrachten argumenten<br />

auseinanderzusetzen.<br />

gleichzeitig würde ich vorschlagen, sich weniger<br />

davor zu fürchten, dass der israelisch-arabische<br />

konflikt und die Besetzung für Projektionen benützt<br />

werden könnten. Darstellungen von gewalt<br />

und ethisch verwerflichem verhalten einer gemeinschaft<br />

(auch wenn sie in einem kunstwerk nur angedeutet<br />

sind) lassen sich immer auf vielfache<br />

weise interpretieren und laden den Betrachter zu<br />

eigenen gedanken ein. Der versuch, den Betrachtern<br />

von vorneherein mit hilfe eines offiziellen<br />

statements vorzuschreiben, wie die kunst zu sehen<br />

sei, ist sinnlos und unproduktiv. wenn vermittler<br />

mit schulklassen versuchen würden, jeden vergleich<br />

zwischen der deutschen wehrmacht und israelischen<br />

soldaten zu unterbinden, indem sie diesen<br />

vergleich zum tabu erklären, würde das<br />

lediglich jede produktive Debatte abtöten. Das<br />

emanzipatorische Potenzial einer solchen ausstellung<br />

profitiert nicht davon, wenn dem Betrachter<br />

moralische Regeln über die richtige Rezeption der<br />

werke vorgeschrieben werden.<br />

in Österreich wird das interesse an der palästinensischen<br />

und israelischen Politik immer von der österreichischen<br />

– und ganz allgemein von der europäischen<br />

– vergangenheit beeinflusst. Die produktivste<br />

art, mit dieser tendenz umzugehen, ist es, das Risiko<br />

nicht zu scheuen und provokante und peinliche<br />

statements als gelegenheit anzusehen, neue<br />

sichtweisen auf israelis und Palästinenser zu entwickeln.<br />

es ist die aufgabe von kuratoren, solche<br />

Debatten zu erlauben, und die aufgabe von kunstvermittlern,<br />

sie zu fördern und produktiv zu gestalten<br />

– lieber abgestimmt auf tatsächliche Besucher<br />

als auf imaginäre und stereotype Österreicher, deren<br />

vorurteile wir einfach als gegeben annehmen.<br />

ein weg für kunstvermittler, fruchtbare Diskussionen<br />

zu fördern, liegt darin, andere Rezeptionsmodelle<br />

anzubieten; beispielsweise indem beschrieben<br />

wird, welche art von Rezeption eine<br />

arbeit in einem israelischen oder palästinensischen<br />

kontext hatte oder gehabt haben könnte. es muss<br />

darauf aufmerksam gemacht werden, dass die<br />

werke darauf abzielen, simplifizierte annahmen<br />

über identitäten, stimmen und Darstellungen zu<br />

hinterfragen. Das bedeutet nicht, dass es keine<br />

Rezeptionsethik gibt. Personen, die durch die ausstellung<br />

führen, sollten zum Beispiel durchaus ihr<br />

missfallen über unangebrachte Bemerkungen zum<br />

ausdruck bringen. nichtsdestoweniger sollte das<br />

hauptziel nicht sein, Peinlichkeiten auf ein minimum<br />

zu beschränken, sondern konstruktiv damit<br />

umzugehen.<br />

alexander ari Joskowicz lehrt europäische geschichte an der University<br />

of mississippi. er arbeitet momentan zum antiklerikalismus<br />

deutscher und französischer Juden im kontext der „kulturkämpfe“<br />

zwischen liberalen und der katholischen kirche seit der<br />

aufklärung.<br />

1 Zum thema museumspädagogik siehe Richard sandell,<br />

„museums, Prejudice and the Reframing of Difference“,<br />

london 2007.


curatorial responsiBility and the<br />

exhiBition of israeli and palestinian<br />

political art in europe<br />

alexander ari Joskowicz<br />

curators and organizers of exhibitions of Palestinian<br />

and israeli political art in europe will likely encounter<br />

two opposing positions concerning their<br />

responsibilities. the first is that there is no need to<br />

contextualize such works in a european country,<br />

even when they are exhibited in a society that was<br />

deeply implicated in the shoah (as in the case of<br />

austria). the artworks will speak for themselves,<br />

and whatever entanglement there is between israeli,<br />

austrian, and Palestinian history is not qualitatively<br />

different from the entanglement that the<br />

histories of other countries also entail. according<br />

to this perspective, although many austrians were<br />

implicated in the crimes committed by the nazis<br />

half a century ago, this need not mean that the<br />

austrians of today are incapable of seeing israeli<br />

and Palestinian realities on their own terms. the<br />

second position presents austrians and austria as<br />

a society so deeply implicated in nazi crimes that<br />

the exhibition of political art which deals with Jews<br />

in any way necessitates elaborate explanations on<br />

the history of austrian antisemitism and the fate of<br />

austria’s Jewry during the second world war.<br />

the first option is difficult to sustain given that austrian<br />

and Jewish history are not simply “entangled”.<br />

Rather, perceptions of Jews, israelis, and Palestinians<br />

continue to be strongly conditioned by the<br />

images, debates, and sentiments that stem from<br />

nazi rule in austria. the idea of an austrian nation<br />

gained acceptability in the post-war era when austrians<br />

sought to dissociate themselves from allegedly<br />

german (that is non-austrian) crimes. it would<br />

be disingenuous to claim that austria – a nation<br />

state whose very existence is predicated on the<br />

disassociation from crimes against Jews – represents<br />

a neutral space for the representation of art<br />

that highlights the consequences of the foundation<br />

of a “Jewish state”. in a country like austria<br />

and others with a history of strong nazi or antisemitic<br />

sentiment, the discussion of guilt acquired<br />

by israel and israelis often becomes part of an at-<br />

tempt to deflect accusations that its citizens were<br />

implicated in the crimes of national socialism. if<br />

the history of nazism is not part of making such<br />

an exhibition site specific in large parts of europe,<br />

what is?<br />

the second position is much more sensitive to questions<br />

of site specificity but has its own pitfalls. this<br />

essay explores the possibility of a particular form of<br />

contextualization that is conscious of the limitations<br />

and dangers of creating ethically charged suggestions<br />

of perception for viewers. it will consider what<br />

sort of interventions actually create a space that<br />

allows for an engagement with the artists’ works<br />

and political message; even in a context that demands<br />

particular historical sensitivities. although<br />

it explores the holocaust and israeli and Palestinian<br />

art specifically, the reflections pursued here<br />

might also apply in other contexts as well – for example,<br />

the way that the history of colonial relations<br />

and european islamophobia colour the reception<br />

of political art from former north african and<br />

middle eastern colonies in different european<br />

countries today. lastly, this piece should not be<br />

read as an explanation of the curators’ choices<br />

(which have been made according to their own<br />

considerations) but rather as an attempt to enter<br />

into dialogue with them and the other organizers<br />

of the exhibition.<br />

Intervention and Explanation<br />

the reception experience of the audience is conditioned<br />

not just by the arrangement of the exhibition<br />

space. it is shaped by many additional elements<br />

some of which can be controlled (such as the title<br />

of the exhibition) and others that cannot (such as<br />

the public identity of the producers and curators).<br />

one of the aspects that cannot be changed is the<br />

fact that the artists are marked as israeli or Palestinian.<br />

no matter what the title of the exhibition<br />

and how much effort the curators put into challenging<br />

preconceived categories, the “<strong>overlapping</strong><br />

<strong>voices</strong>” will always be read as israeli and Palestinian<br />

<strong>voices</strong>.<br />

there are two problems attached to this identification<br />

with a “side” in a conflict. the first is that the<br />

works could be seen as authentic <strong>voices</strong> or representative<br />

expressions of the feelings of one side.<br />

since this is the issue that is usually and often<br />

addressed by critics and artists alike, i will not discuss<br />

it further. a second problem that has received<br />

much less attention is the fact that viewers with<br />

little knowledge of the political circumstances in<br />

the middle east will focus on the pedagogical function<br />

of the works. they will mine them for basic information<br />

about political realities rather than read<br />

them as political commentaries.<br />

this is even true for projects that are not ostensibly<br />

trying to explain anything. Yoav weiss’ project,<br />

which comments on the so-called separation<br />

wall in israel, is a case in point. in his statement,<br />

weiss notes that pieces of the Berlin wall eventually<br />

sold for good money, once the structure lost<br />

its policing function. according to weiss the israeli<br />

wall will surely meet a similar fate and parts of<br />

it will soon become similarly coveted souvenirs. he<br />

thus offers a special deal for early birds who already<br />

want to secure their part of the wall.<br />

in the israeli context, weiss’ work is an intervention.<br />

interpretations of his work there are always<br />

predicated on the fact that the viewer already<br />

knows the israeli wall and the reality it stands for.<br />

it should concern us less that individual viewers in<br />

austria or elsewhere in europe might miss the fact<br />

that weiss is speaking tongue-in-cheek. more importantly,<br />

even those european viewers who understand<br />

this work as an ironic commentary will<br />

engage its references to the less familiar israeli wall<br />

through the lens of the more familiar Berlin wall.<br />

as careful austrian viewers will scan his artwork<br />

with the aim of understanding the israeli wall, its<br />

implications, and political meaning, they will inevitably<br />

do so through the prism of what they know<br />

33


about the Berlin wall. weiss’ work will to a large<br />

degree have an educational function to those unfamiliar<br />

with the history of the israeli wall.<br />

in short: the difference is that in israel the artwork<br />

primarily intervenes into a context whereas in austria<br />

it also explains. this raises the question: does<br />

the added pedagogical value that comes from<br />

transplanting political art and showing it in a collective<br />

exhibition abroad not demand that curators<br />

somehow engage with this level?<br />

one way of resolving this issue might be the creation<br />

of a separate space that caters to the viewers’<br />

desire to acquire information and learn about the<br />

context of the artwork on display. this is not an issue<br />

of explaining the individual works of art – of<br />

adding, for example, a sign that explains how we<br />

are supposed to read weiss’ installation. Rather, a<br />

supplementary information section can unburden<br />

the work of art from its function as a medium of<br />

pedagogy, for which it is not well prepared. for the<br />

exhibition in the essl museum, information on such<br />

things as the history of the separation barrier being<br />

built by the state of israel or a glossary can be<br />

found in a separate room – an approach that gives<br />

the works of art more space to develop their own<br />

autonomous language.<br />

at the same time, the disadvantage of such an arrangement<br />

is that the art and information sections<br />

can end up competing with each other. after all,<br />

information and background can hardly remain<br />

neutral. Both the pieces being exhibited and information<br />

sections do political work. there is no easy<br />

solution to this problem. at best, the information<br />

section should aim to explain the context of the different<br />

pieces of art in a reflexive manner by historically<br />

situating the political debates to which they<br />

refer. Rather than make overt political declarations<br />

on “the wall” being built, it should show the history<br />

of debates on the project, including the history<br />

of the terminology (between “apartheid wall”,<br />

“security barrier” and “separation fence”), and<br />

competing arguments about its legitimacy and consequences<br />

for the life of Palestinians and israelis.<br />

the aim is neither to claim an apolitical form of objectivity<br />

nor to suggest that works of art should remain<br />

untouched by curatorial interventions so as<br />

to preserve their authenticity. the intent is rather<br />

to avoid reducing a work of art to a mere illustration<br />

of a programmatic statement made by others.<br />

what would be the point of showing a complex<br />

work such as Yoav weiss’ if, next to it, there is a<br />

long declaration (or indeed a confession of political<br />

faith) by the curators on their opposition to the<br />

wall?<br />

Strange Meanings, Strange Allies<br />

a second set of problems arises when, rather than<br />

viewing a work of art as the point of departure for<br />

an explanation, viewers see it as an intervention –<br />

but one that addresses issues that would not occur<br />

to the intended israeli or Palestinian viewer. at<br />

34 OVERLAPPING VOICES<br />

the core, the problem is that the political messages<br />

of the exhibited pieces were often not made to<br />

directly address an austrian audience. works such<br />

as tal adler’s documentation of unrecognized Bedouin<br />

villages might be interventions into multiple<br />

contexts. adler certainly draws on languages that<br />

are as familiar to audiences in tel aviv as they are<br />

to viewers in london or vienna. Yet, he is not trying<br />

to challenge current austrian images of israelis,<br />

Jews, Palestinians, and Bedouins that are<br />

informed by the austrian history of collective anti-<br />

Jewish violence, the guilt discourses on complicity<br />

in genocide, and anti-semitism.<br />

indeed, even the choice of curators and the organization<br />

of the exhibition have different meanings<br />

in austria than they do within israeli and Palestinian<br />

society. the very act of choosing a Jewish<br />

israeli and a Palestinian as curators, as well as<br />

showing the works of Palestinian and israeli artists<br />

side by side, is a statement against those who oppose<br />

such alliance-building. for israelis and Palestinians<br />

alike, it can serve as a testimony to the<br />

viability of a common struggle against the occupation.<br />

Yet, that need not be the way it is read in<br />

austria. in austria, the notion that curators and artists<br />

have been recruited equally from “both sides”<br />

can potentially reinforce the false sense that austrians<br />

can constitute an uninvolved third party.<br />

even if both curators share a particular vision of<br />

opposition to occupation, there is still the sense<br />

that the mere fact that both “identities” are present<br />

makes austrians honest brokers; a role they<br />

are, as noted above, badly equipped to assume in<br />

this case.<br />

the question is how an exhibition should account<br />

for the fact that austrian media always deal with<br />

israelis and thus also Palestinians through the lens<br />

of the austrian past. indeed, perhaps the metaphor<br />

of reading through a particular lens is too<br />

weak: the important issue is not one of misreading<br />

but of projection. Political art coming from israel/<br />

Palestine can become an opportunity to negotiate<br />

historical issues that are not always referenced in<br />

any obvious manner. a recent discussion at an israeli<br />

film festival organized in vienna can serve as<br />

an illustration of this. after the screening of a movie<br />

about a love affair between two women in the<br />

israeli army, the organizers offered an opportunity<br />

to discuss the work with the director. in the discussion<br />

an austrian woman in the audience<br />

brought up the suicide of her grandfather after he<br />

fought for the german army, the wehrmacht. in reaction<br />

another member of the audience accused<br />

her of being a “fascist”. within minutes the discussion<br />

moved from a conversation on sexual identities<br />

in israel to a polemical exchange on austrian<br />

involvement in nazi war crimes. the film was not<br />

misread. instead it served as a mere occasion for<br />

another debate.<br />

in the context detailed above, any engagement with<br />

israeli policies – and particularly those involving<br />

human rights abuses such as those tal adler documents<br />

in his work on “unrecognized” Bedouin<br />

villages – has the potential to become part of the<br />

renegotiation of a collective austrian history as well<br />

as the family history of individual austrians. Part<br />

of the argument for organizing the current exhibition<br />

on Palestinian and israeli political art was that<br />

it is exciting to see how these debates function in<br />

austria. Unfortunately, these circumstances also<br />

have the potential to impede a reception that allows<br />

for a nuanced perspective on israeli and Palestinian<br />

politics and struggles. working through<br />

questions of austrian guilt and historical responsibility<br />

can also undermine the aim of attempts to<br />

move beyond simplistic narratives which reduce<br />

complex realities to an uncomplicated situation of<br />

perpetrators and victims in the middle east.<br />

what can it mean to think about such an exhibition<br />

politically in the austrian context under these<br />

circumstances? should there be an extra section<br />

and instructions to art educators on how to deal<br />

with the reflection of the nazi past in pieces of art<br />

that never wanted to address that subject? where<br />

does this leave Palestinian art, which is only part<br />

of this constellation indirectly? Rather than offer<br />

straightforward answers, this essay can make a number<br />

of concluding observations and suggestions:<br />

1) although we presuppose that the perception of<br />

israel in austria is strongly influenced by the history<br />

of european Jewry and the genocide against<br />

the european Jews, an exhibition about israel is<br />

probably the least productive place to address the<br />

history of anti-semitism. this is best done, rather,<br />

in museums that aim to suggest new ways in which<br />

visitors can think about difference in their own environment.<br />

1 the aim should be to offer a space for<br />

reflection on austrian perceptions that allows visitors<br />

to understand the interventions of the artists,<br />

not to use works of art on Palestinian and israeli<br />

politics and life in order to rethink austrian<br />

history.<br />

2) furthermore, we can only presume that the history<br />

of austrian anti-semitism is relevant for the<br />

perception of visitors because the targeted viewers<br />

are assumed to be a native austrians with no<br />

migration background and a family history that<br />

might implicate them in nazi crimes. Yet, audiences<br />

for art exhibitions can come from diverse<br />

backgrounds, which would make it a dubious move<br />

on the side of the exhibition designers to suggest<br />

that there is any typical or ideal viewer. the “space<br />

for reflection” suggested above would thus be most<br />

useful when created by museum educators in dialogue<br />

with actual visitors.<br />

3) it is commonly assumed by those organizing<br />

events on israel or Palestine in austria that a discussion<br />

was successful if nobody made any uncalled-for<br />

references to national socialism. clearly<br />

there is the danger that comparisons end up equating<br />

nazi and israeli policies. naïve comparisons<br />

are not just inappropriate in the austrian context;


they are also problematic for Palestinian and israeli<br />

political activism. they reduce israeli and palestinian<br />

<strong>voices</strong> to proxies for guilt discourses instead<br />

of engaging with the arguments they are<br />

making.<br />

at the same time, i would suggest a less anxietyridden<br />

approach to the fact that the israeli-arab<br />

conflict and the occupation becomes a space for<br />

projection. Representations of violence and collective<br />

ethical transgression (even if they are only<br />

hinted at in an artwork) always lend themselves to<br />

multiple reinterpretations and demand to be appropriated<br />

by the viewer. it is futile and unproductive<br />

to try to instruct viewers beforehand about the<br />

proper forms of viewing art through an official<br />

statement. if educators with school classes were<br />

to try to forestall any comparisons between german<br />

wehrmacht and israeli soldiers by declaring<br />

such statements taboo, they would merely deaden<br />

any productive debate. the emancipatory potential<br />

of such an exhibition is not served by forcing<br />

on the viewer ethically charged rules on the proper<br />

reception of the works.<br />

in austria, the interest in Palestinian and israeli<br />

politics is always mediated through the austrian<br />

past and the european past more generally. the<br />

most productive way to deal with this tendency is<br />

to take risks and see provocative, inappropriate,<br />

and embarrassing statements as an opportunity to<br />

offer new approaches to seeing israelis and Palestinians.<br />

it is the work of curators to allow such debates<br />

and the work of museum educators to encourage<br />

them and make them productive – in<br />

dialogue with actual visitors, rather than imagined<br />

and stereotyped austrians, the existence of whose<br />

prejudices we simply presume.<br />

one way that museum educators can foster fruitful<br />

debates is to point out other models of recep-<br />

tion; describing, for example, what type of reception<br />

a piece had or might have had or has already<br />

had in israeli and/or Palestinian contexts. it is crucial<br />

to work with the fact that the pieces exhibited<br />

aim to challenge simplistic assumptions about<br />

identity, voice, or representation. this does not<br />

mean that there is not an ethics of reception.<br />

guides should, for example, show their disapproval<br />

of inappropriate remarks. nonetheless, the<br />

main aim should not be to reduce embarrassment<br />

but rather to use it.<br />

alexander ari Joskowicz is assistant Professor in the Department of<br />

history at the University of mississippi. he is currently working on<br />

the anticlericalism of german and french Jews in the context of the<br />

“culture wars” between liberals and catholic church since the<br />

enlightenment.<br />

1 on museum pedagogy in this regard, see: Richard sandell,<br />

“museums, Prejudice and the Reframing of Difference”, Routledge:<br />

london, 2007.<br />

35


die palästinenser<br />

in israel<br />

(1948–2008)<br />

adel manna<br />

Einleitung<br />

Das historische Palästina wurde infolge des krieges<br />

1948 zerstückelt. in den im darauffolgenden Jahr<br />

von den kriegsgegnern unterzeichneten waffenstillstandsverträgen<br />

wurden die kriegsgrenzen von<br />

israel und seinen arabischen nachbarn anerkannt.<br />

Palästina wurde in drei teile geteilt. israel erhielt<br />

etwa 77 Prozent des gebietes, was weit über das<br />

gebiet hinausging, das dem jüdischen staat im<br />

teilungsplan der Uno vom 29. november 1947<br />

zugedacht worden war. Der zweitgrößte teil Palästinas,<br />

das westjordanland, wurde von Jordanien<br />

besetzt und annektiert. Der dritte teil, der gazastreifen,<br />

ein winziges gebiet von weniger als 400<br />

Quadratkilometern, stand bis Juni 1967 unter<br />

ägyptischer verwaltung. Damit verschwand Palästina<br />

von der weltkarte und den offiziellen landkarten<br />

der Region. Die in der heimat ihrer vorfahren<br />

lebenden Palästinenser wurden heimatlos und<br />

staatenlos.<br />

auch die palästinensische gesellschaft wurde innerhalb<br />

und außerhalb des historischen Palästina<br />

in isolierte und ausgegrenzte gruppen zersplittert.<br />

auf dem gebiet, das nach 1948 zu israel wurde,<br />

lebten bis zum ausbruch von gewalt und krieg<br />

etwa 900.000 Palästinenser. Die meisten dieser<br />

Palästinenser wurden vertrieben und lebten als<br />

flüchtlinge in benachbarten arabischen ländern.<br />

nach dem waffenstillstandsabkommen im sommer<br />

1949 gelang es etwa 156.000 Palästinensern,<br />

in israel zu überleben, wo sie die arabische minderheit<br />

eines jüdischen staates bildeten. Dieser<br />

aufsatz bietet einen kurzen Überblick über die geschichte<br />

der Palästinenser in israel und ihren gesellschaftspolitischen<br />

status in den letzten 60 Jahren.<br />

weiters sollen Zukunftsvisionen erörtert<br />

werden, wie sie in verschiedenen vor kurzem im<br />

nazareth und haifa veröffentlichten Dokumenten<br />

dargestellt werden.<br />

israel feiert dieses Jahr die 60. wiederkehr seiner<br />

Unabhängigkeit, während die Palästinenser den<br />

3 OVERLAPPING VOICES<br />

60. Jahrestag der katastrophe (nakba) begehen, die<br />

über sie hereinbrach. in der Unabhängigkeitserklärung<br />

von mitte mai 1948 versprach die israelische<br />

führung den arabischen Bürgern des neugeborenen<br />

jüdischen staates volle staatsbürgerrechte<br />

und eine gerechte vertretung in allen institutionen.<br />

Diese versprechen wurden nie erfüllt. Die geschichte<br />

der jüdisch-arabischen Beziehungen in<br />

israel in den letzten 60 Jahren war sehr wechselvoll.<br />

israel wird besonders im westen als demokratischer<br />

staat wahrgenommen. Diese wahrnehmung<br />

basiert auf der richtigen einschätzung von<br />

freien wahlen, einer freien Presse und anderen<br />

freiheiten, wie sie in einem gerechten, demokratischen<br />

system gewährleistet und institutionalisiert<br />

sind. Jedoch zeigen die besonderen erfahrungen<br />

der arabischen minderheit seit 1948 eine systematische<br />

Diskriminierung in Politik und Praxis, die<br />

vom staat und seinen jüdischen institutionen<br />

ausgeht.<br />

Die arabische minderheit in israel zählt zurzeit<br />

mehr als 1,2 millionen staatsbürger (ohne die<br />

42.000 Palästinenser in ostjerusalem, die seit Juni<br />

1967 zwar in israel ansässig, aber keine staatsbürger<br />

sind). Dieses signifikante demografische<br />

wachstum (ausgehend von rund 150.000 im Jahr<br />

1949) macht aus den palästinensischen arabern<br />

in israel eine selbstbewusste gemeinschaft. Die<br />

quantitativen und qualitativen veränderungen der<br />

letzten 60 Jahre steigerten auch das Bedürfnis<br />

nach und den anspruch auf gleiche Bürgerrechte<br />

und chancen. Die verzögerte erfüllung solcher erwartungen<br />

verstärkte die frustration und die Bitterkeit<br />

besonders unter den angehörigen der zweiten<br />

und dritten generation dieser gemeinschaft.<br />

was sind die hauptmerkmale der palästinensischen<br />

araber in israel? welche auswirkungen<br />

haben ihre erfahrungen als arabische minderheit<br />

im jüdischen staat? welche höhen und tiefen gab<br />

es in der haltung des jüdischen staates gegenüber<br />

seinen palästinensischen Bürgern? Und<br />

schließlich: was sind die hauptpunkte ihrer politischen<br />

agenda und ihre Zukunftsvisionen? Dies<br />

sind einige der wichtigsten fragen, die auf den folgenden<br />

seiten beantwortet werden sollen.<br />

Geografie und Demografie<br />

1948 wurde israel auf den Ruinen der palästinensischen<br />

gesellschaft und ihrer heimat aufgebaut.<br />

mehr als die hälfte der palästinensischen Bevölkerung<br />

(etwa 750.000) wurde zu flüchtlingen. sie<br />

verloren ihr heim, ihr land, ihre Dörfer und städte<br />

und mussten in flüchtlingslagern ihr leben vollkommen<br />

neu beginnen. Das gesamte palästinensische<br />

eigentum wurde vom staat und anderen jüdischen<br />

institutionen zu gunsten von Juden<br />

enteignet. mehr als 400 Dörfer wurden zerstört und<br />

das land auf alte und neue jüdische siedlungen<br />

aller art aufgeteilt. Die palästinensische stadt verschwand,<br />

und einige 100.000 araber, die in Jaffa,<br />

haifa, akko, lydda, Ramle und anderen städten<br />

lebten, wurden zu flüchtlingen. nazareth überlebte<br />

als einzige arabische stadt den krieg und<br />

wurde zur hauptstadt der Palästinenser in galiläa.<br />

es muss festgehalten werden, dass die meisten<br />

der in israel überlebenden Palästinenser in galiläa<br />

nördlich von haifa leben.<br />

Die vertreibung der meisten araber aus israel und<br />

die Zerstörung hunderter ihrer orte bedeutete eine<br />

durchgreifende veränderung der geografischen<br />

und demografischen situation der Region. Jene,<br />

die die katastrophe überlebten (geschätzte<br />

156.000 im sommer 1949), wurden formal zu israelischen<br />

staatsbürgern. sie hatten gewissermaßen<br />

noch glück, nicht dasselbe los zu erleiden<br />

wie die flüchtlinge. Die angst vor der ausweisung<br />

war eines der wesentlichen motive für die relativ<br />

duldsame haltung der araber in israel während<br />

der 1950er. Diese angst war auch nicht unbegründet.<br />

in den frühen 50er Jahren wies israel weiterhin<br />

araber aus galiläa, aschkelon, dem negev und<br />

anderen orten aus. außerdem waren viele araber


der ansicht, dass die ermordung von 49 unschuldigen<br />

staatsbürgern in kafr Qasim am 29. oktober<br />

1956 darauf abzielte, die araber in furcht zu versetzen<br />

und viele von ihnen durch die gleichen methoden<br />

wie 1948 loszuwerden.<br />

in vielen gegenden in israel, besonders jenen, die<br />

dem jüdischen staat durch den teilungsplan der<br />

Uno zugewiesen worden waren, fand eine fast vollständige<br />

ethnische säuberung statt. an der küste,<br />

von haifa im norden bis zum gazastreifen im süden,<br />

überlebten nur zwei kleine arabische orte.<br />

sogar nördlich von haifa bis zur libanesischen<br />

grenze blieb nur ein Dorf (mazr’ah) bestehen. es<br />

wurde bereits gesagt, dass seit 1948 die meisten<br />

Palästinenser in israel in galiläa leben. einige wenige<br />

Bezirke dieser Region erlitten jedoch ein ähnliches<br />

schicksal wie die küstengebiete. Die meisten<br />

arabischen orte in den Bezirken safad und<br />

tiberias wurden zerstört und ihre einwohner wurden<br />

zu flüchtlingen in syrien und im libanon. in<br />

ostgaliläa überdauerten nur wenige palästinensische<br />

orte bis heute.<br />

im so genannten kleinen Dreieck, angrenzend an<br />

das westjordanland von Umm al-fahm im norden<br />

bis nach kafr Qasim im süden, überlebten 27 palästinensische<br />

Dörfer, weil Jordanien im waffenstillstandsabkommen<br />

vom frühjahr 1949 zustimmte,<br />

die meisten von ihnen israel zu<br />

überlassen. im südlichen teil des landes, dem<br />

negev, wurden die meisten arabischen Beduinen<br />

in den gazastreifen und gebiete östlich des Jordans<br />

vertrieben, und nur ein kleiner teil lebte auf<br />

seinem land weiter. Die israelische Regierung erkennt<br />

jedoch das Recht vieler arabischer Beduinen<br />

auf ihr land nicht an und bezeichnet ihre<br />

siedlungen als „nicht anerkannte Dörfer“. als<br />

folge dieser Politik und der fehlgeschlagenen versuche<br />

der Regierung, die einwohner der Dörfer in<br />

anerkannte ortschaften umzusiedeln, haben die<br />

arabischen Beduinen unter einer besonderen Politik<br />

der ausgrenzung und Diskriminierung zu leiden.<br />

Die einzige arabische stadt in dieser Region<br />

vor 1948, Beer al-sabi’, wurde in eine jüdische<br />

stadt umgewandelt, was sich auf die ansässige Beduinenbevölkerung<br />

negativ auswirkte.<br />

Das verschwinden der palästinensischen städte<br />

aus israel ab dem Jahr 1948 hatte negative auswirkungen<br />

auf die soziale und kulturelle Realität<br />

der arabischen minderheit. während sie früher<br />

eine organische gesellschaft mit Zusammenhalt<br />

bildeten, wurden die in israel überlebenden Palästinenser<br />

durch den krieg und die israelische Politik,<br />

die die Rückkehr von flüchtlingen verhinderte,<br />

zu einer traumatisierten und marginalisierten minderheit.<br />

außerdem verwandelte die Unterstellung<br />

der arabischen gebiete unter militärische kontrolle<br />

die arabischen siedlungen in isolierte orte. Die zugesagten<br />

gleichen Rechte und chancen für die<br />

arabischen Bürger im jüdischen staat blieben leere<br />

versprechen angesichts der Realität von ausgrenzung<br />

und missachtung der grundlegenden men-<br />

schenrechte unter dem militärregime (1948–<br />

1966). während dieser Zeit wurden die arabischen<br />

gebiete von armeeoffizieren verwaltet, und die<br />

Umsetzung der britischen notstandsgesetze von<br />

1945 erlegte den arabischen staatsbürgern viele<br />

einschränkungen im hinblick auf ihre Bewegungsfreiheit<br />

sowie ihre wirtschaftlichen und politischen<br />

aktivitäten auf. somit wurden die arabischen<br />

staatsbürger in israel ausgegrenzt und aus der israelischen<br />

gesellschaft und wirtschaft ausgeschlossen.<br />

für etwa 20 Jahre ab 1948 genossen<br />

die araber in israel keine echte staatsbürgerschaft<br />

und konnten sich kaum gegen die diskriminierende<br />

Politik wehren, mit der ihnen die Regierung,<br />

das militär und andere zionistische institutionen<br />

begegneten.<br />

nach der Beschlagnahme des landes der palästinensischen<br />

flüchtlinge und der „present absentees“<br />

(anwesende abwesende) begannen die israelischen<br />

Behörden das land der arabischen<br />

gemeinden systematisch zu verkleinern. Die meisten<br />

enteignungen arabischer staatsbürger fanden<br />

in der Zeit nach der nakba im Jahr 1948 statt. ein<br />

großteil des in arabischen händen verbliebenen<br />

landes wurde beschlagnahmt und hunderte<br />

von jüdischen siedlungen wurden darauf erbaut.<br />

Diese Politik und vorgangsweise wirkte sich signifikant<br />

auf die geografische und demografische Realität<br />

der arabischen Bürger aus. maßnahmen zur<br />

entwicklung und industrialisierung wurden zu<br />

gunsten von Juden und auf kosten von arabern<br />

geplant und durchgeführt. Die fortwährende landbeschlagnahme<br />

in den 70er Jahren – also noch<br />

nach der abschaffung der militärischen kontrolle<br />

– führte am 30. mai 1976 zu einer kollektiven Reaktion,<br />

dem „land Day“. Die an diesem tag stattfindenden<br />

streiks und konfrontationen wurden zu<br />

einem meilenstein in den jüdisch-arabischen Beziehungen<br />

in israel.<br />

Die abschaffung des militärregimes ende 1966<br />

und die neuen geopolitischen verhältnisse nach<br />

dem Juni 1967 führten zu allmählichen verbesserungen<br />

im status der arabischen staatsbürger in<br />

israel. Die veränderungen kamen angesichts der<br />

inhärenten Diskriminierungspolitik jedoch zu spät<br />

und waren nicht umfassend genug. Die meisten<br />

Juden in israel glauben wie ihre zionistische führerschaft,<br />

dass das gemeinwesen jüdischer natur<br />

sein sollte. Die arabischen staatsbürger sind im<br />

besten fall von diesem gemeinwesen ausgeschlossen,<br />

werden aber meist als fünfte kolonne oder<br />

feinde angesehen. Daher investiert demografisch<br />

gesprochen die israelische Politik weiterhin geld<br />

und kraft in die förderung von jüdischer immigration<br />

und hegt nach wie vor den gedanken, die<br />

arabische minderheit auszusiedeln. Das konzept,<br />

so wenige araber wie möglich im jüdischen staat<br />

zu haben, wird durch die alte zionistische Politik<br />

der landrückgewinnung ergänzt, was die Beschlagnahme<br />

von noch mehr arabischem land bedeutet.<br />

Diese Politik hat sich in den letzten 60 Jah-<br />

ren nicht geändert und manifestiert sich in der<br />

errichtung von mehr als 900 jüdischen orten seit<br />

1948, während für die arabischen Bürger so gut<br />

wie nichts gebaut wurde. sie leben weiterhin getrennt<br />

in den etwa 100 orten, die den krieg im<br />

Jahr 1948 überdauerten.<br />

Gesellschaftspolitischer Status<br />

Die Palästinenser, die nach 1948 in israel weiterlebten,<br />

wurden zu staatsbürgern des jüdischen<br />

staates gemacht. angesichts der brutalen trennung<br />

und der Diskriminierungspolitik des militärregimes<br />

war die der arabischen minderheit verliehene<br />

israelische staatsbürgerschaft bedeutungslos.<br />

sogar das grundlegende wahlrecht wurde von der<br />

herrschenden Partei und anderen zionistischen<br />

Parteien manipuliert. grundrechte und Dienstleistungen<br />

für arabische staatsbürger wurden von der<br />

Regierung und ihren Behörden nicht als Bürgerrechte,<br />

sondern als gefälligkeit dargestellt, für die<br />

im gegenzug vollständige loyalität gegenüber israel<br />

und das wählen der herrschenden Partei erwartet<br />

wurden. Jeder versuch, einer unabhängigen<br />

aktivität nachzugehen oder die einzige nicht zionistische<br />

Partei, die kommunisten, zu wählen,<br />

wurde von den Behörden negativ beurteilt und<br />

führte zu sanktionen und zur Bestrafung der „verdächtigen“.<br />

Unter solchen Bedingungen ging es<br />

für die große mehrheit der palästinensischen Bürger<br />

um das Überleben und nicht um chancengleichheit.<br />

Die meisten arabischen staatsbürger in<br />

israel beteiligten sich an den wahlkämpfen der<br />

ersten Jahrzehnte, konnten jedoch keine Änderung<br />

in der israelischen Politik herbeiführen.<br />

aus den arabern Palästinas, die in ihren orten<br />

überlebten, wurden die araber israels oder „israelische<br />

araber“. ihre höchste Priorität war es, in<br />

der heimat zu bleiben und dem flüchtlingsschicksal<br />

zu entgehen. außerdem kämpften sie darum,<br />

ihr heim und das wenige an grund und Boden,<br />

das nicht beschlagnahmt worden war, zu behalten.<br />

Die arabischen staatsbürger israels gaben<br />

sich keinerlei illusionen im hinblick auf die versprechen<br />

der Regierung auf chancengleichheit<br />

und gleiche Rechte hin. Bürgerrechte für die araber<br />

wurden weder von der israelischen Regierung<br />

noch von den palästinensischen Überlebenden im<br />

jüdischen staat tatsächlich als existent angesehen.<br />

Das war kurz gefasst die gesellschaftspolitische<br />

Realität der Palästinenser in israel während der<br />

knapp zwei Jahrzehnte von 1948 bis 1966.<br />

Die abschaffung der militärkontrolle gegen ende<br />

1966 und die neue lage in der Zeit nach Juni 1967<br />

wurden zu einem weiteren meilenstein in der geschichte<br />

der arabischen minderheit in israel. Bis<br />

zum sechstagekrieg waren die Palästinenser in israel<br />

doppelt isoliert, nicht nur von den Juden in israel,<br />

sondern auch von der arabischen welt im allgemeinen<br />

und anderen Palästinensern im<br />

speziellen. Unter diesen Umständen musste sich<br />

die entwicklung einer kollektiven identität den exis-<br />

3


tenziellen erfordernissen des Überlebens unterordnen.<br />

Die Begegnung mit anderen Palästinensern<br />

in den neu besetzten gebieten führte zu<br />

neuen schwierigkeiten im hinblick auf die gemeinsame<br />

identität und die auswirkungen, die es für<br />

jemanden hatte, Palästinenser und israelischer<br />

staatsbürger zu sein. Die israelische staatsbürgerschaft<br />

erhielt zwar einerseits nach der abschaffung<br />

der militärkontrolle viel mehr Bedeutung,<br />

wurde aber andererseits auch problematischer.<br />

Bürger jenes staates zu sein, der als Besatzungsmacht<br />

für die eigenen leute im westjordanland<br />

und im gazastreifen auftrat, wurde zu einem aspekt,<br />

der sich störend auf das politische verhalten<br />

auswirkte.<br />

Die Besetzung des westjordanlandes und des gazastreifens<br />

legitimierte die grenzen des waffenstillstands<br />

von 1949.<br />

Das hauptaugenmerk der internationalen Diplomatie<br />

und des arabischen kampfes verlagerte sich<br />

im Juni 1967 auf die neu besetzten gebiete. im<br />

vergleich zu den Palästinensern im westjordanland<br />

und im gazastreifen erfreuten sich die araber<br />

in israel eines besseren status. Das Problem<br />

des Überlebens war in den 1960er Jahren im vordergrund<br />

gestanden, aber nun konzentrierte sich<br />

die politische agenda auf die erlangung gleicher<br />

Bürgerrechte. es ist jedoch eine sehr komplizierte<br />

Doppelidentität, palästinensischer Bürger israels<br />

zu sein, eines staates, der mitbrüdern im gazastreifen<br />

und im westjordanland als Besatzungsmacht<br />

gegenübertritt. Die araber in israel konnten<br />

angesichts des leids ihrer Brüder, die um freiheit<br />

und ein ende der Besetzung kämpften, nicht<br />

gleichgültig bleiben. allerdings verminderte die solidarität<br />

mit ihrem kampf die eigenen aussichten<br />

darauf, jüdische Unterstützung für die Bemühungen<br />

um gleiche Rechte und chancen in der israelischen<br />

gesellschaft zu erlangen.<br />

in den 1970ern und über weite strecken der 1980er<br />

konnten die Palästinenser in israel ein fragiles<br />

gleichgewicht zwischen den bürgerrechtlichen und<br />

den nationalen politischen Zielen halten. Bis zum<br />

ausbruch der intifada im Dezember 1987 wurde<br />

der nationale palästinensische kampf von außen<br />

durch aktivisten der Plo geführt. während dieser<br />

Zeit bekannten sich die araber in israel zur palästinensischen<br />

komponente ihrer identität, ohne die<br />

sinnvolle israelische staatsbürgerschaft aufzugeben.<br />

Die palästinensische gemeinschaft in israel<br />

entwickelte ein stärkeres selbstbewusstsein und<br />

verlangte offensiver nach gleichen Rechten und<br />

chancen. gleichzeitig bekräftigte sie, dass neben<br />

israel ein palästinensischer staat im westjordanland<br />

und im gazastreifen errichtet werden sollte.<br />

sie war der ansicht, dass die bürgerrechtlichen<br />

und nationalen anliegen einander ergänzten und<br />

nicht widersprachen. nach dem ausbruch der gewalt<br />

wurde es jedoch schwieriger, dieses heikle<br />

gleichgewicht zu halten. Die hitzigkeit, mit der der<br />

palästinensisch-israelische konflikt seit 1988 aus-<br />

38 OVERLAPPING VOICES<br />

getragen wird, wirkte sich auf das prekäre Zusammenleben<br />

von Juden und arabern in israel aus.<br />

Der gesellschaftspolitische status der Palästinenser<br />

in israel wurde auch von internen entwicklungen<br />

beeinflusst. Die kleine traumatisierte gemeinde<br />

ist seit 1948 quantitativ und qualitativ<br />

gewachsen. Die zweite und dritte generation der<br />

Palästinenser in israel erhielt eine viel bessere ausbildung<br />

als die besiegte und traumatisierte erste<br />

generation. tausende von arabischen studenten<br />

besuchten die israelischen Universitäten, und viele<br />

absolventen wurden zu politischen und gesellschaftlichen<br />

anführern der gemeinschaft. Die alte<br />

konservative führerschaft verschwand und wurde<br />

von einer radikalen und selbstbewussten führungsriege<br />

ersetzt. Diese junge und gut ausgebildete<br />

führungsmannschaft verstärkte den kampf<br />

um gleiche Rechte und chancen. sie beschränkte<br />

die Bemühungen der arabischen staatsbürger<br />

nicht auf das thema der chancengleichheit, sondern<br />

hinterfragte die grundlagen der israelischen<br />

identität und der legitimierung israels als jüdischer<br />

staat. sie zeigte den inhärenten widerspruch zwischen<br />

einem jüdischen und einem demokratischen<br />

staat auf. israel grenze als staat des jüdischen<br />

volkes arabische Bürger aus und schließe potenziell<br />

Juden ein, die außerhalb des landes leben.<br />

statt eines normalen demokratischen staates für<br />

alle Bürger sei israel eine ethnische Demokratie,<br />

in der alle nichtjuden, besonders araber, diskriminiert<br />

werden. Die offizielle Definition und die zionistische<br />

ideologie israels seien die Quelle von<br />

Diskriminierung, ausgrenzung und Ungleichheit<br />

der arabischen Bürger im jüdischen staat, meinten<br />

die jungen anführer.<br />

Die Palästinenser in israel sind sich der tatsache<br />

bewusst, dass der israelisch-arabische konflikt<br />

eine wichtige Ursache ihres Problems darstellt. Daher<br />

unterstützten sie eine politische lösung und<br />

einen historischen kompromiss zwischen israel<br />

und den arabischen nachbarn, besonders den Palästinensern.<br />

Der frieden mit Ägypten ende der<br />

70er Jahre und die laut werdenden gemäßigten<br />

stimmen in der Plo-führerschaft weckten hoffnung<br />

auf einen kompromiss an der israelisch-palästinensischen<br />

front.<br />

Die Palästinenser in israel waren die ersten, die die<br />

grundlagen eines solchen kompromisses zwischen<br />

den gegnern benannten. Die Palästinenser sollten<br />

israel anerkennen und im gegenzug ein ende der<br />

Besetzung und die errichtung eines unabhängigen<br />

staates erleben, der in frieden mit seinen nachbarn<br />

existiert. allmählich akzeptierten immer mehr<br />

palästinensische und jüdische israelis diese grundlagen,<br />

und viele dachten, dass mit dem vertrag von<br />

oslo im Jahr 1993 das ende des konflikts noch vor<br />

der Jahrhundertwende erreicht wäre. Die Palästinenser<br />

in israel waren enthusiastische Befürworter<br />

des friedensprozesses.<br />

außerdem konnten die Palästinenser in israel während<br />

der frühen 90er Jahre von der verknüpfung<br />

des konflikts mit ihrem gesellschaftspolitischen<br />

status in israel profitieren.<br />

Die Regierung Rabin, die die Unterstützung der<br />

arabischen wähler für eine politische einigung mit<br />

der Plo benötigte, versprach eine Politik der gleichen<br />

Bürgerrechte und begann dieses versprechen<br />

sofort umzusetzen. während der Jahre 1992–<br />

1995 genossen die Palästinenser in israel aufgrund<br />

der gleichstellungspolitik bessere Bürgerrechte<br />

und chancen. in diesen Jahren setzte die Regierung<br />

einen Prozess in gang, um die sozioökonomische<br />

kluft zwischen Juden und arabern in israel<br />

zu schließen. Die Regierung Rabin war die<br />

erste in der geschichte des landes, die ihr versprechen<br />

auf chancengleichheit für die arabischen<br />

Bürger einhielt. leider war es bis jetzt auch die<br />

letzte. Die ermordung von Rabin im november<br />

1995 und der Regierungswechsel im Jahr darauf<br />

setzten der hoffnung auf frieden und gleichheit<br />

der arabischen Bürger ein ende.<br />

Bis 1992 repräsentierte Jizchak Rabin die eiserne<br />

hand der israelischen armee in den besetzten gebieten.<br />

nach dem vertrag von oslo wandelte sich<br />

allerdings sein image in den augen der Palästinenser<br />

in israel und anderswo dramatisch. ein bemerkenswertes<br />

Beispiel für diesen wandel ist die Reaktion<br />

der arabischen Bürger auf die nachricht<br />

von seiner ermordung. tausende von arabischen<br />

Bürgern beweinten öffentlich seinen tod, was nie<br />

zuvor beim tod eines israelischen spitzenpolitikers<br />

der fall gewesen war. sie verstanden instinktiv,<br />

dass Rabins tod ein ende des friedensprozesses<br />

mit der Plo bedeutete und auch seine Regierungspolitik<br />

der gleichen Rechte und chancen für alle<br />

Bürger gefährden konnte. in den letzten 13 Jahren<br />

hat sich tatsächlich herausgestellt, dass der<br />

rechtsextreme mörder von Rabin erfolg mit seiner<br />

politischen mission hatte.<br />

Die Realität heute und Zukunftsvisionen<br />

seit oktober 2000 scheinen sich die jüdisch-<br />

arabischen Beziehungen in israel nach einem vorfall,<br />

bei dem 13 junge araber von der Polizei und<br />

anderen sicherheitskräften erschossen wurden, zu<br />

verschlechtern. Die tötungen von Demonstranten<br />

und Protestierenden in den arabischen orten in israel<br />

führte erneut den unsicheren status der arabischen<br />

Bürger im jüdischen staat vor augen. Die<br />

orr-kommission, die die vorfälle vom oktober 2000<br />

untersuchte, wies auf die seit langem bestehende<br />

staatliche Politik der Diskriminierung arabischer<br />

Bürger in israel als hauptgrund für den ausbruch<br />

von gewalt hin. weiters meinte die kommission, es<br />

sei die verantwortung der Regierung, ihre haltung<br />

zu ändern und in ihrer Politik eine gleichberechtigung<br />

der arabischen Bürger anzustreben. Die israelische<br />

Regierung akzeptierte den offiziellen Bericht<br />

und die empfehlungen der orr-kommission und versprach,<br />

sie umzusetzen. Jedoch ist in den vier Jahren<br />

seit veröffentlichung des Berichts in dieser hinsicht<br />

wenig geschehen. für die arabischen Bürger


war die riesige kluft zwischen politischer Rhetorik<br />

und Praxis keine Überraschung. sie verzeichneten<br />

es als einen weiteren frustrierenden fall in der<br />

langen Reihe falscher versprechen, die man ihnen<br />

in ihrer kurzen geschichte als arabische minderheit<br />

im jüdischen staat seit der Unabhängigkeitserklärung<br />

im Jahr 1948 gegeben hatte.<br />

trotz der vorfälle vom oktober 2000 und ihrer auswirkungen<br />

auf die Beziehungen zwischen der jüdischen<br />

mehrheit und der arabischen minderheit<br />

ist der status der Palästinenser in israel seit 2001<br />

relativ stabil. Der status quo ist jedoch aus der<br />

sicht der arabischen Bürger keine wünschenswerte<br />

option. Die Privatisierung der wirtschaft und<br />

andere maßnahmen der Regierungspolitik verbreitern<br />

die sozioökonomische kluft zwischen Reich<br />

und arm in israel. nach allen indizes sind die arabischen<br />

Bürger die Ärmsten der armen im land.<br />

als gemeinschaft leiden sie unter der lange bestehenden<br />

Diskriminierung durch den staat, und um<br />

ihre sozioökonomische mobilität ist es sehr schlecht<br />

bestellt. Daher bemühen sie sich unablässig um<br />

eine Änderung in den systemimmanenten Ungerechtigkeiten,<br />

da dies eine voraussetzung für eine<br />

bessere Zukunft darstellt. Das politische verhalten<br />

und die erwartungen der arabischen Bürger israels<br />

haben sich in den letzten 60 Jahren dramatisch<br />

verändert. in den ersten zwei Jahrzehnten<br />

ging es um das Überleben. Die israelische staatsbürgerschaft<br />

war ein mittel zum Zweck, um in der<br />

heimat zu bleiben und die ausweisung zu verhindern.<br />

während dieser Periode war der größte<br />

traum die abschaffung der militärkontrolle und ein<br />

ende der Beschlagnahme von arabischem land<br />

durch den staat und seine Behörden. Die ergebnisse<br />

des krieges im Juni 1967 führten zu einer<br />

bedeutenden veränderung.<br />

Der sechstagekrieg änderte die politische wahrnehmung<br />

unter den arabern in der Region im allgemeinen<br />

und speziell unter den arabern in israel.<br />

Der kampf ums Überleben war gewonnen, und die<br />

neue, auch von den kommunisten vertretene politische<br />

agenda enthielt zwei forderungen an die<br />

israelische Regierung: die Besetzung des westjordanlandes<br />

und des gazastreifens zu beenden, um<br />

die errichtung eines palästinensischen staates neben<br />

israel und die vollständige gleichstellung der<br />

arabischen Bürger zu ermöglichen. Zu diesem<br />

Zeitpunkt bedeutete gleichstellung grundsätzlich<br />

das ende der gegen araber gerichteten Diskriminierung.<br />

von aktiven oder positiveren bürgerrechtlichen<br />

Zielen, die von einer anderen und klaren vision<br />

getragen werden, hörte man erst in den 90er<br />

Jahren. nach dem vertrag von oslo und dem friedensprozess<br />

in der mitte der 90er Jahre begannen<br />

palästinensische intellektuelle in israel ihre vision<br />

zu formulieren. sie meinten, dass das Paradigma<br />

der völligen gleichstellung als staatsbürger nicht<br />

mit der eigendefinition israels als jüdischer staat<br />

kompatibel sei. Diese Definition bezieht viele Juden<br />

mit ein, die außerhalb des landes leben, aber<br />

potenziell einfluss auf seine Politik haben. Zugleich<br />

grenzt israel als staat des jüdischen volkes seine<br />

arabischen Bürger aus und bereitet damit den weg<br />

für die Diskriminierung von nichtjuden, besonders<br />

von palästinensischen arabern.<br />

Epilog<br />

seit kurzem versucht die gesetzgebende versammlung<br />

israels, die knesset, eine verfassung auf dem<br />

konsensweg zu schaffen. Dieser versuch wurde<br />

von den arabischen Bürgern israels als ernsthafte<br />

Bedrohung für jede hoffnung gesehen, gleiche<br />

Rechte und chancen in israel zu erhalten.<br />

im gegensatz zu anderen fällen der weltgeschichte,<br />

in denen die verabschiedung einer verfassung<br />

ein festlicher anlass war, stellt der israelische<br />

versuch eine festschreibung des<br />

problematischen status quo der seit langem bestehenden<br />

Besetzung dar. Zu seinem 60. Jahrestag<br />

hat israel noch immer keine anerkannten grenzen,<br />

hat einen problematischen ansatz in puncto<br />

staatsbürgerschaft, und Besetzung und kolonisierung<br />

sind ein Dauerzustand. in einem solchen stadium<br />

der israelischen geschichte haben die Palästinenser<br />

im allgemeinen und die Bürger des<br />

jüdischen staates im Besonderen nichts zu gewinnen.<br />

Jede Zustimmung von ihrer seite zur vorgeschlagenen<br />

israelischen verfassung wird sich auf<br />

ihren kampf um gleichstellung hinderlich auswirken.<br />

Die gegenwärtig vorgeschlagene verfassung<br />

legitimiert den status quo und festigt die Definition<br />

von israel als einem jüdischen und demokratischen<br />

staat. eine solche verfassungsmäßige Definition<br />

von israel ist für die arabischen Bürger absolut inakzeptabel.<br />

Daher entschloss sich die politische<br />

und intellektuelle führung der arabischen minderheit,<br />

ihre eigene vision der jüdisch-arabischen Beziehungen<br />

zu veröffentlichen.<br />

Das erste Dokument mit dem titel „the future vision“<br />

(Die Zukunftsvision) wurde im Dezember<br />

2006 von einer gruppe politischer aktivisten und<br />

maßgebender arabischer akademiker unter der federführung<br />

von shawqi khatib, dem leiter des<br />

„high follow-up committee“, veröffentlicht. im<br />

märz 2007 publizierte dann adalah, das juristische<br />

Zentrum für arabische minderheitenrechte in israel,<br />

sein Dokument mit dem titel „Democratic<br />

constitution“ (Demokratische verfassung). Dieses<br />

Dokument weist viele gemeinsamkeiten mit „the<br />

future vision“ auf, konzentriert sich aber auf juristische<br />

themen. es handelt sich eigentlich um eine<br />

art grundrechte<strong>katalog</strong> aus der Perspektive der arabischen<br />

minderheit. Die letzte veröffentlichung<br />

dieser art erschien im mai 2007 unter dem titel<br />

„Document of haifa“ (Dokument von haifa). Dieser<br />

text wurde von Dutzenden intellektuellen und<br />

Bürgerrechtsaktivisten verfasst und unterzeichnet.<br />

Die treffen der gruppe fanden in haifa im mada-<br />

Zentrum für angewandte sozialforschung statt.<br />

Die drei Dokumente ergänzen einander und präsentieren<br />

die ansichten des politischen main-<br />

streams der Palästinenser in israel. es ist angezeigt,<br />

abschließend festzustellen, dass die<br />

Dokumente und ihre veröffentlichung in hebräischer<br />

und englischer sprache, zusätzlich zum<br />

arabischen, einen neuen trend in den führungskreisen<br />

der arabischen minderheit in israel darstellen.<br />

Diese kreise ergriffen die initiative, mit der<br />

jüdischen mehrheit in einen Dialog einzutreten,<br />

statt nur auf ihre ansichten zu reagieren. Zusätzlich<br />

zur inhaltlichen seite ist das eine sehr wichtige<br />

entwicklung, die von allen betroffenen seiten berücksichtigt<br />

werden sollte. Die araber in israel legten<br />

in den Dokumenten ihre konditionen für eine gleichberechtigte<br />

Partnerschaft mit der jüdischen mehrheit<br />

dar. Diese neue herausforderung der arabischen<br />

minderheit an den jüdischen staat ist<br />

Zeichen eines dramatischen wandels, mit dem sich<br />

die hegemonische mehrheit in Zukunft auseinandersetzen<br />

muss. aus israel einen normalen staat<br />

für alle seine Bürger zu machen, könnte auch die<br />

Beziehungen zwischen den Juden und den arabischen<br />

völkern im nahen osten normalisieren.<br />

Die palästinensische Katastrophe<br />

(Nakba)<br />

israel konstituierte sich am 15. mai 1948 mitten<br />

in einem krieg mit den Palästinensern und den benachbarten<br />

arabischen ländern als jüdischer<br />

staat. am ende dieses krieges, nach Unterzeichnung<br />

der waffenstillstandsabkommen im Jahr<br />

1949, wurde die tragweite der arabischen niederlage<br />

und der palästinensischen katastrophe für<br />

alle Beteiligten klar ersichtlich. Die winzige jüdische<br />

gemeinde in Palästina (etwa 650.000 Personen)<br />

konnte die Palästinenser (1.350.000) und<br />

die sie unterstützenden arabischen armeen besiegen.<br />

Die araber verabsäumten es, die errichtung<br />

des jüdischen staates zu verhindern. Zudem wurde<br />

israel auf einem größeren gebiet errichtet als vom<br />

teilungsplan der Uno vorgesehen. Der arabische<br />

staat, der für die Palästinenser vorgesehen war,<br />

wurde bis zum heutigen Datum nicht errichtet, und<br />

das palästinensische volk ist seit 1948 staatenlos.<br />

israel wurde auf etwa 77 Prozent des gebietes des<br />

historischen Palästina errichtet. Der Rest des<br />

landes wurde zwischen Jordanien (westjordanland)<br />

und Ägypten (gazastreifen) aufgeteilt. so<br />

konnte der Zionismus die erreichung seines größten<br />

Ziels (ein jüdischer staat) feiern, während die<br />

Palästinenser begannen, an den verlust ihres heimatlandes<br />

zu erinnern. Der name Palästina wurde<br />

aus der weltkarte und den landkarten des nahen<br />

ostens gestrichen. Palästinenser verloren ihr land<br />

und wurden zu einem staatenlosen volk, das in<br />

isolierte und ausgegrenzte gemeinschaften zersplittert<br />

wurde. Das ist kurz zusammengefasst das<br />

wesen der palästinensischen katastrophe im Jahr<br />

1948.<br />

Die palästinensische gesellschaft wurde zerstreut,<br />

und mehr als die hälfte (etwa 750.000) wurde zu<br />

flüchtlingen, die ihr heim, ihr land und ihren Be-<br />

39


sitz verloren. Die meisten flüchtlinge mussten in<br />

lagern ein völlig neues leben beginnen. Die staatenlosen<br />

Palästinenser wurden von israel und den<br />

sie beherbergenden arabischen ländern ausgegrenzt<br />

und diskriminiert. Zumindest während der<br />

ersten Dekade nach der nakba (1948–1958) ging<br />

es für die traumatisierten Palästinenser ums reine<br />

Überleben. ab den 1960ern begannen sie sich jedoch<br />

neu zu organisieren und starteten einen<br />

neuen militärischen und politischen kampf für die<br />

Befreiung des heimatlandes und die errichtung<br />

eines unabhängigen staates.<br />

im Unterschied zu vielen anderen traumatischen<br />

geschehnissen sind die nakba und ihre folgen<br />

kein punktuelles ereignis. es handelt sich hier vielmehr<br />

um die kumulierte wirkung der katastrophe<br />

im Jahr 1948 und des während der letzten 60<br />

Jahre erlittenen leids der Palästinenser. aus eigener<br />

Perspektive sind die Palästinenser die opfer<br />

40 OVERLAPPING VOICES<br />

der Zionisten, die das jüdische Problem auf kosten<br />

der Palästinenser lösten. Die Juden, die unter<br />

dem antisemitismus in europa und ihrem Zustand<br />

als staatenlose gemeinschaft gelitten hatten, errichteten<br />

ihren staat in Palästina und machten aus<br />

den Palästinensern ein staatenloses volk. Daher<br />

kämpfen die Palästinenser für selbstbestimmung<br />

und haben beschlossen, dem an ihnen begangenen<br />

Unrecht ein ende zu setzen. von den opfern<br />

europas zum opfer gemacht worden zu sein,<br />

macht die suche der Palästinenser nach einer gerechten<br />

lösung für ihre tragische situation noch<br />

komplizierter. leider stellt auch 60 Jahre nach der<br />

katastrophe im Jahr 1948 neues leid der Palästinenser<br />

eine schwere Belastung für die lage im<br />

nahen osten dar.<br />

adel manna ist historiker und Direktor am the center for the study<br />

of israeli arab society am van leer institute in Jerusalem.


