katalog-overlapping voices - Ritesinstitute
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<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong><br />
israeli and palestinian artists
Gruppenfoto mit den Künstlern / Group photo with the artists<br />
1. Reihe, von links nach Rechts / 1st Row, fRom left to Right:<br />
Prof. karlheinz essl, tal adler (curator), Ursula hofbauer, friedemann Derschmidt (curator), karin schneider (curator), asad azi, osama Zatar, shula keshet,<br />
manar Zuabi, osnat Bar-or (Parrhesia art collective), amal murkus (curator), tomer gardi (Parrhesia art collective), ofer kahana (Parrhesia art collective), Zoya cherkassky,<br />
ayoub aaa’mar (Parrhesia art collective), Raed Bawayah, günther oberhollenzer (exhibition management, essl museum), Prof. agnes essl
2. Reihe, von links nach Rechts / 2nD Row, fRom left to Right:<br />
anisa ashkar, Ronen eidelman, Jumana manna, Yoav weiss, masha Zusman, Jasmin avissar (ehefrau von / wife of osama Zatar)
inhalt / content<br />
karlheinz essl<br />
Vorwort 6<br />
Preface 7<br />
teXte / teXts<br />
karin schneider & friedemann Derschmidt<br />
…Do the right thing 10<br />
…Do the right thing 12<br />
amal murkus<br />
curator’s statement 14<br />
curator’s statement 16<br />
tal adler<br />
Brief an Den Botschafter 18<br />
Letter to the amBassaDor 21<br />
alexander ari Joskowicz<br />
Kuratorische Verantwortung unD aussteLLungen PoLitischer<br />
israeLischer unD PaLästinensischer Kunst in euroPa 30<br />
curatoriaL resPonsiBiLity anD the exhiBition of israeLi<br />
anD PaLestinian PoLiticaL art in euroPe 33<br />
adel manna<br />
Die PaLästinenser in israeL (1948–2008) 36<br />
the PaLestinians in israeL (1948–2008) 41<br />
anita shapira<br />
Die geschichte Des Zionismus 46<br />
the history of Zionism- 51<br />
Jumana manna<br />
aBenDessen mit gästen am wochenenDe 58<br />
weeKenD Dinners with the guests 60<br />
Yoav weiss<br />
statement für wien 62<br />
Vienna statement 63
kÜnstleR / aRtists<br />
tal adler 66<br />
shalom amira 80<br />
anisa ashkar 84<br />
asad azi 92<br />
raed Bawayah 98<br />
eyal Ben-Dov 104<br />
Zoya cherkassky & avdey ter-oganian 112<br />
ronen eidelman 116<br />
shula Keshet 122<br />
Jumana manna 138<br />
Parrhesia 156<br />
ritesinstitute<br />
Karin schneider & friedemann Derschmidt 172<br />
yoav weiss 176<br />
osama Zatar 182<br />
manar Zuabi 190<br />
masha Zusman 194<br />
weRkliste / list of woRks 200<br />
coPYRights & Photo cReDits 202<br />
DanksagUng / acknowleDgements 203<br />
imPRessUm 205
Vorwort<br />
Prof. karlheinz essl<br />
wir sind jedes Jahr bemüht, das künstlerische<br />
schaffen einer Region aufzugreifen, die in europa<br />
außerhalb der allgemeinen künstlerischen wahrnehmung<br />
steht, und in einer ausstellung im essl<br />
museum zu präsentieren. ich denke hier im Besonderen<br />
an die im Jahr 2003 konzipierte ausstellung<br />
>BlUt UnD honig – Zukunft ist am Balkan
preface<br />
Prof. karlheinz essl<br />
every year we try to focus on the activities of creative<br />
artists in a region that not everyone in europe is aware<br />
of in artistic terms and to present this region in an<br />
exhibition at the essl museum. examples that readily<br />
come to mind in this context are >BlooD anD<br />
honeY – the future is in the Balkans
…do the right thing<br />
it’s the hottest day of the summer.<br />
you can do nothing, you can do something, or you can …<br />
karin schneider, friedemann Derschmidt<br />
spike lees sprachwitz besteht natürlich darin,<br />
dass es schon gut wäre, in einer verworrenen<br />
situation das Richtige zu tun. aber leider sagt<br />
einem niemand, was das ist. Und es stellt sich<br />
leicht der verdacht ein, das Richtige ist bereits etwas<br />
anderes im moment, da man es tut.<br />
Von hier aus<br />
Unser interesse an israel bezog sich, aus Österreich<br />
kommend, immer klar auf die eigene geschichte.<br />
von dieser aus, und so war es immer gewesen, sprachen<br />
wir, von dieser aus fuhren wir nach israel und<br />
nicht nach chile oder tibet oder Beirut – auch gute<br />
orte für schwierige Projekte – und zunächst auch<br />
nicht nach Ramallah.<br />
wir sprachen immer von der engen verstrickung<br />
der wiener und der israelischen geschichte und<br />
meinten damit die geschichte des wiener antisemitismus<br />
und nicht nur, aber letztlich auch die der<br />
shoah – der vernichtung und vertreibung des österreichischen,<br />
des europäischen Judentums. Und<br />
wir dachten an die figur des erfolgreichen Propheten<br />
und staatskonstrukteurs theodor herzl, an die<br />
mit ihm und seinem antisemitischen wiener Umfeld<br />
verbundene geschichte des politischen Zionismus,<br />
der antwort oder einer der möglichen antworten<br />
auf diesen antisemitismus.<br />
Simple Komplexitäten, schnell erzählt<br />
Unsere intention war vor einem halben Jahr noch<br />
sehr gut in jene einfachen worte zu fassen, die wir<br />
in unseren Projekttexten immer wieder verwendeten:<br />
wir wollten ein komplexeres Bild dessen vermitteln,<br />
was hier schlicht als „nahostkonflikt“<br />
wahrgenommen und darunter subsumiert wird.<br />
Der konflikt wird hierzulande nicht selten durch<br />
nahostexperten erklärt, die gar nicht dort leben.<br />
Unsere mission zu Beginn des Projektes bestand<br />
klar in der verunklärung wenigstens dieser einen<br />
simplifizierung. Unser anliegen war und ist es,<br />
eine größere ehrfurcht vor der vielschichtigkeit und<br />
10 OVERLAPPING VOICES<br />
verworrenheit einzufordern. Die grundlage all unserer<br />
anstrengungen war die idee, möglichst alle<br />
stimmen für sich selbst sprechen zu lassen, auch<br />
oder gerade dann, wenn ihre Botschaft nicht dem<br />
mainstream entspricht oder in unserem kontext<br />
schwer verständlich ist. Das ertragen von widersprüchen<br />
ist dabei voraussetzung. auch einige der<br />
Beiträge im <strong>katalog</strong> spiegeln dieses Begehren<br />
wider.<br />
eine stimme haben wir in dem gewirr allerdings<br />
beinahe zum schweigen gebracht, sobald wir uns<br />
in die auseinandersetzung mit unseren israelischen<br />
oder palästinensischen Partnerinnen und<br />
Partnern begaben: unsere eigene.<br />
Die stimme der europäischen, österreichischen<br />
Position, die in diesem gefüge nicht unbedeutend<br />
ist. selbst dann, wenn wir uns nicht mit dieser unserer<br />
geschichte und gesellschaft identifizieren<br />
(so wie das unsere Partner mit der ihrigen oft auch<br />
nicht tun), sind wir ein teil und ein Produkt des<br />
ortes, von dem aus wir sprechen oder im Projektverlauf<br />
immer öfter schwiegen.<br />
Das verschweigen der eigenen interessen und Begehren<br />
wird jedoch in dem masse problematisch,<br />
wo wir andere auffordern, die ihrigen zu äußern.<br />
allzu leicht erliegt man der versuchung, daraus einen<br />
status der objektivität und damit einen der<br />
(europäisch-kolonialistischen) Überlegenheit abzuleiten.<br />
schließlich ist der Umstand, dass man<br />
erst einmal aufgefordert ist, zuzuhören und nicht<br />
selbst „farbe bekennen“ muss, ja auch sehr<br />
komfortabel.<br />
Die Sprache wiedergefunden<br />
immer wenn wir – gepäck und kopf voll von neuen<br />
geschichten, neuem wissen und neuen erfahrungen<br />
– nach Österreich zurückkamen, in diese<br />
so vertraute Redseligkeit, erschien uns unser in israel<br />
eingeübtes schweigen als genau das Richtige.<br />
wir hatten von unseren Partnern gelernt, einfach<br />
nur zuzuhören, ohne es besser wissen zu wollen.<br />
wir haben einen für uns neuen, weil radikalen Respekt<br />
vor den unterschiedlichsten tabus, grenzen<br />
und verletzlichkeiten des gegenübers kennen gelernt.<br />
Und diese erfahrung gab uns die gewissheit,<br />
klüger geworden zu sein. Zu hause machten wir<br />
uns zu experten und begannen über die fremde<br />
zu berichten.<br />
es geht also um die vertraute frage, wer in welchem<br />
kontext in wessen namen das wort ergreift<br />
und wer tatsächlich auch gehört wird.<br />
Diese frage stellt sich prinzipiell, aber sie stellt sich<br />
natürlich in Bezug auf eine Region, die immer wieder<br />
als folie für politische Positionierungen innerhalb<br />
europas herhalten muss, umso dringender.<br />
wir wollen hier auch darüber schreiben, wie leicht<br />
und unbedarft selbst jene, die es gar nicht wollen,<br />
in die kolonialistische falle des „expertinnentums“<br />
tappen – schlicht deshalb, weil es ihnen (uns!)<br />
schmeichelt.<br />
wir würden die strukturen der kolonisierung nicht<br />
begreifen können, wenn wir darüber hinwegblickten,<br />
wie hübsch und angenehm es sich für uns privilegierte<br />
weiße europäerinnen und europäer anfühlt,<br />
gescheit über andere zu sprechen, während<br />
wir von uns selbst und unserer geschichte schweigen,<br />
als wären wir ein unbeschriebenes Blatt.<br />
so oder so: we didn’t do the right thing. es könnte<br />
durchaus sein, dass es letztendlich kein Richtiges<br />
im falschen gibt. wir entkommen den postkolonialistischen<br />
fallen nicht so schnell.<br />
Transformationsprozesse<br />
wenn schon vermitteln, dann der eigenen gesellschaft<br />
das eigene. vermutlich waren wir einigen<br />
künstlerinnen und künstlern, die wir durch tal adler<br />
kennen lernten, deshalb so zugetan, weil sie uns<br />
Projekte vorstellten, die das in aller konsequenz<br />
in Bezug auf ihre gesellschaft tun. auch die Besucherinnen<br />
und Besucher dieser ausstellung und<br />
die leserinnen und leser dieses <strong>katalog</strong>s sind eingeladen,<br />
sich nicht speziell über israel oder über
Palästina zu verständigen, sondern darüber, wie<br />
künstlerinnen und künstleren sowie autorinnen<br />
und autoren mit ihren mitteln sich und ihre gesellschaft<br />
befragen. Und es macht eben genau diesen<br />
wichtigen Unterschied aus, ob die einen über<br />
ihre gesellschaft und damit auch über sich selbst<br />
sprechen und beides zu verändern wünschen oder<br />
ob wir über die gesellschaft der anderen sprechen,<br />
im unbegründeten und bequemen glauben, das<br />
alles habe mit unserer lebenswelt nichts zu tun.<br />
mit transformationsprozessen sind hier alle formen<br />
der veränderung und verschiebungen von<br />
Blickweisen gemeint, die sich vollziehen, sobald<br />
wir die israelisch-palästinensischen fragen nach<br />
Österreich verrücken und hier anordnen.<br />
Unsere hoffnung dabei ist, dass in Zukunft eine<br />
unvermittelte, weniger ängstliche auseinandersetzung<br />
mit den stimmen „von dort“ eine Rückwirkung<br />
auf das „hier“ hat.<br />
wir wissen natürlich, dass jene Österreicherinnen<br />
und Österreicher, die sehr sensibel mit diesen fragen<br />
umgehen wollen, Ängste und vorsicht in der<br />
auseinandersetzung mit künstlerninnen und<br />
künstlern aus israel oder Palästina entwickelt haben.<br />
Diese haltungen entstanden aus dem wissen<br />
darüber, wie schnell der in unserer gesellschaft<br />
tief verankerte antisemitismus auf den Plan gerufen<br />
wird, wenn die sprache auf israel und Palästina<br />
kommt.<br />
Basierend auf dieser vorsicht war es eine der<br />
grundlagen unserer arbeit, nicht zu glauben, „einfach<br />
machen“ zu können.<br />
Die Ängste sind begründbar. wir denken, man kann<br />
ihnen nur offensiv begegnen. nicht zuletzt kommen<br />
sie aus dem wissen darüber, wie groß das hiesige<br />
nichtwissen oder „nicht-wissen-wollen“ ist – und<br />
wie gefährlich.<br />
11
…do the right thing<br />
it’s the hottest day of the summer.<br />
you can do nothing, you can do something, or you can …<br />
karin schneider, friedemann Derschmidt<br />
the point of spike lee’s pun, of course, is the fact<br />
that it would indeed be good to do the right thing<br />
in a labyrinthine situation. But unfortunately, no<br />
one tells you what that is. and the suspicion quikkly<br />
arises that the right thing is already something<br />
else at the moment when you do it.<br />
From here<br />
Being from austria, we were interested in israel always<br />
with a clear reference to our own history. it<br />
was coming from the latter, and it had always been<br />
that way, that we spoke; it was coming from the<br />
latter that we went to israel and not to chile or tibet<br />
or Beirut – equally good places for difficult projects<br />
– nor, initially, to Ramallah.<br />
we always spoke of the close entanglement<br />
between viennese and israeli history, by which we<br />
meant the history of viennese anti-semitism and,<br />
not only but ultimately also, the history of the<br />
shoah – of the annihilation and expulsion of the<br />
austrian and european Jewry. and we were thinking<br />
of the figure of theodor herzl, the successful<br />
prophet and creator of a state, of the history of political<br />
Zionism associated with him and tied in with<br />
his anti-semitic viennese milieu; Zionism, the answer<br />
or one of the possible answers to this<br />
anti-semitism.<br />
Simple complexities, quickly told<br />
half a year ago, we could still couch our intention<br />
in the simple terms we used again and again in our<br />
project descriptions: we wanted to present a more<br />
complex picture of what is here perceived simply<br />
as the “conflict in the middle east” and subsumed<br />
under this title.<br />
in this country, middle east experts who often do<br />
not even live there explain this conflict. at the beginning<br />
of the project, our mission was clearly to<br />
render at least this one simplification less clear. it<br />
was and still is our wish to call for greater respect<br />
for the complexity and intricacy of the situation. all<br />
12 OVERLAPPING VOICES<br />
our efforts were based on the idea that we would,<br />
as far as possible, let all <strong>voices</strong> speak for themselves,<br />
even when or precisely when their message<br />
does not conform to the mainstream or is hard to<br />
understand in our context. this presupposes the<br />
ability to bear contradictions. this desire is also<br />
reflected by some of the contributions to the<br />
catalogue.<br />
Yet there is one voice we almost entirely silenced<br />
in this confusion once we engaged in dialogue with<br />
our israeli and Palestinian partners: our own voice;<br />
the voice of the european, the austrian position,<br />
one that is of no small importance in this configuration.<br />
even though we may not identify with this<br />
our history and society (as our partners frequently<br />
do not identify with theirs either), we are a part and<br />
product of the place from which we speak or, over<br />
the course of the project, more and more often remained<br />
silent.<br />
to keep silent about one’s own interests and<br />
desires, however, becomes problematic as we request<br />
that others express theirs. the temptation is<br />
only too great to deduce from this silence a status<br />
of objectivity, and hence a sense of (european-colonialist)<br />
superiority. it is very comfortable, after all,<br />
to be obliged primarily to listen and not to “show<br />
one’s colours”.<br />
Language found again<br />
every time we returned, our luggage and heads full<br />
with new stories, new knowledge, and new experiences,<br />
to austria and its only too familiar loquacity,<br />
the silence we had practiced in israel seemed<br />
to us to be exactly the right thing. we had learned<br />
from our partners simply to listen to them without<br />
wanting to know better.<br />
we came to understand a previously unfamiliar radical<br />
respect for a great variety of taboos, limitations,<br />
and vulnerabilities on the part of those we<br />
encountered. and this experience gave us the certainty<br />
that we had become wiser. at home, we tur-<br />
ned experts ourselves and began to tell of that<br />
foreign land.<br />
at issue, then, is here the familiar question of who<br />
takes the word in which context and in which name,<br />
and who will in fact also be heard.<br />
this question arises as a matter of principle; but of<br />
course it arises with special urgency with respect to<br />
a region that is time and again made to serve as a<br />
foil for acts of political positioning within europe.<br />
we want to write here also about how quickly and<br />
naïvely even those who don’t want to walk into the<br />
colonialist pitfall of “expertise” – simply because<br />
it flatters them (and us!).<br />
we would be incapable of understanding the structures<br />
of colonization if we overlooked how neat and<br />
pleasant it feels to privileged white europeans to<br />
talk smartly about others while we pass over ourselves<br />
and our history in silence as though we were<br />
a blank slate.<br />
one way or another, we didn’t do the right thing. it<br />
might well be that there is no right thing within the<br />
wrong thing. we won’t escape the post-colonialist<br />
pitfalls.<br />
Processes of transformation<br />
if education is the mission, then it ought to be to<br />
educate one’s own society about its own affairs.<br />
we probably liked some of the artists we met<br />
through tal adler so well because they presented<br />
to us projects that do exactly this, and to the fullest<br />
degree, with respect to their own society. the<br />
visitors to the present exhibition and the readers<br />
of this catalogue are similarly invited to engage in<br />
a dialogue not specifically about israel or about Palestine<br />
but about the ways in which artists and authors,<br />
using their own means, interrogate themselves<br />
and their society. and this one important<br />
difference lies precisely here: whether they speak<br />
about their own society, and hence about themselves,<br />
and wish to change both, or whether we<br />
speak about the society of others in the unfoun
ded and comfortable belief that none of this has<br />
anything to do with our everyday world.<br />
By “processes of transformation”, we mean here<br />
all forms of change and shifts in perspective that<br />
take place once we displace the questions of israel<br />
and Palestine to austria and place them in an<br />
arrangement here.<br />
it is our hope that an immediate and less fearful<br />
engagement with the <strong>voices</strong> “from there” will in the<br />
future have effects in turn upon what is “here”.<br />
we know, of course, that those austrians who seek<br />
to address these questions in a sensitive manner<br />
have developed anxieties and cautions about engaging<br />
artists from israel or Palestine. these attitudes<br />
arose out of an awareness of how quickly the<br />
deeply rooted anti-semitism in our society is called<br />
into action once the subject of israel and Palestine<br />
comes up.<br />
Based on this caution, one of the foundations of<br />
our work was that we did not believe that we could<br />
“simply do” it.<br />
these anxieties have their justifications. we believe<br />
that the only way to deal with them is to counter<br />
them. they are the consequence not least of<br />
an awareness of how much ignorance – or how<br />
much “not wanting to know” – there is here; and<br />
how dangerous it is.<br />
13
curator´s statement<br />
amal murkus<br />
Die instrumente, die ich als sängerin verwende,<br />
sind normalerweise musikinstrumente.<br />
Das instrument, das ich am häufigsten<br />
verwende, ist meine stimme sowie<br />
all das, was meinem gesang und meiner<br />
stimme innewohnt. Die texte meiner lieder<br />
verkörpern in kreativer weise meine<br />
träume. sie sind immer untrennbar mit der<br />
situation in meinem land verbunden – mit<br />
all den ereignissen, mit all meinen erinnerungen,<br />
den erinnerungen meiner familie<br />
und meines volkes. manchmal verwandelt<br />
sich die erinnerung in eine heimat und<br />
eine identität, und das heimweh nimmt die<br />
form eines gebets oder eines traurigen gesanges<br />
an. Die heimat ist die Quelle der<br />
inspiration, insbesondere der künstlerischen<br />
inspiration. fern der heimat zu sein<br />
vermag sogar den künstler oder die künstlerin<br />
zu zerstören! oder aber es stärkt den<br />
künstler, dann nämlich, wenn er seine<br />
kraft, seine stärke und vor allem seine innere<br />
freiheit nutzt. meine stimme ermöglicht<br />
mir, grenzen zu überschreiten und in<br />
ein Buch zu reisen, aus dem ich ein gedicht<br />
auswähle, das ich singen werde.<br />
meine stimme kann ein Bild begleiten oder<br />
eine szene in einem film. meine stimme<br />
kann die grenzen einer kunstausstellung<br />
erweitern und den ausstellungsraum mit<br />
einer bestimmten atmosphäre erfüllen.<br />
Dieses mal habe ich die welt der kunst nicht als<br />
sängerin betreten, sondern als sogenannte cokuratorin<br />
einer ausstellung. ich bin ziemlich vertraut<br />
mit der kunstwelt – dennoch geht es hier um eine<br />
andere art der kreativität, die ihre eigenen „instrumente“,<br />
ihre eigene sprache hat. Diese kreativität<br />
hat die fähigkeit, in die Räume der anderen<br />
zu „fliegen“ und einen Dialog zu beginnen, ohne<br />
sprache, ja sogar ohne stimme!<br />
ein künstler besitzt nicht die fähigkeit, einem<br />
flüchtling ein haus zu bauen, noch ihn in seine<br />
heimat zurückkehren zu lassen, dorthin, wo er<br />
sein haus und eigentum zurückgelassen hat;<br />
ebenso wenig hat er die fähigkeit, ein kind wieder<br />
zum leben zu erwecken, das in einem barbarischen<br />
luftangriff starb; genauso steht er angesichts<br />
der aufgabe, einem vater, einer mutter,<br />
einem Bruder, einem freund, die in einem krieg<br />
14 OVERLAPPING VOICES<br />
Ich habe gesungen,<br />
sie haben geschossen,<br />
Ich habe geschrieben,<br />
sie haben geschossen,<br />
Ich habe gelesen,<br />
sie haben geschossen,<br />
Ich habe Klänge gespielt,<br />
sie haben geschossen,<br />
Ich habe gezeichnet,<br />
sie haben geschossen,<br />
Ich habe eine Skulptur angefertigt,<br />
sie haben geschossen … überall,<br />
… um des Rechts, der Tugend,<br />
der Schönheit und des Anlasses willen.<br />
Und du, Kamerad,<br />
Besuchst nun regelmäßig dein Grab,<br />
um die Kurse ausländischer Währungen<br />
für diesen Tag zu rezitieren.<br />
(Mohammed Maghout)<br />
getötet wurden, das leben zurückzugeben, mit leeren<br />
händen da. vor allem kann ein künstler die<br />
Besatzungsmacht nicht besiegen und er kann ihr<br />
repressives vorgehen gegen die menschen und<br />
den künstler selbst nicht unterbinden; und er kann<br />
die Beschlagnahmung jenes landes, auf dem der<br />
künstler selber leben könnte, nicht stoppen.<br />
kein anderer kleinstaat hat so viele grenzen zwischen<br />
dem individuum und seiner Umwelt errichtet<br />
wie unserer; permanente und mobile grenzen<br />
auf schritt und tritt. Überall grenzen. Die grenzen<br />
verlaufen zwischen den menschen und dem Recht<br />
auf ein normales leben. grenzen, die das alltagsleben<br />
in ein alltägliches wunder verwandeln.<br />
wer immer der künstler auch ist und unabhängig<br />
von dem feld, in dem er kreativ tätig ist – seine<br />
kreativität gibt ihm nicht die macht, die trennmauer<br />
zu entfernen. Die mauer ist ein exil. Die<br />
mauer trennt nicht nur die Palästinenser<br />
von den israelis, sondern auch die Palästinenser<br />
untereinander und von ihrem<br />
land. es ist eine mauer, die den künstler<br />
daran hindert, sein atelier und seinen arbeitsplatz<br />
zu erreichen; die mauer steht<br />
zwischen ihm und jenen orten, die man erreichen<br />
muss, um ein musikstück zu überarbeiten<br />
oder ein lied aufzunehmen – ein<br />
lied, das ohnehin nicht im Radio oder<br />
fernsehen gespielt werden wird, weil es<br />
nicht in der sprache der mehrheit gesungen<br />
wird. Der Raum, über den künstler<br />
verfügen können, wird permanent enger.<br />
Dem künstler fehlt die luft zum atmen. er<br />
will fliegen, aber er wird davon abgehalten.<br />
es gibt kein Zeichen der hoffnung. frieden<br />
und freiheit sind unerreichbar und der horizont<br />
ist von dichtem nebel verdeckt. es<br />
gibt kein Zeichen der hoffnung.<br />
in anbetracht des kampfes eines volkes<br />
um sicheren lebensraum und freiheit<br />
schwinden die eigenen sorgen. wie kann<br />
ein künstler oder eine künstlerin in so einer<br />
situation für sich eine galerie fordern<br />
oder sich um eine ausstellung oder um<br />
farben kümmern?<br />
ein wirklicher künstler hat nicht das Recht,<br />
das elend und den schmerz von millionen<br />
anderer menschen zu vergessen; millionen<br />
von flüchtlingen, exilierten, vertriebenen<br />
und staatenlosen. sie alle wurden des Rechts auf<br />
Rückkehr in ihre heimat und des Rechts auf<br />
staatsbürgerschaft in den ländern, in denen sie<br />
gegenwärtig leben, beraubt.<br />
kennzeichnend für unsere palästinensische situation<br />
ist, dass die meisten Palästinenser vor 60 Jahren<br />
entwurzelt, evakuiert, vertrieben und verbannt<br />
wurden. Bis heute leben millionen palästinensischer<br />
flüchtlinge in der Diaspora und sind der möglichkeit<br />
zur Befriedigung ihrer grundlegenden lebensbedürfnisse,<br />
ihrer bürgerlichen Rechte und des<br />
Rechts auf Rückkehr in ihre heimat, aus der sie<br />
1948 vertrieben wurden, beraubt. sie haben nicht<br />
einmal das Recht, in ihre flüchtlingslager zurückzukehren,<br />
weil diese bei jeder kriegerischen auseinandersetzung<br />
zerstört werden.<br />
seit der palästinensischen katastrophe, der nakba<br />
von 1948, haben alle Regierungen israels die exis
tenz der etwa eine million menschen umfassenden<br />
palästinensisch-arabischen minderheit in israel geleugnet.<br />
einer minderheit, zu der ich, amal, und eine<br />
beachtliche Zahl der künstler, die an dieser ausstellung<br />
teilnehmen, gehören. einerseits sind wir israelische<br />
Bürger; andererseits zählen wir zu jenen palästinensischen<br />
menschen, die an ihrem land<br />
festhielten. israel beraubt diese minderheit ihrer<br />
Rechte als staatsbürger und als nation und behandelt<br />
sie wie eine sekte ohne jede nationale Bindung.<br />
Die israelischen Behörden betrieben die bekannte<br />
Politik des teilens und herrschens: sie hoben die<br />
Rechte bestimmter gruppen aus dieser minderheit<br />
auf und beschlagnahmten ihr land, auch unabhängig<br />
von ihrer Religionszugehörigkeit.<br />
wir – die palästinensischen staatsbürger von israel<br />
– leben im staat israel in Übereinstimmung mit seinen<br />
gesetzen und vorschriften. Darüber hinaus leben<br />
wir mit einer mehrheit von über fünf millionen<br />
jüdischen einwanderern zusammen. Diese kommen<br />
von überall her, aus den verschiedenen kulturen<br />
und gesellschaften. Das einzige, was sie eint, sind<br />
die jüdische Religion und die hebräische sprache.<br />
Das hebräische verdrängte ihre jeweilige muttersprache;<br />
damit versuchen sie, eine israelisch-<br />
jüdisch-hebräische kultur zu schaffen, und diese<br />
beeinflusst nicht nur sie, die israelischen Bürger,<br />
sondern auch uns, die Palästinenser.<br />
wie also kann ein künstler unter diesen schwierigen<br />
Bedingungen arbeiten? wo und mit wem? wodurch<br />
erhält er einen impuls für seine kreativität? kommen<br />
diese impulse aus der wirklichkeit? oder sind<br />
es träume und Begehren oder beides? sind Realität<br />
und traum in wirklichkeit nicht ein und dasselbe?<br />
träumt der künstler allein oder gibt es vielleicht<br />
einen künstlerfreund aus der jüdischen<br />
mehrheitsgesellschaft, der diesen traum mit ihm<br />
teilt? ein künstler, der ihm trotz einer anderen sprache,<br />
einer anderen geschichtsauffassung und lebenswirklichkeit<br />
und einer anderen religiösen und<br />
nationalen Zugehörigkeit ähnlich ist? ein künstler,<br />
der ein vertrauter, loyaler und verständnisvoller<br />
freund ist und der an dieselben ethischen Prinzipien<br />
glaubt wie der palästinensische künstler?<br />
müssen wir denn die verbreitete geisteshaltung „die<br />
minderheit gegen die mehrheit“ übernehmen, wenn<br />
„der andere“ jemand ist, der mit uns die gegenwärtigen<br />
Probleme teilt? Der israeli ist nicht nur der soldat,<br />
der auf uns schießt, oder der Polizei- oder sicherheitsbeamte;<br />
er ist ebenso der fotograf, der<br />
taxifahrer, die Blumenverkäuferin, der Buchhändler<br />
oder der Besitzer des musikladens. Die Beziehungen<br />
untereinander sind nicht „normal“ und sie<br />
sind auch nicht klar definiert …<br />
Diese Beziehungen sind eher „stachelig“. wir versuchen<br />
unser verhältnis zur mehrheitsgesellschaft<br />
so zu gestalten, dass unsere ohnehin gefährdeten<br />
identitäten von den anderen nicht verzerrt werden.<br />
wir ergreifen gleichzeitig die initiative zum Dialog<br />
und versuchen dadurch auf unser gegenüber<br />
einzuwirken.<br />
vor mehr als einem Jahr haben wir mit den vorbereitungen<br />
für die ausstellung begonnen. meine<br />
Rolle dabei war eine bescheidene; ich arbeitete als<br />
cokuratorin der ausstellung mit dem künstler tal<br />
adler, einem engen freund, zusammen, der sich<br />
durch zweierlei auszeichnet: durch einen hohen<br />
grad an künstlerischer Urteilsfähigkeit und durch<br />
einen hohen grad an verantwortungsbewusstsein.<br />
tal verbindet taten mit worten und benutzt seine<br />
kunst dazu, die schutzbedürftigen, die marginalisierten<br />
und die Unterdrückten zu unterstützen. als<br />
cokurator der ausstellung war es tal adler, der<br />
dem Projekt am meisten Zeit und kraft widmete.<br />
wer sich in diesem feld bewegt, weiß sehr genau,<br />
wie schwierig die arbeit eines kurators ist, besonders<br />
weil es sich um eine ausstellung handelt, an<br />
der sowohl israelische als auch palästinensische<br />
künstler teilnehmen – künstler, die in jener unsicheren<br />
und semitragischen situation leben, die die<br />
Beziehung zwischen den beiden völkern bestimmt.<br />
Das Ziel meiner mitarbeit als cokuratorin war, mit<br />
meinem freund tal einen kleinen lichtstrahl aus<br />
der Dunkelheit unserer gemeinsamen wirklichkeit<br />
zu senden.<br />
Die Präsenz der österreichischen künstler friedemann<br />
Derschmidt und karin schneider war für die<br />
organisation der ausstellung sehr wichtig. obwohl<br />
sie geografisch weit vom nahen osten entfernt<br />
sind, sind wir uns künstlerisch sehr nahe. Dementsprechend<br />
waren beide künstler an unseren<br />
angelegenheiten, kämpfen und verschiedenen<br />
kreativen Prozessen interessiert. Basierend darauf<br />
widmeten sie diesem Projekt viel Zeit und energie<br />
und trugen mit einer hervorragenden videoproduktion<br />
über unser leben in diesem land auch als<br />
künstler zu der ausstellung bei.<br />
karin und friedemann besitzen ein weitreichendes<br />
und differenziertes verständnis unserer besonderen<br />
palästinensisch-israelischen wirklichkeit. sie hatten<br />
die möglichkeit, sie aus mehreren Perspektiven kennen<br />
zu lernen. sie verwendeten große mühe darauf,<br />
diese Zusammenstellung von kunst aus unserer Region<br />
einer österreichischen Öffentlichkeit zu präsentieren.<br />
an dieser wichtigen ausstellung nehmen<br />
bemerkenswerte künstler teil, die alle mit ihrem herkunftsland<br />
eng verbunden sind. Durch die kooperation<br />
mit dem essl museum als guten Partner, wurde<br />
es möglich, unsere „<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>“ (überlappende<br />
stimmen) zu erheben und unsere kunst<br />
einem österreichischen Publikum nahezubringen.<br />
Die ausstellung hilft den künstlern, die arbeiten<br />
einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren; sie<br />
verleiht der künstlerischen kreativität einen hohen<br />
stellenwert und somit auch den geschichten, die<br />
durch sie transportiert werden – es sind dies erinnerungen<br />
und impulse, die beides beinhalten:<br />
hoffnung wie schmerz.<br />
Die ausstellung ><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>< gibt einer<br />
neuen, mutigen stimme Raum. sie schafft eine<br />
atmosphäre, die einem nicht die luft zum atmen<br />
raubt, und eröffnet so die möglichkeit zum Dialog.<br />
Dieser Dialog gibt hoffnung auf eine freiheit von<br />
Unterdrückung – und dies ist das Bestreben jedes<br />
künstlers.<br />
ich habe keinen Zweifel daran, dass guter wille<br />
und liebe – eine große liebe zum leben – wie eine<br />
ewig leuchtende kerze in den herzen aller teilnehmer<br />
brennen.<br />
amal murkus ist eine arabisch-israelische<br />
palästinensische künstlerin, sängerin,<br />
schauspielerin sowie Radio- und<br />
fernsehmoderatorin.<br />
15
curator´s statement<br />
amal murkus<br />
the instruments that i use as a singer are<br />
usually musical instruments. my most fundamental<br />
instrument is my voice, as well<br />
as that which resides within my singing and<br />
my voice. the words of my songs embody<br />
my dreams in a creative space, a space<br />
that is inseparably connected to what is<br />
happening in my country and to all the<br />
things my memory, the memory of my parents,<br />
and the memory of my people provide.<br />
sometimes, memory turns into a<br />
homeland and an identity, and homesickness<br />
takes the form of a sacred prayer and<br />
sad singing. the homeland is the spring of<br />
inspiration and also the source of artistic<br />
inspiration. Being away from his homeland<br />
might even destroy the artist! or else it<br />
strengthens the artist, for he has used his<br />
power and strength, and most importantly,<br />
he has used his internal freedom.<br />
my voice enables me to cross borders, to<br />
take a journey in a book from which i am<br />
carrying a poem to sing. my voice can accompany<br />
a picture or a scene in a movie.<br />
it can also stretch the borders of an exhibition<br />
and provide its space with a unique<br />
ambience.<br />
this time, i entered the world of the visual<br />
arts not as a singer, but as a so-called exhibition<br />
co-curator! i am fairly familiar with the<br />
world of the visual arts. Yet it is another form<br />
of creativity; it has its own language and instruments;<br />
the ability to fly in the spaces of others and<br />
to engage in a dialogue without using a language<br />
and even without a voice!<br />
an artist does not have the capacity to build the refugee<br />
a house or to return him to his homeland<br />
where he left his house and property. he cannot<br />
bring back to life a child who became a martyr following<br />
a barbaric shelling by military aircraft; similarly,<br />
he stands with empty, outstretched hands<br />
when confronted with the challenge of returning to<br />
life a father, a mother, a brother, or a friend who was<br />
killed in a war. above all, an artist cannot defeat the<br />
occupation and quell its oppression of the people<br />
and the artist himself, or stop the confiscation of<br />
land on which the artist himself might be living.<br />
there is no other small country like ours to which<br />
to compare the number of borders that exist here<br />
1 OVERLAPPING VOICES<br />
I was singing,<br />
and you were firing bullets;<br />
I was writing,<br />
and you were firing bullets;<br />
I was reading,<br />
and you were firing bullets;<br />
I was playing notes,<br />
and you were firing bullets;<br />
I was drawing, and you were firing bullets;<br />
I was sculpting, and you were firing bullets<br />
... in all directions<br />
For the sake of justice, the good,<br />
the beauty and for the cause.<br />
And now here they are,<br />
your comrades of the long journey,<br />
Regularly they visit your tomb so they<br />
could recite today’s foreign currency rates!<br />
(Mohammed Maghout)<br />
between the individual and his environment; permanent<br />
and movable borders at every other step;<br />
borders everywhere. Borders between the human<br />
being and his right to live a normal life; borders<br />
that turn natural life into a daily miracle. Relying<br />
on his artistic creativity, the artist – whoever he is<br />
and whatever the field of his creativity – cannot<br />
destroy the separation wall. the wall is an exile.<br />
the wall does not only separate Palestinians from<br />
israelis; but Palestinians from Palestinians and Palestinians<br />
from their land. it is a wall that prevents<br />
the artist from reaching his studio and workplace;<br />
it stands between him and arriving at the intended<br />
places for revising a piece of music or recording a<br />
song which will in any case not be broadcast on radio<br />
or tv because it does not speak the language<br />
of the majority. the space available for the artist<br />
becomes continuously more narrow: the artist is<br />
suffocated; he wants to fly but is prevented from<br />
doing so! there is no sign of hope, for<br />
peace and freedom are intangible and the<br />
horizon is shrouded in heavy fog. there is<br />
no sign of hope.<br />
compared to his people’s struggle for domicile<br />
and freedom, the artist’s personal<br />
worries dwindle. how then, can an artist<br />
ask for a gallery, for an exhibition, or for<br />
colours?<br />
a real artist has no right to allow the misery,<br />
pain, and disaster of millions to fade<br />
to oblivion; millions of refugees, exiled, displaced,<br />
stateless, and deprived of their<br />
Right of Return to their home and of the<br />
right of citizenship in the countries where<br />
they currently reside. in the peculiarity of<br />
our Palestinian condition, the great majority<br />
of the Palestinian people was exposed,<br />
60 years ago, to the crimes of expulsion<br />
and evacuation. even today, millions of Palestinian<br />
refugees are still living in their<br />
camps of exile and are deprived of the basic<br />
needs of life, of their civil rights, and of<br />
the Right of Return to their homeland, from<br />
which they were expelled in 1948; they are<br />
deprived even of the right to return to their<br />
refugee camps, which are continuously<br />
destroyed whenever any conflict or dispute<br />
erupts.<br />
since the Palestinian Plight, the nakba, of<br />
1948, and all throughout the 60 years of<br />
the state of israel, consecutive israeli governments<br />
have adopted the policy of denial and non-recognition<br />
of the existence of a Palestinian arab minority<br />
living in israel, whose number amounts to more<br />
than one million (to which i myself, amal, and a<br />
recognizable number of participating artists belong).<br />
they are, on the one hand, israeli citizens;<br />
and are, on the other hand, part of the Palestinian<br />
people who hung on to their land. the state deprives<br />
this minority of its civil and collective national<br />
rights, and considers its members unrelated<br />
and disconnected sects who have no national<br />
bond. israeli authorities also did not hesitate to<br />
pursue the well-known “divide and conquer” policy,<br />
which aims at the elimination of the rights of<br />
the particular sectors of this minority, and at the<br />
confiscation of their land no matter what religion<br />
they belong to.