the palestinians<br />

in israel<br />

(1948–2008)<br />

adel manna<br />

historical Palestine was dismembered as a result<br />

of the war in 1948. in the armistice agreements,<br />

signed in the following year between the adversaries,<br />

the borders of the war were recognized by israel<br />

and its arab neighbours. Palestine was divided<br />

into three parts. israel was established on about<br />

77% of the country, much beyond the territory allocated<br />

for the Jewish state according to the U.n. partition<br />

plan of november 29, 1947. the second biggest<br />

part of Palestine, the west Bank, was occupied<br />

and annexed by Jordan. the third, the gaza strip,<br />

a tiny portion of less than four hundred square km.,<br />

came under egyptian administration until June<br />

1967. thus, Palestine disappeared from the world<br />

atlas and from the official regional maps. the Palestinians<br />

who lived in their ancestors’ homeland<br />

became homeless and stateless.<br />

the Palestinian society was also shattered into separate<br />

and marginalized communities inside historical<br />

Palestine and outside it. on the territory which<br />

became israel after 1948, about 900,000 Palestinians<br />

lived until the eruption of violence and war. most<br />

of these Palestinians were displaced and became<br />

refugees in the neighbouring arab countries. in the<br />

aftermath of the armistice agreements in summer<br />

1949, an estimated 156,000 Palestinians succeeded<br />

in surviving in israel and turned into the arab<br />

minority of a Jewish state. this paper is focusing<br />

briefly on reviewing the history of Palestinians in israel<br />

and their socio-political status during the past<br />

six decades. furthermore, it will touch upon their<br />

future visions as represented in several documents<br />

published lately in nazareth and haifa.<br />

israel is celebrating this year the 60th anniversary of<br />

its independence, while the Palestinians are commemorating<br />

sixty years of the catastrophe (nakba) which<br />

befell them. in the declaration of independence, in<br />

mid may 1948, the israeli leadership promised the<br />

arab citizens of the newborn Jewish state full citizenship<br />

rights and a fair representation in all its institutions.<br />

these promises were never fulfilled. the his-<br />

tory of Jewish-arab relations in israel has witnessed<br />

ups and downs during the past sixty years. israel is<br />

perceived, particularly in the west, as a democratic<br />

state. this perception is based on true assessment<br />

of the free elections, free press and other freedoms<br />

secured and institutionalized in a fair democratic system.<br />

however, the special experience of the arab minority<br />

since 1948 reveals systematic policies and<br />

practices of discrimination towards them by the state<br />

and its Jewish institutions.<br />

the arab minority in israel numbers currently over<br />

1.2 million citizens (without the 240,000 Palestinians<br />

of east Jerusalem who are residents but not citizens<br />

of israel since June 1967). the significant<br />

demographic growth (from about 150,000 in 1949)<br />

transformed the Palestinian arabs in israel into a<br />

self-confident community. the quantitative and qualitative<br />

changes during the past six decades also increased<br />

needs and raised expectations for equal civil<br />

rights and opportunities. the deferred fulfilment<br />

of these expectations enhanced frustration and bitterness,<br />

particularly among the second and third<br />

generations of this community. what are the main<br />

characteristics of the Palestinian arabs in israel?<br />

what are the repercussions of their experiences as<br />

an arab minority in the Jewish state? what are the<br />

ups and downs in the attitude of the Jewish state<br />

towards its Palestinian citizens? lastly, what are the<br />

main features of their political agenda and their future<br />

visions? those are some of the main questions<br />

that the following pages will try to answer.<br />

Geography and Demography<br />

in 1948 israel was established on the ruins of the<br />

Palestinian society and homeland. over half of the<br />

Palestinian people (about 750,000) became refugees.<br />

they lost homes, lands, villages and towns<br />

and started life from scratch in refugee camps. all<br />

the Palestinian properties were expropriated by the<br />

state and other Jewish agencies for the benefit of<br />

Jews. over 400 villages were demolished and their<br />

lands distributed to old and newly established Jewish<br />

settlements of all kinds. the Palestinian city<br />

disappeared and a few hundred thousand arabs<br />

who lived in Jaffa, haifa, acre, lydda, Ramle and<br />

other cities turned into refugees. nazareth was the<br />

only arab town which survived the war and became<br />

the capital city of the Palestinians in galilee. it is<br />

worth noting also that most of the Palestinians who<br />

survived in israel live in galilee, north of haifa.<br />

the expulsion of most of the arabs from israel and<br />

the demolishing of hundreds of their localities represented<br />

a stark change of the geography and the<br />

demography of the place. those who survived this<br />

disaster (the estimated 156,000 in summer 1949)<br />

became israeli citizens formally. they were kind of<br />

lucky not to face the same lot of their refugee<br />

brethren. the fear of expulsion became one of the<br />

inherent elements which guided the relative acquiescence<br />

of the arabs in israel during the 1950s.<br />

indeed, this fear was not baseless. israel continued<br />

to expel arabs from galilee, ashkelon, the negev<br />

and elsewhere during the early 1950s. furthermore,<br />

many arabs believe that the killing of 49 innocent<br />

citizens in kufr-Qasim on 29th october<br />

1956 was designed to frighten the arabs and to<br />

get rid of many of them by the same methods as<br />

in 1948.<br />

in many areas in israel, particularly those allocated<br />

to the Jewish state according to the U.n. partition<br />

plan, the ethnic cleansing was almost total.<br />

in the seashore area from haifa in the north down<br />

to the gaza strip, only two small arab localities survived.<br />

even north of haifa up to the lebanese border<br />

only one village (mazr‘ah) stayed put. it was<br />

already mentioned that most of the Palestinians in<br />

israel have been living since 1948 and till now in<br />

galilee. however, a few districts of this region faced<br />

a similar lot to that of the seashore area. most of<br />

the arab localities in the safad and tyberias districts<br />

were uprooted and their inhabitants became<br />

refugees in syria and lebanon. only a few Pales-<br />

41


tinian localities in this area of eastern galilee survived<br />

and stayed put.<br />

in the so-called little triangle area adjacent to the<br />

west Bank from Um al-fahm in the north down to<br />

kufr-Qasim in the south, twentyseven Palestinian<br />

villages survived because Jordan agreed to transfer<br />

most of them to israel as part of the cease-fire<br />

agreement in spring 1949. in the southern part of<br />

the country, the negev, most of the Bedouin arabs<br />

were displaced to the gaza strip and east of the<br />

river Jordan, and only a tiny portion stayed put on<br />

their lands. however, the israeli government does<br />

not recognize the rights of many Bedouin arabs on<br />

their lands and defines their localities as “unrecognized<br />

villages”. as a result of this policy and the<br />

failed attempts of the government to transfer the<br />

inhabitants of these villages to the recognized<br />

townships, the Bedouin arabs suffer from a special<br />

policy of segregation and discrimination. the<br />

only arab town in this region before 1948, Beer alsabi‘,<br />

was transformed into a Jewish city, a fact<br />

which had negative implications on the indigenous<br />

Bedouin population.<br />

the disappearance of the Palestinian city from israel<br />

since 1948 had negative implications on the<br />

socio-cultural realities of the arab minority. from<br />

an organic and cohesive society, the war and the<br />

israeli policy of preventing the return of the refugees<br />

turned those Palestinians who did survive in<br />

the Jewish state into a traumatized and marginalized<br />

minority. furthermore, the military control<br />

which the government established in the arab<br />

areas turned the arab localities into disconnected<br />

entities. the promises of equal rights and opportunities<br />

for the arab citizens in the Jewish state<br />

were empty words in the reality of segregation and<br />

repression of basic human rights under the military<br />

regime (1948-1966). military officers administered<br />

the arab areas during that period and many<br />

restrictions of movement, economic and political<br />

activities were imposed on the arab citizens by implementing<br />

the British emergency laws of 1945.<br />

thus, the arab citizens in israel were segregated<br />

and excluded from the israeli society and economy.<br />

for about two decades after 1948, the arabs in israel<br />

had no meaningful citizenship and could<br />

hardly resist the discriminatory policies inflicted on<br />

them by the government, the military and other Zionist<br />

institutions.<br />

after confiscating all the lands of the Palestinian<br />

refugees and the “Present absentees”, israeli authorities<br />

started a policy of squeezing the lands of<br />

the arab localities. most of the confiscations of<br />

lands of the arab citizens took place during the<br />

few years which followed the nakba in 1948. a big<br />

portion of the lands left in arab hands were confiscated<br />

and hundreds of Jewish settlements were<br />

built there. as a result of these policies and actions<br />

on the ground, the geographic and demographic realities<br />

of the arab citizens were transformed significantly.<br />

Development and industrialization was plan-<br />

42 OVERLAPPING VOICES<br />

ned and performed for the benefit of Jews at the<br />

expense of the arabs. the continuation of land confiscation<br />

even after the abolition of military control,<br />

in the1970s, generated a collective response of the<br />

“land Day” in march 30, 1976. this day of strike<br />

and confrontations became a landmark in Jewisharab<br />

relations in israel.<br />

the abolition of the military regime at the end of<br />

1966 and the new geo-political realities after June<br />

1967 generated a gradual improvement in the status<br />

of the arab citizens in israel. however, the<br />

change was too late and too little given the built in<br />

policy of discrimination. most of the Jews in israel<br />

and their Zionist leaders believe that the common<br />

good of the state and society should be Jewish. the<br />

arab citizens are excluded from this common good<br />

at best and perceived as fifth column or part of the<br />

enemy in most cases. as a result, demographically,<br />

israeli policy continued to invest money and energies<br />

in order to enhance Jewish immigration into<br />

the country, while entertaining ideas of transfer for<br />

the arab minority. furthermore, in addition to the<br />

concept of as few arabs as possible in the Jewish<br />

state, this was complemented by the old Zionist policy<br />

of redeeming the land, which means seizing<br />

more arab lands. this policy has not changed during<br />

the past six decades. one of the manifestations<br />

of this policy is the building of over 900 new Jewish<br />

settlements since 1948, while building almost<br />

nothing for the arab citizens. those continue to be<br />

segregated in the roughly one hundred localities<br />

which survived the war in 1948.<br />

Socio-political status<br />

the surviving Palestinians in israel after 1948 were<br />

transformed into citizens of the Jewish state. the<br />

israeli citizenship conferred on the arab minority<br />

was meaningless in light of the brutal policies of<br />

segregation and discrimination of the military regime.<br />

even the basic right of voting was manipulated<br />

by the ruling party and other Zionist parties.<br />

Basic rights and services for the arab citizens were<br />

portrayed by the government and its agencies not<br />

as civil rights but rather as a favour given in return<br />

for full loyalty to israel and voting for the ruling parties.<br />

any attempts at independent activity or even<br />

voting for the only non-Zionist communist party<br />

was viewed negatively by authorities and brought<br />

about sanctions and punishment of the alleged<br />

suspects. Under such conditions, the name of the<br />

game for the vast majority of the Palestinian citizens<br />

was survival, not equality. most of the arab<br />

citizens in israel took part in the election campaigns<br />

during the first few decades without being<br />

able to make any difference in israeli politics.<br />

the arabs of Palestine who survived in their localities<br />

were turned into the arabs of israel or “israeli<br />

arabs”. staying put in the homeland and escaping<br />

the lot of their fellow refugees was the<br />

utmost priority. then, they struggled to keep their<br />

homes and the small amount of lands which was<br />

not been confiscated. they struggled also against<br />

the harsh measures of the military governors who<br />

prevented free movement of the arabs including<br />

preventing many farmers from cultivating their<br />

lands. the arab citizens of israel had no illusions<br />

concerning the governments’ promises of offering<br />

equal rights and opportunities. citizen rights of the<br />

arabs were not taken seriously, neither by the israeli<br />

governments nor by the Palestinian survivors<br />

in the Jewish state. in a nutshell, those were the<br />

socio-political realities of the Palestinians in israel<br />

during almost two decades, 1948-1966.<br />

the abolition of the military control at the end of<br />

1966 and the new realities of post June 1967 became<br />

a new landmark in the history of the arab<br />

minority in israel. Until the six Days’ war, the Palestinians<br />

in israel were doubly segregated, not<br />

only from Jews in israel, but also from the arab<br />

world in general and Palestinians in particular. Under<br />

such circumstances, the issue of collective<br />

identity was secondary to existential matters of survival.<br />

the encounter with other Palestinians in the<br />

newly occupied territories generated new dilemmas<br />

of collective identity and of the implications<br />

of being Palestinians, while israeli citizens. on the<br />

one hand, the israeli citizenship became much<br />

more meaningful after the abolition of the military<br />

control but, on the other, more problematic. Being<br />

citizens of the occupying state of their people in<br />

the west Bank and the gaza strip became a troubling<br />

built-in element in their political behaviour.<br />

the occupation of the west Bank and gaza legitimized<br />

the cease-fire borders of 1949.<br />

the focus of international diplomacy and arab<br />

struggle was transferred to the newly occupied territories<br />

in June 1967. in comparison with the Palestinians<br />

in the west Bank and gaza, the arabs<br />

in israel had a superior citizenship status. the issue<br />

of survival was determined during the 1960s<br />

and their new agenda focused on equal citizen<br />

rights. however, being Palestinian citizens of israel,<br />

which occupies brethren in gaza and the<br />

west Bank, is a very complicated double identity<br />

in conflict. the arabs in israel could not be indifferent<br />

to the suffering of their brethren who struggle<br />

for freedom and the end of occupation. But solidarity<br />

with that struggle decreased their prospects<br />

to gather Jewish support for their quest for equal<br />

rights and opportunities in israeli society.<br />

During the 1970s and most of the 1980s the Palestinians<br />

in israel were able to maintain a delicate<br />

balance between the civil and the national agendas.<br />

Until the eruption of the intifada in December<br />

1987, the Palestinian national struggle was led<br />

from the outside by activists of the Plo. During<br />

that period the arabs in israel reaffirmed the Palestinian<br />

component of their identity without surrendering<br />

israeli meaningful citizenship. the Palestinian<br />

community in israel became much more<br />

self-confident and assertive in demanding equal<br />

rights and opportunities. at the same time they as-


serted that a Palestinian state should be established<br />

alongside israel in the west Bank and the<br />

gaza strip. they believed that raising civil and national<br />

flags were complementing each other rather<br />

than contradicting. however, keeping this delicate<br />

balance became more problematic after the eruption<br />

of violence. the heat of the Palestinian-israeli<br />

conflict since 1988 had its effect on the precarious<br />

Jewish-arab co-existence in israel.<br />

the socio-political status of the Palestinians in israel<br />

was influenced also by internal developments.<br />

the tiny traumatized community has grown quantitatively<br />

and qualitatively since 1948. the second<br />

and third generations of Palestinians in israel were<br />

much more educated than the defeated and traumatized<br />

community. thousands of arab students<br />

attended israeli universities and many of the graduates<br />

became political and social leaders of the community.<br />

the old conservative leadership vanished<br />

and a radical and assertive one took the lead. this<br />

young and educated leadership upgraded the<br />

struggle for equal rights and opportunities. they did<br />

not restrict the arab citizens’ struggle to the issue<br />

of equality but rather questioned the basic foundations<br />

of israel’s identity and legitimacy as a Jewish<br />

state. they pointed to the inherent contradiction of<br />

the state as Jewish and democratic. israel, as the<br />

state of the Jewish people, excluded the arab citizens<br />

and included potentially Jews who are living<br />

outside the country. instead of having a normal democratic<br />

state of all the citizens, israel is an ethnic<br />

democracy, which discriminates against all non-<br />

Jews, particularly arabs. the official definition and<br />

Zionist ideology of israel are the source of discrimination,<br />

segregation and inequality of the arab citizens<br />

in the Jewish state, they asserted.<br />

the Palestinians in israel are also aware that the<br />

israeli-arab conflict is an important source of their<br />

predicament. hence, they supported a political solution<br />

and a historical compromise between israel<br />

and the arab neighbours, particularly the Palestinians.<br />

the peace with egypt in the late 1970s and<br />

the rising moderate <strong>voices</strong> among the Plo leaders<br />

gave hope for a compromise on the israeli-Palestinian<br />

front.<br />

the Palestinians in israel were the first to portray<br />

the parameters of such a compromise between the<br />

adversaries. the Palestinians should recognize israel<br />

in return for an end to the occupation and the<br />

establishment of an independent state which lives<br />

in peace with its neighbours. gradually more and<br />

more Palestinians and Jewish israelis accepted the<br />

above parameters, and in the oslo agreement in<br />

1993 many thought that the end of the conflict<br />

would be reached before the end of the century.<br />

the Palestinians in israel were enthusiastic supporters<br />

of the peace process.<br />

furthermore, during the early 1990s the Palestinians<br />

in israel were able to benefit from the linkage<br />

between the conflict and their socio-political status<br />

in israel.<br />

the government of Yitzak Rabin who needed the support<br />

of the arab voters for a political agreement with<br />

the Plo promised a policy of equal citizen rights and<br />

started to fulfil these promises immediately. During<br />

the years 1992-1995 the Palestinians in israel enjoyed<br />

from these equalization policies citizens’ rights<br />

and opportunities. During those years a gradual process<br />

of bridging socio-economic gaps between Jews<br />

and arabs in israel was generated by the government.<br />

the government of Rabin was the first in the history<br />

of the country to stand to its promises of equality for<br />

the arab citizens. Unfortunately, it was also the last<br />

one to date. the assassination of Rabin in november<br />

1995 and the change of government the year after<br />

brought an end to hopes of peace and equality<br />

among the arab citizens.<br />

Prior to 1992, Rabin represented the heavy, repressive<br />

hand of the israeli army in the occupied territories.<br />

But after the oslo agreement his image was<br />

transformed dramatically in the eyes of the Palestinians<br />

in israel and elsewhere. one of the remarkable<br />

examples of this transformation is the reaction<br />

of the arab citizens to the news about his<br />

assassination. thousands of arab citizens mourned<br />

his death in public as they had never done before<br />

when israeli leaders died. they understood instinctively<br />

that Rabin’s death would bring an end to the<br />

peace process with the Plo and could stop his government<br />

policies of equal rights and opportunities<br />

for all citizens in israel. indeed, the past thirteen<br />

years have proved that the right wing assassin of<br />

Rabin succeeded in his political mission.<br />

The Current Realities and the Future<br />

Vision Documents<br />

since october 2000, Jewish-arab relations in israel<br />

seem to be deteriorating in the aftermath of<br />

the events in which 13 young arabs were shot dead<br />

by the police and other security forces. this massive<br />

killing of demonstrators and protesters in the<br />

arab localities inside israel was a new reminder of<br />

the shaky status of the arab citizens in the Jewish<br />

state. the orr committee for investigating the<br />

events of october 2000 pointed to the longstanding<br />

state policies of discrimination against the<br />

arab citizens in israel as the main reason for the<br />

eruption of violence. furthermore, the committee<br />

stated that it is the responsibility of the government<br />

to activate a new attitude and new equalizing policies<br />

toward the arab citizens. the israeli government<br />

accepted officially the report and the recommendations<br />

of the orr committee and promised to<br />

implement them. however, almost four years after<br />

its publication very little has been done in the field<br />

of implementing the recommendations. the arab<br />

citizens were not surprised by the huge gap<br />

between rhetoric and practice. they added one<br />

more source of frustration to the long list of false<br />

promises in their short history as an arab minority<br />

in the Jewish state since the declaration of independence<br />

in 1948.<br />

notwithstanding the events of october 2000 and<br />

their repercussions on the Jewish majority-arab<br />

minority relations, the status of the Palestinians in<br />

israel has been relatively stable since 2001. however,<br />

the status quo is not a desirable option from<br />

the arab citizens’ point of view. Privatization of the<br />

economy and other policies of the government are<br />

increasing the socio-economic gaps between the<br />

rich and the poor in israel. the arab citizens are the<br />

poorest of the poor in the country, according to all<br />

indices. as a community, they suffer from longstanding<br />

state discrimination and the glass ceiling for<br />

their socio-economic mobility is very low. hence,<br />

they constantly struggle for a change in the built-in<br />

inequalities as a pre-condition for a better future.<br />

the political behaviour and expectations of the arab<br />

citizens in israel have been transformed dramatically<br />

during the past six decades. in the first two decades,<br />

the name of the game was survival. israeli<br />

citizenship was a means for staying in the homeland<br />

and preventing expulsion. During that period<br />

the utmost dream was to abolish the military control<br />

and to stop the arab lands’ confiscation by the state<br />

and its agencies. the results of the war in June<br />

1967 brought a meaningful change.<br />

the six Days’ war changed political perceptions<br />

among arabs in the region in general, and among<br />

the arabs in israel in particular. the struggle for<br />

survival was won and the new agenda led by communists<br />

included two demands from the israeli<br />

government:<br />

putting an end to the occupation of the west Bank<br />

and the gaza strip to allow the establishment of a<br />

Palestinian state alongside israel and full equality<br />

for the arab citizens. equality at that stage of<br />

struggle meant, basically, the absence of discrimination<br />

against the arabs. an active or positive civil<br />

agenda which portrays a different and clear vision<br />

was not voiced until the 1990s. in the<br />

aftermath of the oslo agreement and the peace<br />

process in the mid 1990s Palestinian intellectuals<br />

in israel started to formulate their vision. they indicated<br />

that the paradigm of full equality as citizens<br />

in israel is incompatible with the state’s selfdefinition<br />

as Jewish. this definition is inclusive for<br />

many Jews who live outside the country but have<br />

potential influence on its policies. at the same<br />

time, israel as the state of the Jewish people excludes<br />

its arab citizens and lays the foundations<br />

for discrimination against non-Jews, particularly<br />

Palestinian arabs.<br />

Epilogue<br />

lately, the israeli Parliament, the knesset, has<br />

been trying to establish a constitution by agreement.<br />

this attempt was perceived by the arab citizens<br />

of israel as a serious threat to any hope left<br />

of achieving equal rights and opportunities in<br />

israel.<br />

Unlike other cases in world history where constitutions<br />

were established as an integral part of a ce-<br />

43


lebratory event, the attempt in israel represents a<br />

consolidation of a problematic status quo involving<br />

prolonged occupation. israel in its 60th anniversary<br />

year still has no recognized borders, holds out a problematic<br />

frame of citizenship and pursues a continuous<br />

state of occupation and colonization. at such<br />

a stage of israel’s history the Palestinians in general,<br />

and the citizens of the Jewish state in particular,<br />

have nothing to gain. any consent from their<br />

side giving legitimacy to the suggested israeli constitution<br />

will hinder their struggle for equality. the<br />

current suggested constitution legitimizes the status<br />

quo and consolidates the definition of israel as<br />

a Jewish and democratic state. such a definition of<br />

israel in the constitution is totally unacceptable for<br />

the arab citizens. hence, the political and intellectual<br />

leaderships of the arab minority decided to<br />

publish their own vision of Jewish-arab relations.<br />

the first document called “the future vision” was<br />

published in December 2006 by a group of political<br />

activists and leading arab academics under the<br />

auspices of shawqi khatib, the head of the high<br />

follow-up committee. then, in march 2007, ‚adala,<br />

the legal centre for arab minority rights in israel,<br />

published their “Democratic constitution”. this document<br />

has much in common with the previous<br />

future vision, but focuses on legal issues. it is actually<br />

a kind of bill of rights representing the arab<br />

minority point of view. the last publication of this<br />

kind was in may 2007 and titled the “Document of<br />

haifa”. this document was written and signed by<br />

dozens of intellectuals and civil society activists.<br />

the meetings of the group were held in haifa at<br />

the “mada” applied social research centre.<br />

the three documents complement each other and<br />

represent the views of the political mainstream of<br />

the Palestinians in israel. it is worth noting in this<br />

concluding chapter that the documents and their<br />

publication in hebrew and english, in addition to<br />

arabic, represent a new trend among the leadership<br />

of the arab minority in israel. this leadership<br />

took the initiative to open a dialogue with the Jewish<br />

majority, rather than just responding to the majority’s<br />

views. in addition to the contents, this is a very important<br />

development which all sides concerned<br />

should take into account. the arabs in israel outlined<br />

in these documents their terms for equal partnership<br />

with the Jewish majority. this new challenge<br />

to the Jewish state from its arab minority represents<br />

a dramatic transformation, which the hegemonic<br />

majority will have to deal with in the future. transforming<br />

israel into a normal state of all its citizens<br />

could also normalize the relations of the Jews with<br />

the arab peoples in the middle east.<br />

The Palestinian Catastrophe (Nakba)<br />

israel was established as a Jewish state on may 15,<br />

1948 in the midst of a war with the Palestinians<br />

and the neighbouring arab countries. at the end<br />

of that war and the signing of the ceasefire agreements<br />

in 1949, the magnitude of the arab defeat<br />

44 OVERLAPPING VOICES<br />

and the Palestinian disaster became clear to all<br />

sides concerned. the tiny Jewish community in<br />

Palestine (about 650,000 persons) was able to defeat<br />

the Palestinians (1,350,000) and the arab armies<br />

who came to their help. the arabs failed to<br />

prevent the establishment of the Jewish state. furthermore,<br />

israel was established on a larger territory<br />

from the one allocated to it by the U.n. partition<br />

plan. as for the arab state allocated for the<br />

Palestinians, it has not been established to this<br />

day, and the Palestinian people became stateless<br />

as of 1948.<br />

israel was established on about 77% of the territory<br />

of historical Palestine. the rest of the country<br />

was divided between Jordan (the west Bank) and<br />

egypt (the gaza strip). thus, Zionism was able to<br />

celebrate the achievement of its main goal (a Jewish<br />

state), while the Palestinians began commemorating<br />

the loss of their homeland. the name of<br />

Palestine was removed from the world atlas and<br />

maps of the middle east. the Palestinians lost their<br />

country and became a stateless people dismembered<br />

into separate and marginalized communities.<br />

this is, in a nutshell, the meaning and implication<br />

of the Palestinian catastrophe in 1948.<br />

Palestinian society was shattered and over half<br />

of it (about 750,000) became refugees who lost<br />

home, lands and other properties. most of the refugees<br />

embarked on new life from scratch in refugee<br />

camps. the stateless Palestinians were marginalized<br />

and discriminated against by israel and<br />

arab countries hosting them. the name of the<br />

game for the traumatized Palestinians at least during<br />

the first decade of the nakba (1948-1958)<br />

was survival. however, from the 1960s on they reorganized<br />

themselves and started a new military<br />

and political struggle for liberating the homeland<br />

and establishing an independent state.<br />

Unlike many traumatic events, the nakba and its<br />

implications are not a one-time event. it is rather<br />

the accumulation of the initial disaster in 1948 with<br />

successive plights of the Palestinians over the past<br />

six decades. from the Palestinians’ perspective<br />

they are the victims of the Zionists who solved the<br />

Jewish problem at their expense. the Jews who<br />

suffered from anti-semitism in europe and from<br />

becoming stateless communities established a<br />

state for themselves in Palestine and turned the<br />

Palestinians into a stateless people. hence, the Palestinians<br />

are struggling for self-determination and<br />

seek to put an end to the injustices inflicted on<br />

them. Being victimized by the victims of europe<br />

complicates the Palestinian quest for a just solution<br />

to their tragedy. Unfortunately, sixty years after<br />

their disaster in 1948, new chapters of Palestinian<br />

sufferings continue to plague the realities of<br />

the middle east.<br />

adel manna is a historian and director of the center for the study of<br />

israeli arab society at the Jerusalem van leer institute.


die geschichte des<br />

Zionismus<br />

anita shapira<br />

Richard lichtheim, ein früher historiker des Zionismus,<br />

definierte diesen als „europas geschenk an das<br />

jüdische volk“. Diese aussage, die den Zionismus<br />

zeitlich und räumlich verortet, ist umstritten. ein religiöser<br />

Jude zum Beispiel würde wahrscheinlich behaupten,<br />

der Zionismus sei seit der Zerstörung des<br />

tempels und dem Beginn des exils des jüdischen<br />

volkes aus seinem heimatland ein Bestandteil des<br />

jüdischen glaubens gewesen. Juden beten täglich<br />

um ihre Rückkehr nach Jerusalem und die wiederherstellung<br />

der herrlichkeit des königreiches Davids.<br />

Der gegensatz von exil und erlösung ist seit langem<br />

ein wichtiges symbol im Judentum. Das exil steht für<br />

alles negative in der jüdischen existenz wie auch im<br />

Zustand der schöpfung als ganzer. erlösung steht für<br />

die errichtung des königreichs der gerechtigkeit auf<br />

erden und die ankunft des messias. auch die Rückkehr<br />

der Juden in ihre uralte heimat wird als teil<br />

dieses mystischen Prozesses angesehen.<br />

Dennoch besteht lichtheims einschätzung die historische<br />

Probe. ohne den kontakt zwischen Juden<br />

und der europäischen kultur wäre es nie zur entfaltung<br />

des jüdischen nationalismus gekommen,<br />

dessen zentraler ausdruck der Zionismus ist. Paradoxerweise<br />

mussten Juden ihren messianischen<br />

glauben ablegen, bevor sie sich dem Zionismus zuwenden<br />

konnten. solange sie auf himmlische hilfe<br />

warteten und ihr schicksal als national-religiöse<br />

minderheit inmitten von nationalen mehrheiten ergeben<br />

hinnahmen, konnte sich der Zionismus nicht<br />

entwickeln. Die offenheit der Juden Prozessen gegenüber,<br />

die sich in der europäischen gesellschaft<br />

insgesamt abspielten, und ihre Befreiung aus religiösen<br />

Beschränkungen waren voraussetzungen für<br />

das auftreten des Zionismus.<br />

Die geschichte beginnt mit der französischen Revolution,<br />

als die staaten europas begannen, Juden<br />

gleiche Rechte zuzugestehen. Zum ersten mal in<br />

der geschichte konnten Juden sich als gleichberechtigte<br />

Bürger in die christliche gesellschaft integrieren<br />

ohne zu konvertieren. Diese emanzipation<br />

4 OVERLAPPING VOICES<br />

führte zur säkularisierung und zunehmenden integration<br />

der Juden in die europäische gesellschaft.<br />

mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich in west- und<br />

mitteleuropa eine jüdische Bildungsschicht herausgebildet,<br />

die nach einer integration in ihre heimatländer<br />

strebte. in osteuropa dagegen, wo millionen<br />

Juden lebten, war emanzipation nach wie vor ein<br />

fernes sehnsuchtsziel. Doch auch dort trat eine<br />

moderne und gebildete jüdische schicht auf den<br />

Plan, die für die strömungen und ideen, die damals<br />

europa beeinflussten, empfänglich war.<br />

Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert des europäischen<br />

nationalismus. Die nationalstaaten, die<br />

sich nach der französischen Revolution und den<br />

napoleonischen kriegen herausbildeten, brachten<br />

eine neue säkular-bürgerliche identität hervor, die<br />

traditionelle religiöse, stammesgebundene und regionale<br />

identitäten ersetzte. kleine nationen, die<br />

jahrhundertelang unter fremdherrschaft gelebt<br />

hatten, erhoben sich nun, um um ihre freiheit zu<br />

kämpfen. griechenland, italien, Polen, die tschechoslowakei<br />

und Deutschland, bisher rein geografische<br />

Begriffe, verwandelten sich in symbole eines<br />

nationalismus, der um einen Platz an der sonne<br />

kämpfte. auch Juden waren sich dieses Prozesses<br />

bewusst; so etwa moses hess, ein deutscher sozialistischer<br />

Philosoph und genosse marx’, der sich<br />

von der vereinigung italiens begeistern ließ und<br />

glaubte, auf die Befreiung Roms müsse die wiedererrichtung<br />

Jerusalems durch die Juden folgen.<br />

so auch der serbische mystiker Rabbi Yeduda alkalai,<br />

der unter dem einfluss der nationalen Befreiungskämpfe,<br />

die auf dem Balkan stattfanden,<br />

von den Juden dasselbe forderte. mitte des 19.<br />

Jahrhunderts befürworteten diese und andere Denker<br />

in ihren schriften die idee, das jüdische volk<br />

solle die ideen von freiheit und selbstbestimmung<br />

in seiner historischen heimat verwirklichen.<br />

Die Übernahme der nationalistischen idee durch<br />

das jüdische volk stand im widerspruch zu seinem<br />

wunsch, sich in die gesellschaften seiner<br />

heimatländer zu integrieren. Der Prozess der<br />

emanzipation, damals die vorherrschende tendenz,<br />

beruhte auf der annahme, dass Juden bereit<br />

sein würden, die nationalen Bestandteile ihrer<br />

identität aufzugeben. „Den Juden als nation muss<br />

man alles verweigern; als individuen muss man ihnen<br />

alles zugestehen“, erklärte clermont-tonnerre<br />

während der französischen Revolution. solange<br />

nicht zwischen der bürgerlichen und der religiösen<br />

identität eines Juden unterschieden wurde, stellte<br />

sich die frage nicht, ob die Juden eine Religionsgemeinschaft<br />

oder eine nation darstellten. Und bis<br />

ins 19. Jahrhundert unterschieden Juden nicht<br />

zwischen ihrer nationalen und ihrer religiösen<br />

identität. Doch wenngleich sie sich nicht der Begrifflichkeit<br />

des modernen nationalismus bedienten<br />

(die erst noch erfunden werden musste),<br />

passte auf die Juden anthony smiths Definition<br />

von ethnizität, die die grundlage des nationalismus<br />

darstellte. Unentbehrliche Bestandteile dieser<br />

ethnischen identität waren eine gemeinsame<br />

vergangenheit (die Bindung an Zion), der gebrauch<br />

des hebräischen als heiliger sprache, und<br />

der traum von der Rückkehr ins land Yisrael.<br />

Um gleiche Rechte zu erlangen, wurde von Juden<br />

nun verlangt, diese Bestandteile aufzugeben, und<br />

das taten sie mit Begeisterung. gleiche Rechte<br />

wurden von vielen als der neue messias angesehen,<br />

der die Juden von der entfremdung des exils<br />

erlösen würde. Daher waren zwei tendenzen kennzeichnend<br />

für die geschichte des Judentums in<br />

der zweiten hälfte des 19. Jahrhunderts: die tendenz,<br />

die nationale jüdische identität aufzugeben<br />

im tausch für eine eintrittskarte in die europäische<br />

gesellschaft, und die tendenz, eine version des<br />

europäischen nationalismus anzunehmen und ihn<br />

auf die zeitgenössische lage des Judentums anzuwenden.<br />

noch herrschte jene tendenz vor, doch<br />

diese gewann an Boden.<br />

trat der Zionismus als antwort auf den modernen<br />

antisemitismus auf den Plan, oder war er eine Be


wegung nationaler wiedergeburt? Diese frage<br />

plagte die gründer der zionistischen Bewegung.<br />

es lag eine Demütigung in der vorstellung, dass<br />

die jüdische nationalbewegung womöglich nicht<br />

das ergebnis immanenter Prozesse, sondern das<br />

Produkt von haltungen von nichtjuden gegenüber<br />

Juden war. tatsächlich lässt sich zeigen, dass alle<br />

nationalen Bewegungen gleichermaßen durch innere<br />

und äußere faktoren angestachelt wurden.<br />

wäre der spanische nationalismus ohne die napoleonische<br />

invasion entstanden? wäre der tschechische<br />

nationalismus ohne Diskriminierung durch<br />

Deutsche entstanden? hätte sich Deutschland zu<br />

einem vereinigten staatsgebilde zusammengeschlossen,<br />

hätte es nicht die herausforderung gegeben,<br />

die frankreich darstellte? Die europäische<br />

geschichte ist reich an Beispielen dafür, dass äußerer<br />

Druck, Diskriminierung und eroberungen der<br />

entwicklung nationalistischer Bewegungen als katalysatoren<br />

dienen. Darin unterschieden sich die<br />

Juden keineswegs von den völkern, in deren mitte<br />

sie lebten. Der Zionismus erwuchs im schatten der<br />

hoffnungen auf eine emanzipation der Juden in<br />

Russland, die durch eine welle von Pogromen in<br />

südrussland im Jahr 1881 zunichte gemacht worden<br />

waren. er entwickelte sich fort in Reaktion auf<br />

den rassistischen antisemitismus, der als einflussreiche<br />

politische kraft im letzten viertel des 19.<br />

Jahrhunderts in west- und mitteleuropa sein hässliches<br />

haupt erhob.<br />

für theodor herzl, den gründer der zionistischen<br />

Bewegung, war der Zionismus eine antwort auf die<br />

Zurückweisung, die er von den Deutschen erfuhr:<br />

wir Juden haben alles in unserer macht stehende<br />

getan, um uns in die nationen, in deren mitte wir<br />

lebten, zu integrieren, aber sie wollen uns nicht<br />

haben. Daher schloss herzl: „wir sind eine nation,<br />

eine einzige nation“, und brauchen unseren eigenen<br />

staat. nur jemand, der in der europäischen<br />

kultur sozialisiert und erzogen worden und der bedrohlichen<br />

und schöpferischen macht des nationalismus<br />

ausgesetzt gewesen war, konnte zu einem<br />

solchen schluss gelangen. Der europäische nationalismus<br />

steigerte die Probleme der Juden als einer<br />

nationalen minderheit in nationalstaaten. Dies<br />

war ein exklusiver nationalismus, der diejenigen<br />

zurückwies, die er als unechte mitglieder der nation<br />

betrachtete. andererseits zeigte der europäische<br />

nationalismus den Juden auch die lösung<br />

für ihre missliche lage auf: die annahme und anwendung<br />

des Begriffs der nation auf ihre eigene<br />

lage. Das schlagwort vom „Judenstaat“ (so der titel<br />

einer kleinen von herzl veröffentlichten streitschrift)<br />

elektrisierte die gemüter. von entscheidender<br />

Bedeutung allerdings war die einrichtung<br />

des Zionistischen kongresses, einer art Parlament<br />

der abteilungen der europäischen Judenheit, das<br />

sich mit der revolutionären idee eines jüdischen<br />

staates identifizierte. herzls ureigener Beitrag zur<br />

zionistischen Bewegung war es, in politischen Begriffen<br />

zu denken. seine einsicht in die notwen-<br />

digkeit, ein gremium zu schaffen, in dessen namen<br />

er mit führenden vertretern der weltmächte<br />

verhandeln konnte – eine art fiktive vertretung des<br />

jüdischen volkes – hatte er der geschichte der nationalbewegungen<br />

europas abgesehen. auch die<br />

von ihm beworbenen symbole – darunter eine<br />

flagge und eine nationalhymne – waren der europäischen<br />

geschichte entnommen.<br />

herzl stattete die zionistische Bewegung mit der<br />

gewandtheit eines mannes aus, der der europäischen<br />

Politik ausgesetzt gewesen war und ihre<br />

kniffe kannte. in osteuropa, das sich noch in der<br />

voremanzipierten Phase befand, hatten Juden<br />

keine gelegenheit, solche kenntnisse über den<br />

staat zu erwerben und darüber, wie er funktionierte.<br />

Daher stammte die erste generation der<br />

führer der zionistischen Bewegung aus mitteleuropa.<br />

Das herz der Bewegung jedoch – die massen,<br />

die sie trugen – schlug in osteuropa.<br />

am ende des 19. Jahrhunderts machten die Juden<br />

einen revolutionären sinneswandel durch: sie<br />

hörten auf, passiv ihr elendes schicksal hinzunehmen.<br />

Die große masse emigrierte nach amerika auf<br />

der suche nach einer besseren Zukunft. ein weiterer<br />

teil schloss sich der russischen revolutionären<br />

Bewegung an in der hoffnung, dass die welt, wie<br />

sie nach der Revolution entstehen sollte, Juden als<br />

gleichberechtigte mitbürger akzeptieren würde. wieder<br />

andere sahen im Zionismus den weg der erlösung<br />

sowohl für den individuellen Juden als auch<br />

für das jüdische kollektiv. so wurde eine Bewegung<br />

geboren, bei der die anführer aus einer kulturellen<br />

welt stammten, die große Zahl der einfachen mitglieder<br />

jedoch aus einer anderen.<br />

herzl war ein schüler der deutschen kultur, und<br />

seine jüdischen wurzeln waren recht locker. Die<br />

massen in osteuropa dagegen waren zutiefst mit<br />

der jüdischen tradition verwachsen. Bei ihnen<br />

führte die säkularisierung nicht dazu, dass sie das<br />

jüdische kollektiv aufgaben, sondern vielmehr<br />

dazu, dass sie seinen nationalen charakter betonten.<br />

in osteuropa lebten millionen Juden in enger<br />

nachbarschaft, sprachen dieselbe sprache,<br />

teilten ein und dasselbe schicksal und eine gemeinsame<br />

kultur. Der Zionismus wurde nicht nur<br />

als versprechen einer erlösung der Juden von Demütigung<br />

und Unterdrückung wahrgenommen,<br />

sondern auch als Bewegung der geistigen und kulturellen<br />

wiedergeburt, die es unternahm, die Juden<br />

als individuen, als gesellschaft und als kultur<br />

umzubilden. Die neue jüdische gesellschaft würde<br />

die Bindung an die jüdische tradition und ihre historischen<br />

symbole bewahren. aber sie würde auch<br />

neue formen annehmen, insbesondere die Rückkehr<br />

zur natur und zu einer einfachen lebensweise<br />

auf landwirtschaftlicher grundlage. Diese<br />

ideen hat die zionistische Bewegung zweifelsohne<br />

nicht erfunden; vielmehr eignete sie sie sich von<br />

der europäischen Romantik an. sehnsüchte nach<br />

ursprünglichen lebensformen, nach der unverbildeten<br />

einfachheit von mensch und gesellschaft,<br />

der wunsch, vor der heuchelei der großstadt Zuflucht<br />

zu finden, indem man zu der ethischen<br />

Reinheit körperlicher arbeit im allgemeinen und<br />

der landwirtschaft im besonderen finden würde,<br />

waren seit Rousseau kennzeichen jeder Bewegung<br />

gewesen, die sich gegen die entfremdung der industrialisierung<br />

und die anonymität des modernen<br />

lebens auflehnte. für Juden wohnte diesen ideen<br />

eine besondere Bedeutung inne, da sie seit Jahrhunderten<br />

vorwiegend stadtbewohner gewesen<br />

waren und intellektuelle fähigkeiten höher als körperliche<br />

stärke schätzten. Der moderne Jude<br />

wurde mit einer städtischen intellektuellenschicht<br />

identifiziert, nicht mit dem einfältigen landbewohner.<br />

Der Zionismus stellte eine herausforderung<br />

an traditionelle jüdische werte dar. Das jüdische<br />

staatsgebilde in eretz Yisrael würde eine vollständige<br />

verwandlung der jüdischen gesellschaft wie<br />

des jüdischen individuums bedeuten. Der neue<br />

Jude würde kenntnisse und fähigkeiten erwerben,<br />

wie sie ein volk braucht, das seinen nationalstaat<br />

erschafft und für ihn verantwortung übernimmt.<br />

er würde in der lage sein, die zwei Rollen zu erfüllen,<br />

die als für jeden staat unabdingbar angesehen<br />

wurden – die des landmannes und die des<br />

soldaten. er würde ehrlich, stolz und tapfer sein,<br />

frei von verstellung und Unterwürfigkeit; ein ergebener<br />

Bürger seines staates und ein würdiger Bürger<br />

der welt.<br />

Der europäische nationalismus betrachtete sprache<br />

als ein wesentliches merkmal nationaler existenz.<br />

völker, die ihr nationales schicksal in die<br />

hand zu nehmen trachteten, versuchten daher,<br />

ihre ursprünglichen sprachen wiederzubeleben,<br />

wie etwa das tschechische und das gälische. Der<br />

jüdische nationalismus entzündete ein wiedererstarken<br />

des hebräischen, das vorwiegend gebetssprache<br />

und sprache der heiligen schrift gewesen<br />

war. im alltag sprachen Juden Jiddisch, ladino<br />

und Judäo-arabisch. Dagegen erschienen in der<br />

zweiten hälfte des 19. Jahrhunderts nach und<br />

nach eine hebräische literatur und hebräischer<br />

Journalismus. mit Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

wurde hebräisch eine gesprochene sprache, in<br />

der gelehrte sich unterhielten, kinder schrien und<br />

literarische werke verfasst wurden. Die kultur der<br />

neuen jüdischen gemeinschaft in Palästina fand<br />

in hebräischer sprache statt. ein wesentlicher Bestandteil<br />

der sich herausbildenden hebräischen<br />

kultur war die Bibel. in der traditionellen jüdischen<br />

kultur war die Bibel dem talmud hintangesetzt<br />

worden. nun wurde sie in der zionistischen mythologie<br />

auf einen ehrenplatz gehoben als erhabenes<br />

Zeugnis der intellektuellen und ethischen<br />

leistungen des jüdischen volkes einerseits und als<br />

Quelle und Zeugnis der historischen Bindungen<br />

zwischen dem jüdischen volk und seinem land<br />

andererseits. so verwandelte der Zionismus das<br />

heilige land in den jüdischen staat, die heilige<br />

sprache in eine gesprochene alltagssprache und<br />

die heiligen schriften in ein nationalepos.<br />

4


Die erste hälfte des 20. Jahrhunderts war voll von<br />

hoffnungen, dass wagemutige revolutionär-utopische<br />

Bewegungen, die nach verbesserung der<br />

gesellschaft strebten, die welt alsbald erlösen würden.<br />

Über mehr als fünf Jahrzehnte lenkten sozialistische<br />

tendenzen die geschicke des Zionismus.<br />

Der wunsch, eine gänzlich neue gesellschaft zu<br />

errichten, frei von den verzerrungen, dem Unrecht<br />

und der Ungleichheit der alten welt, erhellte den<br />

zionistischen horizont und verlieh ihm moralische<br />

und menschliche tiefe. Die Juden in Palästina würden<br />

eine modellhafte gesellschaft einrichten, die<br />

der welt als ethisches Beispiel dienen würde. Der<br />

beispielhaften jüdischen gesellschaft, so glaubte<br />

man, würde in kleinem maßstab und ohne Zwangsmaßnahmen<br />

gelingen, was, wie aufgeklärte menschen<br />

(freilich fälschlicherweise) glaubten, in der<br />

sowjetunion stattfand. Die utopischen tendenzen<br />

im Zionismus regten innovation und kreativität an.<br />

hier fand der versuch statt, eine gerechte gesellschaft<br />

mit freiwilligen mitteln einzurichten, auf der<br />

grundlage der Begeisterung, hingabe und Bildung<br />

ihrer mitglieder. Die kooperativenbewegung, die<br />

kibbuzim und die histadrut sind nur drei von vielen<br />

neuschöpfungen, die sich aus dieser einzigartigen<br />

verbindung gesellschaftlicher ideale und nationaler<br />

Bedürfnisse ergaben.<br />

ein Bereich, in dem es meinungsverschiedenheiten<br />

unter historikern und soziologen gibt, ist<br />

die frage des gebrauchs der vergleichenden methode.<br />

Die soziologie ist auf der suche nach gemeinsamen<br />

nennern und streicht die universalen<br />

merkmale sozialer Phänomene heraus, während<br />

die geschichtswissenschaft die einzigartigkeit von<br />

ereignissen und die Beispiellosigkeit ihres einmaligen<br />

auftretens in der menschlichen erfahrung<br />

betont. in meiner analyse der Ursprünge des Zionismus<br />

habe ich versucht, ihn in das Umfeld der<br />

epoche einzuordnen, in der er sich entwickelte,<br />

und ihn den allgemeinen geschichtlichen Prozessen<br />

und vorherrschenden tendenzen zu integrieren,<br />

die den Zeitgeist dieser epoche bildeten. Diese<br />

herangehensweise ist jedoch auf den versuch, die<br />

Rückkehr des jüdischen volkes in das land Yisrael<br />

zu erklären, nicht anwendbar. Zuletzt ist die jüdische<br />

geschichte einzig in ihrer art. keine andere<br />

nation hat von der antike bis in die moderne<br />

durchgehend Bestand gehabt; kein anderes volk<br />

hat über Jahrhunderte als verstreutes volk ohne<br />

territoriale grundlage existiert; und keine andere<br />

nation hat das Rad der geschichte zurückgedreht<br />

und ist in ihre historische heimat zurückgekehrt.<br />

Die Rückkehr der Juden in das land ihrer vorfahren<br />

war keine offensichtlich zu erwartende entwicklung:<br />

Das land Yisrael, nunmehr als Palästina<br />

bekannt, war eine arme und dünn besiedelte Provinz<br />

unter ottomanischer herrschaft, gefährlich<br />

und rückständig. als es zu Überlegungen über<br />

mögliche Zufluchtsorte für das jüdische volk kam,<br />

schlugen eine Reihe von führern des frühen Zionismus<br />

vor, einen Judenstaat im reichen und ent-<br />

48 OVERLAPPING VOICES<br />

wickelten argentinien oder im fruchtbaren ostafrika<br />

einzurichten. Doch diese vorschläge hatten nie<br />

den hauch einer chance, die breite masse der Zionisten<br />

für sich zu gewinnen. Dass die wahl auf<br />

eretz Yisrael (das land Yisrael) fiel, war keine rationale<br />

entscheidung. sie entstammte vielmehr einer<br />

tief sitzenden historischen einsicht, dass die<br />

errichtung eines jüdischen staates die gesamte<br />

energie und spirituelle kraft des jüdischen volkes<br />

erfordern würde. Diese waren nur zu mobilisieren,<br />

wenn es um eretz Yisrael ging. in derzeitigen Debatten<br />

unter intellektuellen ist es mode geworden,<br />

den Zionismus als eine kolonialistische siedlerbewegung<br />

zu definieren. angesichts der tatsache,<br />

dass der Zionismus unter der schirmherrschaft der<br />

britischen mandatsregierung in Palästina große<br />

fortschritte machte, scheint das eine sinnvolle<br />

herangehensweise. Doch missachtet dieser gedankengang<br />

die ideologischen und gesellschaftlichen<br />

wurzeln des Zionismus, die vielfalt der faktoren,<br />

die seine entwicklung beeinflussten, und die<br />

Unvergleichlichkeit der situation des Judentums.<br />

Palästina hatte europäischen siedlern äußerst wenig<br />

zu bieten – keine Bodenschätze, kein Öl und<br />

kein eisen. sein Boden war nicht besonders fruchtbar,<br />

und die wasserknappheit und die tatsache,<br />

dass erhebliche investitionen erforderlich waren,<br />

bevor moderne landwirtschaft betrieben werden<br />

konnte, machte es für eine Besiedlung durch europäer<br />

ungeeignet. Dennoch gelangten die Juden<br />

zu der entscheidung, die nachteile des landes außer<br />

acht zu lassen, weil es für sie ihre legendäre<br />

heimat war. sie sahen sich nicht als europäer auf<br />

der suche nach Reichtum und glück, sondern als<br />

ein volk, das zurückkehrte, um das land seiner<br />

vorfahren wiederaufzubauen.<br />

Die gründer der zionistischen Bewegung wussten<br />

nur wenig über das Palästina ihrer Zeit im Unterschied<br />

zum eretz Yisrael der legenden, der literatur<br />

und der Bibel. Doch diejenigen, die sich dort<br />

niederließen, bemerkten bald genug, dass es kein<br />

unbesiedeltes stück land war. Zu Beginn der zionistischen<br />

einwanderung nach Palästina (1881)<br />

war es die heimat einiger zehntausend Juden und<br />

weniger als einer halben million araber. Die Zionisten<br />

machten keinen hehl aus ihrer absicht, das<br />

arabische Palästina durch einwanderung und siedlungstätigkeit<br />

in ein jüdisches eretz Yisrael zu verwandeln.<br />

sie behaupteten, das land biete genügend<br />

Platz für eine million araber und einige<br />

millionen Juden. Jüdische einwanderung, so wurde<br />

argumentiert, würde kapital ins land bringen und<br />

so eine wirtschaftliche entwicklung anspornen, die<br />

der Bevölkerung als ganzer zugute kommen würde.<br />

Dieser gedankengang vernachlässigte zweifelsohne<br />

das gefühl unter der arabischen Bevölkerung,<br />

dass das land seit Jahrhunderten ihr gehört<br />

hatte. Zwar hatte das land seit dem ersten vorchristlichen<br />

Jahrhundert nicht mehr als unabhängige<br />

politische einheit existiert, doch das änderte<br />

nichts an dem Besitz- und herrschaftsanspruch,<br />

zu dem die arabische Bevölkerung sich berechtigt<br />

glaubte. Die freundschaftsversprechen der zionistischen<br />

führer machten auf sie keinen eindruck;<br />

sie hatten kein interesse daran, Partner zu gewinnen<br />

in einem land, das ihrer ansicht nach ihnen<br />

allein gehörte. sie nahmen die Juden als eindringlinge<br />

war. sowie die Juden im land immer stärker<br />

fuß fassten, wuchs auch der widerstand der araber.<br />

es war der Zionismus, der – die ironie der geschichte<br />

verdient Beachtung – den palästinensischen<br />

nationalismus hervorbrachte.<br />

Die wichtigste Phase für die Durchführung des zionistischen<br />

Projekts war die Zeit zwischen den<br />

zwei weltkriegen. Der erste weltkrieg führte zur<br />

auflösung des ottomanenreiches, und auf seinen<br />

Ruinen wurden eine anzahl arabischer staaten errichtet.<br />

anfangs standen diese staaten unter britischer<br />

und französischer mandatsherrschaft; später<br />

wurden sie unabhängig. Zugleich erkannte die<br />

völkergemeinschaft auch die historischen verbindungen<br />

zwischen dem jüdischen volk und Palästina<br />

und sein Recht an, dort eine „nationale heimat“<br />

zu errichten. Diese anerkennung war im<br />

mandat über Palästina, das der völkerbund großbritannien<br />

erteilte, verankert. Die drei Jahrzehnte<br />

britischer herrschaft in Palästina (1918-1948)<br />

legten die grundlage eines modernen staates und<br />

gaben den Juden gelegenheit, ihre „nationale heimat“<br />

einzurichten. während der Zwischenkriegsjahre<br />

beschleunigten sich die Prozesse, die zur errichtung<br />

eines zionistischen staates führen sollten,<br />

angesichts der wachsenden Bedrohung jüdischer<br />

gemeinden in europa, da die nazis in Deutschland<br />

die macht erlangten und in den staaten osteuropas<br />

antisemitische und protofaschistische Regimes<br />

auf den Plan traten. Zugleich gewann auch<br />

der jüdisch-arabische konflikt an intensität. Je gefahrvoller<br />

die lage der europäischen Juden wurde,<br />

je mehr sie gedemütigt und ihrer würde als Bürger<br />

und menschen beraubt wurden, desto zentraler<br />

wurde das zionistische Projekt für das jüdische leben.<br />

Die „nationale heimat“ im palästinensischen<br />

mandatsgebiet war nun der einzige ort auf der welt,<br />

der jeden Juden, der kommen wollte, aufnehmen<br />

würde. Über die Rettung von leben hinaus stattete<br />

der Zionismus die Juden aufs neue mit einem Zugehörigkeitsgefühl<br />

aus, mit einer identität und<br />

einem neuen gefühl von würde. Die araber dagegen<br />

nahmen nur eines wahr – dass immer mehr<br />

Juden ins land kamen und das land so nach und<br />

nach seine arabische Prägung verlor und einen<br />

europäischen charakter annahm. Die arabische<br />

strategie gegen diese in ihrer wahrnehmung existenzielle<br />

Bedrohung war es, jede verbindung zwischen<br />

Juden und Palästina zu leugnen und die legitimität<br />

des zionistischen Projektes zu bestreiten.<br />

Daher verweigerten sie sich jedem vorschlag, sei<br />

es von britischer oder jüdischer seite, sich an der<br />

verwaltung des landes zu beteiligen. am vorabend<br />

des Zweiten weltkriegs stellten die araber nach<br />

wie vor eine Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung


des landes dar. Daher war diese strategie der totalen<br />

verweigerung aus ihrer warte sinnvoll. sie<br />

führte allerdings auch zur entwicklung einer kultur<br />

des extremismus und der verweigerungshaltung<br />

unter den Palästinensern, die letztlich zu ihrer<br />

tragödie führte.<br />

1936 kam es zum arabischen aufstand in Palästina<br />

(einer art intifada). ihr Ziel war es, die britischen<br />

Behörden zu zwingen, die jüdische einwanderung<br />

ins land, die sich seit hitlers machtergreifung in<br />

Deutschland beschleunigt hatte, zu stoppen. eine<br />

königliche kommission unter lord Peel untersuchte<br />

die vorkommnisse und empfahl in ihrem Bericht im<br />

Jahr 1937, das land in zwei staaten zu teilen – einen<br />

jüdischen und einen arabischen. Damit war<br />

zum ersten mal international anerkannt, dass die<br />

jüdische gemeinde in Palästina die merkmale einer<br />

nation besaß und über die für einen eigenen<br />

staat erforderlichen fähigkeiten verfügte. Der vorschlag<br />

wurde unter den Zionisten heiß debattiert.<br />

wozu war ein jüdischer staat gut, so fragten viele,<br />

wenn er nicht Jerusalem und andere historisch bedeutsame<br />

stätten einschließen würde? Der teilungsplan<br />

sah nur einen kleinen teil des landes<br />

für die Juden vor; würde ein so kleines gebiet für<br />

die errichtung eines staates und die aufnahme<br />

von massen jüdischer flüchtlinge genügen? Doch<br />

trotz der ideologischen und pragmatischen mängel<br />

des Plans und der in ihm enthaltenen einschränkungen<br />

unterstützte eine mehrheit ihn. Zum<br />

ersten mal seit zweitausend Jahren war eine jüdische<br />

herrschaft im land Yisrael für die Juden in<br />

greifbare nähe gerückt.<br />

an der spitze dieser mehrheit stand David Bengurion,<br />

der später israels Unabhängigkeit erklären<br />

und den neuen staat durch den daraufhin einsetzenden<br />

krieg führen würde. er verstand den<br />

palästinensischen nationalismus und respektierte<br />

ihn. er suchte daher nach einer kompromisslösung,<br />

die den Juden souveränität sichern würde,<br />

ohne sie den arabern zu verweigern. Die araber<br />

andererseits wiesen den Plan rundweg zurück, und<br />

so war es das schicksal der vorschläge der Peelkommission,<br />

in den archiven des British colonial<br />

office auf immer zu verschwinden. am vorabend<br />

des bevorstehenden weltkriegs war den Briten<br />

daran gelegen, die araber milde zu stimmen, um<br />

sich ihrer loyalität zu versichern. Die loyalität der<br />

Juden war in einem krieg gegen hitler selbstverständlich.<br />

Die Briten gaben daher dem verlangen<br />

der araber nach und stoppten die vergrößerung<br />

der „nationalen heimat“. Die tragischste seite dieser<br />

Politik war, dass die jüdische einwanderung<br />

just zu dem Zeitpunkt zum erliegen kam, als die<br />

not der Juden ihren höhepunkt erreichte und sie<br />

mehr denn je einen Zufluchtsort benötigten. liest<br />

man Protokolle aus den Jahren des Zweiten weltkriegs<br />

über arabische vetostimmen, die einigen<br />

tausend jüdischen kindern die einreise nach Palästina<br />

verweigerten (und so die Rettung ihrer leben<br />

verhinderte), fällt es schwer, ob des mangels<br />

an großzügigkeit seitens der palästinensischen araber<br />

nicht eine gewisse frustration zu empfinden.<br />

seit 1937 hat sich die selbe szene wieder und wieder<br />

abgespielt – die araber leiten eine neue welle<br />

der gewalt ein, die Juden antworten mit gegengewalt,<br />

und ein vorschlag für einen kompromiss zwischen<br />

den beiden streitenden nationen kommt auf<br />

den tisch. Die Juden sind bereit, den kompromiss<br />

zu akzeptieren; die araber weisen ihn zurück. seitdem<br />

sind es zwei arten von kompromiss, die auf<br />

der tagesordnung standen und stehen: teilung der<br />

souveränität und territoriale teilung. in den frühen<br />

1940er Jahren schlugen Juden, die nach einem<br />

modell für jüdisch-arabische koexistenz suchten,<br />

einen binationalen staat vor, in dem beide völker<br />

unabhängig vom zahlenmäßigen verhältnis zwischen<br />

ihnen in gleichheit leben sollten. solche vorschläge<br />

sind seither beliebt in radikal-zionistischen<br />

kreisen, die der jüdisch-arabischen konfrontation<br />

entkommen und eine gemeinsame loyalität gegenüber<br />

einer vereinigten jüdisch-arabischen staatsbürgerschaft<br />

in einem staat entwickeln wollen. Doch<br />

wenngleich diese idee von großer intellektueller anziehungskraft<br />

ist, ist sie weit davon entfernt, die<br />

grundlegenden interessen beider völker sicherzustellen.<br />

für die Palästinenser wie die Juden ist ein<br />

unabhängiger staat ein symbol ihrer identität und<br />

ein mittel, ihre würde und ihren stolz wiederherzustellen.<br />

nicht zufällig hat der binationale staat auf<br />

keiner seite je wirklich Unterstützung gefunden, von<br />

ein paar idealisten einmal abgesehen.<br />

Die funktionsfähige kompromisslösung ist seit jeher<br />

die territoriale teilung – eine art umgekehrtes<br />

‚salomonisches Urteil‘ dergestalt, dass „ich es behalte,<br />

und du behältst es auch“. ein territorialer<br />

kompromiss war keine ausgemachte sache, da sowohl<br />

die Juden als auch die araber den standpunkt<br />

vertraten: „es gehört ganz mir“. Doch in<br />

wirklichkeit hat die mehrheit der Juden in jedem<br />

kritischen augenblick der geschichte seither einem<br />

territorialen kompromiss zugestimmt. so beschloss<br />

zum Beispiel die generalversammlung der vereinten<br />

nationen am 29. november 1947, Palästina in<br />

einen jüdischen und einen arabischen staat zu teilen.<br />

Dieser Plan war weit von den ehrgeizigen Zielen<br />

der Juden entfernt: die zionistische Rechte und<br />

sogar teile der linken wiesen ihn zurück. Dennoch<br />

akzeptierten ihn die meisten Juden; menschenmassen<br />

ergossen sich auf die straßen und feierten<br />

mit tänzen bis spät in die nacht. Die araber wiesen<br />

den Plan zurück und führten bereits am nächsten<br />

tag die ersten gewaltsamen angriffe durch. so<br />

begann der israelische Unabhängigkeitskrieg als<br />

ein krieg zwischen den zwei nationalen gemeinschaften,<br />

die Palästina bewohnten, der sich dann<br />

in einen krieg zwischen dem neuen staat israel<br />

und den arabischen nachbarländern verwandelte.<br />

aus diesem krieg ging israel siegreich hervor; es<br />

gelang ihm, sich über die durch den teilungsplan<br />

der vereinten nationen festgelegten grenzen hinweg<br />

auszudehnen. Die meisten araber, die in den<br />

dem neuen staat eingegliederten gebieten<br />

wohnten, flohen während des krieges oder wurden<br />

vertrieben. es war ein grausamer krieg, in der<br />

die jüdische gemeinschaft ein Prozent ihrer Bevölkerung<br />

verlor. Die araber zerstörten jede jüdische<br />

siedlung, die sie eroberten, und töteten die<br />

Bewohner oder nahmen sie gefangen. Doch ist hier<br />

nicht der ort für eine aufrechnung des krieges von<br />

1948. von interesse allerdings ist das muster, das<br />

das verhalten der Palästinenser zeigt: die felsenfeste<br />

weigerung, die Rechte der gegenseite auch<br />

nur teilweise anzuerkennen, und der stetige versuch,<br />

eine lösung im eigenen sinn durch den einsatz<br />

von gewalt und die ablehnung jedes kompromisses<br />

zu erzwingen.<br />

1998 feierte israel sein 50-jähriges Jubiläum. es<br />

schien, als sei der zionistische traum weit über die<br />

visionen derjenigen, die ihn träumten, in erfüllung<br />

gegangen. in den fünfzig Jahren des israelischen<br />

staates hatte dieser 4,5 millionen jüdische einwanderer<br />

aufgenommen, darunter 500.000 Überlebende<br />

des holocaust und eine million flüchtlinge<br />

aus den arabischen ländern, die wegen der antijüdischen<br />

gewalt, die nach der arabischen niederlage<br />

im krieg von 1948 ausbrach, ihre heimat<br />

zu verlassen gezwungen waren. in der jüngeren<br />

vergangenheit sind zu ihnen beinahe eine million<br />

einwanderer aus der ehemaligen sowjetunion hinzugekommen.<br />

israels Dynamik ist unverkennbar<br />

in seinem kulturellen Reichtum, seiner gesellschaftlichen<br />

und wirtschaftlichen kreativität und<br />

dem wissenschaftlichen entwicklungsniveau, um<br />

das sogar die entwickelten länder es beneiden.<br />

Die verbindung westlicher und östlicher einflüsse<br />

hat eine einzigartige variante der mittelmeerkultur<br />

hervorgebracht, die in sprache, literatur, musik,<br />

kunst und vielen anderen gebieten zum ausdruck<br />

kommt. in ihrer mannigfaltigkeit, ihrem Pluralismus,<br />

ihrer zugleich ortsgebundenen und weltbürgerlichen<br />

Prägung ist die kultur israels faszinierender<br />

als je zuvor.<br />

Doch die krönende leistung des zionistischen Projekts<br />

zu israels 50. Jahrestag war die historische<br />

versöhnung, die zwischen israel und den Palästinensern<br />

einzutreten schien. Die gründer israels<br />

glaubten an den frieden und hatten den tag vor<br />

augen, da der frieden mit den arabern erreicht<br />

werden würde. sie waren überzeugt, dass dieser<br />

tag kommen werde, sobald die araber alle hoffnung<br />

aufgegeben haben würden, die Juden mittels<br />

gewalt zu vertreiben. Die osloer abkommen<br />

beruhten auf der unter den führenden Politikern<br />

israels verbreiteten Überzeugung, dass die Palästinenser<br />

in der tat zu diesem schluss gekommen<br />

seien und ihre kriegerische strategie aufgegeben<br />

hätten. Die darauffolgenden Jahre haben bewiesen,<br />

dass diese einschätzung voreilig war: letztendlich<br />

wird es zur versöhnung kommen, doch ist<br />

die Zeit noch nicht reif dafür. im Jahr 2000 wiederholte<br />

sich das traditionelle verhaltensmuster<br />

der Palästinenser in camp David. als ihnen ein ab-<br />

49


kommen über einen (höchst großzügigen und aus<br />

israelischer Perspektive möglicherweise gefährlichen)<br />

territorialen kompromiss vorgelegt wurde,<br />

konnten sie sich nicht dazu überwinden, diesen<br />

anzunehmen. sie kehrten zur strategie der gewalt<br />

zurück, da ein kompromiss in ihren augen einer<br />

kapitulation gleichkam. Die jüngste intifada versetzte<br />

beide seiten in vieler hinsicht in die vergangenheit<br />

zurück, in Denkweisen, die 1948 vielleicht<br />

angemessen waren, auf die Realität des 21. Jahrhunderts<br />

jedoch jedenfalls nicht mehr passen.<br />

amos oz, einer der bekanntesten schriftsteller israels,<br />

hat einen Roman mit dem titel „eine geschichte<br />

von liebe und finsternis“ veröffentlicht.<br />

Diese autobiografie verwebt die individuelle geschichte<br />

der familie oz mit der umfassenden nationalen<br />

erzählung der 1940er und 1950er Jahre.<br />

oz gehörte unter den israelischen intellektuellen<br />

zu denjenigen, die sich am stärksten mit der suche<br />

nach einem weg zu einer versöhnung zwischen<br />

Juden und arabern und mit den osloer abkommen<br />

identifizierten. Zwischen den Zeilen<br />

seines neuen Romans macht oz seiner verbitterung<br />

und enttäuschung über die Palästinenser<br />

nach der al-aqsa-intifada luft. gegen ende des<br />

Buches benutzt oz die figur eines kibbuznik, um<br />

seine eigene meinung und die der mehrheit der is-<br />

50 OVERLAPPING VOICES<br />

raelischen linken und mitte zum ausdruck zu bringen,<br />

die die versöhnung aus vollem herzen unterstützten.<br />

wenngleich er verständnis hat für die<br />

tragödie der 1948 aus ihren Dörfern ins exil vertriebenen<br />

Palästinenser und sich daher weigert,<br />

sie „mörder“ zu nennen, betont der kibbuznik,<br />

dass sie es gewesen seien, die den krieg begonnen<br />

hätten mit dem Ziel, die gesamte jüdische gemeinschaft<br />

zu zerstören. Die Juden sollten sich mit<br />

dem begnügen, was sie 1948 erobert hätten, und<br />

nicht nach weiteren eroberungen streben, erklärt<br />

er. Doch bis der frieden hergestellt sei, fügt er<br />

hinzu, hätten wir keine wahl, als nach besten kräften<br />

zu kämpfen, „einfach weil wir das Recht haben<br />

zu existieren, und einfach weil auch wir das<br />

Recht auf eine heimat haben“. „wenn es nicht<br />

hier ist“, fragt der kibbuznik, „wo ist es dann, das<br />

land des jüdischen volkes? ... oder verdient, unter<br />

allen völkern der erde, einzig das jüdische volk<br />

es nicht, ein kleines land zu haben?“ Diese frage,<br />

die 1948 entschieden schien, bildet auch heute<br />

noch den kern des konflikts zwischen Palästinensern<br />

und Juden.<br />

anita shapira, Professorin an der tel aviv University, schwerpunkte:<br />

geschichte des Zionismus und israel; 2008 wurde ihr der israel<br />

Prize verliehen.