we – the Palestinian citizens of israel – are a collective<br />
who pursue everyday life under the Jewish<br />
state and in accordance with its laws and regulations.<br />
moreover, we live with a majority of more<br />
than five million Jewish citizens who are immigrants<br />
from different cultures and communities all<br />
around the world. their uniting factors are the Jewish<br />
religion and the hebrew language, which replaced<br />
their native tongues; and they seek to produce<br />
an israeli, Jewish, and hebrew culture that<br />
has its position, impact, output, momentum, and<br />
effect not only on the Jewish citizens, but also on<br />
us, the Palestinians.<br />
how, then, would the artist work in this impossible<br />
reality? where, and with whom? what are the most<br />
vivid stimuli for his creativity? is it reality? or is it<br />
dream and obsession, or both? are reality and<br />
dream in fact the same thing? Does the artist dream<br />
alone, or is there a fellow artist from the Jewish<br />
majority who shares his dreams? an artist who,<br />
despite his different language, narrative, reality and<br />
national and religious affiliations, is similar to him;<br />
who is a close, supportive, and understanding<br />
friend, who believes in the same set of ethics and<br />
principles as the Palestinian artist does? are we to<br />
approach the other with the mentality of majority<br />
versus minority, when the other is someone who<br />
shares with us the peculiarity of the current situation?<br />
the israeli is not only the soldier firing bullets<br />
at us, or the policeman or security guard; he<br />
is also the photographer, the taxi driver, the woman<br />
selling flowers, the bookstore salesman, and<br />
the music store owner. the relationship is not ordinary<br />
or definite, rather a thorny one. we try to<br />
build our relationship in such a way that our endangered<br />
identity is not blurred by the other, and<br />
simultaneously we take the initiative to establish a<br />
dialogue and influence him.<br />
more than a year ago, we started the preparations<br />
for this exhibition. humbly put, as the exhibition<br />
co-curator, i worked with my dear friend, the artist<br />
tal adler, who is distinguished by both his high artistic<br />
taste and a sense of responsibility. tal matches<br />
deeds and words as he uses art to support<br />
the vulnerable, the marginalized, and the<br />
oppressed.<br />
as a co-curator of the exhibition, tal adler actively<br />
dedicated most of his time and effort to this project.<br />
experts in the field recognize that the work of<br />
a curator is a difficult one; imagine what it is like,<br />
then, to be the curator of an exhibition of both Palestinian<br />
and israeli artists, who live in the semitragic<br />
and vague situation that characterizes relations<br />
between the two peoples. my participation as<br />
a co-curator aims to pull, with my friend tal, the<br />
beam of light out of the darkness of our common<br />
reality like a thin line.<br />
the presence of austrian artists friedemann Derschmidt<br />
and karin schneider in the preparation of<br />
the exhibition was a pleasant one, which provided<br />
a supportive and special atmosphere. although<br />
they are geographically far from the middle east,<br />
we are nonetheless artistically close. accordingly,<br />
both artists were interested in our issues and<br />
struggles and our different media for creativity.<br />
hence, they devoted to this project much time and<br />
effort, and contributed with a very distinguished<br />
video work on our life in this land.<br />
karin and friedemann possess initiative, spirit, and<br />
a thorough understanding of our Palestinian-israeli<br />
specificity, which they can view from various<br />
and multi-dimensional perspectives. they have put<br />
in gigantic efforts to deliver this compilation of art<br />
to the austrian public through this vastly different<br />
exhibition and the participation of truly remarkable<br />
artists who are tightly connected to their places of<br />
origin. this was done in cooperation with the essl<br />
museum, which is a co-partner in raising our “<strong>overlapping</strong><br />
<strong>voices</strong>” and delivering our art into the<br />
hands of a wide public in austria. this exhibition<br />
helps the artists and familiarizes a wider public<br />
with their work; it heightens the artists’ creativity<br />
and the stories they carry, as well as memories and<br />
incentives which contain both hope and pain.<br />
the exhibition ><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>< raises a new<br />
and brave voice; it opens a channel of dialogue<br />
that carries us toward hope and possibly toward<br />
freedom for the oppressed, which is the quest of<br />
every artist.<br />
i have no doubt that this will and love – a great love<br />
for life – beams like an ever-burning candle in the<br />
hearts of all the participants in this exhibition.<br />
amal murkus is a Palestinian artist; citizen of israel and resident in<br />
the village of kufur Yasif. singer, actor, and tv and radio presenter.<br />
1
Brief an den Botschafter<br />
tal adler<br />
an den Botschafter des staates israel in wien Jerusalem, 29/4/2008<br />
Sehr geehrter Herr Botschafter,<br />
Danke für ihre Zeit und das treffen in ihrem Büro, danke für das gespräch und das interesse an der<br />
ausstellung. ich habe normalerweise nicht die möglichkeit mit einem staatsrepräsentanten zu sprechen,<br />
schon gar nicht in einer entspannten, persönlichen situation. Unser gespräch bedeutete mir viel<br />
und ich möchte einige gedanken dazu mit ihnen teilen. Dieser Brief wird ebenso in dem <strong>katalog</strong> zur<br />
ausstellung ><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>< im essl museum in Österreich veröffentlicht, in der ich sowohl als<br />
co-kurator als auch als einer der teilnehmenden künstler mitwirke.<br />
als künstler schätzte ich von anfang an die Qualitäten, die in der öffentlichen Dimension von kunst<br />
liegen.<br />
sowohl die offiziellen großen kunstinstitutionen als auch die kleinen, alternativen, improvisierten kunsträume<br />
sehe ich dabei als möglichkeiten für einen Diskurs zwischen künstlern und Öffentlichkeit. in<br />
dem moment, da jemand seine kunst präsentiert, eröffnen sich ihm vielfältige kanäle der kommunikation:<br />
interviews und Zeitungsartikel, fernsehbeiträge oder web-Plattformen; es entsteht ein interesse<br />
an den verschiedenen Publikationen eines künstlers, seinem internetauftritt, seinen aktivitäten und<br />
seinem leben. ich erforsche verschiedene instrumente dieses öffentlichen Diskurses wie Posteraktionen,<br />
Postwurfsendungen, werbe gags, wahlkämpfe, vorträge, kuratoren Jobs, <strong>katalog</strong>texte, oder auch<br />
einen Brief an den Botschafter.<br />
mit der Zeit entwickelte ich auch ein komplexeres verständnis der israelischen politischen Realität, eine<br />
tiefere einsicht in die verschiedenen geschichten und spannungen innerhalb und zwischen den einzelnen<br />
gesellschaften in israel. aus neugier erweitere ich meinen horizont und entdeckte noch mehr<br />
komplexität, mehr erzählungen, mehr widersprüche und unglücklicherweise auch mehr Unrecht und<br />
Diskriminierung. aus schmerz und frustration heraus entstand mein Bedürfnis, andere einzubeziehen<br />
– und dafür waren für mich die öffentlichen Räume der kunst gut geeignet.<br />
allmählich begann ich, gemeinsam mit kollegen und freunden, meinen Platz als teil einer gemeinschaft<br />
zu begreifen, die sich aus den vielfältigsten Persönlichkeiten und gruppen aus israel und dem<br />
ausland zusammensetzt. alle kommen von unterschiedlichen biografischen und professionellen hintergründen,<br />
gemeinsam ist ihnen das verständnis für den dringenden Bedarf an sozialer veränderung<br />
– und nicht nur das, sie machen sich all ihre fähigkeiten zunutze, um dieses Ziel voran zu treiben. mitglieder<br />
dieser gemeinschaft machen von ihren Qualifikationen, Professionen und in vielen fällen auch<br />
von ihren Ressourcen gebrauch, um sich für die werte der gleichheit, der menschen- und Bürgerrechte,<br />
für soziale gerechtigkeit, Umweltschutz, den widerstand gegen okkupation und Diskriminierung,<br />
für solidarität und Demokratie einzusetzen. Und so findet man unter ihnen anwälte, filmemacher,<br />
lehrer, studenten, forscher, Physiker und therapeuten, Journalisten und sozialarbeiter, Designer<br />
und künstler – alle verwenden ihre kapazitäten um einen gesellschaftlichen wandel herbeizuführen.<br />
immer noch stoße ich auf erstaunen, Ressentiments oder geringachtung, wenn ich die kunst als konkrete<br />
sozial-politische handlung verstehe. immer noch gilt eine Paarung zwischen der Kunst – welche<br />
doch angeblich reinen Umgang mit dem erhabenen, dem Ästhetischen oder dem philosophischen Diskurs<br />
pflegen sollte – und der aktivistischen herangehensweise in form einer konkreten aktion oder der<br />
in form der auseinandersetzung mit den ganz einfachen angelegenheiten des lokalen, sozialen oder<br />
Politsichen, als öbszön und minderwertig.<br />
Je differenzierter mein politisches verständnis und je klarer meine politischen aussagen wurden, um<br />
so mehr wurden meine Positionen von der israelischen mehrheits-gesellschaft als „extrem“ interpretiert.<br />
Positionen, die sich aus den einfachen und ohnehin etablierten idealen der gleichheit und freiheit<br />
aller menschen, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen oder sozialen<br />
gruppe, ableiten; der wunsch nach einer harmonischen und friedlichen existenz, ohne menschen<br />
oder der natur schaden zuzufügen, ohne Rassismus oder Diskriminierung, ... aus irgend einem grund<br />
18 OVERLAPPING VOICES
hat es sich so entwickelt, dass dies alles in unserer Realität als „extrem“ angesehen wird. Und so wurde<br />
ich als „linksextrem“ definiert und fixiert, und ich hielt mich doch selbst nie für einen solchen<br />
extremisten.<br />
langsam begriff ich: Die Realität um mich herum ist extrem, nicht meine ideen.<br />
in den vergangenen Jahren habe ich an verschiedenen ausstellungen und events außerhalb israels<br />
teilgenommen. ich bemerkte das interesse nicht nur an meiner kunst, sondern auch an meinem persönlichen<br />
leben als israeli. manchmal genoss ich diese aufmerksamkeit und manchmal fühlte ich mich<br />
von der schwere dieser aufgabe belastet. ich fand mich selbst wieder in gesellschaftlichen situationen,<br />
in denen ich bei wein und käse gegenüber mehr oder weniger fremden menschen die politischen vorgänge<br />
interpretierte, Prognosen abgab, geschichte, Religion, Regierungsformen erläuterte, ... verschiedene<br />
Positionen erklärte, verteidigte, attackierte, repräsentierte. Repräsentierte?! Zeitweise nahm ich<br />
mich selber dabei wahr, etwas zu repräsentieren, etwas, jenseits meines eigenen selbst. ich ließ mich<br />
dazu hinreißen, die israelis zu vertreten, die Juden, die Zionisten, die Beduinen, die armee, die linken,<br />
die „seperation wall“ (trennungsmauer).<br />
später bemerkte ich, dass auch ich, wie sie, ein Botschafter wurde.<br />
Bei unserem treffen baten sie mich, dass ich ihnen mehr über die gruppenausstellung im essl museum<br />
erzähle. ich berichtete ihnen über unsere kuratorischen entscheidungen und über meine eigene künstlerische<br />
arbeit, die ebenfalls ausgestellt werden wird; das Projekt „Unrecognized“ („nicht anerkannt“),<br />
das die geschichte der Beduinen im negev erzählt. es ist dies die geschichte einer schwachen und<br />
diskriminierten gemeinschaft, deren lebensrealität sich, ignoriert von der offiziellen Politik, auf eine<br />
soziale katastrophe hinentwickelt. „Unrecognized“ ist ein Projekt, das zur Bewusstseinsbildung geschaffen<br />
wurde und dafür, zur veränderung der situation zu bewegen.<br />
sie sagten mir, hätten sie die ausstellung in israel besucht, so hätte ich sie vielleicht an meiner seite<br />
dafür streitend und sie gegen kritik verteidigend wiedergefunden. Jedoch, so sagten sie, eine solche<br />
arbeit sollte nicht außerhalb von israel gezeigt werden. sie erklärten, Projekte wie meines würden, aufgrund<br />
des unterschwelligen antisemitismus sowie der mangelnden fähigkeit des europäischen Publikums,<br />
die gesellschaftspolitisch-historischen Prozesse in israel wirklich zu verstehen, nur zu einer<br />
falschen, weil simplifizierenden und dichotomen vorstellung von der israelischen Realität ermutigen.<br />
interpretiert man sie oberflächlich, könnten solche kunstprojekte gefährliche und abgründige meinungen<br />
mit antisemitischem hintergrund legitimieren.<br />
sie erklärten ihre enttäuschung über die kuratorische auswahl der anderen künstlerischen arbeiten<br />
dieser gruppenausstellung im essl museum und über das versäumnis dieser ausstellung, ein ausgewogenes<br />
Bild der israelischen gesellschaft zu zeigen, vor allem das palästinensische narrativ zu betonen<br />
und lösungen anzubieten, welche das existenzrecht israels als jüdischen staat untergraben.<br />
ich stimme ihnen zu, dass die menschen hier in europa die lebenswirklichkeit in israel nicht genau<br />
verstehen. sie kennen vielleicht nicht die verschiedenen und widersprüchlichen narrative, sehen vielleicht<br />
nicht die vielschichtigkeiten unseres landes und wissen nichts über die verschiedenen gemeinschaften<br />
in israel. auch ich, als israeli, maße mir nicht an, die lebensrealität in anderen orten der welt<br />
vollkommen zu verstehen. sollte mich das jedoch davon abhalten, über die geschichte des konfliktes<br />
in nord-irland zu lernen, über die Umweltschutzbewegung in island oder mehr über die not und die<br />
sozialen kämpfe der Roma und sinti in Österreich zu erfahren?<br />
ich stimme ebenso ihren ausführungen über den antisemitismus in europa und besonders jenem in<br />
Österreich, zu. ich weiß: Dass israels diskriminierende Politik wahrgenommen oder israel als aggressor<br />
gezeigt wird, dient einigen als entschuldigung für Österreichs jüngste nazivergangenheit und zur<br />
Rechtfertigung gegenwärtiger antisemitischer ideen. Jedoch wird dies dadurch gelöst, dass die kreative<br />
arbeit jener Poeten, autoren, forscher und studenten, die sich mit politischer kritik beschäftigen,<br />
auf ihre nationalstaatlichen grenzen beschränkt wird?<br />
ich stimme ebenso ihrem statement bezüglich unseres versäumnisses, ein ausgewogenes Bild der israelischen<br />
gesellschaft zu zeichnen, zu. ich bezweifle jedoch, dass uns dies möglich gewesen wäre,<br />
selbst wenn wir es versucht hätten. abgesehen davon, dass wir natürlich bemüht waren, keine oberflächliche<br />
oder tendenziöse ausstellung zu kuratieren, leben und operieren wir immer noch in einem<br />
ganz konkreten ideologischen Umfeld. Und dieses prägt unseren Blick auf die und unser verständnis<br />
von den kunstwerken, die wir uns im Zuge unseres kuratorischen auswahlprozesses angesehen<br />
haben.<br />
gleichfalls ist es notwendig zu betonen, dass es genauso der staat israel selbst ist, der zu simplifizierenden<br />
und dichotomen wahrnehmungen dieses staates ermutigt – und zwar sowohl bezüglich seiner<br />
staatsbürger als auch im ausland. gerade solch eine polarisierende Darstellung der israelischen<br />
Realität verpflichtet zu erhöhter wachsamkeit gegenüber allen versuchen, jene stimmen zu kontrollieren<br />
und einzuschränken, die bemüht sind, die erzählungen der anderen, der schwachen, marginalisierten<br />
und ausgeschlossenen gesellschaftsteile zu erfahren und zu gehör zu bringen. israel unterscheidet<br />
sich darin natürlich nicht von anderen ländern. wie diese auch, durchläuft israel einen<br />
19
globalisierungsprozess, und auch in israel sind die verbindungen zwischen Politik, medien und privatwirtschaftlichen<br />
– gegen das allgemeinwohl gerichteten – interessen schwer durchschau- und<br />
auflösbar.<br />
ich nehme ihren vorschlag, meine arbeit nur innerhalb der grenzen israels zu zeigen, nicht an. Und<br />
doch – ich stelle mir vor, die meisten der kultur- und kunstzentren in israel wären daran interessiert,<br />
unseren Bemühungen zu folgen und solche Projekte auszustellen; die israelische gesellschaft und ihre<br />
führungskräfte wären bereit, Änderungsvorschläge eher zu akzeptieren und die versuche die Dinge<br />
von innen her zu verbessern wären erfolgreicher – ich glaube wenn das so wäre, dann würde ich mich<br />
nicht mit dieser frage beschäftigen.<br />
vielleicht, so wird mir manchmal vorgeworfen, wende ich mich nur nach außen, um aufmerksamkeit<br />
und Unterstützung zu bekommen. vielleicht jedoch – so behaupte ich – ist dies eine beabsichtigte, vorsätzlich<br />
gewählte strategie. gewählt aufgrund des glaubens an die fähigkeit der internationalen gemeinschaft,<br />
die israelische Politik zu beeinflussen und bei den schwierigen veränderungsprozessen<br />
mitzuhelfen.<br />
gewählt vielleicht auch aufgrund der historisch bedingten verantwortung europas für jene verhältnisse<br />
und Prozesse, die eventuell zur gegenwärtigen Realität in israel führten.<br />
es ist schon einigermaßen ironisch – möglicherweise dient mein handeln sogar ihren Zwecken. wenn<br />
staatsbürger frei und gefahrlos offene und oft scharfe kritik an der Regierungspolitik ihres landes üben<br />
können, und dies auch innerhalb und außerhalb der staatsgrenzen tun, so entsteht bei den Betrachtern<br />
der eindruck eines eher offenen und demokratischen staates. vielleicht können (zumindest in meiner anmaßenden<br />
fantasie) solche Projekte sogar als Beispiel dienen. anstatt kommentare zum „nahen osten“<br />
abzugeben und darüber zu diskutieren, wird das internationale Publikum seinen Blick auch nach innen<br />
richten, auf seine eigenen gesellschaften, auf die eigenen verborgenen geschichten von Rassismus, Diskriminierung,<br />
geringschätzung anderer und der verschanzung hinter selbstgerechtigkeit.<br />
Und so, aus einer gewissen kollegialität heraus, von einem Botschafter zum anderen, möchte ich gerne<br />
eine weitere fantasie mit ihnen teilen. vielleicht wird es den kunstwerken, die wir hier ausstellen, gelingen,<br />
auch sie anzusprechen: sie, einen offiziellen Repräsentanten und staatsbürger des staates israel,<br />
zu überzeugen, der gemeinschaft, die ich oben beschrieben habe, beizutreten. Der gemeinschaft<br />
jener, die sich hauptberuflich mit dem streben nach sozialer gerechtigkeit, wirklicher gleichheit und<br />
solidarität beschäftigen. vielleicht würden sie es dann auch für richtig halten, ihre hilfsmittel zur verfügung<br />
zu stellen – Büros, angestellte, ihre politischen kontakte nach israel und ins ausland – um uns<br />
in unserer Überzeugungsarbeit zu helfen. vielleicht wird es ihnen auch möglich sein, ihre angestellten<br />
im außenministerium zu verpflichten und deren angestellte in der israelischen Regierung – und alle<br />
würden der Bewegung jener Bürger folgen, die versuchen den Platz in dem sie leben zu einem besseren<br />
zu machen – zum wohle aLLer seiner Bürger.<br />
mit besten grüßen,<br />
tal adler<br />
20 OVERLAPPING VOICES
letter to the amBassador<br />
tal adler<br />
to the israeli ambassador in vienna, Jerusalem, 29/4/2008<br />
Dear sir,<br />
thank you for your time and the meeting in your office, thanks for taking an interest in the exhibition. i do<br />
not usually have the opportunity to talk with a representative of the state, certainly not in a relaxed, face-toface<br />
situation. i gave much thought to our conversation, and wanted to share some thoughts with you. this<br />
letter will also be published in the catalogue of the exhibition ><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>< in the essl museum in<br />
austria, where i am both co-curator and one of the participating artists.<br />
from my early steps as an artist i learnt to appreciate the qualities inherent in the public dimensions of<br />
art. i understood the spaces of art – both the large, official ones and the alternative, improvised ones – as<br />
places enabling a discourse between the artist and the public. as one presents one’s art, additional channels<br />
of public communication open up: interviews and articles in the written, broadcast and web-based<br />
media; an interest in the artist’s additional products, his or her publications, website and those who are<br />
linked with it, activities and life. i have explored additional tools of public discourse and experimented with<br />
street posters, mail work, spoof ads, running for elections, lectures, curatorship, a text in a catalogue, letter<br />
to an ambassador.<br />
with time, i developed a more complex understanding of israel’s political reality, of the different stories<br />
and tensions within and between the different communities. out of curiosity i broadened my vision and<br />
discovered more complexities, more narratives, more contradictions, and unfortunately more wrongdoings,<br />
discrimination and evil.<br />
out of pain, frustration and the need to involve others, i found the public platforms of art suitable.<br />
gradually i realized my place, together with friends and colleagues, as part of a community composed of individuals<br />
and groups from a variety of backgrounds and professions, in israel and abroad. common to all was<br />
the understanding of the urgent need for social change, and not only the understanding, but also harnessing<br />
the main practice of each of them, to promote this goal. members of this community make use of their profession,<br />
skills, and in many cases most of their resources, to promote values of equality, human and civil rights,<br />
social justice, environmental protection, resistance to the occupation and discrimination, solidarity, democracy…<br />
and so one finds lawyers, filmmakers, lecturers, students, researchers, physicians and therapists, journalists,<br />
social workers, designers and artists – all devoting their capabilities to making the change.<br />
it is not taken for granted, and i still encounter reactions of surprise, resentment or contempt for the use of<br />
art as a concrete social-political act. i hear of the obscene and inferior nature of the coupling between art –<br />
which is supposed to deal with the sublime, the aesthetic or a philosophical discourse – with an activist approach<br />
of a direct action, of dealing with prosaic matters of local, social, political and specific issues.<br />
in addition to that, with my political understanding and statements becoming more precise, i found israeli<br />
society, for the most part, interpreting these stands as extreme. a stance derived of simple and established<br />
ideals of equality and liberty, irrespective of ethnic or community affiliation; the desire for harmonious<br />
and peaceful social existence, without harming humans or nature, avoiding racism and discrimination…<br />
for some reason this stance has come, in our reality, to be seen as extreme. i found myself defined and<br />
confined as the ‘extreme left’, and i never considered myself such an extremist.<br />
slowly i realized that the reality around me is the extreme, not my opinions.<br />
in recent years i have participated in various exhibitions and events outside israel. i encountered much<br />
interest, not only in the art itself, but also in my personal life as an israeli. sometimes i enjoyed the attention,<br />
and sometimes i felt burdened with the duty. i found myself in social situations in front of strangers<br />
more or less, over wine and cheese, interpreting political moves, forecasting outcomes, teaching history,<br />
religion, regimes… explaining different positions, defending, attacking, representing. Representing?!<br />
at times i found myself representing something, someone, beyond my personal self. getting carried away<br />
and representing the israelis, the Jews, Zionism, the Bedouin, the army, the left, the separation wall…<br />
later i realized that i too, like you, had become an ambassador.<br />
21
in our meeting you asked me to tell you about the group exhibition at the essl museum. i told you about the<br />
curatorial decisions and about my artwork that will be exhibited as well, the project ‘Unrecognized’, which<br />
tells the story of the Bedouin community in israel’s negev. a story of a weakened and discriminated community<br />
disregarded by the state’s policy, a reality evolving into a social catastrophe. a project that was formed<br />
to raise awareness and impel change.<br />
You told me that had you visited this exhibition in israel, i might have found you at my side, arguing and defending<br />
it against critics. however, you said, such work should not be exhibited outside israel. You explained<br />
that because of hidden anti-semitism, and due to the inability of the european audience to deeply understand<br />
social-political-historical processes in israel, projects such as mine only encourage mislead perceptions<br />
and simplistic dichotomies of israeli reality. Using a shallow interpretation, dark and dangerous opinions<br />
against an anti-semitic background could be justified.<br />
You expressed your disappointment with the curatorial selection of the other artworks for the group exhibition<br />
in the essl museum, and the failure of this exhibition to present a balanced image of israel, emphasizing mainly<br />
Palestinian narratives and offering solutions which undermine the existence of israel as a Jewish state.<br />
i agreed that people here in europe do not understand well the reality of life in israel. they might not know<br />
the different and contradicting narratives, might not see the complexities or know about the different communities.<br />
i too, as an israeli, do not presume to fully understand life’s reality in other places. should this prevent<br />
me from learning about the history of the conflict in northern ireland, the environmentalist civil movement<br />
in iceland, or the plight and social struggle of the gypsies in austria?<br />
i agree as well with your understanding of anti-semitism in europe and especially in austria. i know that by<br />
seeing israel’s discriminative policies or seeing israel as an aggressor, some use it as an excuse for their recent<br />
history as a nation during nazi times and justify their current anti-semitic ideas. however, should restricting<br />
the creative work of poets, writers, researchers and scholars dealing with political critique to the boundaries<br />
of their national states exclusively solve this?<br />
i also agree with your statement about the failure of our exhibition to create a balanced view of israel. i question<br />
our ability to succeed in this, had we tried. apart from trying not to create a superficial or tendentious<br />
show of course, we still live and operate in a certain ideological sphere that influenced our way of seeing and<br />
understanding the artworks and our curatorial job.<br />
likewise, it’s worth mentioning that it is the state of israel as well, which encourages simplistic and dichotomous<br />
perceptions of the reality in israel, both among its citizens and abroad. such a polar view of reality is<br />
bound to develop even further in the wake of attempts to control and limit the <strong>voices</strong> trying to explore and<br />
uncover the narratives of others, and the weakened, excluded and marginalized parties. no differently than<br />
other countries, israel is going through global processes, and in israel too, the ties between politics, media<br />
and private economic interests contrary to the public weal are hard to loosen and evaluate.<br />
i do not accept your suggestion to limit the exhibiting of my work to within israel’s borders only. and yet,<br />
i imagine that if most cultural and art centers in israel were interested in joining the efforts and exhibit such<br />
projects; if israel’s society and its leaders were to accept proposals for amendment faster; and if attempts to<br />
improve things from within would have been more fruitful, i guess i wouldn’t be dealing with this question.<br />
Perhaps – as is sometimes claimed against me – i turn outside only for attention and support. Perhaps –<br />
as i claim – this is out of a deliberate, pre-meditated strategy. out of the belief in the capability of the international<br />
community to affect israel’s policies and assist in the difficult process of change. Perhaps also<br />
because of europe’s historic responsibility for the circumstances and processes which eventually led to<br />
israel’s current reality.<br />
somewhat ironically, i might even serve your purposes. when citizens freely and safely present open and<br />
often harsh criticism of their government’s policy, and do so within the country and outside of it, the impression<br />
received is one of a more open and democratic state.<br />
Perhaps even (at least in my pretentious fantasies) such projects can even serve as an example. instead of<br />
discussing and making statements on ‘the situation in the middle east’, the international audience will also<br />
look inward, at its own communities, at its own hidden stories of racism, discrimination, disregard, and<br />
entrenchment in self-righteousness.<br />
and so, out of a certain collegiality, as one ambassador to another, i’d like to share with you one more fantasy.<br />
Perhaps the artworks that we are showing here in austria will succeed in appealing to you too: an official<br />
representative and israeli citizen, convincing you to join the community i have described above, of those who<br />
employ their occupation in the pursuit of social justice, true equality and solidarity. Perhaps you would then<br />
think it right to use the means at your disposal, offices, employees and your political contacts in israel and<br />
abroad to help us in our advocacy efforts. Perhaps you will also be able to enlist your employers in the ministry<br />
of foreign affairs, and their employers in the israeli government, and all would join one movement of<br />
citizens who are trying to transform the place they live in, making it better and befitting aLL its inhabitants.<br />
with all the best,<br />
tal adler<br />
22 OVERLAPPING VOICES
40<br />
MEINUNG<br />
Die Realität ist extrem, nicht meine Ideen!<br />
Dürfen Israelis im Ausland Israel<br />
kritisieren? Offener Brief des Künstlers<br />
Tal Adler an den israelischen<br />
Botschafter Dan Ashbel zur Schau<br />
„Overlapping Voices“ im Essl Museum.<br />
S<br />
Plus<br />
und Minus<br />
E M a i l EGYD GSTÄTTNER<br />
S<br />
ehr geehrter Herr Botschafter, ich bedanke<br />
mich für das Gespräch, es be-<br />
deutete mir viel, und ich möchte ei-<br />
nige Gedanken dazu mit Ihnen teilen.<br />
Als Künstler schätzte ich von Anfang an<br />
die öffentliche Dimension von Kunst. Mit<br />
der Zeit entwickelte ich auch eine tiefere<br />
Einsicht in die israelische politische Realität.<br />
Ich begann, meinen Platz als Teil einer<br />
Gemeinschaft zu begreifen, die sich aus<br />
den vielfältigsten Persönlichkeiten und<br />
Gruppen aus Israel und dem Ausland zusammensetzt.<br />
Gemeinsam ist ihnen das<br />
dringende Bedürfnis nach sozialer Veränderung.<br />
Anwälte, Filmemacher, Lehrer,<br />
Physiker, Journalisten, Sozialarbeiter,<br />
Künstler – alle machen sie von ihren Qualifikationen,<br />
Professionen und oft Ressourcen<br />
Gebrauch, um sich für Menschen- und<br />
Bürgerrechte, soziale Gerechtigkeit, den<br />
Widerstand gegen Okkupation und Diskriminierung,<br />
für Solidarität und Demokratie<br />
einzusetzen.<br />
Mein Leben als Israeli<br />
Immer noch stoße ich auf Ressentiments<br />
oder Geringachtung, wenn ich die Kunst<br />
als konkrete sozial-politische Handlung<br />
verstehe. Je differenzierter mein politisches<br />
Verständnis, je klarer meine politischen<br />
Aussagen wurden, um so mehr wurden<br />
meine Positionen von der israelischen<br />
Mehrheitsgesellschaft als „extrem“ interpretiert.<br />
Positionen, die sich aus den Idealen<br />
der Gleichheit und Freiheit aller Menschen<br />
ableiten; der Wunsch nach einer<br />
harmonischen und friedlichen Existenz,<br />
ohne Rassismus oder Diskriminierung –<br />
aus irgendeinem Grund hat es sich so entwickelt,<br />
dass dies alles in unserer Realität<br />
als „extrem“ angesehen wird. So wurde ich<br />
chweiz. Entdecke das Plus“, steht auf<br />
dem Bus, der uns, Rosa und mich, in<br />
Genf zum Flughafengebäude bringt.<br />
Faszinierend, wie unsere westlichen Nachbarn<br />
metaphorisch das Allerletzte aus ihrer<br />
Flagge holen. Auf die österreichische übertragen<br />
müsste es analog heißen: „Österreich.<br />
Entdecke das Minus.“ Gar so schwer<br />
zu finden ist es ja nicht, so breit und fett,<br />
wie es zwischen den beiden roten Balken<br />
liegt. Und da entdecke ich am Kiosk auch<br />
schon eine Zeitung mit der Schlagzeile „Le<br />
monstre d’Amstetten!“ Mon dieu! Immer<br />
dieser widerliche Kerl<br />
und seine Das-Gesetzbin-ich-Visage!<br />
Was<br />
hatten wir Österreicher<br />
im Ausland schon alles<br />
zu leiden: Hitler! Haider!<br />
Waldheim! Dazu noch Unterweger,<br />
Fuchs und Prikopil. Und jetzt dieser ungenierte<br />
Privatkerkermeister und Lustverbrecher.<br />
Wenigstens haben wir den nicht gewählt.<br />
Und wen haben die Schweizer? Gerade<br />
mal Blocher. Lächerlich! Dort Freud –<br />
hier Jung. Da sind natürlich auch die Triebverbrechen<br />
nicht ganz so spektakulär. Bei<br />
der Gelegenheit fällt mir ein: Der österreichische<br />
Teamchef stammt – aus Amstetten!<br />
Aber Hickersberger ist ein ganz, ganz netter<br />
Mensch. Man hat ihn seinerzeit extra aus<br />
der Trainerkollektion „Köbi Kuhn“ genommen.<br />
Amstetten braucht dringend einen<br />
guten Menschen, und Hickersberger steht<br />
lokal zusätzlich mächtig unter Druck.<br />
In der Straßenbahn säuselt eine sanfte<br />
Frauenstimme: Broschänäräh! Broschänäräh!<br />
Immer wieder Broschänäräh. Bald aber<br />
ist Rosa hinter das Geheimnis gekommen:<br />
Prochain arrêt! Bien! Aber wo aussteigen?<br />
Wo umsteigen? Nirgendwo ist auf das Stadion<br />
hingewiesen! Das Ramada Encore Hotel<br />
liegt direkt im Stadionareal, ist baulich<br />
an das Oval angeschlossen und dient als<br />
Verbindungsglied zum Einkaufscenter auf<br />
der anderen Seite. Ob es eine Möglichkeit<br />
„In Genève wird zwar die<br />
Schweizer Gruppe gespielt, aber<br />
ohne Schweiz. Symbolträchtig.“<br />
„Der Wunsch nach Freiheit, Gleichheit, Menschenrechten – dies alles wird in unserer Realität als ,extrem‘ angesehen.“ [Clemens Fabry]<br />
als „linksextrem“ definiert und hielt mich<br />
doch selbst nie für einen Extremisten.<br />