the history of<br />

Zionism<br />

anita shapira<br />

Richard lichtheim, one of the early historians of Zionism,<br />

defined it as “europe’s gift to the Jewish people”.<br />

this statement, which locates Zionism in time<br />

and place, is subject to dispute. for example, a religious<br />

Jew would probably assert that Zionism has<br />

been part of the Jewish faith since the destruction<br />

of the temple and the Jewish people’s exile from<br />

their land. Jews pray daily for their return to Jerusalem<br />

and the restoration of the majesty of the kingdom<br />

of David. the dichotomy of exile and redemption<br />

has been a major symbol in Judaism. exile<br />

represents all that is negative in Jewish existence,<br />

as well as in the cosmic state. Redemption represents<br />

the establishment of the kingdom of justice<br />

on earth and the coming of the messiah. the return<br />

of the Jews to their ancient homeland has also been<br />

considered part of this mystic process.<br />

Yet lichtheim’s assessment stands the test of history.<br />

if it were not for the Jewish interaction with european<br />

culture, Jewish nationalism, of which Zionism<br />

is a quintessential expression, would never<br />

have evolved. Paradoxically, Jews had to abandon<br />

their messianic faith before they could embrace<br />

Zionism. as long as they awaited the help of the<br />

heavens and accepted their fate with docility as a<br />

national-religious minority among majority nations,<br />

Zionism could not emerge. the prerequisites for the<br />

emergence of Zionism were the Jews’ openness to<br />

processes taking place in european society at large<br />

and their release from religious constraints.<br />

the story begins with the french Revolution, when<br />

the states of europe began to grant Jews equal<br />

rights. for the first time in history, Jews could integrate<br />

into christian society as equal citizens<br />

without having to convert. this emancipation led<br />

to secularization, as well as to the Jews’ growing<br />

integration into european society. By the second<br />

half of the 19th century, a Jewish educated class<br />

had come into existence in western and central<br />

europe, desiring to integrate into their home countries.<br />

in eastern europe, however, where millions<br />

of Jews lived, emancipation was still a remote aspiration.<br />

But there as well, a modern educated Jewish<br />

class emerged, susceptible to the trends and<br />

ideas then influencing europe.<br />

the 19th century was the century of european nationalism.<br />

the nation states that crystallized after<br />

the french Revolution and the napoleonic wars<br />

generated a new secular civil identity that replaced<br />

traditional religious, tribal and local identities.<br />

small nations, which for hundreds of years had not<br />

known self-rule, now rose up to fight for their freedom.<br />

greece, italy, Poland, czechoslovakia and<br />

germany were transformed from mere geographical<br />

concepts into symbols of nationalism fighting<br />

for a place in the sun. Jews were conscious of this<br />

process as well. this was true of marx’s companion,<br />

the german socialist philosopher moses<br />

hess, who was inspired by the unification of italy,<br />

and believed that the reconstruction of Jerusalem<br />

by the Jews should follow the liberation of Rome.<br />

it was also true of the serbian mystic Rabbi Yeduda<br />

alkalai, who was influenced by the national<br />

struggles for freedom that took place in the Balkans<br />

and wanted the Jews to do the same. By the<br />

mid-19th century, these and other thinkers were<br />

writing in support of the Jewish people’s implementation<br />

of concepts of freedom and self-determination<br />

in their historical homeland.<br />

the Jewish people’s adoption of the nationalist idea<br />

conflicted with their wish to integrate into their home<br />

societies. the process of emancipation, which was<br />

the dominant trend at the time, was based on the<br />

premise that Jews were willing to relinquish the national<br />

components of their identity. “to the Jews<br />

as individuals – everything; as a nation – nothing”,<br />

declared clermont-tonnerre during the french Revolution.<br />

as long as there was no distinction<br />

between a Jew’s civil identity and religious identity,<br />

the issue of whether the Jews were a religion<br />

or a nation never came up. and, until the 19th century,<br />

Jews did not distinguish between their national<br />

and religious identities. however, while they did not<br />

use the terminology of modern nationalism (which<br />

had yet to be created), Jews did fit anthony smith’s<br />

definition of ethnicity, which constituted the foundation<br />

of nationalism. the essential components<br />

of this ethnic identity were the sharing of a common<br />

past – the connection to Zion, the use of<br />

hebrew as the holy language, and the dream of<br />

the return to the land of Yisrael.<br />

in order to receive equal rights, Jews were now required<br />

to relinquish these components, and they<br />

did so enthusiastically. equal rights were regarded<br />

by many as the new messiah, which would redeem<br />

Jews from the estrangement of exile. thus, two<br />

trends characterized Jewish history in the second<br />

half of the 19th century – the trend of relinquishing<br />

national Jewish identity in exchange for an entry<br />

ticket into european society, and the trend of adopting<br />

a version of european nationalism and applying<br />

it to the contemporary Jewish condition. the<br />

former was still predominant, but the latter was<br />

gaining ground.<br />

Did Zionism emerge as a response to modern antisemitism,<br />

or was it a movement of national renaissance?<br />

this question bothered the founders of the<br />

Zionist movement. there was something humiliating<br />

about the idea that perhaps the Jewish national<br />

movement was not the result of immanent processes,<br />

rather the outcome of non-Jewish attitudes<br />

towards Jews. actually, it can be argued that all<br />

national movements were aroused by internal and<br />

external factors alike. would spanish nationalism<br />

have emerged without napoleon’s invasion? would<br />

czech nationalism have emerged without german<br />

discrimination? would germany have crystallized<br />

into one united state if it had not been for the challenge<br />

posed by the french? european history is<br />

rich with examples of external pressure, discrimination<br />

and conquest serving as the catalyst for the<br />

evolution of nationalist movements. Jews were no<br />

different from the people among whom they dwel-<br />

51


led. Zionism emerged in the shadow of dashed hopes<br />

for Jewish emancipation in Russia, following the<br />

wave of pogroms that hit southern Russia in 1881.<br />

it continued to evolve as a reaction to the racist antisemitism<br />

that reared its ugly head as an influential<br />

political power in western and central europe during<br />

the last quarter of the 19th century.<br />

for theodor herzl, the founder of the Zionist movement,<br />

Zionism was a response to his being rejected<br />

by the germans: we Jews did everything we could<br />

to integrate into the nations among which we lived,<br />

but they do not want us. thus, herzl concluded,<br />

“we are a nation, one nation”, in need of a state of<br />

our own. only someone socialized and educated<br />

within european culture and exposed to the threatening<br />

and creative power of nationalism could<br />

reach such a conclusion. european nationalism intensified<br />

Jews’ problems as a national minority living<br />

among nation states. it was an exclusive type<br />

of nationalism, rejecting those considered not to<br />

be authentic members of the nation. on the other<br />

hand, european nationalism also pointed out to<br />

Jews the solution to their predicament: adoption<br />

and application of the national concept to their own<br />

condition. the catchphrase “the Jewish state”<br />

(the title of a small pamphlet published by herzl)<br />

was electrifying. But what was decisive was the establishment<br />

of the Zionist congress, a sort of parliament<br />

of the segments of european Jewry that<br />

identified with the revolutionary idea of a Jewish<br />

state. thinking in political terms was herzl’s unique<br />

contribution to the Zionist movement. his insight<br />

regarding the need to create a body in whose name<br />

he could negotiate with world leaders – a sort of<br />

fictional representative body of the Jewish people<br />

– was appropriated from the history of european<br />

national movements. the symbols that he fostered<br />

– including a flag and an anthem – were also taken<br />

from european history.<br />

herzl endowed the Zionist movement with the savoir-faire<br />

of someone who had been exposed to european<br />

politics and knew its ways. in eastern europe,<br />

still in the pre-emancipation phase, Jews had<br />

no opportunity to gain such knowledge about the<br />

state and its workings. hence, the first generation<br />

of leadership of the Zionist movement came from<br />

central europe. however, the heart of the movement<br />

– the masses that supported it – was to be<br />

found in eastern europe.<br />

at the end of the 19th century, Jews experienced<br />

a revolutionary change of heart: they stopped passively<br />

accepting their miserable fate. the masses<br />

emigrated to america in search of a better future.<br />

another group joined the Russian revolutionary<br />

movement, in the hope that the world that would<br />

emerge after the revolution would accept Jews as<br />

equals. still others viewed Zionism as the path to<br />

redemption, for Jewish individuals as well as for<br />

the Jewish collective. thus a movement was born<br />

whose leaders came from one cultural world, while<br />

its rank and file came from another.<br />

52 OVERLAPPING VOICES<br />

herzl was a disciple of german culture, and his<br />

Jewish roots were rather shaky. however, the<br />

masses in eastern europe were imbued with Jewish<br />

tradition. their secularization did not lead to<br />

abandoning the Jewish collective, rather to emphasizing<br />

its national character. in eastern europe,<br />

millions of Jews lived in close proximity, spoke the<br />

same language, were party to the same fate and<br />

shared a common culture. Zionism was perceived<br />

not only as offering redemption from the Jews’ humiliation<br />

and oppression, but as a movement of<br />

spiritual and cultural rebirth that strove to reshape<br />

Jews as individuals, as a society and as a culture.<br />

the new Jewish society would preserve the bond<br />

with Jewish tradition and its historical symbols. But<br />

it would also adopt new norms, first and foremost<br />

the return to nature and a simple way of life through<br />

the cultivation of the soil. clearly, the Zionist movement<br />

did not invent these concepts, rather appropriated<br />

them from european romanticism. Yearnings<br />

for primordial forms of life, the original simplicity<br />

of man and society, the desire to find refuge from<br />

the hypocrisy of the big city by adopting the ethical<br />

purity of physical labour in general, and agriculture<br />

in particular, had characterized every movement<br />

that rebelled against the alienation of<br />

industrialization and the anonymity of modern life<br />

ever since Rousseau. these ideas carried special<br />

meaning for Jews, who for centuries had been primarily<br />

city dwellers that valued intellectual capabilities<br />

over physical prowess. the modern Jew was<br />

identified with the sophisticated intelligentsia, not<br />

with the simple-minded peasants. Zionism challenged<br />

traditional Jewish values. the Jewish entity<br />

in eretz Yisrael would represent a complete transformation<br />

of Jewish society and the Jewish individual.<br />

the new Jew would adopt skills and abilities<br />

needed by a nation-building people assuming responsibility<br />

for the state. he would be able to fulfil<br />

the two roles regarded as essential for any state<br />

– the tiller of the soil and the soldier. he would be<br />

honest, proud and brave, and free of pretense and<br />

obsequiousness. he would be a loyal citizen of his<br />

state and a worthy citizen of the world.<br />

european nationalism regarded language as one<br />

of the essential indicators of nationhood. Peoples<br />

that reshaped their national identities therefore attempted<br />

to revive their original languages, like<br />

czech and gaelic. Jewish nationalism sparked a<br />

revival of hebrew, which had been primarily a language<br />

of prayer and of the holy scripture. in everyday<br />

life Jews spoke Yiddish, ladino and Judeoarabic.<br />

however, during the second half of the<br />

19th century, hebrew literature and journalism began<br />

to appear. from the early 20th century onward,<br />

hebrew became a spoken language, in which<br />

scholars conversed, children shouted and works<br />

of literature were written. the culture of the new<br />

Jewish community in Palestine was conducted in<br />

hebrew. an integral component of the emerging<br />

hebrew culture was the Bible. in traditional Jewish<br />

culture the Bible had been considered as inferior<br />

to the talmud. now it was elevated to a place of<br />

honour in Zionist mythology, both as the sublime<br />

intellectual and ethical achievement of the Jewish<br />

people and as the source and testimony of the Jewish<br />

people’s historic ties to their land. hence Zionism<br />

transformed the holy land into the Jewish<br />

state, the holy language into an everyday spoken<br />

language and the holy scriptures into a national<br />

epic.<br />

the first half of the 20th century was saturated with<br />

hopes of imminent redemption of the world through<br />

daring revolutionary utopian movements that attempted<br />

to better society. for more than five decades<br />

Zionism was guided by socialist trends. the<br />

desire to build a completely new society, free of the<br />

distortions, injustices and inequalities of the old<br />

world, lit up the Zionist horizon and endowed it with<br />

moral and human depth. the Jews in Palestine<br />

would establish a model society that, ethically, would<br />

serve as an example for the world. the exemplary<br />

Jewish society was supposed to achieve on a small<br />

scale and without coercion what enlightened people<br />

had assumed (mistakenly, of course) was taking<br />

place in the soviet Union. the utopian trends in Zionism<br />

inspired innovation and creativity. it was an<br />

attempt to establish a just society through voluntary<br />

means, based on the enthusiasm, dedication and<br />

education of its members. the cooperative movement,<br />

the kibbutzim and the federation of labour<br />

were just a few of the many innovative creations that<br />

resulted from this unique combination of social<br />

ideals and national needs.<br />

one area of dissent between historians and sociologists<br />

is the question of using the comparative method.<br />

sociology is on the lookout for common denominators,<br />

highlighting the universal characteristics<br />

of social phenomena, while history emphasizes the<br />

unique nature of events, and the singularity of the<br />

one-time occurrence in human experience. in analyzing<br />

the origins of Zionism, i have attempted to<br />

place it in the context of the era during which it had<br />

evolved, and to integrate it into the general historical<br />

processes and predominant trends that had<br />

constituted the Zeitgeist of that era. this approach<br />

is not applicable, however, to explaining the Jewish<br />

people’s return to the land of Yisrael. at the end of<br />

the day, Jewish history is sui generis. no other nation<br />

existed continuously from antiquity to the modern<br />

era; no other people existed for centuries as a<br />

dispersed people without a territorial base; and no<br />

other nation turned back the wheel of history and<br />

returned to its historical homeland.<br />

the Jews’ return to the land of their ancestors was<br />

not an obvious development: the land of Yisrael,<br />

which had come to be known as Palestine, was a<br />

poor, thinly populated province under ottoman<br />

rule, dangerous and backward. considering possible<br />

havens for the Jewish people, a number of<br />

early Zionist leaders proposed establishing a Jewish<br />

state in rich, developed argentina or in fertile


east africa. But these suggestions never stood a<br />

chance of winning over the Zionist rank and file.<br />

the choice of eretz Yisrael (the land of Yisrael)<br />

was not rational. Rather, it stemmed from a deep<br />

historical intuition that building a Jewish state<br />

would require every ounce of energy and all the<br />

spiritual strength of the Jewish people. this could<br />

be mustered only for the sake of eretz Yisrael. in<br />

current intellectual discourse, it is fashionable to<br />

define Zionism as a settler colonialist movement.<br />

considering the fact that Zionism made great progress<br />

under the auspices of the British mandate<br />

in Palestine, this approach seems sensible. however,<br />

this line of thought disregards the ideological<br />

and social roots of Zionism, the variety of factors<br />

that caused its evolution and the uniqueness of the<br />

Jewish case. Palestine had very little to offer to european<br />

settlers – no natural resources, no oil and<br />

no iron. its soil was not particularly fertile, and the<br />

scarcity of water and the need for significant investment<br />

before undertaking modern farming<br />

made it unsuitable for european settlement. But<br />

the Jews chose to disregard the disadvantages of<br />

the land, because for them it was their legendary<br />

homeland. they did not see themselves as europeans<br />

in search of riches and good fortune, rather<br />

as people returning to rebuild the land of their<br />

forefathers.<br />

the founders of the Zionist movement knew relatively<br />

little about contemporary Palestine, as distinct<br />

from the eretz Yisrael of legends, literature<br />

and the Bible. however, those that settled in the<br />

country soon observed that it was not an empty<br />

land. at the onset of Zionist immigration in Palestine<br />

(1881), it was home to a few tens of thousand<br />

Jews and less than half a million arabs. the Zionists<br />

did not conceal their intention to transform<br />

arab Palestine into Jewish eretz Yisrael through<br />

immigration and settlement. they maintained that<br />

there was more than enough room in the country<br />

for 1 million arabs and a few million Jews. Jewish<br />

immigration, it was reasoned, would bring capital<br />

to the country and spur economic development<br />

beneficial to the population as a whole. clearly, this<br />

line of reasoning disregarded the feeling of the<br />

arab population that the country had been theirs<br />

for hundreds of years. while Palestine had not<br />

been an independent political unit since the first<br />

century B.c., this did not negate the sense of possession<br />

and dominion felt by the country’s arab<br />

population. Zionist leaders’ promises of friendship<br />

did not impress them; they were not interested in<br />

gaining partners in a country that they regarded as<br />

exclusively their own. they perceived the Jews as<br />

invaders. as the Jews’ foothold in the country<br />

strengthened, the arabs’ opposition grew as well.<br />

as one of history’s ironies, it should be noted that<br />

Zionism is what created Palestinian nationalism.<br />

the most important period for the implementation<br />

of the Zionist project was between the two world<br />

wars. world war i resulted in the dismantling of<br />

the ottoman empire, and a number of arab states<br />

were established on its ruins. initially these states<br />

were under British and french mandates and later<br />

they became independent. at the same time,<br />

the international community also recognized the<br />

Jewish people’s historic connection to Palestine<br />

and its right to establish a “national home” there.<br />

this recognition was anchored in the British mandate<br />

over Palestine, as issued by the league of nations.<br />

the three decades of British rule in Palestine<br />

(1918-1948) laid the foundations for a modern<br />

state, and gave the Jews an opportunity to establish<br />

their “national home”. During the interwar<br />

period, Zionist state-building processes accelerated<br />

in the face of the growing threat to Jewish communities<br />

in europe, as the nazis rose to power in<br />

germany and anti-semitic, proto-fascist regimes<br />

emerged in the states of eastern europe. concurrently,<br />

the intensity of the Jewish-arab conflict was<br />

also on the rise. the more perilous the situation of<br />

european Jews became, and the more they were<br />

humiliated and deprived of dignity as citizens and<br />

human beings, the more central the Zionist project<br />

became in Jewish life. the “national home”<br />

in mandate Palestine was the only place in the world<br />

that was willing to accept any Jew who wished to<br />

come. Beyond saving lives, Zionism re-endowed<br />

Jews with a sense of belonging, an identity and a<br />

renewed sense of dignity. the arabs, however, saw<br />

only one fact – that more and more Jews were entering<br />

the country and that the country was gradually<br />

losing its arab landscape and taking on a european<br />

character. the arab strategy against what<br />

they perceived to be an existential threat was total<br />

denial of any Jewish link to Palestine, and rejection<br />

of the legitimacy of the Zionist project. they<br />

therefore turned down any proposals made by either<br />

the British or the Jews regarding taking part<br />

in the administration of the country. on the eve of<br />

world war ii the arabs still constituted a two-thirds<br />

majority of the country’s population. hence, this<br />

strategy of total refusal made sense from their point<br />

of view. however, it also resulted in the evolution<br />

of a culture of extremism and rejectionism among<br />

the Palestinians, which eventually led them to<br />

tragedy.<br />

in 1936, the arab Rebellion erupted in Palestine<br />

(an intifada of sorts). its aim was to force the British<br />

authorities to halt Jewish immigration into the<br />

country, which had been on the rise since hitler<br />

came to power in germany. a Royal commission<br />

headed by lord Peel investigated the events, and,<br />

in its 1937 report, recommended partitioning the<br />

country into two states – one Jewish and one arab.<br />

this was the first international recognition of the<br />

fact that the Jewish community in Palestine possessed<br />

the attributes of a nation and the capabilities<br />

required for statehood. the proposal caused<br />

stormy debate among Zionists. what was the use<br />

of a Jewish state, many asked, if it did not include<br />

Jerusalem and other historically significant places?<br />

the partition plan allocated the Jews a small portion<br />

of the country; would such a small area suffice<br />

for the establishment of a state and for absorbing<br />

the masses of Jewish refugees? But against<br />

the ideological and pragmatic faults of the plan and<br />

despite its limitations, a majority supported it. for<br />

the first time in two thousand years, the Jews were<br />

just striking distance away from Jewish rule in the<br />

land of Yisrael.<br />

the leader of this majority was David Ben-gurion,<br />

who would later declare israel’s independence and<br />

guide the new state through the war that ensued.<br />

he understood Palestinian nationalism and respected<br />

it. therefore he searched for a compromise<br />

that would secure sovereignty for the Jews<br />

and not deny it to the arabs. the arabs, on the<br />

other hand, rejected the plan out of hand, and the<br />

Peel commission proposals were doomed to be<br />

buried in the archives of the British colonial office.<br />

on the eve of the impending world war, the<br />

British sought to appease the arabs in order to<br />

guarantee their loyalty. Jewish loyalty in the war<br />

against hitler was a given. the British thus gave<br />

in to arab demands and halted the expansion of<br />

the “national home”. the most tragic aspect of this<br />

policy was the cessation of Jewish immigration,<br />

just as Jewish distress and need of a safe haven<br />

were at their peak. Reading protocols from the<br />

world war ii years about arab vetoes that denied<br />

a few thousand Jewish children the right to enter<br />

Palestine (and thus prevented the saving of their<br />

lives), it is difficult not to feel a degree of frustration<br />

at the Palestinian arabs’ lack of generosity.<br />

ever since 1937, the same scenario has repeated<br />

itself – the arabs initiate a wave of violence, the<br />

Jews respond in kind, and a proposal of compromise<br />

between the two wrangling nations is placed<br />

on the table. the Jews are willing to accept compromise,<br />

and the arabs reject it. two types of compromise<br />

have been on the agenda ever since: division<br />

of sovereignty and division of territory. Back<br />

in the early 1940s, Jews in search of Jewish-arab<br />

co-existence proposed a bi-national state, in which<br />

both peoples would live in equality regardless of<br />

the numerical ratio between the two populations.<br />

since then, such proposals have been popular<br />

among radical Zionist circles striving to evade the<br />

Jewish-arab confrontation and to develop a common<br />

loyalty to a joint arab-Jewish citizenship in<br />

one state. But while this idea has great intellectual<br />

appeal, it comes nowhere near securing the basic<br />

interests of both peoples. for the Palestinians and<br />

the Jews alike, an independent state is a symbol<br />

of identity and a means of restoring their dignity<br />

and pride. it is no coincidence that, aside from a<br />

few idealists, there was never any real support on<br />

either side of the divide for a bi-national state.<br />

the functional compromise has always been territorial<br />

compromise – a sort of ‘judgment of solomon’<br />

in reverse, with a result of “i will have it, and<br />

you will have it too”. territorial compromise was<br />

53


not a foregone conclusion, as both Jews and arabs<br />

argued that “it’s all mine”. But in actuality, at all<br />

the historical junctures, the majority of Jews agreed<br />

to territorial compromise. for example, on 29 november<br />

1947, the general assembly of the United<br />

nations resolved to partition Palestine into a Jewish<br />

state and an arab state. this plan was a far<br />

cry from the Jew’s aspirations: the Zionist Right<br />

and even elements of the left opposed it. nevertheless,<br />

most Jews accepted it, pouring into the<br />

streets and dancing throughout the night in celebration.<br />

the arabs rejected the plan, initiating violent<br />

attacks the very next day. the israeli war of independence<br />

thus began as a war between the two national<br />

communities living in Palestine and turned<br />

into a war between the new state of israel and the<br />

neighbouring arab countries. israel emerged victorious<br />

from the war, and managed to expand the<br />

borders that had been defined by the Un partition<br />

plan. During the war, most of the arabs that had<br />

lived in the territory incorporated into the new state<br />

either fled or were expelled. it was a cruel war, in<br />

which the Jewish community lost 1% of its population.<br />

the arabs destroyed every Jewish settlement<br />

they conquered, and either killed their residents<br />

or took them prisoner. But this is not the<br />

place to take stock of the 1948 war. what is of interest<br />

is the pattern of Palestinian behaviour: the<br />

adamant refusal to recognize, even partially, the<br />

rights of the opposing party, and a consistent attempt<br />

to force the issue through the use of violence,<br />

rejecting compromise.<br />

in 1998, israel celebrated its 50th anniversary. it<br />

appeared that the Zionist dream had been fulfilled<br />

above and beyond the vision of those that had<br />

dreamed of it. During israel’s fifty years of statehood,<br />

it had absorbed 4.5 million Jewish immigrants,<br />

including 500,000 holocaust survivors and<br />

1 million refugees from arab countries, who were<br />

forced to leave their homes due to the anti-Jewish<br />

violence that broke out after the arab defeat in the<br />

1948 war. more recently, close to 1 million immigrants<br />

from the former soviet Union have joined<br />

their ranks. israel’s dynamic nature is evident in<br />

its cultural richness, its social and economic creativity<br />

and its level of scientific development, which<br />

is the envy of even developed countries. the combination<br />

of western and eastern influences has created<br />

a unique mediterranean cultural mutation, articulated<br />

in language, literature, music, art, and<br />

many other areas. israeli culture has never been<br />

more fascinating in its diversity, pluralism, localness,<br />

and cosmopolitan nature.<br />

But the Zionist project’s crowning achievement at<br />

israel’s 50th anniversary was the historic reconciliation<br />

between israel and the Palestinians that appeared<br />

to be taking place. israel’s founders believed<br />

in peace and envisioned the day that peace<br />

54 OVERLAPPING VOICES<br />

with the arabs would be achieved. they held that<br />

this day would come about when the arabs would<br />

lose all hope of uprooting the Jews by force. the<br />

oslo accords were based on a belief among israeli<br />

leaders that the Palestinians had indeed reached<br />

this conclusion and abandoned the strategy of war.<br />

the intervening years have proven that this assessment<br />

was premature: reconciliation will eventually<br />

take place, but the time has not yet come. at camp<br />

David in 2000, the traditional pattern of Palestinian<br />

behaviour repeated itself. when an agreement<br />

for (extremely generous, and, from an israeli perspective,<br />

possibly dangerous) territorial compromise<br />

was placed before them, they could not bring<br />

themselves to accept it. they turned back to the<br />

strategy of violence, as they perceived compromise<br />

as the equivalent of surrender. in many ways, the<br />

most recent intifada sent both sides back in time,<br />

to ways of thinking that may have been adequate<br />

for 1948, but are certainly inappropriate for the reality<br />

of the 21st century.<br />

amos oz, a leading israeli writer, published a novel<br />

called “a story of love and Darkness”. this autobiography<br />

weaves the personal story of the oz<br />

family into the overall national narrative of the<br />

1940s and 1950s. oz was one of the israeli intellectuals<br />

most identified with the search for a path<br />

to Jewish-arab reconciliation, and with the oslo<br />

accords. Between the lines of his new novel, oz<br />

vents his feelings of bitterness and disappointment<br />

toward the Palestinians following the al-aqsa intifada.<br />

towards the end of the book, oz uses the<br />

character of a kibbutz member to express his own<br />

opinion, and that of the majority of israel’s left and<br />

mainstream, who wholeheartedly supported the reconciliation.<br />

while understanding the tragedy of<br />

the Palestinian refugees exiled from their villages<br />

in 1948 and thus refusing to call them “murderers”,<br />

the kibbutznik stresses that they were the<br />

ones who started the war, with the goal of destroying<br />

the entire Jewish community. the Jews should<br />

make do with what they conquered in 1948, and<br />

not strive for additional conquests, he asserts.<br />

however, until peace is achieved, he adds, we have<br />

no choice but to fight to the best of our ability, “for<br />

the simple reason that we have the right to exist,<br />

and for the simple reason that we too are entitled<br />

to have a homeland”. “if not here”, asks the kibbutznik,<br />

“then where is the land of the Jewish people?<br />

... or, out of all peoples on earth, is it only the<br />

Jewish people that does not deserve to have a<br />

small land?” this question, which appeared to<br />

have been resolved in 1948, still constitutes the<br />

core of the Palestinian-israeli conflict today.<br />

anita shapira, professor at tel aviv University, specializes in the history<br />

of Zionism and israel, was awarded the israel Prize in 2008.


aussteLLungseröffnung mit Dr. ursula Plassnik,<br />

österreichische außenministerin /<br />

exhiBition oPening with Dr. ursula Plassnik,<br />

foreign minister of austria


aBendessen mit gaesten<br />

am wochenende<br />

Jumana manna<br />

Jedes mal wenn meine eltern am wochenende gäste<br />

zum abendessen einluden, drehte sich das gespräch<br />

früher oder später um Politik. waren die gäste Juden,<br />

wurde im gespräch eher kritik an israel laut.<br />

Die misshandlung der arabischen Bürger. Die kakophonien<br />

der Besetzung. Die allgemeine hoffnungslosigkeit.<br />

Unsere viertel sehen vernachlässigt aus,<br />

wir haben keine gehsteige, die kinder gehen auf ihrem<br />

schulweg auf der straße und stören den verkehr.<br />

Das fehlen von kinderspielplätzen macht aus<br />

den 30 Jahre alten rissigen straßen fußballplätze,<br />

die vorübergehend wieder verschwinden, wenn ein<br />

herannahendes auto hupt. Die öffentlichen schulen<br />

sind mangelhaft. es gibt nicht genug Plätze in der<br />

schule, um alle kinder im arabischen sektor aufzunehmen.<br />

Das Bildungssystem basiert auf auswendiglernen<br />

und nicht auf Bildung. wir erleben immer<br />

wieder unangekündigte kontrollen in ostjerusalem<br />

und kommen deswegen zu spät in die arbeit, und<br />

die kinder kommen zu spät in die schule.<br />

Die ampeln werden nur für vier sekunden grün für<br />

den verkehr, der aus dem arabischen viertel kommt,<br />

und die „jüdische seite“ hat viel länger grün, obwohl<br />

auf der „jüdischen“ straße fast keine autos fahren,<br />

weil sie auch andere straßen benutzen können. Die<br />

erfahrungen am flughafen waren immer ein heißes<br />

thema. geschichten vom verletzten stolz unserer<br />

„integrierten“ familie. Unsere stellung als erfolgreiche<br />

araber in diesem land wird durch verhöre<br />

und akribische Untersuchungen unseres gepäcks<br />

zunichtegemacht, bei denen nicht zwischen dem<br />

„durchschnittlichen“ und dem „guten“ araber unterschieden<br />

wird.<br />

Zurück zum abendessen. wenn arabische gäste da<br />

waren, blieb die Unterhaltung zwar immer noch politisch,<br />

aber man wurde selbstkritischer und beschwerte<br />

sich über die lage der araber. Unsere<br />

Rückständigkeit und konservative haltung, unser<br />

herdenartiges funktionieren und der mangel an initiative,<br />

unsere angst, gesellschaftliche tabus und<br />

normen zu verletzen, Doppelmoral, stolz, materia-<br />

58 OVERLAPPING VOICES<br />

lismus, gier, endlose geschichten von internen streitigkeiten,<br />

sowohl innerhalb der familie als auch innerhalb<br />

der gemeinde. wir wollen alle Ärzte und<br />

anwälte sein (nicht unbedingt weil das so interessante<br />

Berufe sind, sondern weil sie einen guten Ruf<br />

haben), viel geld verdienen, uns eine sammlung von<br />

mercedes und Bmws zulegen. selten waren die Diskussionen<br />

jedoch konstruktiv. natürlich waren sie<br />

konstruktiv in dem sinn, dass sie Bewusstsein schufen,<br />

aber es ging kaum je darum, veränderungen auf<br />

praktischer ebene herbeizuführen. wann hätten wir<br />

je geplant, schriftliche eingaben zu machen, schulen<br />

zu gründen oder kulturell aktiv zu werden? selten,<br />

und die vorschläge blieben immer hypothetisch.<br />

Die allgemeine haltung ist hoffnungslosigkeit. hoffnungslosigkeit<br />

gegenüber dem unterdrückenden Regierungssystem<br />

im verbund mit der Unfähigkeit, eine<br />

gruppe von arabern für den kampf um eine gemeinsame<br />

sache zu vereinen.<br />

Schule<br />

im alter von 15 wechselte ich von der anglikanischen<br />

internationalen schule in Jerusalem ins kunstgymnasium,<br />

wo ich meine höhere schulbildung beendete.<br />

ich war die einzige araberin unter 700 schülern<br />

an diesem israelisch-hebräischen gymnasium.<br />

man sagte mir, das gerücht, eine araberin werde an<br />

die schule kommen, habe sich schon lange vor meiner<br />

ankunft verbreitet, und viele monate lang habe<br />

niemand herausgefunden, um wen es sich handelte.<br />

Zu jedem thema, bei dem man die meinung der „anderen<br />

seite“ brauchte, ließ man „die araberin befragen“.<br />

also wurde ich zu einer art Diplomatin für mein<br />

volk, so als ob meine gedanken den allgemeinen<br />

arabischen standpunkt widerspiegelten. „tod den<br />

arabern“, rief man mir jedes mal nach, wenn ich an<br />

den „arsim“ 1 der schule vorüberging, was mich verletzte<br />

und traurig machte, aber auch gut als kurze<br />

antwort auf die mir oft gestellte frage taugte: „wie<br />

ist es denn, in eine ganz jüdische schule zu gehen?“<br />

ein von mir gemaltes Bild mit arabischem text wurde<br />

an einem wochenende zerrissen, als unsere schule<br />

als wahllokal diente. Dadurch war nicht klar, ob es<br />

ein schüler oder ein außenstehender getan hatte.<br />

wie auch immer, ich brach in tränen aus, als ich<br />

mich beim Direktor beschwerte. er reagierte gut, ließ<br />

die schüler zusammenrufen und erklärte vor allen,<br />

wie sehr ihm der schreckliche vorfall vom wochenende<br />

missfiel. er bat mich, das Bild noch einmal zu<br />

malen, damit er es in seinem Büro aufhängen konnte,<br />

was ich gerne tat. mein erstes aufwühlendes kunstwerk<br />

erwarb mein Bruder um 100 schekel.<br />

ich hasste Remembrance Day (tag der erinnerung<br />

an die kriegsgefallenen), independence Day (Unabhängigkeitstag)<br />

und jeden anderen besonderen tag,<br />

an dem die nationalhymne in der schule gespielt<br />

wurde. Da fühlte ich mich dann völlig fehl am Platz<br />

unter meinen freunden, die alle aufstanden und sangen,<br />

während ich demonstrativ sitzen blieb. normalerweise<br />

stupste mich dann jemand und flüsterte:<br />

„steh einfach auf, du musst ja nicht mitsingen.“ an<br />

meiner linksgerichteten, kunstsinnigen schule gab<br />

es noch immer mehr verständnis als bei den nationalen<br />

sportbewerben 2 , wo eher typische vertreter<br />

des israelischen Publikums zu finden waren. ich versuchte<br />

immer, mich gerade dann umzukleiden, wenn<br />

während der eröffnung die nationalhymne gespielt<br />

wurde, bei der ein ganzes olympisches stadion mit<br />

hunderten von sportlern sich stolz von den sitzen<br />

erhob und sang. ich war dann allein in der Umkleidekabine,<br />

konnte tun, was ich wollte, und die zwei<br />

unangenehmen optionen vermeiden, entweder a)<br />

zur hymne aufzustehen oder b) sitzen zu bleiben<br />

und von allen angestarrt zu werden.<br />

Stellung beziehen<br />

wenn man mich fragt, wo ich herkomme, dann antworte<br />

ich, ich bin Palästinenserin und lebe in israel.<br />

Rein technisch bin ich israelin. aber araberin. es<br />

lässt sich nie mit einem wort beantworten. außerdem<br />

bin ich nicht in der lage, meine gefühle in eine<br />

klare, kurze antwort zu fassen. mit wem genau ich


mich verwandt fühle. meine gefühle sind eine mischung<br />

aus erziehung, ideologien, erfahrungen und<br />

dem, was menschen auf mich projizieren, weil sie<br />

mich als araberin definieren.<br />

meine eltern sind beide araber, moslems, aufgewachsen<br />

in arabischen Dörfern in der gegend von<br />

galiläa im norden des landes. Rechtlich gesehen<br />

habe ich allerdings keine verbindung mit dem palästinensischen<br />

volk. ich trage die staatsbürgerschaft<br />

von israel und den vereinigten staaten (wo ich geboren<br />

wurde, aber nie gelebt habe). ich schreibe und<br />

lese heute besser hebräisch als arabisch. Die meisten<br />

meiner freunde sind Juden. ich habe also unleugbar<br />

eine Zugehörigkeit zu israel und eine israelische<br />

identität. wir arabischen israelis sind<br />

merkwürdige Zwitterwesen, die nicht vollständig zu<br />

einer der beiden seiten gehören. Die (wirklichen) Palästinenser<br />

sehen uns eher als kollaborateure, als<br />

korrumpiertes volk, und die israelis sehen uns als<br />

gefährliche infektion ihrer gesellschaft. wir sind die<br />

größte Bombe, die größte Bedrohung für den staat,<br />

für seine geheiligte demografische jüdische mehrheit.<br />

auf beiden seiten gelten wir (im allgemeinen)<br />

als tunichtgute.<br />

in politischen verträgen sind wir nie wichtig, und die<br />

welt kämpft nicht für unsere sache, so wie sie es für<br />

die Palästinenser tut. Bestenfalls werden wir im falle<br />

eines friedensvertrages im Zusammenhang mit<br />

landtauschen erwähnt. wer sagt, dass wir teil des<br />

zukünftigen palästinensischen staates sein wollen<br />

(ein rein theoretischer zukünftiger staat, von dem ich<br />

kaum glauben kann, dass es ihn je geben wird)? wer<br />

sagt, dass die Palästinenser im westjordanland uns<br />

überhaupt haben wollen, nachdem wir 60 Jahre im<br />

feindlichen staat gelebt haben und ihn in mancherlei<br />

weise mit aufgebaut haben? auch wenn das auf<br />

politischer ebene umgesetzt würde, gäbe es eine<br />

höchst hartnäckige kluft zwischen den „westbanklern“<br />

und den „arabischen israelis“. Zu wem möchten<br />

wir gehören? sind wir denn daran interessiert, ein<br />

richtiger teil israels zu werden oder unsere palästinensische<br />

identität zu stärken? natürlich geht es in<br />

den von intellektuellen der palästinensisch-israelischen<br />

gemeinschaft verfassten texten zur „future<br />

vision“ (Zukunftsvision) darum, unsere arabische<br />

kultur, unsere autonomie, unsere sprache, unser<br />

Bewusstsein etc. zu stärken, während wir um gleichberechtigung<br />

innerhalb des staates kämpfen.<br />

ich persönlich halte die Zukunftsvisionen für nicht<br />

umsetzbar. es würde bedeuten, dass das ursprüngliche<br />

konzept des staates israel für die Juden zunichtegemacht<br />

würde. Der staat unternimmt eher<br />

große anstrengungen, die 1,2 millionen arabischen<br />

(oder palästinensischen) israelischen staatsbürger<br />

zu unterdrücken und loszuwerden, als ihre gleichstellung<br />

zu fördern.<br />

Sprache<br />

aufgrund des Bildungssystems und der Regeln für<br />

den erfolg in der gesellschaft finden araber es sehr<br />

wichtig, möglichst gut hebräisch zu können. sehr oft<br />

geht dies zu lasten ihrer arabischen sprachbeherrschung,<br />

und sie bleiben in beiden sprachen unterdurchschnittlich.<br />

Die meisten araber verwenden viele<br />

hebräische wörter im arabischen (was von den westbanklern<br />

mit missfallen gesehen wird).<br />

araber sprechen hebräisch mit einem deutlichen<br />

akzent, was es leicht macht, araber von Juden zu<br />

unterscheiden. wie man als kunde behandelt wird,<br />

interaktionen im öffentlichen Raum, in gesellschaftlichen<br />

situationen etc. hängen davon ab, wie man<br />

eingeordnet wird, und der akzent ist hierbei ein<br />

hauptfaktor. ich erlebe jeden tag, welchen Unterschied<br />

es macht, wenn man einen jüdisch-israelischen<br />

aschkenasischen akzent als tarnung hat. es<br />

ist unmöglich, von meinem akzent auf meine herkunft<br />

zu schließen. wenn die leute dann fragen und<br />

die unglaubliche wahrheit herausfinden, dass ich<br />

tatsächlich araberin bin, wurde das arabische stereotyp<br />

bereits durchbrochen, was es für die neue Bekanntschaft<br />

schwierig macht, zu dem Punkt zurückzukehren,<br />

an dem man mich in die unerwünschte<br />

kategorie der araber hätte werfen können. es ist<br />

wichtig zu erwähnen, dass man es als frau leichter<br />

hat, da wir das verständnisvollere der beiden geschlechter<br />

sind. natürlich sind auch die kleidung,<br />

die frisur, das make-up und körperliche merkmale<br />

am entstehen oder Unterlaufen von stereotypen<br />

beteiligt.<br />

Die jüdische mehrheit spricht überhaupt kein arabisch.<br />

Das verstärkt die Unterschiede zwischen uns<br />

und ihnen sowie die Dominanz ihrer sprache und<br />

damit ihrer leute über das gebiet. arabisch ist die<br />

zweite amtssprache im land, fehlt aber im öffentlichen<br />

leben sehr oft. es wird an den hebräischen<br />

schulen schlecht unterrichtet, und israelis haben selten<br />

das gefühl, die sprache lernen zu müssen. einige<br />

arabische wörter sind in die hebräische alltagssprache<br />

übernommen worden, und doch haben<br />

hebräische sprecher keine ahnung, dass es sich tatsächlich<br />

um arabische wörter handelt. sie verwenden<br />

die wörter so lange falsch, bis dieser falsche gebrauch<br />

sich als neue korrekte form einbürgert.<br />

sprachen entwickeln sich jedoch auf diese weise;<br />

sie sind nicht statisch und passen sich ständig an<br />

historische ereignisse an. ist es möglich, dieses Phänomen<br />

positiv zu sehen? vielleicht müsste dazu mehr<br />

ausgewogenheit herrschen, denn im moment profitiert<br />

hauptsächlich die jüdische seite, da sie durch<br />

die aufnahme arabischer wörter nicht so viel von ihrer<br />

eigenen sprache verliert. außerdem werden traditionen<br />

erfunden und manchmal künstlich erzeugt.<br />

so etwas wie eine reine kultur gibt es nicht. Palästinenser<br />

waren nicht immer araber. erst seit der arabisch-moslemischen<br />

expansion wurden die Palästinenser<br />

bzw. die in Palästina lebenden gruppen teil<br />

dessen, was wir heute als arabische welt ansehen.<br />

welche möglichkeit gibt es denn für uns, abweichende<br />

oder gemischte traditionen zu entwickeln,<br />

angesichts der tatsache, dass wir so wenige sind,<br />

von arabischen staaten eingekreist, und insbesondere<br />

angesichts unserer ausgrenzung aus der jü-<br />

disch-israelischen gesellschaft? wie können Juden<br />

und Palästinenser in israel eine gesellschaft aufbauen,<br />

in der sie sich nicht gegenseitig infizieren,<br />

sondern bereichern?<br />

ich sehe die sprache als einen wichtigen faktor der<br />

identitätsbildung: mit wem man sich identifiziert, wo<br />

man hineinpasst oder hineinpassen kann und die<br />

weise, in der man von anderen akzeptiert wird.<br />

Entwurzelung<br />

„wie soll man denn die einsamkeit im exil überwinden,<br />

ohne in die allumfassende und heftige sprache<br />

des nationalstolzes, der kollektiven gefühle, der kollektiven<br />

leidenschaften zu verfallen? was ist es wert,<br />

gerettet und bewahrt zu werden, zwischen den extremen<br />

des exils einerseits und der oft sturen nationalistischen<br />

einstellung andererseits?“ 3<br />

ist nationalismus nur eine form von Paranoia? nur<br />

das ergebnis der Unzulänglichkeit von menschen,<br />

sowohl in gruppen als auch als einzelne? Die sogenannten<br />

entwickelten länder, die seit Jahrzehnten<br />

frieden und Unabhängigkeit an einem ort, den sie<br />

heimat nennen, genießen, scheinen mehr daran interessiert,<br />

übertriebenen nationalstolz zu durchbrechen<br />

und nach einer globalen identität zu suchen.<br />

es ist schade, dass wir palästinensischen israelis,<br />

oder wie auch immer wir uns nennen wollen, so weit<br />

im hintertreffen sind. Der transeuropäische nationalismus<br />

hat die araber erst spät in der ersten hälfte<br />

des 20. Jahrhunderts getroffen. auch heute haben<br />

die araber in israel noch keine genügend starke Basis.<br />

wir leiden immer noch an der Unfähigkeit zur<br />

Zugehörigkeit und selbstdefinition. leider sehe ich<br />

mich nicht in der lage, darin positive aspekte zu erkennen,<br />

zumindest nicht für die gruppe. wir sind<br />

entwurzelt und liegen doch immer noch in unserer<br />

erde. wurzeln zu haben ist vielleicht das wichtigste<br />

und am wenigsten anerkannte Bedürfnis der menschlichen<br />

seele – und, nicht zu vergessen, das Bedürfnis,<br />

sich sicher zu fühlen.<br />

„von zartem gemüt ist, wer seine heimat süß findet;<br />

stark dagegen jener, dem jeder Boden heimat ist;<br />

doch nur der ist vollkommen, dem die ganze welt<br />

ein fremdes land ist“ (victor hugo) 4 . – wir sind ganz<br />

beharrlich von zartem gemüt.<br />

1 Das ursprünglich arabische wort „ars“ wurde in die israelische<br />

alltagssprache aufgenommen und beschreibt einen landesüblichen<br />

„typus“ des israeli, der viel Zeit damit verbringt, sein haar<br />

zu stylen, sich schlecht anzieht, unkultiviert erscheint, unausstehlich<br />

und unhöflich ist und gerne sein auto frisiert. ist normalerweise<br />

in Begleitung einer „frekha“, des weiblichen Äquivalents<br />

(tussi). in der israelischen Öffentlichkeit werden die meisten jungen<br />

arabischen männer als „arsim“ gesehen.<br />

2 während meiner gesamten oberschulzeit absolvierte ich ein professionelles<br />

schwimmtraining.<br />

3 edward said, „Reflections on exile“.<br />

4 Deutsche Übersetzung zitiert nach tzvetan todorov, „Die eroberung<br />

amerikas. Das Problem des anderen“, frankfurt/main 1982,<br />

s. 294.<br />

59


weeKend dinners with<br />

the guests<br />

Jumana manna<br />

every time my parents would have guests over for<br />

dinner on weekends, sooner or later, the discussion<br />

would become political. if the guests are Jewish<br />

the conversation tends to lean towards criticism<br />

of israel. the mistreatment of the arab citizen.<br />

the cacophonies of the occupation. the general<br />

hopelessness. our neighbourhoods are neglected,<br />

we have no pavements, the children walk on the<br />

road on their way to school disrupting traffic. the<br />

inexistence of playgrounds transforms the 30 year<br />

old cracked paved streets into football fields, momentarily<br />

vanishing at the beep of a forthcoming<br />

car. the public schools are deficient. there is not<br />

enough space in the schools to accept all of the<br />

children in the arab sector. the education system<br />

is based on memorizing and not on educating. we<br />

are confronted with surprise checkpoints in east<br />

Jerusalem, making us late for work and the kids<br />

late, on our way to school.<br />

the traffic lights open for only 4 seconds for the<br />

intersection coming from an arab neighbourhood,<br />

keeping the “Jewish” lights open for much longer,<br />

with ignoring the fact that the “Jewish” light is relatively<br />

empty of cars, since they have alternative<br />

roads to take. the experiences of our treatment at<br />

the airport are always a hot topic. tales of hurt<br />

pride of our “integrated” family. our position as<br />

successful arabs in the country is smashed during<br />

those interrogations and meticulous bag checks<br />

which do not differentiate between the average and<br />

the “good” arab.<br />

Back to the dinner table. when arab guests are<br />

over, the conversations, still political, tend to be<br />

more self critical, this time complaints on the situation<br />

of the arabs. our backwardness, conservativeness,<br />

herd-like functioning, lack of initiative,<br />

fear of crossing the boundaries of social taboos<br />

and norms, the double standards, the pride, materiality,<br />

greed, never ending stories of inner disputes,<br />

both on a private-family level and a community-social<br />

level. we all want to be doctors and<br />

0 OVERLAPPING VOICES<br />

lawyers (not because the topics are necessarily interesting,<br />

but because it has good reputation)<br />

make a lot of money, and begin collecting our<br />

mercedes and Bmws. however, seldom were the<br />

discussions constructive. of course they were<br />

constructive in the sense of raising awareness, but<br />

rarely initiating change on a practical level. when<br />

did we plan to send appeals, create schools or<br />

raise cultural activity? Rarely, and those suggestions<br />

never surpassed being merely hypothetical.<br />

the general attitude is one of hopelessness. hopelessness<br />

towards the suppressing governmental<br />

system, alongside the inability to unite a group of<br />

arabs to fight for a common cause.<br />

School<br />

at age 15, i left the international anglican school of<br />

Jerusalem, to begin at the high school of arts, where<br />

i would finish my high school education. i was the<br />

only arab amongst the 700 students to ever enter my<br />

israeli-hebrew high school. i was told that the rumour<br />

that an arab was coming to the school had spread<br />

well before i came, and that for many months no one<br />

figured out who it was.<br />

on any topic needing the “other side’s” opinion they<br />

would – “ask the arab!”. so i became some form of<br />

diplomat of “my people”, as if my ideas were the<br />

common representation of the arabs’ point of view.<br />

“Death to the arabs” was shouted every time i<br />

passed the school’s ‘ars’ 1 , which made me offended<br />

and emotional, but also served the purpose of<br />

a short story to answering the commonly asked<br />

question, ‘how is it like to be in a all Jewish school?’.<br />

a painting of mine with arabic text was torn apart<br />

during the weekend of the elections, when our<br />

school served as a polling place during elections.<br />

this made it unclear if it was a student or an outsider.<br />

either how, i broke into tears at approaching<br />

the principle about what happened. he treated the<br />

matter well, joining the school in the auditorium,<br />

expressing his disapproval to the students regar-<br />

ding the terrible act that had happened over the<br />

weekend. he asked me to re-do the painting so he<br />

could hang it up in his office, which i gladly did.<br />

my first stirring art piece, sold for 100 shekels to<br />

my brother.<br />

i hated remembrance day, independence day and<br />

any other special day where the national anthem<br />

would be played in school. where i would feel totally<br />

out of place amongst the rest of my friends,<br />

who would all stand and sing, and i would very purposely<br />

remain seated. generally someone would<br />

nudge me and whisper, “just stand up, you don’t<br />

have to sing along”. my leftist artsy school remained<br />

more sympathetic than the national championships<br />

2 where there was a more accurate representation<br />

of the israeli public. i would try my best<br />

to plan the changing out of my clothes into my<br />

swimsuit right before the national anthem would<br />

be played during the opening ceremony, where an<br />

olympic stadium of hundreds of athletes would<br />

proudly rise from their seats and sing. i would<br />

be alone in the bathrooms roaming as i pleased,<br />

avoiding the two unwanted options of a) standing<br />

to the anthem or b) sitting and being stared at by<br />

everyone.<br />

Taking stands<br />

when asked where i am from, i answer, i am Palestinian,<br />

living in israel. But technically, i am israeli.<br />

But arab. it is never a one word answer. in addition,<br />

i am not able to give a straight short answer as to<br />

how i feel. to whom exactly i feel related. my feelings<br />

are mixed with upbringing, ideologies, experiences<br />

and what people project upon because of<br />

being defined as arab.<br />

my parents are both arab, muslims, both grew up<br />

in arab villages in the galilee area, in the north of<br />

the country. however, legally, i have no affiliation<br />

with the Palestinian people. i am a citizen of israel<br />

and of the United states (where i was born, but never<br />

lived).


my hebrew today, is stronger than my arabic in writing<br />

and reading. the majority of my friends are Jewish.<br />

therefore, there is no denying my affiliation<br />

to israel and my israeli identity. Us arab israelis are<br />

strange hybrid people, not fully belonging on either<br />

side. the (real) Palestinians tend to see us as collaborators,<br />

as a corrupted people, and the israelis<br />

see us as a critical infection of their society. we are<br />

the biggest bomb, the largest threat to the state, on<br />

its sacred demographic majority of Jews. we are<br />

(generally) the no-gooders on both sides.<br />

in political accords, we are never of any importance,<br />

the world is not fighting for our cause as they are<br />

for the Palestinians. at most, we are discussed in<br />

the issue of land swaps in the case of a peace treaty.<br />

who said that we want to be part of the future<br />

Palestinian state (a purely theoretical future state,<br />

which i have a hard time believing will ever come<br />

to be).<br />

who said the Palestinians of the west Bank will want<br />

us after 60 years of living in, and in many ways building,<br />

the enemy state? even if it is implemented politically,<br />

the gaps between the west Bankers and the<br />

‘arab israelis’ will most defiantly be there.<br />

who do we want to be a part of? are we more interested<br />

in becoming a true part of israel or strengthening<br />

our Palestinian identity? of course the future<br />

vision texts written by intellectuals from the Palestinian-israeli<br />

community, focus on strengthening our<br />

arab culture, autonomy, awareness, language and<br />

at the same time fighting for equality within the<br />

state.<br />

i personally don’t see the future visions as implementable.<br />

it would mean the destruction of the initial<br />

concept of state of israel for the Jews. the state<br />

is putting a great effort in suppressing and getting<br />

rid of, rather than increasing the equality of the 1.2<br />

million arab (or Palestinian)-israeli citizens.<br />

Language<br />

as a result of the education system and codes of<br />

success in society, arabs find it very important to<br />

perfect their hebrew. many times, this comes at<br />

the expense of their arabic skills, making them below<br />

average on both. most arabs insert a large<br />

amount of hebrew words when they are speaking<br />

arabic (which is looked down upon by west<br />

Bankers).<br />

when arabs speak hebrew, they have a distinct<br />

accent which makes it easy to distinguish an arab<br />

from a Jew. treatment of customers, interaction in<br />

public spaces, in social situations etc. is in accordance<br />

to how you are categorized, accent being<br />

a main factor. everyday, i experience what difference<br />

it is to be camouflaged under a Jewish-israeli<br />

ashkenazi accent. when i speak, it is not possible<br />

to distinguish my background. By the time<br />

people ask and find out the unbelievable truth, that<br />

in fact, i am arab, the stereotype of the arab has<br />

already been broken, making it difficult for the new<br />

acquaintance to return to point a. of throwing me<br />

into the unwanted category of arabs. it is important<br />

to mention that being a female helps, being<br />

the more sympathetic of the two sexes. of course,<br />

ways of dress, hairstyles, makeup and features are<br />

part of the stereotype build and break.<br />

the Jewish majority, do not speak arabic what so<br />

ever. this enforces the difference between us and<br />

them, and the dominance of the language and<br />

hence the people over the area. arabic is the second<br />

formal language in the country, yet many<br />

times it is missing in public space. it is taught very<br />

poorly in hebrew schools, and rarely do israelis<br />

feel the need to learn the language. several arabic<br />

words have been adopted into the hebrew<br />

slang, yet many times the hebrew speakers are not<br />

aware of the fact that these are arabic words, and<br />

continue to misuse the words until their misuse<br />

becomes their new form of correct use.<br />

however, languages do develop in this way, making<br />

them non-static and ever changing according<br />

to historical events. is it possible to look at this phenomenon<br />

as a positive one? maybe it needs to be<br />

more balanced for that to happen, because for<br />

now, the main side benefiting is the Jewish one,<br />

for they are not losing as much of their ability in<br />

language on the expense of adopting new words<br />

from arabic. furthermore, traditions are invented,<br />

and sometimes fabricated. there is no such thing<br />

as pure culture. Palestinians have not always been<br />

arab. it was not till the arab-muslim expansion that<br />

the Palestinians, or the groups living in Palestine,<br />

became included in what we see today as the arab<br />

world. how large are the possibilities of our creating<br />

different or hybrid traditions, considering our<br />

small number, and our encirclement of arab states<br />

and most importantly our segregation from the Jewish<br />

israeli society. how can the Jews and Palestinians<br />

in israel build a society that will not be of<br />

infection of each other, but rather enrichment.<br />

i see language as an important factor of identity<br />

molding. who you identify with, where you do or<br />

can fit in, and the way you are accepted amongst<br />

others.<br />

Uprootment<br />

“how then, does one surmount the loneliness of<br />

exile without falling into the encompassing and<br />

thumping language of national pride, collective<br />

sentiments, group passions? what is there worth<br />

saving and holding on to between the extremes of<br />

exile on the one hand, and the often bloody minded<br />

affirmations of nationalism on the other?” 3<br />

is nationalism only a form of paranoia? Just a result<br />

of insufficiency within human beings, both as<br />

groups and individuals? the so called developed<br />

countries, who have enjoyed peace and independence<br />

for decades in a place they call home, seem<br />

more interested in breaking the exaggerated nationalistic<br />

pride, and aim for a global identity. it is<br />

a shame that we Palestinian israelis, or whatever<br />

we want to call ourselves, are so behind. the trans-<br />

european nationalism hit the arabs late, around<br />

the early-mid 20th century. still today, the arabs<br />

in israel have not formed a strong enough base.<br />

we still suffer from an inability of belonging or self<br />

definition. Unfortunately, i am unable to realize any<br />

positive aspects of this, at least not on a group level.<br />

we are uprooted, yet still laying in our soil. to<br />

be rooted, is perhaps the most important and least<br />

recognized need of the human soul, and not least,<br />

to feel secure.<br />

“the man who finds his homeland sweet is still a<br />

tender beginner; he to whom every soil as his native<br />

one is already strong; but the is perfect to<br />

whom the entire world is a foreign land.”, (victor<br />

hugo). – we are most defiantly beginners.<br />

1 (originally taken from arabic, adopted to the israeli slang describing<br />

a common ‘type’ of israeli who spends much time slicking his<br />

hair, considered to be dressed with bad taste, or low cultured<br />

taste, obnoxious, rude and like to pimp their cars. are generally<br />

accompanied by a ‘frekha’ the female equivalent, [Bimbo]. on<br />

this note, most young arab men are considered to be arsim<br />

amongst the israeli public).<br />

2 all throughout high school i trained professionally as a swimmer.<br />

3 Reflections on exile, edward said.<br />

1


statement fuer wien<br />

Yoav weiss<br />

1. als ich nach wien kam, spürte ich eine veränderung<br />

in meiner identität als israeli, in der die jüdische<br />

komponente bisher eine eher unwichtige<br />

Rolle gespielt hatte. ich wurde mir plötzlich meiner<br />

heiklen Position in Österreich bewusst: wäre<br />

ich vor 70 Jahren hier gewesen, hätte man mich<br />

wahrscheinlich wie eine Ratte vernichtet. Und hier<br />

bin ich nun, im land von hitler und freud, wittgenstein,<br />

mozart und klimt, im land des anschlusses.<br />

Und der deutschen sprache, von der<br />

wir in israel nur ganz spezielle ausdrücke lernen:<br />

achtung!, Raus!, aktion, transport, „arbeit macht<br />

frei“, Buchenwald, führer etc.<br />

Die landschaft, die architektur, das essen … alles<br />

ist so europäisch, so bekannt aus den nachmittagsfilmen<br />

im fernsehen am holocaust memorial<br />

Day. ich verstehe, dass es sich hier um meine<br />

konditionierung handelt. ich weiß, dass „arbeiten“<br />

nur „to work“ heißt und dass Buchenwald nur ein<br />

wald voller Buchen ist; dass die menschen, die<br />

ich um mich herum sehe, nicht die menschen<br />

sind, die die generation meiner großeltern umgebracht<br />

haben; aber ich kann fühlen, wie meine jüdische<br />

identität wichtiger wird als meine identität<br />

als israeli.<br />

vor kurzem entdeckte ich einen Brief von ephraim<br />

gover, einem jüdisch-palästinensischen soldaten<br />

in der britischen armee. er drückt in gewisser<br />

weise meine gefühle bei meinem wien-Besuch<br />

aus. Der an seine familie in Palästina gerichtete<br />

Brief trägt das Datum 21. Juni 1945:<br />

langsam, langsam kamen wir aus den alpen heraus<br />

ins hügelland. um uns herum: das deutsche<br />

Österreich. wir erreichten Klagenfurt, etwa 70 km<br />

von der Grenze entfernt. die stadt ist fast unbeschädigt.<br />

die lage ist nicht toll: Viele Geschäfte<br />

sind geschlossen, die menschen stehen schlange<br />

um nahrungsmittel. aber die stimmung ist<br />

deutsch, und deutsche menschen leben ihr normales<br />

leben weiter. an den ufern des großen sees<br />

liegen schöne ferienanlagen. deutsche sitzen auf<br />

dem rasen, sonnen sich und freuen sich des<br />

lebens.<br />

wenn ich das sehe, überkommen mich wut, ohnmacht<br />

und neid: unsere mörder sind frei, gut angezogen<br />

und leben im schoße ihrer familien, während<br />

wir durch ein von ihren „netten“ taten<br />

verfluchtes europa treiben. es ist schwer, durch<br />

2 OVERLAPPING VOICES<br />

die straßen zu gehen und zu hören, wie sie alle<br />

ihre verfluchte sprache sprechen, ihre gefassten,<br />

ruhigen Gesichter und ihren selbstbewussten stolz<br />

zu sehen, als wären sie die herren dieses landes.<br />

man sieht in ihren Gesichtern nicht eine spur von<br />

scham oder reue.<br />

einmal saß ich in einer straßenbahn neben einem<br />

jungen deutschen, der behaglich in einem Buch<br />

las. ich konnte es nicht ertragen und trat ihm auf<br />

den fuß. er schaute auf, und als er sah, wer ich<br />

war, stand er auf und stieg aus.<br />

gover wurde am 26. märz 1948 im alter von 21<br />

Jahren in israels Unabhängigkeitskrieg, auch als<br />

nakba bekannt, getötet.<br />

2. in israel reicht das politische spektrum von ultrarechten<br />

Rassisten aus den siedlungen tapuach<br />

und kiryat arba über die liberale mitte-rechts-Partei<br />

likud, die eine eiserne hand, aber auch frieden<br />

möchte, die mitte-links-arbeitspartei, die frieden,<br />

aber auch eine eiserne hand möchte, und<br />

die zionistische linkspartei, die frieden und gar<br />

keine eiserne hand möchte, bis zur nicht-/post-/<br />

antizionistischen linken, die eine lösung für den<br />

konflikt möchte, in der territoriale Zugeständnisse,<br />

ein Rückkehrrecht und gleiche Rechte für die palästinensischen<br />

Bürger israels enthalten sind. so<br />

weit das sichtbare spektrum. es gibt darüber hinaus<br />

noch, unsichtbar, aber doch spürbar, das palästinensische<br />

spektrum von der pragmatischen<br />

nationalistischen Plo über die etwas weniger pragmatische<br />

religiöse hamas bis zum absolut fanatischen<br />

islamischen Dschihad und anderen.<br />

mit meiner künstlerischen arbeit und meiner politischen<br />

einstellung würde man mich ins linke,<br />

vielleicht sogar extrem linke lager der israelischen<br />

Politik einordnen, aber innerhalb des gesamten<br />

spektrums befinde ich mich eigentlich eher in einer<br />

ziemlich zentralen Position.<br />

3. Das israelische außenministerium und seine Diplomaten<br />

behaupten oft, kritik an israel und seiner<br />

Palästinenserpolitik sei ausdruck eines latenten<br />

antisemitismus (eine Behauptung, die ich<br />

immer für lächerlich hielt: könnte es eine bessere<br />

art geben, kritik zu vermeiden, als die kritiker des<br />

antisemitismus zu beschuldigen?). in Österreich<br />

hörte ich jedoch von einer Reihe von leuten, nicht<br />

unbedingt Juden oder Zionisten, dass ein teil der<br />

kritik an israel seine wurzeln im traditionellen europäischen<br />

antisemitismus hat, und ich habe keinen<br />

grund, ihnen nicht zu glauben.<br />

so ändert also, genau wie meine identität sich bei<br />

meiner ankunft in Österreich wandelte, meine politische<br />

welt ihre Bedeutung. meine anstrengende<br />

opposition gegen die Besetzung entspringt einer<br />

zutiefst patriotischen Quelle. ich glaube einfach<br />

nicht, dass israel lang existieren kann – politisch,<br />

wirtschaftlich, kulturell, geistig –, wenn es den<br />

klotz der Besetzung am Bein hat. wenn aber<br />

meine arbeit schlussendlich antisemitischen strömungen<br />

in der österreichischen gesellschaft noch<br />

auftrieb gibt, dann wäre es vielleicht besser, überhaupt<br />

keine arbeiten zu zeigen. andererseits muss<br />

es in europa ein forum der legitimen opposition<br />

gegen die Politik israels geben.<br />

4. wenn kritik an der israelischen Palästinenserpolitik<br />

tatsächlich ein ventil für den antisemitismus<br />

darstellt, beweist dies, dass die geschichte<br />

einen bitteren und ironischen sinn für humor hat.<br />

hätte der antisemitismus im allgemeinen und besonders<br />

die bösartige liquidierung des europäischen<br />

Judentums unter den nazis europa nicht<br />

unbewohnbar für die Juden gemacht, dann wären<br />

sie nicht nach Palästina ausgewandert. in ihrem<br />

Buch „land and Power“ schreibt anita shapira,<br />

dass man jemandem, der in Palästina im Jahr<br />

1938 gesagt hätte, in zehn Jahren würde es einen<br />

jüdischen staat geben, halluzinationen unterstellt<br />

hätte. es ist klar, dass der holocaust ein direkter<br />

vorläufer der nakba war. ich schreibe dies nicht,<br />

um israel oder die zionistische Bewegung von ihrer<br />

verantwortung freizusprechen, sondern um zu<br />

sagen, dass die europäer erst lange und sorgfältig<br />

in den spiegel schauen müssen, bevor sie das leid<br />

der Palästinenser als ausrede für eine antisemitische<br />

agenda verwenden.


Vienna statement<br />

Yoav weiss<br />

1. coming to vienna i felt my identity as an israeli,<br />

in which the Jewish component plays a rather<br />

minor role, change. i abruptly became aware of my<br />

delicate position in austria: had i been here 70<br />

years ago i would likely have been exterminated<br />

like a rat. But here i am, in the land of hitler and<br />

freud, of wittgenstein and mozart and klimt and<br />

the anschluss. and the german language of which<br />

we in israel learn only very specific terms: achtung!,<br />

Raus!, aktion, transport, “arbeit macht frei”,<br />

Buchenwald, fuehrer, etc.<br />

the landscape, the architecture, the food … everything<br />

is so european, so familiar from holocaustmemorial-day-afternoon-movies<br />

on tv. i understand<br />

that this is my conditioning. i know that<br />

‘arbeiten’ just means ‘to work’ and that Buchenwald<br />

is just a forest of beech trees; that the people<br />

i see around me are not the people who murdered<br />

my grandparents’ generation; but i sense<br />

my israeli-ness taking a back seat to Jewishness.<br />

i recently found a letter written by ephraim gover, a<br />

Jewish Palestinian soldier in the British army. it expresses<br />

in a way my feelings visiting vienna. the letter,<br />

to his family in Palestine, is dated June 21, 1945:<br />

slowly slowly we came out of the alps toward the low<br />

hills. around us: German austria. we reached Klagenfurt,<br />

about 70 km. from the border. the city is almost<br />

undamaged. the situation isn‘t great: many<br />

stores are closed, there are lines for food. But there<br />

is a German ambiance, and German people are continuing<br />

their normal life. on the banks of the big lake<br />

there are beautiful resorts. Germans are sitting on<br />

the lawns, sunning themselves and enjoying life.<br />

when i see this i am overcome with rage, impotence<br />

and envy: our murderers are free, well<br />

dressed and live in the bosom of their families<br />

while we drift around a europe cursed by their<br />

“pretty” actions. it is difficult to walk in the street<br />

and hear everyone speaking their cursed tongue,<br />

to see their cool quiet faces and their self-confident<br />

pride, as if they were the lords of this land.<br />

one cannot see in their faces any hint of embarrassment<br />

or remorse.<br />

once i was sitting on a tram-car next to a young German<br />

who was comfortably reading a book. i couldn‘t<br />

bear it and stepped on his foot. he looked up and<br />

when he saw who i was, got up and left.<br />

gover was killed on march 26, 1948 at age 21 in<br />

israel’s war of independence also known as the<br />

nakba.<br />

2. in israel, the political spectrum ranges from the<br />

ultra-right wing racists from the settlements tapuach<br />

and kiryat arba to the liberal-right-of-centre<br />

likud party which wants an iron fist but also peace,<br />

to the centre-left labour party which wants peace<br />

but also an iron fist, to the Zionist left-wing which<br />

wants peace and no iron fist at all, to the non/post/<br />

anti-Zionist left which wants a solution to the conflict<br />

which would include territorial concessions,<br />

right-of return and equal rights for israel’s Palestinian<br />

citizens. this is the visible spectrum. however,<br />

beyond it, invisible yet palpable, is the Palestinian<br />

spectrum of the pragmatic nationalist Plo,<br />

the somewhat less pragmatic religious hamas, to<br />

the absolutely fanatical islamic Jihad and others.<br />

thus my artwork and my politics would place me<br />

to the left, maybe extreme left, of israeli politics<br />

but actually in a fairly central position if one takes<br />

the whole spectrum into account.<br />

3. the israeli foreign ministry and its diplomats often<br />

claim that criticism of israel and its policies visà-vis<br />

the Palestinians is an expression of latent<br />

anti-semitism [a claim i always thought ridiculous:<br />

what better way to avoid criticism than to accuse<br />

the critics of anti-semitism]. however, in austria i<br />

have heard from a number of people, not necessarily<br />

Jews or Zionists, that some of the criticism<br />

of israel has roots in the traditional european antisemitism<br />

and i take it on faith that this is true.<br />

so, just as my identity shifted as i arrived in austria,<br />

my politics change their meaning. my strenuous<br />

opposition to the occupation springs from a deeply<br />

patriotic source. i simply don’t think that israel can<br />

exist for long – politically, economically, culturally,<br />

spiritually – while the albatross of the occupation<br />

hangs about its neck. But if this work ends up fuelling<br />

anti-semitic currents in austrian society then<br />

perhaps it is better not to show work at all. on the<br />

other hand, there must exist in europe a forum of<br />

legitimate opposition to israel’s policies.<br />

4. if indeed criticism of israel’s policies toward the<br />

Palestinians is an outlet for anti-semitism, then it<br />

is proof that history has a bitter and ironic sense<br />

of humour. had anti-semitism in general and the<br />

vicious liquidation of europe’s Jewry under the nazis<br />

not made europe uninhabitable for Jews; the<br />

Jews would not have migrated to Palestine. in her<br />

book “land and Power” anita shapira writes that<br />

if anyone in Palestine had said in 1938 that within<br />

ten years there would be a Jewish state, they would<br />

have been regarded as hallucinating. it is clear that<br />

the holocaust directly precipitated the nakba.<br />

i am not writing this to absolve israel or the Zionist<br />

movement of its responsibility, but to say that europeans<br />

must take a long and careful look in the<br />

mirror before using the Palestinians’ suffering as<br />

an excuse for an anti-semitic agenda.<br />

3


Tal adler<br />

1969 born in Jerusalem, Israel<br />

lives and works in Israel<br />

educaTIon and awards:<br />

2006 First prize, Friends of the Academy of Fine Arts,<br />

Vienna, A<br />

2004 – 2006 Magister Diploma in Art, Academy of Fine<br />

Arts, Vienna, A<br />

2002 First prize for social responsible project, for the<br />

Pettek project, Minimum Prize; Arte al Centro –<br />

2002, Fondazione Pistoletto, Biella, I<br />

2000 Residency – Unidee 2000, Fondazione Pistoletto,<br />

Biella, I<br />

1999 Residency – Fondazione Pistoletto, Biella, I<br />

1997 – 1999 Post Grad/Advanced Studies in Fine Arts –<br />

Bezalel Academy of Art & Design, Department of<br />

Fine Arts, Jerusalem, Israel<br />

1994–1996 The Sam Spiegel Film & Television School,<br />

Jerusalem, Israel<br />

1993–1994 Courses in history of art, Israeli University,<br />

Jerusalem, Israel<br />

1990–1993 Musrara School of Photography and<br />

New Media, Jerusalem, Israel<br />

selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />

Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />

(Group)<br />

2006 “Unrecognized”, launching of the travelling exhibition<br />

about the Unrecognized Bedouin villages<br />

in the Negev, Israeli Centre for Digital Art, Holon,<br />

Israel (Solo)<br />

2005 “Three cities against the wall”, exhibition against<br />

the separation wall, Israel / Palestine / USA (Group)<br />

2003 “The promise, the land”, OK Centrum, Linz, A (Group)<br />

2002 “Big Torino” Biennial for young art, Torino, I (Group)<br />

1994 “Nidbach” project, the Jerusalem Artists’ House,<br />

Jerusalem, Israel (Solo)<br />

66 OVERLAPPING VOICES<br />

arTIsT sTaTemenT<br />

Ich sehe mich selbst als Aktivist im kulturellen und sozialen Sinn und versuche,<br />

kreative Fähigkeiten und die Plattformen der Kunst für sozialen und<br />

politischen Wandel einzusetzen. Ohne ästhetische und künstlerische Werte<br />

zu vernachlässigen, zielen meine Projekte darauf ab, die Grenzen des Konformismus<br />

in der Kunst zu durchbrechen und einen gangbaren Weg zu finden,<br />

um sozial und politisch Einfluss zu nehmen. Ich setze mich hauptsächlich<br />

mit Themen aus meinem eigenen Umfeld auseinander, das im Zentrum<br />

starker ethnischer, nationaler und religiöser Konflikte liegt. Ich versuche,<br />

vage und elitäre Haltungen zu vermeiden. Stattdessen benutze ich Fotografie,<br />

Journalismus, das Internet, Straßenschilder, E-Mail und andere Massenkommunikationsmittel<br />

in meiner Arbeit, um größere Gruppen in meine<br />

Projekte einzubeziehen.<br />

Das Projekt „Unrecognized“ (Nicht anerkannt) ist eine Zusammenarbeit mit<br />

dem Regional Council for Unrecognized Bedouin Villages in the Negev<br />

(RCUV – Regionalrat für nicht anerkannte Beduinendörfer im Negev, eine<br />

Nichtregierungsorganisation, die sich für die Anerkennung dieser Dörfer<br />

und ihre gesellschaftliche Gleichstellung einsetzt) und mit einzelnen Führungspersönlichkeiten<br />

und Vertretern der nicht anerkannten Beduinendörfer.<br />

2008, im fünften Jahr seines Bestehens, wird dieses Projekt erweitert.<br />

Die Wanderausstellung „Unrecognized“ erzählt die Geschichte einer zum<br />

Schweigen gebrachten und marginalisierten ethnischen Gruppe in Israel,<br />

der Beduinen im Negev. Das Projekt umfasst eine Wanderausstellung, Vorträge,<br />

Workshops, Meetings und Veranstaltungen, die Bewusstsein schaffen<br />

und falsche Vorstellungen über die Beduinen im Negev beseitigen<br />

sollen.<br />

Ein neues Feature des Projektes ist eine Internetplattform, auf der jedes<br />

Dorf eine Homepage erstellen und ins Netz stellen kann, ohne auf die Hilfe<br />

oder Vermittlung von externen Organisationen und Aktivisten angewiesen<br />

zu sein.<br />

Derzeit entsteht ein kurzer Film über die Themen Vertretung, Vermittlung,<br />

Übersetzung und Kulturaktivismus als reflexive Debatte unter den aktiven<br />

Menschen im Negev.


I see myself as a cultural and social activist; I try to utilize creative capabilities<br />

and the art platforms for social and political change. Without neglecting<br />

aesthetic and artistic values, my projects aim to break through the boundaries<br />

of conformity in art and to generate a viable social and political influence.<br />

Dealing mainly with issues from my own environment, deep in the heart of<br />

ethnic, national and religious conflicts, I try to avoid a vague and elitist attitude.<br />

Instead, I use photography, journalism, internet, street signs, mail and<br />

any other mass-reaching platforms in my work, to involve bigger communities<br />

in my projects.<br />

The “Unrecognized” project is a co-operation with the ‘Regional Council for<br />

Unrecognized Bedouin Villages in the Negev’ (RCUV is a non-governmental<br />

organization aiming for the recognition of these villages and for civil equality)<br />

and with individual leaders and representatives of the various unrecognized<br />

Bedouin villages. 2008 is the fifth year of this on-going collaboration and the<br />

expansion of the project.<br />

The travelling exhibition “Unrecognized” tells the stories of one of the silenced<br />

and marginalized ethnic communities in Israel; the Bedouin of the Negev.<br />

The project includes the travelling exhibition, lectures, workshops, meetings<br />

and events aimed at raising awareness and changing misleading conceptions<br />

about the Bedouin of the Negev.<br />

A new feature of the project is an internet platform which will enable the different<br />

villages to create their own homepages and upload them on the internet,<br />

without the need for mediation or representation by organizations and<br />

activists outside their communities.<br />

A short film dealing with these issues of representation, mediation, translation<br />

and cultural activism is being made at the moment as a reflexive debate<br />

among the active individuals in the Negev.<br />

dIe nIchT anerkannTen beduInendörfer In Israel<br />

Etwa 160.000 Beduinen, israelische Staatsbürger, leben gegenwärtig im<br />

Negev, Israels südlichster Region. Mehr als 80.000 von ihnen leben in 45<br />

„unrecognized villages“: Es sind dies Dörfer, die vom Staat nicht offiziell anerkannt<br />

werden, mit jeweils 500 bis 5.000 Einwohnern. Diese Dörfer gehören<br />

keiner kommunalen Körperschaft an, und ihre Einwohner haben keine<br />

Infrastrukturversorgung mit Wasser, Strom oder Kanalisation, keine planierten<br />

Straßen oder Müllabfuhr. Viele dieser Dörfer haben keine ärztliche Versorgung,<br />

keine Schulen oder Kindergärten. Zahlreiche dieser Häuser oder gar<br />

Zelte werden vom Staat alljährlich zerstört. Aus Angst vor der nächsten Abrisswelle<br />

leben viele Einwohner dieser Dörfer in Wellblechhütten, wo sie im<br />

Sommer unter extremer Hitze und im Winter unter eisiger Kälte leiden.<br />

Seit Ende der 1960er Jahre hat der Staat Israel sieben kleine Städte für die Ansiedlung<br />

der Beduinen aus dem Negev gebaut. Die Beduinen, die in diese<br />

Städte zogen, waren gezwungen, die wichtigsten Quellen ihres Lebensunterhalts<br />

aufzugeben: Herdenwirtschaft und Agrikultur. In diesen Kleinstädten<br />

jedoch kann kein brauchbarer, alternativer Lebensunterhalt gefunden werden.<br />

Bis heute sind die beduinischen Städte führend in der Liste der ärmsten<br />

Ansiedlungen in Israel.<br />

The unrecognIzed bedouIn vIllages In Israel<br />

About 160,000 Bedouin citizens of the State of Israel currently live in the<br />

Negev, Israel’s southern region. Over 80,000 of them live in 45 unrecognized<br />

villages whose populations range from 500 to 5,000 residents. These villages<br />

do not belong to any regional councils, and their residents do not have any<br />

water, electricity or sewage infrastructure, paved roads, garbage disposal,<br />

etc. Many of these villages have no clinics, schools or kindergartens. Countless<br />

dwellings, and even tents, are destroyed by the State every year. Many<br />

residents of these villages, fearful of the next wave of demolitions, live in corrugated<br />

iron shacks, suffering from extreme heat in the summer and freezing<br />

cold in the winter. Since the end of the 1960s, the state of Israel has constructed<br />

seven towns to settle the Negev Bedouin. Those Bedouin moving to<br />

the towns had to give up their main sources of livelihood: herding and agriculture.<br />

No alternative viable livelihood was to be found there. Until this day,<br />

the Bedouin towns in the Negev head the list of the poorest localities in<br />

Israel.<br />

67


68 OVERLAPPING VOICES<br />

TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />

AL-ARAQIB – SAyAH AL-TURI (S. / P. 67)<br />

ABU TELUL – WESAL AND NADIA AL-FAyUMI AT BEN GURION UNIVERSITy<br />

AL-HUMRA – KHALIL AL-QURAN IN HIS GROCERy SHOP<br />

AL-BAT – ALI ABU SEBAyEH AND HIS DAUGHTER (S. / P. 69)


Al-Bat – Ali Abu Sebajeh und seine Tochter<br />

Von einer Geschichte bin ich jedesmal vollkommen eingenommen: Es ist das die<br />

Geschichte eines Beduinen, der am Markt einen Kanister Olivenöl und ein Bündel<br />

Datteln kaufte. Den langen Nachhauseweg zu seinem Feldlager legte er zu<br />

Fuß zurück, Dutzende Kilometer unter der sengenden Sonne des Negev. War er<br />

hungrig, aß er von den Datteln. War er durstig, nahm er ein Schlückchen Öl. Als<br />

er zu Hause ankam, war der Ölkanister leer. Auch wenn das nicht der tiefere Sinn<br />

der Geschichte ist, so zeigt sich darin der Stellenwert des Olivenöls in der Speisekarte<br />

der Beduinen und die davon konsumierten Mengen. Das Olivenöl ist ein<br />

zentraler Bestandteil der einfachen beduinischen Küche, und es werden ihm<br />

zahlreiche gesunde und besondere Eigenschaften zugeschrieben. Eine durchschnittliche<br />

Beduinenfamilie verbraucht über hundert Liter Olivenöl im Jahr.<br />

Vor ungefähr zwanzig Jahren pflanzten Ali Abu Sebajeh und sein Vater etwa 80<br />

Olivenbäume auf ihrem Land, in dem nicht anerkannten Dorf al-Bat. Es ist naheliegend,<br />

dass gerade Oliven angepflanzt wurden – nicht nur aufgrund ihrer geschilderten<br />

Bedeutung, sondern auch aufgrund des akuten Wasserproblems.<br />

Anfang der 80er Jahre installierte die nationale Wassergesellschaft Mekorot<br />

zwar an der Hauptstraße, außerhalb des Dorfes, einen Wasseranschluss, doch<br />

alle Dorfbewohner sind sich dessen bewusst, dass man dieses Wasser nur zum<br />

Trinken benutzen darf. Obwohl die Einwohner von al-Bat auf ihrem eigenen Land<br />

wohnen und wissen, dass ihre Familien dort mindestens zehn Generationen zurückreichen,<br />

ist es ihnen seit 1948 verboten, Bäume auf ihrem Grund anzupflanzen<br />

oder sie zu bewässern. Wenn sie trotzdem welche pflanzen, werden die Setzlinge<br />

meistens von den Inspektoren der Grünen Patrouille ausgerissen.<br />

Trotz aller Befürchtungen pflanzten Ali und sein Vater die Setzlinge. Die meisten<br />

starben, da eine reguläre Bewässerung fehlte, doch die zehn Bäume, die überlebten,<br />

begann Ali mit Wasserkanistern zu gießen, die er auf einen Anhänger<br />

lud. Heute gewinnt er aus den Bäumen um die sechzig Liter Öl im Jahr. „Ein<br />

Olivenbaum ist etwas Internationales“, sagt er. „Oliven sind gesund, und das<br />

steht im Koran, in der Tora und auch in christlichen Schriften.“ Wenn man von<br />

Frieden redet, schwenkt man einen Olivenzweig. Wenn er also ein Symbol des<br />

Friedens ist, warum soll man ihn fürchten? Wir alle müssen den Olivenbaum<br />

hüten und uns Sorgen machen, wenn sie eine Olive entwurzeln. Aber für mich<br />

ist es bedeutungslos, ob er ein Friedenssymbol ist oder nicht. Ich liebe Olivenöl,<br />

und um Olivenöl zu erhalten, muss ich einen Olivenbaum pflanzen, so ist das.<br />

Das ist meine Geschichte.“<br />

Al-Bat – Ali Abu-Sebayeh and his daughter<br />

I am always touched by the story of the Bedouin tribesman who bought a jar<br />

of olive oil and a bundle of dates from the market. The long journey back home<br />

to his encampment was on foot, tens of miles away with the heat of the Negev<br />

sun beating down on him. When hungry, he ate dates. When thirsty, he took a<br />

sip of oil. Upon arriving home, the oil jar was empty. Even if it is not the purpose<br />

of the story, it demonstrates the place of olive oil in the Bedouin diet, and<br />

the quantities consumed. Olive oil is one of the central ingredients of basic Bedouin<br />

cooking and many health and other virtues are attributed to it. The average<br />

Bedouin family consumes over one hundred liters of olive oil a year.<br />

Twenty years ago, Ali Abu-Sebayeh and his father planted 80 olive trees on<br />

their land, in the unrecognized village of Al-Bat. The choice of olives is obvious,<br />

not only because of the importance of the olive, but also because of an<br />

acute water problem. Although Mekorot (the Israeli water company) had installed<br />

a water distribution point on the main road, outside the village, in the early<br />

1980s all the village residents are well aware that the water is for drinking purposes<br />

only. Even though the inhabitants of Al-Bat live on their own land, and<br />

know that their families have lived there for at least ten generations, they have,<br />

since 1948, been prohibited from planting trees on their land or watering them.<br />

And even when they do plant, Green Patrol inspectors, for the most part, uproot<br />

the saplings.<br />

Despite apprehensions, Ali and his father planted saplings. Most died due to<br />

a lack of regular irrigation, but Ali began to water the ten surviving trees from<br />

jerricans he would load onto a pick-up truck. Today, he gets about sixty liters<br />

of oil a year out of the trees. “The olive tree is international”, he says. “The olive<br />

is healthy, and it is mentioned in the Koran, as well as in the Torah and in Christian<br />

writings. When talking about peace, the olive branch is held up. So, if it is<br />

a symbol of peace, why fear it? We all need to care for the olive tree and worry<br />

when an olive tree is uprooted. But to me it does not matter if it is a peace symbol<br />

or not. I love olive oil, and to get olive oil, I need to plant an olive tree, that’s<br />

it, this is my story.”<br />

69


Al-Fura’a – Taleb Suleiman, Mussa Ibrahim und Muhammad Salama Qabu’a<br />

Einmal, vor langer Zeit, da gehörte der ganze Negev den Beduinen. Damals, vor<br />

langer Zeit, da ritten sie auf Kamelen und überwanden blitzschnell sagenhafte<br />

Entfernungen. Damals, vor langer Zeit, da gab es Weizen- und Gerstefelder, und<br />

die Beduinen ließen ihre Viehherden frei weiden. Damals, vor langer Zeit, da gab<br />

es keine planierten Straßen, und die Autos donnerten nicht von Ort zu Ort. Damals,<br />

da gab es keine Schulen, Polikliniken, Universitäten, Einkaufszentren.<br />

Die Welt hat sich verändert, doch in den nicht anerkannten Dörfern gibt es noch<br />

immer keine befestigten Straßen. Im Winter, nach den Regenfällen, verwandeln<br />

sich die Wege in den Dörfern in langgezogene Schlammfallen. Jede Vertiefung<br />

im Weg wird zu einem Schlammloch, jede Rinne zu einem Bach, der gefährlich<br />

zu passieren ist. Im Winter ist das Leben siebenmal so schwer. In den Wellblechhütten<br />

ist es bitterkalt. Es gibt keinen Strom, und mit dem kleinen Generator<br />

draußen lässt sich ein Haus nicht heizen. Es ist gefährlich, das Wadi auf dem<br />

Weg zur Schule, zur öffentlichen Krankenstation, zur Arbeit oder zu den Nachbarn<br />

zu durchqueren – man kann von der Strömung mitgerissen werden. Es sind<br />

dabei schon Leute umgekommen.<br />

Wenn sie aus dem Haus gehen, sind die Einwohner der nicht anerkannten Dörfer<br />

gezwungen, durch den kalten Schlamm zu waten. Im Winter versäumen die<br />

Kinder häufig den Unterricht. Die Schulbusse weigern sich, in die Dörfer hineinzufahren.<br />

Zu viel Schlamm, man kann stecken bleiben. Sind die Kinder schon<br />

in der Schule und es beginnt zu regnen, müssen sie in den Klassenzimmern<br />

oder bei Leuten übernachten, die in der Umgebung wohnen. Die wenigen, denen<br />

es gelingt, Studenten zu werden, verlassen das Haus zwei Stunden vor dem<br />

Unterrichtsbeginn, stapfen etwa eine halbe Stunde durch den Schlamm bis zur<br />

Hauptstraße, wechseln die Schuhe und die Hosen und warten auf eine Fahrgelegenheit<br />

nach Be’er-Scheva.<br />

Die medizinischen Notfälle sind im Winter besonders schlimm, doch die Krankenwagen<br />

fahren zu keiner Jahreszeit ins Dorf hinein. Wenn man wegen eines<br />

Notfalls den Roten Davidstern anruft, erhält man die immer gleiche Anweisung:<br />

außerhalb des Dorfes auf die Ambulanz warten, an der Hauptstraße. Wenn kein<br />

Privatfahrzeug vorhanden ist, das eine Frau in den Wehen oder einen blutenden<br />

Verletzten zur Straße bringt, kann das ein schlimmes Ende nehmen.<br />

Das nicht anerkannte Dorf al-Fura’a hat ca. 4.500 Einwohner, davon um die<br />

1.200 Kinder. Einige der Wohlhabenden unter den Dorfbewohnern haben beschlossen,<br />

etwas zu tun, und haben eine Straße von der Hauptstraße zur Schule<br />

gebaut. Da man keine Genehmigung für eine Asphaltstraße bekam, hat man das<br />

Erdreich planiert. 60.000 Schekel wurden in diese kleine Straße investiert. Als<br />

der Regen kam, wurde alles davongeschwemmt<br />

70 OVERLAPPING VOICES<br />

Al-Fura’a – Taleb Suleiman, Mussa Ibrahim and Muhammad Salama Qabu’a<br />

Once upon a time, the entire Negev belonged to the Bedouin. Once upon a<br />

time, they rode camels and travelled legendary distances with speed. Once<br />

upon a time, there were fields of wheat and barley, and Bedouin shepherds<br />

tended their flocks freely. Once upon a time, there were no paved roads, no<br />

cars racing from place to place. Once upon a time, there were no schools, or<br />

health clinics, or university, or shopping malls.<br />

The world has changed, but the unrecognized villages still do not have paved<br />

roads. In winter, after it rains, all the paths in the village are transformed into<br />

long muddy traps. Every depression becomes a puddle, every gully becomes<br />

a hazardous river to cross. In winter, life is difficult sevenfold. It is very cold in<br />

the corrugated iron shacks. There is no electricity, and the small generator outside<br />

cannot heat the home. It is dangerous to cross the valley on the way to<br />

school, to the health clinic, to work or to the neighbours; one can get swept<br />

away in the current. People have already died that way.<br />

Upon leaving home, residents of an unrecognized village are obliged to tramp<br />

through the cold mud. In winter, children miss many days of school. The special<br />

buses that take the children to school refuse to enter the village. There is<br />

a lot of mud around, and they are liable to get stuck. If the children are already<br />

at school, and it begins to rain, they have to stay over in the classrooms or with<br />

people who live in the area. The few who do manage to become students of<br />

higher learning leave home two hours before classes start, walking for an hour<br />

in the mud to the main road, changing shoes and trousers, and waiting for<br />

transportation to Beer Sheva.<br />

Medical emergencies are particularly difficult in winter, but ambulances do not<br />

enter the village in any season. When the ambulance service is called in an<br />

emergency, inhabitants are always given the same instructions: to wait for the<br />

ambulance outside the village, on the main road. If no private car is available<br />

to take a woman in labour or an injured person who is bleeding to the road,<br />

things can end badly.<br />

The unrecognized village of Al-Fura’a has 4,500 inhabitants, of whom 1,200<br />

are children of school age. Several persons of means living in the village got<br />

together and decided to do something. They built a road from the main road<br />

to the school. In the absence of authorization to build an asphalt road, they levelled<br />

the earth. They invested 60 thousand shekels in this small road, and<br />

when the rains came, everything was washed away.


TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />

AL-FURA‘A – TALEB SULEIMAN, MUSA IBRAHIM AND MUHAMMAD SALAMA QABU‘A (S. / P. 70)<br />

AL-MAZRA‘A – CHILDREN FROM THE AL-ZORQAN FAMILy AND A WATER TANK<br />

BIR AL-HAMAM – RUWAN AND HAWLA AL-RAFAyA’A<br />

71


X y


TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />

MATRADA – ABDALLAH MUATUQ AL-WAJ (S. / P. 72)<br />

UM AL-HIRAN – RAED ABU AL-QE‘AN AND HIS SON RANI, RESIDENTS OF UM AL-HIRAN (S. / P. 72)<br />

UM RATAM – MUHAMMAD AL-G’OUL BESIDE THE QUARRy ON THE LANDS OF AL-MAZRA’A (S. / P. 72)<br />

TEL AL-MILH – HADIJA AND SABRIN ABU-MESA’AD IN THE KINDERGARTEN<br />

73


Chirbet al-Watan – Dorfkinder auf dem Fußballplatz<br />

Samstagnachmittag. Die Kinder sind mitten in einem stürmischen Fußballspiel.<br />

Als ich ankomme, beenden die Buben das Spiel und einer von ihnen<br />

stellt sie alle für ein Foto auf. Danach geht das Spiel wieder weiter. Obwohl<br />

die Fußballplätze häufig benutzt werden, lassen sich auch in den übrigen<br />

nicht anerkannten Dörfern keine annehmbaren Fußballfelder finden. Es ist<br />

schlicht nicht möglich, Sportanlagen ohne Anerkennung, Budgets und Gemeindeverwaltung<br />

einzurichten und zu erhalten. Etwa 1.000 Kinder und Jugendliche<br />

wohnen in Chirbet al-Watan. Sie und die Kinder der anderen nicht<br />

anerkannten Dörfer kommen nicht in den Genuss von Freizeitzirkeln, Gemeindeaktivitäten,<br />

Jugendgruppen, Sportanlagen oder kulturellen Aktivitäten.<br />

Wenn die Schule aus ist, können sie sich selbst mit Hausaufgaben beschäftigen,<br />

mit Fernsehen, oder sie hüten das Vieh. Viele der Eltern leben von<br />

Geldern der nationalen Sozialversicherung; laut Gesetz ist es ihnen verboten,<br />

ein Fahrzeug zu besitzen oder mit einem zu fahren. Es spielt keine Rolle. Sie<br />

könnten es sich ohnehin nicht leisten, die Kinder zu Freizeitgruppen in Be’er-<br />

Scheva, Arad, Omer oder Meitar (jüdische Orte) zu bringen.<br />

74 OVERLAPPING VOICES<br />

Khirbet Al-Watan – Village children on the football field<br />

Saturday afternoon. The children are in the middle of a wild football game.<br />

When I arrive, the boys stop the game and one of them organizes them all<br />

for the photoshoot. Afterwards, the game resumes. Even though the football<br />

fields are used frequently, reasonable football grounds are also not to be found<br />

in any of the other unrecognized villages. It is simply not possible to set up<br />

and maintain sports facilities without recognition, budgets and a local council.<br />

About one thousand children and teenagers live in Khirbet Al-Watan. They,<br />

and the children of the other unrecognized villages, cannot enjoy the benefits<br />

of extra-curricular activities, youth movements, sports facilities or cultural<br />

and life-enrichment activities. After school, they can busy themselves with<br />

homework, watching television, or shepherding. Many of their parents live off<br />

allowances from the ‘National Insurance Institute’; by law, they are prohibited<br />

from having a car or driving one. No matter. In any case, they could not<br />

afford to take their children to extra-curricular activities in Beer Sheva, Arad,<br />

Omer or Meitar (Jewish localities).


TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />

KHIRBET AL-WATAN – VILLAGE CHILDREN ON THE FOOTBALL FIELD (S. / P. 74)<br />

TEL ARAD – SAID AL-NASASRA AND HIS CHILDREN<br />

DERIJAT – GRADUATES OF THE yOUNG LEADERSHIP PROJECT<br />

75


Al-Za’arura – Suleiman Abu Adschadsch und Muhammad Abu Dschude<br />

Suleiman Abu Adschadsch sitzt im Schiq; einem beduinischen Gastzelt, vor ihm die<br />

wispernde Glut. Suleimans Schiq ist dunkel, doch draußen fällt viel Licht auf die Ruinen<br />

der zerstörten Moschee direkt gegenüber. Das Minarett der Moschee liegt am<br />

Rande der Schalom-Straße (Friedensstraße), auf den zerschmetterten Ziegel- und<br />

Betonresten – der Straße, die Dimona mit Arad und Kseife mit Arara verbindet.<br />

Suleiman erzählt mir, wie aufgeregt alle vor einigen Jahren waren, als sie die<br />

Moschee bauten. Sein Gesicht ist versiegelt, als er beschreibt, wie sich alle Familien<br />

zusammentaten, wie sich alle freuten, wie alle für das Projekt eingespannt<br />

wurden. Einige spendeten Geld, andere trugen Baumaterial oder Arbeitsstunden<br />

bei. Die Moschee wurde auf Suleimans Land erbaut, war jedoch für alle Familien<br />

auf der einen Seite des Dorfes gedacht – für die, die den Bach überqueren mussten,<br />

der in der Vergangenheit bereits Opfer gefordert hatte, um zur Moschee auf<br />

der anderen Seite des Dorfes zu gelangen. Im Winter mussten sie sich ihren Weg<br />

dorthin auch durch Kilometer von Schlamm bahnen.<br />

Ein Jahr intensiver, aufopfernder Arbeit war nötig, um die Moschee zu errichten.<br />

Als der Bau fertiggestellt war, als nur noch die Fenster fehlten, tauchten im Dorf<br />

Regierungsangestellte auf und hefteten den Abbruchbefehl an die Türen der neuen<br />

Moschee. „Warum haben sie ein Jahr gewartet, bis wir mit dem Bauen fertig waren?“,<br />

stellt Suleiman die rhetorische Frage. Die Dorfbewohner taten sich wieder<br />

zusammen und nahmen sich einen Rechtsanwalt. Papiere und Gesuche wurden<br />

eingereicht. 50.000 Dollar hatte der Bau gekostet. Die Bürokratie war teurer. Es gelang<br />

ihnen ein ums andere Mal, die Vollstreckung der Zerstörung aufzuschieben.<br />

Ein Jahr dauerte der Bau der Moschee. Und ein Jahr lang konnten sich die Dorfbewohner<br />

darüber freuen. Eines Morgens wurde das stille, abgelegene Dorf von<br />

Hundertschaften der Armee und Polizei überflutet. Als sei es ein Schlachtfeld geworden.<br />

Es waren Kampfsoldaten der israelischen Armee darunter, Grenzpolizisten,<br />

Spezialeinsatztrupps, Polizeiwagen. Alle Eingänge ins Dorf wurden blockiert,<br />

und die bewaffneten Kampfsoldaten schwärmten aus. Dann kamen die Bulldozer.<br />

Suleiman wurde alarmiert. Als er ankam und die Gesichter der Soldaten und Polizisten<br />

und ihre Anzahl sah, flehte er die Dorfbewohner an, die sich um die Moschee<br />

herum versammelt hatten, dass sie nichts unternehmen sollten. Dass sie die Bulldozer<br />

gewähren lassen sollten. „Als ich die Soldaten sah, habe ich begriffen, wenn<br />

es jemand wagen würde, sich zu widersetzen, würde hier Blut fließen“, erklärt er.<br />

„Dazu bin ich nicht bereit. Nicht einmal für die Moschee.“<br />

Innerhalb einer knappen Stunde verließen die Kämpfer das Dorf, hinter ihnen eine<br />

Staubwolke über einem Haufen von Beton und Eisen.<br />

„Noch einen Kaffee?“, fragt mich Suleiman im dunklen Schiq.<br />

76 OVERLAPPING VOICES<br />

Al-Za’arura – Suleiman Abu-Ajaj and Muhammad Abu-Judeh<br />

Suleiman Abu-Ajaj sits in the Shiq; a Bedouin hospitality tent, facing whispering,<br />

glowing embers. The tent is dark, but outside considerable light falls on the ruins<br />

of the demolished mosque, right opposite. The minaret lies on top of the remains<br />

of the shattered bricks and concrete on the edge of the Shalom (Peace) Road –<br />

the road linking Dimona with Arad, and Kuseife with Ara’ra.<br />

Suleiman recounts the excitement everyone felt several years ago, when they built<br />

the mosque. His expression is immobile as he describes how the whole family got<br />

together, how they were all so exited, how they all supported the project. Some<br />

donated money, others contributed building materials or put in hours of work. The<br />

mosque was built on Suleiman’s land, but was meant for all the families on the<br />

one side of the village. Those on the other side of the village would have to cross<br />

a river that had already claimed lives in the past. In winter, they would have to<br />

forge a way there through miles of mud as well.<br />

A year of intensive and dedicated work was needed to build the mosque. When<br />

construction ended, and only windows had to be put in, Government officials appeared<br />

in the village and affixed a demolition order to the doors of the new mosque.<br />

“Why did they wait a year until we finished construction?”, Suleiman asks<br />

rhetorically. The village residents got together again and hired a lawyer. Papers<br />

and applications were submitted. The construction had cost 50 thousand dollars.<br />

The bureaucracy cost more money. Time and again they managed to postpone<br />

the demolition.<br />

Construction of the mosque lasted a year. And one year is the time that the residents<br />

had to enjoy it. One morning, this quiet, remote village was inundated with<br />

hundreds of military personnel, as if it were a battlefield. There were IDF combat<br />

soldiers, ‘Border Patrol’ police, members of the ‘Special Patrol Unit’, and police<br />

vans. All the entrances to the village were sealed off, and the armed units deployed<br />

around it. Then the bulldozers came.<br />

Suleiman was summoned to the scene by his neighbours. When he arrived and<br />

saw the faces of the soldiers and police, and their numbers, he begged the<br />

residents who had gathered around the mosque not to do anything. To allow the<br />

bulldozers to demolish it. “When I saw the soldiers I understood that if anyone<br />

dared to resist, blood would be spilt here”, he explains. “That I am not prepared<br />

to allow. Not even for the mosque”.<br />

In less than an hour, the forces left the village, leaving behind them a heap of concrete<br />

and iron in a haze of dust.<br />

“More coffee?”, Suleiman offers in the dark tent.


TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />

AL-ZA‘ARURA – SULEIMAN ABU-AJAJ AND MUHAMMAD ABU-JUDEH (S. / P. 76)<br />

AL-SERA – SAID AL-NASASRA ON THE WATER PIPE OUTSIDE THE VILLAGE<br />

BIR AL-MESHASH – IBRAHIM AL-WAQILI<br />

77


78 OVERLAPPING VOICES<br />

TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />

WADI AL-MESHASH – MUHAMMAD AL-WALIDI<br />

WADI AL-NA’AM – ABDALLAH AND HUDA JARBE‘A AND THEIR CHILDREN ELMAZ AND NABIL<br />

UM METNAN – ZENAB AL-G’ANAMI (S. / P. 79)


Um Metnan – Zinab al-Ghanami<br />

Zinab habe ich in einem der gebrauchten Schulbusse fotografiert. Es scheint,<br />

dass das Fahrzeug seit den 60er Jahren für Schülertransporte gedient hat. Kaum<br />

zu glauben, dass es noch fährt, und noch schwerer zu glauben, dass es für den<br />

Transport kleiner Kinder benutzt wird. Die Tür ist verrostet, defekt, halb offen. Die<br />

Fenster sind in verschiedenen Stellungen stecken geblieben. Die Polsterung der<br />

alten Sitze ist völlig zerschlissen, teils ist nicht einmal mehr Schaumstoff übrig<br />

geblieben. Die Decke ist aus Sperrholz. Der Boden – rostiges Eisen.<br />

Die Fahrten zur Schule in Um Metnan macht der Bus in zwei Touren: Er sammelt<br />

Kinder ein, setzt sie an der Schule ab, kehrt zurück und holt den Rest der Kinder.<br />

Die ersten stehen viel früher auf und müssen in der Schule fast eine Stunde<br />

bis Unterrichtsbeginn warten. Zinab, Schülerin der dritten Klasse, fährt mit der<br />

zweiten Tour. Nach einer Fahrt von etwa zwanzig Minuten auf kaputten Sandstraßen<br />

erreicht sie um 7.50 Uhr die Schule.<br />

Die Schule ist aus ein paar Caravans zusammengebaut und hat um die 1.000<br />

Schüler. Etwa 18.000 Kinder im Grundschulalter leben insgesamt in allen nicht<br />

anerkannten Dörfern, Grundschulen gibt es dort jedoch nur 20. Die beduinische<br />

Bildungsbehörde, die 1981 eingerichtet wurde, soll sich um die Durchsetzung der<br />

Schulpflicht in diesen Dörfern kümmern. Unter anderem ist sie für die Beförderung<br />

der Schüler verantwortlich, sollte daher diesen Dienst ausschreiben und den<br />

Standard kontrollieren. Komitees und Prüfer, die das Kultusministerium von Zeit<br />

zu Zeit ernannte, fanden diverse Mängel in der Leitung der Behörde, und 2003<br />

wurde auf Mosche Schochat, der damalige Leiter, seiner Aufgabe enthoben, nachdem<br />

Berichte über seine rassistischen Äußerungen gegenüber den Beduinen veröffentlicht<br />

worden waren. Es stellte sich auch noch heraus, dass Schochat Gelder<br />

der Behörde für private Zwecke missbraucht hatte. Trotz der Bitten, den Posten<br />

des Leiters auszuschreiben, trotz der Bitten, einen Kandidaten mit beduinischem<br />

Hintergrund für diese Aufgabe zu ernennen, wurde am Ende – ohne Ausschreibung<br />

– Chanan Afuta aus Kiriat-Gat zum Leiter der Behörde bestellt.<br />

Die Eltern der Schüler behaupten, dass aufgrund der schwierigen Fahrverhältnisse<br />

auf den nicht planierten Straßen die Transportunternehmer die schlechtesten<br />

Fahrzeuge, die sie zur Verfügung haben benutzen. Sie wollen ihre guten<br />

Autobusse nicht ruinieren. Viele klagen darüber, dass die Fahrzeuge mit Kindern<br />

überladen werden, was gegen die Sicherheit und die Vorschrift verstößt. Zahlreiche<br />

Eltern beschweren sich auch darüber, dass die Ausschreibungen nicht<br />

nach Gesetz durchgeführt werden, und dass keinerlei Kontrolle über die Transportgesellschaften<br />

und ihre Fahrer besteht. Anfang 2005 teilte das Kultusministerium<br />

seine Absicht mit, die beduinische Bildungsbehörde aufzulösen und ihre<br />

Kompetenzen dem neuen Rat zu übertragen – dem Abu Basma-Rat für den Kreis<br />

der nicht anerkannten Dörfer. Bisher ist nichts geschehen.<br />

Um-Metnan – Zenab Al-G’anami<br />

I photographed Zenab in one of the buses used to transport the children to<br />

school. It looks like the bus has been used for this since the 1960s. It is hard<br />

to believe that it still travels; it is even harder to believe that it is used to bus<br />

small children. The door is rusty, broken and half open. The windows are stuck<br />

in various positions. The upholstery of the chairs is old, completely torn, some<br />

do not even have any foam left. The ceiling is made of plywood. The floor, of<br />

corroded iron.<br />

Children are bussed to school in two cycles. The bus collects children, lets<br />

them off at the school, and returns to pick up the rest of the children. The first<br />

ones get up much earlier, and have to wait at school almost an hour before<br />

classes start.<br />

Zenab, a 3rd Grade student, is bussed in the second cycle. After twenty minutes<br />

of driving along potholed roads, she arrives at school at 07:50.<br />

The school consists of several prefabs, serving approximately 1,000 students.<br />

Some 18,000 pupils of primary school age live in all the unrecognized villages,<br />

but they only have ten primary schools between them. The ‘Bedouin Education<br />

Authority’ set up in 1981 is supposed to deal with the enforcement of the<br />

Mandatory Education Law in these villages. Among other things, it is responsible<br />

for bussing children, and is therefore supposed to issue a tender for bids<br />

for the service and to oversee the standard of it. Committees and inspectors<br />

appointed by the Education Ministry from time to time found fault with the management<br />

of the Authority, and, in 2003, the former head of the Authority,<br />

Moshe Shohat, was dismissed after reports were published about his racist<br />

statements against Bedouin. It was also discovered that Shohat had used the<br />

Authority’s money for his own personal needs. Despite requests that the position<br />

of the head of the Authority be put out to tender, and despite requests that<br />

a Bedouin in the field of education be appointed to the position, it was finally<br />

given to Hanan Afuta, Jew from Kiryat Gat, without a tender.<br />

The children’s parents claim that because the roads to the villages are not<br />

paved, and because most are very difficult to navigate, the bus operators use<br />

the worst vehicles in their possession. They don’t want to destroy their good<br />

buses. Many complain about too many children being jammed onto one bus,<br />

compromising safety and in contravention of the law. Many parents complain<br />

that tenders are not issued, as required by law, and point to the absence of supervision<br />

of the bus companies and their drivers.<br />

At the beginning of 2005, the Education Ministry announced its intention of<br />

disbanding the ‘Bedouin Education Authority’ and of transferring its responsibilities<br />

to the new council that has been set up – the ‘Abu Basma’ Regional<br />

Council. To date, nothing has been done.<br />

79


shalom amIra<br />

1976 born in holon, Israel<br />

lives and works in Jerusalem, Israel<br />

educaTIon and awards:<br />

2007 The David Perlov and Jehoshua Rabinowitz<br />

Tel Aviv Foundation<br />

2003 – 2007 Bezalel Academy of Art and Design<br />

in Jerusalem in the Film and New Media<br />

Department<br />

2005 The America-Israel (Sharet) Foundation<br />

selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />

Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />

(Group)<br />

2006 “Structural distress monument for the masses”,<br />

European Exchange Academy, Berlin, D (Group)<br />

2005 “X.O”, the Barbur Gallery, Jerusalem, Israel<br />

(Group)<br />

80 OVERLAPPING VOICES<br />

arTIsT sTaTemenT<br />

TerrarIum<br />

Israel ist ein zum Fossil erstarrter, von einer Mauer umgebener Resonanzraum,<br />

in dem ich lebe. Der Film „Terrarium“ beschreibt den Lebenszyklus<br />

innerhalb dieses eingezäunten Bereiches, der aus monumentalen nationalen<br />

Ereignissen, religiösen Feiertagen und heiligen Stätten besteht. Das<br />

Leben in einem hermetisch verschlossenen Raum ist verzerrt und sein Sinn<br />

wandelt sich angesichts der surrealen Lebensform. Privates und Öffentliches<br />

mischen sich, die Unschuld der Kindheit wird von der Politik mobilisiert,<br />

Steine werden verehrt, die Welten über und unter der Mauer gleichen vernichtenden<br />

Klassenunterschieden.<br />

Zinnsoldaten marschieren in geradlinigen Kolonnen entlang der Geländer<br />

des Modell-Exerzierplatzes in Mini-Israel. Kinder umschwärmen den alten<br />

Merkava-Panzer in der Gedenkstätte der Panzertruppe der israelischen Armee<br />

in Latrun. Sie klettern auf den Geschützturm, machen Fotos und träumen<br />

von Uniformen und großen Schlachten.<br />

Leben und Tod vereinigen sich zu einem Tag voller Zeremonien, Sehnsüchte<br />

und Gebete um Besseres. Trauer und Freude sind ein und dasselbe und<br />

nicht zu trennen.<br />

Ein Versuch, auf dem Hauptplatz von Jerusalem Hanukkah-Kerzen zu entzünden,<br />

entwickelt sich zu einem riesigen Polizeiereignis, für das Sicherheitskräfte<br />

in großer Zahl aufgefahren werden. Zwei Rabbis werden von<br />

einem Löschfahrzeug der Feuerwehr in die Luft gehoben, um die ersehnte<br />

Kerze zu entzünden.<br />

Ein älterer Herr vor dem Jerusalemer Rathaus schimpft lauthals in sein altes<br />

Megaphon; er verlangt Gerechtigkeit. Der Herr ist klein und der Platz ist gewaltig<br />

und keine Menschenseele hört zu.


TerrarIum<br />

Israel is a fossilized resonance chamber enclosed by a wall, inside which I<br />

live.<br />

The film describes the life cycle inside this enclosure which is composed of<br />

monumental national events, religious holidays, and holy sites.<br />

Life in a hermetically sealed space is distorted and its meaning is altered in<br />

the face of surreal existence. Private and public entities are fused, the innocence<br />

of childhood is mobilized by politics, stones are worshipped, the<br />

worlds above and below the wall are likened to devastating class<br />

differences.<br />

Toy soldiers are marching in straight columns along the rails of the model<br />

parade ground in Mini-Israel. Children swarm around the old Merkava tank<br />

in the Armored Corps Memorial at Latroun. They climb up on the turret, take<br />

photographs, and dream of uniforms and great battles.<br />

Life and death come together to form a day of ceremonies, yearning and<br />

prayers for better things. Bereavement and joy are one and the same and<br />

cannot be separated.<br />

An attempt at lighting Hanukkah candles in the city square in Jerusalem<br />

turns into a huge security event mobilizing numerous security forces. Two<br />

rabbis are elevated by a fire truck in order to light the longed-for candle.<br />

An elderly man brandishing an old megaphone rants and raves for justice<br />

before the Jerusalem town hall. The man is small and the square is mighty<br />

and not a soul listens.<br />

81


82 OVERLAPPING VOICES


SHALOM AMIRA TERRARIUM, 2008<br />

83


anIsa ashkar<br />

1979 born in akko, Israel<br />

lives and works in Tel aviv & akko, Israel<br />

educaTIon and awards:<br />

2007 young Artist Award, Israel Ministry of Education<br />

and Culture<br />

2006 Artists-Teacher Award, Israel Ministry of<br />

Education and Culture<br />

2005 Artists-Teacher Award, Israel Ministry of<br />

Education and Culture<br />

2004 Artistic Excellence Award, Hamidrasha School<br />

of Art, Beit Berl College, Israel<br />

2001 – 2004 BFA, Hamidrasha School of Art, Beit Berl<br />

College, Israel<br />

1998 – 2000 The Western Galilee College, Akko, Israel<br />

selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />

Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />

(Group)<br />

2007 “In a twinkling of an Eye0”, Athína, GR (Solo)<br />

2006 “Apolone”, Strasbourg, F (Group/Solo)<br />

“Hakol Katuv (All is written)”, Mishkanot<br />

Shaananim, Jerusalem, Israel (Group/Solo)<br />

2005 “Kodra”, Salonika, GR (Group)<br />

“Autobiography”, Beit Berl College, Kalmaniya,<br />

Israel (Group)<br />

84 OVERLAPPING VOICES<br />

arTIsT sTaTemenT<br />

Die junge Körperkünstlerin Anisa Ashkar fand bereits nach drei Monaten am<br />

Midrasha College of Art zu ihrer künstlerischen Identität. Als sie ihr Studium<br />

mit Auszeichnung abschloss, hatte sie einen unverwechselbaren Stil entwickelt,<br />

der auch außerhalb des College Anerkennung fand. Obwohl seit damals erst<br />

zwei Jahre vergangen sind, sieht es so aus, als hätte sie, das heißt ihr Gesicht<br />

und ihr Körper – die sie gleich zu Beginn zu ihrer Leinwand und ihrem Ausstellungsraum<br />

erwählte –, die Grenzen Israels bereits weit überschritten. Mit diesen<br />

Mitteln enthüllt und feiert sie ihre Identität als Frau, als Araberin, als Vermittlerin<br />

der Kultur und Ästhetik des Islam.<br />

Ashkar ist eine Performancekünstlerin, die selbst entdeckte, dass ihre von Problemen<br />

geprägte Arena – der jüdische Nationalstaat – ihr weder den Luxus<br />

eines locus erlaubt, der keine Identität ist, noch den einer Identität, die kein locus<br />

ist. Um sich in diesem Kontext mit der Frage der Identität auseinanderzusetzen,<br />

blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sie in Performances darzustellen.<br />

Ashkar musste nicht erst Judith Butler lesen, um zur postmodernen Schlussfolgerung<br />

zu gelangen, dass man zur Beantwortung der Fragen „Wer bist du?“,<br />

„Welches Geschlecht hast du?“, „Was ist dein Selbst?“, „Woher kommst du?“<br />

und „Wohin gehörst du?“ keine andere Wahl als die Performance hat, die Darstellung<br />

von sexueller, politischer und kultureller Kritik.<br />

Schon die Aussagen „Ich bin eine Frau“ oder „Ich bin Araberin“ sind ein<br />

Erbe der Wahlfreiheit. Wie Simone de Beauvoir schrieb: Man wird nicht als<br />

Frau geboren, man wird es. Und wie Judith Butler hinzufügte: Man wird gar<br />

nichts, wenn man sich nicht für ein bestimmtes Geschlecht entscheidet<br />

oder damit identifiziert. Man entscheidet sich, als Frau oder Mann identifiziert<br />

zu werden, trotz und nicht wegen des Geschlechtes, in das man hineingeboren<br />

wird. So werden Fragen der kulturellen Identität und der Nationalität<br />

auf dem Weg der Performance beantwortet. Man wird nicht als<br />

Araberin geboren, sondern wird zu einer, indem man sich als Araberin deklariert,<br />

genauso wie man seine Aktiva beim Finanzamt deklariert.<br />

Anisa Ashkar betrachtet es heute als Aktivum, Araberin zu sein, ein Aktivum,<br />

zu dessen Besitz sie sich entschloss und das sie stolz mit Hilfe einer<br />

tief in ihrer Kultur verwurzelten Ästhetik deklariert. In den letzten sechs Jahren<br />

hat sie jeden Morgen das gleiche Zeremoniell absolviert: Vor dem Spiegel<br />

malt sie mit Naturfarben in kalligraphischen Zeichen alles auf ihr Gesicht,<br />

was sie über sich selbst aussagen möchte, und tritt dann als Kunstwerk,<br />

als lebende zwei- und dreidimensionale Skulptur, in die Welt hinaus, um ihrer<br />

Beschäftigung nachzugehen.