Langsam begriff ich: Die Realität um<br />
mich herum ist extrem, nicht meine Ideen.<br />
In den vergangenen Jahren nahm ich an<br />
verschiedenen Ausstellungen und Events<br />
außerhalb Israels teil. Ich bemerkte das Interesse<br />
nicht nur an meiner Kunst, sondern<br />
auch an meinem Leben als Israeli. Ich ließ<br />
mich dazu hinreißen, die Israelis zu vertreten,<br />
die Juden, die Zionisten, die Beduinen,<br />
die Armee, die Linken. Allmählich bemerkte<br />
ich, dass auch ich ein Botschafter wurde.<br />
Bei unserem Treffen baten Sie mich, Ihnen<br />
mehr über die Gruppenausstellung<br />
im Essl Museum zu erzählen. Ich berichtete<br />
Ihnen über unsere kuratorischen Entscheidungen<br />
und meine eigene künstlerische<br />
Arbeit, die ebenfalls ausgestellt wird;<br />
das Projekt „Unrecognized“ („nicht anerkannt“),<br />
das die Geschichte der Beduinen<br />
gäbe, ins Innere zu kommen, fragen wir den<br />
Rezeptionisten. Er winkt ab. But we came<br />
from Vienna by plane, especially for this<br />
reason! Der Rezeptionist denkt nach, blickt<br />
sich argwöhnisch um, dann gibt er uns ein<br />
Zeichen: Follow me! Das Hotel hat mehrere<br />
Konferenzsäle. Einer davon hat eine riesige<br />
Panoramaglaswand und ist in den VIP-Bereich<br />
des Stadions hineingebaut. Hier dürfen<br />
wir uns ausnahmsweise umsehen und<br />
auch ein paar Erinnerungsfotos schießen.<br />
Ich bin ein wenig stolz. Letzte Woche hat<br />
mir ein Redakteur des Bayerischen Rund-<br />
funks erzählt, ihm sei es<br />
nicht gestattet worden,<br />
auch nur kurz ins Innere<br />
des Stadions zu<br />
kommen und ein paar<br />
Sekunden zu drehen.<br />
Und das trotz der Genfer Freundlichkeitskurse.<br />
(Say: „Swiss!“ Say: „Cheese!“) Die<br />
Stühle werden wahrscheinlich noch frisch<br />
gestrichen, meint der Rezeptionist.<br />
Naturgemäß hat die französische<br />
Schweiz viel von Frankreich, wie Frankreich<br />
viel von seinen ehemaligen Kolonien hat. In<br />
Genève wird zwar die Schweizer Gruppe<br />
gespielt, aber ohne Schweiz. Das ist durchaus<br />
symbolträchtig. Wir bedanken uns<br />
beim Rezeptionisten und fragen: „What do<br />
you think? Will the Swiss team succeed?“ –<br />
„I don’t know! I’m Portuguese!“<br />
Von Genf nach Basel fährt man wie aus<br />
einem Land ins andere: Von Nichtganzfrankreich<br />
nach Nichtganzdeutschland. An<br />
der Zuginnenwand fragt Rousseau über<br />
dem Fenster: Heureux, mon jeune ami, le<br />
pays où l’on n’a pas besoin d’aller chercher<br />
la paix dans un désert! Mais où est ce pays?<br />
Nachdenklich rasen wir an Nyon vorbei, an<br />
Neuchâtel und Biel, Moutier und Delémont.<br />
Großes Lob der SBB! In der ÖBB habe ich<br />
noch keinerlei Innenwandliteratur bemerkt.<br />
·······································································<br />
Der Klagenfurter Autor schickt bis zur Fußball-Europameisterschaft<br />
im Juni jeden Donnerstag ein EMail.<br />
·······································································<br />
im Negev erzählt – eine schwache, diskriminierte<br />
Gemeinschaft, deren Lebensrealität<br />
sich, ignoriert von der offiziellen Politik,<br />
auf eine soziale Katastrophe hinentwickelt.<br />
Sie sagten mir, hätten Sie die Ausstellung<br />
in Israel besucht, hätten Sie vielleicht an<br />
meiner Seite dafür gestritten; doch eine<br />
solche Arbeit solle nicht außerhalb von Israel<br />
gezeigt werden. Projekte wie meines<br />
würden, aufgrund des unterschwelligen<br />
Antisemitismus und der mangelnden Fähigkeit<br />
des europäischen Publikums, die<br />
Prozesse in Israel zu verstehen, zu einer falschen,<br />
weil simplifizierenden und dichotomen<br />
Vorstellung von der israelischen Realität<br />
ermutigen. Oberflächlich interpretiert,<br />
könnten solche Projekte gefährliche Meinungen<br />
mit antisemitischem Hintergrund<br />
legitimieren.<br />
Sie zeigten sich enttäuscht über die kuratorische<br />
Auswahl und das Versäumnis der<br />
Ausstellung, ein ausgewogenes Bild der israelischen<br />
Gesellschaft zu zeigen, darüber,<br />
dass die Schau vor allem das palästinensische<br />
Narrativ betone und Lösungen anbiete,<br />
die das Existenzrecht Israels als jüdischer<br />
Staat untergraben.<br />
Warum ich im Ausland ausstelle<br />
Ich stimme Ihnen zu, dass die Menschen in<br />
Europa die Lebenswirklichkeit in Israel<br />
nicht genau verstehen. Auch ich, als Israeli,<br />
maße mir nicht an, die Lebensrealität in<br />
anderen Orten der Welt vollkommen zu<br />
verstehen. Sollte mich das aber davon abhalten,<br />
über die Geschichte des Konfliktes<br />
in Nordirland zu lernen, die Umweltschutzbewegung<br />
in Island oder die Not der<br />
Roma und Sinti in Österreich?<br />
Ich weiß: Dass Israels diskriminierende<br />
Politik wahrgenommen, Israel als Aggressor<br />
gezeigt wird, dient einigen als Entschuldigung<br />
für Österreichs Nazivergangenheit<br />
und zur Rechtfertigung antisemitischer<br />
Ideen. Aber wird dies dadurch gelöst,<br />
dass die kreative Arbeit jener Autoren, Forscher<br />
oder Studenten, die sich mit politischer<br />
Kritik beschäftigen, auf ihre nationalstaatlichen<br />
Grenzen beschränkt wird?<br />
Ich stimme ebenso Ihrem Statement bezüglich<br />
unseres Versäumnisses zu, ein ausgewogenes<br />
Bild der israelischen Gesellschaft<br />
zu zeichnen. Ich bezweifle jedoch,<br />
dass uns dies möglich gewesen wäre, selbst<br />
wenn wir es versucht hätten. Wir leben<br />
und operieren immer noch in einem ganz<br />
konkreten ideologischen Umfeld. Dieses<br />
prägt unseren Blick auf die Kunstwerke, die<br />
wir uns im Zuge unseres kuratorischen<br />
Auswahlprozesses angesehen haben.<br />
Auch ist es notwendig, zu betonen, dass<br />
der Staat Israel selbst ebenfalls zu simplifizierenden<br />
und dichotomen Wahrnehmungen<br />
dieses Staates ermutigt – sowohl bezüglich<br />
seiner Staatsbürger als auch im<br />
Ausland. Gerade solch eine polarisierende<br />
Darstellung verpflichtet zu erhöhter Wachsamkeit<br />
gegenüber Versuchen, jene Stimmen<br />
einzuschränken, die bemüht sind, die<br />
Erzählungen der marginalisierten Gesellschaftsteile<br />
zu erfahren und zu Gehör zu<br />
bringen.<br />
Ich nehme Ihren Vorschlag, meine Arbeit<br />
nur innerhalb der Grenzen Israels zu<br />
zeigen, nicht an. Und doch – ich stelle mir<br />
vor, die meisten der Kultur- und Kunstzentren<br />
in Israel wären daran interessiert, unseren<br />
Bemühungen zu folgen; wenn die is-<br />
Donnerstag, 15. Mai 2008<br />
GASTKOMMENTAR VON TAL ADLER<br />
raelische Gesellschaft und ihre Führungskräfte<br />
Änderungsvorschläge mehr akzeptieren<br />
würden, die Versuche, die Dinge von<br />
innen her zu verbessern, erfolgreicher wären<br />
– ich glaube, dann würde ich mich<br />
nicht mit dieser Frage beschäftigen.<br />
Vielleicht, so wird mir manchmal vorgeworfen,<br />
wende ich mich nur nach außen,<br />
um Aufmerksamkeit und Unterstützung zu<br />
bekommen. Vielleicht ist meine Tätigkeit<br />
im Ausland aber eine vorsätzliche Strategie.<br />
Gewählt aufgrund des Glaubens an die<br />
Fähigkeit der internationalen Gemeinschaft,<br />
die israelische Politik zu beeinflussen<br />
und bei den schwierigen Veränderungsprozessen<br />
mitzuhelfen. Gewählt vielleicht<br />
auch aufgrund der historisch bedingten<br />
Verantwortung Europas.<br />
Ironischerweise dient mein Handeln<br />
vielleicht sogar Ihren Zwecken. Wenn<br />
Staatsbürger frei heraus offene, oft scharfe<br />
BRIEF UND GEGENBRIEF<br />
Der offene Brief Tal Adlers an den<br />
israelischen Botschafter in Österreich Dan<br />
Ashbel sowie dessen Entgegnung (S. 41)<br />
entstanden nach einem persönlichen<br />
Gespräch zwischen den beiden im Vorfeld<br />
der Schau „Overlapping Voices“ im Essl<br />
Museum, Klosterneuburg. Von 16. 5. bis<br />
26. 10. sind Werke israelischer und<br />
palästinensischer Künstler zu sehen. Tal<br />
Adler, geb. 1969 in Jerusalem, ist Künstler<br />
und Co-Kurator der Ausstellung.<br />
Kritik an der Regierungspolitik ihres Landes<br />
üben können, entsteht der Eindruck<br />
eines eher offenen und demokratischen<br />
Staates. Vielleicht können (zumindest in<br />
meiner anmaßenden Fantasie) solche Projekte<br />
sogar als Beispiel dienen. Anstatt<br />
Kommentare zum „Nahen Osten“ abzugeben<br />
und darüber zu diskutieren, wird das<br />
internationale Publikum vielleicht seinen<br />
Blick auch nach innen richten, auf seine eigenen<br />
Gesellschaften, auf die eigenen verborgenen<br />
Geschichten von Rassismus, Geringschätzung<br />
anderer und der Verschanzung<br />
hinter Selbstgerechtigkeit.<br />
Vielleicht kann die Kunst Sie überzeugen<br />
Und so, aus einer gewissen Kollegialität heraus,<br />
von einem Botschafter zum anderen,<br />
möchte ich gerne eine weitere Fantasie mit<br />
Ihnen teilen. Vielleicht wird es den Kunstwerken<br />
hier gelingen, auch Sie anzusprechen:<br />
Sie, einen offiziellen Repräsentanten<br />
und Staatsbürger des Staates Israel, zu<br />
überzeugen, der Gemeinschaft, die ich<br />
oben beschrieben habe, beizutreten.<br />
Der Gemeinschaft jener, die sich hauptberuflich<br />
mit dem Streben nach sozialer<br />
Gerechtigkeit, wirklicher Gleichheit und<br />
Solidarität beschäftigen. Vielleicht würden<br />
Sie es dann auch für richtig halten, Ihre<br />
Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen – Büros,<br />
Angestellte, politische Kontakte –, um<br />
uns in unserer Überzeugungsarbeit zu helfen,<br />
vielleicht würden dann auch Sie der<br />
Bewegung jener Bürger folgen, die versuchen,<br />
den Platz, in dem sie leben, zu einem<br />
besseren zu machen – zum Wohle ALLER<br />
seiner Bürger.
Donnerstag, 15. Mai 2008 MEINUNG 41<br />
Das ewige Klischee „Nahost-Konflikt“<br />
„Ich bedaure, dass am 60. Geburtstag<br />
meines Landes der arabisch-israelische<br />
Konflikt Hauptthema einer Kunstausstellung<br />
wird“: Entgegnung auf den<br />
offenen Brief von Tal Adler (s. Seite 40).<br />
V<br />
quergeschrieben<br />
Abkehr vom Utilitarismus<br />
Das Brauchbare und das Wertvolle<br />
sind nicht dasselbe.<br />
A<br />
or einem Jahr wurde ich von Prof.<br />
Essl überrascht, als er mir mitteilte,<br />
dass er dem Staat Israel ein Ge-<br />
schenk zum 60. Unabhängigkeitstag in<br />
Form einer israelischen Kunstausstellung<br />
bereiten wolle. So eine Ausstellung im renommierten<br />
Essl Museum wäre einerseits<br />
eine Chance für israelische Künstler, sich<br />
auf der internationalen Bühne vorzustellen,<br />
andererseits würde sie dem österreichischen<br />
Publikum Israel, seine Menschen,<br />
Natur, Kultur und Kunst, sein Leben,<br />
ja seine Seele, näher bringen.<br />
Der Staat Israel wurde vor 60 Jahren unter<br />
schwierigsten Umständen gegründet.<br />
Damals musste man unverbesserlicher Optimist<br />
sein, um an sein langjähriges Überleben<br />
zu glauben. Am 14. Mai 1948 brachen<br />
die arabischen Staaten einen Krieg vom<br />
Zaun, um sein Entstehen im Keim zu ersticken.<br />
Zu diesem Zeitpunkt lebten in Israel<br />
ca. 650.000 Juden, 6000 verloren im Unabhängigkeitskrieg<br />
ihr Leben. Seitdem musste<br />
Israel seine Existenz mehrmals verteidigen.<br />
Bis heute verneinen mehrere arabische<br />
Staaten das einfache Existenzrecht des<br />
Staates Israel. Israel, auf der anderen Seite,<br />
hat den Willen zu Frieden und friedlicher<br />
Nachbarschaft schon in seiner Unabhängigkeitserklärung<br />
1948 verankert und strebt<br />
unermüdlich weiter in diese Richtung.<br />
Araber sind gleichberechtigte Bürger<br />
Der Staat Israel ist so groß (oder klein) wie<br />
Niederösterreich. In seinem 60. Jahr leben<br />
in ihm rund 7,2 Millionen Menschen. Viele<br />
sind neu eingewandert oder gehören einer<br />
Einwandererfamilie an. In den ersten drei<br />
Jahren nach der Gründung fanden fast<br />
700.000 Überlebende der Shoah wie auch<br />
Juden aus arabischen Ländern Zuflucht. Israel<br />
öffnete seine Tore für jeden Juden und<br />
jede Jüdin. Verfolgte und gepeinigte Menschen<br />
aus aller Herren Ländern haben in<br />
Israel eine Heimat gefunden. Zwischen<br />
1990 und 1999 kamen fast eine Million Einwanderer<br />
aus der ehemaligen Sowjetunion,<br />
mehrere zehntausende aus Äthiopien. 2008<br />
leben in Israel ca. 5,8 Millionen Juden.<br />
In Israel leben ca. 1,3 Millionen arabische<br />
Bürger. Nach dem Unabhängigkeitskrieg<br />
waren es 150.000. Auch die arabische<br />
Dan Ashbel ist seit 2005 Botschafter Israels in Österreich.<br />
Er war u. a. Presse- und Kulturattaché in Bonn<br />
und London, zudem Generalkonsul in Philadelphia.<br />
meinung@diepresse.com<br />
m letzten Abend einer für interessierte<br />
Laien gedachten Vortragsserie, die ich<br />
vor einigen Monaten über die<br />
„schönste Formel“ hielt, in der die berühmtesten<br />
mathematischen Konstanten p (das<br />
Verhältnis von Umfang zu Durchmesser<br />
eines Kreises), e (die Basis des natürlichen<br />
Logarithmus) und i (die sogenannte imaginäre<br />
Einheit, die mit sich selbst multipliziert<br />
minus eins ergibt) ineinander verknüpft<br />
sind, war ein maßgeblicher Wissenschaftsjournalist<br />
anwesend, der nach dem Vortrag<br />
wohlwollend kritisch bemerkte: „All dies<br />
klingt ja ganz aufregend und interessant.<br />
Aber was mir bei Ihnen fehlte, war eine Erklärung,<br />
wozu man denn diese Formel<br />
überhaupt braucht.“<br />
„Wozu braucht man das?“ Diese entwaffnende<br />
Frage begleitet den Mathematikunterricht<br />
seit seinen Anfängen in grauer Vorzeit.<br />
Und in den letzten Jahrzehnten meinten<br />
die Gestalter der Lehrpläne dieser obstinat<br />
gestellten, in Frageform verhüllten Anklage,<br />
Rechnung leisten zu müssen. Extrem<br />
erlebt man es bei der sogenannten „Mathe-<br />
Bevölkerung Israels ist nicht aus einem Fell.<br />
Die Mehrheit bilden die Moslems, dazu<br />
kommen Christen der verschiedensten Kirchen<br />
wie auch Drusen. All diese ethnischen<br />
wie religiösen Gruppen sind gleichberechtigte<br />
Bürger (nicht „Mitbürger“). Die arabische<br />
Sprache gemeinsam mit dem Hebräischen<br />
sind die offiziellen Sprachen (siehe Orts- und<br />
Straßentafeln). Die arabischen Bürger sind in<br />
der Knesset (dem Parlament) wie auch als<br />
Minister in der Regierung vertreten. Sie genießen<br />
– selbstverständlich – alle zivilen<br />
Rechte und Freiheiten, es gibt keine Beschränkung<br />
beim Bau von neuen Moscheen<br />
oder Kirchen. Im Gegenteil, der Staat subventioniert<br />
die religiösen Dienste.<br />
Wo bleiben palästinensische NGOs?<br />
Auf diesem vielfältigen Hintergrund ist in<br />
den letzten 60 Jahren in Israel ein menschliches<br />
und kulturelles Mosaik entstanden, das<br />
seinesgleichen sucht. Die gegenseitige geistige<br />
Befruchtung, die geopolitischen, historischen<br />
und theologischen Gegebenheiten haben<br />
dazu beigetragen, dass Israel nicht nur<br />
eine führende Kraft in Landwirtschaft, Wissenschaft<br />
und technischer Innovation ist. Sie<br />
sind auch der Nährboden für ein vielschichtiges<br />
und faszinierendes kulturelles und<br />
künstlerisches Schaffen.<br />
Wer einen Blick auf die israelische Kulturszene<br />
wirft, ist von der Vielfalt und Originalität<br />
beeindruckt. Trotz der „politischen und<br />
kriegerischen Auseinandersetzungen“, wie<br />
Prof. Essl im Vorwort zum Ausstellungs<strong>katalog</strong><br />
schreibt, hat – im Gegensatz zur Meinung<br />
von Prof. Essl – sehr wohl „eine kontinuierliche<br />
berufliche und wissenschaftliche<br />
Ausbildung der Menschen“ stattgefunden.<br />
Mehr noch, in den letzten Jahren erhielten<br />
drei israelische Wissenschaftler den Nobel-<br />
matik im Kontext“, wo abstraktes Denken<br />
kaum noch vorkommt. Das Schwergewicht<br />
wird allein darauf gelegt, „wirkliche“ Anwendungen<br />
der Mathematik zu vermitteln, durch<br />
Aufgaben, die an die „Lebenswelt“ der Schülerinnen<br />
und Schüler angelehnt sind.<br />
Ein Lehrer, der seit 30 Jahren an einem<br />
deutschen Gymnasium unterrichtet, berichtete<br />
vor kurzem einer Redakteurin der „Welt“,<br />
wie wenig ihn dieser Trend begeistert: Viele<br />
seiner Schülerinnen und Schüler leiden darunter.<br />
Sie könnten sich mit Mathematik besser<br />
anfreunden, wenn sie nicht immer diesen<br />
Sachzwängen unterworfen wären. Doch laut<br />
äußern dürfe er seine Kritik nicht, denn sonst<br />
werde er schnell als „unwilliger, altmodischer<br />
Lehrer“ abgestempelt.<br />
Von der am 25. April in „Science“ erschienenen<br />
Studie „The Advantage of Abstract Examples<br />
in Learning Math“ erhalten endlich Kritiker<br />
wissenschaftlich fundierte Rückendeckung:<br />
Studierende, die ausschließlich abstrakt<br />
gelernt hatten, schneiden bei Eignungstests<br />
deutlich besser ab als jene, die nur mit<br />
anwendungsorientierten Aufgaben vertraut<br />
waren. Für Sebastian Walcher von der TH Aachen<br />
ist dieses ernüchternde Ergebnis wenig<br />
überraschend: Wird in der Schule bloß eine<br />
große Anzahl von Pseudoproblemen kreiert<br />
GASTKOMMENTAR VON DAN ASHBEL<br />
preis, immer mehr internationale Hightech-Firmen<br />
bauen Forschungszentren in<br />
Israel auf. In der Ausstellung „Overlapping<br />
<strong>voices</strong>“ werden Sie nur sehr wenig, wenn<br />
überhaupt, von dieser Vielseitigkeit sehen.<br />
Statt sich dem weiten Feld künstlerischen<br />
Schaffens zu widmen, verfällt die Ausstellung<br />
dem ewigen Klischee des „Nahost-<br />
Konflikts“. Vier Projekte werden den BesucherInnen<br />
vorgestellt. Alle von israelischen<br />
NGOs. Alle beschäftigen sich mit Aspekten<br />
des menschlichen Konflikts. Wenn das Thema<br />
die Menschen der Region ist, wo sind<br />
die arabischen oder palästinensischen<br />
NGO-Projekte gegen Terror, für Menschenrechte<br />
in der arabischen Welt? Wo die<br />
Künstler, die sich mit der Flucht hunderttausender<br />
Juden aus den arabischen Ländern<br />
nach der Gründung des Staates Israel<br />
beschäftigen? Geben Sie sich keine Mühe,<br />
sie zu suchen, Sie werden sie nicht finden.<br />
Stattdessen werden Sie unter den Kuratoren<br />
und Künstlern einige finden, die sich als<br />
Palästinenser darstellen, obwohl sie israelische<br />
Bürger sind. Es ist ihr gutes Recht, sich<br />
darzustellen, wie sie wollen. Könnten Sie<br />
sich aber einen Künstler, eine Künstlerin<br />
aus einem arabischen Land vorstellen, der<br />
sich als Jude, Zionist oder Israeli darstellen<br />
würde, dürfte, könnte? Wieder einmal wird<br />
die Münze dort gesucht, wo es Licht gibt,<br />
und nicht, wo sie verloren gegangen ist.<br />
Ich bedaure, dass am 60. Geburtstag meines<br />
Landes der arabisch-israelische Konflikt<br />
Hauptthema einer Kunstausstellung wird.<br />
Ich erlaube mir aber trotzdem die Hoffnung,<br />
dass auch diese Ausstellung einige<br />
seiner BesucherInnen zu einer Beobachtung<br />
des Landes, seiner Menschen und seiner<br />
kunstschaffenden Szene vor Ort, nämlich<br />
in Israel selber, animieren wird.<br />
VON RUDOLF TASCHNER<br />
und wird jede mathematische Aufgabe in<br />
einen Sachzusammenhang gepresst, bereitet<br />
man keineswegs gut für das Studium vor.<br />
Auch wenn es manche Schulexperten<br />
nicht wahrhaben wollen: Schülerinnen und<br />
Schüler haben Freude am abstrakten Lernen,<br />
es ist für sie, die ohnedies auf Schritt und<br />
Tritt mit der „lebensnahen“ Schule bedrängt<br />
werden, zuweilen befreiend, mit Zahlen umzugehen<br />
und geometrische Figuren in den<br />
Blick zu nehmen, die nur für sich stehen.<br />
Für die Mathematiklehrerinnen und -lehrer<br />
ebenso. Wirtschaftsmathematik, Statistik<br />
und Wahrscheinlichkeitsrechnung – Gebiete,<br />
die mit vollem Recht zum Lehrinhalt gehören<br />
– tragen ihre unmittelbare Anwendbarkeit<br />
ohnehin in sich. Da tut es gut, wenn man<br />
auch Mathematik l’art pour l’art unterrichten<br />
kann, als schönen Unterrichtsgegenstand,<br />
der sich in seiner Abstraktheit selbst genügt.<br />
Denn von dieser in sich selbst ruhenden Ästhetik<br />
waren diese Lehrkräfte während des<br />
Studiums fasziniert. Man soll sie nicht daran<br />
hindern, diese Faszination weiterzugeben.<br />
Rudolf Taschner ist Mathematiker und Betreiber des<br />
math.space im Wiener Museumsquartier.<br />
meinung@diepresse.com<br />
60 Jahre Israel sind<br />
60 Jahre Katastrophe<br />
VON OMAR AL-RAWI<br />
Die Welt feiert Israel – uns sei es<br />
gestattet, der „Nakba“ zu gedenken.<br />
D<br />
ie einen feiern 60 Jahre Staatsgründung,<br />
die anderen reden von der<br />
„Nakba“, auf Arabisch „Katastro-<br />
phe“. So eng kann Freude und Leid beieinander<br />
liegen. Die einen feiern ein rundes<br />
Jubiläum, die anderen warten noch immer<br />
auf ihren Staat. Keiner redet von dem<br />
Existenzrecht des palästinensischen Staates.<br />
Gewiss stellt ihn keiner explizit in Frage,<br />
doch implizit wird alles getan, um es<br />
zu verunmöglichen. Allein die illegalen<br />
Siedlungen zerfransen das Gebiet und lassen<br />
es wie einen Fleckerlteppich aussehen,<br />
wirtschaftlich und politisch nicht<br />
überlebensfähig. Eine Politik der vollendeten<br />
Tatsachen.<br />
Politische und militärische Übermacht<br />
Ben Gurion selbst äußerte einst seine Besorgnis<br />
darüber, dass die Araber Israel nie<br />
anerkennen würden. Denn die biblische<br />
Legitimation ist einseitig, die zwar für die<br />
Juden gelten mag, aber ein solcher Anspruch<br />
kann andere nicht verpflichten,<br />
schon gar nicht die Araber, die unmittelbare<br />
Kontrahenten im Konflikt sind. Der<br />
Schrecken des Holocaust ist das schlagende<br />
Argument in dieser Diskussion,<br />
schließlich nannte niemand Geringerer<br />
als Abba Eban die Grenzen von 1967 als<br />
die Grenzen von Auschwitz.<br />
Doch auch diese Legitimation ist nur<br />
zum Teil universalistisch, denn die Palästinenser<br />
haben mit dem Holocaust nichts<br />
zu tun. Noch frisch in Erinnerung ist die<br />
Weigerung des damaligen Außenministers<br />
von Ägypten, Amr Musa, in den 90er-<br />
Jahren, den sonst obligaten Besuch in der<br />
Holocaust-Gedenkstätte in Yad Vashem<br />
abzustatten, mit dem Hinweis, die Araber<br />
seien nicht für den Holocaust zu verpflichten.<br />
Was den Arabern übrigbleibt, ist die<br />
Anerkennung der Faktizität Israels. Und<br />
hier scheint der einzig mögliche pragmatische<br />
Weg der Lösung. Israel sollte mehr<br />
pragmatische als dogmatische Diskussionen<br />
zulassen. Angebote auf einen längeren<br />
Waffenstillstand von zehn Jahren und<br />
mehr sollten akzeptiert werden. Denn politisch<br />
wie militärisch sind die Israelis<br />
übermächtig. Sie, vor allen anderen, tragen<br />
die Verantwortung dafür, dass der<br />
tote Punkt überwunden wird.<br />
Jerusalem ist schon ethnisch geteilt<br />
Die Hamas wird sich in eine politische Bewegung<br />
verwandeln, sofern sie die Gelegenheit<br />
dazu bekommen würde. Solche<br />
Metamorphosen hat es in der Geschichte<br />
schon öfters gegeben. Und eine Lösung<br />
der großen Brocken – Status Jerusalems,<br />
Siedlungen, Rückkehrrecht der vertriebenen<br />
Palästinenser – muss dringend angegangen<br />
werden. Tony Judt meint zwar, es<br />
wird keine Rückkehr vertriebener Palästinenser<br />
geben; umgekehrt ist es aber Zeit,<br />
jüdische Rückkehransprüche aufzugeben.<br />
Denn Jerusalem ist, wie er meint, schon<br />
jetzt ethnisch geteilt und wird am Ende<br />
die Hauptstadt beider Staaten sein. Auch<br />
Israel wird es nicht erspart bleiben, dunkle<br />
Seiten seiner Geschichte aufzuarbeiten<br />
und Wiedergutmachungen zu leisten.<br />
Das Jahr der Staatsgründung Israels ist<br />
auf das engste mit dem Kontext des Zweiten<br />
Weltkriegs verknüpft. Angelika Merkel<br />
hat das nicht vergessen. Doch sollte sie<br />
auch überlegen, ob nicht Deutschland für<br />
das Schicksal der Palästinenser und die<br />
vielen noch vertriebenen Flüchtlinge eine<br />
historische Verantwortung trägt.<br />
Die Muslime Europas als Zuwanderer<br />
haben mit dieser dunklen Geschichte Europas,<br />
Gott sei Dank, nichts zu tun. Doch<br />
verpflichtet uns unsere neue Heimat genauso,<br />
ihre Geschichte mitzutragen. Man<br />
kann sich nicht nur die Rosinen aussuchen.<br />
Daher werden wir Mitstreiter gegen<br />
jegliche Form von Rassismus, Antisemitismus<br />
und Islamfeindlichkeit sein. Aber<br />
wir werden uns mit der legitimen Forderung<br />
der Palästinenser solidarisieren.<br />
Und es sei uns gestattet, der „Nakba“ zu<br />
gedenken.<br />
Omar Al-Rawi, geboren 1961 in Bagdad, ist<br />
Integrationsbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft<br />
in Österreich.<br />
meinung@diepresse.com
aUsstellUngsaUfBaU / assemBling of the eXhiBition<br />
29
Kuratorische Verantwortung und<br />
ausstellungen politischer israelischer<br />
und palaestinensischer Kunst in europa<br />
alexander ari Joskowicz<br />
kuratiert oder veranstaltet man ausstellungen palästinensischer<br />
und israelischer politischer kunst<br />
in europa, sieht man sich mit zwei gegensätzlichen<br />
Positionen konfrontiert. Die erste Position meint,<br />
es sei nicht notwendig, solche werke in einem europäischen<br />
land zu kontextualisieren, nicht einmal<br />
wenn sie in einer gesellschaft gezeigt werden,<br />
die zutiefst in die shoah verwickelt war (wie zum<br />
Beispiel der österreichischen). Die kunstwerke<br />
sprechen für sich selbst, und egal welche verstrickungen<br />
es zwischen der israelischen, österreichischen<br />
und palästinensischen geschichte gab,<br />
sie unterscheiden sich qualitativ nicht von den verstrickungen<br />
in der geschichte anderer länder. aus<br />
dieser Perspektive muss die tatsache, dass viele<br />
Österreicher vor einem halben Jahrhundert in<br />
nazi-verbrechen involviert waren, nicht bedeuten,<br />
dass die Österreicher von heute unfähig sind, die<br />
israelische und palästinensische Realität unbeeinflusst<br />
wahrzunehmen. Die zweite Position vertritt<br />
die ansicht, dass die Österreicher und Österreich<br />
als gesellschaft so tief in die naziverbrechen verstrickt<br />
waren, dass eine ausstellung politischer<br />
kunst, die in irgendeiner weise mit Juden in Zusammenhang<br />
steht, von umfangreichen erklärungen<br />
über die geschichte des österreichischen<br />
antisemitismus und das schicksal der österreichischen<br />
Juden während des Zweiten weltkriegs<br />
begleitet sein muss.<br />
Die erste Position ist nur schwer aufrechtzuerhalten,<br />
wenn man bedenkt, dass die österreichische<br />
und die jüdische geschichte nicht einfach nur<br />
„verstrickt“ sind. vielmehr wird die österreichische<br />
wahrnehmung von Juden, israelis und Palästinensern<br />
immer noch stark von Bildern, Debatten und<br />
gefühlen beeinflusst, die auf die naziherrschaft in<br />
Österreich zurückgehen. Die idee einer österreichischen<br />
nation begann in der nachkriegszeit akzeptanz<br />
zu finden, als die Österreicher versuchten,<br />
sich von den vorgeblich deutschen (d. h. nicht österreichischen)<br />
verbrechen zu distanzieren. es<br />
30 OVERLAPPING VOICES<br />
wäre unredlich zu behaupten, dass Österreich –<br />
eine nation, deren existenz geradezu auf der Distanzierung<br />
von den verbrechen gegen die Juden<br />
gründet – ein neutraler ort für die ausstellung von<br />
kunst sei, die die konsequenzen der gründung<br />
eines „jüdischen staates“ beleuchtet. in einem<br />
land wie Österreich sowie in anderen ländern, in<br />
deren geschichte es starke nationalsozialistische<br />
oder antisemitische gefühle gab, ist die Diskussion<br />
über die schuld, die israel und die israelis auf<br />
sich geladen haben, oft teil eines versuches, anschuldigungen<br />
abzuwehren, die eigenen staatsbürger<br />
seien in die verbrechen des nationalsozialismus<br />
verwickelt gewesen. was, wenn nicht die<br />
geschichte des nationalsozialismus, würde einer<br />
solchen ausstellung in großen teilen europas lokale<br />
Relevanz geben?<br />
Die zweite Position geht zwar viel sensibler mit fragen<br />
der politischen verortung um, weist aber ebenfalls<br />
fallstricke auf. Dieser aufsatz setzt sich mit<br />
der möglichkeit einer besonderen form von kontextualisierung<br />
auseinander, die sich bewusst ist,<br />
welche einschränkungen und gefahren darin liegen,<br />
moralisch bestimmte wahrnehmungsinstruktionen<br />
für Betrachter zu schaffen. es soll erörtert<br />
werden, mit welcher art von intervention tatsächlich<br />
ein Raum geschaffen wird, der es ermöglicht,<br />
sich mit der arbeit und der politischen Botschaft<br />
eines künstlers auseinanderzusetzen, auch in<br />
einem kontext, der besondere historische sensibilität<br />
verlangt. obwohl es hier im speziellen um<br />
den holocaust und israelische und palästinensische<br />
kunst geht, lassen sich die angestellten<br />
Überlegungen auch auf andere Zusammenhänge<br />
anwenden – auf die frage beispielsweise, wie die<br />
geschichte der kolonialbeziehungen und der europäischen<br />
islamophobie die Rezeption politischer<br />
kunst aus früheren kolonien in nordafrika und im<br />
nahen osten in verschiedenen europäischen ländern<br />
heute beeinflusst. letztendlich sollte dieser<br />
aufsatz nicht als erklärung der kuratorischen ent-<br />
scheidungen gesehen werden (die eigenständig<br />
getroffen wurden), sondern als ein versuch, mit<br />
den kuratoren und den anderen veranstaltern der<br />
ausstellung in Dialog zu treten.<br />
Intervention und Erklärung<br />
Die Rezeptionserfahrung des Publikums wird nicht<br />
nur durch die anordnung im ausstellungsraum bestimmt.<br />
sie wird von vielen zusätzlichen elementen<br />
beeinflusst, von denen einige kontrolliert werden<br />
können (wie etwa der ausstellungstitel) und andere<br />
nicht (beispielsweise die öffentliche identität<br />
von veranstaltern und kuratoren). einer der aspekte,<br />
die nicht geändert werden können, ist die<br />
tatsache, dass die künstler als israelis und Palästinenser<br />
markiert werden. egal welchen titel die<br />
ausstellung trägt und wie sehr sich die kuratoren<br />
auch anstrengen, vorgefasste kategorien zu meiden,<br />
die „<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>“ werden immer als<br />
israelische und palästinensische stimmen verstanden<br />
werden.<br />
im Zusammenhang mit dieser identifizierung mit<br />
einer „seite“ eines konfliktes gibt es zwei Probleme.<br />
erstens könnten die arbeiten als authentische<br />
stimme oder repräsentativer ausdruck der<br />
gefühle einer seite angesehen werden. Da dieses<br />
thema von kritikern wie künstlern häufig angesprochen<br />
wird, werde ich nicht weiter darauf eingehen.<br />
ein zweites Problem, dem viel weniger aufmerksamkeit<br />
geschenkt wird, ist die tatsache, dass<br />
Besucher mit geringer kenntnis der politischen<br />
Umstände im nahen osten sich auf die pädagogische<br />
funktion der arbeiten konzentrieren werden.<br />
sie werden danach trachten, aus ihnen grundlegende<br />
informationen über die politische situation<br />
zu gewinnen, anstatt sie als politischen kommentar<br />
zu lesen.<br />
Das gilt sogar für Projekte, die nicht offenkundig<br />
etwas zu erklären versuchen. Das Projekt von Yoav<br />
weiss, das die „grenzmauer“ in israel kommentiert,<br />
ist ein gutes Beispiel. in seinem statement
schreibt weiss, dass stücke der Berliner mauer<br />
letztendlich um gutes geld verkauft wurden, sobald<br />
das Bauwerk seine kontrollfunktion verloren<br />
hatte. laut weiss wird der israelischen mauer sicher<br />
ein ähnliches schicksal beschieden sein, und<br />
teile davon werden bald zu begehrten souvenirs<br />
werden. er offeriert ein besonderes schnäppchen<br />
für frühentschlossene, die sich bereits jetzt ihr<br />
stück von der mauer sichern wollen.<br />
im israelischen kontext ist die arbeit von weiss<br />
eine intervention. Die interpretation seiner arbeiten<br />
im land selbst basiert immer darauf, dass die<br />
Betrachter die israelische mauer und die Realität,<br />
für die sie steht, schon kennen. wir sollten uns<br />
nicht so sehr darüber gedanken machen, dass einzelne<br />
Betrachter in Österreich oder anderswo in<br />
europa die tatsache übersehen könnten, dass<br />
weiss ironisch spricht. wichtiger ist, dass sogar<br />
jene europäischen Betrachter, die die arbeit als<br />
ironischen kommentar verstehen, beim verweis<br />
auf die weniger bekannte mauer in israel an die<br />
bekanntere Berliner mauer denken werden. wenn<br />
sich umsichtige österreichische Betrachter die arbeit<br />
von weiss mit dem Ziel anschauen, die mauer<br />
in israel zu verstehen, ihre konsequenzen und ihre<br />
politische Bedeutung, dann tun sie das unvermeidlich<br />
beeinflusst davon, was sie über die Berliner<br />
mauer wissen. Die arbeit von weiss wird für jene,<br />
die mit der geschichte der israelischen mauer<br />
nicht vertraut sind, eine größtenteils pädagogische<br />
funktion haben.<br />
kurz gesagt: Der Unterschied ist, dass in israel die<br />
kunst hauptsächlich in einem kontext interveniert,<br />
während sie in Österreich auch erklärt. Damit erhebt<br />
sich die frage: würde der zusätzliche pädagogische<br />
wert, der sich daraus ergibt, dass politische kunst<br />
verpflanzt und in einer gruppenausstellung im ausland<br />
gezeigt wird, nicht verlangen, dass sich die kuratoren<br />
auch mit dieser ebene irgendwie auseinan-<br />
dersetzen?<br />
ein lösungsweg könnte die schaffung eines getrennten<br />
Raums sein, der den informationsbedarf<br />
der Besucher stillt und über den kontext der ausgestellten<br />
kunst auskunft gibt. Dabei geht es nicht<br />
darum, einzelne kunstwerke zu erklären – beispielsweise<br />
ein hinweisschild aufzustellen, das erläutert,<br />
wie die installation von weiss zu lesen ist.<br />
sondern darum, durch ein zusätzliches informationsangebot<br />
die kunst von der funktion des lehrmittels<br />
zu befreien, für die sie nicht recht taugt. im<br />
essl museum werden in einem separaten Raum<br />
informationen über aspekte wie die geschichte<br />
der vom staat israel gebauten mauer oder ein glossar<br />
bereitgestellt, und – dieser ansatz lässt den<br />
kunstwerken mehr Raum, ihre eigene autonome<br />
sprache zu entwickeln.<br />
Zugleich hat ein solches arrangement den nachteil,<br />
dass kunst- und informationsteil miteinander<br />
konkurrieren könnten. schließlich können information<br />
und hintergrund kaum neutral bleiben. sowohl<br />
die ausgestellten kunstwerke als auch die in-<br />
formationen sind politische interventionen. für<br />
dieses Problem gibt es keine einfache lösung.<br />
Bestenfalls sollte der informationsteil darauf abzielen,<br />
den kontext der verschiedenen kunstwerke<br />
auf flexible art zu erklären, indem er die politischen<br />
Debatten, auf die verwiesen wird, in einen historischen<br />
Bezugsrahmen stellt. anstatt offen politische<br />
erklärungen zur gebauten mauer abzugeben,<br />
sollte er die geschichte der Diskussion über<br />
dieses Projekt aufzeigen, einschließlich der geschichte<br />
der darin verwendeten terminologie (wie<br />
z. B. „apartheid wall“, „security barrier“ und „separation<br />
fence“), sowie gegensätzlicher argumente<br />
zur legitimität der mauer und ihrer konsequenzen<br />
für das leben von Palästinensern und israelis. es<br />
geht hier weder darum eine art politischer objektivität<br />
zu behaupten, noch darum kunstwerke vor<br />
kuratorischen eingriffen zu schützen, um ihre vermeintliche<br />
authentizität zu bewahren. vielmehr ist<br />
das Ziel, sie nicht auf die bloße illustration einer<br />
programmatischen erklärung anderer autoren zu<br />
reduzieren. was für einen sinn hätte es, eine komplexe<br />
arbeit wie jene von Yoav weiss zu zeigen,<br />
wenn daneben eine lange abhandlung (oder sogar<br />
eine politische erklärung) der kuratoren über<br />
ihre ablehnung der mauer zu finden wäre?<br />
Seltsame Bedeutungen, seltsame<br />
Bundesgenossen<br />
ein zweiter Problemkreis erschließt sich, wenn die<br />
Besucher ein kunstwerk zwar nicht als ausgangspunkt<br />
für eine erklärung, sondern als intervention<br />
ansehen – aber als eine intervention, die themen<br />
anspricht, die israelischen oder palästinensischen<br />
Betrachtern nicht in den sinn kommen würden.<br />
Der kern dieses Problems liegt darin, dass die politische<br />
Botschaft der ausgestellten kunstwerke ursprünglich<br />
oft nicht an ein österreichisches Publikum<br />
gerichtet war. arbeiten wie die Dokumentation<br />
von tal adler über die nicht anerkannten Beduinendörfer<br />
könnten als interventionen in mehreren<br />
kontexten gesehen werden. adler verwendet eine<br />
sprache, die dem Publikum in tel aviv genauso<br />
zugänglich ist wie dem Publikum in london oder<br />
wien. Und doch versucht er nicht, gegenwärtige<br />
österreichische Bilder von israelis, Juden, Palästinensern<br />
und Beduinen zu hinterfragen, die von<br />
der österreichischen geschichte kollektiver antijüdischer<br />
gewalt, den Debatten zur schuld am genozid<br />
und vom antisemitismus beeinflusst<br />
werden.<br />
sogar die auswahl der kuratoren und die organisation<br />
der ausstellung haben in Österreich eine<br />
andere Bedeutung als innerhalb der israelischen<br />
und palästinensischen gesellschaft. Die tatsache<br />
allein, dass ein jüdischer israeli und eine Palästinenserin<br />
als kuratoren fungieren, sowie die tatsache,<br />
dass die arbeiten von palästinensischen und<br />
israelischen künstlern seite an seite gezeigt werden,<br />
ist ein statement gegen jene, die einer solchen<br />
Bündnisbildung feindlich gegenüberstehen.<br />
für die israelis und Palästinenser kann dies als<br />
Beleg für die möglichkeit eines gemeinsamen<br />
kampfes gegen die Besetzung dienen. Das muss<br />
jedoch nicht die primäre interpretation in Österreich<br />
sein. in Österreich könnte die tatsache, dass<br />
kuratoren und künstler paritätisch von „beiden<br />
seiten“ kommen, das trügerische gefühl verstärken,<br />
dass die Österreicher als unbeteiligte Dritte<br />
auftreten könnten. auch wenn beide kuratoren in<br />
ihrem widerstand gegen die israelische Besetzung<br />
eine gemeinsame sicht haben, gibt es immer noch<br />
das gefühl, dass allein weil beide identitäten präsent<br />
sind, die Österreicher zu so etwas wie neutralen<br />
vermittlern werden; eine Rolle, für die sie,<br />
wie oben beschrieben, in diesem fall schlecht gerüstet<br />
sind.<br />
Die frage ist, wie eine ausstellung mit der tatsache<br />
umgehen soll, dass die österreichischen medien<br />
die israelis und damit auch die Palästinenser<br />
immer durch die Brille der österreichischen vergangenheit<br />
sehen. vielleicht ist in diesem fall die<br />
metapher der Brille auch zu schwach: es geht<br />
nicht um eine fehlerhafte lesart, sondern um Projektion.<br />
Politische kunst aus israel/Palästina kann<br />
eine chance zur auseinandersetzung mit historischen<br />
themen darstellen, die nicht immer offen<br />
angesprochen werden. Die Diskussion bei einem<br />
jüngst in wien abgehaltenen israelischen filmfestival<br />
kann als Beispiel dafür dienen. nach der vorführung<br />
eines films über eine liebesaffäre zwischen<br />
zwei frauen in der israelischen armee boten<br />
die veranstalter den Zusehern die gelegenheit, den<br />
film mit dem Regisseur zu diskutieren. in der Diskussion<br />
erwähnte eine österreichische frau im Publikum<br />
den selbstmord ihres großvaters, der in der<br />
wehrmacht gekämpft hatte. ein anderes mitglied<br />
des Publikums beschuldigte sie daraufhin des faschismus.<br />
innerhalb von minuten hatte sich die<br />
Diskussion von einem gespräch über sexuelle<br />
identitäten in israel auf einen polemischen austausch<br />
über die österreichische Beteiligung an den<br />
nazikriegsverbrechen verlagert. Der film wurde<br />
nicht missverstanden. er wurde nur zum anlass<br />
für eine vollkommen andere Debatte.<br />
im oben beschriebenen kontext hat jede Beschäftigung<br />
mit israelischer Politik – besonders wenn es<br />
um die missachtung von menschenrechten geht,<br />
wie in der Dokumentation von tal adler über nicht<br />
anerkannte Beduinendörfer – das Potenzial, zu einer<br />
wiederaufnahme der Diskussion über die kollektive<br />
österreichische geschichte und die familiengeschichte<br />
einzelner Österreicher zu führen.<br />
teil des argumentes für die veranstaltung dieser<br />
ausstellung über israelische und palästinensische<br />
politische kunst war die tatsache, dass es spannend<br />
ist zu sehen, wie eine solche Debatte in Österreich<br />
funktioniert. leider haben die Umstände<br />
auch das Potenzial, sich hinderlich auf eine Rezeption<br />
auszuwirken, die einen differenzierten<br />
Blick auf die israelische und palästinensische Politik<br />
und ihre konflikte erlauben würde. eine auf-<br />
31
arbeitung der frage der österreichischen schuld<br />
und der historischen verantwortung kann auch<br />
den versuch unterminieren, über eine simplifizierte<br />
sicht hinauszugelangen, die eine komplexe situation<br />
auf eine unkomplizierte aufteilung in täter<br />
und opfer im nahen osten reduziert.<br />
was kann es bedeuten, über eine solche ausstellung<br />
im österreichischen kontext unter diesen Umständen<br />
politisch zu reflektieren? sollte es einen<br />
extrateil geben und anweisungen für die kunstvermittler<br />
darüber, wie man mit der Reflexion der<br />
nazivergangenheit in kunstwerken, die dieses<br />
thema gar nicht ansprechen wollten, umgehen<br />
soll? was bedeutet das für die palästinensische<br />
kunst, die nur indirekt teil dieser konstellation ist?<br />
statt klaren antworten kann dieser aufsatz nur eine<br />
Reihe von abschließenden Bemerkungen und vorschlägen<br />
anbieten:<br />
1) auch wenn wir davon ausgehen, dass die wahrnehmung<br />
israels in Österreich stark von der geschichte<br />
des europäischen Judentums und des genozids<br />
an den europäischen Juden beeinflusst ist,<br />
ist eine ausstellung über israel wahrscheinlich der<br />
am wenigsten geeignete ort, um die geschichte des<br />
antisemitismus anzusprechen. Das geschieht wohl<br />
besser in museen, die den Besuchern anregungen<br />
geben, wie sie über Diversität in ihrem eigenen Umfeld<br />
nachdenken können. 1 Das Ziel sollte darin bestehen,<br />
den perfekten Raum für österreichische<br />
wahrnehmungen zu bieten, der den Besuchern erlaubt,<br />
die interventionen der künstler zu verstehen<br />
– und nicht darin, kunstwerke über palästinensische<br />
und israelische Politik und lebensrealität<br />
dazu zu verwenden, erneut über österreichische<br />
geschichte nachzudenken.<br />
2) weiters können wir lediglich vermuten, dass die<br />
geschichte des österreichischen antisemitismus<br />
für die wahrnehmung der Besucher relevant ist,<br />
unter der annahme, dass der typische Besucher<br />
ein geborener Österreicher ohne migrationshintergrund<br />
ist und seine familiengeschichte möglicherweise<br />
einen Bezug zu naziverbrechen aufweist.<br />
32 OVERLAPPING VOICES<br />
Die Besucher von kunstausstellungen können jedoch<br />
unterschiedlicher herkunft sein, was es problematisch<br />
erscheinen lässt, wenn ausstellungsmacher<br />
von einem typischen oder idealbesucher<br />
ausgehen. Der oben vorgeschlagene „Reflexionsraum“<br />
wäre daher am sinnvollsten, wenn er von<br />
den kunstvermittlern des museums im Dialog mit<br />
tatsächlichen Besuchern geschaffen würde.<br />
3) wer in Österreich veranstaltungen über israel<br />
oder Palästina organisiert, nimmt gemeinhin an,<br />
dass eine Diskussion dann erfolgreich war, wenn<br />
niemand einen unangebrachten Bezug zum nationalsozialismus<br />
hergestellt hat. es besteht selbstverständlich<br />
die gefahr, dass vergleiche letztlich<br />
auf eine gleichsetzung der Politik der nazis und<br />
jener der israelis hinauslaufen. naive vergleiche<br />
sind nicht nur unangemessen im österreichischen<br />
kontext; sie sind auch problematisch für den politischen<br />
aktivismus von Palästinensern und israelis.<br />
sie reduzieren die israelischen und palästinensischen<br />
stimmen auf vertreter von schulddiskursen,<br />
statt sich mit den vorgebrachten argumenten<br />
auseinanderzusetzen.<br />
gleichzeitig würde ich vorschlagen, sich weniger<br />
davor zu fürchten, dass der israelisch-arabische<br />
konflikt und die Besetzung für Projektionen benützt<br />
werden könnten. Darstellungen von gewalt<br />
und ethisch verwerflichem verhalten einer gemeinschaft<br />
(auch wenn sie in einem kunstwerk nur angedeutet<br />
sind) lassen sich immer auf vielfache<br />
weise interpretieren und laden den Betrachter zu<br />
eigenen gedanken ein. Der versuch, den Betrachtern<br />
von vorneherein mit hilfe eines offiziellen<br />
statements vorzuschreiben, wie die kunst zu sehen<br />
sei, ist sinnlos und unproduktiv. wenn vermittler<br />
mit schulklassen versuchen würden, jeden vergleich<br />
zwischen der deutschen wehrmacht und israelischen<br />
soldaten zu unterbinden, indem sie diesen<br />
vergleich zum tabu erklären, würde das<br />
lediglich jede produktive Debatte abtöten. Das<br />
emanzipatorische Potenzial einer solchen ausstellung<br />
profitiert nicht davon, wenn dem Betrachter<br />
moralische Regeln über die richtige Rezeption der<br />
werke vorgeschrieben werden.<br />
in Österreich wird das interesse an der palästinensischen<br />
und israelischen Politik immer von der österreichischen<br />
– und ganz allgemein von der europäischen<br />
– vergangenheit beeinflusst. Die produktivste<br />
art, mit dieser tendenz umzugehen, ist es, das Risiko<br />
nicht zu scheuen und provokante und peinliche<br />
statements als gelegenheit anzusehen, neue<br />
sichtweisen auf israelis und Palästinenser zu entwickeln.<br />
es ist die aufgabe von kuratoren, solche<br />
Debatten zu erlauben, und die aufgabe von kunstvermittlern,<br />
sie zu fördern und produktiv zu gestalten<br />
– lieber abgestimmt auf tatsächliche Besucher<br />
als auf imaginäre und stereotype Österreicher, deren<br />
vorurteile wir einfach als gegeben annehmen.<br />
ein weg für kunstvermittler, fruchtbare Diskussionen<br />
zu fördern, liegt darin, andere Rezeptionsmodelle<br />
anzubieten; beispielsweise indem beschrieben<br />
wird, welche art von Rezeption eine<br />
arbeit in einem israelischen oder palästinensischen<br />
kontext hatte oder gehabt haben könnte. es muss<br />
darauf aufmerksam gemacht werden, dass die<br />
werke darauf abzielen, simplifizierte annahmen<br />
über identitäten, stimmen und Darstellungen zu<br />
hinterfragen. Das bedeutet nicht, dass es keine<br />
Rezeptionsethik gibt. Personen, die durch die ausstellung<br />
führen, sollten zum Beispiel durchaus ihr<br />
missfallen über unangebrachte Bemerkungen zum<br />
ausdruck bringen. nichtsdestoweniger sollte das<br />
hauptziel nicht sein, Peinlichkeiten auf ein minimum<br />
zu beschränken, sondern konstruktiv damit<br />
umzugehen.<br />
alexander ari Joskowicz lehrt europäische geschichte an der University<br />
of mississippi. er arbeitet momentan zum antiklerikalismus<br />
deutscher und französischer Juden im kontext der „kulturkämpfe“<br />
zwischen liberalen und der katholischen kirche seit der<br />
aufklärung.<br />
1 Zum thema museumspädagogik siehe Richard sandell,<br />
„museums, Prejudice and the Reframing of Difference“,<br />
london 2007.
curatorial responsiBility and the<br />
exhiBition of israeli and palestinian<br />
political art in europe<br />
alexander ari Joskowicz<br />
curators and organizers of exhibitions of Palestinian<br />
and israeli political art in europe will likely encounter<br />
two opposing positions concerning their<br />
responsibilities. the first is that there is no need to<br />
contextualize such works in a european country,<br />
even when they are exhibited in a society that was<br />
deeply implicated in the shoah (as in the case of<br />
austria). the artworks will speak for themselves,<br />
and whatever entanglement there is between israeli,<br />
austrian, and Palestinian history is not qualitatively<br />
different from the entanglement that the<br />
histories of other countries also entail. according<br />
to this perspective, although many austrians were<br />
implicated in the crimes committed by the nazis<br />
half a century ago, this need not mean that the<br />
austrians of today are incapable of seeing israeli<br />
and Palestinian realities on their own terms. the<br />
second position presents austrians and austria as<br />
a society so deeply implicated in nazi crimes that<br />
the exhibition of political art which deals with Jews<br />
in any way necessitates elaborate explanations on<br />
the history of austrian antisemitism and the fate of<br />
austria’s Jewry during the second world war.<br />
the first option is difficult to sustain given that austrian<br />
and Jewish history are not simply “entangled”.<br />
Rather, perceptions of Jews, israelis, and Palestinians<br />
continue to be strongly conditioned by the<br />
images, debates, and sentiments that stem from<br />
nazi rule in austria. the idea of an austrian nation<br />
gained acceptability in the post-war era when austrians<br />
sought to dissociate themselves from allegedly<br />
german (that is non-austrian) crimes. it would<br />
be disingenuous to claim that austria – a nation<br />
state whose very existence is predicated on the<br />
disassociation from crimes against Jews – represents<br />
a neutral space for the representation of art<br />
that highlights the consequences of the foundation<br />
of a “Jewish state”. in a country like austria<br />
and others with a history of strong nazi or antisemitic<br />
sentiment, the discussion of guilt acquired<br />
by israel and israelis often becomes part of an at-<br />
tempt to deflect accusations that its citizens were<br />
implicated in the crimes of national socialism. if<br />
the history of nazism is not part of making such<br />
an exhibition site specific in large parts of europe,<br />
what is?<br />
the second position is much more sensitive to questions<br />
of site specificity but has its own pitfalls. this<br />
essay explores the possibility of a particular form of<br />
contextualization that is conscious of the limitations<br />
and dangers of creating ethically charged suggestions<br />
of perception for viewers. it will consider what<br />
sort of interventions actually create a space that<br />
allows for an engagement with the artists’ works<br />
and political message; even in a context that demands<br />
particular historical sensitivities. although<br />
it explores the holocaust and israeli and Palestinian<br />
art specifically, the reflections pursued here<br />
might also apply in other contexts as well – for example,<br />
the way that the history of colonial relations<br />
and european islamophobia colour the reception<br />
of political art from former north african and<br />
middle eastern colonies in different european<br />
countries today. lastly, this piece should not be<br />
read as an explanation of the curators’ choices<br />
(which have been made according to their own<br />
considerations) but rather as an attempt to enter<br />
into dialogue with them and the other organizers<br />
of the exhibition.<br />
Intervention and Explanation<br />
the reception experience of the audience is conditioned<br />
not just by the arrangement of the exhibition<br />
space. it is shaped by many additional elements<br />
some of which can be controlled (such as the title<br />
of the exhibition) and others that cannot (such as<br />
the public identity of the producers and curators).<br />
one of the aspects that cannot be changed is the<br />
fact that the artists are marked as israeli or Palestinian.<br />
no matter what the title of the exhibition<br />
and how much effort the curators put into challenging<br />
preconceived categories, the “<strong>overlapping</strong><br />
<strong>voices</strong>” will always be read as israeli and Palestinian<br />
<strong>voices</strong>.<br />
there are two problems attached to this identification<br />
with a “side” in a conflict. the first is that the<br />
works could be seen as authentic <strong>voices</strong> or representative<br />
expressions of the feelings of one side.<br />
since this is the issue that is usually and often<br />
addressed by critics and artists alike, i will not discuss<br />
it further. a second problem that has received<br />
much less attention is the fact that viewers with<br />
little knowledge of the political circumstances in<br />
the middle east will focus on the pedagogical function<br />
of the works. they will mine them for basic information<br />
about political realities rather than read<br />
them as political commentaries.<br />
this is even true for projects that are not ostensibly<br />
trying to explain anything. Yoav weiss’ project,<br />
which comments on the so-called separation<br />
wall in israel, is a case in point. in his statement,<br />
weiss notes that pieces of the Berlin wall eventually<br />
sold for good money, once the structure lost<br />
its policing function. according to weiss the israeli<br />
wall will surely meet a similar fate and parts of<br />
it will soon become similarly coveted souvenirs. he<br />
thus offers a special deal for early birds who already<br />
want to secure their part of the wall.<br />
in the israeli context, weiss’ work is an intervention.<br />
interpretations of his work there are always<br />
predicated on the fact that the viewer already<br />
knows the israeli wall and the reality it stands for.<br />
it should concern us less that individual viewers in<br />
austria or elsewhere in europe might miss the fact<br />
that weiss is speaking tongue-in-cheek. more importantly,<br />
even those european viewers who understand<br />
this work as an ironic commentary will<br />
engage its references to the less familiar israeli wall<br />
through the lens of the more familiar Berlin wall.<br />
as careful austrian viewers will scan his artwork<br />
with the aim of understanding the israeli wall, its<br />
implications, and political meaning, they will inevitably<br />
do so through the prism of what they know<br />
33
about the Berlin wall. weiss’ work will to a large<br />
degree have an educational function to those unfamiliar<br />
with the history of the israeli wall.<br />
in short: the difference is that in israel the artwork<br />
primarily intervenes into a context whereas in austria<br />
it also explains. this raises the question: does<br />
the added pedagogical value that comes from<br />
transplanting political art and showing it in a collective<br />
exhibition abroad not demand that curators<br />
somehow engage with this level?<br />
one way of resolving this issue might be the creation<br />
of a separate space that caters to the viewers’<br />
desire to acquire information and learn about the<br />
context of the artwork on display. this is not an issue<br />
of explaining the individual works of art – of<br />
adding, for example, a sign that explains how we<br />
are supposed to read weiss’ installation. Rather, a<br />
supplementary information section can unburden<br />
the work of art from its function as a medium of<br />
pedagogy, for which it is not well prepared. for the<br />
exhibition in the essl museum, information on such<br />
things as the history of the separation barrier being<br />
built by the state of israel or a glossary can be<br />
found in a separate room – an approach that gives<br />
the works of art more space to develop their own<br />
autonomous language.<br />
at the same time, the disadvantage of such an arrangement<br />
is that the art and information sections<br />
can end up competing with each other. after all,<br />
information and background can hardly remain<br />
neutral. Both the pieces being exhibited and information<br />
sections do political work. there is no easy<br />
solution to this problem. at best, the information<br />
section should aim to explain the context of the different<br />
pieces of art in a reflexive manner by historically<br />
situating the political debates to which they<br />
refer. Rather than make overt political declarations<br />
on “the wall” being built, it should show the history<br />
of debates on the project, including the history<br />
of the terminology (between “apartheid wall”,<br />
“security barrier” and “separation fence”), and<br />
competing arguments about its legitimacy and consequences<br />
for the life of Palestinians and israelis.<br />
the aim is neither to claim an apolitical form of objectivity<br />
nor to suggest that works of art should remain<br />
untouched by curatorial interventions so as<br />
to preserve their authenticity. the intent is rather<br />
to avoid reducing a work of art to a mere illustration<br />
of a programmatic statement made by others.<br />
what would be the point of showing a complex<br />
work such as Yoav weiss’ if, next to it, there is a<br />
long declaration (or indeed a confession of political<br />
faith) by the curators on their opposition to the<br />
wall?<br />
Strange Meanings, Strange Allies<br />
a second set of problems arises when, rather than<br />
viewing a work of art as the point of departure for<br />
an explanation, viewers see it as an intervention –<br />
but one that addresses issues that would not occur<br />
to the intended israeli or Palestinian viewer. at<br />
34 OVERLAPPING VOICES<br />
the core, the problem is that the political messages<br />
of the exhibited pieces were often not made to<br />
directly address an austrian audience. works such<br />
as tal adler’s documentation of unrecognized Bedouin<br />
villages might be interventions into multiple<br />
contexts. adler certainly draws on languages that<br />
are as familiar to audiences in tel aviv as they are<br />
to viewers in london or vienna. Yet, he is not trying<br />
to challenge current austrian images of israelis,<br />
Jews, Palestinians, and Bedouins that are<br />
informed by the austrian history of collective anti-<br />
Jewish violence, the guilt discourses on complicity<br />
in genocide, and anti-semitism.<br />
indeed, even the choice of curators and the organization<br />
of the exhibition have different meanings<br />
in austria than they do within israeli and Palestinian<br />
society. the very act of choosing a Jewish<br />
israeli and a Palestinian as curators, as well as<br />
showing the works of Palestinian and israeli artists<br />
side by side, is a statement against those who oppose<br />
such alliance-building. for israelis and Palestinians<br />
alike, it can serve as a testimony to the<br />
viability of a common struggle against the occupation.<br />
Yet, that need not be the way it is read in<br />
austria. in austria, the notion that curators and artists<br />
have been recruited equally from “both sides”<br />
can potentially reinforce the false sense that austrians<br />
can constitute an uninvolved third party.<br />
even if both curators share a particular vision of<br />
opposition to occupation, there is still the sense<br />
that the mere fact that both “identities” are present<br />
makes austrians honest brokers; a role they<br />
are, as noted above, badly equipped to assume in<br />
this case.<br />
the question is how an exhibition should account<br />
for the fact that austrian media always deal with<br />
israelis and thus also Palestinians through the lens<br />
of the austrian past. indeed, perhaps the metaphor<br />
of reading through a particular lens is too<br />
weak: the important issue is not one of misreading<br />
but of projection. Political art coming from israel/<br />
Palestine can become an opportunity to negotiate<br />
historical issues that are not always referenced in<br />
any obvious manner. a recent discussion at an israeli<br />
film festival organized in vienna can serve as<br />
an illustration of this. after the screening of a movie<br />
about a love affair between two women in the<br />
israeli army, the organizers offered an opportunity<br />
to discuss the work with the director. in the discussion<br />
an austrian woman in the audience<br />
brought up the suicide of her grandfather after he<br />
fought for the german army, the wehrmacht. in reaction<br />
another member of the audience accused<br />
her of being a “fascist”. within minutes the discussion<br />
moved from a conversation on sexual identities<br />
in israel to a polemical exchange on austrian<br />
involvement in nazi war crimes. the film was not<br />
misread. instead it served as a mere occasion for<br />
another debate.<br />
in the context detailed above, any engagement with<br />
israeli policies – and particularly those involving<br />
human rights abuses such as those tal adler documents<br />
in his work on “unrecognized” Bedouin<br />
villages – has the potential to become part of the<br />
renegotiation of a collective austrian history as well<br />
as the family history of individual austrians. Part<br />
of the argument for organizing the current exhibition<br />
on Palestinian and israeli political art was that<br />
it is exciting to see how these debates function in<br />
austria. Unfortunately, these circumstances also<br />
have the potential to impede a reception that allows<br />
for a nuanced perspective on israeli and Palestinian<br />
politics and struggles. working through<br />
questions of austrian guilt and historical responsibility<br />
can also undermine the aim of attempts to<br />
move beyond simplistic narratives which reduce<br />
complex realities to an uncomplicated situation of<br />
perpetrators and victims in the middle east.<br />
what can it mean to think about such an exhibition<br />
politically in the austrian context under these<br />
circumstances? should there be an extra section<br />
and instructions to art educators on how to deal<br />
with the reflection of the nazi past in pieces of art<br />
that never wanted to address that subject? where<br />
does this leave Palestinian art, which is only part<br />
of this constellation indirectly? Rather than offer<br />
straightforward answers, this essay can make a number<br />
of concluding observations and suggestions:<br />
1) although we presuppose that the perception of<br />
israel in austria is strongly influenced by the history<br />
of european Jewry and the genocide against<br />
the european Jews, an exhibition about israel is<br />
probably the least productive place to address the<br />
history of anti-semitism. this is best done, rather,<br />
in museums that aim to suggest new ways in which<br />
visitors can think about difference in their own environment.<br />
1 the aim should be to offer a space for<br />
reflection on austrian perceptions that allows visitors<br />
to understand the interventions of the artists,<br />
not to use works of art on Palestinian and israeli<br />
politics and life in order to rethink austrian<br />
history.<br />
2) furthermore, we can only presume that the history<br />
of austrian anti-semitism is relevant for the<br />
perception of visitors because the targeted viewers<br />
are assumed to be a native austrians with no<br />
migration background and a family history that<br />
might implicate them in nazi crimes. Yet, audiences<br />
for art exhibitions can come from diverse<br />
backgrounds, which would make it a dubious move<br />
on the side of the exhibition designers to suggest<br />
that there is any typical or ideal viewer. the “space<br />
for reflection” suggested above would thus be most<br />
useful when created by museum educators in dialogue<br />
with actual visitors.<br />
3) it is commonly assumed by those organizing<br />
events on israel or Palestine in austria that a discussion<br />
was successful if nobody made any uncalled-for<br />
references to national socialism. clearly<br />
there is the danger that comparisons end up equating<br />
nazi and israeli policies. naïve comparisons<br />
are not just inappropriate in the austrian context;
they are also problematic for Palestinian and israeli<br />
political activism. they reduce israeli and palestinian<br />
<strong>voices</strong> to proxies for guilt discourses instead<br />
of engaging with the arguments they are<br />
making.<br />
at the same time, i would suggest a less anxietyridden<br />
approach to the fact that the israeli-arab<br />
conflict and the occupation becomes a space for<br />
projection. Representations of violence and collective<br />
ethical transgression (even if they are only<br />
hinted at in an artwork) always lend themselves to<br />
multiple reinterpretations and demand to be appropriated<br />
by the viewer. it is futile and unproductive<br />
to try to instruct viewers beforehand about the<br />
proper forms of viewing art through an official<br />
statement. if educators with school classes were<br />
to try to forestall any comparisons between german<br />
wehrmacht and israeli soldiers by declaring<br />
such statements taboo, they would merely deaden<br />
any productive debate. the emancipatory potential<br />
of such an exhibition is not served by forcing<br />
on the viewer ethically charged rules on the proper<br />
reception of the works.<br />
in austria, the interest in Palestinian and israeli<br />
politics is always mediated through the austrian<br />
past and the european past more generally. the<br />
most productive way to deal with this tendency is<br />
to take risks and see provocative, inappropriate,<br />
and embarrassing statements as an opportunity to<br />
offer new approaches to seeing israelis and Palestinians.<br />
it is the work of curators to allow such debates<br />
and the work of museum educators to encourage<br />
them and make them productive – in<br />
dialogue with actual visitors, rather than imagined<br />
and stereotyped austrians, the existence of whose<br />
prejudices we simply presume.<br />
one way that museum educators can foster fruitful<br />
debates is to point out other models of recep-<br />
tion; describing, for example, what type of reception<br />
a piece had or might have had or has already<br />
had in israeli and/or Palestinian contexts. it is crucial<br />
to work with the fact that the pieces exhibited<br />
aim to challenge simplistic assumptions about<br />
identity, voice, or representation. this does not<br />
mean that there is not an ethics of reception.<br />
guides should, for example, show their disapproval<br />
of inappropriate remarks. nonetheless, the<br />
main aim should not be to reduce embarrassment<br />
but rather to use it.<br />
alexander ari Joskowicz is assistant Professor in the Department of<br />
history at the University of mississippi. he is currently working on<br />
the anticlericalism of german and french Jews in the context of the<br />
“culture wars” between liberals and catholic church since the<br />
enlightenment.<br />
1 on museum pedagogy in this regard, see: Richard sandell,<br />
“museums, Prejudice and the Reframing of Difference”, Routledge:<br />
london, 2007.<br />
35
die palästinenser<br />
in israel<br />
(1948–2008)<br />
adel manna<br />
Einleitung<br />
Das historische Palästina wurde infolge des krieges<br />
1948 zerstückelt. in den im darauffolgenden Jahr<br />
von den kriegsgegnern unterzeichneten waffenstillstandsverträgen<br />
wurden die kriegsgrenzen von<br />
israel und seinen arabischen nachbarn anerkannt.<br />
Palästina wurde in drei teile geteilt. israel erhielt<br />
etwa 77 Prozent des gebietes, was weit über das<br />
gebiet hinausging, das dem jüdischen staat im<br />
teilungsplan der Uno vom 29. november 1947<br />
zugedacht worden war. Der zweitgrößte teil Palästinas,<br />
das westjordanland, wurde von Jordanien<br />
besetzt und annektiert. Der dritte teil, der gazastreifen,<br />
ein winziges gebiet von weniger als 400<br />
Quadratkilometern, stand bis Juni 1967 unter<br />
ägyptischer verwaltung. Damit verschwand Palästina<br />
von der weltkarte und den offiziellen landkarten<br />
der Region. Die in der heimat ihrer vorfahren<br />
lebenden Palästinenser wurden heimatlos und<br />
staatenlos.<br />
auch die palästinensische gesellschaft wurde innerhalb<br />
und außerhalb des historischen Palästina<br />
in isolierte und ausgegrenzte gruppen zersplittert.<br />
auf dem gebiet, das nach 1948 zu israel wurde,<br />
lebten bis zum ausbruch von gewalt und krieg<br />
etwa 900.000 Palästinenser. Die meisten dieser<br />
Palästinenser wurden vertrieben und lebten als<br />
flüchtlinge in benachbarten arabischen ländern.<br />
nach dem waffenstillstandsabkommen im sommer<br />
1949 gelang es etwa 156.000 Palästinensern,<br />
in israel zu überleben, wo sie die arabische minderheit<br />
eines jüdischen staates bildeten. Dieser<br />
aufsatz bietet einen kurzen Überblick über die geschichte<br />
der Palästinenser in israel und ihren gesellschaftspolitischen<br />
status in den letzten 60 Jahren.<br />
weiters sollen Zukunftsvisionen erörtert<br />
werden, wie sie in verschiedenen vor kurzem im<br />
nazareth und haifa veröffentlichten Dokumenten<br />
dargestellt werden.<br />
israel feiert dieses Jahr die 60. wiederkehr seiner<br />
Unabhängigkeit, während die Palästinenser den<br />