Wenn Ashkar sich durch die Straßen von Akko, Tel Aviv, Athen oder Straßburg<br />

bewegt, entdeckt sie immer wieder, dass ihr Gesicht, auch wenn es unbedeckt<br />

ist, als Maske in einem unverständlichen Schauspiel und immer unergründlichen<br />

Rätsel betrachtet wird. Es geht dabei nicht notwendigerweise um ihre<br />

politische Identität – die Menschen reagieren auf sie, als trüge sie das Kopftuch<br />

einer „Femme fatale“. Den Menschen, die nicht unbedingt erkennen,<br />

dass es sich um Kalligraphie handelt, und nach dem Sinn fragen, erklärt<br />

Ashkar mit unendlicher Geduld: „Ich bin Künstlerin. Das ist meine Kunst.“<br />

Es ist Make-up, aber es ist auch Text. Es ist eine Dekoration aus dem Reich<br />

der Libido, aber ebenso eine Form von traditioneller Malerei, die der Islam<br />

kunstvoll entwickelte.<br />

Ashkar kam in Akko als Tochter einer seit vielen Generationen dort lebenden<br />

Familie zur Welt. Wenn es in Israel überhaupt Einheimische gibt, dann ist<br />

Anisa eine Einheimische.<br />

Die Texte, mit denen sie ihr Gesicht bemalt, sind intuitiv, frei. Meist beschränkt<br />

sie sich auf ein einzelnes Wort: „Wandel“, „Schönheit“, „Frau“. Normalerweise<br />

ist es das erste Wort, das ihr beim Aufwachen in den Sinn kommt. Ihr<br />

bemaltes Gesicht mit einer Kamera zu dokumentieren ist ebenfalls zu einem<br />

Ritual geworden, das alle paar Monate stattfindet.<br />

An ihren Performances beteiligt sie auch Männer und sie setzt Sprache ein.<br />

Ihre an die Männer gerichteten Worte drehen sich um den Machtkampf zwischen<br />

den Geschlechtern. Ihre letzte Performance in Athen hatte den Mythos<br />

der Medusa und den Archetypus der Frau mit dem versteinernden Blick<br />

zum Thema. Die sowohl weise als auch schöne Medusa wurde von Poseidon<br />

in Athenes Tempel vergewaltigt und dann von Athene zur Strafe in ein schreckliches<br />

Monster verwandelt – weil sie ihren Tempel entweiht hatte. In der Geschichte<br />

klingen Schönheit, Weisheit und Autorität an, neben der Macht des<br />

Blickes, Kunst aus Schmerz, Beleidigung, Rache, Zerstörung oder Selbstverstümmelung<br />

zu schaffen. Anisa Ashkar sieht sich selbst ein wenig, wie Medusa<br />

sich erlebt haben mag: schön und dunkel, stark und intelligent, voller<br />

Autorität und mit vollständiger Kontrolle über ihr Schicksal.<br />

naomi Aviv<br />

performance<br />

Der Medusenmythos nimmt in den Mittelmeerkulturen einen bemerkenswerten<br />

Platz ein. Er ist auch in der westlichen Kultur präsent, wo er für einen Teil der<br />

menschlichen Psyche steht. Diese Aspekte sind mein Ausgangspunkt.<br />

Als arabische/moslemische Frau wurde ich von frühester Jugend an mit den<br />

traditionellen Ansichten über den Platz der Frau und die Familienehre vertraut<br />

gemacht. Da für mich der Islam mehr eine Kultur als eine Religion darstellt,<br />

fasziniert es mich, diese Aspekte in anderen Kulturen zu erforschen.<br />

Meine vorherige Performance, „In a Twinkling of an Eye“ (In einem Augenblick,<br />

Athen, 2007), dehnte den Augenblick, bevor Medusa enthauptet wird,<br />

auf 16 Minuten aus. In diesem Projekt möchte ich den Augenblick nach der<br />

Enthauptung erforschen, einen Moment der Geburt, in dem Pegasus und<br />

Zentaur auf die Welt kamen und ihre symbolische Bedeutung erhielten (Pegasus:<br />

weiß und rein, Zentaur: schwarz, wild und emotional).<br />

Das Schwarze (Adham) und das Weiße (Asbah) nehmen in meiner künstlerischen<br />

Arbeit einen zentralen Platz ein. Pferde hat meine Familie schon immer<br />

gezüchtet und sie spielen eine große Rolle in meinem Leben.<br />

Die Erkundung, die mit „In a Twinkling of an Eye“ ihren Ausgang nahm, setzte<br />

sich mit „Al Adham“ (Gastatelier, Düsseldorf, Februar 2008) fort, wo ich mich<br />

mit der Geburt von Adham, dem schwarzen Pferd, beschäftigte. Das führte<br />

mich dann zu dieser Performance, in der es um die Geburt von Asbah, dem<br />

weißen Pferd, geht.<br />

In Düsseldorf suchte ich einen schwarzen Mann, der Adham darstellen sollte,<br />

in Wien werde ich einen weißen Mann als Darsteller für das weiße Pferd Pegasus<br />

suchen. Ich möchte den griechischen Mythos mit dem arabischen Gedicht<br />

„Antara Ibn Shaddad“ verknüpfen. Die Araber sind für ihre Pferdeliebe<br />

berühmt und Pferde sind ihnen oft wichtiger als Frauen.<br />

Anisa Ashkar is a young body-artist who found her artistic identity after just<br />

three months at the Midrasha College of Art. By the time she graduated with<br />

honours she managed to create a signature style which was recognized even<br />

outside the college. Only two years have passed since her graduation and it<br />

seems that she – her face and her body – the canvas and exhibition space<br />

she had delineated right from the beginning, have been expanding far beyond<br />

the borders of Israel. In them she exposes and celebrates her identity as<br />

a woman, as an Arab, as an agent of the culture and aesthetics of Islam.<br />

Ashkar is a performance artist who discovered on her own that her troubled<br />

arena – the Jewish nation state – does not allow her the luxury of a locus that<br />

is not an identity, nor of an identity that is not a locus. In broaching the question<br />

of identity in this context she had no choice but to perform it. Ashkar did<br />

not have to read Judith Butler in order to reach the post-modern conclusion<br />

that to answer the questions Who are you, What is your gender, Who is yourself,<br />

Where did you come from and Where do you belong – there is no choice<br />

but to perform; to perform the sexual, political and cultural critique.<br />

The very statement: “I am a woman” or “I am an Arab” is a legacy of choice.<br />

As Simone de Beauvoir wrote: one is not born a woman but becomes one. And<br />

as Judith Butler added: you do not become anything unless you choose to become<br />

or to identify yourself with a particular sex. you choose to be identified<br />

as a man or a woman in spite of and not because of the sex you were born to.<br />

Thus, the questions of cultural identity and nationality are settled by performance.<br />

One is not born an Arab but becomes one by declaring oneself an Arab<br />

as one declares one’s assets to the tax authorities.<br />

For Anisa Ashkar today being Arab is an asset she chooses to possess and<br />

which she proudly declares through an aesthetic deeply rooted in her culture.<br />

For the past six years she has been repeating the same ceremony every<br />

morning: at her mirror, using natural pigments, she paints in calligraphy on<br />

her face everything she wants to say about herself and thus, as an oeuvre<br />

d’art, as a living sculpture in two and three dimensions she goes out into the<br />

world to do her business.<br />

Now, when Ashkar goes out into the street in Akko, Tel Aviv, Athens or Strasbourg<br />

she discovers, again and again, that her face, even if it is uncovered,<br />

is seen as a mask in an unintelligible drama and an ever deepening enigma.<br />

It is not necessarily about her political identity – people react to her as though<br />

she were wearing a femme fatale’s face-scarf. To people on the street who do<br />

not necessarily recognize the calligraphy as such and ask what she is doing,<br />

Ashkar, with endless patience, explains: “I am an artist. This is my art.”<br />

It is makeup, but it is also text. It is a decoration from the libidinal kingdom<br />

but also a form of the traditional painting cleverly developed by Islam.<br />

Ashkar was born in Akko to a family living there for many generations. If there<br />

are natives in Israel, Anisa is a native.<br />

The texts she paints on her face are intuitive, free. Usually she limits herself<br />

to one word: “change”, “beauty”, “woman”. Usually it is the first word she<br />

thinks of when she wakes. Standing in front of the camera in order to document<br />

the portrait has also become a ritual which takes place once every few<br />

months.<br />

In her performances she uses men and speaks. Her speech, aimed at men,<br />

is about the power struggle between the sexes. Her last one, in Athens, deals<br />

with the myth of Medusa and the archetype of the woman with the petrifying<br />

gaze. Medusa, being both wise and beautiful, was raped by Poseidon in<br />

Athena’s temple; then punished by Athena who turned her into a horrible<br />

monster – for desecrating the temple. In the story there are intimations of<br />

beauty, wisdom and authority alongside the archetypal portrayal of the power<br />

of the gaze to create art from pain, offense, revenge, destruction or self-mutilation.<br />

Anisa Ashkar experiences herself a bit the way Medusa may be experienced:<br />

beautiful and dark, strong and bright, authoritative, and in complete<br />

control of her fate.<br />

naomi Aviv<br />

85


performance<br />

The Medusa myth has a remarkable place in the Mediterranean cultures. It<br />

is also rooted in western culture as a representation of part of the human psyche.<br />

These aspects are my point of origin.<br />

As an Arab Muslim woman, I have been inculcated from an early age with<br />

the traditional ideas of women’s place and family honour. Since I think of Islam<br />

as a culture more than a religion, I am fascinated by and interested in<br />

exploring these aspects in different cultures.<br />

My previous performance “In a twinkling of an eye” (Athens, Greece 2007)<br />

stretched to sixteen minutes the moment preceding the beheading of Medusa.<br />

In this project I wish to explore the moments that came after the beheading,<br />

a moment of birth, when Pegasus and Centaur came into the world<br />

and assumed their representation as white and pure (Pegasus) and black,<br />

wild and emotional (Centaur).<br />

86 OVERLAPPING VOICES<br />

ANISA ASHKAR FROM THE SERIES LONG SHADOW, LONG SHADOW 1, 2004 *<br />

ANISA ASHKAR FROM THE SERIES AGRIA MATIA, AGRIA MATIA 4, 2007 **<br />

Arabischer Text in Anisa Ashkars Gesicht / Arab text in Anisa Ashkar’s face:<br />

* LONG SHADOW: Wir werden uns an einem jener Tage der langen Schatten treffen. /<br />

We shall meet on one of those days with the long shadow.<br />

The Black (Ad‘ham) and White (Asbach) have a central place in my artistic<br />

work. Horses have been reared by my family during my whole life and are<br />

dominant in my biography.<br />

The research that started with the performance “In a twinkling of an eye”<br />

continued in ‘Al Adham’ (Gastatelier, Düsseldorf, Germany, February 2008),<br />

where I explored the birth of Ad’ham, the black horse. That has led me to<br />

this performance to explore the birth of Asbah, the white horse.<br />

In Düsseldorf I looked for a black man that would represent Ad’ham, and in<br />

Vienna I will look for a white man to represent the white horse Pegasus. I intend<br />

to intertwine the Greek myth with the Arab poem “Antara Ibn Shaddad”.<br />

Arabs are famous for their love of horses, so much so that they have even<br />

preferred them to women.<br />

** AGRIA MATIA: Es ist Zeit zu kommen. Ich werde bald kommen. Schlaf und Tod sind eins. /<br />

It is time to come. I am the one who is coming soon. The sleep and the death are one.<br />

*** EFyGENIA: Pass auf dich auf. / Take care of yourself.


ANISA ASHKAR FROM THE SERIES EFyGENIA, EFyGENIA 1, 2003 ***<br />

ANISA ASHKAR ALASBASH (ENG.: WHITE HORSE), 2008<br />

PERFORMANCE ZUR AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG IM ESSL MUSEUM /<br />

PERFORMANCE DURING THE EXHIBITON OPENING OF THE ESSL MUSEUM (S. / P. 88 – 89)<br />

87


90 OVERLAPPING VOICES


ANISA ASHKAR FACE WALK IN VIENNA, 2008<br />

91


asad azI<br />

1955 born in shefa-‘amr (galilee), Israel<br />

lives and works in Jaffa, Israel<br />

educaTIon and awards:<br />

1976 – 1980 BA, University of Haifa, Israel<br />

1980 – 1988 MA-studies, Tel Aviv University, Israel<br />

selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />

Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />

(Group)<br />

2006 “100 years museum of modern art”, Milano, I<br />

(Group)<br />

1999 Ramat-Gan Museum, Ramat-Gan, Israel (Solo)<br />

1993 USC Fisher Gallery, Los Angeles, USA (Group)<br />

1992 Artifact Gallery, Tel Aviv, Israel (Solo)<br />

1991 “Israeli Art Now”, Tel Aviv Museum of Art, Tel Aviv,<br />

Israel (Group)<br />

1988 Cooper Union Art Gallery, New york, USA (Group)<br />

Ramat-Gan Museum, Ramat-Gan, Israel (Solo)<br />

1985 Israel Museum, Jerusalem, Israel (Group)<br />

92 OVERLAPPING VOICES<br />

arTIsT sTaTemenT<br />

Ich bin das Produkt einer multikulturellen Welt, in der Gesellschaften mit unterschiedlichen<br />

Sprachen und Geschichten leben, die aber nicht zu friedlicher<br />

Koexistenz fähig sind. Dieses Streben nach Koexistenz ist nicht nur ein<br />

kollektiver Konflikt, sondern für mich und andere ein persönlicher und individueller<br />

Kampf, ein Bemühen des inneren Selbst, die bestehenden Differenzen<br />

zu akzeptieren.<br />

Die Kunst ist mein grundlegendes Mittel der Kommunikation mit der Außenwelt.<br />

Sie ist eine universelle Sprache, die all den unterschiedlichen Seiten in<br />

mir einen Anknüpfungspunkt bietet. Mit Hilfe von Bildern, Farben und Formen<br />

kann ich den Sinn des Lebens verstehen.<br />

Wenn ich alleine in meinem Atelier bin, verbanne ich den Aufruhr aus meinem<br />

Kopf und erschaffe meine eigene Welt, die über Ländern und Kulturen<br />

schwebt. Meine Kunst ist ein lebendiger Weg zur Vorstellungskraft, die es mir<br />

erlaubt, immer wieder neue Aspekte der Existenz zu ergründen.<br />

Kunst befreit meine Seele aus ihrem Käfig und erlaubt ihr, sich frei durch<br />

die wunderbare Welt der Malerei zu bewegen.<br />

Sie ist Freiheit.<br />

Sie ist ein Lebensstil.<br />

Die Kunst ist ein wahrer Spiegel unseres Selbst.<br />

Viele meiner Themen beziehen sich auf die Familie, weil ich weit weg von<br />

meinem Heimatort bin, wo alle meine Verwandten leben. Ich vermisse sie<br />

und habe Sehnsucht nach ihnen, und so erlaubt mir meine Arbeit, meine<br />

Gefühle ihnen gegenüber auszudrücken.<br />

Außerdem verewige ich damit verlorene Augenblicke der Vergangenheit,<br />

meistens Augenblicke, die ich mit meiner bescheidenen Kamera aufgenommen<br />

habe.<br />

Ein weiterer Aspekt, den ich zur Diskussion stellen möchte, ist die bizarre<br />

Art und Weise, in der wir diese Tradition heute verstehen, sogar in kleinen,<br />

entlegenen Orten, wo Liebe und Fürsorglichkeit immer hochgehalten<br />

wurden.


I am a product of a multi-cultural world in which societies with different languages<br />

and heritages live, yet are unable to co-exist peacefully. This strife for<br />

co-existence is not just a collective conflict, but also for me and others like<br />

me a personal and individual fight, wherein the inner self struggles to find an<br />

acceptance of the differences within.<br />

Art is my fundamental medium of communication with the external world. It is<br />

a universal language that all sides within me can relate to. It is through images,<br />

colours and shapes that I am able to understand the meaning of life.<br />

Alone in my studio, I put the turmoil out of my mind and create my own world<br />

hovering over countries and cultures. My art is a vivid path to imagination to<br />

find again and again new aspects of existence.<br />

Art releases my soul from its cage allowing it to wander around the delightful<br />

worlds of painting.<br />

It is freedom.<br />

It is a way of life.<br />

Art is a true reflection of ourselves.<br />

Many of my issues concern family because I am living away from my home<br />

village where all my relatives stayed. I miss them and I am longing to see<br />

them, so it’s a way to display my emotions towards them.<br />

The other thing is that I’m immortalizing those lost moments from the past,<br />

mostly moments that I captured with my modest camera.<br />

Another aspect that I am asking to bring into discussion is the bizarre way<br />

we comprehend this tradition nowadays, even at small and far-away places<br />

where love and care were the appreciated way of life.<br />

93


94 OVERLAPPING VOICES<br />

ASAD AZI THREE BROTHERS, 2007 (S. / P. 93)<br />

ASAD AZI MOTHER AND SOLDIER, 2008 (S. / P. 94 – 95)


96 OVERLAPPING VOICES<br />

ASAD AZI WOMAN WITH CHILD, 1997/98


aed bawayah<br />

1971 born in Qatanna, ramallah, palestine<br />

lives and works in paris, f<br />

educaTIon and awards:<br />

2008 Residency – Espace Photographique Contretype,<br />

Bruxelles, B<br />

2007 Stipendiary, Schloss Akademie Solitude, Stuttgart, D<br />

2006 Residency – Cité Internationale des Arts, Paris, F<br />

Residency – Récollets, Paris, F<br />

2005 Residency – Cité Internationale des Arts, Atelier<br />

Palestine, Paris, F<br />

2004 Diploma in Photography, Musrara School of Photography,<br />

New Media and Music, Jerusalem, Israel<br />

selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />

Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />

(Group)<br />

Espace Photographique Contretype, Bruxelles, B<br />

2007 “Living in Palestine”, festival „visa pour l’image“,<br />

Perpignan, F (Solo)<br />

“Acquisitions pour la MEP (1999-2006)”,<br />

Fondation Neuflize Vie, Maison Européenne de<br />

la Photographie, Paris, F (Group)<br />

“From over crossing destination”, Schloss<br />

Solitude, Stuttgart, D (Solo)<br />

“Morceaux choisis”, Galerie Serge Aboukrat,<br />

Paris, F (Solo)<br />

2006 „Mois de la photo“, Cité international des Arts,<br />

Paris, F (Group)<br />

“Ramallah – Tel Aviv au jour le jour”, l’Hôtel de<br />

Ville de Paris, Paris, F (Solo)<br />

“Ramallah –Tel Aviv”, City hall of Naples, Napoli, I<br />

(Group)<br />

2005 “Identification N° 925596611”, Centre Culturel<br />

Iranien, Paris, F (Solo); Cité Internationale des<br />

Arts, Paris, F (Solo); Centre Culturel Français de<br />

Gaza, Palestine (Group)<br />

98 OVERLAPPING VOICES<br />

“Das Vermögen der Kunst”, Kunsthaus Dresden,<br />

Dresden, D (Group)<br />

2004 “Identification N° 925596611”, Centres Culturels<br />

Français, Ramallah, Palestine, Jérusalem, Nazareth,<br />

Naplouse, Gaza ; Galerie l’Espace d’Art Tel<br />

Aviv, Tel Aviv, Israel (Solo); Aseeré Hamakhtaroot<br />

museum , Jerusalem, Israel (Group)<br />

“Ramallah – Class” de l’Union des Artistes Palestiniens,<br />

Galerie d’Al Hallaj, Ramallah, Palestine<br />

(Group)<br />

“Carnaval Halikon”, Théâtre arabe-hébreu, Jaffa,<br />

Israel (Group)<br />

Festival Arabe de la Photo, Amman, city hall of<br />

Amman, JOR (Group)<br />

2003 “Salom”, Centres Culturels Français, Ramallah<br />

Palestine, Jérusalem, Nazareth, Naplouse, Gaza<br />

2002 “La pollution de l’eau”, Hall des arts dramatiques,<br />

Cultur Center Tel Aviv, Tel Aviv, Israel (Group)<br />

“Les artistes qui un jour viendront”, Galerie Abu<br />

Shaqrah, Um AlFahem, Israel (Group)<br />

2001 “La patrie”, Galerie de Dovlaire, Musrara School<br />

of Photography, New Media and Music, Jerusalem,<br />

Israel (Group)


arTIsT sTaTemenT<br />

Turn rIghT<br />

„Turn Right“ ist ein Ausdruck aus der Militärsprache. Zunächst einmal nicht<br />

so erstaunlich, dass Raed Bawayah diesen Titel für seine Fotoserie über palästinensische<br />

Soldaten gewählt hat. Allerdings sind die Soldaten von Bawayah<br />

nicht beim Marschieren oder in einer Militärparade zu sehen. Die meisten sind<br />

bewegungslos abgebildet. Dieser Stillstand offenbart die Komplexität des Titels,<br />

der nämlich je nach Auslegung der zwei Wörter, aus denen er besteht,<br />

ganz verschiedene Bedeutungen annehmen kann: „Rechts schwenkt!“, „die<br />

rechte/richtige Wendung“ oder auch „das Recht auf eine Wendung“. Auf den<br />

simplen Befehl „Turn Right!“ hält jedes Armeemitglied und ganz allgemein jedes<br />

menschliche Wesen kurz inne, und sei es nur für den Bruchteil einer Sekunde,<br />

bevor es reagiert. Seine Reaktion, wenn sie zu einer beobachtbaren<br />

Aktion führt, sagt allerdings nichts über die zugrundeliegende geistige Haltung<br />

aus. Was wäre denn auch angesichts der Komplexität der momentanen gesellschaftspolitischen<br />

und individualbiografischen Entwicklung jedes Einzelnen<br />

der rechte Weg? Soll man sich nach rechts wenden, im Kreis gehen, sich zurückwenden<br />

oder sich abwenden?<br />

Der kurze Zeitraum zwischen dem militärischen Befehl und der damit verbundenen<br />

Reaktion erscheint wie ein tausendfach gefaltetes Stück Papier, das sich<br />

vor der Kamera von Bawayah entfaltet und berührende Oasen des Alltags enthüllt.<br />

Obwohl die Soldaten alle Militäruniform tragen und damit mit der öffentlichen<br />

Ordnung in Verbindung stehen, entstanden doch die meisten Aufnahmen<br />

in Innenräumen, in einem Privatbereich. Jene Männer, die im Freien mit<br />

ihren Waffen posieren, richten ihren Blick nicht auf die Kamera. Die Männer<br />

auf den Innenaufnahmen blicken in die Kamera und zeigen andere Insignien:<br />

Gekritzel an der Wand, ein Brief in der Hand, Schuhe und Socken, Nahrungsmittel,<br />

eine bunte Decke, Fotos an der Wand, ein Wasserschlauch … Sie haben<br />

ihre Waffen abgelegt und sind von jenen Ressourcen umgeben, die ihre<br />

Individualität im Alltag ausmachen. Denn um Individualität geht es in den Frontalaufnahmen<br />

von Raed Bawayah. Jenseits aller Uniformierung, die für den<br />

Soldaten zur zweiten Haut wird, die seine Identität, seine Zugehörigkeit, seine<br />

Rolle und seine Gedanken bestimmt, suchte der Künstler zu ergründen, was<br />

unterhalb der uniformierten Gleichschaltung liegt, unterhalb jenes sand- und<br />

aschefarbenen Stoffes. Sein Weg führte zum Gesicht.<br />

Die Soldaten posieren zu zweit oder einzeln vor der Kamera. Sie werden von<br />

der Sonne beschienen, und was man nicht von ihnen weiß, liegt im Halbschatten.<br />

Sie geben ihr Gesicht preis: desillusionierte Unschuld, männliche Sanftheit,<br />

entwaffnende Schlichtheit und übertriebene Expressivität des Blickes.<br />

Sind die Männer in dieser desolaten Umgebung, die von Mauern, Metallbetten<br />

und vergitterten Fenstern, Symbolen eines seltsamen Eingesperrtseins,beherr<br />

scht wird, Soldaten oder Häftlinge? Ob mit oder ohne Waffen – vor dem Objektiv<br />

sind sie wehrlos. Wenn sie sich nicht bewegen und mit ihrem Schatten den<br />

Boden streifen, sieht man sie sitzen, stehen oder liegen. In dieser Serie, die<br />

der Künstler im Herbst 2007 in Ramallah, Hebron und Jericho aufnahm, gibt<br />

es ein Foto, auf dem keine Soldaten, sondern nur ihre Stellvertreter zu sehen<br />

sind. An Stelle der Soldaten posieren hier ihre Waffen, die auf Decken auf dem<br />

Boden ausgebreitet sind. Unter der drückend heißen Sonne entsteht ein eindrucksvolles<br />

Bild, das eine Metapher des Endes evoziert – ein Ende des Wartens,<br />

mit Kalaschnikows, die als einsame und schwarze Kadaver auf ihrem Leichentuch<br />

liegen.<br />

Indem er den Soldaten die Möglichkeit gibt, „auf einem Foto verewigt zu werden“,<br />

erfasst Raed Bawayah sie aus einer ganz anderen Perspektive, die sie<br />

aus dem undifferenzierten und anonymen Militärkorps heraushebt. Also eine<br />

„Aktualisierung“ des so viel benutzten, missbrauchten und aller Illusionen beraubten<br />

Bildes vom Soldaten und eine „Aktualisierung“ der so oft im Schatten<br />

liegenden Individualität. „Turn Right“ wird damit zum Diskurs des Blickes, der<br />

auf eine Innerlichkeit gerichtet ist, um sich dem Anderen, dem Nächsten, zu<br />

nähern, der so nah und zugleich so fern ist.<br />

Turn rIghT<br />

“Turn Right” is a term lifted from military vocabulary, and hence a priori it is<br />

no wonder that Raed Bawayah would choose it as a title for his photo series<br />

on Palestinian soldiers. Bawayah’s soldiers, however, are not shown marching<br />

or parading. Most of them are not moving at all in front of the camera. Their<br />

very stillness reveals the complex resonance of the title which, depending on<br />

how one reads the two constituent words, can be taken to mean very different<br />

things: a command to turn right, a right or correct change of direction,<br />

or the right to change direction. Faced with the simple command: “Turn<br />

Right!”, every soldier and, generally, every human being, would pause for<br />

thought, even if just for a microsecond, before reacting. The response, if it<br />

leads to an observable external action, would not, however, reveal anything<br />

about the inner state of mind. Indeed, in view of the complexities of today’s<br />

socio-political environment and of individual histories, what would be the right<br />

turn to take? Should one turn to the right, turn around in circles, turn back,<br />

or turn away?<br />

The short pause between the military command and the reaction it implies<br />

appears like a very tightly folded piece of paper which then unfolds in front<br />

of Bawayah’s camera. Even if all the soldiers wear military garb which makes<br />

them an element of public order, most of the photos have been taken indoors,<br />

in private areas. The men who pose outside, festooned with their weapons,<br />

look away from the camera. Those portrayed inside face the camera and show<br />

other insignia: graffiti on the walls, a letter in the hand, shoes and socks, food,<br />

colourful blankets, photos pinned on the wall, a water hose … Bereft of their<br />

arms they are equipped with the things that make up their individuality in<br />

daily life. For, it is indeed individuality that is at issue in the frontal portraits<br />

of Raed Bawayah. The artist has gone looking beyond the military dress that<br />

is a second skin to the soldier, determining his identity, his appearance, his<br />

role and his thinking, beyond that sandy and ashen coloured fabric. He has<br />

taken the turn that leads one to confront the face.<br />

Posing alone or in pairs in front of the camera, the soldiers are sprinkled with<br />

sunlight, the shade hiding the things one doesn’t know about them. They offer<br />

their faces to the viewer: innocence marked by disillusionment, gentle virility,<br />

disarming and over-expressive simplicity in their eyes. In that sparse<br />

environment dominated by walls and bars on beds and windows, symbols of<br />

a strange confinement, are these men really soldiers or prisoners? Armed or<br />

not, they are defenceless in front of the camera’s lens. When they are not<br />

moving, their reflections playing on the ground, they are sitting, standing or<br />

lying down and all seem to be waiting for something. In this series produced<br />

in Ramallah, Hebron, Bethlehem and Jericho in the autumn of 2007, there<br />

is one photo which does not show soldiers but only their equipment. Posing<br />

in their place are rifles lying in orderly fashion on blankets on the floor. Under<br />

the blazing sun they make for a powerful metaphor of finality, the end of<br />

waiting, these Kalashnikovs lying like solitary black corpses on their<br />

shrouds.<br />

By giving these soldiers the opportunity to be “taken on a photograph”, he<br />

captures them from a unique perspective that sets them apart from the undifferentiated<br />

military contingent and lifts their anonymity. It is a new take on<br />

the – much used, abused and disabused – image of the soldier and a new<br />

take on individuality that is too often left hidden in gloomy shade. “Turn Right”<br />

thus provides a discourse through turning one’s eyes to the inside so as to<br />

get closer to ‘the other’, the ‘fellow man’, who is so near and yet so far.<br />

ritta Baddoura<br />

99


100 OVERLAPPING VOICES<br />

RAED BAWAYAH TURN RIGHT, 2007 (S. / P. 100 – 103)


101


102 OVERLAPPING VOICES


103


eyal ben-dov<br />

1961 born in Jerusalem, Israel<br />

lives and works in Jerusalem, Israel<br />

educaTIon and awards:<br />

2000 Kabala the Jewish mysticism at a desert Ashram,<br />

Israel<br />

1999 award for excellence from the Musrara School<br />

of Photography, Jerusalem, Israel<br />

1995 Art History, Hebrew University, Jerusalem, Israel<br />

Teacher – Artists scholarship from the Ministry<br />

of Culture Israel<br />

1994 the Gérard Lévy Award for young Photography<br />

at the Israel Museum, Jerusalem, Israel<br />

1984 – 1988 Photography, Art Academy Bezalel,<br />

Jerusalem, Israel<br />

1983 Photography, Hadassa Technical College,<br />

Jerusalem, Israel<br />

selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />

Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />

(Group)<br />

2007 “THE NEW JEW visual anthropology at tribal<br />

festivals in Israel”, The Open Museum of Photography,<br />

Tel-Hai, Israel (Solo)<br />

2007 “Bauhaus in Israel: From Utopia to Heterotopia”,<br />

Artneuland, Technion Gallery, Haifa, Israel<br />

(Group)<br />

2005 “EASTERN TIME WESTERN TIME urban photography<br />

from Israel”, Artneuland, Guangzhou<br />

Photo Biennial, Guangdong Museum of Art,<br />

Guangzhou, CN (Group)<br />

2002 “Re-thinking – Neue Kunst aus Israel”,<br />

ifa – Galerie, Berlin, D (Group)<br />

1994 “MIRyAMS WELL”, Israel Museum, Jerusalem,<br />

Israel (Group)<br />

104 OVERLAPPING VOICES<br />

arTIsT sTaTemenT<br />

shanTIpI 2000<br />

In den letzten zehn Jahren habe ich Tribal Festivals in Israel als Besucher<br />

und Teilnehmer erlebt. Das erste im Jahr 1997 trug den Namen „shantipi“<br />

und bereitete den Boden für den neuen/alten jüdischen Tribalismus.<br />

Ganz im Sinne des New-Age-Spirits haben junge Menschen, die nach Indien<br />

reisen und dann nach Israel zurückkehren, nach diesen intensiven Erfahrungen<br />

Identitätsprobleme. Sie begnügen sich nicht damit, als Abwechslung<br />

vom harten Leben in der Armee, vor dem Studium oder der Arbeit eine<br />

Reise in den exotischen Osten zu unternehmen. Diese jungen Menschen<br />

interessierten mich zunächst als Sujets für eine fotografische anthropologische<br />

Studie. Die Gruppen, denen sich auch ältere Menschen anschließen,<br />

suchen einen neuen Weg in authentischer lokaler Aufmachung. Orientalische<br />

Elemente in Kleidung, Nahrung und Musik im Verein mit jüdischen<br />

Aspekten ergeben eine profunde Kultur – wenn auch einer Randgruppe –,<br />

die zu voller tribalistischer Blüte heranwächst. Tausende von Teilnehmern<br />

tanzen ekstatisch und erklimmen die Stufen der Spiritualität auf dem Weg<br />

zur jüdisch-buddhistischen Erleuchtung. Hunderte von Lagerfeuern, der<br />

Klang der Trommeln erfüllt den ganzen Körper, jüdische Mantras werden<br />

unablässig wiederholt. Je tiefer meine Kontemplation in das anthropologische<br />

Phänomen eindrang, umso mehr fühlte ich mich als Teil des<br />

Ganzen.<br />

Die Dokumentarfotografie hat mich immer wegen ihrer wissenschaftlichen<br />

Aspekte angezogen, mit ihrem wissbegierigen und neugierigen Blick, der<br />

auf den Stand der Dinge in der Welt gerichtet ist. Dieser Blick kann unverdorben<br />

und frei von vorgefassten Ideologien, von konzeptuellen und kritischen,<br />

aufdringlichen politischen oder philosophischen Fragen sein, und<br />

er kann darauf abzielen, Sicherheit herzustellen oder Zweifel zu schüren.<br />

Das Fotoporträt ist eine der wunderbarsten und schwierigsten Themenstellungen.<br />

Schon im 19. Jahrhundert definierte der Fotograf Felix Nadar das<br />

Porträt als „intimes Abbild“, als eine Art von Berührung. Ich erinnere mich<br />

an das Werk „The North American Indian“ von Edward Curtis und an die<br />

Porträts, die August Sander von deutschen Menschen des 20. Jahrhunderts<br />

machte. Später dann die Arbeiten von Irving Penn, der sich der amerikanischen<br />

Hippie-Flower-Power-Bewegung der 1960er widmete, und die Menschen<br />

des amerikanischen Westens von Richard Avedon.<br />

Als Lehrer der Fotografiegeschichte empfinde ich eine tiefe Liebe zu diesem<br />

hinreißenden Medium.


Shantipi 2000<br />

For the past ten years I have been visiting and participating in tribal festivals<br />

in Israel.<br />

The first one called “shantipi”, in 1997, planted the seeds of the new-old<br />

jewish tribalism.<br />

True to the new age spirit, young people who travel to India and come back<br />

to Israel deal with identity problems after intense experiences. They did not<br />

make do with a trip to the exotic east as mere relief from their hard life in<br />

the military, before going to study or work. These young people interested<br />

me first as objects of a photographic anthropological study. These groups<br />

who were joined by older people seek a new way, in an authentic local garb.<br />

With oriental elements of dressing, food and music, along with jewish aspects,<br />

they indeed show a profound, though marginal, culture emerging in<br />

its full tribal splendour. Thousands of celebrants dancing ecstatically, climbing<br />

ladders of spirituality towards a jewish-buddhist enlightment. Hundreds<br />

of campfires, beating of drums resonating throughout the entire body, jewish<br />

mantras said over and over again. The deeper my contemplation probed the<br />

anthropological phenomenon, the more I felt part of it.<br />

Documentary photography has always attracted me with its scholarly aspects,<br />

with the latter’s wondering and curious gaze aimed at the world’s state<br />

of affairs. This gaze can be ingenuous and devoid of preconceived ideologies,<br />

or conceptual and critical, imposing political or philosophical questions<br />

and seeking both certainty and doubt.<br />

The photographic portrait is one of the most magnificent and difficult themes.<br />

Already in the 19th century the photographer Felix Nadar defined the portrait<br />

as an “intimate likeness”, as a kind of touch. I can recall the work of<br />

the North American Indian by Edward Curtis and the portraits August Sander<br />

made of German people as 20th century man. And later the work Irving<br />

Penn devoted to the American hippie flower power movement in the sixties,<br />

and the big west people by Richard Avedon.<br />

As a teacher of the history of photography, I feel deep love for this enchanting<br />

medium.


106 OVERLAPPING VOICES<br />

EYAL BEN-DOV FRom THE PRojECT THE NEW jEW, SHANTIPI 2000, 2000 (S. / P. 105 – 111)


107


108 OVERLAPPING VOICES


109


110 OVERLAPPING VOICES


111


Zoya CherkaSSky and avdey ter-oganian<br />

Zoya Cherkassky 1976 Born in kijew, Ua<br />

Lives and works in tel aviv, israel and Berlin, d<br />

avdey ter-oganian 1961 born in rostov-on-don, rUS<br />

Lives and works in praha, CZ & Berlin, d<br />

Zoya CherkaSSky<br />

edUCation and awardS:<br />

2004 Chosen Artist of Israel Cultural Excellence<br />

Foundation<br />

2001 Transfer 6, artists’ exchange program, D – Israel<br />

2000 The Ingeborg Bachman Scholarship, established<br />

by the Anselm Kiefer, Wolf Foundation<br />

1999 The Israeli ministry of Education and Culture Prize<br />

for a Young Artist<br />

The Steinman Award for a Young Sculptor,<br />

Herzliya museum, Herzliya, Israel<br />

1996 – 1997 School of Visual Theater, jerusalem, Israel<br />

1997 – 1999 Hamidrasha School of Art, Beit Berl College,<br />

Israel<br />

SeLeCted exhiBitionS and projeCtS:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />

Artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />

(Group)<br />

2007 “Disobedience”, Künstlerhaus Bethanien, Berlin,<br />

D (Solo)<br />

2006 „Action Painting“, Tel Aviv museum of Art, Helena<br />

Rubinstein Pavilion, Tel Aviv, Israel (Solo)<br />

2005 „Die Neuen Hebräer“, martin Gropius Bau,<br />

Berlin, D (Group)<br />

2003 “Collectio judaica”, Rosenfeld Gallery, Tel Aviv,<br />

Israel (Solo)<br />

1996 “Two Scottish Boys in the Forest”, Skank Gallery,<br />

Tel Aviv, Israel (Solo)<br />

112 OVERLAPPING VOICES<br />

avdey ter-oganian<br />

edUCation and awardS:<br />

1978 – 1982 Rostov Art School, RUS<br />

SeLeCted exhiBitionS and projeCtS:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />

Artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />

(Group)<br />

2007 “Disobedience”, Künstlerhaus Bethanien, Berlin,<br />

D (Solo)<br />

“Russia!”, The Solomon R. Guggenheim museum,<br />

Bilbao, E (Group)<br />

2005 “Turin Triennial Threemuseums”, Turin, I (Group)<br />

2004 “CD Party”, Cabaret Voltaire, Zürich, CH (Solo)<br />

1980 “Triumph of Painting”, Youth Centre, Rostov-on-<br />

Don, RUS (Solo)


artiSt Statement<br />

Die Ursachen, die dem israelisch-palästinensischen Konflikt zugrunde liegen,<br />

sind politischer Natur und verlangen in ihrer Analyse nach politischer Sprache.<br />

Die von Künstlern eingesetzte Rhetorik erlaubt die Darstellung jeder Position<br />

und ihre Überzeugungskraft hängt nur vom Geschick des Künstlers ab.<br />

Unserem Verständnis nach ist das Ziel der Kunst die Kritik am rhetorischen<br />

Statement. Unter Bezugnahme auf die linksgerichtete avantgardistische Tradition<br />

präsentieren wir jene rhetorischen Formen, die von den Künstlern in diesem<br />

Diskurs am häufigsten eingesetzt werden.<br />

Landkarte<br />

Wir zeigen zwei abstrakte Skulpturen, deren Form an eine Landkarte von Israel<br />

und den besetzten palästinensischen Gebieten erinnert. Durch ihre Aufstellung<br />

im Ausstellungskontext erfüllen diese Skulpturen die normale, traditionelle Funktion<br />

als künstlerisches Produkt. Nichts, was über diese Skulpturen gesagt<br />

werden kann, kann den Rahmen der ästhetischen Bewertung sprengen. Daher<br />

können Probleme, die mit dem Konflikt in Zusammenhang stehen, nicht<br />

in ästhetischer Sprache erörtert werden. Sobald die politische Diskussion<br />

stattfindet, hat man alle in Ausstellungen gezeigten Bilder zu vergessen. Ausstellungen<br />

dieser Art profanieren die möglichkeit einer realen politischen<br />

Diskussion.<br />

CoCa CoLa<br />

Da alle ständig über Koexistenz debattieren, sie aber nie tatsächlich herbeigeführt<br />

wird, habe ich eine ganz einfache metapher für die Situation gefunden:<br />

Coca-Cola gibt es überall, sie gehört zu den Dingen, die die zwei Völker<br />

– juden und Araber – ganz unmittelbar vereinigen (und den Rest der Welt<br />

übrigens auch). Der Titel dieser Skulptur ist „Cousins“. Dieses Wort gebrauchen<br />

Israelis oft, wenn sie über die Palästinenser sprechen. Ich bin nicht sicher, ob<br />

die Palästinenser uns auch „Cousins“ nennen.<br />

The reasons that are lying at the heart of the Israeli-Palestinian conflict are<br />

political and are to be analyzed using political language. Rhetorical language<br />

used by artists allows representation of any position and how convincing will<br />

it be depends only on the artist’s skills.<br />

The aim of art, as we understand it, is the critique of the rhetorical statement.<br />

Referring to the left-wing avant-garde tradition, we demonstrate rhetorical<br />

forms which are most frequently used by the artists within this discourse.<br />

Land map<br />

We are presenting two abstract sculptures the shape of which reminds one<br />

of the maps of Israel and the occupied Territories of Palestine. These sculptures,<br />

placed in the exhibition space, function as a normal, traditional artistic<br />

product. All that can be said about these sculptures can’t break the frames<br />

of aesthetic judgment. Thus, any problems that are related to the conflict<br />

can’t be observed by using aesthetic language. When the political discussion<br />

takes place, all the images presented at exhibitions are to be forgotten. Such<br />

exhibitions profane the possibility of the real political discussion.<br />

CoCa CoLa<br />

Since co-existence is discussed all the time but is never actually established,<br />

I found a quite simple metaphor for the situation: Coca Cola exists everywhere<br />

and it’s one of the most immediate things that unify the two peoples – jews<br />

and Arabs (and the rest of the world, actually). The title of this sculpture is<br />

“Cousins”. This word is frequently used by Israelis while talking about Palestinians.<br />

I’m not sure whether the Palestinians call us “cousins” too.<br />

113


114 OVERLAPPING VOICES


ZOYA CHERKASSKY & AVDEY TER-OGANIAN UNTITLED, 2008<br />

ZOYA CHERKASSKY CoUSINS, 2008<br />

115


onen eideLman<br />

1971 born in new york, ny<br />

Lives and works in tel aviv, israel<br />

edUCation and awardS:<br />

2006 – 2008 Currently a mFA candidate at the program<br />

for Public Art, Bauhaus University of Weimar,<br />

Weimar, D<br />

2005 – 2006 Fellow, Kolot Israeli lay-leadership program<br />

1994 – 1998 Bachelor of Arts in Visual Communication,<br />

Vital: The Tel Aviv Center for Design Studies<br />

SeLeCted exhiBitionS and projeCtS:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />

Artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />

(Group)<br />

2007 “Hassan Beck Street on the Corner of Abu<br />

Lughud”, Charles Clore Park, manshia,<br />

Tel Aviv – jaffa, Israel (Solo)<br />

“Loose Control – Illuminating Public Sphere”,<br />

jena, D (Group)<br />

2006 “For and Against T-shirts”, Dear Noga Gallery,<br />

jaffa, Israel (Solo) “Drafted Art”, exhibition and<br />

petition against the war in Lebanon, Internet<br />

(Co-curator and Artist)<br />

2005 “Interference/Intersection” Festival for Experimental<br />

Cinema & Video, jerusalem, Israel (Group)<br />

116 OVERLAPPING VOICES<br />

artiSt Statement<br />

Ich arbeite als journalist, als Herausgeber einer Kunst- und Kulturzeitschrift<br />

(www.maarav.org.il), produziere und initiiere Kulturprojekte und -veranstaltungen,<br />

lehre an Kunstakademien, engagiere mich sozial und politisch und<br />

bin Grafikdesigner und Student. Gleichzeitig bin ich auch Künstler. Ich habe<br />

mich der Kunst zugewandt, weil ich die Grenzen meiner anderen Aktivitäten<br />

erkannt habe und hoffe, durch mein künstlerisches Schaffen nicht nur Fragen<br />

der Gesellschaft, in der ich lebe, anzusprechen, sondern auch Licht auf<br />

dunkle und problematische Bereiche zu werfen, motiviert von dem Gedanken,<br />

dass man durch das Aufzeigen von Problemen und Schwierigkeiten<br />

Aktionen und Veränderungen in Gang setzen kann.<br />

Weil ich an einem ort der ständigen Gewalt und Konflikte aufwuchs, gegen<br />

extremen Kapitalismus und die Regeln des „freien marktes“ sowie fundamentale<br />

religiöse Anschauungen und Praktiken ankämpfte und alles immer<br />

mehr vom „Krieg gegen den Terror“ überschattet wurde, wollte ich immer<br />

herausfinden, welche Rolle die Kunst dabei spielen kann, positive Veränderungen<br />

herbeizuführen. Ich hoffe, meinen Teil zu einer besseren Zukunft<br />

beizutragen, indem ich furchtlos in die eigene Geschichte zurückblicke,<br />

mich mit dem Unausgesprochenen auseinandersetze und frage, wer die<br />

Zügel der macht in der Hand hat, wer von gegenwärtigen Konflikten profitiert<br />

und wer unbeachtet bleibt.<br />

Über die Kunst hoffe ich meine Welt in neuer und spannender Weise hinterfragen<br />

zu können und die Grenzen des offensichtlichen und Klischeehaften<br />

zu überschreiten. Die heutige politische machtstruktur macht es so<br />

gut wie unmöglich, Veränderungen kurzfristig, im Hier und jetzt herbeizuführen.<br />

Die Kultur ist der Politik allerdings immer einen Schritt voraus, und<br />

wenn wir die Kultur beeinflussen können, dann wird die politische Dimension<br />

folgen. In meinen Kunstprojekten und anderen Formen der Kulturproduktion<br />

mache ich mir die Erfahrungen und Taktiken aus meiner politischen<br />

Arbeit zunutze. Bei direkten Aktionen konfrontiert man Probleme dort, wo<br />

sie auftreten. In einem ähnlichen Gedankenansatz möchte ich die machtstrukturen,<br />

die Eliten ansprechen und Licht auf jene Bereiche werfen, wo<br />

es am effektivsten ist. Die davon betroffenen menschen möchte ich motivieren,<br />

bewusstseinsbildend bzw. kritisch zu agieren.


the ghoSt of manShia awakeS<br />

mit Hilfe eines Linienmarkiergeräts, wie es auf Fußballplätzen verwendet wird,<br />

zeichnet Ronen Eidelman die Straßen und Häuser des manshia-Viertels nach.<br />

Der Künstler tut dies in der Nähe der Küste an der Grenze zwischen dem<br />

heutigen Tel Aviv und jaffa auf den Rasenflächen des Charles-Clore-Parks,<br />

wo Familien aus jaffa, immigrierte Arbeiter aus Neve Sha’anan, Studenten<br />

aus Florenz und Yuppies aus Neve Tzedek herumsitzen, Fußball spielen und<br />

grillen. Eine Gruppe weißgekleideter menschen macht Yogaübungen, Hochzeitspaare<br />

lassen sich vor dem Sonnenuntergang fotografieren.<br />

Das manshia-Viertel ist tief unter den Rasenflächen des Charles-Clore-Parks<br />

begraben. Es entstand in den 1870er jahren als moslemischer Vorort von<br />

jaffa. Nach 1948 wurde das Viertel, das während der Besetzung von Etzel<br />

[zionistische Untergrundorganisation] zerstört worden war, von jüdischen Einwanderern,<br />

meist Überlebenden des Holocaust, besiedelt. mitte der 60er<br />

jahre wurde das Viertel völlig abgerissen und an seiner Stelle der Charles-<br />

Clore-Park errichtet.<br />

Eidelman bringt die Straßenzüge und Häuser von manshia an die oberfläche.<br />

Die weißen Linien markieren das Viertel, das unter dem Rasen des<br />

Charles-Clore-Parks liegt – die Straßen und Gebäude, den Geist von manshia.<br />

Die weißen Linien erinnern an die Polizeimarkierungen an einem Tatort, in<br />

diesem Fall dem Schauplatz eines mordes an Häusern, eines Architekturmordes,<br />

eines Kulturmordes in jaffa. Gleichzeitig sprechen sie auch die<br />

Sprache des Fußballs und der Rasenflächen des Parks im Sinne der heutigen<br />

Nutzung. Die Linien auf einem Fußballfeld sind sehr klar, behindern<br />

aber nicht die Bewegungsfreiheit. In ähnlicher Weise definiert Eidelman die<br />

Begrenzungen des manshia-Viertels neu, ohne damit ein Hindernis zu erzeugen<br />

oder den gegenwärtigen Alltag im Charles-Clore-Park zu stören. Er setzt<br />

nur ein Zeichen, das beachtet werden will.<br />

Im Rahmen des Projekts „Autobiography of a City“ der Ayam Association –<br />

Understanding and Dialogue (RA), www.jaffaproject.org.<br />

mit Unterstützung der Kulturabteilung der Gemeinde Tel Aviv-jaffa und des<br />

Israeli Center for Digital Art in Holon.<br />

Projektwebsite: www.jaffaproject.org/events<br />

I work as a journalist, an editor of an art and culture journal (www.maarav.org.il),<br />

produce and initiate cultural projects and events, teach at art colleges, am active<br />

in social and political struggles, while being a graphic designer and a student.<br />

And I am also an artist. I turned to art because I realized the limitations<br />

of my other activities and hope that through my artistic output I can not only<br />

raise questions about the society I live in, but through my work shed light on<br />

dark and problematic spaces with the thought that by exposing problems and<br />

difficulties it can bring about action and change.<br />

Growing up and living in a place of continuous violence and conflict, struggling<br />

against extreme capitalism and the rules of the ‘free market’, fundamental religious<br />

beliefs and practices, and through the ever growing shadow of the “war<br />

on terror”, I constantly wanted to check and learn what place art can have in<br />

bringing change for the good. By looking fearlessly into one’s history, exploring<br />

the unspoken and by asking who holds the power, benefits from ongoing conflicts<br />

and who is left out I hope to take part in influencing a better future.<br />

Through art, I hope to examine and question my world in a fresh and stirring<br />

way, and move beyond the obvious and the clichés. The political power structure<br />

today makes it almost impossible to influence change on the ground and<br />

in the short term. But culture is always a step ahead of politics, and if we can<br />

influence the culture then later the political dimension will follow. Through<br />

my projects of art and other forms of cultural production I use the experience<br />

and tactics that I acquired in political work. In direct action you confront the<br />

problem at the place where it exists. In a similar way of thinking I like to confront<br />

the power structures, the élites, shed light in places where it‘s most effective<br />

and challenge the people it chooses to make aware and/or critique.<br />

the ghoSt of manShia awakeS<br />

With the help of soccer field marking equipment, Ronen Eidelman marks out<br />

the grid of streets and houses of the manshia Quarter. The marking is done<br />

near the sea, on the border between present day Tel Aviv and jaffa, on the<br />

grassy lawns of the Charles Clore Park, while families from jaffa, immigrant<br />

labourers from Neve Sha’anan, students from Florentine and yuppies from<br />

Neve Tzedek sit around, play soccer and barbecue. A group of people dressed<br />

in white is practising yoga; while brides and grooms are being photographed<br />

with the setting sun in the background.<br />

The manshia Quarter is buried deep under the grassy lawns of Charles Clore<br />

Park. It was established in the 1870s as a muslim suburban neighborhood<br />

of jaffa. After 1948, jewish immigrants, most of whom were Holocaust survivors,<br />

came to the quarter which had been destroyed during its occupation<br />

by Etzel [zionist underground organisation]. In the middle of the Sixties the<br />

quarter was totally demolished and in its stead the Charles Clore Park was<br />

built.<br />

Eidelman brings the streets and houses of manshia up to the surface. The<br />

white lines delineate the quarter that lies under the grassy lawns of Charles<br />

Clore Park – the streets and buildings – the ghost of manshia. The markings,<br />

made with white lines, are reminiscent of police markings at a murder scene,<br />

in this case the murder of the houses, the architectural murder, the cultural<br />

murder of jaffa. At the same time he speaks in the language of soccer reflecting<br />

the lawns of the park and its current use nowadays. The lines in the soccer<br />

field are quite clear; however they do not interfere with the traffic. Similar<br />

to the borders of the soccer field, Eidelman redefines the boundaries of<br />

the manshia Quarter without constituting an obstacle or hindering the present<br />

day life that continues in Charles Clore Park; he made just a mark that<br />

must be taken into consideration.<br />

In the framework of the “Autobiography of a City” project run by the Ayam<br />

Association – Understanding and Dialogue (RA), www.jaffaproject.org.<br />

With the assistance of the Tel Aviv – jaffa municipality’s Culture and Arts Division,<br />

Department of Arts / and the Israeli Center for Digital Art in Holon<br />

Project website: www.jaffaproject.org/events<br />

117


118 OVERLAPPING VOICES<br />

RONEN EIDELMAN THE GHoST oF mANSHIA AWAKES, 2007


119


120 OVERLAPPING VOICES


121


ShULa keShet<br />

1959 born in tel aviv, israel<br />

Lives and works in tel aviv, israel<br />

edUCation and awardS:<br />

2005 – 2006 mimizrah Shemesh<br />

2003 Heshel Center, Fellows Program<br />

1984 – 1987 Art College, Ramat Hasharon, Teaching<br />

certificate – Senior Authorized Teacher<br />

1980 – 1981 Art studies, Avni Institute, Tel Aviv, Israel<br />

SeLeCted exhiBitionS and projeCtS:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />

artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />

(Group)<br />

2007 “Kehaturg / Sex market”, Kunstihoone, Tallinn,<br />

EST (Group)<br />

2006 “Three Cities against the Wall”, New York, USA;<br />

Ramalla, Tel Aviv, Israel (Group)<br />

2003 “mother’s Home”, Artists House, jerusalem,<br />

Israel (Solo)<br />

2001 “13 Live Bullets”, oranim College Gallery, Tivon<br />

and Tel Aviv, Israel (Solo)<br />

2000 mizrahiyot, Neve Zedek, Tel Aviv, Israel (Solo)<br />

122 OVERLAPPING VOICES<br />

artiSt Statement<br />

Ich lebe immer noch in dem ärmlichen Viertel im Süden von Tel Aviv,<br />

in dem ich geboren wurde. mein privater Hintergrund und mein privates<br />

Ringen sind die Quelle meines sozialen Aktivismus in der öffentlichen<br />

Arena. Ich widme mich in meiner Arbeit Initiativen zur Förderung sozialer<br />

Gerechtigkeit, der Verbesserung von Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten<br />

für Frauen, der Solidarität zwischen Frauen und dem Dialog<br />

zwischen jüdischen und arabischen Frauen. mein Aktivismus vereint<br />

gesellschaftliche und kulturelle Anliegen: Frauen und Kunst, Vielfalt,<br />

Dialog und multikulturalismus. Als mizrachi, Feministin, Künstlerin, Kuratorin<br />

und Sozialaktivistin widme ich mich seit vielen jahren einer innovativen<br />

Agenda in Bezug auf Genderthemen und Identität in der israelischen<br />

Politik.<br />

In Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Aktivistinnen war es in den letzten<br />

jahren eines meiner Hauptanliegen, die erste feministische Bewegung<br />

der mizrachim (juden in Nahost/Nordafrika/Asien) ins Leben zu rufen. Die<br />

Bewegung basiert auf dem Prinzip des „Feminism of Colour“ und konzentriert<br />

sich auf wirtschaftliche, soziale, politische und kulturelle Rechte für<br />

marginalisierte Frauen aus unterschiedlichen Ethnien, wie z. B. mizrachim,<br />

Palästinenserinnen, Äthiopierinnen, Beduinenfrauen sowie ausländische<br />

Immigrantinnen und politische Flüchtlinge. Der Name der Bewegung ist<br />

„Achoti (Schwester) – for Women in Israel“. Ich übernahm bei Achoti die<br />

Funktion des Executive Director und entwickelte einige Kulturzentren, in denen<br />

sich meine Leidenschaft für sozialen, politischen und kulturellen Aktivismus<br />

ausdrückt.<br />

meine Arbeit als Aktivistin ist sehr eng mit meiner Arbeit als Künstlerin verknüpft<br />

und ist auch die Quelle für kreative Inspiration. Der Kern meiner<br />

Kunst ist meine Verbundenheit mit menschen und ihrem Kampf um Gerechtigkeit.<br />

Viele jahre lang initiierte ich kulturelle, soziale und kommunale<br />

Bürgerprojekte zu ethnischen Themen. Ich behandle in meiner künstlerischen<br />

Arbeit immer wieder dieselben Themen, wie etwa die Auseinandersetzung<br />

mit dem Konzept der Identität und dem Archiv als Weg, Geschichte<br />

zu bewahren. meine Kunst wird zu einem archivarischen Instrument, mit<br />

dem ich die ungeschriebene Geschichte der mizrachim-Gemeinde und<br />

anderer nichthegemonialer Gemeinden in Israel, hauptsächlich in Arbeiterkreisen<br />

angesiedelt, dokumentiere. Diese Gemeinden ringen alle um Befreiung<br />

aus der Diskriminierung und gesellschaftliche und kulturelle<br />

Anerkennung.