3 OVERLAPPING VOICES<br />
60. Jahrestag der katastrophe (nakba) begehen, die<br />
über sie hereinbrach. in der Unabhängigkeitserklärung<br />
von mitte mai 1948 versprach die israelische<br />
führung den arabischen Bürgern des neugeborenen<br />
jüdischen staates volle staatsbürgerrechte<br />
und eine gerechte vertretung in allen institutionen.<br />
Diese versprechen wurden nie erfüllt. Die geschichte<br />
der jüdisch-arabischen Beziehungen in<br />
israel in den letzten 60 Jahren war sehr wechselvoll.<br />
israel wird besonders im westen als demokratischer<br />
staat wahrgenommen. Diese wahrnehmung<br />
basiert auf der richtigen einschätzung von<br />
freien wahlen, einer freien Presse und anderen<br />
freiheiten, wie sie in einem gerechten, demokratischen<br />
system gewährleistet und institutionalisiert<br />
sind. Jedoch zeigen die besonderen erfahrungen<br />
der arabischen minderheit seit 1948 eine systematische<br />
Diskriminierung in Politik und Praxis, die<br />
vom staat und seinen jüdischen institutionen<br />
ausgeht.<br />
Die arabische minderheit in israel zählt zurzeit<br />
mehr als 1,2 millionen staatsbürger (ohne die<br />
42.000 Palästinenser in ostjerusalem, die seit Juni<br />
1967 zwar in israel ansässig, aber keine staatsbürger<br />
sind). Dieses signifikante demografische<br />
wachstum (ausgehend von rund 150.000 im Jahr<br />
1949) macht aus den palästinensischen arabern<br />
in israel eine selbstbewusste gemeinschaft. Die<br />
quantitativen und qualitativen veränderungen der<br />
letzten 60 Jahre steigerten auch das Bedürfnis<br />
nach und den anspruch auf gleiche Bürgerrechte<br />
und chancen. Die verzögerte erfüllung solcher erwartungen<br />
verstärkte die frustration und die Bitterkeit<br />
besonders unter den angehörigen der zweiten<br />
und dritten generation dieser gemeinschaft.<br />
was sind die hauptmerkmale der palästinensischen<br />
araber in israel? welche auswirkungen<br />
haben ihre erfahrungen als arabische minderheit<br />
im jüdischen staat? welche höhen und tiefen gab<br />
es in der haltung des jüdischen staates gegenüber<br />
seinen palästinensischen Bürgern? Und<br />
schließlich: was sind die hauptpunkte ihrer politischen<br />
agenda und ihre Zukunftsvisionen? Dies<br />
sind einige der wichtigsten fragen, die auf den folgenden<br />
seiten beantwortet werden sollen.<br />
Geografie und Demografie<br />
1948 wurde israel auf den Ruinen der palästinensischen<br />
gesellschaft und ihrer heimat aufgebaut.<br />
mehr als die hälfte der palästinensischen Bevölkerung<br />
(etwa 750.000) wurde zu flüchtlingen. sie<br />
verloren ihr heim, ihr land, ihre Dörfer und städte<br />
und mussten in flüchtlingslagern ihr leben vollkommen<br />
neu beginnen. Das gesamte palästinensische<br />
eigentum wurde vom staat und anderen jüdischen<br />
institutionen zu gunsten von Juden<br />
enteignet. mehr als 400 Dörfer wurden zerstört und<br />
das land auf alte und neue jüdische siedlungen<br />
aller art aufgeteilt. Die palästinensische stadt verschwand,<br />
und einige 100.000 araber, die in Jaffa,<br />
haifa, akko, lydda, Ramle und anderen städten<br />
lebten, wurden zu flüchtlingen. nazareth überlebte<br />
als einzige arabische stadt den krieg und<br />
wurde zur hauptstadt der Palästinenser in galiläa.<br />
es muss festgehalten werden, dass die meisten<br />
der in israel überlebenden Palästinenser in galiläa<br />
nördlich von haifa leben.<br />
Die vertreibung der meisten araber aus israel und<br />
die Zerstörung hunderter ihrer orte bedeutete eine<br />
durchgreifende veränderung der geografischen<br />
und demografischen situation der Region. Jene,<br />
die die katastrophe überlebten (geschätzte<br />
156.000 im sommer 1949), wurden formal zu israelischen<br />
staatsbürgern. sie hatten gewissermaßen<br />
noch glück, nicht dasselbe los zu erleiden<br />
wie die flüchtlinge. Die angst vor der ausweisung<br />
war eines der wesentlichen motive für die relativ<br />
duldsame haltung der araber in israel während<br />
der 1950er. Diese angst war auch nicht unbegründet.<br />
in den frühen 50er Jahren wies israel weiterhin<br />
araber aus galiläa, aschkelon, dem negev und<br />
anderen orten aus. außerdem waren viele araber
der ansicht, dass die ermordung von 49 unschuldigen<br />
staatsbürgern in kafr Qasim am 29. oktober<br />
1956 darauf abzielte, die araber in furcht zu versetzen<br />
und viele von ihnen durch die gleichen methoden<br />
wie 1948 loszuwerden.<br />
in vielen gegenden in israel, besonders jenen, die<br />
dem jüdischen staat durch den teilungsplan der<br />
Uno zugewiesen worden waren, fand eine fast vollständige<br />
ethnische säuberung statt. an der küste,<br />
von haifa im norden bis zum gazastreifen im süden,<br />
überlebten nur zwei kleine arabische orte.<br />
sogar nördlich von haifa bis zur libanesischen<br />
grenze blieb nur ein Dorf (mazr’ah) bestehen. es<br />
wurde bereits gesagt, dass seit 1948 die meisten<br />
Palästinenser in israel in galiläa leben. einige wenige<br />
Bezirke dieser Region erlitten jedoch ein ähnliches<br />
schicksal wie die küstengebiete. Die meisten<br />
arabischen orte in den Bezirken safad und<br />
tiberias wurden zerstört und ihre einwohner wurden<br />
zu flüchtlingen in syrien und im libanon. in<br />
ostgaliläa überdauerten nur wenige palästinensische<br />
orte bis heute.<br />
im so genannten kleinen Dreieck, angrenzend an<br />
das westjordanland von Umm al-fahm im norden<br />
bis nach kafr Qasim im süden, überlebten 27 palästinensische<br />
Dörfer, weil Jordanien im waffenstillstandsabkommen<br />
vom frühjahr 1949 zustimmte,<br />
die meisten von ihnen israel zu<br />
überlassen. im südlichen teil des landes, dem<br />
negev, wurden die meisten arabischen Beduinen<br />
in den gazastreifen und gebiete östlich des Jordans<br />
vertrieben, und nur ein kleiner teil lebte auf<br />
seinem land weiter. Die israelische Regierung erkennt<br />
jedoch das Recht vieler arabischer Beduinen<br />
auf ihr land nicht an und bezeichnet ihre<br />
siedlungen als „nicht anerkannte Dörfer“. als<br />
folge dieser Politik und der fehlgeschlagenen versuche<br />
der Regierung, die einwohner der Dörfer in<br />
anerkannte ortschaften umzusiedeln, haben die<br />
arabischen Beduinen unter einer besonderen Politik<br />
der ausgrenzung und Diskriminierung zu leiden.<br />
Die einzige arabische stadt in dieser Region<br />
vor 1948, Beer al-sabi’, wurde in eine jüdische<br />
stadt umgewandelt, was sich auf die ansässige Beduinenbevölkerung<br />
negativ auswirkte.<br />
Das verschwinden der palästinensischen städte<br />
aus israel ab dem Jahr 1948 hatte negative auswirkungen<br />
auf die soziale und kulturelle Realität<br />
der arabischen minderheit. während sie früher<br />
eine organische gesellschaft mit Zusammenhalt<br />
bildeten, wurden die in israel überlebenden Palästinenser<br />
durch den krieg und die israelische Politik,<br />
die die Rückkehr von flüchtlingen verhinderte,<br />
zu einer traumatisierten und marginalisierten minderheit.<br />
außerdem verwandelte die Unterstellung<br />
der arabischen gebiete unter militärische kontrolle<br />
die arabischen siedlungen in isolierte orte. Die zugesagten<br />
gleichen Rechte und chancen für die<br />
arabischen Bürger im jüdischen staat blieben leere<br />
versprechen angesichts der Realität von ausgrenzung<br />
und missachtung der grundlegenden men-<br />
schenrechte unter dem militärregime (1948–<br />
1966). während dieser Zeit wurden die arabischen<br />
gebiete von armeeoffizieren verwaltet, und die<br />
Umsetzung der britischen notstandsgesetze von<br />
1945 erlegte den arabischen staatsbürgern viele<br />
einschränkungen im hinblick auf ihre Bewegungsfreiheit<br />
sowie ihre wirtschaftlichen und politischen<br />
aktivitäten auf. somit wurden die arabischen<br />
staatsbürger in israel ausgegrenzt und aus der israelischen<br />
gesellschaft und wirtschaft ausgeschlossen.<br />
für etwa 20 Jahre ab 1948 genossen<br />
die araber in israel keine echte staatsbürgerschaft<br />
und konnten sich kaum gegen die diskriminierende<br />
Politik wehren, mit der ihnen die Regierung,<br />
das militär und andere zionistische institutionen<br />
begegneten.<br />
nach der Beschlagnahme des landes der palästinensischen<br />
flüchtlinge und der „present absentees“<br />
(anwesende abwesende) begannen die israelischen<br />
Behörden das land der arabischen<br />
gemeinden systematisch zu verkleinern. Die meisten<br />
enteignungen arabischer staatsbürger fanden<br />
in der Zeit nach der nakba im Jahr 1948 statt. ein<br />
großteil des in arabischen händen verbliebenen<br />
landes wurde beschlagnahmt und hunderte<br />
von jüdischen siedlungen wurden darauf erbaut.<br />
Diese Politik und vorgangsweise wirkte sich signifikant<br />
auf die geografische und demografische Realität<br />
der arabischen Bürger aus. maßnahmen zur<br />
entwicklung und industrialisierung wurden zu<br />
gunsten von Juden und auf kosten von arabern<br />
geplant und durchgeführt. Die fortwährende landbeschlagnahme<br />
in den 70er Jahren – also noch<br />
nach der abschaffung der militärischen kontrolle<br />
– führte am 30. mai 1976 zu einer kollektiven Reaktion,<br />
dem „land Day“. Die an diesem tag stattfindenden<br />
streiks und konfrontationen wurden zu<br />
einem meilenstein in den jüdisch-arabischen Beziehungen<br />
in israel.<br />
Die abschaffung des militärregimes ende 1966<br />
und die neuen geopolitischen verhältnisse nach<br />
dem Juni 1967 führten zu allmählichen verbesserungen<br />
im status der arabischen staatsbürger in<br />
israel. Die veränderungen kamen angesichts der<br />
inhärenten Diskriminierungspolitik jedoch zu spät<br />
und waren nicht umfassend genug. Die meisten<br />
Juden in israel glauben wie ihre zionistische führerschaft,<br />
dass das gemeinwesen jüdischer natur<br />
sein sollte. Die arabischen staatsbürger sind im<br />
besten fall von diesem gemeinwesen ausgeschlossen,<br />
werden aber meist als fünfte kolonne oder<br />
feinde angesehen. Daher investiert demografisch<br />
gesprochen die israelische Politik weiterhin geld<br />
und kraft in die förderung von jüdischer immigration<br />
und hegt nach wie vor den gedanken, die<br />
arabische minderheit auszusiedeln. Das konzept,<br />
so wenige araber wie möglich im jüdischen staat<br />
zu haben, wird durch die alte zionistische Politik<br />
der landrückgewinnung ergänzt, was die Beschlagnahme<br />
von noch mehr arabischem land bedeutet.<br />
Diese Politik hat sich in den letzten 60 Jah-<br />
ren nicht geändert und manifestiert sich in der<br />
errichtung von mehr als 900 jüdischen orten seit<br />
1948, während für die arabischen Bürger so gut<br />
wie nichts gebaut wurde. sie leben weiterhin getrennt<br />
in den etwa 100 orten, die den krieg im<br />
Jahr 1948 überdauerten.<br />
Gesellschaftspolitischer Status<br />
Die Palästinenser, die nach 1948 in israel weiterlebten,<br />
wurden zu staatsbürgern des jüdischen<br />
staates gemacht. angesichts der brutalen trennung<br />
und der Diskriminierungspolitik des militärregimes<br />
war die der arabischen minderheit verliehene<br />
israelische staatsbürgerschaft bedeutungslos.<br />
sogar das grundlegende wahlrecht wurde von der<br />
herrschenden Partei und anderen zionistischen<br />
Parteien manipuliert. grundrechte und Dienstleistungen<br />
für arabische staatsbürger wurden von der<br />
Regierung und ihren Behörden nicht als Bürgerrechte,<br />
sondern als gefälligkeit dargestellt, für die<br />
im gegenzug vollständige loyalität gegenüber israel<br />
und das wählen der herrschenden Partei erwartet<br />
wurden. Jeder versuch, einer unabhängigen<br />
aktivität nachzugehen oder die einzige nicht zionistische<br />
Partei, die kommunisten, zu wählen,<br />
wurde von den Behörden negativ beurteilt und<br />
führte zu sanktionen und zur Bestrafung der „verdächtigen“.<br />
Unter solchen Bedingungen ging es<br />
für die große mehrheit der palästinensischen Bürger<br />
um das Überleben und nicht um chancengleichheit.<br />
Die meisten arabischen staatsbürger in<br />
israel beteiligten sich an den wahlkämpfen der<br />
ersten Jahrzehnte, konnten jedoch keine Änderung<br />
in der israelischen Politik herbeiführen.<br />
aus den arabern Palästinas, die in ihren orten<br />
überlebten, wurden die araber israels oder „israelische<br />
araber“. ihre höchste Priorität war es, in<br />
der heimat zu bleiben und dem flüchtlingsschicksal<br />
zu entgehen. außerdem kämpften sie darum,<br />
ihr heim und das wenige an grund und Boden,<br />
das nicht beschlagnahmt worden war, zu behalten.<br />
Die arabischen staatsbürger israels gaben<br />
sich keinerlei illusionen im hinblick auf die versprechen<br />
der Regierung auf chancengleichheit<br />
und gleiche Rechte hin. Bürgerrechte für die araber<br />
wurden weder von der israelischen Regierung<br />
noch von den palästinensischen Überlebenden im<br />
jüdischen staat tatsächlich als existent angesehen.<br />
Das war kurz gefasst die gesellschaftspolitische<br />
Realität der Palästinenser in israel während der<br />
knapp zwei Jahrzehnte von 1948 bis 1966.<br />
Die abschaffung der militärkontrolle gegen ende<br />
1966 und die neue lage in der Zeit nach Juni 1967<br />
wurden zu einem weiteren meilenstein in der geschichte<br />
der arabischen minderheit in israel. Bis<br />
zum sechstagekrieg waren die Palästinenser in israel<br />
doppelt isoliert, nicht nur von den Juden in israel,<br />
sondern auch von der arabischen welt im allgemeinen<br />
und anderen Palästinensern im<br />
speziellen. Unter diesen Umständen musste sich<br />
die entwicklung einer kollektiven identität den exis-<br />
3
tenziellen erfordernissen des Überlebens unterordnen.<br />
Die Begegnung mit anderen Palästinensern<br />
in den neu besetzten gebieten führte zu<br />
neuen schwierigkeiten im hinblick auf die gemeinsame<br />
identität und die auswirkungen, die es für<br />
jemanden hatte, Palästinenser und israelischer<br />
staatsbürger zu sein. Die israelische staatsbürgerschaft<br />
erhielt zwar einerseits nach der abschaffung<br />
der militärkontrolle viel mehr Bedeutung,<br />
wurde aber andererseits auch problematischer.<br />
Bürger jenes staates zu sein, der als Besatzungsmacht<br />
für die eigenen leute im westjordanland<br />
und im gazastreifen auftrat, wurde zu einem aspekt,<br />
der sich störend auf das politische verhalten<br />
auswirkte.<br />
Die Besetzung des westjordanlandes und des gazastreifens<br />
legitimierte die grenzen des waffenstillstands<br />
von 1949.<br />
Das hauptaugenmerk der internationalen Diplomatie<br />
und des arabischen kampfes verlagerte sich<br />
im Juni 1967 auf die neu besetzten gebiete. im<br />
vergleich zu den Palästinensern im westjordanland<br />
und im gazastreifen erfreuten sich die araber<br />
in israel eines besseren status. Das Problem<br />
des Überlebens war in den 1960er Jahren im vordergrund<br />
gestanden, aber nun konzentrierte sich<br />
die politische agenda auf die erlangung gleicher<br />
Bürgerrechte. es ist jedoch eine sehr komplizierte<br />
Doppelidentität, palästinensischer Bürger israels<br />
zu sein, eines staates, der mitbrüdern im gazastreifen<br />
und im westjordanland als Besatzungsmacht<br />
gegenübertritt. Die araber in israel konnten<br />
angesichts des leids ihrer Brüder, die um freiheit<br />
und ein ende der Besetzung kämpften, nicht<br />
gleichgültig bleiben. allerdings verminderte die solidarität<br />
mit ihrem kampf die eigenen aussichten<br />
darauf, jüdische Unterstützung für die Bemühungen<br />
um gleiche Rechte und chancen in der israelischen<br />
gesellschaft zu erlangen.<br />
in den 1970ern und über weite strecken der 1980er<br />
konnten die Palästinenser in israel ein fragiles<br />
gleichgewicht zwischen den bürgerrechtlichen und<br />
den nationalen politischen Zielen halten. Bis zum<br />
ausbruch der intifada im Dezember 1987 wurde<br />
der nationale palästinensische kampf von außen<br />
durch aktivisten der Plo geführt. während dieser<br />
Zeit bekannten sich die araber in israel zur palästinensischen<br />
komponente ihrer identität, ohne die<br />
sinnvolle israelische staatsbürgerschaft aufzugeben.<br />
Die palästinensische gemeinschaft in israel<br />
entwickelte ein stärkeres selbstbewusstsein und<br />
verlangte offensiver nach gleichen Rechten und<br />
chancen. gleichzeitig bekräftigte sie, dass neben<br />
israel ein palästinensischer staat im westjordanland<br />
und im gazastreifen errichtet werden sollte.<br />
sie war der ansicht, dass die bürgerrechtlichen<br />
und nationalen anliegen einander ergänzten und<br />
nicht widersprachen. nach dem ausbruch der gewalt<br />
wurde es jedoch schwieriger, dieses heikle<br />
gleichgewicht zu halten. Die hitzigkeit, mit der der<br />
palästinensisch-israelische konflikt seit 1988 aus-<br />
38 OVERLAPPING VOICES<br />
getragen wird, wirkte sich auf das prekäre Zusammenleben<br />
von Juden und arabern in israel aus.<br />
Der gesellschaftspolitische status der Palästinenser<br />
in israel wurde auch von internen entwicklungen<br />
beeinflusst. Die kleine traumatisierte gemeinde<br />
ist seit 1948 quantitativ und qualitativ<br />
gewachsen. Die zweite und dritte generation der<br />
Palästinenser in israel erhielt eine viel bessere ausbildung<br />
als die besiegte und traumatisierte erste<br />
generation. tausende von arabischen studenten<br />
besuchten die israelischen Universitäten, und viele<br />
absolventen wurden zu politischen und gesellschaftlichen<br />
anführern der gemeinschaft. Die alte<br />
konservative führerschaft verschwand und wurde<br />
von einer radikalen und selbstbewussten führungsriege<br />
ersetzt. Diese junge und gut ausgebildete<br />
führungsmannschaft verstärkte den kampf<br />
um gleiche Rechte und chancen. sie beschränkte<br />
die Bemühungen der arabischen staatsbürger<br />
nicht auf das thema der chancengleichheit, sondern<br />
hinterfragte die grundlagen der israelischen<br />
identität und der legitimierung israels als jüdischer<br />
staat. sie zeigte den inhärenten widerspruch zwischen<br />
einem jüdischen und einem demokratischen<br />
staat auf. israel grenze als staat des jüdischen<br />
volkes arabische Bürger aus und schließe potenziell<br />
Juden ein, die außerhalb des landes leben.<br />
statt eines normalen demokratischen staates für<br />
alle Bürger sei israel eine ethnische Demokratie,<br />
in der alle nichtjuden, besonders araber, diskriminiert<br />
werden. Die offizielle Definition und die zionistische<br />
ideologie israels seien die Quelle von<br />
Diskriminierung, ausgrenzung und Ungleichheit<br />
der arabischen Bürger im jüdischen staat, meinten<br />
die jungen anführer.<br />
Die Palästinenser in israel sind sich der tatsache<br />
bewusst, dass der israelisch-arabische konflikt<br />
eine wichtige Ursache ihres Problems darstellt. Daher<br />
unterstützten sie eine politische lösung und<br />
einen historischen kompromiss zwischen israel<br />
und den arabischen nachbarn, besonders den Palästinensern.<br />
Der frieden mit Ägypten ende der<br />
70er Jahre und die laut werdenden gemäßigten<br />
stimmen in der Plo-führerschaft weckten hoffnung<br />
auf einen kompromiss an der israelisch-palästinensischen<br />
front.<br />
Die Palästinenser in israel waren die ersten, die die<br />
grundlagen eines solchen kompromisses zwischen<br />
den gegnern benannten. Die Palästinenser sollten<br />
israel anerkennen und im gegenzug ein ende der<br />
Besetzung und die errichtung eines unabhängigen<br />
staates erleben, der in frieden mit seinen nachbarn<br />
existiert. allmählich akzeptierten immer mehr<br />
palästinensische und jüdische israelis diese grundlagen,<br />
und viele dachten, dass mit dem vertrag von<br />
oslo im Jahr 1993 das ende des konflikts noch vor<br />
der Jahrhundertwende erreicht wäre. Die Palästinenser<br />
in israel waren enthusiastische Befürworter<br />
des friedensprozesses.<br />
außerdem konnten die Palästinenser in israel während<br />
der frühen 90er Jahre von der verknüpfung<br />
des konflikts mit ihrem gesellschaftspolitischen<br />
status in israel profitieren.<br />
Die Regierung Rabin, die die Unterstützung der<br />
arabischen wähler für eine politische einigung mit<br />
der Plo benötigte, versprach eine Politik der gleichen<br />
Bürgerrechte und begann dieses versprechen<br />
sofort umzusetzen. während der Jahre 1992–<br />
1995 genossen die Palästinenser in israel aufgrund<br />
der gleichstellungspolitik bessere Bürgerrechte<br />
und chancen. in diesen Jahren setzte die Regierung<br />
einen Prozess in gang, um die sozioökonomische<br />
kluft zwischen Juden und arabern in israel<br />
zu schließen. Die Regierung Rabin war die<br />
erste in der geschichte des landes, die ihr versprechen<br />
auf chancengleichheit für die arabischen<br />
Bürger einhielt. leider war es bis jetzt auch die<br />
letzte. Die ermordung von Rabin im november<br />
1995 und der Regierungswechsel im Jahr darauf<br />
setzten der hoffnung auf frieden und gleichheit<br />
der arabischen Bürger ein ende.<br />
Bis 1992 repräsentierte Jizchak Rabin die eiserne<br />
hand der israelischen armee in den besetzten gebieten.<br />
nach dem vertrag von oslo wandelte sich<br />
allerdings sein image in den augen der Palästinenser<br />
in israel und anderswo dramatisch. ein bemerkenswertes<br />
Beispiel für diesen wandel ist die Reaktion<br />
der arabischen Bürger auf die nachricht<br />
von seiner ermordung. tausende von arabischen<br />
Bürgern beweinten öffentlich seinen tod, was nie<br />
zuvor beim tod eines israelischen spitzenpolitikers<br />
der fall gewesen war. sie verstanden instinktiv,<br />
dass Rabins tod ein ende des friedensprozesses<br />
mit der Plo bedeutete und auch seine Regierungspolitik<br />
der gleichen Rechte und chancen für alle<br />
Bürger gefährden konnte. in den letzten 13 Jahren<br />
hat sich tatsächlich herausgestellt, dass der<br />
rechtsextreme mörder von Rabin erfolg mit seiner<br />
politischen mission hatte.<br />
Die Realität heute und Zukunftsvisionen<br />
seit oktober 2000 scheinen sich die jüdisch-<br />
arabischen Beziehungen in israel nach einem vorfall,<br />
bei dem 13 junge araber von der Polizei und<br />
anderen sicherheitskräften erschossen wurden, zu<br />
verschlechtern. Die tötungen von Demonstranten<br />
und Protestierenden in den arabischen orten in israel<br />
führte erneut den unsicheren status der arabischen<br />
Bürger im jüdischen staat vor augen. Die<br />
orr-kommission, die die vorfälle vom oktober 2000<br />
untersuchte, wies auf die seit langem bestehende<br />
staatliche Politik der Diskriminierung arabischer<br />
Bürger in israel als hauptgrund für den ausbruch<br />
von gewalt hin. weiters meinte die kommission, es<br />
sei die verantwortung der Regierung, ihre haltung<br />
zu ändern und in ihrer Politik eine gleichberechtigung<br />
der arabischen Bürger anzustreben. Die israelische<br />
Regierung akzeptierte den offiziellen Bericht<br />
und die empfehlungen der orr-kommission und versprach,<br />
sie umzusetzen. Jedoch ist in den vier Jahren<br />
seit veröffentlichung des Berichts in dieser hinsicht<br />
wenig geschehen. für die arabischen Bürger
war die riesige kluft zwischen politischer Rhetorik<br />
und Praxis keine Überraschung. sie verzeichneten<br />
es als einen weiteren frustrierenden fall in der<br />
langen Reihe falscher versprechen, die man ihnen<br />
in ihrer kurzen geschichte als arabische minderheit<br />
im jüdischen staat seit der Unabhängigkeitserklärung<br />
im Jahr 1948 gegeben hatte.<br />
trotz der vorfälle vom oktober 2000 und ihrer auswirkungen<br />
auf die Beziehungen zwischen der jüdischen<br />
mehrheit und der arabischen minderheit<br />
ist der status der Palästinenser in israel seit 2001<br />
relativ stabil. Der status quo ist jedoch aus der<br />
sicht der arabischen Bürger keine wünschenswerte<br />
option. Die Privatisierung der wirtschaft und<br />
andere maßnahmen der Regierungspolitik verbreitern<br />
die sozioökonomische kluft zwischen Reich<br />
und arm in israel. nach allen indizes sind die arabischen<br />
Bürger die Ärmsten der armen im land.<br />
als gemeinschaft leiden sie unter der lange bestehenden<br />
Diskriminierung durch den staat, und um<br />
ihre sozioökonomische mobilität ist es sehr schlecht<br />
bestellt. Daher bemühen sie sich unablässig um<br />
eine Änderung in den systemimmanenten Ungerechtigkeiten,<br />
da dies eine voraussetzung für eine<br />
bessere Zukunft darstellt. Das politische verhalten<br />
und die erwartungen der arabischen Bürger israels<br />
haben sich in den letzten 60 Jahren dramatisch<br />
verändert. in den ersten zwei Jahrzehnten<br />
ging es um das Überleben. Die israelische staatsbürgerschaft<br />
war ein mittel zum Zweck, um in der<br />
heimat zu bleiben und die ausweisung zu verhindern.<br />
während dieser Periode war der größte<br />
traum die abschaffung der militärkontrolle und ein<br />
ende der Beschlagnahme von arabischem land<br />
durch den staat und seine Behörden. Die ergebnisse<br />
des krieges im Juni 1967 führten zu einer<br />
bedeutenden veränderung.<br />
Der sechstagekrieg änderte die politische wahrnehmung<br />
unter den arabern in der Region im allgemeinen<br />
und speziell unter den arabern in israel.<br />
Der kampf ums Überleben war gewonnen, und die<br />
neue, auch von den kommunisten vertretene politische<br />
agenda enthielt zwei forderungen an die<br />
israelische Regierung: die Besetzung des westjordanlandes<br />
und des gazastreifens zu beenden, um<br />
die errichtung eines palästinensischen staates neben<br />
israel und die vollständige gleichstellung der<br />
arabischen Bürger zu ermöglichen. Zu diesem<br />
Zeitpunkt bedeutete gleichstellung grundsätzlich<br />
das ende der gegen araber gerichteten Diskriminierung.<br />
von aktiven oder positiveren bürgerrechtlichen<br />
Zielen, die von einer anderen und klaren vision<br />
getragen werden, hörte man erst in den 90er<br />
Jahren. nach dem vertrag von oslo und dem friedensprozess<br />
in der mitte der 90er Jahre begannen<br />
palästinensische intellektuelle in israel ihre vision<br />
zu formulieren. sie meinten, dass das Paradigma<br />
der völligen gleichstellung als staatsbürger nicht<br />
mit der eigendefinition israels als jüdischer staat<br />
kompatibel sei. Diese Definition bezieht viele Juden<br />
mit ein, die außerhalb des landes leben, aber<br />
potenziell einfluss auf seine Politik haben. Zugleich<br />
grenzt israel als staat des jüdischen volkes seine<br />
arabischen Bürger aus und bereitet damit den weg<br />
für die Diskriminierung von nichtjuden, besonders<br />
von palästinensischen arabern.<br />
Epilog<br />
seit kurzem versucht die gesetzgebende versammlung<br />
israels, die knesset, eine verfassung auf dem<br />
konsensweg zu schaffen. Dieser versuch wurde<br />
von den arabischen Bürgern israels als ernsthafte<br />
Bedrohung für jede hoffnung gesehen, gleiche<br />
Rechte und chancen in israel zu erhalten.<br />
im gegensatz zu anderen fällen der weltgeschichte,<br />
in denen die verabschiedung einer verfassung<br />
ein festlicher anlass war, stellt der israelische<br />
versuch eine festschreibung des<br />
problematischen status quo der seit langem bestehenden<br />
Besetzung dar. Zu seinem 60. Jahrestag<br />
hat israel noch immer keine anerkannten grenzen,<br />
hat einen problematischen ansatz in puncto<br />
staatsbürgerschaft, und Besetzung und kolonisierung<br />
sind ein Dauerzustand. in einem solchen stadium<br />
der israelischen geschichte haben die Palästinenser<br />
im allgemeinen und die Bürger des<br />
jüdischen staates im Besonderen nichts zu gewinnen.<br />
Jede Zustimmung von ihrer seite zur vorgeschlagenen<br />
israelischen verfassung wird sich auf<br />
ihren kampf um gleichstellung hinderlich auswirken.<br />
Die gegenwärtig vorgeschlagene verfassung<br />
legitimiert den status quo und festigt die Definition<br />
von israel als einem jüdischen und demokratischen<br />
staat. eine solche verfassungsmäßige Definition<br />
von israel ist für die arabischen Bürger absolut inakzeptabel.<br />
Daher entschloss sich die politische<br />
und intellektuelle führung der arabischen minderheit,<br />
ihre eigene vision der jüdisch-arabischen Beziehungen<br />
zu veröffentlichen.<br />
Das erste Dokument mit dem titel „the future vision“<br />
(Die Zukunftsvision) wurde im Dezember<br />
2006 von einer gruppe politischer aktivisten und<br />
maßgebender arabischer akademiker unter der federführung<br />
von shawqi khatib, dem leiter des<br />
„high follow-up committee“, veröffentlicht. im<br />
märz 2007 publizierte dann adalah, das juristische<br />
Zentrum für arabische minderheitenrechte in israel,<br />
sein Dokument mit dem titel „Democratic<br />
constitution“ (Demokratische verfassung). Dieses<br />
Dokument weist viele gemeinsamkeiten mit „the<br />
future vision“ auf, konzentriert sich aber auf juristische<br />
themen. es handelt sich eigentlich um eine<br />
art grundrechte<strong>katalog</strong> aus der Perspektive der arabischen<br />
minderheit. Die letzte veröffentlichung<br />
dieser art erschien im mai 2007 unter dem titel<br />
„Document of haifa“ (Dokument von haifa). Dieser<br />
text wurde von Dutzenden intellektuellen und<br />
Bürgerrechtsaktivisten verfasst und unterzeichnet.<br />
Die treffen der gruppe fanden in haifa im mada-<br />
Zentrum für angewandte sozialforschung statt.<br />
Die drei Dokumente ergänzen einander und präsentieren<br />
die ansichten des politischen main-<br />
streams der Palästinenser in israel. es ist angezeigt,<br />
abschließend festzustellen, dass die<br />
Dokumente und ihre veröffentlichung in hebräischer<br />
und englischer sprache, zusätzlich zum<br />
arabischen, einen neuen trend in den führungskreisen<br />
der arabischen minderheit in israel darstellen.<br />
Diese kreise ergriffen die initiative, mit der<br />
jüdischen mehrheit in einen Dialog einzutreten,<br />
statt nur auf ihre ansichten zu reagieren. Zusätzlich<br />
zur inhaltlichen seite ist das eine sehr wichtige<br />
entwicklung, die von allen betroffenen seiten berücksichtigt<br />
werden sollte. Die araber in israel legten<br />
in den Dokumenten ihre konditionen für eine gleichberechtigte<br />
Partnerschaft mit der jüdischen mehrheit<br />
dar. Diese neue herausforderung der arabischen<br />
minderheit an den jüdischen staat ist<br />
Zeichen eines dramatischen wandels, mit dem sich<br />
die hegemonische mehrheit in Zukunft auseinandersetzen<br />
muss. aus israel einen normalen staat<br />
für alle seine Bürger zu machen, könnte auch die<br />
Beziehungen zwischen den Juden und den arabischen<br />
völkern im nahen osten normalisieren.<br />
Die palästinensische Katastrophe<br />
(Nakba)<br />
israel konstituierte sich am 15. mai 1948 mitten<br />
in einem krieg mit den Palästinensern und den benachbarten<br />
arabischen ländern als jüdischer<br />
staat. am ende dieses krieges, nach Unterzeichnung<br />
der waffenstillstandsabkommen im Jahr<br />
1949, wurde die tragweite der arabischen niederlage<br />
und der palästinensischen katastrophe für<br />
alle Beteiligten klar ersichtlich. Die winzige jüdische<br />
gemeinde in Palästina (etwa 650.000 Personen)<br />
konnte die Palästinenser (1.350.000) und<br />
die sie unterstützenden arabischen armeen besiegen.<br />
Die araber verabsäumten es, die errichtung<br />
des jüdischen staates zu verhindern. Zudem wurde<br />
israel auf einem größeren gebiet errichtet als vom<br />
teilungsplan der Uno vorgesehen. Der arabische<br />
staat, der für die Palästinenser vorgesehen war,<br />
wurde bis zum heutigen Datum nicht errichtet, und<br />
das palästinensische volk ist seit 1948 staatenlos.<br />
israel wurde auf etwa 77 Prozent des gebietes des<br />
historischen Palästina errichtet. Der Rest des<br />
landes wurde zwischen Jordanien (westjordanland)<br />
und Ägypten (gazastreifen) aufgeteilt. so<br />
konnte der Zionismus die erreichung seines größten<br />
Ziels (ein jüdischer staat) feiern, während die<br />
Palästinenser begannen, an den verlust ihres heimatlandes<br />
zu erinnern. Der name Palästina wurde<br />
aus der weltkarte und den landkarten des nahen<br />
ostens gestrichen. Palästinenser verloren ihr land<br />
und wurden zu einem staatenlosen volk, das in<br />
isolierte und ausgegrenzte gemeinschaften zersplittert<br />
wurde. Das ist kurz zusammengefasst das<br />
wesen der palästinensischen katastrophe im Jahr<br />
1948.<br />
Die palästinensische gesellschaft wurde zerstreut,<br />
und mehr als die hälfte (etwa 750.000) wurde zu<br />
flüchtlingen, die ihr heim, ihr land und ihren Be-<br />
39
sitz verloren. Die meisten flüchtlinge mussten in<br />
lagern ein völlig neues leben beginnen. Die staatenlosen<br />
Palästinenser wurden von israel und den<br />
sie beherbergenden arabischen ländern ausgegrenzt<br />
und diskriminiert. Zumindest während der<br />
ersten Dekade nach der nakba (1948–1958) ging<br />
es für die traumatisierten Palästinenser ums reine<br />
Überleben. ab den 1960ern begannen sie sich jedoch<br />
neu zu organisieren und starteten einen<br />
neuen militärischen und politischen kampf für die<br />
Befreiung des heimatlandes und die errichtung<br />
eines unabhängigen staates.<br />
im Unterschied zu vielen anderen traumatischen<br />
geschehnissen sind die nakba und ihre folgen<br />
kein punktuelles ereignis. es handelt sich hier vielmehr<br />
um die kumulierte wirkung der katastrophe<br />
im Jahr 1948 und des während der letzten 60<br />
Jahre erlittenen leids der Palästinenser. aus eigener<br />
Perspektive sind die Palästinenser die opfer<br />
40 OVERLAPPING VOICES<br />
der Zionisten, die das jüdische Problem auf kosten<br />
der Palästinenser lösten. Die Juden, die unter<br />
dem antisemitismus in europa und ihrem Zustand<br />
als staatenlose gemeinschaft gelitten hatten, errichteten<br />
ihren staat in Palästina und machten aus<br />
den Palästinensern ein staatenloses volk. Daher<br />
kämpfen die Palästinenser für selbstbestimmung<br />
und haben beschlossen, dem an ihnen begangenen<br />
Unrecht ein ende zu setzen. von den opfern<br />
europas zum opfer gemacht worden zu sein,<br />
macht die suche der Palästinenser nach einer gerechten<br />
lösung für ihre tragische situation noch<br />
komplizierter. leider stellt auch 60 Jahre nach der<br />
katastrophe im Jahr 1948 neues leid der Palästinenser<br />
eine schwere Belastung für die lage im<br />
nahen osten dar.<br />
adel manna ist historiker und Direktor am the center for the study<br />
of israeli arab society am van leer institute in Jerusalem.
the palestinians<br />
in israel<br />
(1948–2008)<br />
adel manna<br />
historical Palestine was dismembered as a result<br />
of the war in 1948. in the armistice agreements,<br />
signed in the following year between the adversaries,<br />
the borders of the war were recognized by israel<br />
and its arab neighbours. Palestine was divided<br />
into three parts. israel was established on about<br />
77% of the country, much beyond the territory allocated<br />
for the Jewish state according to the U.n. partition<br />
plan of november 29, 1947. the second biggest<br />
part of Palestine, the west Bank, was occupied<br />
and annexed by Jordan. the third, the gaza strip,<br />
a tiny portion of less than four hundred square km.,<br />
came under egyptian administration until June<br />
1967. thus, Palestine disappeared from the world<br />
atlas and from the official regional maps. the Palestinians<br />
who lived in their ancestors’ homeland<br />
became homeless and stateless.<br />
the Palestinian society was also shattered into separate<br />
and marginalized communities inside historical<br />
Palestine and outside it. on the territory which<br />
became israel after 1948, about 900,000 Palestinians<br />
lived until the eruption of violence and war. most<br />
of these Palestinians were displaced and became<br />
refugees in the neighbouring arab countries. in the<br />
aftermath of the armistice agreements in summer<br />
1949, an estimated 156,000 Palestinians succeeded<br />
in surviving in israel and turned into the arab<br />
minority of a Jewish state. this paper is focusing<br />
briefly on reviewing the history of Palestinians in israel<br />
and their socio-political status during the past<br />
six decades. furthermore, it will touch upon their<br />
future visions as represented in several documents<br />
published lately in nazareth and haifa.<br />
israel is celebrating this year the 60th anniversary of<br />
its independence, while the Palestinians are commemorating<br />
sixty years of the catastrophe (nakba) which<br />
befell them. in the declaration of independence, in<br />
mid may 1948, the israeli leadership promised the<br />
arab citizens of the newborn Jewish state full citizenship<br />
rights and a fair representation in all its institutions.<br />
these promises were never fulfilled. the his-<br />
tory of Jewish-arab relations in israel has witnessed<br />
ups and downs during the past sixty years. israel is<br />
perceived, particularly in the west, as a democratic<br />
state. this perception is based on true assessment<br />
of the free elections, free press and other freedoms<br />
secured and institutionalized in a fair democratic system.<br />
however, the special experience of the arab minority<br />
since 1948 reveals systematic policies and<br />
practices of discrimination towards them by the state<br />
and its Jewish institutions.<br />
the arab minority in israel numbers currently over<br />
1.2 million citizens (without the 240,000 Palestinians<br />
of east Jerusalem who are residents but not citizens<br />
of israel since June 1967). the significant<br />
demographic growth (from about 150,000 in 1949)<br />
transformed the Palestinian arabs in israel into a<br />
self-confident community. the quantitative and qualitative<br />
changes during the past six decades also increased<br />
needs and raised expectations for equal civil<br />
rights and opportunities. the deferred fulfilment<br />
of these expectations enhanced frustration and bitterness,<br />
particularly among the second and third<br />
generations of this community. what are the main<br />
characteristics of the Palestinian arabs in israel?<br />
what are the repercussions of their experiences as<br />
an arab minority in the Jewish state? what are the<br />
ups and downs in the attitude of the Jewish state<br />
towards its Palestinian citizens? lastly, what are the<br />
main features of their political agenda and their future<br />
visions? those are some of the main questions<br />
that the following pages will try to answer.<br />
Geography and Demography<br />
in 1948 israel was established on the ruins of the<br />
Palestinian society and homeland. over half of the<br />
Palestinian people (about 750,000) became refugees.<br />
they lost homes, lands, villages and towns<br />
and started life from scratch in refugee camps. all<br />
the Palestinian properties were expropriated by the<br />
state and other Jewish agencies for the benefit of<br />
Jews. over 400 villages were demolished and their<br />
lands distributed to old and newly established Jewish<br />
settlements of all kinds. the Palestinian city<br />
disappeared and a few hundred thousand arabs<br />
who lived in Jaffa, haifa, acre, lydda, Ramle and<br />
other cities turned into refugees. nazareth was the<br />
only arab town which survived the war and became<br />
the capital city of the Palestinians in galilee. it is<br />
worth noting also that most of the Palestinians who<br />
survived in israel live in galilee, north of haifa.<br />
the expulsion of most of the arabs from israel and<br />
the demolishing of hundreds of their localities represented<br />
a stark change of the geography and the<br />
demography of the place. those who survived this<br />
disaster (the estimated 156,000 in summer 1949)<br />
became israeli citizens formally. they were kind of<br />
lucky not to face the same lot of their refugee<br />
brethren. the fear of expulsion became one of the<br />
inherent elements which guided the relative acquiescence<br />
of the arabs in israel during the 1950s.<br />
indeed, this fear was not baseless. israel continued<br />
to expel arabs from galilee, ashkelon, the negev<br />
and elsewhere during the early 1950s. furthermore,<br />
many arabs believe that the killing of 49 innocent<br />
citizens in kufr-Qasim on 29th october<br />
1956 was designed to frighten the arabs and to<br />
get rid of many of them by the same methods as<br />
in 1948.<br />
in many areas in israel, particularly those allocated<br />
to the Jewish state according to the U.n. partition<br />
plan, the ethnic cleansing was almost total.<br />
in the seashore area from haifa in the north down<br />
to the gaza strip, only two small arab localities survived.<br />
even north of haifa up to the lebanese border<br />
only one village (mazr‘ah) stayed put. it was<br />
already mentioned that most of the Palestinians in<br />
israel have been living since 1948 and till now in<br />
galilee. however, a few districts of this region faced<br />
a similar lot to that of the seashore area. most of<br />
the arab localities in the safad and tyberias districts<br />
were uprooted and their inhabitants became<br />
refugees in syria and lebanon. only a few Pales-<br />
41
tinian localities in this area of eastern galilee survived<br />
and stayed put.<br />
in the so-called little triangle area adjacent to the<br />
west Bank from Um al-fahm in the north down to<br />
kufr-Qasim in the south, twentyseven Palestinian<br />
villages survived because Jordan agreed to transfer<br />
most of them to israel as part of the cease-fire<br />
agreement in spring 1949. in the southern part of<br />
the country, the negev, most of the Bedouin arabs<br />
were displaced to the gaza strip and east of the<br />
river Jordan, and only a tiny portion stayed put on<br />
their lands. however, the israeli government does<br />
not recognize the rights of many Bedouin arabs on<br />
their lands and defines their localities as “unrecognized<br />
villages”. as a result of this policy and the<br />
failed attempts of the government to transfer the<br />
inhabitants of these villages to the recognized<br />
townships, the Bedouin arabs suffer from a special<br />
policy of segregation and discrimination. the<br />
only arab town in this region before 1948, Beer alsabi‘,<br />
was transformed into a Jewish city, a fact<br />
which had negative implications on the indigenous<br />
Bedouin population.<br />
the disappearance of the Palestinian city from israel<br />
since 1948 had negative implications on the<br />
socio-cultural realities of the arab minority. from<br />
an organic and cohesive society, the war and the<br />
israeli policy of preventing the return of the refugees<br />
turned those Palestinians who did survive in<br />
the Jewish state into a traumatized and marginalized<br />
minority. furthermore, the military control<br />
which the government established in the arab<br />
areas turned the arab localities into disconnected<br />
entities. the promises of equal rights and opportunities<br />
for the arab citizens in the Jewish state<br />
were empty words in the reality of segregation and<br />
repression of basic human rights under the military<br />
regime (1948-1966). military officers administered<br />
the arab areas during that period and many<br />
restrictions of movement, economic and political<br />
activities were imposed on the arab citizens by implementing<br />
the British emergency laws of 1945.<br />
thus, the arab citizens in israel were segregated<br />
and excluded from the israeli society and economy.<br />
for about two decades after 1948, the arabs in israel<br />
had no meaningful citizenship and could<br />
hardly resist the discriminatory policies inflicted on<br />
them by the government, the military and other Zionist<br />
institutions.<br />
after confiscating all the lands of the Palestinian<br />
refugees and the “Present absentees”, israeli authorities<br />
started a policy of squeezing the lands of<br />
the arab localities. most of the confiscations of<br />
lands of the arab citizens took place during the<br />
few years which followed the nakba in 1948. a big<br />
portion of the lands left in arab hands were confiscated<br />
and hundreds of Jewish settlements were<br />
built there. as a result of these policies and actions<br />
on the ground, the geographic and demographic realities<br />
of the arab citizens were transformed significantly.<br />
Development and industrialization was plan-<br />
42 OVERLAPPING VOICES<br />
ned and performed for the benefit of Jews at the<br />
expense of the arabs. the continuation of land confiscation<br />
even after the abolition of military control,<br />
in the1970s, generated a collective response of the<br />
“land Day” in march 30, 1976. this day of strike<br />
and confrontations became a landmark in Jewisharab<br />
relations in israel.<br />
the abolition of the military regime at the end of<br />
1966 and the new geo-political realities after June<br />
1967 generated a gradual improvement in the status<br />
of the arab citizens in israel. however, the<br />
change was too late and too little given the built in<br />
policy of discrimination. most of the Jews in israel<br />
and their Zionist leaders believe that the common<br />
good of the state and society should be Jewish. the<br />
arab citizens are excluded from this common good<br />
at best and perceived as fifth column or part of the<br />
enemy in most cases. as a result, demographically,<br />
israeli policy continued to invest money and energies<br />
in order to enhance Jewish immigration into<br />
the country, while entertaining ideas of transfer for<br />
the arab minority. furthermore, in addition to the<br />
concept of as few arabs as possible in the Jewish<br />
state, this was complemented by the old Zionist policy<br />
of redeeming the land, which means seizing<br />
more arab lands. this policy has not changed during<br />
the past six decades. one of the manifestations<br />
of this policy is the building of over 900 new Jewish<br />
settlements since 1948, while building almost<br />
nothing for the arab citizens. those continue to be<br />
segregated in the roughly one hundred localities<br />
which survived the war in 1948.<br />
Socio-political status<br />
the surviving Palestinians in israel after 1948 were<br />
transformed into citizens of the Jewish state. the<br />
israeli citizenship conferred on the arab minority<br />
was meaningless in light of the brutal policies of<br />
segregation and discrimination of the military regime.<br />
even the basic right of voting was manipulated<br />
by the ruling party and other Zionist parties.<br />
Basic rights and services for the arab citizens were<br />
portrayed by the government and its agencies not<br />
as civil rights but rather as a favour given in return<br />
for full loyalty to israel and voting for the ruling parties.<br />
any attempts at independent activity or even<br />
voting for the only non-Zionist communist party<br />
was viewed negatively by authorities and brought<br />
about sanctions and punishment of the alleged<br />
suspects. Under such conditions, the name of the<br />
game for the vast majority of the Palestinian citizens<br />
was survival, not equality. most of the arab<br />
citizens in israel took part in the election campaigns<br />
during the first few decades without being<br />
able to make any difference in israeli politics.<br />
the arabs of Palestine who survived in their localities<br />
were turned into the arabs of israel or “israeli<br />
arabs”. staying put in the homeland and escaping<br />
the lot of their fellow refugees was the<br />
utmost priority. then, they struggled to keep their<br />
homes and the small amount of lands which was<br />
not been confiscated. they struggled also against<br />
the harsh measures of the military governors who<br />
prevented free movement of the arabs including<br />
preventing many farmers from cultivating their<br />
lands. the arab citizens of israel had no illusions<br />
concerning the governments’ promises of offering<br />
equal rights and opportunities. citizen rights of the<br />
arabs were not taken seriously, neither by the israeli<br />
governments nor by the Palestinian survivors<br />
in the Jewish state. in a nutshell, those were the<br />
socio-political realities of the Palestinians in israel<br />
during almost two decades, 1948-1966.<br />
the abolition of the military control at the end of<br />
1966 and the new realities of post June 1967 became<br />
a new landmark in the history of the arab<br />
minority in israel. Until the six Days’ war, the Palestinians<br />
in israel were doubly segregated, not<br />
only from Jews in israel, but also from the arab<br />
world in general and Palestinians in particular. Under<br />
such circumstances, the issue of collective<br />
identity was secondary to existential matters of survival.<br />
the encounter with other Palestinians in the<br />
newly occupied territories generated new dilemmas<br />
of collective identity and of the implications<br />
of being Palestinians, while israeli citizens. on the<br />
one hand, the israeli citizenship became much<br />
more meaningful after the abolition of the military<br />
control but, on the other, more problematic. Being<br />
citizens of the occupying state of their people in<br />
the west Bank and the gaza strip became a troubling<br />
built-in element in their political behaviour.<br />
the occupation of the west Bank and gaza legitimized<br />
the cease-fire borders of 1949.<br />
the focus of international diplomacy and arab<br />
struggle was transferred to the newly occupied territories<br />
in June 1967. in comparison with the Palestinians<br />
in the west Bank and gaza, the arabs<br />
in israel had a superior citizenship status. the issue<br />
of survival was determined during the 1960s<br />
and their new agenda focused on equal citizen<br />
rights. however, being Palestinian citizens of israel,<br />
which occupies brethren in gaza and the<br />
west Bank, is a very complicated double identity<br />
in conflict. the arabs in israel could not be indifferent<br />
to the suffering of their brethren who struggle<br />
for freedom and the end of occupation. But solidarity<br />
with that struggle decreased their prospects<br />
to gather Jewish support for their quest for equal<br />
rights and opportunities in israeli society.<br />
During the 1970s and most of the 1980s the Palestinians<br />
in israel were able to maintain a delicate<br />
balance between the civil and the national agendas.<br />
Until the eruption of the intifada in December<br />
1987, the Palestinian national struggle was led<br />
from the outside by activists of the Plo. During<br />
that period the arabs in israel reaffirmed the Palestinian<br />
component of their identity without surrendering<br />
israeli meaningful citizenship. the Palestinian<br />
community in israel became much more<br />
self-confident and assertive in demanding equal<br />
rights and opportunities. at the same time they as-
serted that a Palestinian state should be established<br />
alongside israel in the west Bank and the<br />
gaza strip. they believed that raising civil and national<br />
flags were complementing each other rather<br />
than contradicting. however, keeping this delicate<br />
balance became more problematic after the eruption<br />
of violence. the heat of the Palestinian-israeli<br />
conflict since 1988 had its effect on the precarious<br />
Jewish-arab co-existence in israel.<br />
the socio-political status of the Palestinians in israel<br />
was influenced also by internal developments.<br />
the tiny traumatized community has grown quantitatively<br />
and qualitatively since 1948. the second<br />
and third generations of Palestinians in israel were<br />
much more educated than the defeated and traumatized<br />
community. thousands of arab students<br />
attended israeli universities and many of the graduates<br />
became political and social leaders of the community.<br />
the old conservative leadership vanished<br />
and a radical and assertive one took the lead. this<br />
young and educated leadership upgraded the<br />
struggle for equal rights and opportunities. they did<br />
not restrict the arab citizens’ struggle to the issue<br />
of equality but rather questioned the basic foundations<br />
of israel’s identity and legitimacy as a Jewish<br />
state. they pointed to the inherent contradiction of<br />
the state as Jewish and democratic. israel, as the<br />
state of the Jewish people, excluded the arab citizens<br />
and included potentially Jews who are living<br />
outside the country. instead of having a normal democratic<br />
state of all the citizens, israel is an ethnic<br />
democracy, which discriminates against all non-<br />
Jews, particularly arabs. the official definition and<br />
Zionist ideology of israel are the source of discrimination,<br />
segregation and inequality of the arab citizens<br />
in the Jewish state, they asserted.<br />
the Palestinians in israel are also aware that the<br />
israeli-arab conflict is an important source of their<br />
predicament. hence, they supported a political solution<br />
and a historical compromise between israel<br />
and the arab neighbours, particularly the Palestinians.<br />
the peace with egypt in the late 1970s and<br />
the rising moderate <strong>voices</strong> among the Plo leaders<br />
gave hope for a compromise on the israeli-Palestinian<br />
front.<br />
the Palestinians in israel were the first to portray<br />
the parameters of such a compromise between the<br />
adversaries. the Palestinians should recognize israel<br />
in return for an end to the occupation and the<br />
establishment of an independent state which lives<br />
in peace with its neighbours. gradually more and<br />
more Palestinians and Jewish israelis accepted the<br />
above parameters, and in the oslo agreement in<br />
1993 many thought that the end of the conflict<br />
would be reached before the end of the century.<br />
the Palestinians in israel were enthusiastic supporters<br />
of the peace process.<br />
furthermore, during the early 1990s the Palestinians<br />
in israel were able to benefit from the linkage<br />
between the conflict and their socio-political status<br />
in israel.<br />
the government of Yitzak Rabin who needed the support<br />
of the arab voters for a political agreement with<br />
the Plo promised a policy of equal citizen rights and<br />
started to fulfil these promises immediately. During<br />
the years 1992-1995 the Palestinians in israel enjoyed<br />
from these equalization policies citizens’ rights<br />
and opportunities. During those years a gradual process<br />
of bridging socio-economic gaps between Jews<br />
and arabs in israel was generated by the government.<br />
the government of Rabin was the first in the history<br />
of the country to stand to its promises of equality for<br />
the arab citizens. Unfortunately, it was also the last<br />
one to date. the assassination of Rabin in november<br />
1995 and the change of government the year after<br />
brought an end to hopes of peace and equality<br />
among the arab citizens.<br />
Prior to 1992, Rabin represented the heavy, repressive<br />
hand of the israeli army in the occupied territories.<br />
But after the oslo agreement his image was<br />
transformed dramatically in the eyes of the Palestinians<br />
in israel and elsewhere. one of the remarkable<br />
examples of this transformation is the reaction<br />
of the arab citizens to the news about his<br />
assassination. thousands of arab citizens mourned<br />
his death in public as they had never done before<br />
when israeli leaders died. they understood instinctively<br />
that Rabin’s death would bring an end to the<br />
peace process with the Plo and could stop his government<br />
policies of equal rights and opportunities<br />
for all citizens in israel. indeed, the past thirteen<br />
years have proved that the right wing assassin of<br />
Rabin succeeded in his political mission.<br />
The Current Realities and the Future<br />
Vision Documents<br />
since october 2000, Jewish-arab relations in israel<br />
seem to be deteriorating in the aftermath of<br />
the events in which 13 young arabs were shot dead<br />
by the police and other security forces. this massive<br />
killing of demonstrators and protesters in the<br />
arab localities inside israel was a new reminder of<br />
the shaky status of the arab citizens in the Jewish<br />
state. the orr committee for investigating the<br />
events of october 2000 pointed to the longstanding<br />
state policies of discrimination against the<br />
arab citizens in israel as the main reason for the<br />
eruption of violence. furthermore, the committee<br />
stated that it is the responsibility of the government<br />
to activate a new attitude and new equalizing policies<br />
toward the arab citizens. the israeli government<br />
accepted officially the report and the recommendations<br />
of the orr committee and promised to<br />
implement them. however, almost four years after<br />
its publication very little has been done in the field<br />
of implementing the recommendations. the arab<br />
citizens were not surprised by the huge gap<br />
between rhetoric and practice. they added one<br />
more source of frustration to the long list of false<br />
promises in their short history as an arab minority<br />
in the Jewish state since the declaration of independence<br />
in 1948.<br />
notwithstanding the events of october 2000 and<br />
their repercussions on the Jewish majority-arab<br />
minority relations, the status of the Palestinians in<br />
israel has been relatively stable since 2001. however,<br />
the status quo is not a desirable option from<br />
the arab citizens’ point of view. Privatization of the<br />
economy and other policies of the government are<br />
increasing the socio-economic gaps between the<br />
rich and the poor in israel. the arab citizens are the<br />
poorest of the poor in the country, according to all<br />
indices. as a community, they suffer from longstanding<br />
state discrimination and the glass ceiling for<br />
their socio-economic mobility is very low. hence,<br />
they constantly struggle for a change in the built-in<br />
inequalities as a pre-condition for a better future.<br />
the political behaviour and expectations of the arab<br />
citizens in israel have been transformed dramatically<br />
during the past six decades. in the first two decades,<br />
the name of the game was survival. israeli<br />
citizenship was a means for staying in the homeland<br />
and preventing expulsion. During that period<br />
the utmost dream was to abolish the military control<br />
and to stop the arab lands’ confiscation by the state<br />
and its agencies. the results of the war in June<br />
1967 brought a meaningful change.<br />
the six Days’ war changed political perceptions<br />
among arabs in the region in general, and among<br />
the arabs in israel in particular. the struggle for<br />
survival was won and the new agenda led by communists<br />
included two demands from the israeli<br />
government:<br />
putting an end to the occupation of the west Bank<br />
and the gaza strip to allow the establishment of a<br />
Palestinian state alongside israel and full equality<br />
for the arab citizens. equality at that stage of<br />
struggle meant, basically, the absence of discrimination<br />
against the arabs. an active or positive civil<br />
agenda which portrays a different and clear vision<br />
was not voiced until the 1990s. in the<br />
aftermath of the oslo agreement and the peace<br />
process in the mid 1990s Palestinian intellectuals<br />
in israel started to formulate their vision. they indicated<br />
that the paradigm of full equality as citizens<br />
in israel is incompatible with the state’s selfdefinition<br />
as Jewish. this definition is inclusive for<br />
many Jews who live outside the country but have<br />
potential influence on its policies. at the same<br />
time, israel as the state of the Jewish people excludes<br />
its arab citizens and lays the foundations<br />
for discrimination against non-Jews, particularly<br />
Palestinian arabs.<br />
Epilogue<br />
lately, the israeli Parliament, the knesset, has<br />
been trying to establish a constitution by agreement.<br />
this attempt was perceived by the arab citizens<br />
of israel as a serious threat to any hope left<br />
of achieving equal rights and opportunities in<br />
israel.<br />
Unlike other cases in world history where constitutions<br />
were established as an integral part of a ce-<br />
43
lebratory event, the attempt in israel represents a<br />
consolidation of a problematic status quo involving<br />
prolonged occupation. israel in its 60th anniversary<br />
year still has no recognized borders, holds out a problematic<br />
frame of citizenship and pursues a continuous<br />
state of occupation and colonization. at such<br />
a stage of israel’s history the Palestinians in general,<br />
and the citizens of the Jewish state in particular,<br />
have nothing to gain. any consent from their<br />
side giving legitimacy to the suggested israeli constitution<br />
will hinder their struggle for equality. the<br />
current suggested constitution legitimizes the status<br />
quo and consolidates the definition of israel as<br />
a Jewish and democratic state. such a definition of<br />
israel in the constitution is totally unacceptable for<br />
the arab citizens. hence, the political and intellectual<br />
leaderships of the arab minority decided to<br />
publish their own vision of Jewish-arab relations.<br />
the first document called “the future vision” was<br />
published in December 2006 by a group of political<br />
activists and leading arab academics under the<br />
auspices of shawqi khatib, the head of the high<br />
follow-up committee. then, in march 2007, ‚adala,<br />
the legal centre for arab minority rights in israel,<br />
published their “Democratic constitution”. this document<br />
has much in common with the previous<br />
future vision, but focuses on legal issues. it is actually<br />
a kind of bill of rights representing the arab<br />
minority point of view. the last publication of this<br />
kind was in may 2007 and titled the “Document of<br />
haifa”. this document was written and signed by<br />
dozens of intellectuals and civil society activists.<br />
the meetings of the group were held in haifa at<br />
the “mada” applied social research centre.<br />
the three documents complement each other and<br />
represent the views of the political mainstream of<br />
the Palestinians in israel. it is worth noting in this<br />
concluding chapter that the documents and their<br />
publication in hebrew and english, in addition to<br />
arabic, represent a new trend among the leadership<br />
of the arab minority in israel. this leadership<br />
took the initiative to open a dialogue with the Jewish<br />
majority, rather than just responding to the majority’s<br />
views. in addition to the contents, this is a very important<br />
development which all sides concerned<br />
should take into account. the arabs in israel outlined<br />
in these documents their terms for equal partnership<br />
with the Jewish majority. this new challenge<br />
to the Jewish state from its arab minority represents<br />
a dramatic transformation, which the hegemonic<br />
majority will have to deal with in the future. transforming<br />
israel into a normal state of all its citizens<br />
could also normalize the relations of the Jews with<br />
the arab peoples in the middle east.<br />
The Palestinian Catastrophe (Nakba)<br />
israel was established as a Jewish state on may 15,<br />
1948 in the midst of a war with the Palestinians<br />
and the neighbouring arab countries. at the end<br />
of that war and the signing of the ceasefire agreements<br />
in 1949, the magnitude of the arab defeat<br />
44 OVERLAPPING VOICES<br />
and the Palestinian disaster became clear to all<br />
sides concerned. the tiny Jewish community in<br />
Palestine (about 650,000 persons) was able to defeat<br />
the Palestinians (1,350,000) and the arab armies<br />
who came to their help. the arabs failed to<br />
prevent the establishment of the Jewish state. furthermore,<br />
israel was established on a larger territory<br />
from the one allocated to it by the U.n. partition<br />
plan. as for the arab state allocated for the<br />
Palestinians, it has not been established to this<br />
day, and the Palestinian people became stateless<br />
as of 1948.<br />
israel was established on about 77% of the territory<br />
of historical Palestine. the rest of the country<br />
was divided between Jordan (the west Bank) and<br />
egypt (the gaza strip). thus, Zionism was able to<br />
celebrate the achievement of its main goal (a Jewish<br />
state), while the Palestinians began commemorating<br />
the loss of their homeland. the name of<br />
Palestine was removed from the world atlas and<br />
maps of the middle east. the Palestinians lost their<br />
country and became a stateless people dismembered<br />
into separate and marginalized communities.<br />
this is, in a nutshell, the meaning and implication<br />
of the Palestinian catastrophe in 1948.<br />
Palestinian society was shattered and over half<br />
of it (about 750,000) became refugees who lost<br />
home, lands and other properties. most of the refugees<br />
embarked on new life from scratch in refugee<br />
camps. the stateless Palestinians were marginalized<br />
and discriminated against by israel and<br />
arab countries hosting them. the name of the<br />
game for the traumatized Palestinians at least during<br />
the first decade of the nakba (1948-1958)<br />
was survival. however, from the 1960s on they reorganized<br />
themselves and started a new military<br />
and political struggle for liberating the homeland<br />
and establishing an independent state.<br />
Unlike many traumatic events, the nakba and its<br />
implications are not a one-time event. it is rather<br />
the accumulation of the initial disaster in 1948 with<br />
successive plights of the Palestinians over the past<br />
six decades. from the Palestinians’ perspective<br />
they are the victims of the Zionists who solved the<br />
Jewish problem at their expense. the Jews who<br />
suffered from anti-semitism in europe and from<br />
becoming stateless communities established a<br />
state for themselves in Palestine and turned the<br />
Palestinians into a stateless people. hence, the Palestinians<br />
are struggling for self-determination and<br />
seek to put an end to the injustices inflicted on<br />
them. Being victimized by the victims of europe<br />
complicates the Palestinian quest for a just solution<br />
to their tragedy. Unfortunately, sixty years after<br />
their disaster in 1948, new chapters of Palestinian<br />
sufferings continue to plague the realities of<br />
the middle east.<br />
adel manna is a historian and director of the center for the study of<br />
israeli arab society at the Jerusalem van leer institute.