Als Künstlerin setze ich verschiedenste medien ein, etwa Fotografie, Skulptur,<br />

malerei, Installationen und Schrift. Kunst ist für mich ein medium, um meinen<br />

persönlichen und gesellschaftlichen Überzeugungen Gehör zu verschaffen.<br />

In dieser Ausstellung zeige ich zwei Arbeiten. Erstens die speziell für die<br />

Schau geschaffene Installation „Beehive/Archive“ (Bienenstock/Archiv). Das<br />

motiv des Archivs erscheint immer wieder in meiner Kunst und ist mit meiner<br />

persönlichen Biografie als mizrachi-Frau verknüpft. Die Geschichte einer<br />

minderheit, die mündlich von mutter zu Tochter weitergegeben wurde, wird<br />

vom Establishment in Israel normalerweise nicht niedergeschrieben. In meiner<br />

Installation verwende ich das Bild des Archivs, um die Geschichte von<br />

minderheiten zeitnah aufzuzeichnen und eine Geschichte der mizrachi-<br />

Frauen in Israel darzustellen. Im Archiv finden sich Texte und visuelle Informationen<br />

zu verschiedensten Elementen des mizrachi-Feminismus, in die<br />

auch die Arbeit der Bewegung „Achoti (Schwester) – for Women in Israel“<br />

eingebunden ist. Das motiv des Bienenstocks symbolisiert die von Frauen<br />

geleistete Arbeit, ihre Solidarität, ihre Produkte etc. Dieses Bienenstockarchiv<br />

ist in sechseckige Fächer unterteilt. In den Fächern verwahre ich Elemente,<br />

die einen Bezug zur Geschichte und zum Narrativ der mizrachim<br />

haben, etwa Bücher, Tagebücher, Gedichte, Fotos, Körbe, die von Israelinnen<br />

äthiopischer Herkunft hergestellt wurden, Zeichnungen, von Palästinenserinnen<br />

gefertigte bestickte Handtaschen und Kissen und vieles mehr. Sie alle sollen<br />

bei der Ausstellung nach dem Fair-Trade-Prinzip verkauft werden.<br />

In dieser Arbeit verbinde ich das Konzept des Archivs mit dem des Bienenstocks<br />

und Bazars, da der Aktivismus der mizrachi-Feministinnen eine räumliche<br />

Arbeit ist, die Texte und Theorie mit Aktionen verbindet.<br />

Die zweite Installation, „There are no Names for Things“ (Die Dinge haben<br />

keinen Namen), besteht aus einem Tisch, auf dem 84 Würfel wie ein Schachbrett<br />

angeordnet sind. jeder Würfel ist mit Fotos, Wachs, Texten und anderen<br />

Elementen überzogen. Die Dokumentarfotos habe ich 1997 in einem Zeitraum<br />

von sechs monaten in benachteiligten Gemeinden in der geographischen<br />

Peripherie Israels aufgenommen. Die Arbeit erzählt von der Unterdrückung,<br />

der Identitätsauslöschung und der Geschichte der mizrachi-Gemeinde in<br />

Israel. Gleichzeitig stellt sie eine Reise dar, eine visuelle Geschichte von orten,<br />

menschen und Kulturen.<br />

I was born and still live in a low-income neighborhood in Southern Tel Aviv.<br />

my personal background and personal struggles were the foundation that led<br />

me towards work in social activism in the public arena. I have devoted my<br />

work to social justice initiatives; advancement of women’s employment and<br />

earning opportunities; solidarity among women and dialogue between jewish<br />

and Arab women. my activism combines a social and cultural agenda regarding<br />

women and art, diversity, dialogue respecting the differences as well as<br />

multiculturalism. As a mizrahi feminist, visual artist, curator and social activist,<br />

I have been leading for many years an innovative agenda in the politics<br />

of gender and identities in Israel.<br />

Together with a group of women activists, one of my main priorities in the last<br />

few years was the establishment of the first mizrahi (middle Eastern/North<br />

African/Asian jews) feminist movement, based on the principle of “Feminism<br />

of Colour”, with an agenda focused on economic, social, political and cultural<br />

rights for marginalized women from different ethnic backgrounds such as:<br />

mizrahi, Palestinian, Ethiopian, Bedouin women as well as foreign immigrants<br />

and political refugees, entitled “Achoti (Sister) – for Women in Israel”. I became<br />

the Executive Director of Achoti and developed a few cultural centres<br />

that interconnect the passion for social, political and cultural activism.<br />

my activist work is very much intertwined with my artistic work and has been<br />

the source of creative inspiration. The core of my artwork is my connection<br />

with people and their struggles for justice. For many years I have initiated<br />

cultural, social and communal projects that feature community involvement<br />

and that involve ethnic themes. I use recurring themes in my creative work,<br />

such as exploring the concept of identity, and the notion of archives – a way<br />

to preserve history. my art becomes a tool of archiving, in order to document<br />

the unrecorded history of the mizrahi community and other non-hegemonic<br />

communities in Israel, which mostly represent the working class. These communities<br />

all struggle to free themselves from discrimination and to achieve<br />

social and cultural recognition.<br />

As an artist, I am engaged in various mediums, such as photography, sculpture,<br />

painting, installations, writing, etc. Art has become a medium to voice<br />

my personal and social beliefs.<br />

At this exhibition, I exhibit two artworks. one of them is a “Beehive/Archive”<br />

installation I created specially for this exhibition. The motif of the Archive appears<br />

in my artworks over past years, and it is connected to my personal<br />

biography as a mizrahi woman. The history of minorities, which was a verbal<br />

history passed from mother to daughter, is not usually written down by the<br />

Establishment in Israel. Within my installation, I use the image of the archive<br />

to document the history of these minorities as it is occurring and to represent<br />

a story of the mizrahi women’s community within Israel. The Archive accumulates<br />

textual and visual information and knowledge of various elements of<br />

mizrahi Feminism and which the work Achoti (Sister) – for Women in Israel<br />

movement is involved in. The work also relates to the Beehive motif as the<br />

Beehive symbolizes women’s labour, solidarity, products etc. The “Beehive/<br />

Archive” is arranged within various compartments, each compartment in the<br />

shape of a hexagon. Within these compartments, I store elements regarding<br />

mizrahi history and narrative, such as books, diaries, poetry, photographs,<br />

baskets woven by Israeli women of Ethiopian origin, drawings, embroidered<br />

handbags and cushions made by Palestinian women, and more. All of them<br />

to be sold at the exhibition as fair trade elements.<br />

In that work I connect the concept of Archive together with the concept of<br />

the Beehive and the Bazar, since the mizrahi Feminist activism is a spatial<br />

work that embraces actions together with texts and theory.<br />

The second installation “There are no Names for Things” is a table that has<br />

on top of it eighty-four cubes, like a Chessboard. Each cube is covered with<br />

photographs, wax, texts and other elements. These documentary photographs<br />

I took in a period of six months during 1997 among disadvantaged communities<br />

in the geographical peripheries across Israel. This artwork talks about<br />

the oppression, the erasing of identity and the history of the mizrahi community<br />

in Israel. And at the same time it creates a journey, a visual story of place,<br />

people and cultures.<br />

123


die kUnSt aLS projekt der arChiv-veränderUng<br />

EIN SECHZIGjÄHRIGES EINWANDERUNGSLAND Im TAKT DES<br />

GENERATIoNENWECHSELS<br />

Israel ist zweifellos ein typisches Einwanderungsland. Die Einwanderung nach<br />

Israel hatte einen scharfen ideologischen Beigeschmack. Die Staatsgründung<br />

selbst war Ausdruck und Gestaltwandel messianischer Denkmuster, die viele<br />

Generationen des judentums in der Diaspora (im Exil) geprägt hatten. Die<br />

Errichtung des Staates war Höhepunkt der zionistischen Erwachungs-Bewegung<br />

Europas, in der sich Prozesse der Säkularisierung, der Bestimmung der<br />

eigenen Nationalidentität und der Kennzeichnung der juden im christlichen<br />

Europa zusammengekommen waren. Die Frage des rechten ortes für den<br />

neuen Staat war auch verknüpft mit der Frage der Araber in Erez Israel (Land<br />

Israel); die Dynamik in diesem Land war häufig mit der Auffassung desselben<br />

als leeren Raum, der auf seine Verwirklichung wartet, verbunden.<br />

Das Lenken der Einwanderung:<br />

Der Ausschluss vom Buch und das Lenken zum Buch/Grenzland hin 1<br />

Die durch und durch europäische Errichtung des Staates beabsichtigte die Versammlung<br />

der juden aus allen Ländern ihres Exils. Dieses Versammlungsprojekt<br />

der Gemeinden enthielt einige konstruierte Phasen manipulierter Immigration:<br />

zuerst Vervollkommnung der mittel der Überzeugung und die<br />

motivierung zum Auswandern, danach die Lenkung der immigrierten Gemeinden<br />

in ihrem neuen Land. Diese Lenkung erschöpfte sich nicht nur in der<br />

Ansiedlung in bestimmten Gegenden, sondern zeigte sich auch im „tragbaren<br />

Vaterland“, dem zweiten Territorium des juden, in Sprache und Buch.<br />

In allem was mit dem Buch, diesem zweiten Territorium zu tun hat, haben die<br />

Staatsgründer, die im europäischen Diskurs und Kontext verwurzelt waren, sich<br />

selbst als Anbauer jungfräulichen Neulandes betrachtet: welcher Schriftart die<br />

graphische Form der Buchstabenschrift gleichen soll, welche aller Aussprachemöglichkeiten<br />

zum musikalischen Klang der hebräischen Sprache erwählt<br />

werden soll, welche von allen Geschichten die historische Erzaählung<br />

des judentums sein soll – bis dahin hatte das judentum angeblich außerhalb<br />

der Geschichte gelebt. Im Bereich der Sprache wurden aschkenasische<br />

[= jüdisch-europäisch] Schreibschrift und sefardische [Sefardim = die aus<br />

Spanien vertriebenen juden] Aussprache [am auffallendsten in der Pänultima-<br />

und Ultimabetonung = Endbetonung] vereint, und dabei die uneuropäischen<br />

Gutturallaute [= Kehllaute] gänzlich abgeschafft. Historisch gesehen, war die<br />

Antwort vollkommen klar. Geschichte wurde aus der Perspektive der jüdischen<br />

Existenz in Europa heraus erzählt, in völliger Anpassung an die zu moderne<br />

und Aufklärung gehörende Fortschritts-Erzählung. Die Folge war, dass große<br />

Bevölkerungsgruppen, die aus orientalischen Ländern kamen, doppelt ausgegrenzt<br />

waren. Zunächst wurden viele von ihnen manipulativ in die geographische<br />

Peripherie geleitet, und dann fanden sie nichts von sich in den Geschichtsbüchern<br />

wieder, die im Staat Israel geschrieben wurden. Das nenne<br />

ich: Ausgrenzung vom Buch und Wegleitung zum Grenzland. 2<br />

Diese Unterdrückung, so problematisch sie auch war, ist dennoch in sich äußerst<br />

komplex: Der messianische Erlösertraum von der Heimkehr ins gelobte<br />

Land war ja den juden aller Weltgegenden gemeinsam. Dieses, den menschen<br />

innewohnende, fast naive Gefühl der Verpflichtung zu diesem Traum erklärt,<br />

warum der propagierte Schmelztiegel Israel zu Anfang so erfolgreich war. Ebenfalls<br />

erklärt es, dass es eine Zeit dauerte, bis den einzelnen menschen die Kluft<br />

zwischen dem Kollektivtraum und den eigenen Wünschen – sich selbst und<br />

seine eigene Kultur authentisch auszudrücken – bewusst wurde. In diesem<br />

Sinn wurde der Staat zum Scheitelpunkt der Aufspaltung zwischen östlichem<br />

und westlichem muster innerhalb einer Religion. Diese Religion umfasst die<br />

zwei großen Kulturkreise der menschlichen Zivilisation und in den Grundfesten<br />

dieser Religion sind diese beiden Pole verschmolzen.<br />

Im Zuge der realen Rückführung des juden in die Geschichte in Form der<br />

Staatsgründung, wurde das orientalische ausgeslöscht, als lächerlich und<br />

überflüssig dargestellt, seiner Vergangenheit beraubt, in eine Lage gebracht,<br />

124 OVERLAPPING VOICES<br />

in der es sich seiner selbst schämen musste. Das orientalische wurde aus<br />

seinem Eigenen verdrängt, seine geistigen Bedürfnisse und sein Kulturerbe<br />

fanden keine staatlichen, kulturellen und institutionellen Ausdrucksmittel.<br />

Diese Politik wiederholte wie ein Echo die frühen Versuche jüdischer Aufklärer,<br />

dem judentum auch in Europa eine Geschichte innerhalb Europas zu geben.<br />

Die Anfänge dieser Versuche reichen bis in die frühe Neuzeit zurück, als Spanien<br />

seine juden vertrieb. Sie verstärkten sich im Laufe des achtzehnten jahrhunderts<br />

und waren von Selbstverachtung und Selbstverabscheuung, von dem<br />

Drang, den juden als den Anderen ins Archiv zu verbannen, und von starker<br />

emotionaler Ablehnung der Diaspora (= die Exilexistenz) begleitet 3 . Später, mit<br />

dem Auftreten der Wissenschaft des judentums in Deutschland des neunzehnten<br />

jahrhunderts, entwickelte sich daraus das, was Gerschom Scholem als das<br />

Bestreben, dem judentum ein ehrenvolles Begräbnis zu verschaffen, beschreibt:<br />

„ ...der Jude will sich von sich selbst befreien, und die Wissenschaft des Judentums<br />

dient ihm als Begräbniszeremonie und ist eine Art Befreiung von einem Joch,<br />

das auf ihm lastet.“ 4<br />

Der Akt der musealen Konservierung und Archivierung ist ein Akt vor der<br />

endgültigen Tötung – genau mit diesem Prozess kann die Beziehung des<br />

neuen europäischen, aufgeklärten judentums zum judentum beschrieben<br />

werden.<br />

Ein ähnlicher Prozess ist nun wieder im israelischen Lebensraum im Verhältnis<br />

des „Israelitums“ zum judentum zu sehen und zwar in der Beziehung<br />

des okzidents zum orient. Der orient durchlief einen beschleunigten, vielfältigen<br />

Prozess der Archivierung: Bisweilen nimmt dieser Prozess der Archivierung<br />

die Form der Durchtrennung von organen an und kommt somit einer<br />

Tötung gleich. manchmal wird der orient als Gesamtes aus dem Prozess<br />

der Archivierung ausgeschlossen.<br />

Wenn sich in den westlichen Ländern „der jude“ vom judentum befreien<br />

wollte, dann hat der israelische Kulturraum – nach Gründung des Staates –<br />

begonnen, die gleichen mittel zur Befreiung der orientalischen juden von ihrem<br />

Wesen und ihrer Vergangenheit, anzuwenden. Was die „Wissenschaft<br />

des judentums“ für die juden in Europa zu tun versucht hatte, versuchten<br />

die Führer und Gestalter der Politik des jungen Staates für die orientalischen<br />

juden zu tun. In diesem Zusammenhang können wir abgewandelt sagen, die<br />

Wissenschaft zur Erforschung des orientalischen judentums dient ihm als<br />

Begräbniszeremonie und ist eine Art Befreiung von einem joch, das auf ihm<br />

lastet.<br />

Fest steht, dass in dieser überspitzten metapher das, was einer sich selbst<br />

antut, Selbstmord ist – wenn er dagegen Ähnliches an anderen verübt, kann<br />

es als mord angesehen werden, mord am Gedächtnis.<br />

Was jetzt nottut in der israelischen Kultur, ist eine Verwandlung des toten Archivs<br />

in ein lebendiges, eine Rückkehr zu einem imaginären Nullpunkt des<br />

Daseins des orients. Diese würde es den Elementen von Leben und Tod in<br />

der Erinnerung ermöglichen, sich von neuem frei und vollständig zu<br />

entfalten.<br />

Raum und Gedächtnis: Geographie als Geschichte und Geschichte als<br />

Geographie<br />

Zu den bekannten Vorgängen in einem „Schmelztiegel“ (ein aus dem Einwanderungsland<br />

USA kommender Ausdruck) kamen als Klebstoff und Trennermaterial<br />

noch zwei weitere Elemente in jenes Gemisch, das in dem Tiegel<br />

blubbert: das Universale, eigentlich das Westliche, war der Klebstoff. Das<br />

Arabische, das schon zu Beginn des jahrhunderts in europäischer, kolonialistischer<br />

Perspektive zum „orient“ wurde, war das trennende material.<br />

Gleichzeitig wurde alles Arabische als „leer“ angesehen: Als geographische<br />

Leere im Sinne eines leeren Landes und als „leer“ auf der Ebene des historischen<br />

Gedächtnisses im Sinne von Erinnerungsleere.<br />

Diese Verleugnung des Orientalischen verleugnete auch das Orientalische im<br />

Judentum: Es ist dies eine Einstellung, die nichts davon wissen will, dass das<br />

Judentum als kulturelles Gebilde auch einen östlichen Pol hat und dass das<br />

Land Israel am Ostrand des Mittelmeers liegt. Dies war die Auffassung der Pi-


oniere, die das Land Israel erbauten. Sie verstärkte bei den orientalischen juden<br />

die Ambivalenz gegenüber den eigenen Wurzeln und deren Verankerung in<br />

der arabischen Welt. Die orientalischen Juden wurden dadurch angetrieben, sich<br />

so schnell wie möglich als „westlich“ neu zu erschaffen.<br />

Es liegt auf der Hand, dass eine Symmetrie besteht zwischen der Schaffung<br />

einer Geschichte, die ganze Stöße leerer Blätter enthielt – diese Geschichte<br />

wurde als unerheblich oder als interessant höchstens für ein begehbares Archivprojekt<br />

angesehen – und der Geografie, die menschengefüllte Landstriche<br />

als ausradierte und leere Blätter auffasste.<br />

Orientalismus und Orient<br />

Beim Entleeren des orients hinein in die israelische-jüdische Existenz im<br />

neuen Staat entstand die Kategorie „orientalisch“ (mizrahi). In vielen Sprachen<br />

gilt der „osten“ (misrach), der „orient“ als „orientierung“. man hatte<br />

das Zierschild misracha an jener Wohnungswand hängen, die der Richtung<br />

des Sonnenaufgangs am nächsten lag, denn gen morgen lag das heilige Land,<br />

lag im Schutt der heilige Tempel, zu dem hin sich alle Herzen und münder<br />

sehnsüchtig richteten (man denke an ‚Agnons bidmi jameha). Eine solche<br />

Setzung ist genau das Gegenteil von den bekannten Etikettierungen von „orientalisch“<br />

als unterdrückend, beleidigend und erniedrigend. Aus dem weiten<br />

Raum des orients wurde die enge Nische des „orientalismus“: Das Herausschneiden<br />

und Herausziehen des orientalischen aus seinem Platz im<br />

judentum in der islamischen Welt, bedeutete, dass der orientalismus als herausgerissenes<br />

(= ihrer selbst, des orients, der Leitrichtung entbehrendes)<br />

schwaches Paradigma gesehen wird. Ein Paradigma, das geschichtslos ist,<br />

nur aus der Gegenwart besteht und das sich selbst nur in Jetztzeitbezügen konstituiert<br />

gegenüber einer Kultur, die alle legitimen Codes beherrscht (man muss<br />

jedoch darauf hinweisen, dass im Gegensatz zum orientalismus, diese Kultur<br />

für sich selbst einen Zugangskanal zu ihrer Vergangenheit bewahrt hat,<br />

sei es aus ihrer Verneinung, Akzeptanz, Zerstörung, Umwandlung oder Säkularisierung).<br />

Letztendlich ergibt sich daraus, dass die israelische orientalität<br />

viel eher ein, durch eine übergeordnete Gruppe in der Kultur für eine<br />

untergeordnete Gruppe innerhalb derselben Kultur hervorgebrachtes Erzeugnis<br />

ist, als ein selbständiges Kulturprodukt. Anders ausgedrückt, sie ist ein<br />

Strukturierungsprodukt des europäischen judentums.<br />

Die sensible Phase des Übergangs und die Gefahr der Festschreibung<br />

von Einheitlichkeit im Namen des Multikulturalismus<br />

Die israelische Kultur befindet sich in einer gefährdeten und zerbrechlichen<br />

Entwicklungsphase. Einerseits scheint die historische Stunde der Geschichtsenteignung<br />

vorüber zu sein, eine Stunde, die so lange währte wie ein Generationendreitakt:<br />

sechzig jahre, und himmelschreiend krasse Erscheinungen<br />

von Diskriminierung oder Ausgrenzung werden in der israelischen Kulturlandschaft<br />

nicht mehr hingenommen. Allerdings: Die Abwesenheit beherrscht<br />

immer noch den allgemeinen, selbstverständlichen Raum; oberflächlich gesehen,<br />

ist sie Gegenstand des Diskurses über Vielstimmigkeit. In einem anderen<br />

Sinn wirkt die Abwesenheit, tief eingebaut und verwoben im Raum der<br />

israelischen Kultur und pulsiert immer noch aus den Tiefen ihrer Institutionalisierung<br />

heraus: im beredten Schweigen der Geschichtsbücher, im Bildungswesen<br />

und seinen Lehranstalten, in der marginalisierung der orte an<br />

der Peripherie, in einer diskriminierenden Raumplanung 5 und dadurch, welche<br />

kulturellen Codes als legitim gelten.<br />

Dieser vorangestellte Überblick ist notwendig, um die Geschichte der orientalischen<br />

Kunst in Israel zu verstehen und neu zu ordnen. Die Kunst einer<br />

unterdrückten Gruppe leidet doppelt, weil selbst die Kunstkritik, deren Aufgabe<br />

eigentlich ist, die Kunst einer breiten Öffentlichkeit begreiflich zu machen,<br />

unempfänglich für Botschaft und Codes dieser Kunst ist; diese Kunst bedient<br />

sich anderer als der als erlaubt geltenden Ausdrucksweisen der<br />

„allgemeinen“ Kultur – und so wird sie von dieser leicht als kulturell minderwertig<br />

aufgefasst. Deshalb ist das Projekt der neuen Kunst zugleich ein Projekt<br />

der eigenen Neugründung, ein Projekt des Protests und des Geländes,<br />

welches Kritik einfordert, deren Bestrebung es ist, die Festgefahrenheit dieser<br />

Kunst zu sehen und ihre Befreiung aus der Nische „orientalische Kunst“<br />

voranzutreiben. Tatsächlich besitzt die als „orientalisch“ abgestempelte Kunst<br />

die subversive, Einspruch erhebende und lebendige Kraft des gesellschaftlichen<br />

Randes, nur dass die Diskussion über sie von neuem die Problematik<br />

des Bewusstseins der „Verstärkungseinheit“ hervorruft. mit Panoramablick<br />

betrachtet, kann man in diesen Kräften die bedeutende Avantgarde<br />

sehen, vielleicht nicht das hegemoniale Zentrum der Gesellschaft, aber das<br />

Zentrum lebendiger und wichtiger Tätigkeit, das festlegt, was morgen sein<br />

wird. Die Aufgabe des Künstlers/der Künstlerin ist es, die toten, herausgerissenen<br />

und verstreuten Teile ausfindig zu machen und sie wieder durch einen<br />

einenden Filter zu führen, sich zu befreien von der entzweienden und<br />

dichotomen Perspektive von „Zentrum“ gegenüber „Peripherie“.<br />

Die künstlerische und intellektuell-kritische Tätigkeit in Israel muss verstehen,<br />

dass sie sich mit einem Raum auseinandersetzt, dessen symbolische Gestaltung<br />

ihren Ursprung hauptsächlich im jüdisch-christlichen Raum hat, während<br />

er weiterhin ein kleines und tatsächliches Territorium beherrscht, in dem<br />

zwei andere Identitätsprobleme, die geleugnet wurden, zentral sind: der jüdisch-muslimische<br />

und der arabisch-palästinensische Raum.<br />

Früher habe ich versucht, das Grundmuster der Fernhaltung vom Buch und<br />

die Wegleitung zum Grenzland zu entwickeln. Dieses ist eine Grundstruktur,<br />

die ihre Umsetzung im israelischen Kulturraum durch den Versuch der hegemonialen<br />

Kultur erfahren hat, die Gestaltung der tatsächlichen Landschaft<br />

nach möglichkeit mit der Gestaltung von Erinnerungslandschaften in Deckung<br />

zu bringen, so wie dies ihren Niederschlag in den Geschichtsbüchern<br />

findet.<br />

Geografie und Geschichte sind zwei einander ergänzende Disziplinen, und<br />

Hand in Hand mit der hegemonialen Kraft einer Gesellschaft können sie einen<br />

Kulturraum als tot oder als lebendig bestimmen und ihn auf Dauer zu<br />

den Akten legen.<br />

Löschen und Einschreiben, Bauen und Zerstören, Ansiedeln und Lenken der<br />

Einwanderung das sind alles sich ergänzende Praktiken – Praktiken, die das<br />

Symbolische zum Ausdruck bringen, in Bezug sowohl auf die gesellschaftliche<br />

ordnung als auch auf den Kontext, in dem das Religiöse institutionalisiert-religiös<br />

übersetzt wird. 6<br />

Die Szene des Orients in der visuellen Kunst<br />

In diesem Rahmen werde ich entlang folgender Punkte eine verdichtete, grob<br />

chronologisch geordnete Skizze vorlegen:<br />

Frage des Refrains, die Frage der Vergangenheit, die auf traumatische Art<br />

und Weise abgekappt wurde, eine Beschäftigung mit dem <strong>katalog</strong>isierenden<br />

und etikettierenden Blick, eine Analyse dieses Blickes und ein Durchschaubarmachen<br />

jener methoden, durch die das orientalische zu einem Stereotyp<br />

wurde.<br />

Es ist abzuschätzen, dass sich parallel dazu auf der Achse zwischen den Generationen<br />

eine Bewegung abzeichnen wird, die die stufenweise Bewusstseinsentwicklung<br />

des Kunstschaffens ausdrückt. Die Beschreibung der Geschichte<br />

der Spannung der orientalischen Kunst [so wie bei anderen<br />

Themenkreisen des orients oder des orientalismus in Israel] erfordert eine<br />

neue Sprachregelung in folgenden Bereichen: a.) Chronik, b.) Konzeptionalisierung,<br />

c.) Problematik, d.) Kontext, e.) Formen und Inhalte, f.) die Frage<br />

des Refrains, g.) das Verhältnis Kunst und Kritik.<br />

Als Paradebeispiel für Freiheit und Fülle des orientalischen in seinem Zugang<br />

zur eigenen Vergangenheit (obzwar in verdeckter Auseinandersetzung mit der<br />

hegemonialen Gruppe) möchte ich den Künstler Avschalom okaschi vorstellen<br />

und mich dabei gründlich mit der Forschungsarbeit mordechai omers über<br />

diesen Künstler auseindandersetzen, wenn auch auf andere als die von ihm<br />

gewählte Weise. okaschi wird dabei als Beispiel eines schaffenden orientalischen<br />

Künstlers gesehen, der schon vor der „Schmelztiegel“-Zeit ins Land<br />

kommt und hier in die Gesellschaft hineinwächst und der im Einflussbereich<br />

des besten Erbes der europäischen Bildung der malerei, dessen Vertreter in<br />

125


Israel jüdische maler aus Europa waren, integriert und ausgebildet wird. In seiner<br />

abstrakten Kunst drückt er aus und vereint die Symbole des Erhabenen,<br />

die in ihm durch das individuelle kollektive Gedächtnis seiner Gemeinde eingraviert<br />

sind, und bewegt sich weiter mit der Revolution der masseneinwanderung<br />

in den fünfziger jahren zum Figurativen, um von dort wieder zum Erhabenen<br />

zurückzukehren. okaschi ist ein offbeat, ein Held ganz besonderer Art,<br />

ein Anti-Held, wenn das orientalische als opfer gelöscht ist, so ist er dagegen<br />

der Held.<br />

Der Schock der Fünfzigerjahre auf visueller Ebene ist fast zur Gänze völliges<br />

Verstummen, eine Phase traumatischer Sprachlosigkeit, verbunden mit und<br />

allmählich übergehend in Gewalttätigkeit. Fast zwanzig jahre Schweigen der<br />

visuellen Kunst. ‚okaschi, der sowieso schon maler mit etablierter Karriere ist,<br />

kann die Neueinwanderer aus der Sicht eines Außenstehenden betrachten, da<br />

er schon lange im Land Israel verankert ist und sich im Schaffensschwung<br />

befindet.<br />

Zwischen den Sechziger- und den Siebzigerjahren gibt es so gut wie keine Distanz<br />

zwischen der visuellen Kunst und dem Schrei der Straße. macht und<br />

Schönheit liegen verborgen in der allereinfachsten Aussage von Plakaten und<br />

Demonstrationstransparenten, die sich durch Einfachheit und Bitterkeit in schreiendem<br />

Schwarzweiss auszeichnen. Die Eingewanderten – die sich mit mehr<br />

oder weniger Erfolg aus ihrer plakativen Existenz zu befreien suchen – schaffen<br />

Plakate, auf denen keinerlei Abstand zwischen Kunst und dem Aufbegehren<br />

im wirklichen Leben besteht. In den Siebzigerjahren drückt sich der Schrei<br />

des gewaltsam Unterdrückten im Schaffen der (ebenfalls aus jemen stammenden)‚<br />

Afiah Secharjah am deutlichsten aus, die sich manisch gedrängt<br />

fühlt, alle Wände ihres Hauses in grellen Farben anzustreichen 7 um es von den<br />

Wänden der kleinen Sozialwohnung zu befreien, neu zu bearbeiten, Raum in<br />

dieses Haus zu verpflanzen – wenn auch als apokalyptischen Schrei.<br />

Pinechas Cohen Gan (geboren 1942 in meknes) kam als sechsjähriges Kind<br />

nach Israel. man kann in seinem Schaffen eine Fortsetzung und Weiterentwicklung<br />

der Erscheinung der distanzierten Beschreibung des ost-West-Problems<br />

sehen, die ich bei ‚okaschi aufzuzeigen versuchte (es bestehen auch<br />

weitere Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Künstlern). Zwar drücken seine<br />

ersten Arbeiten über den ost-West Konflikt bewusstes Ringen mit Bruch, Schnitt<br />

und Kluft aus, aber gleichzeitig hält er sich doch entfernt vom Direkten und<br />

verarbeitet es zu einem prinzipiellen Strukturproblem. Der prinzipiell-strukturelle<br />

Gestaltungswille drückt sich schon in seinem Entschluss am Anfang seines<br />

Schaffensweges aus, Kunst im Kuhstall auszustellen.<br />

Seine Schöpfung am Toten meer (1972-73), wo er Polyäthylenschläuche mit<br />

Süßwasser und lebenden Fischen füllte und in eine Umgebung steckte, die<br />

Leben nicht ermöglicht, ist ein Projekt über das Exil, das zu einer apokalyptischen<br />

Erlösungsvision verkehrt wird, wie sie im Buch des Propheten Hesekiel<br />

Kapitel 47 beschrieben steht. 8<br />

man kann dieses Kunstprojekt als Wehklage über das Auswandern auffassen.<br />

Eine Erlösungsvision wird zu einer Exilvision. Tötung von Fischen im Salzland<br />

des „Salzes der Erde“ [Vergleiche, viele jahre später: jossi Sukeri, savta emiliah<br />

umelach haarets. widui („oma Emilie und das Salz der Erde. Eine Beichte“)<br />

und die Schöpfung Eli Petels: shethikath hadagim („Das Schweigen der<br />

Fische“).]<br />

Ich möchte nun in diesem Projekt einen Ausdruck der tötenden Archivierung<br />

sehen. Die lebendige Erinnerung, die in eine zerstörerische, zersetzende Umgebung<br />

integriert wird – eine Auswanderung, die der Speicherung von Erinnerungen<br />

kein Recht auf Dasein gewährt.<br />

Andere strukturelle Ausdrücke des Themenkreises migration im Schaffen Cohen<br />

Gans haben sich auf Reisen in Landschaften des Indischen ozeans und<br />

nach Alaska niedergeschlagen, Reisen und Projekte mit dem Ziel, den Salzgehalt<br />

des ozeanwassers um einen nicht mehr messbaren Prozentbruchteil<br />

zu erhöhen.<br />

Das Finden der materiellen Umgebung, wo man in einer Art untergeordneten<br />

Wirklichkeit Stellung bezieht und von dieser aus auf die „höhere“ Wirklichkeit<br />

blickt, ist charakteristisch für alle seine Arbeiten, von der Kuhstallausstellung<br />

126 OVERLAPPING VOICES<br />

bis hin zu seinem Beziehen eines Zeltes im Flüchtlingslager bei jericho (1974).<br />

Seine Grundaussage ist, dass man die Dinge nur versteht, wenn man in ihnen<br />

wohnt, nur dann den Blick der niederen Wirklichkeit auf die höhere sieht. 9<br />

Zunächst also setzt Pinechas Cohen-Gan sich mit verschiedenen strukturellen<br />

Themen von Spannung und von dichotomen Widersprüchen gegensätzlicher<br />

Teile eines Ganzen auseinander.<br />

Das ost-West-Thema erscheint bei ihm dabei zunächst eher in abstrakter Form,<br />

indem er es mit weitläufigen, strukturellen Problemen verknüpft. Seine Arbeit<br />

misrach-ma‘arav [hebräisch „ost-West“, also „orient-okzident“] jedoch stellt<br />

nun ganz deutlich (bibliografische Thesen zu den orientalismusthesen von Edward<br />

Sa‘id 1982-94) [siehe auch: Tsalmonah, S. 113] das gespaltene Ich dar,<br />

dessen zwei Teile aus dem Archivierenden und dem Archivierten zusammengesetzt<br />

sind (abendländischer Archäologe und ägyptischer Arbeiter).<br />

Erst Mitte bis Ende der Achtzigerjahre werden die Stimmen laut, die aus der Künstlerausbildung<br />

und der Hochschulbildung resultieren, zu denen schon die zweite<br />

und dritte nachgeborene Generation der Eingewanderten vorgedrungen ist, die<br />

nicht notwendigerweise durch den behütenden fördernden Filter der Einwanderungsaufnahme<br />

und der Kibutzim gegangen sind. Zum Teil haben sie ihre Schulzeit<br />

schon als Israelis erlebt, ohne ein besonderes Bewusstsein der einen oder<br />

anderen Art, und sind daraus im Verbund neuer machtsysteme mit Stimmen<br />

hervorgegangen, die sich mit Protest beschäftigen, mit seiner Verarbeitung und<br />

mit inhaltlichen Fragen bezüglich des orients.<br />

Kurze und lange Erinnerung – die Dynamik des Verneinenden und des<br />

Verneinten<br />

Die Gegenüberstellung judentum/Israelitum setzt mit der Frage der langen oder<br />

kurzen Erinnerung jedes einzelnen Subjekts auf einer senkrechten und des Ausdrucks<br />

dieser Zusammenstöße im Raum auf der waagrechten Achse ein.<br />

In seinem berühmten Aufsatz „Notiz über den Wunderblock“ sprach Freud über<br />

ein modell der menschlichen Erinnerung, das er einem Schreibgegenstand, auf<br />

den er gestoßen ist, entnommen hat – einem Block, der aus Paaren von Blättern<br />

zusammengesetzt ist. Alles, was auf das obere Blatt eines Paares geschrieben<br />

wird, erscheint auch als Kopie im unteren Blatt und bleibt dort<br />

auch dann stehen, wenn die Schrift auf dem oberen Blatt ausradiert und etwas<br />

anderes dort geschrieben wird. Das ist ein großartiges Bild für den Zusammenhang<br />

zwischen kurzem und langem Gedächtnis. Für die Betrachtung<br />

hier möchte ich diese metapher jedoch vom Einzelsubjekt auf das Kollektivgedächtnis<br />

übertragen. Wir sind nicht im Geringsten dazu im Stande<br />

uns selbst zu erklären, wie sehr unsere Existenz unmöglich ist, ohne der tiefen<br />

Schicht, die sich unter dem bewussten Gedächtnis befindet, auch wenn<br />

sie halb gelöscht ist. Diese Schicht muss unbedingt existieren. Dieser in der<br />

psychoanalytischen und philosophischen Literatur vieldiskutierte Text von<br />

Freud, liefert auch einen guten Anhaltspunkt für die Diskussion über Auslöschung<br />

und Erinnerung in der Sprache und im kollektiven Bewusstsein.<br />

Das Erlebnis von Erinnerung und Vergessen, oder Schreiben und Auswischen,<br />

bei den Einwanderern erster, zweiter und dritter Generation aus muslimischen<br />

Ländern, hängt mit dem Gefühl der ersten Generation zusammen. Diese kamen<br />

mit einer Sprache ins Land, die sie nun nicht mehr sprechen sollten.<br />

Dies ähnelt keineswegs dem, was die erste Generation der Pioniere erlebte,<br />

die auch eine fremde Sprache mitgebracht, diese dann aber freiwillig abgeschafft<br />

hatten, um eine neue Welt zu erschaffen: Im Gegensatz zu ihnen ist<br />

der orientalische Einwanderer mit seiner Sprache gekommen und hat empfunden,<br />

dass diese nicht legitim ist. Da ist zu unterscheiden zwischen dem,<br />

der seine eigene Vergangenheit verneint und dem, dessen Vergangenheit von<br />

anderen verneint wird. Die Dynamik in der ersten Generation orientalischer<br />

Einwanderer bestand vor allem darin, sich selbst in der Öffentlichkeit unkenntlich<br />

zu machen und nur in den eigenen vier Wänden dem verpönten<br />

Vergnügen zu frönen. Die Dynamik der zweiten Generation orientalischer Einwanderer,<br />

orientalischer Erfahrung in Israel, ist die ernsthafte Arbeit daran,<br />

in die Öffentlichkeit zu gelangen: der von der Herkunft seiner Eltern Gezeichnete<br />

bemühte sich zwanghaft – bewusst oder unbewusst, tut nichts zur Sa-


che, – im öffentlichen Leben akzeptiert zu sein. Dieses war die wichtigste<br />

Aufgabe für die zweite Generation: Übereinstimmung mit der mehrheitsgesellschaft,<br />

auf der Horizontalachse, das ist der Schmerz ihrer Sprachlosigkeit,<br />

die schnelle Assimilierung, der Leistungsdruck. Das was heute auf sehr<br />

verschiedene Weisen mit der dritten und einem Teil der zweiten Generation<br />

geschieht, ist eigentlich das Wiederauftauchen der gelöschten, aber immer<br />

noch zugänglichen Sprache, der Ausbruch des Hauses in die Öffentlichkeit<br />

auf der Horizontalachse und das neuerliche Sichtbarwerden der langen Erinnerung,<br />

die sich mit der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Land<br />

und Geschichte auf der vertikalen Ebene auseinandersetzt.<br />

Zunächst mag es verwundern, dass alles dieses mit größerem Nachdruck bei<br />

der dritten Generation durchbricht, aber eigentlich geht es kaum anders: Einerseits<br />

ist die migration keine Grunderfahrung von ihnen, sondern sie ist das<br />

Schweigen des gelöschten Blattes ihrer Eltern oder sogar ihrer Großeltern. Andererseits<br />

jedoch, gerade weil an der oberfläche die zu dieser Generation Gehörenden<br />

in jedermanns und auch in ihrer eigenen Sicht nichts weiter sind als<br />

einfach ganz gewöhnliche Israelis, gelangen sie am Ende zum Spannungspunkt,<br />

zum Bruch oder zur Verschiebung des Gleichgewichtes. Dieser Spannungspunkt<br />

oder Bruch kommt bei vielen Künstlern der dritten Generation seit<br />

der Einwanderung aus den orientalischen Ländern zum Vorschein, und darin<br />

liegt seine Stärke. Und noch mehr als bloß dadurch, dass etwas Lebendiges<br />

sich ereignet, birgt er in sich auch die Fähigkeit, die Grenzen der Ästhetik und<br />

die Grenzen des Sprechens über israelische Kunst um noch mehr Zusammenhänge<br />

auszuweiten; er indiziert einen Prozess, dessen Bedeutung breiter ist,<br />

als nur der Themenbereich des orients.<br />

Zur Zeit läuft in der israelischen Kultur etwas ab, das im visuellen Bereich<br />

der Suche nach der eigenen Sprache ähnelt, die wir von der musik her kennen.<br />

Was wir im musikalischen Bereich verfolgen, ist die Bewegung zwischen<br />

zwei Sprachen. Das gleiche geschieht auch auf visueller Ebene: anschließend<br />

an die Anwendung des Wunderblocks im Zusammenhang mit dem Kollektivbewusstsein<br />

lässt sich sagen, dass man bei dem Versuch, Identität zu<br />

rekonstruieren, ihr eine Unterlage geben muss – ein Langzeitgedächtnis. Das<br />

ist, was sich jetzt im künstlerischen Prozess abspielt: Das judentum des orients<br />

oder das judentum des okzidents – das ist in diesem Fall das Tiefengedächtnis,<br />

die lange Erinnerung. Israelitum ist eine Art Gegenwartsorientierung<br />

und Kurzzeitgedächtnis. orientalische Einwanderer der nachgeborenen<br />

Generation versuchen, sich das untere Blatt zu schaffen, den Teppich, der<br />

ihnen unter den Füßen weggezogen worden ist, die Unterlage des Langzeitgedächtnisses.<br />

Tatsächlich ist das eine Dekonstruktion des durchtrennenden<br />

Archivprojektes: Das Nehmen eines Bestandteils der Identität, der dem Orientalischen<br />

enteignet wurde und mit dem dieses etikettiert wurde. Also seine Enteignung<br />

von der Enteignung, und seine Wiederbelebung als voller, komplexerer,<br />

symbolischer Untergrund.<br />

Ob es bei dem Künstler bewusst oder unbewusst ist, ändert nichts an der Aufgabe<br />

von Forschern oder Kunstkritikern, damit bewusst umzugehen.<br />

Folgendes sollte man wissen: Große Kunst kann anklagen, sich widersetzen<br />

und über eine Randgesellschaft oder eine Notsituation Zeugnis ablegen –<br />

auch wenn der Künstler ohne jegliches gesellschaftliche Bewusstsein oder<br />

ohne Protestbewusstsein ist; Kunst darf und muss als ein Aufschrei gesehen<br />

werden, der einen Ausgangspunkt anzeigt – auch wenn kein Element von<br />

Protest im Bewusstsein des Künstlers anwesend ist – das ist eben das Zeugnis<br />

des unreflektiert Daherredenden (messias ohne böse Absicht) 10 , oder eine<br />

Art politisches Unbewusstes. Noch mehr: wer über orientalische Kunst mitreden<br />

will, muss zugleich die Erzählung von Leuten lesen, die keine Kunst<br />

im Sinn hatten und sich nicht als Künstler sahen, aus denen aber ohne ihr<br />

Zutun die Kunst herausschrie.<br />

Die Kunst und das Leben als Protestprojekt<br />

In den letzten jahren habe ich mehrmals in verschiedenen Zusammenhängen<br />

vorgeschlagen, den Gedanken des Generationenwechsels als exaktes Untersuchungswerkzeug<br />

im Flächen- und Vertikalschnitt durch die Einwandererkul-<br />

tur einzusetzen. Auf der Vertikalachse muss alle zwanzig jahre ein Generationenübergang<br />

angesetzt werden. In globalen Zusammenhängen begegnen wir<br />

demselben Zwanzigjahrestakt wie beim Wechsel der Generationen im selben<br />

Land auch auf der Horizontalachse im Verhältnis zwischen Israel und den USA.<br />

Trotz der Geschwindigkeit der Wissensverbreitung und der Kommunikation im<br />

Zeitalter der Globalisierung sind immer noch zwanzig Jahre die Zeit, die die<br />

entlegene Peripherie braucht, dem Zentrum nachzuziehen (ich arbeite mit dem<br />

Begriff der Peripherie in einem relativen und dynamischen modell – und in diesem<br />

speziellen Zusammenhang ist Israel die Peripherie der USA) und so verliefen<br />

die Neunzigerjahre in Israel deutlich erkennbar parallel zu den Siebzigern<br />

in den USA, man denke nur etwa an den Feminismus. Die dritte Phase der<br />

Generationenabfolge in der orientalenszene ist durchaus vergleichbar mit dem<br />

Feminismus der Siebzigerjahre in den USA. In beiden Fällen sind Kunst und<br />

Protest zwei Äste, die aus demselben Stamm wachsen, oder zwei Pumptakte<br />

des Herzens, die zusammen das Leben ausmachen.<br />

Frauen und Männer in Orient und Okzident<br />

Was die Verbindung zwischen Feminismus und orientalismus bedeutsam<br />

macht, ist, dass mit aller Stärke der Problematik, eine minderheit innerhalb<br />

einer minderheit zu sein, Ausdruck verliehen wird. man könnte hier die fast<br />

schon zum Gemeinplatz gewordene Wahrheit wiederholen, dass viele Errungenschaften<br />

der materiellen Kultur der zivilisierten menschheit Erfolge von<br />

Frauen sind: Stick- und Goldschmiedekunst, Töpferei, Stricken, Kochen, Backen<br />

... Während die westliche moderne so weit gelangt ist, dass sie „handarbeitliche<br />

Analphabeten“ hervorbringt, lassen sich doch ihre großen Künstler<br />

und Gestalter, modeschöpfer und Kulturschaffenden von weiblichen<br />

Handarbeiten inspirieren und verwenden auch solche selbst; diese weiblichen<br />

Handarbeiten müssten eigentlich im maschinenzeitalter unverhältnismäßig<br />

teuer sein – aufgrund der Klassendiskriminierung sind sie jedoch total<br />

billig und stehen jederzeit zur Verfügung. Solche Verwendungen von<br />

Kulturgütern waren und sind bekannter Weise ein Hauptkennzeichen des Kolonialismus,<br />

aber sie vollziehen sich von neuem im Kleinen in parallelen Dynamiken.<br />

Es gibt feministische Künstlerinnen, die noch weiter gegangen sind<br />

und den modernismus dem Wilden gegenüberstellten. 11<br />

Solche Art Gebrauch machten männliche Künstler vom Weiblichen und westliche<br />

vom orientalischen seit der Staatsgründung sowohl in der musik als<br />

auch in der mode, weniger in der Hochkultur. Das typische israelische Erzeugnis<br />

zur Zeit des „Schmelztiegels“ wurde von einem Europäer entworfen,<br />

der aus seiner schwärmerischen Vorliebe für orientalisches heraus orientalische<br />

motive verwendete: der Stil von „maskit“, Goldschmiedearbeiten und<br />

Betsalel. Bei dieser kolonialistischen Art der Verwendung bewegen sich die<br />

materialien der Subkultur oder der ethnischen Kultur zwischen Faszination<br />

und Abscheu, zwischen orientalismus und Kitsch.<br />

Die Bedeutung des feministischen Kampfes in Israel ist nicht losgelöst von<br />

der Tatsache zu betrachten, dass die meisten zum Broterwerb arbeitenden<br />

Frauen der Unterschicht, Arbeiterinnen und Ausgegrenzte, orientalischer<br />

Herkunft sind. Es ist anzunehmen, dass dies die Bewegung „Achoti“<br />

(= meine Schwester) hervorgebracht hat: einen spezifisch orientalischen Feminismus,<br />

der sich mit der Frage der minderheit innerhalb einer minderheit<br />

beschäftigt. Darüber hinaus lässt sich sehr häufig in der Geschichte<br />

aller Unterdrückten ihre herabwürdigende Symbolisierung als Frau finden.<br />

Die „orientalistische“ Einstellung sieht in allem orientalischen eine weibliche<br />

Verführung; in ähnlicher Weise gibt es antisemitische Texte, in denen der<br />

jude als Weib dargestellt wird. 12<br />

Das „Achoti-Haus“ („Schwester“) als eine Art communitas<br />

Als Shula Keshet vor zweieinhalb jahren Vorsitzende der Bewegung „Achoti“<br />

wurde, richtete sie in Süd-Tel Aviv das „Beth Achoti“ (Schwester Haus) ein.<br />

Damit verwandelte sie praktisch die Bürozentrale der Bewegung aus einem<br />

Verwaltungssitz in ein feministisches Kultur- und Gemeindezentrum, das heißt<br />

von einer Institution in eine Gemeinde.<br />

127


Victor Turner 13 sprach von dem Zustand der communitas, in dem in der Gesellschaft<br />

zusammenhaltende Faktoren wirken, deren Grundlage Trank und<br />

Speise sind. Für gewöhnlich sind das einfache Produkte wie etwa Wein und<br />

Brot. Zweifellos zählt auch Honig zu diesen Grundnahrungsmitteln; daneben<br />

aber verbindet Honig sich in vielen Dimensionen mit Weiblichkeit, unter anderem<br />

indem er von einer Gesellschaft erzeugt wird, deren Königin die mutter<br />

ihrer mitglieder ist – einer matriarchalen Gesellschaft also. Weiblichkeit<br />

war immer und ist immer noch eine Unterstruktur innerhalb der herrschenden<br />

Struktur, und wenn sie die Bedingungen findet, sich als communitas zu konstituieren<br />

dann erneuert sie die ursprüngliche Bedeutung des Bundes, nämlich<br />

den geschwisterlichen Zusammenhang gegenseitigen Schutzes.<br />

Das Zusammenfallen des Archiveffekts mit dem Bienenstockeffekt, das Shula<br />

Keshet in ihrem neuen Werk dieser Ausstellung vorstellt – das ist die Vereinigung<br />

der Schriftkultur mit der materiellen Kultur. Auch der Bienenstock ist<br />

eine Bibliothek mit Fächern, die für die Fächer des Wissens und Schaffens<br />

stehen. Sie beinhaltet in sich die erforderlichen Bedingungen für eine<br />

Neuschaffung von Identität.<br />

Wenn sich ein Zusammenschluss aus der Unterschicht von der Abhängigkeit<br />

von der oberschicht befreit, dann muss dieser vor allem einmal eine eigene<br />

Identität erzeugen. Sie muss ihre Identität von neuem hervorbringen.<br />

Sich von dem reflektiven, hegemonialen Blick der oberschicht als der Kraft,<br />

die ihre Welt erschafft, zu befreien – das bedeutet, sich von der Existenz als<br />

objekt zu befreien und wieder die Position eines Subjektes einnehmen.<br />

Die Vereinigung zwischen dem Effekt des Archivs und dem Effekt des Bienenstocks<br />

ist auch die Vereinigung des Scheitelpunkts der männlichen Kultur,<br />

die eine lange schriftliche Tradition besitzt, der Kultur des Buches und<br />

der Schrift mit der weiblichen Kultur, deren Errungenschaften als materielle<br />

Kultur stets verschluckt und abgeleugnet werden. Auf den israelischen Raum<br />

angewandt ist das Projekt der Vereinigung von Bienenstock und Archiv auch<br />

die Synthese zwischen orient und okzident, zwischen Hegemonialem und marginalisiertem,<br />

zwischen Arbeiterklasse und monarchenstand, auch die Feststellung,<br />

dass die Kultur eine Königin-mutter hat und nicht nur einen König-<br />

Vater. Die metapher „Bienenstock“ ist auch eine Polemik gegen die „faule“,<br />

moderne monarchie: Der Bienenstock beinhaltet auch den „Drohnenstand“ –<br />

die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen machthaber. Der Kampfruf gegen<br />

den herrschenden Drohnenstand ergibt sich aus der Vereinigung der Arbeiterinnen<br />

zur Erzeugung der edlen Götterspeise – des Honigs.<br />

Zusammenfassung: Die Kunst als Projekt zur Veränderung des Archivs<br />

Die Kunst als Projekt zur Veränderung des Archivs ist eine der Hauptaufgaben<br />

schöpferischer Kunst und Kritik, während dagegen das hegemoniale Archiv<br />

der Herrschaft immerfort die Wirklichkeit umschreibt und darstellt. Der<br />

Bienenstock dagegen ist sowohl das lebende Archiv der Arbeit als auch ein<br />

Zuhause, sein Register ist Fleiß, Ertrag und Gemeinsamkeit. Die Bibliothek<br />

ist das Archiv der toten Schrift, und ihr Register könnte Faulheit, Ausbeutung,<br />

Auslöschen sein.<br />

Der israelische Kulturraum, ein Raum, der in Fächer einteilt, absperrt und<br />

abstempelt, überträgt auf die Erde, was auf dem Blatt geschieht. Die unmittelbare<br />

Reflexion des Geografischen und des Historischen jeweils aufeinander<br />

ist extrem bedeutungsvoll. Denkmäler zu ewiger Erinnerung werden errichtet<br />

und verdecken ein Projekt des Vergessenmachens. Die Kunst als<br />

erweckendes und wachrüttelndes Identitätsdokument wird in diesem Raum<br />

als ein Projekt gebraucht, dessen Streben in seinem Wesen als Streben nach<br />

Stimme, Identität und Territorium gesehen werden kann. Abschließend kann<br />

dieses Projekt so beschrieben werden:<br />

Übersetzung der einzelnen/einsamen, weiblichen Stimme, die sich nicht in<br />

Schrift ausdrückt; das Neuaufstellen der Identität; Konstruktion und Dekonstruktion;<br />

und die Behandlung des Territoriums in mehrerer Hinsicht: der<br />

Stadtrand, das urbane Randgebiet und das geschriebene Buch.<br />

Ich schreibe dieses als eine, die sich seit mehreren jahren das Projekt der<br />

Öffnung des toten Archivs und der Errichtung eines anderen Resonanzkör-<br />

128 OVERLAPPING VOICES<br />

pers für die teilweise gebrochene und zerbrochene Existenz von Nachkommen<br />

der Einwanderergemeinden im Staat Israel zum Ziel gesetzt hat – ob in<br />

der musik, ob in der Literatur oder in der Identität. Ich schreibe aus der Hoffnung<br />

heraus, dass die sich widersetzende Kunstpraxis Barrieren durchbrechen<br />

wird.<br />

Haviva Pedaya<br />

Haviva Pedaya ist Poetin, Kulturtheoretikerin und wissenschaftliche mitarbeiterin im Bereich jewish Studies<br />

an der Ben Gurion University im Negev sowie Senior Fellow am van Leer Institute in jerusalem.<br />

1 Vgl. meinen Beitrag in dem Buch „merkas weschulajim“ (hebräisch – „Zentrum und Rand“), herausgegeben<br />

von mechon mandel.<br />

2 Vgl. meinen Beitrag in dem Buch „merkas uferiferiah“ (hebräisch – „Zentrum und Peripherie“), herausgegeben<br />

von mechon mandel.<br />

3 Vgl. die Arbeiten von Sorotzkin, der die gegenseitige Kenntlichmachung zwischen juden und Christen<br />

in Europa erörtert und zeigt, dass die gegenseitige Definition identischer Gruppen im judentum<br />

auch in Abhängigkeit von Selbstdefinition im Verhältnis zu Vorgängen in der christlichen Gesellschaft<br />

funktioniert. Seiner meinung nach kann man sagen, dass die von ihm beschriebene Assimilationstendenz<br />

auch eine Form von Selbstverabscheuung ist, die sich der Ablehnung des Typs des anderen<br />

juden bedient. Vgl. auch in der Abhandlung von ‚Asisah Casum „tarbuth ma‘aravith tijug etni wechuleh“<br />

(hebräisch – „westliche Kultur ethnische Etikettierung usw.“), „sotsiologiah isreelith“ (hebräisch<br />

– „Israelische Soziologie“) 1 (2) 1999; A. Ras Krakotzkin, „theoriah uvikoreth“ (hebräisch –<br />

„Theorie und Kritik“) 4, 1993, Ss. 23-55; 5, 1994, Ss. 113-132; S. Chinski, „enajim ‚atsumoth<br />

lirewachah (hebräisch – „Augen weit zu“): über das Syndrom des erworbenen Albinismus auf dem<br />

Gebiet der israelischen Kunst“, theoriah uvikoreth 20, 2002.<br />

4 G. Scholem, „mitoch hirhurim ‚al chochmath israel“ (hebräisch – „Aus Gedanken über die Wissenschaft<br />

des judentums“), in: „devarim bego“ (hebräisch – „Da steckt was hinter“), Tel Aviv 1990, Ss.<br />

389-391.<br />

[Anm. d. Autors: Wie der aufgeweckte Leser sicherlich schon erraten hat, bedeutet dieses Wort Sonnenaufgang.<br />

Nach 1. Könige 8:48 wenden juden, die im Ausland beten, sich nach Israel, und diese<br />

Richtung, also ungefähr osten, bezeichnet so ein misrach-Schildchen.]<br />

5 Vgl. jetzt das Buch „hafradah“ (= „Absonderung“).<br />

6 Darüber schreibe ich ausführlicher in meinem Aufsatz „makom umerhav: yahadut veyisreeliut“ (im<br />

manuskript).<br />

7 Tmna‘ Rosenheimer hat dieses in ihrem Buch „bajith: chalalim, megurim, anaschim, chafatsim“<br />

(hebräisch – „Haus: Hohlräume, Wohnen, Leute, Gegenstände“), or jehudah 2001, festgehalten.<br />

Durch die Vermittlung dieses Buches gelangten die Dinge zuerst zu meinem Bewusstsein.<br />

8 Über die Grundlagen dieser Erlösungsvision siehe: Pedajah, „temuroth bekodesch hakodaschim:<br />

min haschulajim lamerkas“ (hebräisch – „Wandlungen im Allerheiligsten: vom Rand zur mitte“),<br />

„mada‘e hajehaduth 37“, 757 [=1997], Ss. 53-110.<br />

9 Siehe auch: Taliah Rapaport, „chasarah leachor ‚al projekt jam hamelach schel pinechas cohen-gan<br />

(1972-1984)“ (hebräisch – „Rückkehr zu Pinechas Cohen-Gans Totmeerprojekt (1972-1984)“), musoth<br />

2, 1984, Ss. 10-11.<br />

10 Anders ausgedrückt: der Künstler erhält Gestalt und Struktur durch gesellschaftliche Zusammenhänge<br />

seines Standes, die er nicht zugibt und deren Untersuchung einen Standort offenlegen kann.<br />

Es geht dabei nicht unbedingt oder nicht nur um den Inhalt des Werkes, sondern um dessen ästhetische<br />

Aspekte, die augenscheinlich nicht politisch gefärbt sind. Es wird nicht beabsichtigt, jedes<br />

Kunstwerk nur vom gesellschaftlichen Gesichtspunkt aus aufzuschlüsseln.<br />

[Anm. d. Autors: In Wirklichkeit ist das Zahlenverhältnis zwischen Aschkenasim und anderen juden<br />

in Israel ungefähr wie das zwischen Weiblein und männlein.]<br />

11 ornah Urian zitiert in ihrer Doktorarbeit miriam Scharon (1980).<br />

12 In ihrer Doktorarbeit bemerkt ornah Urian, dass dem juden Blutung zugeschrieben wird. [Anm. d.<br />

Autors: z.B. in „The Fixer“ von Bernard malamud]<br />

13 hatahalich hatiksi, „mivneh weanti-mivneh“, [The Ritual Process: Structure and Anti-Structure<br />

(1969)], Tel Aviv 2004.


art aS a projeCt of Changing the arChive…<br />

A 60-YEAR-oLD ImmIGRATIoN STATE AND THE INTERGENERATIoNAL<br />

PARADIGm<br />

The State of Israel is an immigrant state par excellence. Its immigration has<br />

featured distinct ideological characteristic, inasmuch as the establishment of<br />

the state constituted expression and transformation of messianic patterns<br />

that had pulsated throughout Diaspora jewry for generations. The founding<br />

of the state was the apogee of the Zionist revival process in Europe, in which<br />

converged imminent processes of secularization, self-determination, and reciprocal<br />

marking of jews in Christian Europe. The issue of the states’ location<br />

within the middle East was also interwoven within the question of the<br />

Arabs of the Land of Israel; dynamics that occurred in the country were often<br />

connected to its being perceived as empty space awaiting realization.<br />

Directing the Immigration: Exclusion from the Book and Routing to<br />

the Margin 1<br />

The distinctly European establishment of the State set about the ingathering<br />

of jews from all the lands of their dispersion. The project of this convening<br />

of communities included several structured phases of manipulative immigration:<br />

initial honing of tools for persuading and encouraging immigration,<br />

and subsequently channeling immigrating communities within the country.<br />

This routing included not merely directing them to specific geographical areas<br />

– but also direction within ‘the second territory’ of the jew – which is the language<br />

and the book.<br />

Insofar as all that pertains to this ‘second territory’, the founders of the State,<br />

who were engrossed in the European discourse and context, defined themselves<br />

anew as laborers on fallow land: which of any type of writing would be<br />

chosen as the graphic form of writing letters, which of all manner of accents<br />

would be elected as the melodical sound of the language, which of the collective<br />

of stories should be the historical narrative of judaism, which had existed<br />

outside of history until that point, so to speak. At the levels of language,<br />

decisions were made to integrate Ashkenazi [= jewish-european] script and<br />

Sephardic [Sephardim = from Spain banished jews] pronunciation – at the<br />

level of penultimate and ultimate emphasis – while eliminating the modes of<br />

pronouncing guttural letters. on the historical plane, the response was most<br />

clear. History was recited from the super-narrative of jewish existence in Europe,<br />

amid complete correspondence to the accounting of the progress that<br />

characterized modern literature and art and enlightenment. The upshot of<br />

this was that entire populations arriving from oriental countries faced double<br />

exclusion. Initially, many suffered manipulative assignment to the periphery,<br />

and secondly suffered from a total lack of representation in the history books<br />

that were written in the country – a phenomenon that I term: Exclusion from<br />

the Book and Routing to the margin. 2<br />

This clear state of oppression was most complicated due to the shared destiny<br />

of jewry in all its fringes concerning the messianic dream of returning to the Land<br />

of Israel. This natural, innocent commitment explains the initial success of the<br />

melting pot and the interval of delay that passed until there arose in full force the<br />

dissonance between the collective dream of redemption and the aspirations of<br />

the subject for its self-expression and that of its culture. In this sense, the state<br />

became the crown of implementing templates dividing between east and west<br />

within a religion that embraces two giant cultures of human civilization, a creed<br />

in which merging between both of these extremes is fundamental.<br />

Implementing the process of reinstating the jew in history, i.e., founding the<br />

State as an expression of returning to the history of peoples, entailed the eradication<br />

of the orient, rendering it deridable, superfluous, expropriating it<br />

from its past, creating the conditions for its being ashamed of itself, disinheriting<br />

it of its own worth, denying it official, cultural, and institutional tools for<br />

its spiritual needs, and its cultural heritage.<br />

These developments echoed previous efforts of jewish intellectuals – already<br />

in Europe – to restore jewry to a historical setting. Beginning as early as the<br />

inception of the New Era during the expulsion from Spain, these efforts were<br />

resumed in the 18th century, then accompanied by self-loathing, a drive to<br />

archive the jew as another, and powerful sentiments of negating the Diaspora.<br />

3 Subsequently, with the rise of jewish intellect in 19th century Germany,<br />

these trends developed to the level that Gershom Scholem describes as aspiring<br />

to bring judaism to a respectable burial: “… a Jew wishes to break free<br />

from itself, and the science of Judaism is for him a ceremony of interment, in<br />

the sense of liberation from a burden that weighs upon him.” 4<br />

The act of the museum as an act of pre-meta – a development that constituted<br />

the essence of the attitude of modern European intellectual jewry to judaism<br />

– was again reduplicated within Israel in the Israeli attitude toward judaism,<br />

in the Western attitude toward the orient. The orient underwent an<br />

accelerated process of archivization in several forms: sometimes as the bisection<br />

of organs and killing, and in certain instances the orient as a whole was<br />

discarded completely from without the archivization process.<br />

If in occidental lands the jew wished to be freed from ‘itself’, indeed, subsequent<br />

to the birth of the State of Israel, the Israeli expanse began pressing<br />

upon jews from oriental countries the same assistance techniques for being<br />

freed from the ‘self’ and from the past. What jewish intellectualism attempted<br />

to do for jews in Europe, the leaders and formulators of the young state’s<br />

policy endeavored to do for the sake of oriental jews. In this context, we might<br />

paraphrase as “and the science of studying the jews of the orient is for him<br />

a ceremony of burial, freedom from a burden that weighs upon him”. It is<br />

certain that within the same powerful spectrum of images, a technique that<br />

is brought to bear upon the selfhood is self-destruction, whereas a similar<br />

technique applied toward another is liable to be perceived as murder, the assassination<br />

of remembrance.<br />

The current project that is necessary for Israeli culture is a metamorphosis<br />

of the moribund archive into a live archive, returning to the imaginary zero<br />

point of the oriental being that will enable development of life and death in<br />

memory to occur anew in a full and complete form.<br />

Expanse and Memory: Geography as History and History as Geography<br />

These distinct proceedings of the melting pot (a structure that is familiar from<br />

the United States as an immigration project) were accompanied by two characteristics,<br />

which are the cohesive material and the dividing substance of<br />

the mixture that bubbled within the universal cauldron, which was in fact occidental<br />

and was the cohesive material, and the Arabness – which was actually<br />

conceptualized back at the turn of the century by way of the European<br />

colonialist viewpoint as the orient – and was the propellant.<br />

The simultaneous reading of the Arabness as a vacuum in the geographical<br />

plane and of the Orientality as a vacuum in the hegemonial historical memory<br />

heightened the denial of Judaism as a cultural civilization that also embodies<br />

the Oriental extreme and the Land of Israel as a territory located in the Mediterranean<br />

space. This reading in the eye of the establishers of the national pioneering<br />

act exacerbated Oriental Jews’ ambivalence towards their roots and<br />

their origin in Arabia, and accelerated the attempt to create themselves anew<br />

in the West.<br />

The symmetry between the creature of the historical project as containing<br />

whole surfaces of empty pages whose fullness was perceived as irrelevant or<br />

that was designated at best to be an archival project of the burying type and<br />

the geographical project that perceived full surfaces as an empty, erased page<br />

is obvious.<br />

Orientality and Orient<br />

In process of emptying the orient into the jewish Israeli existence in the new<br />

state, the category of ‘Mizrahi’ (oriental) was created. The orient or East as<br />

orientation (in many languages) the ‘mizrah’ wall plaque indicating jerusalem<br />

as a prayer direction as a traditional decoration hanging in the typical<br />

Ashkenazi jewish home in the Diaspora to signify yearnings for Zion (‘In the<br />

Prime of Her Life’ by Agnon, for instance) – was transmogrified into oriental<br />

129


or orientalism as a type of oppressive, insulting, and humiliating label. From<br />

the open space of the East to a niche of orientalism. The carving up and extraction<br />

of the oriental from its place from within Islamic jewry signified the<br />

positioning of orientalism as a loose tile devoid of orientation (lacking selfhood,<br />

missing a point of focus, without a mizrah) of the present, a square possessing<br />

a here and now that builds itself solely in current contexts in the presence of a<br />

culture that controls the legitimate codes. (It is worthy of note that, in contrast<br />

to orientalism, this culture reserved for itself a channel to access its past,<br />

whether from a stance of negating, accepting, destroying, transforming, or secularizing<br />

it.) The final significance of this situation is that Israeli orientalism<br />

is a product that was produced by a super-group in a culture for the sake of a<br />

secondary group within it much more than an independent product. In other<br />

words, it is a fruit of the structuring of occidental jewry.<br />

The Delicate Stage of Transition and the Peril of Cementing<br />

Uniformity in the Name of Multiculturalism<br />

This stage of Israeli culture is a dangerous and fragile one. on the one hand,<br />

the historical moment of expropriation from history appears to have passed,<br />

expropriation that spanned a period similar to that of the intergenerational<br />

schema – sixty years. Callous and direct structures of discrimination or exclusion<br />

are no longer acceptable in Israel’s reality. on the other hand, absence<br />

yet commands Israel’s ‘obvious’ reality; in one sense that is upon the<br />

surface, it has become converted into a discourse concerning the multitude<br />

of <strong>voices</strong>, and in another sense, it yet throbs on from the depth of its establishment<br />

and structuring within Israel: the absence is still represented in the<br />

history books, as in the educational system, the situation on the periphery,<br />

the spatial and compartmentalizing architecture 5 and the culture’s legitimate<br />

codes.<br />

This study is essential for the purpose of understanding and reorganizing the<br />

chronicles of oriental art in the country. Art that originates from within an oppressed<br />

group suffers doubly, as artistic critique, which is supposed to conceptualize<br />

and act as a mediator of art for the broader public has its own eyes<br />

shut and its attention is weak vis-à-vis this art’s message and its ciphers; because<br />

of its essential differentness from society’s legitimate codes, this art’s<br />

differentness is liable to be perceived as an expression of cultural inferiority.<br />

For this reason, the new art project that is concomitantly a project of self-reestablishment,<br />

a protest project and a field project, which requires critique<br />

that conceptualizes its achievement of liberation from its being affixed in the<br />

niche of oriental art. Indeed, art labeled as ‘oriental’ possesses subversive,<br />

destabilizing strength, and exists on the fringes; however, its debate duplicates<br />

the problematicality of the mindset of the ‘reinforcement unit’. And were<br />

the debate to be played out from a panoramic viewpoint, it would be possible<br />

to discern the most significant avant-garde in these forces – not the hegemonial<br />

center, but rather, the center of living and important achievement – that<br />

that decides what will be tomorrow. The goal of the artist is to locate the dead,<br />

lacerated, and dispersed parts, and to transfer them back through a unifying<br />

filter, to break free from the dissecting and dichotomous gaze of the ‘center’<br />

as opposed to the periphery.<br />

The critical artistic and intellectual activity in Israel must comprehend that it is<br />

coping with a space of which most of its symbolic design originates in the Jewish-Christian<br />

expanse, while it continues to command a small and real territory<br />

in which there is a centrality of two identical problems that have been denied:<br />

the Jewish Muslim expanse and the Palestinian Arab expanse. In the past,<br />

I attempted to develop the principal paradigm of exclusion from the book and<br />

the routing to the periphery. This is a fundamental structure that is tested in its<br />

implementation in the Israeli expanse by the hegemonial attempt to create maximal<br />

possible congruence between the design of the substantive expanse and<br />

the design of the space of remembrance as it is documented in the history book<br />

project.<br />

Geography and history are therefore two complementary disciplines that – hand<br />

in hand with hegemony – are likely and liable to join archivization of the ex-<br />

130 OVERLAPPING VOICES<br />

panse as living or moribund. Erasing and writing, building and destroying, settling<br />

and routing immigration are all complementary practices, practices that<br />

express the symbolic, both in the sense of social order and the sense and context<br />

in which the religious is translated into an institutionalized creed. 6<br />

The Scene of the East in Visual Art<br />

In this framework, I shall propose a summarized sketch for creating a basic<br />

chronicle of the oriental backdrop in visual art. In light of descriptions above,<br />

it is possible to understand that issues occupying oriental art express a certain<br />

type of essential problems, such as the question of the refrain, the question<br />

of the past that was truncated in a traumatic manner, occupation with a<br />

cataloging, labeling gaze, analyzing the gaze and undoing those forms in<br />

which the oriental became a stereotype. It can be estimated that parallel to<br />

this, a movement will be reflected along the intergenerational axis that expresses<br />

the gradual conscious development of the artistic act. Describing the<br />

annals of tension in oriental art [as in other types of the orient or orientalism<br />

in the country] requires asserting a new language for the following issues: A.<br />

chronicles. B. conceptualization. C. problematics. D. context. E. forms and<br />

contents. F. the question of refrain. G. relations of art and critique.<br />

As a fundamental illustration of the liberty and fullness of the orient in its approach<br />

to its past (although amid a covert dialogue with the hegemonies), I<br />

shall present the artist Avshalom okashi. I do this amid in-depth dialogue<br />

with the research of mordechai omer regarding this artist, albeit in a manner<br />

divergent from that in which he elected. okashi will become an indicator<br />

of the producing craftsman of oriental origin that arrived in the country before<br />

the melting pot, and became acclimatized and educated in the shadow<br />

of the best of traditional schooling for European painting, which was represented<br />

in the country by European jewish painters. It expresses and merges<br />

in abstract art the symbols of the sublime that are engrained in it by virtue of<br />

the individual collective remembrance of its group, and advances progressively<br />

with the revolution of the immigration in the 50s to the figurative, from<br />

which it returns and proceeds toward the sublime. okashi constitutes a countermotion,<br />

a hero of another sort, being an anti-hero, if the oriental as a blank<br />

sacrifice is a hero.<br />

The shock of the 50s on a visual level is mostly and entirely a complete silence;<br />

a stage of traumatic speechlessness, which is integrated and permeates gradually<br />

to violence. Almost twenty years of silence vis-à-vis visual art. okashi,<br />

who is in any case an artist with a structured career, can express observation<br />

from the side about the immigrants, being an individual who is ensconced<br />

locally and in the momentum of creation.<br />

Between the 60s and the 70s, almost no gap exists between visual art and<br />

the cry of the street. Power and beauty lurk in the simplest expression of placards<br />

and signs of demonstrations, which are characterized by simplicity and<br />

bitterness in the shout of black and white. The immigrants – who escape and<br />

attempt to extricate themselves from their placard existence – produce placards<br />

in which there is no distance between art and popular protest. In the<br />

70s, the cry of the oppressed was forcibly expressed at its zenith in the work<br />

of Afiya Zakharia (she is also of Yemenite extraction) who is driven in an obsessive<br />

fashion to paint all the walls of her house in bold colours 7 and to extricate<br />

it from the walls of her small Amidar (government housing) home to<br />

reprocess it, to import an expanse, even if as an apocalyptic scream.<br />

Pinhas Cohen Gan (born in meknes, 1942) immigrated to Israel at the age of<br />

six. In his work, it is possible to see the continuation and development of the<br />

phenomenon of very distanced description of the East-West problem. I have<br />

attempted to portray him in the shadow of okashi (there are additional lines<br />

of similarity among both artists.) Indeed, his first works regarding East-West<br />

conflict express conscious struggle with rupture, incision, and chasm; nevertheless,<br />

he works from a stance of distance from the direct, while processing<br />

it into a principally structured problem. The fundamental structural expression<br />

is expressed as early as his decision to exhibit in a cowshed at the outset<br />

of his career.