die geschichte des<br />
Zionismus<br />
anita shapira<br />
Richard lichtheim, ein früher historiker des Zionismus,<br />
definierte diesen als „europas geschenk an das<br />
jüdische volk“. Diese aussage, die den Zionismus<br />
zeitlich und räumlich verortet, ist umstritten. ein religiöser<br />
Jude zum Beispiel würde wahrscheinlich behaupten,<br />
der Zionismus sei seit der Zerstörung des<br />
tempels und dem Beginn des exils des jüdischen<br />
volkes aus seinem heimatland ein Bestandteil des<br />
jüdischen glaubens gewesen. Juden beten täglich<br />
um ihre Rückkehr nach Jerusalem und die wiederherstellung<br />
der herrlichkeit des königreiches Davids.<br />
Der gegensatz von exil und erlösung ist seit langem<br />
ein wichtiges symbol im Judentum. Das exil steht für<br />
alles negative in der jüdischen existenz wie auch im<br />
Zustand der schöpfung als ganzer. erlösung steht für<br />
die errichtung des königreichs der gerechtigkeit auf<br />
erden und die ankunft des messias. auch die Rückkehr<br />
der Juden in ihre uralte heimat wird als teil<br />
dieses mystischen Prozesses angesehen.<br />
Dennoch besteht lichtheims einschätzung die historische<br />
Probe. ohne den kontakt zwischen Juden<br />
und der europäischen kultur wäre es nie zur entfaltung<br />
des jüdischen nationalismus gekommen,<br />
dessen zentraler ausdruck der Zionismus ist. Paradoxerweise<br />
mussten Juden ihren messianischen<br />
glauben ablegen, bevor sie sich dem Zionismus zuwenden<br />
konnten. solange sie auf himmlische hilfe<br />
warteten und ihr schicksal als national-religiöse<br />
minderheit inmitten von nationalen mehrheiten ergeben<br />
hinnahmen, konnte sich der Zionismus nicht<br />
entwickeln. Die offenheit der Juden Prozessen gegenüber,<br />
die sich in der europäischen gesellschaft<br />
insgesamt abspielten, und ihre Befreiung aus religiösen<br />
Beschränkungen waren voraussetzungen für<br />
das auftreten des Zionismus.<br />
Die geschichte beginnt mit der französischen Revolution,<br />
als die staaten europas begannen, Juden<br />
gleiche Rechte zuzugestehen. Zum ersten mal in<br />
der geschichte konnten Juden sich als gleichberechtigte<br />
Bürger in die christliche gesellschaft integrieren<br />
ohne zu konvertieren. Diese emanzipation<br />
4 OVERLAPPING VOICES<br />
führte zur säkularisierung und zunehmenden integration<br />
der Juden in die europäische gesellschaft.<br />
mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich in west- und<br />
mitteleuropa eine jüdische Bildungsschicht herausgebildet,<br />
die nach einer integration in ihre heimatländer<br />
strebte. in osteuropa dagegen, wo millionen<br />
Juden lebten, war emanzipation nach wie vor ein<br />
fernes sehnsuchtsziel. Doch auch dort trat eine<br />
moderne und gebildete jüdische schicht auf den<br />
Plan, die für die strömungen und ideen, die damals<br />
europa beeinflussten, empfänglich war.<br />
Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert des europäischen<br />
nationalismus. Die nationalstaaten, die<br />
sich nach der französischen Revolution und den<br />
napoleonischen kriegen herausbildeten, brachten<br />
eine neue säkular-bürgerliche identität hervor, die<br />
traditionelle religiöse, stammesgebundene und regionale<br />
identitäten ersetzte. kleine nationen, die<br />
jahrhundertelang unter fremdherrschaft gelebt<br />
hatten, erhoben sich nun, um um ihre freiheit zu<br />
kämpfen. griechenland, italien, Polen, die tschechoslowakei<br />
und Deutschland, bisher rein geografische<br />
Begriffe, verwandelten sich in symbole eines<br />
nationalismus, der um einen Platz an der sonne<br />
kämpfte. auch Juden waren sich dieses Prozesses<br />
bewusst; so etwa moses hess, ein deutscher sozialistischer<br />
Philosoph und genosse marx’, der sich<br />
von der vereinigung italiens begeistern ließ und<br />
glaubte, auf die Befreiung Roms müsse die wiedererrichtung<br />
Jerusalems durch die Juden folgen.<br />
so auch der serbische mystiker Rabbi Yeduda alkalai,<br />
der unter dem einfluss der nationalen Befreiungskämpfe,<br />
die auf dem Balkan stattfanden,<br />
von den Juden dasselbe forderte. mitte des 19.<br />
Jahrhunderts befürworteten diese und andere Denker<br />
in ihren schriften die idee, das jüdische volk<br />
solle die ideen von freiheit und selbstbestimmung<br />
in seiner historischen heimat verwirklichen.<br />
Die Übernahme der nationalistischen idee durch<br />
das jüdische volk stand im widerspruch zu seinem<br />
wunsch, sich in die gesellschaften seiner<br />
heimatländer zu integrieren. Der Prozess der<br />
emanzipation, damals die vorherrschende tendenz,<br />
beruhte auf der annahme, dass Juden bereit<br />
sein würden, die nationalen Bestandteile ihrer<br />
identität aufzugeben. „Den Juden als nation muss<br />
man alles verweigern; als individuen muss man ihnen<br />
alles zugestehen“, erklärte clermont-tonnerre<br />
während der französischen Revolution. solange<br />
nicht zwischen der bürgerlichen und der religiösen<br />
identität eines Juden unterschieden wurde, stellte<br />
sich die frage nicht, ob die Juden eine Religionsgemeinschaft<br />
oder eine nation darstellten. Und bis<br />
ins 19. Jahrhundert unterschieden Juden nicht<br />
zwischen ihrer nationalen und ihrer religiösen<br />
identität. Doch wenngleich sie sich nicht der Begrifflichkeit<br />
des modernen nationalismus bedienten<br />
(die erst noch erfunden werden musste),<br />
passte auf die Juden anthony smiths Definition<br />
von ethnizität, die die grundlage des nationalismus<br />
darstellte. Unentbehrliche Bestandteile dieser<br />
ethnischen identität waren eine gemeinsame<br />
vergangenheit (die Bindung an Zion), der gebrauch<br />
des hebräischen als heiliger sprache, und<br />
der traum von der Rückkehr ins land Yisrael.<br />
Um gleiche Rechte zu erlangen, wurde von Juden<br />
nun verlangt, diese Bestandteile aufzugeben, und<br />
das taten sie mit Begeisterung. gleiche Rechte<br />
wurden von vielen als der neue messias angesehen,<br />
der die Juden von der entfremdung des exils<br />
erlösen würde. Daher waren zwei tendenzen kennzeichnend<br />
für die geschichte des Judentums in<br />
der zweiten hälfte des 19. Jahrhunderts: die tendenz,<br />
die nationale jüdische identität aufzugeben<br />
im tausch für eine eintrittskarte in die europäische<br />
gesellschaft, und die tendenz, eine version des<br />
europäischen nationalismus anzunehmen und ihn<br />
auf die zeitgenössische lage des Judentums anzuwenden.<br />
noch herrschte jene tendenz vor, doch<br />
diese gewann an Boden.<br />
trat der Zionismus als antwort auf den modernen<br />
antisemitismus auf den Plan, oder war er eine Be
wegung nationaler wiedergeburt? Diese frage<br />
plagte die gründer der zionistischen Bewegung.<br />
es lag eine Demütigung in der vorstellung, dass<br />
die jüdische nationalbewegung womöglich nicht<br />
das ergebnis immanenter Prozesse, sondern das<br />
Produkt von haltungen von nichtjuden gegenüber<br />
Juden war. tatsächlich lässt sich zeigen, dass alle<br />
nationalen Bewegungen gleichermaßen durch innere<br />
und äußere faktoren angestachelt wurden.<br />
wäre der spanische nationalismus ohne die napoleonische<br />
invasion entstanden? wäre der tschechische<br />
nationalismus ohne Diskriminierung durch<br />
Deutsche entstanden? hätte sich Deutschland zu<br />
einem vereinigten staatsgebilde zusammengeschlossen,<br />
hätte es nicht die herausforderung gegeben,<br />
die frankreich darstellte? Die europäische<br />
geschichte ist reich an Beispielen dafür, dass äußerer<br />
Druck, Diskriminierung und eroberungen der<br />
entwicklung nationalistischer Bewegungen als katalysatoren<br />
dienen. Darin unterschieden sich die<br />
Juden keineswegs von den völkern, in deren mitte<br />
sie lebten. Der Zionismus erwuchs im schatten der<br />
hoffnungen auf eine emanzipation der Juden in<br />
Russland, die durch eine welle von Pogromen in<br />
südrussland im Jahr 1881 zunichte gemacht worden<br />
waren. er entwickelte sich fort in Reaktion auf<br />
den rassistischen antisemitismus, der als einflussreiche<br />
politische kraft im letzten viertel des 19.<br />
Jahrhunderts in west- und mitteleuropa sein hässliches<br />
haupt erhob.<br />
für theodor herzl, den gründer der zionistischen<br />
Bewegung, war der Zionismus eine antwort auf die<br />
Zurückweisung, die er von den Deutschen erfuhr:<br />
wir Juden haben alles in unserer macht stehende<br />
getan, um uns in die nationen, in deren mitte wir<br />
lebten, zu integrieren, aber sie wollen uns nicht<br />
haben. Daher schloss herzl: „wir sind eine nation,<br />
eine einzige nation“, und brauchen unseren eigenen<br />
staat. nur jemand, der in der europäischen<br />
kultur sozialisiert und erzogen worden und der bedrohlichen<br />
und schöpferischen macht des nationalismus<br />
ausgesetzt gewesen war, konnte zu einem<br />
solchen schluss gelangen. Der europäische nationalismus<br />
steigerte die Probleme der Juden als einer<br />
nationalen minderheit in nationalstaaten. Dies<br />
war ein exklusiver nationalismus, der diejenigen<br />
zurückwies, die er als unechte mitglieder der nation<br />
betrachtete. andererseits zeigte der europäische<br />
nationalismus den Juden auch die lösung<br />
für ihre missliche lage auf: die annahme und anwendung<br />
des Begriffs der nation auf ihre eigene<br />
lage. Das schlagwort vom „Judenstaat“ (so der titel<br />
einer kleinen von herzl veröffentlichten streitschrift)<br />
elektrisierte die gemüter. von entscheidender<br />
Bedeutung allerdings war die einrichtung<br />
des Zionistischen kongresses, einer art Parlament<br />
der abteilungen der europäischen Judenheit, das<br />
sich mit der revolutionären idee eines jüdischen<br />
staates identifizierte. herzls ureigener Beitrag zur<br />
zionistischen Bewegung war es, in politischen Begriffen<br />
zu denken. seine einsicht in die notwen-<br />
digkeit, ein gremium zu schaffen, in dessen namen<br />
er mit führenden vertretern der weltmächte<br />
verhandeln konnte – eine art fiktive vertretung des<br />
jüdischen volkes – hatte er der geschichte der nationalbewegungen<br />
europas abgesehen. auch die<br />
von ihm beworbenen symbole – darunter eine<br />
flagge und eine nationalhymne – waren der europäischen<br />
geschichte entnommen.<br />
herzl stattete die zionistische Bewegung mit der<br />
gewandtheit eines mannes aus, der der europäischen<br />
Politik ausgesetzt gewesen war und ihre<br />
kniffe kannte. in osteuropa, das sich noch in der<br />
voremanzipierten Phase befand, hatten Juden<br />
keine gelegenheit, solche kenntnisse über den<br />
staat zu erwerben und darüber, wie er funktionierte.<br />
Daher stammte die erste generation der<br />
führer der zionistischen Bewegung aus mitteleuropa.<br />
Das herz der Bewegung jedoch – die massen,<br />
die sie trugen – schlug in osteuropa.<br />
am ende des 19. Jahrhunderts machten die Juden<br />
einen revolutionären sinneswandel durch: sie<br />
hörten auf, passiv ihr elendes schicksal hinzunehmen.<br />
Die große masse emigrierte nach amerika auf<br />
der suche nach einer besseren Zukunft. ein weiterer<br />
teil schloss sich der russischen revolutionären<br />
Bewegung an in der hoffnung, dass die welt, wie<br />
sie nach der Revolution entstehen sollte, Juden als<br />
gleichberechtigte mitbürger akzeptieren würde. wieder<br />
andere sahen im Zionismus den weg der erlösung<br />
sowohl für den individuellen Juden als auch<br />
für das jüdische kollektiv. so wurde eine Bewegung<br />
geboren, bei der die anführer aus einer kulturellen<br />
welt stammten, die große Zahl der einfachen mitglieder<br />
jedoch aus einer anderen.<br />
herzl war ein schüler der deutschen kultur, und<br />
seine jüdischen wurzeln waren recht locker. Die<br />
massen in osteuropa dagegen waren zutiefst mit<br />
der jüdischen tradition verwachsen. Bei ihnen<br />
führte die säkularisierung nicht dazu, dass sie das<br />
jüdische kollektiv aufgaben, sondern vielmehr<br />
dazu, dass sie seinen nationalen charakter betonten.<br />
in osteuropa lebten millionen Juden in enger<br />
nachbarschaft, sprachen dieselbe sprache,<br />
teilten ein und dasselbe schicksal und eine gemeinsame<br />
kultur. Der Zionismus wurde nicht nur<br />
als versprechen einer erlösung der Juden von Demütigung<br />
und Unterdrückung wahrgenommen,<br />
sondern auch als Bewegung der geistigen und kulturellen<br />
wiedergeburt, die es unternahm, die Juden<br />
als individuen, als gesellschaft und als kultur<br />
umzubilden. Die neue jüdische gesellschaft würde<br />
die Bindung an die jüdische tradition und ihre historischen<br />
symbole bewahren. aber sie würde auch<br />
neue formen annehmen, insbesondere die Rückkehr<br />
zur natur und zu einer einfachen lebensweise<br />
auf landwirtschaftlicher grundlage. Diese<br />
ideen hat die zionistische Bewegung zweifelsohne<br />
nicht erfunden; vielmehr eignete sie sie sich von<br />
der europäischen Romantik an. sehnsüchte nach<br />
ursprünglichen lebensformen, nach der unverbildeten<br />
einfachheit von mensch und gesellschaft,<br />
der wunsch, vor der heuchelei der großstadt Zuflucht<br />
zu finden, indem man zu der ethischen<br />
Reinheit körperlicher arbeit im allgemeinen und<br />
der landwirtschaft im besonderen finden würde,<br />
waren seit Rousseau kennzeichen jeder Bewegung<br />
gewesen, die sich gegen die entfremdung der industrialisierung<br />
und die anonymität des modernen<br />
lebens auflehnte. für Juden wohnte diesen ideen<br />
eine besondere Bedeutung inne, da sie seit Jahrhunderten<br />
vorwiegend stadtbewohner gewesen<br />
waren und intellektuelle fähigkeiten höher als körperliche<br />
stärke schätzten. Der moderne Jude<br />
wurde mit einer städtischen intellektuellenschicht<br />
identifiziert, nicht mit dem einfältigen landbewohner.<br />
Der Zionismus stellte eine herausforderung<br />
an traditionelle jüdische werte dar. Das jüdische<br />
staatsgebilde in eretz Yisrael würde eine vollständige<br />
verwandlung der jüdischen gesellschaft wie<br />
des jüdischen individuums bedeuten. Der neue<br />
Jude würde kenntnisse und fähigkeiten erwerben,<br />
wie sie ein volk braucht, das seinen nationalstaat<br />
erschafft und für ihn verantwortung übernimmt.<br />
er würde in der lage sein, die zwei Rollen zu erfüllen,<br />
die als für jeden staat unabdingbar angesehen<br />
wurden – die des landmannes und die des<br />
soldaten. er würde ehrlich, stolz und tapfer sein,<br />
frei von verstellung und Unterwürfigkeit; ein ergebener<br />
Bürger seines staates und ein würdiger Bürger<br />
der welt.<br />
Der europäische nationalismus betrachtete sprache<br />
als ein wesentliches merkmal nationaler existenz.<br />
völker, die ihr nationales schicksal in die<br />
hand zu nehmen trachteten, versuchten daher,<br />
ihre ursprünglichen sprachen wiederzubeleben,<br />
wie etwa das tschechische und das gälische. Der<br />
jüdische nationalismus entzündete ein wiedererstarken<br />
des hebräischen, das vorwiegend gebetssprache<br />
und sprache der heiligen schrift gewesen<br />
war. im alltag sprachen Juden Jiddisch, ladino<br />
und Judäo-arabisch. Dagegen erschienen in der<br />
zweiten hälfte des 19. Jahrhunderts nach und<br />
nach eine hebräische literatur und hebräischer<br />
Journalismus. mit Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
wurde hebräisch eine gesprochene sprache, in<br />
der gelehrte sich unterhielten, kinder schrien und<br />
literarische werke verfasst wurden. Die kultur der<br />
neuen jüdischen gemeinschaft in Palästina fand<br />
in hebräischer sprache statt. ein wesentlicher Bestandteil<br />
der sich herausbildenden hebräischen<br />
kultur war die Bibel. in der traditionellen jüdischen<br />
kultur war die Bibel dem talmud hintangesetzt<br />
worden. nun wurde sie in der zionistischen mythologie<br />
auf einen ehrenplatz gehoben als erhabenes<br />
Zeugnis der intellektuellen und ethischen<br />
leistungen des jüdischen volkes einerseits und als<br />
Quelle und Zeugnis der historischen Bindungen<br />
zwischen dem jüdischen volk und seinem land<br />
andererseits. so verwandelte der Zionismus das<br />
heilige land in den jüdischen staat, die heilige<br />
sprache in eine gesprochene alltagssprache und<br />
die heiligen schriften in ein nationalepos.<br />
4
Die erste hälfte des 20. Jahrhunderts war voll von<br />
hoffnungen, dass wagemutige revolutionär-utopische<br />
Bewegungen, die nach verbesserung der<br />
gesellschaft strebten, die welt alsbald erlösen würden.<br />
Über mehr als fünf Jahrzehnte lenkten sozialistische<br />
tendenzen die geschicke des Zionismus.<br />
Der wunsch, eine gänzlich neue gesellschaft zu<br />
errichten, frei von den verzerrungen, dem Unrecht<br />
und der Ungleichheit der alten welt, erhellte den<br />
zionistischen horizont und verlieh ihm moralische<br />
und menschliche tiefe. Die Juden in Palästina würden<br />
eine modellhafte gesellschaft einrichten, die<br />
der welt als ethisches Beispiel dienen würde. Der<br />
beispielhaften jüdischen gesellschaft, so glaubte<br />
man, würde in kleinem maßstab und ohne Zwangsmaßnahmen<br />
gelingen, was, wie aufgeklärte menschen<br />
(freilich fälschlicherweise) glaubten, in der<br />
sowjetunion stattfand. Die utopischen tendenzen<br />
im Zionismus regten innovation und kreativität an.<br />
hier fand der versuch statt, eine gerechte gesellschaft<br />
mit freiwilligen mitteln einzurichten, auf der<br />
grundlage der Begeisterung, hingabe und Bildung<br />
ihrer mitglieder. Die kooperativenbewegung, die<br />
kibbuzim und die histadrut sind nur drei von vielen<br />
neuschöpfungen, die sich aus dieser einzigartigen<br />
verbindung gesellschaftlicher ideale und nationaler<br />
Bedürfnisse ergaben.<br />
ein Bereich, in dem es meinungsverschiedenheiten<br />
unter historikern und soziologen gibt, ist<br />
die frage des gebrauchs der vergleichenden methode.<br />
Die soziologie ist auf der suche nach gemeinsamen<br />
nennern und streicht die universalen<br />
merkmale sozialer Phänomene heraus, während<br />
die geschichtswissenschaft die einzigartigkeit von<br />
ereignissen und die Beispiellosigkeit ihres einmaligen<br />
auftretens in der menschlichen erfahrung<br />
betont. in meiner analyse der Ursprünge des Zionismus<br />
habe ich versucht, ihn in das Umfeld der<br />
epoche einzuordnen, in der er sich entwickelte,<br />
und ihn den allgemeinen geschichtlichen Prozessen<br />
und vorherrschenden tendenzen zu integrieren,<br />
die den Zeitgeist dieser epoche bildeten. Diese<br />
herangehensweise ist jedoch auf den versuch, die<br />
Rückkehr des jüdischen volkes in das land Yisrael<br />
zu erklären, nicht anwendbar. Zuletzt ist die jüdische<br />
geschichte einzig in ihrer art. keine andere<br />
nation hat von der antike bis in die moderne<br />
durchgehend Bestand gehabt; kein anderes volk<br />
hat über Jahrhunderte als verstreutes volk ohne<br />
territoriale grundlage existiert; und keine andere<br />
nation hat das Rad der geschichte zurückgedreht<br />
und ist in ihre historische heimat zurückgekehrt.<br />
Die Rückkehr der Juden in das land ihrer vorfahren<br />
war keine offensichtlich zu erwartende entwicklung:<br />
Das land Yisrael, nunmehr als Palästina<br />
bekannt, war eine arme und dünn besiedelte Provinz<br />
unter ottomanischer herrschaft, gefährlich<br />
und rückständig. als es zu Überlegungen über<br />
mögliche Zufluchtsorte für das jüdische volk kam,<br />
schlugen eine Reihe von führern des frühen Zionismus<br />
vor, einen Judenstaat im reichen und ent-<br />
48 OVERLAPPING VOICES<br />
wickelten argentinien oder im fruchtbaren ostafrika<br />
einzurichten. Doch diese vorschläge hatten nie<br />
den hauch einer chance, die breite masse der Zionisten<br />
für sich zu gewinnen. Dass die wahl auf<br />
eretz Yisrael (das land Yisrael) fiel, war keine rationale<br />
entscheidung. sie entstammte vielmehr einer<br />
tief sitzenden historischen einsicht, dass die<br />
errichtung eines jüdischen staates die gesamte<br />
energie und spirituelle kraft des jüdischen volkes<br />
erfordern würde. Diese waren nur zu mobilisieren,<br />
wenn es um eretz Yisrael ging. in derzeitigen Debatten<br />
unter intellektuellen ist es mode geworden,<br />
den Zionismus als eine kolonialistische siedlerbewegung<br />
zu definieren. angesichts der tatsache,<br />
dass der Zionismus unter der schirmherrschaft der<br />
britischen mandatsregierung in Palästina große<br />
fortschritte machte, scheint das eine sinnvolle<br />
herangehensweise. Doch missachtet dieser gedankengang<br />
die ideologischen und gesellschaftlichen<br />
wurzeln des Zionismus, die vielfalt der faktoren,<br />
die seine entwicklung beeinflussten, und die<br />
Unvergleichlichkeit der situation des Judentums.<br />
Palästina hatte europäischen siedlern äußerst wenig<br />
zu bieten – keine Bodenschätze, kein Öl und<br />
kein eisen. sein Boden war nicht besonders fruchtbar,<br />
und die wasserknappheit und die tatsache,<br />
dass erhebliche investitionen erforderlich waren,<br />
bevor moderne landwirtschaft betrieben werden<br />
konnte, machte es für eine Besiedlung durch europäer<br />
ungeeignet. Dennoch gelangten die Juden<br />
zu der entscheidung, die nachteile des landes außer<br />
acht zu lassen, weil es für sie ihre legendäre<br />
heimat war. sie sahen sich nicht als europäer auf<br />
der suche nach Reichtum und glück, sondern als<br />
ein volk, das zurückkehrte, um das land seiner<br />
vorfahren wiederaufzubauen.<br />
Die gründer der zionistischen Bewegung wussten<br />
nur wenig über das Palästina ihrer Zeit im Unterschied<br />
zum eretz Yisrael der legenden, der literatur<br />
und der Bibel. Doch diejenigen, die sich dort<br />
niederließen, bemerkten bald genug, dass es kein<br />
unbesiedeltes stück land war. Zu Beginn der zionistischen<br />
einwanderung nach Palästina (1881)<br />
war es die heimat einiger zehntausend Juden und<br />
weniger als einer halben million araber. Die Zionisten<br />
machten keinen hehl aus ihrer absicht, das<br />
arabische Palästina durch einwanderung und siedlungstätigkeit<br />
in ein jüdisches eretz Yisrael zu verwandeln.<br />
sie behaupteten, das land biete genügend<br />
Platz für eine million araber und einige<br />
millionen Juden. Jüdische einwanderung, so wurde<br />
argumentiert, würde kapital ins land bringen und<br />
so eine wirtschaftliche entwicklung anspornen, die<br />
der Bevölkerung als ganzer zugute kommen würde.<br />
Dieser gedankengang vernachlässigte zweifelsohne<br />
das gefühl unter der arabischen Bevölkerung,<br />
dass das land seit Jahrhunderten ihr gehört<br />
hatte. Zwar hatte das land seit dem ersten vorchristlichen<br />
Jahrhundert nicht mehr als unabhängige<br />
politische einheit existiert, doch das änderte<br />
nichts an dem Besitz- und herrschaftsanspruch,<br />
zu dem die arabische Bevölkerung sich berechtigt<br />
glaubte. Die freundschaftsversprechen der zionistischen<br />
führer machten auf sie keinen eindruck;<br />
sie hatten kein interesse daran, Partner zu gewinnen<br />
in einem land, das ihrer ansicht nach ihnen<br />
allein gehörte. sie nahmen die Juden als eindringlinge<br />
war. sowie die Juden im land immer stärker<br />
fuß fassten, wuchs auch der widerstand der araber.<br />
es war der Zionismus, der – die ironie der geschichte<br />
verdient Beachtung – den palästinensischen<br />
nationalismus hervorbrachte.<br />
Die wichtigste Phase für die Durchführung des zionistischen<br />
Projekts war die Zeit zwischen den<br />
zwei weltkriegen. Der erste weltkrieg führte zur<br />
auflösung des ottomanenreiches, und auf seinen<br />
Ruinen wurden eine anzahl arabischer staaten errichtet.<br />
anfangs standen diese staaten unter britischer<br />
und französischer mandatsherrschaft; später<br />
wurden sie unabhängig. Zugleich erkannte die<br />
völkergemeinschaft auch die historischen verbindungen<br />
zwischen dem jüdischen volk und Palästina<br />
und sein Recht an, dort eine „nationale heimat“<br />
zu errichten. Diese anerkennung war im<br />
mandat über Palästina, das der völkerbund großbritannien<br />
erteilte, verankert. Die drei Jahrzehnte<br />
britischer herrschaft in Palästina (1918-1948)<br />
legten die grundlage eines modernen staates und<br />
gaben den Juden gelegenheit, ihre „nationale heimat“<br />
einzurichten. während der Zwischenkriegsjahre<br />
beschleunigten sich die Prozesse, die zur errichtung<br />
eines zionistischen staates führen sollten,<br />
angesichts der wachsenden Bedrohung jüdischer<br />
gemeinden in europa, da die nazis in Deutschland<br />
die macht erlangten und in den staaten osteuropas<br />
antisemitische und protofaschistische Regimes<br />
auf den Plan traten. Zugleich gewann auch<br />
der jüdisch-arabische konflikt an intensität. Je gefahrvoller<br />
die lage der europäischen Juden wurde,<br />
je mehr sie gedemütigt und ihrer würde als Bürger<br />
und menschen beraubt wurden, desto zentraler<br />
wurde das zionistische Projekt für das jüdische leben.<br />
Die „nationale heimat“ im palästinensischen<br />
mandatsgebiet war nun der einzige ort auf der welt,<br />
der jeden Juden, der kommen wollte, aufnehmen<br />
würde. Über die Rettung von leben hinaus stattete<br />
der Zionismus die Juden aufs neue mit einem Zugehörigkeitsgefühl<br />
aus, mit einer identität und<br />
einem neuen gefühl von würde. Die araber dagegen<br />
nahmen nur eines wahr – dass immer mehr<br />
Juden ins land kamen und das land so nach und<br />
nach seine arabische Prägung verlor und einen<br />
europäischen charakter annahm. Die arabische<br />
strategie gegen diese in ihrer wahrnehmung existenzielle<br />
Bedrohung war es, jede verbindung zwischen<br />
Juden und Palästina zu leugnen und die legitimität<br />
des zionistischen Projektes zu bestreiten.<br />
Daher verweigerten sie sich jedem vorschlag, sei<br />
es von britischer oder jüdischer seite, sich an der<br />
verwaltung des landes zu beteiligen. am vorabend<br />
des Zweiten weltkriegs stellten die araber nach<br />
wie vor eine Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung
des landes dar. Daher war diese strategie der totalen<br />
verweigerung aus ihrer warte sinnvoll. sie<br />
führte allerdings auch zur entwicklung einer kultur<br />
des extremismus und der verweigerungshaltung<br />
unter den Palästinensern, die letztlich zu ihrer<br />
tragödie führte.<br />
1936 kam es zum arabischen aufstand in Palästina<br />
(einer art intifada). ihr Ziel war es, die britischen<br />
Behörden zu zwingen, die jüdische einwanderung<br />
ins land, die sich seit hitlers machtergreifung in<br />
Deutschland beschleunigt hatte, zu stoppen. eine<br />
königliche kommission unter lord Peel untersuchte<br />
die vorkommnisse und empfahl in ihrem Bericht im<br />
Jahr 1937, das land in zwei staaten zu teilen – einen<br />
jüdischen und einen arabischen. Damit war<br />
zum ersten mal international anerkannt, dass die<br />
jüdische gemeinde in Palästina die merkmale einer<br />
nation besaß und über die für einen eigenen<br />
staat erforderlichen fähigkeiten verfügte. Der vorschlag<br />
wurde unter den Zionisten heiß debattiert.<br />
wozu war ein jüdischer staat gut, so fragten viele,<br />
wenn er nicht Jerusalem und andere historisch bedeutsame<br />
stätten einschließen würde? Der teilungsplan<br />
sah nur einen kleinen teil des landes<br />
für die Juden vor; würde ein so kleines gebiet für<br />
die errichtung eines staates und die aufnahme<br />
von massen jüdischer flüchtlinge genügen? Doch<br />
trotz der ideologischen und pragmatischen mängel<br />
des Plans und der in ihm enthaltenen einschränkungen<br />
unterstützte eine mehrheit ihn. Zum<br />
ersten mal seit zweitausend Jahren war eine jüdische<br />
herrschaft im land Yisrael für die Juden in<br />
greifbare nähe gerückt.<br />
an der spitze dieser mehrheit stand David Bengurion,<br />
der später israels Unabhängigkeit erklären<br />
und den neuen staat durch den daraufhin einsetzenden<br />
krieg führen würde. er verstand den<br />
palästinensischen nationalismus und respektierte<br />
ihn. er suchte daher nach einer kompromisslösung,<br />
die den Juden souveränität sichern würde,<br />
ohne sie den arabern zu verweigern. Die araber<br />
andererseits wiesen den Plan rundweg zurück, und<br />
so war es das schicksal der vorschläge der Peelkommission,<br />
in den archiven des British colonial<br />
office auf immer zu verschwinden. am vorabend<br />
des bevorstehenden weltkriegs war den Briten<br />
daran gelegen, die araber milde zu stimmen, um<br />
sich ihrer loyalität zu versichern. Die loyalität der<br />
Juden war in einem krieg gegen hitler selbstverständlich.<br />
Die Briten gaben daher dem verlangen<br />
der araber nach und stoppten die vergrößerung<br />
der „nationalen heimat“. Die tragischste seite dieser<br />
Politik war, dass die jüdische einwanderung<br />
just zu dem Zeitpunkt zum erliegen kam, als die<br />
not der Juden ihren höhepunkt erreichte und sie<br />
mehr denn je einen Zufluchtsort benötigten. liest<br />
man Protokolle aus den Jahren des Zweiten weltkriegs<br />
über arabische vetostimmen, die einigen<br />
tausend jüdischen kindern die einreise nach Palästina<br />
verweigerten (und so die Rettung ihrer leben<br />
verhinderte), fällt es schwer, ob des mangels<br />
an großzügigkeit seitens der palästinensischen araber<br />
nicht eine gewisse frustration zu empfinden.<br />
seit 1937 hat sich die selbe szene wieder und wieder<br />
abgespielt – die araber leiten eine neue welle<br />
der gewalt ein, die Juden antworten mit gegengewalt,<br />
und ein vorschlag für einen kompromiss zwischen<br />
den beiden streitenden nationen kommt auf<br />
den tisch. Die Juden sind bereit, den kompromiss<br />
zu akzeptieren; die araber weisen ihn zurück. seitdem<br />
sind es zwei arten von kompromiss, die auf<br />
der tagesordnung standen und stehen: teilung der<br />
souveränität und territoriale teilung. in den frühen<br />
1940er Jahren schlugen Juden, die nach einem<br />
modell für jüdisch-arabische koexistenz suchten,<br />
einen binationalen staat vor, in dem beide völker<br />
unabhängig vom zahlenmäßigen verhältnis zwischen<br />
ihnen in gleichheit leben sollten. solche vorschläge<br />
sind seither beliebt in radikal-zionistischen<br />
kreisen, die der jüdisch-arabischen konfrontation<br />
entkommen und eine gemeinsame loyalität gegenüber<br />
einer vereinigten jüdisch-arabischen staatsbürgerschaft<br />
in einem staat entwickeln wollen. Doch<br />
wenngleich diese idee von großer intellektueller anziehungskraft<br />
ist, ist sie weit davon entfernt, die<br />
grundlegenden interessen beider völker sicherzustellen.<br />
für die Palästinenser wie die Juden ist ein<br />
unabhängiger staat ein symbol ihrer identität und<br />
ein mittel, ihre würde und ihren stolz wiederherzustellen.<br />
nicht zufällig hat der binationale staat auf<br />
keiner seite je wirklich Unterstützung gefunden, von<br />
ein paar idealisten einmal abgesehen.<br />
Die funktionsfähige kompromisslösung ist seit jeher<br />
die territoriale teilung – eine art umgekehrtes<br />
‚salomonisches Urteil‘ dergestalt, dass „ich es behalte,<br />
und du behältst es auch“. ein territorialer<br />
kompromiss war keine ausgemachte sache, da sowohl<br />
die Juden als auch die araber den standpunkt<br />
vertraten: „es gehört ganz mir“. Doch in<br />
wirklichkeit hat die mehrheit der Juden in jedem<br />
kritischen augenblick der geschichte seither einem<br />
territorialen kompromiss zugestimmt. so beschloss<br />
zum Beispiel die generalversammlung der vereinten<br />
nationen am 29. november 1947, Palästina in<br />
einen jüdischen und einen arabischen staat zu teilen.<br />
Dieser Plan war weit von den ehrgeizigen Zielen<br />
der Juden entfernt: die zionistische Rechte und<br />
sogar teile der linken wiesen ihn zurück. Dennoch<br />
akzeptierten ihn die meisten Juden; menschenmassen<br />
ergossen sich auf die straßen und feierten<br />
mit tänzen bis spät in die nacht. Die araber wiesen<br />
den Plan zurück und führten bereits am nächsten<br />
tag die ersten gewaltsamen angriffe durch. so<br />
begann der israelische Unabhängigkeitskrieg als<br />
ein krieg zwischen den zwei nationalen gemeinschaften,<br />
die Palästina bewohnten, der sich dann<br />
in einen krieg zwischen dem neuen staat israel<br />
und den arabischen nachbarländern verwandelte.<br />
aus diesem krieg ging israel siegreich hervor; es<br />
gelang ihm, sich über die durch den teilungsplan<br />
der vereinten nationen festgelegten grenzen hinweg<br />
auszudehnen. Die meisten araber, die in den<br />
dem neuen staat eingegliederten gebieten<br />
wohnten, flohen während des krieges oder wurden<br />
vertrieben. es war ein grausamer krieg, in der<br />
die jüdische gemeinschaft ein Prozent ihrer Bevölkerung<br />
verlor. Die araber zerstörten jede jüdische<br />
siedlung, die sie eroberten, und töteten die<br />
Bewohner oder nahmen sie gefangen. Doch ist hier<br />
nicht der ort für eine aufrechnung des krieges von<br />
1948. von interesse allerdings ist das muster, das<br />
das verhalten der Palästinenser zeigt: die felsenfeste<br />
weigerung, die Rechte der gegenseite auch<br />
nur teilweise anzuerkennen, und der stetige versuch,<br />
eine lösung im eigenen sinn durch den einsatz<br />
von gewalt und die ablehnung jedes kompromisses<br />
zu erzwingen.<br />
1998 feierte israel sein 50-jähriges Jubiläum. es<br />
schien, als sei der zionistische traum weit über die<br />
visionen derjenigen, die ihn träumten, in erfüllung<br />
gegangen. in den fünfzig Jahren des israelischen<br />
staates hatte dieser 4,5 millionen jüdische einwanderer<br />
aufgenommen, darunter 500.000 Überlebende<br />
des holocaust und eine million flüchtlinge<br />
aus den arabischen ländern, die wegen der antijüdischen<br />
gewalt, die nach der arabischen niederlage<br />
im krieg von 1948 ausbrach, ihre heimat<br />
zu verlassen gezwungen waren. in der jüngeren<br />
vergangenheit sind zu ihnen beinahe eine million<br />
einwanderer aus der ehemaligen sowjetunion hinzugekommen.<br />
israels Dynamik ist unverkennbar<br />
in seinem kulturellen Reichtum, seiner gesellschaftlichen<br />
und wirtschaftlichen kreativität und<br />
dem wissenschaftlichen entwicklungsniveau, um<br />
das sogar die entwickelten länder es beneiden.<br />
Die verbindung westlicher und östlicher einflüsse<br />
hat eine einzigartige variante der mittelmeerkultur<br />
hervorgebracht, die in sprache, literatur, musik,<br />
kunst und vielen anderen gebieten zum ausdruck<br />
kommt. in ihrer mannigfaltigkeit, ihrem Pluralismus,<br />
ihrer zugleich ortsgebundenen und weltbürgerlichen<br />
Prägung ist die kultur israels faszinierender<br />
als je zuvor.<br />
Doch die krönende leistung des zionistischen Projekts<br />
zu israels 50. Jahrestag war die historische<br />
versöhnung, die zwischen israel und den Palästinensern<br />
einzutreten schien. Die gründer israels<br />
glaubten an den frieden und hatten den tag vor<br />
augen, da der frieden mit den arabern erreicht<br />
werden würde. sie waren überzeugt, dass dieser<br />
tag kommen werde, sobald die araber alle hoffnung<br />
aufgegeben haben würden, die Juden mittels<br />
gewalt zu vertreiben. Die osloer abkommen<br />
beruhten auf der unter den führenden Politikern<br />
israels verbreiteten Überzeugung, dass die Palästinenser<br />
in der tat zu diesem schluss gekommen<br />
seien und ihre kriegerische strategie aufgegeben<br />
hätten. Die darauffolgenden Jahre haben bewiesen,<br />
dass diese einschätzung voreilig war: letztendlich<br />
wird es zur versöhnung kommen, doch ist<br />
die Zeit noch nicht reif dafür. im Jahr 2000 wiederholte<br />
sich das traditionelle verhaltensmuster<br />
der Palästinenser in camp David. als ihnen ein ab-<br />
49
kommen über einen (höchst großzügigen und aus<br />
israelischer Perspektive möglicherweise gefährlichen)<br />
territorialen kompromiss vorgelegt wurde,<br />
konnten sie sich nicht dazu überwinden, diesen<br />
anzunehmen. sie kehrten zur strategie der gewalt<br />
zurück, da ein kompromiss in ihren augen einer<br />
kapitulation gleichkam. Die jüngste intifada versetzte<br />
beide seiten in vieler hinsicht in die vergangenheit<br />
zurück, in Denkweisen, die 1948 vielleicht<br />
angemessen waren, auf die Realität des 21. Jahrhunderts<br />
jedoch jedenfalls nicht mehr passen.<br />
amos oz, einer der bekanntesten schriftsteller israels,<br />
hat einen Roman mit dem titel „eine geschichte<br />
von liebe und finsternis“ veröffentlicht.<br />
Diese autobiografie verwebt die individuelle geschichte<br />
der familie oz mit der umfassenden nationalen<br />
erzählung der 1940er und 1950er Jahre.<br />
oz gehörte unter den israelischen intellektuellen<br />
zu denjenigen, die sich am stärksten mit der suche<br />
nach einem weg zu einer versöhnung zwischen<br />
Juden und arabern und mit den osloer abkommen<br />
identifizierten. Zwischen den Zeilen<br />
seines neuen Romans macht oz seiner verbitterung<br />
und enttäuschung über die Palästinenser<br />
nach der al-aqsa-intifada luft. gegen ende des<br />
Buches benutzt oz die figur eines kibbuznik, um<br />
seine eigene meinung und die der mehrheit der is-<br />
50 OVERLAPPING VOICES<br />
raelischen linken und mitte zum ausdruck zu bringen,<br />
die die versöhnung aus vollem herzen unterstützten.<br />
wenngleich er verständnis hat für die<br />
tragödie der 1948 aus ihren Dörfern ins exil vertriebenen<br />
Palästinenser und sich daher weigert,<br />
sie „mörder“ zu nennen, betont der kibbuznik,<br />
dass sie es gewesen seien, die den krieg begonnen<br />
hätten mit dem Ziel, die gesamte jüdische gemeinschaft<br />
zu zerstören. Die Juden sollten sich mit<br />
dem begnügen, was sie 1948 erobert hätten, und<br />
nicht nach weiteren eroberungen streben, erklärt<br />
er. Doch bis der frieden hergestellt sei, fügt er<br />
hinzu, hätten wir keine wahl, als nach besten kräften<br />
zu kämpfen, „einfach weil wir das Recht haben<br />
zu existieren, und einfach weil auch wir das<br />
Recht auf eine heimat haben“. „wenn es nicht<br />
hier ist“, fragt der kibbuznik, „wo ist es dann, das<br />
land des jüdischen volkes? ... oder verdient, unter<br />
allen völkern der erde, einzig das jüdische volk<br />
es nicht, ein kleines land zu haben?“ Diese frage,<br />
die 1948 entschieden schien, bildet auch heute<br />
noch den kern des konflikts zwischen Palästinensern<br />
und Juden.<br />
anita shapira, Professorin an der tel aviv University, schwerpunkte:<br />
geschichte des Zionismus und israel; 2008 wurde ihr der israel<br />
Prize verliehen.