The Dead Sea Project (3-1972) in which he placed polyethylene sleeves filled<br />

with sweet water and live fish into an environment that does not permit<br />

life is a project of Diaspora that is converted into an apocalyptic vision of redemption<br />

that is described by the Prophet Ezekiel in Chapter 47. 8<br />

It is possible to see this project as grieving over immigration. The vision of<br />

redemption is toppled to a vision of exile. The killing of the fish in a salty environment<br />

of ‘the salt of the earth’ [Compare, many years later: Yosi Sukri,<br />

“Grandmother Emilia and the Salt of the Earth: A Confession”, and the work<br />

of Eli Patel: “The Silence of the Fish”.]<br />

In this project, I permit myself to see an expression of killing archivization.<br />

The living memory that is absorbed in an annihilating environment in a caustic<br />

territory – immigration that does not confer the right of existence for<br />

accumulation.<br />

other structural expressions of the issues of immigration in the work of Cohen<br />

Gan were manifested in journeys to the areas of the Indian ocean and<br />

Alaska, trips and projects for the purpose of raising the saltiness of the oceans’<br />

water by a fraction of a percent, a fraction that cannot be measured at all.<br />

Finding a material location in which to settle in a sort of netherworld reality<br />

from which one regards the upper reality characterizes all of his works, from<br />

the exhibition housed in a cowshed and to his taking up residence in a tent<br />

within the refugee camp in jericho (1974) as a statement that you comprehend<br />

things only when you live inside them and command the viewpoint of<br />

nether reality concerning the upper reality. 9<br />

on the background of Pinhas Cohen Gan’s exploration of various structural<br />

issues of tension and complementary dichotomous gaps that contented with<br />

the East-West issue amid considerable distancing and its connection to broad<br />

structural problems, a direct squaring off appears in his East-West work (bibliographical<br />

theses for the orientalism theses of Edward Said 94 – 1982)<br />

[See also: Tsalmona, p. 113] which directly positions the divided ego, the two<br />

parts of which are composed of the archiving and the archived (an occidental<br />

archeologist and an Egyptian labourer.)<br />

Only in the mid-80s do the <strong>voices</strong> rise that are the result of the educational<br />

system of art and advanced studies, which the second- or third-generation<br />

children of immigration had penetrated, who had not necessarily passed<br />

through the protective and enabling filter of absorbing the kibbutzim. At times,<br />

they acquired their education as Israelis lacking exceptional orientation in<br />

one direction or another, and in a combination of new networks of power with<br />

<strong>voices</strong> that deal in protest, processed by and borrowing the continuous contents<br />

of the orient.<br />

Short and Long Memory, the Dynamic of Negator and Negated<br />

The schema of jewry and Israeliness contend with questions of long and short<br />

memory on a vertical axis, vis-à-vis each and every subject, and with questions<br />

of expressing these conflicts within the expanse, on the axis of the<br />

horizontal.<br />

In his famous essay ‘The mystic Writing Pad’, Freud spoke of an example of<br />

human memory, which he borrowed from a writing object that he encountered<br />

– a writing pad constructed of pairs of pages. When you write on one<br />

page, marks are also registered on the page beneath it. Writing on the bottom<br />

page is even preserved when the upper page is erased and other writing<br />

replaces it. This is the amazing imagery of the connection between short-term<br />

memory and long-term memory. For the discussion I propose here, I shall<br />

detach this schema from the world of the subject and illustrate it concerning<br />

a problem of collective remembrance. We are completely unable to explain<br />

to ourselves to which extent we are impossible without the profound stratum<br />

that lies below, even it is half erased. It is a necessity that this layer exists.<br />

This text of Freud’s, which has been debated often in psychoanalytical and<br />

philosophical literature, provides a good base point even for a debate of erasure<br />

and memory in language and collective awareness.<br />

The experience of the members of the oriental community, within the context<br />

of the first, second, third generation in the sense of the relations of me-<br />

mory and forgetting, or the interactions of writing and erasure, is connected<br />

to the feeling of the first generation, which arrived with a language that it was<br />

forced to erase. This is not similar to the instance of the first generation of pioneers<br />

that arrived with a language and in fact banished it in order to create<br />

a new world. As opposed to them, the oriental actually arrived with its language<br />

and sensed that it is not legitimate. In this instance, it is necessary to<br />

discern between the negator of its past and that denied of its past. The dynamic<br />

of the first generation oriental – its gist is being occupied with disappearing<br />

in public and deriving forbidden pleasure between the walls of its<br />

house or its neighborhood. The dynamic of the second generation in the oriental<br />

experience in Israel is serious work concerning publicity: the son of immigrants<br />

that is occupied consciously or unconsciously with its obsessive<br />

desire to be accepted in the public eye. This is the main thing according to<br />

which the middle generation is tested: synchronizing with the general public,<br />

on the horizontal axis, this is its pain of muteness, silence, rapid assimilation,<br />

and successfulness. In comparison, the phenomenon transpiring today among<br />

the third generation and some children of the second generation in very different<br />

forms is in fact the ascent of the erased-but-yet-accessible tongue, the<br />

home erupting into publicity along a horizontal axis and the breakthrough of<br />

the long-term memory that contends with issue of the connection between<br />

the country and history along a vertical axis.<br />

It is strange, prima facie, that the matter breaks out more forcibly in the third<br />

generation, but this is well-nigh essential: on the one hand, immigration is<br />

not their fundamental experience – but it is the silence of the blank page of<br />

their parents or even their grandparents. However, on the other hand, precisely<br />

since on the surface the children of this generation are marked and<br />

defined by themselves and others as Israelis for all intents and purposes, they<br />

eventually reach the point of tension, breaking, or altering the equilibrium.<br />

This point of tension or breaking erupts among many artists of third-generation<br />

immigration from the orient, and thus its intensity. And moreover, by virtue<br />

of the live event, it also embodies the ability to enlarge upon borders of<br />

esthetics and parameters of the debate of Israeli art in other contexts: it denotes<br />

process of broader significance than mere issue of the orient.<br />

At this stage, a process occurs in Israeli culture that – at visual level – resembles<br />

search for language occurring at the level of music and voice. At the<br />

level of voice, we follow the movement between languages. It happens at the<br />

visual level, as well: beyond applying the mystic writing pad to contexts of<br />

collective consciousness, it is possible to state that in attempting to reconstruct<br />

identity, you must propose a platform – long-term memory. This is what<br />

is happening at present in the artistic process: jewry of the orient or the occident<br />

is for this purpose the deep memory, Israeliness is a form of orientation<br />

in the present, and a type of short-term memory. The oriental attempts<br />

to produce for itself the bottom page, the rug that is yanked from under its<br />

feet, the platform of long-term memory. In essence, this is deconstruction for<br />

the dissecting archive project: taking the identity component that was expropriated<br />

from the Orient, and labeling it whilst so doing, expropriating it from<br />

expropriation, and resuscitating it anew as a more complicated complete symbolic<br />

platform.<br />

Conscious or Unconscious on the Part of the Artist is Irrelevant –<br />

the Duty of the Critic is to be Conscious<br />

Please know this: great art can challenge and attest to fringe society or a state<br />

of distress even if the artist lacks any social awareness or conscience of protest;<br />

it is permissible and necessary to read art as a shout that attests to a<br />

point of origin – even if each factor of conscious protest does not exist in the<br />

awareness of the artist – indeed this is testimony of that who speaks unwittingly<br />

10 , or if you wish, it is a manner of the political unconscious. moreover,<br />

discussing the art of the orient obligates a simultaneous reading of accounts<br />

of such people that neither thought art nor pretended to be artists, but art<br />

shouted out from them against their will.<br />

131


The Project of Art and Life as a Protest Project<br />

In recent years, in several contexts, I proposed working with the inter-generational<br />

paradigm as a precise analytical tool in the spatial and vertical cross-section<br />

within the culture of immigration. In the vertical axis, one must examine<br />

the generation gap by means of an interval of twenty years. In global contexts,<br />

indeed, the same heartbeat of twenty years that exists on the vertical axis in<br />

the inter-generational paradigm within Israel exists also in the spatial axis in<br />

the relations between Israel and the United States. Despite the speed of information<br />

and communication in the age of globalization, the 20th century gap is<br />

still the gap of update time of periphery to center (I am working on the concept<br />

of the periphery in a relative and dynamic model and in this specific context,<br />

Israel is the periphery of the United States) and thus – the chronicle of the 90s<br />

in Israel supports clear parallels of the phenomena that greatly characterized<br />

feminism in the United States of the 70s. There is basis for comparison between<br />

stage three in the inter-generational paradigm in the scene of the orient in Israel<br />

and feminism of the 70s in the United States. In both cases, art and protest<br />

are two branches breaking out of one trunk or two beats of one heart, which<br />

together build life.<br />

Men and Women – East and West<br />

The significance of the link between feminism and orientalism is the granting<br />

of expression to the power of problematicality of who is a minority within<br />

a minority. It is possible to repeat here the almost trivial truth, according to<br />

which many achievements of material culture of human civilization are achievements<br />

of women: embroidery, sewing, gold crafting, pottery, knitting, cooking,<br />

and baking. While Western modernism has reached the stage of raising human<br />

creatures ‘illiterate in manual labour’, indeed, at the same time, the greatest<br />

of its artists and designers, designers of fashion and culture, take inspiration<br />

and even actually use manual labour of women, which is supposed to<br />

be dear in the era of the machine, and it regardless still weighs in as cheap<br />

as it is accessible due to discrimination on the basis of status. These uses of<br />

culture, as is known to all, were and are a fundamental characteristic in colonialism,<br />

but they recur in miniature fashion in parallel dynamics. There are<br />

feminist artists that went yet further and in this light placed modernism as<br />

opposed to barbarism. 11<br />

Such manner of use as this was made by male artists of women and by Western<br />

artists of orientals at the founding of the State, both in music and in fashion,<br />

while less in high art. The Israeli product of the melting pot was characterized<br />

by an occidental designer that makes use of oriental motifs from an orientalist<br />

viewpoint: the fashion of ‘maskit’, gold crafting, and Bezalel. In the framework of<br />

this use, the substances of the sub-culture or the ethnic culture range from enchantment<br />

to revulsion, between orientalism to defining kitsch.<br />

The significance of feminist struggle in Israel cannot be divorced from the<br />

fact that most working women are at a low status; from the level of labourer<br />

and below they are women of oriental extraction. This fundamental characteristic<br />

probably led to the birth of the ‘Achoti’ (‘my Sister’) movement as oriental<br />

feminism that is separate unto itself, dealing with the issue of a minority<br />

within a minority. Beyond this, it is quite frequent in the history of the<br />

oppressed to encounter their disparaging symbolization as a woman. orientalist<br />

perception sees all things oriental as a feminine temptation, and there<br />

are existing anti-Semitic texts that portray the jew as a woman. 12<br />

‘Bet Achoti’ (My Sister’s House) as a Type of Communitas<br />

About two-and-a-half years ago, when Shula Keshet was appointed head of<br />

the ‘Achoti’ movement, she founded the house named ‘Achoti’ that is located<br />

in southern Tel Aviv. By this act, she essentially transformed the office<br />

center of the movement from a functional office center into a feminist culture<br />

and community center, which is to say that she turned it from an institution<br />

into a community.<br />

Victor Turner spoke of the state of the communitas as the state in which society<br />

possesses responsible bodies that feature a unifying quality, which are<br />

132 OVERLAPPING VOICES<br />

based on food or drink. Usually, these were simple products, such as wine<br />

and bread. Undoubtedly, honey is a central one among them; honey also connects<br />

in many dimensions to femininity, among other things, being a product<br />

of a maternalistic society. Femininity is always and ever a sub-structure within<br />

the dominated structure, and as it encounters the conditions to solidify as a<br />

communitas, indeed it renews its original meaning as an order of love, i.e.,<br />

the bond of fraternity as it protects each other.<br />

The Unification between the Archive Effect and the Beehive Effect, which Shula<br />

Keshet displays in her current creation signifies unification between the culture<br />

of writing and material culture. The beehive is also a library with cells<br />

that express the cells of knowledge and production. It contains within it those<br />

conditions required for establishing identity anew. When a commune of lower<br />

class breaks free from dependency on the upper class, its selfhood is the<br />

chief product that it must produce first and foremost. It is incumbent upon<br />

it to reproduce its identity. Liberation from the reflective glance of the hegemony<br />

as a power that creates its world means breaking free from existence as<br />

an object and acquiring the status of a subject again.<br />

The unification between the archive effect and the beehive effect is also the<br />

unification between the crown of masculine culture that possesses a long literal<br />

tradition, a culture of the book and writing, and feminine culture, the<br />

achievements of which as a material culture are engulfed and denied frequently.<br />

In its implementing within the Israeli expanse, the project of integrating<br />

the beehive with the archive, it is also a synthesis between orient and<br />

occident, between hegemony and sub-hegemony, among the working class<br />

and the royal class, and a statement that there is a queen mother for culture<br />

alongside the king father. Use of a beehive is also defiance toward the indolent<br />

class of modern royalty – the economic and social hegemony. Challenging<br />

the do-nothing hegemony is achieved by the female laborers connecting<br />

to produce the aristocratic nectar-honey.<br />

Summary: Art as a Project of Changing the Archive<br />

Art as a project of changing the archive is one of the outstanding missions of<br />

art and creative critique, while the hegemonial archive continues to rewrite<br />

and represent reality. The beehive, which is both the working archive and the<br />

home, possesses a register that is industriousness, production, and sharing.<br />

The library is the archive of dead writing, and its register is liable to be laziness,<br />

exploitation, and erasing.<br />

The Israeli expanse that is an excluding, blocking, and labeling expanse copies<br />

to the ground what transpires on the page. The immediate geographic<br />

reflection of the historic and vice versa is extreme. monuments of perpetuation<br />

are erected and cover up for the project of forgetting. Art as a document<br />

of conscious and committed identity within this expanse is required for a project<br />

of which the striving can be used to the fullest as aiming for a voice of<br />

identity and territory. Translating the lone female voice, which is not expressed<br />

in writing, repositioning identity anew, dismantling and construction, and cultivating<br />

territory on several levels: the margins of the city, the periphery and<br />

the urban, and the written book.<br />

I write these words as one who for some years has set myself a goal of opening<br />

the dead archive and installing another loudspeaker for the broken partial<br />

existence of graduates of communities of immigration within the State –<br />

whether in music, in literature, or in identity. I write them out of hope that art<br />

that struggles will break through the barriers.<br />

Haviva Pedaya<br />

Haviva Pedaya is a poet, a culture critic and a scholar in jewish studies in the Ben Gurion University of<br />

the Negev as well as senior fellow in the Van Leer Institute in jerusalem.


1 See my article in the book “merkaz veShulayim” (“Center and margins”) published by the mendel<br />

Institute.<br />

2 See my article in the book “merkaz uFeriferya” (“Center and Periphery”) published by The mendel<br />

Institute.<br />

3 See David Sorotzkin’s various articles dealing with reciprocal marking between jews and Christians<br />

in Europe and the appearance that reciprocal definition among identity groups in jewry works also in<br />

connection to self-definition in relation to processes in Christian society. In my opinion, it may be<br />

said that the trend of assimilation he describes is also a form of self-disgust that was aided by rejection<br />

of the other type of jew. See also the work of Aziza Kazoom, “Western Culture, Ethnic Labeling,<br />

etc.”, “Sotsiologya Yisreelit” A (2) 1999; A. Raz Karkotzkin. “Teoria uViqoret” 4, 1993, 23-55, 5,<br />

1994, 113-132; Sh. Hinski, “Eyes Wide Shut: Concerning the Acquired Albino Syndrome in the Field<br />

of Israeli Art”, Teoria uViqoret 20, 2002.<br />

4 G. Shalom ‘on Cogitations about jewish Wisdom’, in :Devarim beGo, Tel Aviv 1990, pp. 389-391.<br />

5 Now see the book “Hafrada”.<br />

6 I enlarge upon this in my paper ‘Place and Expanse: judaism and Israeliness’ (in the Scriptures).<br />

7 Timna Rosenheimer documented this in her book “Home: Spaces, Dwellings, People, objects”, or<br />

Yehuda 2001, matters first became known to me through this book.<br />

8 Concerning the foundations of this vision of redemption, see Pedaya: ‘Changes in the Holy of Holies:<br />

From the margins to the Center’, “mad’ei haYahadut 37”, 5757, pp. 53-110.<br />

9 See also: Talia Rapaport, “Going Backwards about the ‘Dead Sea Project of Pinhas Cohen-Gan’<br />

(1972-1984)”, (2) muzot 2, 1984, pp. 10-11.<br />

10 In other terminology: the artist shaped and structured by class-related social contexts that does not<br />

admit them and their analysis can reveal its location. This deals not necessarily or not only with the<br />

content of the work, but rather its esthetic aspects that are prima facie devoid of a political nuance.<br />

There is no intention of reading every artistic act in a solely social fashion.<br />

11 orna oryan quotes miriam Sharon in her doctoral thesis (1980).<br />

12 In her doctoral thesis, orna oryan insists that the jew is also perceived as bleeding.<br />

133


134 OVERLAPPING VOICES


SHULA KESHET THERE ARE No NAmES FoR THINGS, 1996<br />

135


136 OVERLAPPING VOICES<br />

SHULA KESHET BEEHIVE / ARCHIVE, 2008


137


jUmana manna<br />

1987 born in new jersey, USa<br />

grown up in israel<br />

Lives and studies currently in oslo, n<br />

edUCation and awardS:<br />

2006 – 2009 KHIo, Statens Kunstakademiet, Faculty of<br />

Fine Arts, oslo, N<br />

3 year scholarship, BFA with focus on photography<br />

and video<br />

2007 documentary photography grant from Fritt ord for<br />

“The Arab man project”<br />

2005 – 2006 Bezalel Academy for Arts and Design,<br />

jerusalem, Israel<br />

SeLeCted exhiBitionS and projeCtS:<br />

2009 “The Arab man”, Henie onstad museum, N<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />

Artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />

(Group)<br />

2007 “Familiar”, and “Ramallah computer game”,<br />

Høstutsillingen, Kunstnerhus, oslo, N (Group)<br />

“Familiar”, Gallery 21.25, Southern Comfort<br />

Group, oslo, N (Group)<br />

oslo open Art Festival, “Voluntary Security<br />

Check”, Installation/performance in National<br />

Theater Underground Station, oslo, N (Solo)<br />

2005 “Fruitless Pleasures”, workshop for young<br />

Palestinian artists, PACA, Ramallah, Palestine<br />

(Group)<br />

138 OVERLAPPING VOICES<br />

artiSt Statement<br />

der StUfenpSaLm<br />

1. Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir<br />

sein wie die Träumenden.<br />

2. Dann wird unser mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens<br />

sein. Da wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes<br />

an ihnen getan.<br />

3. Der Herr hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich.<br />

4. Herr, wende unser Gefängnis, wie du die Wasser gegen mittag<br />

trocknest!<br />

5. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.<br />

6. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen und kommen<br />

mit Freuden und bringen ihre Garben.<br />

Fünf 1 Palästinenser singen gemeinsam in einem disharmonischen Chor den<br />

Stufenpsalm (auf Hebräisch „Shir Hama’alot“, auf Arabisch „Nasheed Al<br />

muraqi“), nach dem Text des Psalms 126 aus dem Alten Testament.<br />

Die musik ist eine jahrhundertealte jüdische melodie von Yossele Rosenblatt,<br />

wobei im Video an die Stelle des hebräischen Textes die arabische<br />

Übersetzung tritt. Für manche gilt dieses Lied als Wallfahrtslied, was angesichts<br />

seines sentimentalen, repetitiven, poetischen Charakters (voller Hoffnung<br />

auf die Erfüllung von Träumen) durchaus angemessen ist.<br />

In der christlichen Welt wurde der Stufenpsalm zum populären Lied über<br />

die Vision des Weltfriedens, den Tag der Erlösung und die Befreiung des<br />

menschen aus den spirituellen Fesseln der Sünde.<br />

In moderner Zeit erhielt der Psalm in der jüdischen Lesart eine starke zionistische<br />

Konnotation im Hinblick auf die Rückkehr ins Land Zion, das heißt Israel.<br />

Im jahr 1900 wurde er beim 4. Zionistischen Kongress in Basel (zu einer<br />

Zeit, als die jüdisch-zionistische Identität und Zukunftsvision entworfen<br />

wurde) als mögliche Nationalhymne des geplanten Staates gehandelt. Es<br />

kam schließlich nicht dazu, da „HaTikva“, die jetzige Nationalhymne Israels,<br />

ausgewählt wurde. Dennoch singen religiöse zionistische Gruppen bis<br />

heute den Psalm 126 zur melodie von „HaTikva“ – als ihre formelle Version<br />

der israelischen Nationalhymne.<br />

Der Psalm hat auch als Gebet, das vor dem Abendessen am Sabbat und an<br />

Feiertagen gesprochen wird, große Bedeutung.<br />

Verschiedene israelische Popmusiker haben ihre eigene Version des Liedes<br />

herausgebracht, und Kinder lernen es oft in jüdischen Sommerlagern.


Die arabische Version ist eine Hybride, zynischer Ausdruck einer Situation<br />

des kulturellen und ideologischen Konfliktes. Singen diese Palästinenser das<br />

Lied aus Loyalität und in Anerkennung des jüdischen Staates? oder singen<br />

sie es wegen des Traums von der Erlösung aus der Unterdrückung, die im<br />

Lied zum Ausdruck kommt? Singen sie es gezwungenermaßen oder handelt<br />

es sich um die Transformation des traditionellen jüdischen Traumes in einen<br />

palästinensischen Traum nach 1948?<br />

Was wollen wir? Wo stehen wir? Diese Fragen drängen sich bei historischen<br />

Konflikten und Veränderungen auf. Die Perspektive des Videos betont die<br />

Komplexität und Ambivalenz einer Positionsbestimmung im politischen und<br />

kulturellen Leben sowie die vielen Ebenen der Zugehörigkeit, die sich aus einer<br />

hybriden Identität ergeben.<br />

1 Zwei der ursprünglich sieben Personen im Video verweigerten die Beteiligung an dieser Ausstellung<br />

(><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>


140 OVERLAPPING VOICES


JUMANA MANNA THE SoNG oF ASCENTS, 2008 (S. / P. 140 – 143)<br />

141


142 OVERLAPPING VOICES


Installation View Essl museum<br />

143


jUmana mannaS „araB men“<br />

INVASIoN IN DIE HAREmSWELT DER mÄNNER:<br />

RoLLENTAUSCH DER BLICKE<br />

In der ausgestellten Fotoserie porträtiert jumana manna abwechselnd Rollen<br />

des Eindringens und der Invasion. In vergangenen Arbeiten schien sie<br />

sich in vielfacher Weise mit der gesellschaftspolitischen Konnotation des<br />

Wortes „Invasion“ auseinanderzusetzen. In vielen früheren Werken sehen wir<br />

sie als „Eindringling“ in das Leben von männern und Frauen blicken, in politische<br />

und sogar intime Sphären, um die darunter verborgenen Kontrollstrukturen<br />

bloßzulegen. manna setzt zu diesem Zweck die Strategie des Rollentausches<br />

ein. Sie hinterfragt die allgegenwärtigen Freud’schen Annahmen,<br />

ändert das stillschweigend Vorausgesetzte und enthüllt die Dynamik von umfassenden<br />

Verhaltensweisen und Verhaltensregeln in einem der Öffentlichkeit<br />

verborgenen Kontext. In diesem Fall scheint manna die Rolle des „Voyeurs“<br />

einzunehmen, die man normalerweise mit männern assoziiert, und<br />

richtet ihr Augenmerk auf ein bestimmtes Ziel, arabische männer, um deren<br />

stereotypes Image zu dekonstruieren und die offenkundige Verletzlichkeit in<br />

den Posen und den realen manifestationen ihrer Identität bloßzulegen. manna<br />

widmet sich der Identität des arabischen mannes, weil sie sie angesichts des<br />

gegenwärtig vorherrschenden übertriebenen machoimages, das den Blick<br />

auf alles andere verstellt, für ein lange vernachlässigtes, aber wichtiges Thema<br />

hält. Der Ansatz ist folgerichtig: Während die Diskussion über die Frau in der<br />

moslemisch-arabischen Gesellschaft, über ihre unterdrückte Identität und<br />

misshandlung mit nachgerade absurder Intensität geführt wird, spricht man<br />

viel weniger über die Identität des arabischen mannes. Dabei ist auch er ein<br />

opfer der Stagnation in seiner eigenen Kultur und steckt in einem System<br />

der Unterdrückung fest, was sogar eine noch umfassendere feministische<br />

Perspektive rechtfertigt.<br />

Dieses fotografische Kunstprojekt besteht aus zwei Teilen; im ersten Versuch<br />

setzt sich manna in ihr Auto, fährt ziellos „spazieren“ – eine Aktivität, die<br />

man häufig bei jungen arabischen männern findet, die nichts zu tun haben,<br />

ziellos und apathisch sind. Sie spricht durch das heruntergekurbelte Fenster<br />

männer an und bittet sie, sich fotografieren zu lassen. Hier spielt manna<br />

ganz bewusst mit den Geschlechterrollen, übernimmt Verhaltensmuster,<br />

sprengt auf spielerische Art und Weise die Grenzen der Rollen und geht sogar<br />

so weit, die Kontrolle über den Blick auf das andere Geschlecht zu manipulieren.<br />

In dieser Reihe von Schnappschüssen sehen wir die jungen männer<br />

voll Eifer mannas Blick erwidern, den oberkörper vornübergebeugt. Wir<br />

erleben, wie einen kurzen moment lang ihr gesellschaftlicher Schutzpanzer<br />

von ihnen abfällt. Ihre latente Neugierde ist stärker, denn hier finden eine<br />

Rollenumkehr und eine Aufhebung des sexuellen Status statt, die sie hinzunehmen<br />

scheinen. Tabus sind Schwellen, die man überschreiten muss, sagen<br />

sie damit. Eifer motiviert dazu, die starren Stereotype zu durchbrechen,<br />

und das menschsein erhält Vorrang.<br />

Beim Betrachten der zweiten Bilderserie erhält man den Eindruck einer Entwicklung,<br />

des Fortschreitens, wie beim Erklimmen einer Treppe. Es ist, als<br />

wolle die Künstlerin ausloten, wie weit man als Frau in das männliche Territorium<br />

eindringen kann in diesem speziellen inaktiven Kontext, der den Zugang<br />

zum anderen Geschlecht sehr gründlich unterbindet. Damit gibt sie eine<br />

menschliche Antwort auf das verbreitete Bild einer entmenschlichten und<br />

sogar furchterregenden männlichkeit. Die Bilderserie zeigt junge arabische<br />

männer in ihrer intimsten Umgebung – in ihren Schlafzimmern auf dem Bett<br />

liegend, manche sogar nackt oder nur in Unterwäsche. Damit werden auf einen<br />

Schlag mehrere gesellschaftlich vorgegebene Tabus angekratzt, nicht<br />

nur in diesem spezifischen Kontext. Die Bilder erinnern an die Doppelseiten<br />

in magazinen, auf denen Posen dieser Art normalerweise von Frauen eingenommen<br />

werden. Die umgekehrte phallische Rolle des Fotografen nimmt<br />

manna ganz offenkundig absichtlich ein. In ihrem Versuch, das Sozialverhalten<br />

des mainstreams zu analysieren, setzt sie sich mit dem Thema der Kontrolle<br />

und mit dem der Kontrolle zugrundeliegenden Instrument, dem Blick,<br />

144 OVERLAPPING VOICES<br />

auseinander. Hier wurde der Harem, in diesem Fall nicht als ort der Frauen,<br />

sondern als ort der männer, den Blicken preisgegeben. In ihm finden wir widerstrebende<br />

Seelen, betreten lächelnd, in Schwarz-Weiß abgebildet, um ihre<br />

Vielschichtigkeit zu betonen und den wohlwollenden Anspruch der Extremität<br />

zurückzuweisen.<br />

manna versucht diesen neu entdeckten Variablen der Wahrheit Gewicht zu<br />

verleihen, indem sie archivarische Elemente einsetzt, besonders eine gleichbleibende<br />

Kulisse, entweder Autofenster oder Bett, und die große Zahl von<br />

Fotos, die sie in beiden Serien gemacht hat. Hier findet eine Becher’sche Tradition<br />

Eingang, in der äußere Erscheinungsformen überprüft und verglichen<br />

werden, um mehr als nur strukturelle Inhalte bloßzulegen.<br />

mannas Fotoserien verweisen auf einen tieferen Kontext der Selbstkritik und<br />

eine sehr gezielte gesellschaftspolitische Kritik, die ihre Kunst höchst spannend<br />

macht. Sie überschreitet Grenzen von Dualitäten – öffentlich/privat,<br />

mann/Frau, real/konstruiert –, um Einblicke und kritische Beurteilungen unserer<br />

gesellschaftlichen Situation zu erlauben. Sie unterläuft daher den Status<br />

quo der vorgefassten meinungen, die über die rein lokale Ebene hinausgehen,<br />

und sucht nach tieferem Verständnis und größerer Nähe – mit Hilfe<br />

der menschlichkeit, die die beiden Geschlechter verbindet.<br />

Reem Fadda<br />

famiLiar<br />

VIDEo UND FoToGRAFIE<br />

Als Erwachsene machte ich mich auf die Suche nach dem tiefen Gefühl der<br />

Geborgenheit und Zufriedenheit, das ein Baby an der mutterbrust empfindet;<br />

ich versuchte, zu einer bedingungslosen Liebe zurückzukehren, einer<br />

Liebe, die unersetzlich ist, die wir unser Leben lang suchen und die eine der<br />

Ursachen für unsere ständige Unzufriedenheit ist.<br />

In der psychoanalytischen Sicht sind Brüste die Quelle der tiefsten Emotionen<br />

eines menschen. An der mutterbrust zu trinken ist nicht nur die erste Aktivität<br />

eines Kindes, sondern auch der Ausgangspunkt jedes Sexuallebens.<br />

mit einem übertriebenen Sauggeräusch bekommt der ursprünglich reine Akt<br />

des Stillens einen verzerrten, befremdenden Aspekt für den Betrachter, weil<br />

damit die gesellschaftlichen Regeln des Verhaltens im Hinblick auf Nähren,<br />

Berührung und Vertrautheit verletzt werden.<br />

Jumana Manna


jUmana manna’S “araB men”<br />

INVADING THE HAREm WoRLD oF mEN: RoLE REVERSAL oF THE GAZE<br />

In the series of photos on view, jumana manna has alternated roles of intrusion<br />

and invasion. Her previous trajectory of work seems to be tied to the exploration<br />

of the social/political connotation of the word “invasion” in multiple ways.<br />

In many of her previous works, we find her ‘invading’ the lives of men and women,<br />

in political and even intimate spheres, as a way to unveil the structures of<br />

control that lie beneath. In order to do that, manna deploys reversed-role stratagems,<br />

challenging the pervasive Freudian assumptions, altering the pre-construed<br />

and revealing the dynamics of all-encompassing behaviours and codes of<br />

conduct in a context closed off from public scrutiny. Here manna seems to be<br />

role-playing the predominant “voyeur” associated with men and directing it at<br />

a specific target – Arab men, with a desire to deconstruct those stereotyped<br />

images and expose the evident vulnerability in their poses and the real manifestations<br />

of their identity. manna shifts her focus towards the issue of identity<br />

of Arab men because she feels that this is an issue that has long been neglected<br />

and is extremely vital, given the current state of the dominant and exaggerated<br />

macho prototype that surrounds and shrouds this identity. And rightly so, for<br />

much is discussed about the issue of women in muslim/Arab society, their suppressed<br />

identity and mistreatment, to a point of ludicrousness, whereas less is<br />

discussed about the identity of the Arab man, despite the fact that he is also a<br />

victim of his own culture’s stagnation and also embodies a system of oppression<br />

and even validates a more comprehensive feminist perspective.<br />

This photographic art project is two-fold; in the first attempt manna essentially<br />

sets out in her car, ‘cruising around’ – an act very much associated with young<br />

Arab men who suffer from idleness, aimlessness and apathy – where she approaches<br />

men through her lowered window and asks to take their photo. Here<br />

manna intentionally adopts a gender challenge, embodying habits, playfully distorting<br />

roles and going as far as manipulating the control of the gaze towards the<br />

other sex. In these series of snapshots, we find those young men peering back<br />

at her, somewhat eagerly, their bodily definitions and distortions in the bent-over<br />

position, reflective of a state where their social shields are down for a brief moment.<br />

Their latent curiosity gets the better of them, for here a crossover happens<br />

and they seem quite permissive of this role reversal and crossover of sexual status.<br />

Taboos are thresholds to be stepped over, is what they are saying. Eagerness<br />

breaks the static stereotype, and their greater humanity prevails.<br />

A progression, like the climbing of stairs, can be sensed from viewing the second<br />

round of photographs. It is as if the artist intends to experiment with how<br />

far a woman can go in crossing male territory in this dormant specific context<br />

that has been most diligent in restricting access to the opposite sex. And by doing<br />

so she provides an answer of humanity to counter prevalent assumptions of<br />

dehumanized and even terrorized masculinity. The second series of photographs<br />

are of young Arab men in their most intimate spaces – their bedrooms, and actually<br />

lying on their beds, some even in the altogether or underwear. In this very<br />

act, several societal projected taboos have been challenged, and not only on<br />

just a specific contextual basis, but here we see images reminiscent of magazine<br />

spreads where usually the main protagonists of such a pose are women.<br />

The reversed phallic disposition of the photographer that manna takes up is obviously<br />

intentional. In her attempt to examine mainstream social behaviour, she<br />

broaches subjects of control and ultimately its invoked vehicle, the gaze. The<br />

harem here, i.e. the quarters now not of women but of men, have been laid<br />

bare, and we find reluctant souls, with embarrassed smiles depicted in white<br />

and black to assert their multiplicity and refute the benign claims of holding<br />

extremities.<br />

manna sets out to assert these new found variables of truth by borrowing archival<br />

elements, and attaching it to the work, especially with the repetition of the<br />

settings, be it the frame of the car, or the beds, and the large amount of photos<br />

that she has taken for both series. Here a Becher tradition is utilized, where appearances<br />

are examined and compared in order to reveal not merely the<br />

structural.<br />

manna’s photographic series refer to a deeper context of self-criticality and<br />

a non-haphazard socio-political critique, which makes her art most interesting.<br />

She breaks boundaries of dualities – private/public, men/women, real/<br />

constructed – to provide insights and critical assessments of our social state,<br />

therefore disrupting the status quo of assumptions that go beyond the merely<br />

local, and to seek a greater understanding and proximity of our twin-gendered<br />

humanity.<br />

Reem Fadda<br />

“famiLiar”<br />

VIDEo AND PHoToGRAPHY<br />

In searching for the deepest sense of comfort and satisfaction through my<br />

mother’s breastfeeding at an adult age, I attempted to return to the unconditional<br />

love, one that is irreplaceable, that we continue searching for all our<br />

lives and which is amongst the reasons for our constant dissatisfaction.<br />

In the psychoanalytical scheme of things, breasts are the source of a person’s<br />

deepest emotions. The act of breastfeeding is not only the child’s first activity<br />

but also the starting point of all sexual life.<br />

With an exaggerated sucking sound, the originally pure act of breastfeeding<br />

assumes a distorted, discomforting aspect for viewers, as it transcends social<br />

rules of conduct in relation to nurturing, touching, and familiarity.<br />

Jumana Manna<br />

145


146 OVERLAPPING VOICES<br />

JUMANA MANNA FRoM tHe seRies tHe ARAb Men, 2007 – 2009<br />

AHmAD<br />

mUSTAFA<br />

moHAmmAD


148 OVERLAPPING VOICES


JUMANA MANNA FRoM tHe seRies tHe ARAb Men, 2007 – 2009<br />

RUBI<br />

TAmER<br />

UNTITLED<br />

149


150 OVERLAPPING VOICES<br />

JUMANA MANNA FRoM tHe seRies tHe ARAb Men, 2007 – 2009<br />

UNTITLED (S. / P. 150 – 153)


151


152 OVERLAPPING VOICES


JUMANA MANNA Familiar (S. / p. 154/155)<br />

153


Parrhesia<br />

israeli-Palestinian art Collective<br />

2003 established<br />

List of ProjeCts<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian artists”,<br />

Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />

(Group)<br />

2007 “Sedek” (“crack”) a magazine dealing with the<br />

Nakba, in collaboration with Zochrot (“remembering”)<br />

Organization<br />

2006 – 2007 “Through language”, Neighborhood<br />

Works project, Jerusalem, israel & “autobiography of a<br />

City project”, ayam association, Jaffa, israel<br />

2006 “Thoughts about Surrender”, Hearat Shulaym<br />

event No.10, Bloomfield Science museum,<br />

Jerusalem, israel<br />

“physicians for Human rights”, a modular<br />

presentation for the israeli organization<br />

Shtoukee, The Golem, The lab, performing arts<br />

Center, Jerusalem, israel<br />

156 OVERLAPPING VOICES<br />

Parrhesia GrouP MeMbers<br />

ayyub aa‘Mar<br />

1974 born in Faradeis, refuge family from<br />

Tanatura village, palestine/israel<br />

lives and works in Faradeis, israel<br />

osnat bar-or<br />

1960 born in Kiryat Haim, israel<br />

lives and works in pardes-Hanna, isreal<br />

toMer Gardi<br />

1974 in Kibuts Dan, israel<br />

lives and works in Tel aviv, israel<br />

ursuLa hofbauer<br />

1964 in Wien, austria<br />

lives and works in Wien, austria<br />

ofer Kahana<br />

1968 in ashkelon, israel<br />

lives and works in pardes-Hanna, israel


artist stateMent<br />

„throuGh LanGuaGe“ in Wien<br />

EiN GEmEiNSCHaFTSprOJEKT vON parrHESia, ZOCHrOT<br />

uND urSula HOFBauEr<br />

„Through Language“ in Wien ist ein öffentliches Kunstprojekt: ein arabischdeutsch-hebräisches<br />

Wörterbuch und ortsspezifisches Glossar.<br />

Das projekt wurde an zwei Orten in israel – Jerusalem und Jaffa – unter verwendung<br />

von arabischen und hebräischen Transkriptionen und Übersetzungen<br />

verwirklicht. Es entstand als antwort auf die verbreitete praxis israelischer<br />

Extremisten, die das arabische auf Straßenschildern durch aufkleber<br />

oder Sprühfarbe auslöschen, und auf die staatliche praxis der unterdrückung<br />

palästinensischer Kultur durch die marginalisierung und unterprivilegierung<br />

des arabischen, einer offiziellen landessprache israels. Diese arabischen<br />

Wörter sind Schlüssel zu Geschichten, Erinnerungen, Hoffnungen und Ängsten,<br />

die zumeist nur in privaten räumen zu Gehör kommen, ohne in der öffentlichen<br />

Sphäre oder ihrem Diskurs gegenwärtig zu sein. Dem arabischen<br />

soll ein Ort in unserem öffentlichen leben eingeräumt werden. Wir möchten<br />

die kulturelle Gegenwart der palästinensischen Bürger israels stärken, der<br />

einheimischen Bewohner und ihrer Kultur, auf deren Zerstörung unser Staat<br />

errichtet wurde, und unseren Wunsch zum ausdruck bringen, uns im Nahen<br />

Osten kulturell zu integrieren.<br />

arabische und hebräische Zeichen in der öffentlichen Sphäre Europas sichtbar<br />

zu machen, mag Fragen hervorrufen nach der anwesenheit unserer Sprachen<br />

und Kultur in Europa. Wir hoffen, die derzeitige Tendenz in der westlichen<br />

Welt zu hinterfragen, das arabische und das Hebräische und die mit<br />

ihnen verknüpfte Kultur als Bedrohung wahrzunehmen, und beziehen uns<br />

daher auf die Fremdenfeindlichkeit und den antisemitismus, die sich in Europa<br />

fortgesetzt zeigen. Wir schlagen außerdem vor, Sprache und Kultur als<br />

arena des gegenseitigen Zuhörens und des Dialogs mit dem anderen zu betrachten.<br />

unsere Wahl ist nicht zufällig auf die „augartenStadt“ in Wien gefallen;<br />

als „verlorene insel“ war sie ein Hauptschauplatz der vertreibung von<br />

Juden im Jahr 1938 – und als Ort neuer migration ist sie derzeit Schauplatz<br />

von Konflikten zwischen populismus, Fremdenfeindlichkeit und muslimischer<br />

Selbstbehauptung.<br />

„Through Language“ wurde zuerst im august 2006 im rahmen der ausstellung<br />

„Neighborhood Works“ (kuratiert von der Gruppe Sala-manca) im Deutsche-Kolonie-viertel<br />

von Jerusalem gezeigt. Die zweite, von der Künstlergruppe „ayam“<br />

kuratierte präsentation fand in Jaffa statt, unterstützt vom Kunstamt der abteilung<br />

Kultur und Kunst der Stadtverwaltung Tel aviv-Jaffa, dem israeli Center for<br />

Digital art, Holon, und dem New israel Fund.<br />

Parrhesia ist eine Gruppe von pädagogen, Sozialaktivisten und Künstlern (aus den<br />

Bereichen Grafik- und industriedesign, Kinofilm, Fotografie, video und bildende<br />

Kunst), die sich in israel gesellschaftlich engagieren. Die Gruppe arbeitet mit<br />

Organisationen, die gesellschaftlichen Wandel vorantreiben, und aktivisten vor<br />

Ort zusammen und produziert daneben eigene arbeiten in der Öffentlichkeit.<br />

Zochrot („Erinnerung“) ist eine Gruppe von israelischen Bürgern, die sich bemühen,<br />

das Bewusstsein für die Nakba, die palästinensische Katastrophe<br />

des Jahres 1948, zu schärfen. Zochrot ist bestrebt, die Geschichte der Nakba<br />

der israelischen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um so Juden und palästinenser<br />

an einer unverstellten Erzählung ihrer schmerzlichen gemeinsamen<br />

Geschichte zu beteiligen. Zochrot hofft, durch eine Übersetzung der<br />

Nakba ins Hebräische, die Sprache der jüdischen mehrheit in israel, den politischen<br />

Diskurs der region qualitativ zu verändern. Ein anerkennen der vergangenheit<br />

ist der erste Schritt auf dem Weg, für ihre Konsequenzen verantwortung<br />

zu übernehmen. Dies muss gleiche rechte für alle völker, die dieses<br />

land bewohnen, beinhalten, einschließlich des rechts der palästinenser auf<br />

rückkehr in ihre Heimat.<br />

Parrhesia und Zochrot arbeiten fortlaufend zusammen an der veröffentlichung<br />

von Sedek, einem magazin über die andauernde Nakba. Die ersten zwei ausgaben<br />

sind unter den folgenden links zu finden: http://parrhesia.org/sedek2.<br />

pdf, http://www.parrhesia.org/sedek.pdf<br />

Wir danken aktionsradius Wien am Gaussplatz (www.aktionsradius.at) für die<br />

zahlreichen informationen, ihre Gastfreundschaft und die großzügige<br />

unterstützung.<br />

about the ConfLiCt<br />

Ganz Wien hat angst. Die verschiedenen Dienststellen, magistrate und Ämter<br />

haben unterschiedliche Ängste. Die Straßenverwaltung hat zum Beispiel<br />

angst, dass jemand stolpern könnte. Einige Bewohner des 20. Bezirks haben<br />

angst, dass eine geplante moschee zu viel verkehr ins Wohnquartier<br />

bringen könnte. manche von ihnen haben auch angst, im eigenen land nicht<br />

mehr zuhause zu sein. Der Bezirk hat angst, dass seine Bewohner nicht alles<br />

verstehen könnten, was sich auf den Straßen abspielt. Dass Kunst irritieren,<br />

womöglich sogar verstören könnte.<br />

Eine Gruppe jüdischer und palästinensischer Künstlerinnen und Künstler aus<br />

israel plant, arabische und hebräische Schriftzeichen im öffentlichen raum<br />

in Wien anzubringen. in den Straßen der Brigittenau soll ein Gehsteiglexikon<br />

entstehen, das den Bewohnern und den Besuchern eines museums für moderne<br />

Kunst ermöglichen soll, die Schönheit der arabischen und der hebräischen<br />

Sprache zu genießen. auf Gehsteigen und in den Schaufenstern der<br />

lokalen Kaufleute sollen alltagsgegenstände beschriftet werden. mit deutscher<br />

Übersetzung und deutscher lautschrift. „Wofür ist das gut?“, fragt mich<br />

der ägyptische Feinkosthändler, und ich sage: „Damit wir endlich verstehen,<br />

dass man in diesen beiden Sprachen nicht nur Holocaust oder Dschihad<br />

buchstabieren kann, sondern auch Tomate, Eiscreme und Telefonzelle.“<br />

„Okay“, sagt der Feinkosthändler und wünscht sich, dass in seinem Schaufenster<br />

„Eiscreme“ stehen soll. „auf arabisch heißt das Gelati“, sagt er noch,<br />

und dass er glaubt, dass es wohl irgendwie um den Frieden geht. Er ist einer<br />

der wenigen, die ich in der vorbereitung dieses projektes treffe, die keine<br />

angst haben. Der Schneiderin zwei Geschäfte weiter sind Schriftzeichen vor<br />

ihrer Tür unheimlich. „ich kenne die Österreicher inzwischen“, sagt sie, und:<br />

„ich habe schon so viel mitgemacht“. ihre Heimatstadt im ehemaligen Jugoslawien<br />

hat sie verlassen, als ihr Haus unter schwerem Beschuss lag. ich verstehe,<br />

dass ihre ökonomische Existenz auf dem Spiel steht. Sie könnte ihre<br />

österreichische Kundschaft verlieren. und wenn sie auf die arabische Schrift<br />

in meiner mappe zeigt und mit sorgenvoller miene sagt, dass sie muslimin<br />

ist, dann verstehe ich auch, dass sie angst hat, mit jenen verwechselt zu werden,<br />

die das Kopftuch als Zeichen tragen.<br />

Die Hausbesitzerin, deren Fassade wir gerne benutzen würden, wünscht sich<br />

andere Sprachen. Tibetisch zum Beispiel, das sei doch ein aktueller Konflikt,<br />

man sollte sich doch nicht immer nur um das Historische kümmern. ich finde,<br />

das ist eine gute idee, aber auch ein ganz anderes projekt. Einige andere<br />

wünschen sich, wir sollten doch lieber Wörter wie Frieden, Freundschaft oder<br />

liebe verwenden. Für den Weltfrieden sind alle. allein, wie legen wir es an?<br />

Ein Bezirkspolitiker erklärt es mir. Wir in Österreich hätten ja zum Glück einen<br />

Weg gefunden, wie wir unter den vielen volksgruppen, die hier leben,<br />

ruhe halten. Das könnten ja nicht alle völker in der Welt. Dass man den israelisch-palästinensischen<br />

Konflikt auf die Dimension eines volksgruppenproblems<br />

am alsergrund herunterbrechen kann, verblüfft mich am Ende<br />

doch. Nach diesem Gespräch möchte ich zehn minuten lang auswandern.<br />

Einerseits weil meine bereits ausgeheilt geglaubte allergie gegen die sprichwörtliche<br />

Wiener Konfliktscheu ein akutes rezidiv ausbildet. andererseits weil<br />

es abscheulich ist, zuzusehen, wie immer wieder versucht wird, alle Konflikte<br />

zum verschwinden zu bringen – und am Ende ist dann das Erstaunen groß,<br />

157


wenn dieselben Konflikte früher oder später wiederauferstehen wie Gespenster<br />

aus ihren Gräbern in einem Horrorfilm. Woran liegt das, fragen wir uns<br />

mit Freunden am Kaffeehaustisch. Woher kommt diese Konfliktscheu? „metternich“,<br />

sage ich. ich könnte „Sozialpartnerschaft“ ergänzen, oder „hohe<br />

Berge“, aber in Wirklichkeit ist es eine offene Frage.<br />

auf der Ebene der Zeichen ist es ausschließlich das arabische, das die menschen<br />

ängstigt. Das Hebräische in unseren Skizzen zur Beschriftung nehmen<br />

sie kaum wahr, es bleibt am rand. Es ist das, was die Hausbesitzerin mit dem<br />

interesse für Tibet mit „dem Historischen“ meint. Es ist in Spuren noch in der<br />

Öffentlichkeit des 2. Bezirks vorhanden, aber es überschreitet die reizschwelle<br />

der alltäglichen Wahrnehmung nicht mehr. Es ist das vergangene, das, was<br />

nicht mehr da ist, das, was keine Bedeutung mehr hat. Die arabischen Zeichen<br />

stehen für den aktuellen Konflikt, für das, was sichtbar und spürbar ist. Für die<br />

moschee in der Dammstraße, für Überfremdungsängste und nicht gelöste probleme.<br />

Die Bürgerinitiative gegen die moschee formuliert auf ihrer Homepage<br />

die angst vor „lärmbelästigung, abgasbelastung, verschmutzung und parkplatznot“.<br />

Die rassistische Zuweisung von lärm und Schmutz an migranten ist<br />

hochproblematisch. Das anliegen, von der politik gehört zu werden, auch mit<br />

unliebsamen Forderungen, die sich der instantharmonisierung entziehen, ist<br />

mir jedoch verständlich. „Wir mussten erkennen, dass die so oft hervor- und<br />

hochgehobene Demokratie – mitsprache der Bürger – in unserem land nur<br />

dann Gültigkeit hat, sofern sie in politisch problematischen Entscheidungsbereichen<br />

nicht hinderlich ist“, formuliert die Bürgerinitiative an anderer Stelle.<br />

Wenn das Zusammenleben im Bezirk nicht harmonisch ist – sollte man das<br />

nicht zuerst einmal zur Kenntnis nehmen, um überhaupt zu lösungen kommen<br />

zu können? Sollten nicht alle positionen, die es dazu gibt, raum bekommen?<br />

angenehmer für verwaltung und politik wäre es sicher, wenn die probleme einfach<br />

nicht da wären. Wenn die Türken wieder zurück in die Türkei gingen und<br />

die österreichischen Bezirksbewohner brav vor dem Fernseher blieben, bei<br />

Chips, Em und Bier. Wenn beide Gruppen einfach verschwinden würden. Wenn<br />

man schon fertig wäre, bevor man überhaupt angefangen hat.<br />

Ein paar Straßen weiter, im augarten, wurde diversen Gruppen und Bürgerinitiativen<br />

– und nicht zuletzt dem renommierten Filmarchiv – versprochen, zuerst<br />

ein leitbild für die zukünftige Nutzung des parks zu erstellen, bevor eine Entscheidung<br />

über die Bebauung des südlichen parkspitzes getroffen werden sollte.<br />

Der Wirtschaftsminister hat sich über diesen laufenden Bürgerbeteiligungsprozess<br />

hinweggesetzt und mit großer Geste, vor der Erstellung des leitbildes, seine<br />

Entscheidung getroffen: zugunsten einer Konzerthalle der Sängerknaben, gegen<br />

ein Filmkulturzentrum. Für das projekt der Sängerknaben soll nun ein Teil des<br />

barocken Baubestandes abgebrochen werden. vielleicht wird eine Schrift an der<br />

augartenmauer erscheinen und uns mit schönen geschwungenen lettern lehren,<br />

was „abbruch“ auf arabisch heißt, oder mit klaren hebräischen lettern, wie<br />

man „Denkmalschutz“ buchstabiert.<br />

Eine Gruppe jüdischer und palästinensischer Künstler aus israel plant, arabische<br />

und hebräische Schriftzeichen im öffentlichen raum in Wien anzubringen. mit<br />

deutscher Übersetzung. Dass sich die Wiener vor dem arabischen fürchten und<br />

das Hebräische ignorieren, das habe ich so nicht vorhergesehen. an einem sonnigen<br />

Februartag sitze ich mit Karin Schneider, Friedemann Derschmidt und der<br />

Gruppe parrhesia in Nazareth, wir besprechen das Wiener projekt. parrhesia hat<br />

2006 in zwei ehemals arabischen vierteln in Jaffa und Jerusalem die Straßenbeschriftung<br />

wieder um arabische Zeichen ergänzt, das arabische dort wieder<br />

in den öffentlichen raum gestellt, wo es zum verschwinden gebracht worden<br />

war. Jetzt gilt es, diese arbeit nach Wien zu transportieren, sie so abzuwandeln<br />

und umzubauen, dass sie hier funktioniert, Sinn ergibt. Die Diskussion wirkt noch<br />

ein paar Tage in mir nach, vor allem beschäftigt mich die Frage, wie sich das<br />

projekt in einem raum verändern wird, in dem das Hebräische nicht hegemonial<br />

ist, nicht die dominante Kultur anzeigt. in israel ist es das Hebräische, das<br />

dem arabischen raum gewährt. in Wien, in Österreich, in Europa werden beide<br />

Sprachen, beide Zeichentypen fremd sein. Wie wird sich das auf das Hebräische<br />

auswirken, wie auf die Dynamik der Gruppe, die sich aus palästinensischen und<br />

jüdischen mitgliedern zusammensetzt? Wie werden die jüdischen israelis darauf<br />

158 OVERLAPPING VOICES<br />

reagieren, dass sie in Wien nicht mehr zu denjenigen gehören, die raum gewähren,<br />

sondern zu denjenigen, denen raum gewährt wird? Werden die palästinensischen<br />

Künstler in Wien noch diejenigen in der Gruppe sein, denen etwas<br />

zugestanden wird? Oder werden sie sich auf demselben Niveau der Fremdheit<br />

befinden wie ihre jüdischen Kollegen? Welche rolle werde ich als deutschsprachige<br />

Österreicherin in dieser Konstellation bekommen? als diejenige, in deren<br />

Sprache nun übersetzt wird, so wie bisher das arabische ins Hebräische übersetzt<br />

wurde? als diejenige, die die gewährenden Österreicher in der Gruppe vertritt?<br />

Für einen programmflyer formulieren wir gemeinsam den Satz: „Das projekt<br />

stellt die Tendenz der westlichen Welt in Frage, sowohl arabische als auch<br />

hebräische Sprache und Kultur als Bedrohung aufzufassen.“ und am Ende stellt<br />

sich heraus: Es ist nicht wahr. Die Bedrohung ist und bleibt das arabische. Das<br />

Hebräische ist auch in Wien dem arabischen nicht gleichgestellt, wird auch hier<br />

nicht zur Bedrohung, es verschwindet vielmehr. Es ist das Historische. Das zum<br />

verschwinden Gebrachte. Es ist keine Bedrohung mehr, weil es bereits abgehakt,<br />

fertig gemacht ist. Es ist und bleibt am rand, weil es nicht einmal mehr bei<br />

der Bürgerinitiative Dammstraße angst auszulösen vermag. und das ist der moment,<br />

wo sogar ich mich ängstige, weil alle meine Fragen damit sinnlos zu werden<br />

scheinen. Es bleibt scheinbar alles beim alten, alles, wie es ist.<br />

Eine Gruppe jüdischer und palästinensischer Künstler aus israel plant, arabische<br />

und hebräische Schriftzeichen im öffentlichen raum in Wien anzubringen.<br />

Graffiti. „Dafür eine Genehmigung zu bekommen wird sicher kompliziert“,<br />

sage ich zu parrhesia in israel, und sie staunen darüber nicht<br />

schlecht. Wie in vielen europäischen Städten gehören die Schablonengraffiti<br />

an Hauswänden und pfeilern in Tel aviv und Jerusalem zum alltäglichen Straßenbild.<br />

Die wenigsten dieser Graffiti sind Kunst, manche werben einfach<br />

nur für die party am nächsten Donnerstag, andere illustrieren politische parolen<br />

und wieder andere sollen einfach nur schön sein. Das geht in Wien<br />

selbstverständlich nicht. auch nicht auf Elektrokästen?, fragen die israelis.<br />

Nein, da müsste man die ma 33 fragen. aber vielleicht auf dem Gehsteig?<br />

Wir stellen schließlich bei der ma 28 einen „antrag auf Gestaltungserlaubnis“.<br />

in einem Telefonat erfahre ich, dass die Straßenverwaltung grundsätzlich<br />

gegen Bodenmarkierungen ist, wegen der Stolpergefahr. auf der mariahilfer<br />

Straße wurden von der ma 48 Hinweispfeile zu den mistkübeln auf dem<br />

Gehsteig angebracht. Die lässt die ma 28 nun wieder entfernen, denn wenn<br />

es jemanden aufhaut, dann sind sie haftbar. So sind nun also die Bemühungen<br />

der einen magistratsabteilung, die passanten davor zu schützen, auf<br />

einer weggeworfenen Bananenschale auszurutschen, durch die Bemühungen<br />

der anderen magistratsabteilung zunichte gemacht, die passanten nicht über<br />

die Hinweispfeile zu den mistkübeln stolpern zu lassen. Das alles fügt sich<br />

trefflich zu den plakaten, die das magistrat auf den Elektrokästen und lichtmasten<br />

affichieren lässt, auf denen zu lesen ist: „plakatieren verboten“.<br />

Fraglich ist nur, ob nicht das anliegen der ma 48 das höhere Gut ist, denn<br />

es dient gleichzeitig der vermeidung des ausrutschens und der Sauberkeit.<br />

und die vermeidung von „lärmbelästigung, abgasbelastung, verschmutzung<br />

und parkplatznot“ ist ja bekanntlich das, was uns kulturell vom Tschuschen<br />

trennt. arabische Zeichen auf dem Gehsteig sind in dieser Hinsicht sicher<br />

der Gipfel der verschmutzungsgefahr. Never mind the message. man darf<br />

angst haben. und man darf gespannt sein, ob es uns gelingen wird, auf diesem<br />

Weg das Ende des abendlandes herbeizuführen.<br />

Ursula Hofbauer<br />

DI Ursula Hofbauer ist Künstlerin und architektin in Wien und hat in verschiedenen<br />

Kunst- und ausstellungsprojekten im und mit dem öffentlichen<br />

raum gearbeitet, unter anderem: „Strange views“, ausstellung im Wiener<br />

prater mit Bodenbeschriftung (1999), „permanent Breakfast“, das immerwährende<br />

Frühstück im öffentlichen raum (1999–2005), Weinverkostung<br />

mit Obdachlosen unter der Schwedenbrücke (2002) und mehrere Kunstprojekte<br />

mit Flüchtlingen (2004–2006). vorträge, publikationen und Stadtspaziergänge<br />

zu „permanent Breakfast“, Gender und öffentlichem raum<br />

und Wiener Wahrzeichen. Widmet sich entschieden allen Fragen des öffentlichen<br />

raums, seiner demokratischen Nutzung und aneignung und<br />

der daraus resultierenden Gestaltung.


“throuGh LanGuaGe” in Vienna<br />

a COllaBOraTiON BETWEEN parrHESia, ZOCHrOT aND<br />

urSula HOFBauEr<br />

“Through Language” in vienna is a public art project, a visual dictionary and<br />

site-specific glossary alternating between arabic, German and Hebrew.<br />

The project was carried out in two places in israel – in Jerusalem and in Jaffa<br />

– employing arabic and Hebrew transcriptions and translations. it was a response<br />

to the widespread practice of israeli extremists who erase the arabic<br />

language from street signs, using stickers or spray paint, and to the state<br />

practices of palestinian cultural oppression through marginalizing and under-privileging<br />

arabic, an official language in israel. The arabic words constitute<br />

keys to stories, memories, hopes and fears, that are for the most part<br />

heard only inside private homes, without having a presence in the public<br />

sphere or its discourse. The idea is to allow arabic a presence in our public<br />

life. We would like to promote the cultural presence of the palestinian citizens<br />

of israel, the native people and culture upon whose destruction our state<br />

is built, and to express our wish to become culturally integrated in the middle<br />

East.<br />

Giving the arabic and the Hebrew languages appearance in the public sphere<br />

in Europe may evoke questions relating to the presence of our cultures within<br />

Europe.<br />

We hope to question tendencies of the Western world, in the past and in the<br />

present, to perceive the arabic and Hebrew languages and culture as threats<br />

and thus refer to the constant uprising of xenophobia and anti-Semitism in<br />

Europe. The project “Through language” also proposes language and culture<br />

as an arena for listening and engaging in dialogue with the other. “augarten<br />

Stadt” in vienna was not chosen by chance; as “verlorene insel (lost island)”<br />

it was the main scene of Jewish displacement in 1938 – and as a site of new<br />

migration, it is the space of current conflicts between populism, xenophobia<br />

and muslim self-assertion.<br />

“Through Language” was first presented in august 2006, in the framework of<br />

the exhibition “Neighborhood Works” (Curated by the Sala-manca group), in<br />

the German Colony neighborhood of Jerusalem. The project’s second presentation<br />

was in Jaffa, where it was curated by the “ayam” artist group, with<br />

the support of the Tel aviv-Jaffa municipality’s Culture & arts Division, Department<br />

of arts; The israeli Center for Digital art, Holon; and The New israel<br />

Fund.<br />

Parrhesia is a group of educators, social activists and artists (from the fields<br />

of graphic and industrial design, cinema, photography, video and fine art)<br />

who are engaged in israel’s civil society. The group collaborates with organizations<br />

for social change and community activists – in addition to working independently<br />

in the public sphere.<br />

Zochrot [“remembering”] is a group of israeli citizens working to raise awareness<br />

of the Nakba, the palestinian catastrophe of 1948. Zochrot endeavors<br />

to make the history of the Nakba accessible to the israeli public, so as to engage<br />

Jews and palestinians in an open recounting of their painful common<br />

history. Zochrot hopes that by bringing the Nakba into Hebrew, the language<br />

spoken by the Jewish majority in israel, they can make a qualitative change<br />

in the political discourse of this region. acknowledging the past is the first<br />

step in taking responsibility for its consequences. This must include equal<br />

rights for all the peoples of this land, including the right of palestinians to return<br />

to their homes.<br />

Parrhesia and Zochrot are engaged in an ongoing process of collaboration –<br />

the publication of Sedek, a magazine about the ongoing Nakba. its first two<br />

issues can be viewed in the following links: http://parrhesia.org/sedek2.pdf,<br />

http://www.parrhesia.org/sedek.pdf<br />

We thank aktionsradius Wien at Gaussplatz (www.aktionsradius.at) for a lot<br />

of valuable information, their hospitality and straightforward support.<br />

about the ConfLiCt<br />

The entire city is scared. Different departments of the municipality have different<br />

fears. Street administration for example is afraid that pedestrians could stumble.<br />

Some inhabitants of the 20th district are afraid that a planned mosque could<br />

bring too much traffic into the neighbourhood. Some of them are also afraid of<br />

turning into strangers in their own country. The district’s administration is afraid<br />

that people living in the area could not understand everything happening in their<br />

streets. That art could irritate, even unsettle someone.<br />

a group of Jewish and palestinian artists from israel is planning to apply writings<br />

in arab and Hebrew in vienna’s public spaces. The streets of the Brigittenau<br />

district are to show a street dictionary, a site-specific glossary. The<br />

opportunity to enjoy the beauty of the arabic and Hebrew languages will be<br />

offered to the inhabitants and the visitors of a museum of modern art. On<br />

sidewalks and in shop windows of local merchants, everyday items will be labelled.<br />

Translation and phonetics in German included. “What is it good for?”,<br />

the Egyptian Deli asks me, and i answer: “So that we finally learn not only to<br />

spell Holocaust and Jihad in these languages, but also tomato, ice cream and<br />

phone box.” “Okay”, says the grocer and wants the word for ice cream to be<br />

written on his window. “in arabic they say gelati” he adds, and that he thinks<br />

it is about peace somehow. He is one of the few i meet in preparation for the<br />

project who is not frightened. The seamstress a few doors down the street<br />

has an uncanny feeling about writings in front of her door. “i know the austrians<br />

by now” she says, and: “i have experienced too much”. She left her<br />

hometown in former Yugoslavia, when her house was under heavy bombardment.<br />

i understand that her economic survival is at risk. She could lose her<br />

austrian customers. and when she points at the arab writing in my map and<br />

says that she is muslim, i also understand that she fears to be mistaken for<br />

someone wearing the headscarf as a signal.<br />

The owner of a house, whose facade we would like to use, asks for different<br />

languages. Tibetan for example, that would be a current conflict. One should<br />

not always get caught in the historical. i think that it is a good idea, but a<br />

completely different project also. Some others wish for different words to be<br />

used, like peace, friendship or love. Everyone is pro universal peace. But how<br />

to achieve that? a local politician explains it to me: “We in austria have fortunately<br />

found a way to keep the peace between the many ethnic groups living<br />

here. Not all the peoples in the world are able to do so.” The perception<br />

of the israeli-palestinian conflict as an ethnic squabble in the next neighbourhood<br />

astonishes me. For some ten minutes i want to get out of here. On one<br />

hand, because my allergy to the proverbial conflict avoidance of the viennese,<br />

which i believed i’d healed, is returning. On the other hand, because<br />

it is exhausting to watch how efforts are made to bring all conflicts to vanishing<br />

point, over and over again – and in the end it seems a big surprise that<br />

the very same conflicts are resurrected sooner or later, like ghosts out of their<br />

graves in a horror movie. What’s responsible for this, we ask ourselves with<br />

friends over a cup of coffee. Where does this conflict avoidance come from?<br />

“metternich”, i say. i could add “the austrian social partnership”, or “high<br />

mountains”, but the truth is: it is an open question.<br />

On the level of signs it is only the arabic that scares people. They hardly recognise<br />

the Hebrew in our sketches for the writings, it stays apart, marginal.<br />

Hebrew is what the house owner with sympathies for Tibet called “the historic”.<br />

it still exists in micro-elements in some parts of the public in the second<br />

district, but it does not cross the threshold of everyday attention any more. it<br />

is the past, the long ago, the deceased that has no more meaning. The arab<br />

signs stand for the topical, ongoing conflict, the newsworthy, for the mosque<br />

built on the Dammstrasse in the 20th district, for the fear of alienation and<br />

unsolved problems. The citizens’ committee against the mosque expresses<br />

their fear of “noise pollution, vehicle emissions, dirt contamination and a lack<br />

of parking space” due to the amount of people expected to visit the mosque.<br />

The racist attribution of noise and dirt to migrants is highly problematic. Yet<br />

i understand the wish to be heard with one’s concerns by politics and by po-<br />

159


liticians, even if this concern thwarts the ambition of instant harmonisation,<br />

and however disagreeable or inconvenient it may be. “We had to face the fact<br />

that the often emphasised democracy – the citizen’s right to a say in a matter<br />

– is only valid if it is not troublesome in politically problematic domains of<br />

decision” the citizens’ committee declares. if living together is not that harmonious<br />

– should this not be noticed first and foremost? Should not every<br />

existing position in this matter have a voice? administration and politics would<br />

surely appraise it as more comfortable if the problems simply did not exist.<br />

if the Turks would return to Turkey and the austrian inhabitants would stay<br />

in front of their Television, eating potato chips, watching football and drinking<br />

beer. if both parties would simply vanish. if the job was finished before it was<br />

begun.<br />

a few blocks further, at augarten baroque park, several user groups and citizens’<br />

committees – amongst others the renowned Filmarchiv – were promised<br />

that there would be a guiding concept for the entire park and its use, prior to<br />

a decision on what to build in its southern section. The minister for Economic<br />

affairs overrode this process of civic participation with an autocratic gesture<br />

and made his decision in favour of a concert hall for the viennese Sängerknaben,<br />

and against a planned cultural centre for films. all this before the<br />

guideline was established. in support of the concert hall a part of the historic<br />

buildings in the park is to be demolished. maybe there will be a plaque<br />

on the wall of the augarten, teaching us how to spell “demolishion” in embellished<br />

arabic characters, or the word “monument preservation” with<br />

straight Hebrew signs.<br />

a group of Jewish and palestinian artists from israel plans to apply writings<br />

in arabic and Hebrew in public spaces in vienna. With translation in German.<br />

The viennese being scared of the arabic but ignoring the Hebrew – i didn’t<br />

expect that to happen. On a sunny day in February i am sitting in Nazareth<br />

with Karin Schneider, Friedemann Derschmidt and the parrhesia Group, we’re<br />

discussing the project in vienna. in two former arab neighbourhoods in Jaffa<br />

and Jerusalem, parrhesia has added arabic signs in the street and on road<br />

signs, brought back the arabic language into the public domain, where it had<br />

been obliterated. Now the point is to carry the project forward to vienna, to<br />

modify it in a way that works and makes sense. The discussion has an effect<br />

on my thoughts for several days. Foremost i am thinking about how the project<br />

will change in an environment where Hebrew is not predominant, not signifying<br />

the dominant culture. in israel it is Hebrew granting space to the<br />

arabic language and signs. in vienna, in austria, in Europe, both languages,<br />

both types of characters will be alien. What implications will that have for the<br />

Hebrew, for the dynamics of a group composed of palestinian and Jewish<br />

members? How will the Jewish artists react, if they feel that in vienna they<br />

are no longer the granting party? Will the palestinian artists still feel they are<br />

the ones that receive concessions? Will they be at the same level of alienation<br />

as their Jewish colleagues? What will be my part as a German-speaking<br />

austrian? as the one into whose language the signs now will be translated, in<br />

the way arabic was formerly translated into Hebrew. as the one representing<br />

the “granting” austrians in the group? Together we find a wording for a programme<br />

flyer: “The project questions the tendency of the Western world to<br />

perceive the arabic and Hebrew languages and cultures as a threat”. and in<br />

the end it turns out to be simply not true. The threat is and stays the arabic<br />

language and the arabic signs. Hebrew is not co-equal, not even in vienna.<br />

it is not a threat at all, rather it disappears. it is the historic element, the matter<br />

that vanishes. it is no menace any more, because it is already checked<br />

off, finished. it is marginalised, it does not even scare the Dammstrasse citizens’<br />

committee any more. and that is the moment when even i get scared,<br />

because all of my questions seem to become senseless. apparently everything<br />

remains unaffected, stays as it is.<br />

a group of Jewish and palestinian artists from israel plans to apply writings<br />

in arabic and Hebrew in public spaces in vienna. With translation in German.<br />

Graffitis. “To get permission therefore will be tricky”, i tell parrhesias in israel,<br />

and they are flabbergasted. like in many European cities, stencil graffi-<br />

160 OVERLAPPING VOICES<br />

tis on the walls and in the streets are common in Tel aviv and Jerusalem. Few<br />

of them are thought of as being art, some simply announce the party to be<br />

given next Thursday, some are illustrating political slogans, some may simply<br />

be beautiful. This is not possible in vienna, of course. “Not even on junction<br />

boxes?”, the israelis ask? No, we would have to ask the city’s electricity<br />

department, ma 33. But maybe on sidewalks? Finally, we write a letter of application<br />

to the street administration, ma 28, asking for a so-called “Gestaltungserlaubnis”.<br />

in a telephone call i learn that the municipality disapproves<br />

of signs on sidewalks in principle, due to the risk of people stumbling. On<br />

mariahilferstrasse, a big shopping street in the city centre, the municipal<br />

waste disposal department, ma 48, has applied arrows on the sidewalks,<br />

pointing to the garbage bins. ma 28 now removes these arrows, because of<br />

the department’s responsibility if someone stumbles. So the efforts of one department<br />

to avoid pedestrians slipping on a thrown-away banana skin are<br />

undone by another department, due to the risk that pedestrians could stumble.<br />

This fits perfectly with the placards which the municipality sticks on junction<br />

boxes and lamp posts all over the city, saying: “placarding forbidden”.<br />

it is debatable whether the waste disposal department’s concern is not in fact<br />

mandatory, because it makes for pedestrians’ safety and tidiness at the same<br />

time. and avoiding “noise pollution, vehicle emissions, dirt contamination<br />

and a lack of parking space” is after all what distinguishes us culturally from<br />

the camel drivers. arabic signs on the sidewalks in this sense are for sure the<br />

epitome of potentially dangerous contamination. Never mind the message.<br />

One may be afraid. and one may wonder whether we will succeed in effectuating<br />

the end of Western civilization this way.<br />

DI Ursula Hofbauer is a vienna-based artist and architect, who has been working in and with public<br />

space in several exhibitions and art projects, amongst others: “Strange views” (1999), exhibition project<br />

in the vienna prater with lettering on sidewalks, “permanent Breakfast” (1999-2005), the everlasting<br />

breakfast in public space, Wine tasting with homeless people under a viennese Bridge (2002) and art<br />

projects with refugees (2004-2006). various lectures, publications and guided tours about the permanent<br />

Breakfast project, gender and public space and viennese landmarks. Thoroughly dedicated to all<br />

questions of democratic use and appropriation of public space and resulting designs.


PARRHESIA THrOuGH laNGuaGE, 2008<br />

161


162 OVERLAPPING VOICES<br />

PARRHESIA uNTiTlED, FrOm THE prOJECT THrOuGH laNGuaGE, iSraEl, 2006<br />

PARRHESIA aDvErTiZmENT, FrOm THE prOJECT THrOuGH laNGuaGE, iSraEl, 2006


PARRHESIA THrOuGH laNGuaGE, viENNa, 2008<br />

installation view Essl museum<br />

163


PARRHESIA THrOuGH laNGuaGE, viENNa, 2008 (S. / p. 164/165)<br />

SprÜHaKTiON, 20. BEZirK, 14. mai / SpraYiNG, 20TH DiSTriCT, 14 maY<br />

165


PARRHESIA THrOuGH laNGuaGE, viENNa, 2008 (S. / p. 166/169)<br />

SprÜHaKTiON miT BESuCHErBETEiluNG uND GEFÜHrTEm ruNDGaNG, 20. BEZirK, 17. mai<br />

SpraYiNG WiTH viSiTOr aTTENDaNCE aND GuiDED TOur, 20TH DiSTriCT, 17 maY<br />

167


PARRHESIA THrOuGH laNGuaGE, viENNa, 2008 (S. / p. 170/171)<br />

SprÜHpErFOrmaNCE, 1. BEZirK, 17 mai / SpraYiNG pErFOrmaNCE, 1ST DiSTriCT, 17 maY<br />

171


friedeMann dersChMidt und Karin sChneider<br />

friedemann derschmidt 1967 born in salzburg, a<br />

Lives and works in Wien, a<br />

Karin schneider 1969 born in Wien, a<br />

Lives and works in Wien, a<br />

ritesinstitute<br />

friedeMann dersChMidt<br />

education:<br />

universität für angewandte Kunst Wien, Wien, a<br />

Karin sChneider<br />

education:<br />

Studium der Geschichte / study of history,<br />

universität Wien, Wien, a<br />

seLeCted exhibitions and ProjeCts:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian<br />

artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />

(Group)<br />

2008 “reactivate!! – adapted Spaces and the minimal<br />

intervention”, Espai d’art Contemporani de<br />

Castellón, Castelló, E (Group)<br />

2007 – 2008 “instant urbanism” – DaC Danish<br />

architecture Centre; København, DK /<br />

Schweizerisches architekturmuseum Basel, CH<br />

(Group)<br />

2005 – 2008 Exchange and Networkproject israel –<br />

austria and roma association Gipsyradio, a<br />

2004 “permanent breakfast – raumordnungen”,<br />

Kunsthalle Wien, Wien, a (Solo)<br />

1999 “Komm und sieh rudyn – Geschichten eines<br />

Tänzers aus Wien”, documentary a1999 80 min<br />

pal, Diagonale 99, Graz, a<br />

“strange views – on the trace of ethnografic shows<br />

in the viennese prater” (Karin Schneider), Wien, a<br />

1996 – 2008 “permanent breakfast – the continually<br />

ongoing breakfast in the open space”,<br />

international, www.permanentbreakfast.org<br />

172 OVERLAPPING VOICES<br />

artist stateMent<br />

this PLaCe<br />

Die interviews zu „THiS plaCE“ sind in Jerusalem, Tel aviv, Beit Neqofa, Kufur<br />

Yasif und Bethlehem teilweise im Sommer 2007, mehrheitlich jedoch im<br />

Februar 2008 entstanden. Die rauminstallation dient sowohl der Darstellung<br />

unseres persönlichen Zugangs zum Thema als auch der veranschaulichung<br />

der von uns erlebten vielschichtigkeit. allein wenn man dieser kleinen Gruppe<br />

meist mit uns befreundeter Bewohner israels beziehungsweise palästinas<br />

(nur der palästinensisch-österreichische musiker marwan abado lebt in<br />

Wien) zuhört, kann man spüren, wie unterschiedlich der Zugang zum land<br />

ist und wie verschieden das Narrativ. Jede Erzählung ist für sich genommen<br />

stimmig, hört man die Stimmen zueinander, beginnen die Dinge ungemein<br />

kompliziert zu werden. um die gesamten interviews zu hören, benötigt man<br />

etwa 13 Stunden. DvDs der interviews sind erhältlich.<br />

Das Kunstprojekt ritesinstitute ist eine unabhängige Einrichtung der freien<br />

lehre, Erforschung und produktion von assoziationen, Denkvarianten, Ereignissen<br />

und Handlungen. Wir fragen dabei, wie identitäten hergestellt werden.<br />

Wir legen das augenmerk auf die Berührungspunkte unterschiedlicher zueinander.<br />

Wir untersuchen und bearbeiten Bilder. Wir unterlaufen und setzen<br />

aktionen. Wir begehen, eröffnen und beforschen Grenzen. Wesentliche methode<br />

ist dabei die Schaffung internationaler und a-nationaler verbindungen<br />

zwischen Künstlerinnen und Künstlern, aktivistinnen und aktivisten sowie Theoretikerinnen<br />

und Theoretikern.


this PLaCe<br />

The interviews for “THiS plaCE” were conducted in Jerusalem, Tel aviv,<br />

Beit Neqofa, Kufur Yasif, and Bethlehem; some took place in the summer<br />

of 2007, the majority in February of 2008. The spatial installation serves<br />

both to present our personal approach to the issues and to illustrate the<br />

complexity we experienced. listening only to this small group of israelis and<br />

palestinians (with the sole exception of the palestinian-austrian musician<br />

marwan abado, who lives in vienna) – most of them are our friends – one<br />

can get a sense of how different the approaches to this land are, how different<br />

the narratives. Every individual story makes perfect sense; once one<br />

hears the <strong>voices</strong> as an ensemble, things begin to get extraordinarily complicated.<br />

it takes about 13 hours to hear all interviews in their entirety. The<br />

interviews are available on DvD.<br />

The art project ritesinstitute is an independent institution devoted to free education,<br />

research, and the production of associations, variant ideas, events,<br />

and actions. We inquire into the production of identities. We focus on the<br />

points of contact between what is different. We examine and manipulate imagery.<br />

We subvert and posit actions. We inspect, open, and research borders.<br />

Our central method in this context is the creation of international and a-national<br />

connections between artists, activists, and theorists.


174 OVERLAPPING VOICES<br />

KARIN SCHNEIDER, FRIEDEMANN DERSCHMIDT THiS plaCE, 2008 (S. / p. 173, 175)


175


yoaV Weiss<br />

1968 born in jerusalem, israel<br />

Lives and works in tel aviv, israel<br />

eduCation and aWards:<br />

2004 – 2005 artist in the Community award, ministry of<br />

Education and Culture, israel<br />

2003 Bezalel art academy / Hebrew university, israel,<br />

master of Fine arts<br />

2000 universita delle idée, Biella, i<br />

1989 Bachelor of Fine arts, rhode island School of<br />

Design, uSa<br />

seLeCted exhibitions and ProjeCts:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian<br />

artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />

(Group)<br />

2006 “mini israel”, israel museum, Jerusalem, israel<br />

(Group)<br />

2005 “Neighbourhood Work”, street performance,<br />

Jerusalem, israel (Group)<br />

2001 “art.comm”, The Jerusalem Science museum,<br />

Jerusalem, israel (Group)<br />

1999 “Eser Etzbaot in the Kibbutz”, Nachshon Gallery,<br />

Kibbutz Nachshon, israel (Solo)<br />

1997 “Home”, anadiel Gallery, Jerusalem, israel<br />

(Group)<br />

176 OVERLAPPING VOICES<br />

artist stateMent<br />

buytheWaLL.CoM<br />

buythewall.com freut sich, ausgewählte Stücke der Barriere anbieten zu<br />

können, die zwischen israel und dem besetzten Westjordanland (auch unter<br />

der Bezeichnung Judäa und Samaria bekannt) gebaut wird.<br />

Zunächst ein paar historische Fakten: im Jahr 1961 errichtete das kommunistische<br />

Ostdeutschland eine mauer zwischen dem eigenen Staatsgebiet<br />

und Westberlin, um seine Staatsbürger davon abzuhalten, sich abzusetzen.<br />

Diese mauer wurde zu einem Symbol der von kommunistischen regimes<br />

in Osteuropa ergriffenen verfolgungsmaßnahmen.<br />

1989 wurde die mauer von Tausenden protestierenden menschen niedergerissen.<br />

Trotz jahrelanger sozialistischer indoktrination besaßen einige von<br />

ihnen genügend unternehmergeist, um Stücke dieser mauer als Souvenirs<br />

an Touristen zu verkaufen. Winzige Stücke erzielen heute preise von zwei<br />

bis fünf Dollar.<br />

Die mauer zwischen israel und den besetzten Gebieten ist bereits zum Symbol<br />

des palästinensischen ringens um Befreiung von der Besetzung durch<br />

israel geworden, aber auch zum Symbol für israels Kampf gegen den Terrorismus.<br />

Die Stücke werden nach dem abbau der mauer – sie wurde ja<br />

von israel bereits als temporäre maßnahme bezeichnet – sicherlich zu hoch<br />

begehrten Sammlerstücken. außerdem ist die mauer ebenso wie die Berliner<br />

mauer bereits mit Graffiti übersät, einige davon von anerkannten Künstlern.<br />

man sollte bedenken, dass in dieser Weise verzierte Teile der Berliner<br />

mauer als erste weggingen und die höchsten preise erzielten.<br />

Die mauer besteht aus acht meter hohen Fertigbetonteilen, die dafür ausgelegt<br />

sind, einer panzerabwehrrakete standzuhalten. Sie eignen sich für<br />

den Gebrauch als Tischplatte, Skulptur, Briefbeschwerer, Sitzbank oder ganz<br />

allgemein als Genrebild. Erhältlich bei buythewall.com zu nur 15 Euro das<br />

Stück in Größen von 0,5 bis zwei Quadratmetern.<br />

Besuchen Sie buythewall.com und erwerben Sie ihr eigenes mauerstück!


YOAV WEISS al aZaria, 2007<br />

buytheWaLL.CoM<br />

buytheWall.com is pleased to offer choice pieces of the barrier being built<br />

between israel and the occupied West Bank (a.k.a. Judea and Samaria).<br />

First, a little history: in 1961 Communist East Germany erected a wall between<br />

itself and West Berlin to keep its citizens from defecting. This wall became a<br />

symbol of the persecution inflicted by the Communist regimes of Eastern<br />

Europe.<br />

in 1989, thousands of protestors tore that wall down. Despite years of socialist<br />

indoctrination, a few of them were entrepreneurial enough to market pieces of<br />

the wall to tourists as souvenirs. Tiny chunks sell today for 2-5 Dollars apiece.<br />

The separation barrier between israel and the occupied-territories has already<br />

become a symbol of the palestinians’ struggle for freedom from israeli occu-<br />

pation as well as of israel’s battle to prevent terrorism. pieces of the wall are<br />

sure to become highly desirable souvenirs when israel, which has acknowledged<br />

that the wall is temporary, eventually dismantles it. moreover, like the<br />

Berlin wall, it is already covered with graffiti, some of them by established artists.<br />

it is worth noting that those sections of the Berlin wall that were so decorated<br />

were the first to sell and fetched the highest prices.<br />

The wall consists of pre-cast concrete sections 8 meters high designed to<br />

withstand an anti-tank missile. They are suitable for use as tabletops, sculptures,<br />

paperweights, benches, and generally as conversation pieces. They<br />

can be yours from buythewall.com at only 15 Euros a piece in sizes ranging<br />

from half a square meter to two square meters.<br />

So enter buythewall.com and buy your piece of The Wall!<br />

177


178 OVERLAPPING VOICES<br />

YOAV WEISS bUytHewall.com, 2008 (s. / p. 178 – 181)<br />

EiN STÜCK WEiT KuNST<br />

EiN STÜCK SiCHErHEiT<br />

EiN STÜCK GESCHiCHTE


179


installation view Essl museum


osaMa Zatar<br />

1980 born in ramallah, Palestine<br />

Lives and works in ramallah, Palestine and berlin, d<br />

eduCation and aWards:<br />

2005 Studied stone sculpting by paul Taylor and<br />

worked as a studio assistant<br />

seLeCted exhibitions and ProjeCts:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian<br />

artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />

(Group)<br />

2007 “Kalimat” (Words), the ramallah Othman Court<br />

and the Bethlehem university (Group)<br />

2006 – 2007 “Offering reconciliation”, travelling exhibition<br />

by the israeli-palestinian Forum of Bereaved<br />

Families for peace (Group)<br />

2006 “in Solidarity with Gaza & lebanon”, organized<br />

by palestinian association for Contemporary art<br />

(Group)<br />

182 OVERLAPPING VOICES<br />

artist stateMent<br />

ich wurde 1980 im besetzten palästina geboren. Grenzen, militärkontrollpunkte<br />

und das Gefühl des Eingesperrtseins haben mich mein gesamtes leben begleitet<br />

und wurden natürlich auch zum zentralen Thema meiner künstlerischen<br />

Tätigkeit.<br />

mein persönlicher Kampf gegen Grenzen hat sich in den letzten Jahren intensiviert.<br />

meine Ehe mit einer israelin hat deutlich gezeigt, wie tief die Trennung<br />

zwischen palästinensern und israelis geht. mein persönlicher Kampf, um diese<br />

Grenzen niederzureißen und palästina zu verlassen, hat mich dazu veranlasst,<br />

meine künstlerische arbeit als mittel zur Kommunikation mit meiner umgebung<br />

und als Sprachrohr gegen diese mächte zu verwenden.<br />

Die Skulpturen für dieses projekt haben ein Hauptthema: den Kampf des Einzelnen<br />

im Bemühen, seine umwelt zu verändern. ich habe mich dafür entschieden,<br />

in jeder arbeit Objekte und Werkstoffe aus meiner eigenen umgebung<br />

zu verwenden, um die verbindung zu meiner Herkunft und meinen<br />

Wurzeln zu unterstreichen.<br />

ich sehe meine arbeiten als reflexion meines lebens. manchmal als reflexion<br />

meiner selbst, manchmal als reflexion dessen, was ich als unbeteiligter<br />

gesehen oder erlebt habe. Die Stellung des individuums in seiner Heimat,<br />

seiner Kultur und Gesellschaft drückt sich aus im Kampf gegen restriktionen<br />

persönlicher oder allgemeiner Natur.<br />

i was born in 1980 in occupied palestine. Borders, checkpoints and the feeling<br />

of being caged have been a constant experience throughout my life and naturally<br />

became a main subject of my artistic work.<br />

my personal struggle against borders increased in recent years. my marriage to<br />

an israeli woman highlighted how separated and segregated palestinians and<br />

israelis are from each other. my personal fight to break those borders and my<br />

struggle to leave palestine have driven me to concentrate on my artistic work, as<br />

a tool of communication with my surroundings, to speak out against these forces.<br />

The sculptures presented in this project have one main theme: the struggle of<br />

the individual in changing surroundings. i have chosen to mix objects and material<br />

from my own environment within each work in order to emphasize the<br />

connection with my origin and roots.<br />

i see my works as reflections of my life. Sometimes a reflection of myself, sometimes<br />

as reflections of what i have observed and experienced as a bystander.<br />

The place of the individual in his home, in his culture and in his society is expressed<br />

through struggle against restrictions, whether personal or general.


OSAMA ZATAR TraDiTiONS, 2007<br />

183


184 OVERLAPPING VOICES


OSAMA ZATAR DEaF, DumB aND BliND, 2007<br />

OSAMA ZATAR liFE aND DEaTH BY THE TONGuE, 2007<br />

OSAMA ZATAR THE lEaDEr, 2007<br />

185


186 OVERLAPPING VOICES<br />

OSAMA ZATAR THE CiTiZEN, 2007


OSAMA ZATAR priCE OF rEvOluTiON, 2007<br />

187


188 OVERLAPPING VOICES<br />

OSAMA ZATAR TWO SiDES OF THE (SEpEraTiON) Wall, 2007


OSAMA ZATAR G´aZal, 2007<br />

189


Manar Zuabi<br />

1964 born in nazareth, israel<br />

Lives and works in nazareth, israel<br />

eduCation:<br />

2003 mFa courses at Haifa university, Haifa, israel<br />

1999 Ba in Fine arts at Haifa university, Haifa, israel<br />

1987 BEd in physical Education at Wingate institute,<br />

israel<br />

seLeCted exhibitions and ProjeCts:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian<br />

artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />

(Group)<br />

2007 The Birzeit Ethnographic and art museum<br />

(Group)<br />

“in Between”, al Hoash Gallery, Jerusalem, israel<br />

2006 “Deconstruction”, passage project, Tmuna<br />

Theater, Tel aviv, israel (Solo)<br />

“Czhechpoint”, international Exhibition Festival of<br />

political art, C2C Gallery, Nod-Gallery, praha, CZ<br />

(Group)<br />

“in Between”, video Dance Festival, Tel aviv,<br />

israel (Group)<br />

“london palestine Film Festival”, london, GB<br />

(Group)<br />

2005 – 2006 “Suitcase”, pyramida Center for<br />

Contemporary art, Haifa, israel (Group)<br />

pascal Carp Gallery, Bruxelles, B<br />

Kunsthallen Brænderigården, viborg, DK<br />

Kieleckie Centrum Kultury, Kielce, pl<br />

2003 – 2004 “in Between”, passage project, Tmuna<br />

Theater, Tel aviv, israel (Solo)<br />

2000 “Soft iron, Hard Wool”, Beit-Hagefen, Haifa, israel<br />

(Solo)<br />

190 OVERLAPPING VOICES<br />

artist stateMent<br />

bidoun...<br />

ich zeichne illusionistische landkarten; die landschaften existierten nie und<br />

werden nie existieren. Die landkarten entwickelten sich, als ich die Bilder<br />

in meinem Familienalbum durchsah, die Teil einer Erinnerung an die vergangenheit<br />

werden, die ich nie wieder erleben kann.<br />

Wenn der Betrachter zum ersten mal die landkarten studiert, könnte er verschiedene<br />

Formen des menschlichen Körpers identifizieren, Formen, die<br />

die Tatsache betonen, dass die linien der landkarten sich aus der menschlichen<br />

Geschichte ergeben, die von Opfern der menschlichen Humanität<br />

geprägt wurde.<br />

ich zeichne die landkarten, indem ich Tausende von Haarnadeln in die<br />

Wände steche, die Haarnadeln sind wie eine invasion des gesamten raumes.<br />

Die invasion scheint unkontrollierbar zu sein, und die Wände sehen aus,<br />

als würden sie frösteln.<br />

bidoun...<br />

The maps that i draw are illusory; they have never been and will never be.<br />

The maps emerged while i was looking through the pictures in my family album,<br />

which become part of a memory from the past that i could never go<br />

through again.<br />

as the viewer examines the maps for the first time, he/she could identify different<br />

shapes of the human body, shapes that stress the fact that the lines<br />

of the map have emerged from the human history that was shaped by victims<br />

of human brutality.<br />

i draw the map by stabbing thousands of hair pins in the walls, the hair pins<br />

invade the whole space. While this invasion seems to be uncontrollable, the<br />

walls look shivery.


MANAR ZUABI BiDOuN... (ENG.: WiTHOuT), 2008 (S. / p. 191 – 193)<br />

191


installation view Essl museum


193


Masha ZusMan<br />

1972 born in Kharkov, ua<br />

1989 immigration to israel<br />

Lives and works in jerusalem and the negev, israel<br />

eduCation and aWards:<br />

2004 BFa, Fine art Department, Bezalel academy of<br />

art and Design, Jerusalem, israel<br />

Dr. ran Sapoznic Scholarship, Bezalel academy<br />

of art and Design, Jerusalem, israel<br />

Ehud Elchanani prize for academic Excellence,<br />

Fine art Department, Bezalel academy of art and<br />

Design, Jerusalem, israel<br />

1999 phD in physics, Ben Gurion university of the<br />

Negev, israel<br />

seLeCted exhibitions and ProjeCts:<br />

2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian<br />

artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />

(Group)<br />

2007 “New acquires”, Tel aviv museum of art, Tel aviv,<br />

israel (Group)<br />

“Coerced Choice”, Barbur Gallery, Jerusalem,<br />

israel (Group)<br />

“marking space”, Kulturverein linda, Hamburg, D<br />

(Group)<br />

2006 “House”, Herzelia museum of Contemporary art,<br />

Herzelia, israel (Solo)<br />

“New acquires”, israel museum, Jerusalem, israel<br />

(Group)<br />

2005 “masha Zusman: Black paintings”, Helena<br />

rubinstein pavilion for Contemporary art, Tel aviv<br />

museum of art, israel (Solo)<br />

194 OVERLAPPING VOICES<br />

artist stateMent<br />

im alter von 18 Jahren übersiedelte ich von der früheren Sowjetunion nach<br />

israel. Dieser Ortswechsel bedeutete für mich auch eine veränderung von<br />

Sprache, Kultur und Klima. ich verließ das land meiner Geburt in der Hoffnung,<br />

mir eine neue Heimat zu finden und zu schaffen und mir unbekannte<br />

Träume zu erfüllen. Jahre später, nach einem langen aufenthalt in israel,<br />

das mir und meiner Familie unzweifelhaft zum neuen lebensmittelpunkt<br />

wurde, wird mir klar, dass die Frage von Heimat und Heimatlosigkeit eines<br />

meiner zentralen künstlerischen anliegen ist.<br />

hoMe<br />

meine arbeit „Home“ („Zuhause“) habe ich aus Holzplatten gebaut, die ich<br />

aus alten Frachtcontainern hatte, denen ähnlich, von denen begleitet meine<br />

Eltern wie viele andere immigranten aus der Sowjetunion in israel ankamen.<br />

in den frühen neunziger Jahren konnte man solche kaputten Kisten in vielen<br />

Wohnvierteln im ganzen land finden. mit normalen Kugelschreibern in<br />

ein paar verschiedenen Farben habe ich ein Bild gemalt, das das ganze<br />

Haus wie eine Tätowierung bedeckt. ich arbeitete ohne vorbereitende Skizzen<br />

und stellte diese Bilder in „Echtzeit“ her, im fortlaufenden Dialog mit<br />

der über und über zerkratzten und beschrifteten Oberfläche des Holzes. mit<br />

den nadelähnlich dünnen Kugelschreibern zu malen ist ein langsamer und<br />

obsessiver prozess, in dessen verlauf ich die rohen Holzplatten sich vor<br />

meinem inneren auge in empfindliches Fleisch verwandeln sah, dem meine<br />

persönlichen phantasien und Ängste einverleibt waren. ich erzeuge zwar<br />

eine höchst reichhaltige, provokative und attraktive Oberfläche, aber das<br />

Haus bleibt hermetisch versiegelt, so dass es für den Betrachter unerreichbar<br />

und undurchdringlich bleibt.


at the age of 18 i moved from the former Soviet union to israel. With this relocation<br />

the language, culture, and climate i encountered changed. i left my<br />

birthplace in the hope and belief that i may find and create a new place of<br />

my own and fulfill my unknown dreams. Years later, after a long stay in israel,<br />

which undoubtedly became the new center of my life and that of my family,<br />

i find the question of home and homelessness one of the main issues<br />

of my personal and artistic preoccupation.<br />

hoMe<br />

i built my work “Home” out of wooden panels i took from used transportation<br />

containers, like those which my parents, like many other immigrants,<br />

sent along with them from the Soviet union to israel. in the early nineties one<br />

could find such broken boxes in many neighborhoods all over the country.<br />

With standard ball pens of a few colours i created an image that covers the<br />

body of the house, like a tattoo. Working without any preparatory sketches, i<br />

built the images in “real time”, in constant dialogue with the surface of the<br />

wood, which is covered with scratches and inscriptions. The process of painting<br />

with thin needle-like pens is slow and obsessive, and i saw in my mind<br />

how it transforms rough panels into sensitive flesh, carrying my personal fantasies<br />

and fears. While creating an excessively generous, provocative and attractive<br />

surface, i leave the house hermetically closed, keeping it unreachable<br />

and impenetrable to the viewer.<br />

195


196 OVERLAPPING VOICES<br />

X Y


MASHA ZUSMAN HOmE, 2004 (S. / p. 195 – 199)<br />

197


installation view Essl museum


WerKListe / List of WorKs<br />

TAL ADLER<br />

from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />

20 from 34 parts,<br />

lambda print mounted on aluminium Dibond, Ed. 1/5<br />

each 50 x 100 cm<br />

Abu Telul<br />

Wesal and Nadia Al-Fayumi at Ben Gurion University<br />

p. 68<br />

Al-Araqib<br />

Sayah Al-Turi<br />

p. 67<br />

Al-Bat<br />

Ali Abu Sebayeh and his daughter<br />

p. 69<br />

Al-Fura‘a<br />

Taleb Suleiman, Musa Ibrahim and Muhammad Salama<br />

Qabu‘a<br />

p. 70<br />

Al-Humra<br />

Khalil Al-Quran in his grocery shop<br />

p. 68<br />

Al-Mazra‘a<br />

children from the Al-Zorqan family and a water tank<br />

p. 71<br />

Al-Sera<br />

Said Al-Nasasra on the water pipe outside the village<br />

p. 77<br />

Al-Za‘arura<br />

Suleiman Abu-Ajaj and Muhammad Abu-Judeh<br />

p. 76<br />

Bir Al-hamam<br />

Ruwan and Hawla Al-Rafaya’a<br />

p. 71<br />

Bir Al-Meshash<br />

Ibrahim Al-Waqili<br />

p. 77<br />

Derijat<br />

graduates of the Young Leadership project<br />

p. 75<br />

200 OVERLAPPING VOICES<br />

Khirbet Al-Watan<br />

village children on the football field<br />

p. 74<br />

Matrada<br />

Abdallah Muatuq Al-Waj<br />

p. 72<br />

Tel Al-milh<br />

Hadija and Sabrin Abu-Mesa’ad in the kindergarten<br />

p. 73<br />

Tel Arad<br />

Said Al-Nasasra and his children<br />

p. 75<br />

Um Al-Hiran<br />

Raed Abu Al-qe‘an and his son Rani, residents of Um Al-Hiran<br />

p. 72<br />

Um Metnan<br />

Zenab Al-G’anami<br />

p. 79<br />

Um Ratam<br />

Muhammad Al-G’oul beside the quarry on the lands of<br />

Al-Mazra’a<br />

p. 72<br />

Wadi Al-Meshash<br />

Muhammad Al-Walidi<br />

p. 78<br />

Wadi Al-Na’am<br />

Abdallah and Huda Jarbe‘a and their children Elmaz and<br />

Nabil<br />

p. 78<br />

SHALOM AMIRA<br />

Terrarium, 2008<br />

video installation, DvD, 22:31 min, loop, Ed. 1/3<br />

p. 81 – 83<br />

ANISA ASHKAR<br />

from the series Long Shadow, Long Shadow 1, 2004<br />

multipart series,<br />

lambda print mounted on aluminium Dibond, Ed. 3/7<br />

100 x 100 cm<br />

p. 86<br />

from the series Efygenia, Efygenia 1, 2003<br />

multipart series,<br />

lambda print mounted on aluminium Dibond, Ed. 3/7<br />

90 x 120 cm<br />

p. 87<br />

from the series Agria Matia, Agria Matia 4, 2007<br />

15 parts,<br />

lambda print mounted on aluminium Dibond, Ed. 1/7<br />

100 x 100 cm<br />

p. 86<br />

Alasbash (eng.: White horse), 2008<br />

performance at the Essl museum,<br />

documentation photographs<br />

p. 88 – 89<br />

Face walk, 2008<br />

performance in vienna, 5:27 min<br />

video by Jan Groos and peter muzak, 2008<br />

p. 90 –91<br />

ASAD AZI<br />

Woman with Child, 1997/98<br />

mixed media<br />

135 x 93 cm<br />

p. 97<br />

Three Brothers, 2007<br />

oil on canvas<br />

105 x 105 cm<br />

p. 93<br />

Mother and Soldier, 2008<br />

multipart series, oil on paper<br />

each 40 x 30 cm<br />

p. 94 – 95<br />

RAED BAWAYAH<br />

Turn right, 2007<br />

20 parts, gelatin silver print, Ed. 2/12<br />

each 80 x 80 cm<br />

p. 100 – 103<br />

EYAL BEN-DOV<br />

from the project The New Jew, SHANTIPI 2000, 2000<br />

47 from 70 parts, gelatin silver print, Ed. 2/10<br />

each 30 x 24 cm<br />

p. 105 – 111


ZOYA CHERKASSKY & AVDEY TER-OGANIAN<br />

Untitled, 2008<br />

2 parts, aluminium cast, painted, Ed. 2/10<br />

161 x 40 x 28; 143 x 40 x 28 cm<br />

p. 114<br />

ZOYA CHERKASSKY<br />

Cousins, 2008<br />

2 parts, aluminium cast, painted, Ed. 2/10<br />

h: 40 cm, ø 18 cm<br />

p. 115<br />

RONEN EIDELMAN<br />

The ghost of Manshia awakes, 2007<br />

dia show with 2 maps of Tel aviv-Jaffa<br />

p. 118 – 121<br />

SHULA KESHET<br />

There are no Names for Things, 1996<br />

installation with tabel and mixed media<br />

table: 73 x 120 x 120 cm, figures approx. 9 cm high<br />

p. 134 – 135<br />

Beehive / Archive, 2008<br />

wood installation with diverse handcraft objects<br />

p. 136 – 137<br />

JUMANA MANNA<br />

Familiar, 2007<br />

video installation with lambda print mounted on aluminium<br />

Dibond, Ed. 1/5<br />

photography: 35 x 50 cm<br />

p. 154/155<br />

from the series The Arab Men, 2007 – 2009<br />

multipart, lambda print mounted on aluminium Dibond,<br />

Ed. 1/5<br />

each 60 x 72 cm<br />

ahmad<br />

p. 146<br />

mohammad<br />

p. 147<br />

mustafa<br />

p. 146<br />

rubi<br />

p. 148<br />

Tamer<br />

p. 148<br />

untitled<br />

p. 149 – 153<br />

The Song of Ascents, 2008<br />

video installation with 5 projections, 3:53 min<br />

p. 140 – 143<br />

PARRHESIA<br />

Untitled, from the project Through Language, Israel, 2006<br />

documentation photography<br />

p. 162<br />

Advertizment, from the project Through Language,<br />

Israel, 2006<br />

documentation photography<br />

p. 162<br />

Through Language, Vienna, 2008<br />

documentation photographs<br />

p. 161 – 171<br />

KARIN SCHNEIDER, FRIEDEMANN DERSCHMIDT<br />

RITESINSTITUTE<br />

This Place, 2008<br />

16 interviews presented on flat screens<br />

p. 173, 175<br />

YOAV WEISS<br />

Al Azaria, 2007<br />

documentation photography<br />

p. 177<br />

buythewall.com, 2008<br />

3 light boxes with transparencies, concrete table and chair<br />

each transparency: 100 x 120 cm<br />

table & chair: 80 x 192 x 186 cm<br />

p. 177 – 181<br />

OSAMA ZATAR<br />

Traditions, 2007<br />

mixed media<br />

39 x 24 x 27 cm<br />

p. 183<br />

Deaf, Dumb and Blind, 2007<br />

mixed media<br />

44 x 32 x 32 cm<br />

p. 184<br />

Life and Death by the Tongue, 2007<br />

mixed media<br />

38 x 25 x 50 cm<br />

p. 184<br />

The Leader, 2007<br />

mixed media<br />

44 x 40 x 25 cm<br />

p. 185<br />

The Citizen, 2007<br />

mixed media<br />

50 x 45 x 30 cm<br />

p. 186<br />

Price of Revolution, 2007<br />

mixed media<br />

40 x 65 x 30 cm<br />

p. 187<br />

Two Sides of the (Seperation) Wall, 2007<br />

mixed media<br />

51 x 23 x 12 cm<br />

p. 188<br />

G´azal, 2007<br />

mixed media<br />

45 x 41 x 27 cm<br />

p. 189<br />

MANAR ZUABI<br />

Bidoun... (eng.: Without), 2008<br />

installation with 10.000 hairpins<br />

dimensions variable<br />

p. 191 – 193<br />

MASHA ZUSMAN<br />

Home, 2004<br />

ball pen on ply wood<br />

240 x 400 x 240 cm<br />

p. 195 – 199<br />

201


CoPyriGhts & Photo Credits<br />

Copyrights der abgebildeten Werke / Copyrights of the Illustrated Works:<br />

if not mentioned otherwise: © the artist<br />

Fotonachweis der Illustrationen zu Ausstellungsaufbau & Eröffnung /<br />

Photo Credits of Illustrations from Assembling of the Exhibition and Inauguration<br />

Tal adler: p. 27 bottom right, 28 top, centre, bottom right, 29, 56 left row 2nd fr. bottom, 57 top left<br />

peter Kuffner: p. 26, 27 top, centre, bottom left, 56 right row, left row 1st & 2nd fr. top, bottom, 57 top right, centre, bottom<br />

Günther Oberhollenzer: p. 28 bottom left<br />

Fotonachweis der Werke / Photo Credits of the Works:<br />

if not mentioned otherwise: photo the artist<br />

Tal adler: p. 67 – 79, 178 – 179, 183 – 189<br />

ron amir: p. 86 left, 87<br />

ramón Barría mac lennan: p. 88 bottom right, 89 top right<br />

raed Bawayah: p. 100 – 103<br />

Eyal Ben-Dov: p. 105 – 111<br />

for the work of ronen Eidelman: ronen Eidelman, Tal adler, Eyal Danon, Zsuzsa Katon, maya pasternak: p. 118 – 121<br />

Thomas Freiler: Cover, p. 9, 65, 161, 206/207<br />

Jan Groos & peter muzak: p. 90<br />

peter Kuffner: p. 88 left row, top right, 89 left row, right bottom, 170 right row, bottom & top left, 171, 204/205<br />

abbé libansky: p. 91, 164 – 165<br />

Oded löbl & Oded antmon: p. 195 – 197<br />

Jumana manna: p. 146 – 154<br />

maria-Theresia moritz: p. 167 bottom right<br />

mischa Nawrata, Wien: p. 93 – 95, 97, 134 – 137, 142/143, 163, 180/181, 191 – 193, 198/199<br />

Günther Oberhollenzer: p. 166 top, centre, bottom right & centre, 167 left row, right top & centre, 168 – 169, 170 left centre<br />

Haris papadimitrakopoulos: p. 86 right<br />

regina Strobl: p. 166 bottom left<br />

Yoav Weiss: p.177<br />

Fotonachweis der Künstlerportraits / Photo Credits of Artist Portraits<br />

if not mentioned otherwise: courtesy the artist<br />

Tal adler: p. 66<br />

peter Kuffner: p. 2/3, 190<br />

abbé libansky: p. 84, 172<br />

Es wurde versucht, alle inhaber der Copyrights ausfindig zu machen und zu kontaktieren. in jenen Fällen,<br />

in denen wir nicht erfolgreich waren, mögen sich die Betroffenen bitte beim Herausgeber melden. /<br />

Every effort has been made to contact copyright holders. Where the attempt has been unsuccessful,<br />

the publisher would be pleased to hear from the person concerned.<br />

202 OVERLAPPING VOICES


danKsaGunGen / aCKnoWLedGeMents<br />

WIR DANKEN / WE WoULD LIKE To THANK<br />

den Kuratoren / the curators<br />

Karin Schneider & Friedemann Derschmidt (ritesinstitute), Tal adler, amal murkus<br />

den Künstlern / the artists<br />

Tal adler, Shalom amira, anisa ashkar, asad azi, raed Bawayah, Eyal Ben-Dov, Zoya Cherkassky & avdey Ter-Oganian,<br />

ronen Eidelman, Shula Keshet, adel manna, Jumana manna, amal murkus, parrhesia, Karin Schneider & Friedemann<br />

Derschmidt, anita Shapira, Yoav Weiss, Osama Zatar, manar Zuabi, masha Zusman<br />

WEITERS MöCHTEN WIR DANKEN / FURTHER WE WoULD LIKE To THANK<br />

allen mitarbeiterinnen und mitarbeitern des Essl museums, die an diesem projekt mitgewirkt haben / all employees from<br />

the Essl museum, who have participated in this project<br />

michael Fleischhacker, Chefredakteur „Die presse“<br />

Nadine Wille, Künstlerhaus Wien<br />

Peter Konhäusner & Team<br />

Jürgen amann, Julia Bernhard, Simon Eckert, anna Eder, Criselle Flameno, Hannah Grafl, lukas Klingan, Jana Kriechbaum,<br />

andreas maierhofer, Bettina Seeland, Nora Sonderegger<br />

den Sponsoren des Essl Museums / the sponsors of the Essl Museum<br />

baumax, café + co international Holding, Donau versicherungs aG – vienna insurance Group, Siemens aG Österreich, Telekom<br />

austria aG<br />

den Medienpartnern des Essl Museums / the partners of the Essl Museum<br />

Die presse<br />

DIE KURAToREN MöCHTEN SICH BEDANKEN BEI / THE CURAToRS WoULD LIKE To THANK<br />

agnes und Karlheinz Essl und dem Team des Essl museums für die realisierung des projekts / agnes and Karlheinz Essl<br />

and the team of the Essl museum for the realisation of the project<br />

Kuratorische Assistenz / curatorial assistance<br />

richard reisenberger & russlana lichtzier<br />

In memoriam:<br />

rudolf rudyn Schmitz<br />

Thank you for help / advice / hosting / spirit / babysitting / coaching<br />

marwan abado, Jasmin avissar, arad Benkoe, Dieter Buchhart, Jonny Bunzl, rafram Chaddad, alan Cicmak, luitgard + ulf<br />

Derschmidt, michal Cohen, anna Derschmidt, Claudia Ehgartner, richart Ferkl, Thomas Freiler, Eduard Freudmann, roni<br />

Fried, reneé Gadsden, angelika Gnagni, peter Grabherr, lukas Gehrmann, mieke Hartmann, Bettina Henkel, max Hoffmann,<br />

Christof Huber, monika Kaczek, Stephanie Kiessling, Hannah Kneucker, Katharina Koch, attila Kosa, alois Kienast, Birge<br />

Krondorfer, abbé libansky, anna luczak, Denis mashewich, mikki muhr, Ori Nir, panny + Ferko Oplatka, andi peham,<br />

Berta pixner, anne prichard-Smith, rod prichard-Smith, ingo pusswald, Doron rabinovici, viola raheb, Hans und Erda<br />

reisenberger, Elisabeth Samsonow, rudi rudyn Schmitz (in memoriam), Johanna Schneider, Wieland Schneider, Heribert<br />

Schiedl, Jo Schmeisser, robert Sommer, Yakov Stiassny, Nikolaus Wildner<br />

203


<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong><br />

israeLi and PaLestinian artists<br />

ESSl muSEum<br />

KuNST DEr GEGENWarT<br />

aN DEr DONau-au 1<br />

a-3400 KlOSTErNEuBurG / WiEN<br />

AUSSTELLUNG / EXHIBITIoN<br />

Kuratoren / Curators Karin Schneider & Friedemann Derschmidt (ritesinstitute) Wien, Tal adler, amal murkus, israel<br />

Ausstellungsorganisation / Exhibition organized by Günther Oberhollenzer, Daniela Balogh organisatorische Assistenz /<br />

organizational assistance Silvia Köpf öffentlichkeitsarbeit / Public relations anja reisch, regina Strobl Marketing Sonja<br />

Sagan, lisa Grünwald, Nadine Giron, Katharina unger, Christina piringer Ausstellungslogistik / Exhibition logistics leone<br />

Strizik, Bernhard Gollner Aufbau-Technik / Exhibition Installation ronald Gollner, Clemens Drabek, alexander plenk, Dieter<br />

Treibenreif, andreas rottenschlager, Budislav ilic, andreas Bach Restauratorische Betreuung / In charge of conservation<br />

ute Kannengießer, Elisabeth Schlegel office Management andrea Wintoniak Kunstvermittlung / Educational program<br />

Karin altmann, lucie Binder-Sabha, andreas Hoffer, mela maresch, maria-Theresia moritz, adelheid Sonderegger,<br />

anton Sutterlüty<br />

KATALoG / CATALoGUE<br />

Katalogredaktion / Editorial staff Günther Oberhollenzer, Karin Schneider, Silvia Köpf, anna Szöke redaktionelle Mitarbeit /<br />

editorial collaboration alexander ari Joskowicz, Jumana manna, Shula Keshet, Yoav Weiss Archives & Copyrights ines ratz,<br />

anna Szöke, Eva Köhler, renate Claudi Grafik / Graphic design Elisabeth Hartmann Lithografie / Lithography reprozwölf,<br />

Wien Druck / Printer Druckerei Holzhausen, Wien Autoren / Authors Karlheinz Essl, Tal adler, Shalom amira, anisa ashkar,<br />

Naomi aviv, asad azi, ritta Baddoura, Eyal Ben-Dov, Zoya Cherkassky, ronen Eidelman, reem Fadda, ursula Hofbauer,<br />

alexander ari Joskowicz, Shula Keshet, adel manna, Jumana manna, amal murkus, parrhesia, Haviva pedaya, Karin<br />

Schneider & Friedemann Derschmidt, anita Shapira, Yoav Weiss, Osama Zatar, manar Zuabi, masha Zusman Lektorat /<br />

Proof reading reneé Gadsden, anna luczak, Johanna Schneider, Karin Schneider, Birgit Trinker Übersetzung / Translation<br />

Nabil armaly, Gerrit Jackson, Barbara linner, Benno mekimi, Karin Schneider, roger menvielle Tavor, Susanne Watzek,<br />

Nikolaus Wildner, David Wiskott<br />

© Texte bei den autoren / Texts with the authors © 2008 Sammlung Essl privatstiftung, Klosterneuburg / Wien<br />

Herausgeber / publisher: Edition Sammlung Essl<br />

iSBN-13: 978-3-902001-45-0<br />

alle rechte vorbehalten / all rights reserved<br />

Dieser Katalog erscheint anlässlich der ausstellung /<br />

This catalogue is published on the occasion of the exhibition<br />

<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – iSraEli aND palESTiNiaN arTiSTiS<br />

16.05. – 26.10.08<br />

T:+43 (0)2243 37050 – 150<br />

F:+43 (0)2243 37050 – 22<br />

iNFO@ESSl.muSEum<br />

WWW.ESSl.muSEum<br />

205

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