the history of<br />
Zionism<br />
anita shapira<br />
Richard lichtheim, one of the early historians of Zionism,<br />
defined it as “europe’s gift to the Jewish people”.<br />
this statement, which locates Zionism in time<br />
and place, is subject to dispute. for example, a religious<br />
Jew would probably assert that Zionism has<br />
been part of the Jewish faith since the destruction<br />
of the temple and the Jewish people’s exile from<br />
their land. Jews pray daily for their return to Jerusalem<br />
and the restoration of the majesty of the kingdom<br />
of David. the dichotomy of exile and redemption<br />
has been a major symbol in Judaism. exile<br />
represents all that is negative in Jewish existence,<br />
as well as in the cosmic state. Redemption represents<br />
the establishment of the kingdom of justice<br />
on earth and the coming of the messiah. the return<br />
of the Jews to their ancient homeland has also been<br />
considered part of this mystic process.<br />
Yet lichtheim’s assessment stands the test of history.<br />
if it were not for the Jewish interaction with european<br />
culture, Jewish nationalism, of which Zionism<br />
is a quintessential expression, would never<br />
have evolved. Paradoxically, Jews had to abandon<br />
their messianic faith before they could embrace<br />
Zionism. as long as they awaited the help of the<br />
heavens and accepted their fate with docility as a<br />
national-religious minority among majority nations,<br />
Zionism could not emerge. the prerequisites for the<br />
emergence of Zionism were the Jews’ openness to<br />
processes taking place in european society at large<br />
and their release from religious constraints.<br />
the story begins with the french Revolution, when<br />
the states of europe began to grant Jews equal<br />
rights. for the first time in history, Jews could integrate<br />
into christian society as equal citizens<br />
without having to convert. this emancipation led<br />
to secularization, as well as to the Jews’ growing<br />
integration into european society. By the second<br />
half of the 19th century, a Jewish educated class<br />
had come into existence in western and central<br />
europe, desiring to integrate into their home countries.<br />
in eastern europe, however, where millions<br />
of Jews lived, emancipation was still a remote aspiration.<br />
But there as well, a modern educated Jewish<br />
class emerged, susceptible to the trends and<br />
ideas then influencing europe.<br />
the 19th century was the century of european nationalism.<br />
the nation states that crystallized after<br />
the french Revolution and the napoleonic wars<br />
generated a new secular civil identity that replaced<br />
traditional religious, tribal and local identities.<br />
small nations, which for hundreds of years had not<br />
known self-rule, now rose up to fight for their freedom.<br />
greece, italy, Poland, czechoslovakia and<br />
germany were transformed from mere geographical<br />
concepts into symbols of nationalism fighting<br />
for a place in the sun. Jews were conscious of this<br />
process as well. this was true of marx’s companion,<br />
the german socialist philosopher moses<br />
hess, who was inspired by the unification of italy,<br />
and believed that the reconstruction of Jerusalem<br />
by the Jews should follow the liberation of Rome.<br />
it was also true of the serbian mystic Rabbi Yeduda<br />
alkalai, who was influenced by the national<br />
struggles for freedom that took place in the Balkans<br />
and wanted the Jews to do the same. By the<br />
mid-19th century, these and other thinkers were<br />
writing in support of the Jewish people’s implementation<br />
of concepts of freedom and self-determination<br />
in their historical homeland.<br />
the Jewish people’s adoption of the nationalist idea<br />
conflicted with their wish to integrate into their home<br />
societies. the process of emancipation, which was<br />
the dominant trend at the time, was based on the<br />
premise that Jews were willing to relinquish the national<br />
components of their identity. “to the Jews<br />
as individuals – everything; as a nation – nothing”,<br />
declared clermont-tonnerre during the french Revolution.<br />
as long as there was no distinction<br />
between a Jew’s civil identity and religious identity,<br />
the issue of whether the Jews were a religion<br />
or a nation never came up. and, until the 19th century,<br />
Jews did not distinguish between their national<br />
and religious identities. however, while they did not<br />
use the terminology of modern nationalism (which<br />
had yet to be created), Jews did fit anthony smith’s<br />
definition of ethnicity, which constituted the foundation<br />
of nationalism. the essential components<br />
of this ethnic identity were the sharing of a common<br />
past – the connection to Zion, the use of<br />
hebrew as the holy language, and the dream of<br />
the return to the land of Yisrael.<br />
in order to receive equal rights, Jews were now required<br />
to relinquish these components, and they<br />
did so enthusiastically. equal rights were regarded<br />
by many as the new messiah, which would redeem<br />
Jews from the estrangement of exile. thus, two<br />
trends characterized Jewish history in the second<br />
half of the 19th century – the trend of relinquishing<br />
national Jewish identity in exchange for an entry<br />
ticket into european society, and the trend of adopting<br />
a version of european nationalism and applying<br />
it to the contemporary Jewish condition. the<br />
former was still predominant, but the latter was<br />
gaining ground.<br />
Did Zionism emerge as a response to modern antisemitism,<br />
or was it a movement of national renaissance?<br />
this question bothered the founders of the<br />
Zionist movement. there was something humiliating<br />
about the idea that perhaps the Jewish national<br />
movement was not the result of immanent processes,<br />
rather the outcome of non-Jewish attitudes<br />
towards Jews. actually, it can be argued that all<br />
national movements were aroused by internal and<br />
external factors alike. would spanish nationalism<br />
have emerged without napoleon’s invasion? would<br />
czech nationalism have emerged without german<br />
discrimination? would germany have crystallized<br />
into one united state if it had not been for the challenge<br />
posed by the french? european history is<br />
rich with examples of external pressure, discrimination<br />
and conquest serving as the catalyst for the<br />
evolution of nationalist movements. Jews were no<br />
different from the people among whom they dwel-<br />
51
led. Zionism emerged in the shadow of dashed hopes<br />
for Jewish emancipation in Russia, following the<br />
wave of pogroms that hit southern Russia in 1881.<br />
it continued to evolve as a reaction to the racist antisemitism<br />
that reared its ugly head as an influential<br />
political power in western and central europe during<br />
the last quarter of the 19th century.<br />
for theodor herzl, the founder of the Zionist movement,<br />
Zionism was a response to his being rejected<br />
by the germans: we Jews did everything we could<br />
to integrate into the nations among which we lived,<br />
but they do not want us. thus, herzl concluded,<br />
“we are a nation, one nation”, in need of a state of<br />
our own. only someone socialized and educated<br />
within european culture and exposed to the threatening<br />
and creative power of nationalism could<br />
reach such a conclusion. european nationalism intensified<br />
Jews’ problems as a national minority living<br />
among nation states. it was an exclusive type<br />
of nationalism, rejecting those considered not to<br />
be authentic members of the nation. on the other<br />
hand, european nationalism also pointed out to<br />
Jews the solution to their predicament: adoption<br />
and application of the national concept to their own<br />
condition. the catchphrase “the Jewish state”<br />
(the title of a small pamphlet published by herzl)<br />
was electrifying. But what was decisive was the establishment<br />
of the Zionist congress, a sort of parliament<br />
of the segments of european Jewry that<br />
identified with the revolutionary idea of a Jewish<br />
state. thinking in political terms was herzl’s unique<br />
contribution to the Zionist movement. his insight<br />
regarding the need to create a body in whose name<br />
he could negotiate with world leaders – a sort of<br />
fictional representative body of the Jewish people<br />
– was appropriated from the history of european<br />
national movements. the symbols that he fostered<br />
– including a flag and an anthem – were also taken<br />
from european history.<br />
herzl endowed the Zionist movement with the savoir-faire<br />
of someone who had been exposed to european<br />
politics and knew its ways. in eastern europe,<br />
still in the pre-emancipation phase, Jews had<br />
no opportunity to gain such knowledge about the<br />
state and its workings. hence, the first generation<br />
of leadership of the Zionist movement came from<br />
central europe. however, the heart of the movement<br />
– the masses that supported it – was to be<br />
found in eastern europe.<br />
at the end of the 19th century, Jews experienced<br />
a revolutionary change of heart: they stopped passively<br />
accepting their miserable fate. the masses<br />
emigrated to america in search of a better future.<br />
another group joined the Russian revolutionary<br />
movement, in the hope that the world that would<br />
emerge after the revolution would accept Jews as<br />
equals. still others viewed Zionism as the path to<br />
redemption, for Jewish individuals as well as for<br />
the Jewish collective. thus a movement was born<br />
whose leaders came from one cultural world, while<br />
its rank and file came from another.<br />
52 OVERLAPPING VOICES<br />
herzl was a disciple of german culture, and his<br />
Jewish roots were rather shaky. however, the<br />
masses in eastern europe were imbued with Jewish<br />
tradition. their secularization did not lead to<br />
abandoning the Jewish collective, rather to emphasizing<br />
its national character. in eastern europe,<br />
millions of Jews lived in close proximity, spoke the<br />
same language, were party to the same fate and<br />
shared a common culture. Zionism was perceived<br />
not only as offering redemption from the Jews’ humiliation<br />
and oppression, but as a movement of<br />
spiritual and cultural rebirth that strove to reshape<br />
Jews as individuals, as a society and as a culture.<br />
the new Jewish society would preserve the bond<br />
with Jewish tradition and its historical symbols. But<br />
it would also adopt new norms, first and foremost<br />
the return to nature and a simple way of life through<br />
the cultivation of the soil. clearly, the Zionist movement<br />
did not invent these concepts, rather appropriated<br />
them from european romanticism. Yearnings<br />
for primordial forms of life, the original simplicity<br />
of man and society, the desire to find refuge from<br />
the hypocrisy of the big city by adopting the ethical<br />
purity of physical labour in general, and agriculture<br />
in particular, had characterized every movement<br />
that rebelled against the alienation of<br />
industrialization and the anonymity of modern life<br />
ever since Rousseau. these ideas carried special<br />
meaning for Jews, who for centuries had been primarily<br />
city dwellers that valued intellectual capabilities<br />
over physical prowess. the modern Jew was<br />
identified with the sophisticated intelligentsia, not<br />
with the simple-minded peasants. Zionism challenged<br />
traditional Jewish values. the Jewish entity<br />
in eretz Yisrael would represent a complete transformation<br />
of Jewish society and the Jewish individual.<br />
the new Jew would adopt skills and abilities<br />
needed by a nation-building people assuming responsibility<br />
for the state. he would be able to fulfil<br />
the two roles regarded as essential for any state<br />
– the tiller of the soil and the soldier. he would be<br />
honest, proud and brave, and free of pretense and<br />
obsequiousness. he would be a loyal citizen of his<br />
state and a worthy citizen of the world.<br />
european nationalism regarded language as one<br />
of the essential indicators of nationhood. Peoples<br />
that reshaped their national identities therefore attempted<br />
to revive their original languages, like<br />
czech and gaelic. Jewish nationalism sparked a<br />
revival of hebrew, which had been primarily a language<br />
of prayer and of the holy scripture. in everyday<br />
life Jews spoke Yiddish, ladino and Judeoarabic.<br />
however, during the second half of the<br />
19th century, hebrew literature and journalism began<br />
to appear. from the early 20th century onward,<br />
hebrew became a spoken language, in which<br />
scholars conversed, children shouted and works<br />
of literature were written. the culture of the new<br />
Jewish community in Palestine was conducted in<br />
hebrew. an integral component of the emerging<br />
hebrew culture was the Bible. in traditional Jewish<br />
culture the Bible had been considered as inferior<br />
to the talmud. now it was elevated to a place of<br />
honour in Zionist mythology, both as the sublime<br />
intellectual and ethical achievement of the Jewish<br />
people and as the source and testimony of the Jewish<br />
people’s historic ties to their land. hence Zionism<br />
transformed the holy land into the Jewish<br />
state, the holy language into an everyday spoken<br />
language and the holy scriptures into a national<br />
epic.<br />
the first half of the 20th century was saturated with<br />
hopes of imminent redemption of the world through<br />
daring revolutionary utopian movements that attempted<br />
to better society. for more than five decades<br />
Zionism was guided by socialist trends. the<br />
desire to build a completely new society, free of the<br />
distortions, injustices and inequalities of the old<br />
world, lit up the Zionist horizon and endowed it with<br />
moral and human depth. the Jews in Palestine<br />
would establish a model society that, ethically, would<br />
serve as an example for the world. the exemplary<br />
Jewish society was supposed to achieve on a small<br />
scale and without coercion what enlightened people<br />
had assumed (mistakenly, of course) was taking<br />
place in the soviet Union. the utopian trends in Zionism<br />
inspired innovation and creativity. it was an<br />
attempt to establish a just society through voluntary<br />
means, based on the enthusiasm, dedication and<br />
education of its members. the cooperative movement,<br />
the kibbutzim and the federation of labour<br />
were just a few of the many innovative creations that<br />
resulted from this unique combination of social<br />
ideals and national needs.<br />
one area of dissent between historians and sociologists<br />
is the question of using the comparative method.<br />
sociology is on the lookout for common denominators,<br />
highlighting the universal characteristics<br />
of social phenomena, while history emphasizes the<br />
unique nature of events, and the singularity of the<br />
one-time occurrence in human experience. in analyzing<br />
the origins of Zionism, i have attempted to<br />
place it in the context of the era during which it had<br />
evolved, and to integrate it into the general historical<br />
processes and predominant trends that had<br />
constituted the Zeitgeist of that era. this approach<br />
is not applicable, however, to explaining the Jewish<br />
people’s return to the land of Yisrael. at the end of<br />
the day, Jewish history is sui generis. no other nation<br />
existed continuously from antiquity to the modern<br />
era; no other people existed for centuries as a<br />
dispersed people without a territorial base; and no<br />
other nation turned back the wheel of history and<br />
returned to its historical homeland.<br />
the Jews’ return to the land of their ancestors was<br />
not an obvious development: the land of Yisrael,<br />
which had come to be known as Palestine, was a<br />
poor, thinly populated province under ottoman<br />
rule, dangerous and backward. considering possible<br />
havens for the Jewish people, a number of<br />
early Zionist leaders proposed establishing a Jewish<br />
state in rich, developed argentina or in fertile
east africa. But these suggestions never stood a<br />
chance of winning over the Zionist rank and file.<br />
the choice of eretz Yisrael (the land of Yisrael)<br />
was not rational. Rather, it stemmed from a deep<br />
historical intuition that building a Jewish state<br />
would require every ounce of energy and all the<br />
spiritual strength of the Jewish people. this could<br />
be mustered only for the sake of eretz Yisrael. in<br />
current intellectual discourse, it is fashionable to<br />
define Zionism as a settler colonialist movement.<br />
considering the fact that Zionism made great progress<br />
under the auspices of the British mandate<br />
in Palestine, this approach seems sensible. however,<br />
this line of thought disregards the ideological<br />
and social roots of Zionism, the variety of factors<br />
that caused its evolution and the uniqueness of the<br />
Jewish case. Palestine had very little to offer to european<br />
settlers – no natural resources, no oil and<br />
no iron. its soil was not particularly fertile, and the<br />
scarcity of water and the need for significant investment<br />
before undertaking modern farming<br />
made it unsuitable for european settlement. But<br />
the Jews chose to disregard the disadvantages of<br />
the land, because for them it was their legendary<br />
homeland. they did not see themselves as europeans<br />
in search of riches and good fortune, rather<br />
as people returning to rebuild the land of their<br />
forefathers.<br />
the founders of the Zionist movement knew relatively<br />
little about contemporary Palestine, as distinct<br />
from the eretz Yisrael of legends, literature<br />
and the Bible. however, those that settled in the<br />
country soon observed that it was not an empty<br />
land. at the onset of Zionist immigration in Palestine<br />
(1881), it was home to a few tens of thousand<br />
Jews and less than half a million arabs. the Zionists<br />
did not conceal their intention to transform<br />
arab Palestine into Jewish eretz Yisrael through<br />
immigration and settlement. they maintained that<br />
there was more than enough room in the country<br />
for 1 million arabs and a few million Jews. Jewish<br />
immigration, it was reasoned, would bring capital<br />
to the country and spur economic development<br />
beneficial to the population as a whole. clearly, this<br />
line of reasoning disregarded the feeling of the<br />
arab population that the country had been theirs<br />
for hundreds of years. while Palestine had not<br />
been an independent political unit since the first<br />
century B.c., this did not negate the sense of possession<br />
and dominion felt by the country’s arab<br />
population. Zionist leaders’ promises of friendship<br />
did not impress them; they were not interested in<br />
gaining partners in a country that they regarded as<br />
exclusively their own. they perceived the Jews as<br />
invaders. as the Jews’ foothold in the country<br />
strengthened, the arabs’ opposition grew as well.<br />
as one of history’s ironies, it should be noted that<br />
Zionism is what created Palestinian nationalism.<br />
the most important period for the implementation<br />
of the Zionist project was between the two world<br />
wars. world war i resulted in the dismantling of<br />
the ottoman empire, and a number of arab states<br />
were established on its ruins. initially these states<br />
were under British and french mandates and later<br />
they became independent. at the same time,<br />
the international community also recognized the<br />
Jewish people’s historic connection to Palestine<br />
and its right to establish a “national home” there.<br />
this recognition was anchored in the British mandate<br />
over Palestine, as issued by the league of nations.<br />
the three decades of British rule in Palestine<br />
(1918-1948) laid the foundations for a modern<br />
state, and gave the Jews an opportunity to establish<br />
their “national home”. During the interwar<br />
period, Zionist state-building processes accelerated<br />
in the face of the growing threat to Jewish communities<br />
in europe, as the nazis rose to power in<br />
germany and anti-semitic, proto-fascist regimes<br />
emerged in the states of eastern europe. concurrently,<br />
the intensity of the Jewish-arab conflict was<br />
also on the rise. the more perilous the situation of<br />
european Jews became, and the more they were<br />
humiliated and deprived of dignity as citizens and<br />
human beings, the more central the Zionist project<br />
became in Jewish life. the “national home”<br />
in mandate Palestine was the only place in the world<br />
that was willing to accept any Jew who wished to<br />
come. Beyond saving lives, Zionism re-endowed<br />
Jews with a sense of belonging, an identity and a<br />
renewed sense of dignity. the arabs, however, saw<br />
only one fact – that more and more Jews were entering<br />
the country and that the country was gradually<br />
losing its arab landscape and taking on a european<br />
character. the arab strategy against what<br />
they perceived to be an existential threat was total<br />
denial of any Jewish link to Palestine, and rejection<br />
of the legitimacy of the Zionist project. they<br />
therefore turned down any proposals made by either<br />
the British or the Jews regarding taking part<br />
in the administration of the country. on the eve of<br />
world war ii the arabs still constituted a two-thirds<br />
majority of the country’s population. hence, this<br />
strategy of total refusal made sense from their point<br />
of view. however, it also resulted in the evolution<br />
of a culture of extremism and rejectionism among<br />
the Palestinians, which eventually led them to<br />
tragedy.<br />
in 1936, the arab Rebellion erupted in Palestine<br />
(an intifada of sorts). its aim was to force the British<br />
authorities to halt Jewish immigration into the<br />
country, which had been on the rise since hitler<br />
came to power in germany. a Royal commission<br />
headed by lord Peel investigated the events, and,<br />
in its 1937 report, recommended partitioning the<br />
country into two states – one Jewish and one arab.<br />
this was the first international recognition of the<br />
fact that the Jewish community in Palestine possessed<br />
the attributes of a nation and the capabilities<br />
required for statehood. the proposal caused<br />
stormy debate among Zionists. what was the use<br />
of a Jewish state, many asked, if it did not include<br />
Jerusalem and other historically significant places?<br />
the partition plan allocated the Jews a small portion<br />
of the country; would such a small area suffice<br />
for the establishment of a state and for absorbing<br />
the masses of Jewish refugees? But against<br />
the ideological and pragmatic faults of the plan and<br />
despite its limitations, a majority supported it. for<br />
the first time in two thousand years, the Jews were<br />
just striking distance away from Jewish rule in the<br />
land of Yisrael.<br />
the leader of this majority was David Ben-gurion,<br />
who would later declare israel’s independence and<br />
guide the new state through the war that ensued.<br />
he understood Palestinian nationalism and respected<br />
it. therefore he searched for a compromise<br />
that would secure sovereignty for the Jews<br />
and not deny it to the arabs. the arabs, on the<br />
other hand, rejected the plan out of hand, and the<br />
Peel commission proposals were doomed to be<br />
buried in the archives of the British colonial office.<br />
on the eve of the impending world war, the<br />
British sought to appease the arabs in order to<br />
guarantee their loyalty. Jewish loyalty in the war<br />
against hitler was a given. the British thus gave<br />
in to arab demands and halted the expansion of<br />
the “national home”. the most tragic aspect of this<br />
policy was the cessation of Jewish immigration,<br />
just as Jewish distress and need of a safe haven<br />
were at their peak. Reading protocols from the<br />
world war ii years about arab vetoes that denied<br />
a few thousand Jewish children the right to enter<br />
Palestine (and thus prevented the saving of their<br />
lives), it is difficult not to feel a degree of frustration<br />
at the Palestinian arabs’ lack of generosity.<br />
ever since 1937, the same scenario has repeated<br />
itself – the arabs initiate a wave of violence, the<br />
Jews respond in kind, and a proposal of compromise<br />
between the two wrangling nations is placed<br />
on the table. the Jews are willing to accept compromise,<br />
and the arabs reject it. two types of compromise<br />
have been on the agenda ever since: division<br />
of sovereignty and division of territory. Back<br />
in the early 1940s, Jews in search of Jewish-arab<br />
co-existence proposed a bi-national state, in which<br />
both peoples would live in equality regardless of<br />
the numerical ratio between the two populations.<br />
since then, such proposals have been popular<br />
among radical Zionist circles striving to evade the<br />
Jewish-arab confrontation and to develop a common<br />
loyalty to a joint arab-Jewish citizenship in<br />
one state. But while this idea has great intellectual<br />
appeal, it comes nowhere near securing the basic<br />
interests of both peoples. for the Palestinians and<br />
the Jews alike, an independent state is a symbol<br />
of identity and a means of restoring their dignity<br />
and pride. it is no coincidence that, aside from a<br />
few idealists, there was never any real support on<br />
either side of the divide for a bi-national state.<br />
the functional compromise has always been territorial<br />
compromise – a sort of ‘judgment of solomon’<br />
in reverse, with a result of “i will have it, and<br />
you will have it too”. territorial compromise was<br />
53
not a foregone conclusion, as both Jews and arabs<br />
argued that “it’s all mine”. But in actuality, at all<br />
the historical junctures, the majority of Jews agreed<br />
to territorial compromise. for example, on 29 november<br />
1947, the general assembly of the United<br />
nations resolved to partition Palestine into a Jewish<br />
state and an arab state. this plan was a far<br />
cry from the Jew’s aspirations: the Zionist Right<br />
and even elements of the left opposed it. nevertheless,<br />
most Jews accepted it, pouring into the<br />
streets and dancing throughout the night in celebration.<br />
the arabs rejected the plan, initiating violent<br />
attacks the very next day. the israeli war of independence<br />
thus began as a war between the two national<br />
communities living in Palestine and turned<br />
into a war between the new state of israel and the<br />
neighbouring arab countries. israel emerged victorious<br />
from the war, and managed to expand the<br />
borders that had been defined by the Un partition<br />
plan. During the war, most of the arabs that had<br />
lived in the territory incorporated into the new state<br />
either fled or were expelled. it was a cruel war, in<br />
which the Jewish community lost 1% of its population.<br />
the arabs destroyed every Jewish settlement<br />
they conquered, and either killed their residents<br />
or took them prisoner. But this is not the<br />
place to take stock of the 1948 war. what is of interest<br />
is the pattern of Palestinian behaviour: the<br />
adamant refusal to recognize, even partially, the<br />
rights of the opposing party, and a consistent attempt<br />
to force the issue through the use of violence,<br />
rejecting compromise.<br />
in 1998, israel celebrated its 50th anniversary. it<br />
appeared that the Zionist dream had been fulfilled<br />
above and beyond the vision of those that had<br />
dreamed of it. During israel’s fifty years of statehood,<br />
it had absorbed 4.5 million Jewish immigrants,<br />
including 500,000 holocaust survivors and<br />
1 million refugees from arab countries, who were<br />
forced to leave their homes due to the anti-Jewish<br />
violence that broke out after the arab defeat in the<br />
1948 war. more recently, close to 1 million immigrants<br />
from the former soviet Union have joined<br />
their ranks. israel’s dynamic nature is evident in<br />
its cultural richness, its social and economic creativity<br />
and its level of scientific development, which<br />
is the envy of even developed countries. the combination<br />
of western and eastern influences has created<br />
a unique mediterranean cultural mutation, articulated<br />
in language, literature, music, art, and<br />
many other areas. israeli culture has never been<br />
more fascinating in its diversity, pluralism, localness,<br />
and cosmopolitan nature.<br />
But the Zionist project’s crowning achievement at<br />
israel’s 50th anniversary was the historic reconciliation<br />
between israel and the Palestinians that appeared<br />
to be taking place. israel’s founders believed<br />
in peace and envisioned the day that peace<br />
54 OVERLAPPING VOICES<br />
with the arabs would be achieved. they held that<br />
this day would come about when the arabs would<br />
lose all hope of uprooting the Jews by force. the<br />
oslo accords were based on a belief among israeli<br />
leaders that the Palestinians had indeed reached<br />
this conclusion and abandoned the strategy of war.<br />
the intervening years have proven that this assessment<br />
was premature: reconciliation will eventually<br />
take place, but the time has not yet come. at camp<br />
David in 2000, the traditional pattern of Palestinian<br />
behaviour repeated itself. when an agreement<br />
for (extremely generous, and, from an israeli perspective,<br />
possibly dangerous) territorial compromise<br />
was placed before them, they could not bring<br />
themselves to accept it. they turned back to the<br />
strategy of violence, as they perceived compromise<br />
as the equivalent of surrender. in many ways, the<br />
most recent intifada sent both sides back in time,<br />
to ways of thinking that may have been adequate<br />
for 1948, but are certainly inappropriate for the reality<br />
of the 21st century.<br />
amos oz, a leading israeli writer, published a novel<br />
called “a story of love and Darkness”. this autobiography<br />
weaves the personal story of the oz<br />
family into the overall national narrative of the<br />
1940s and 1950s. oz was one of the israeli intellectuals<br />
most identified with the search for a path<br />
to Jewish-arab reconciliation, and with the oslo<br />
accords. Between the lines of his new novel, oz<br />
vents his feelings of bitterness and disappointment<br />
toward the Palestinians following the al-aqsa intifada.<br />
towards the end of the book, oz uses the<br />
character of a kibbutz member to express his own<br />
opinion, and that of the majority of israel’s left and<br />
mainstream, who wholeheartedly supported the reconciliation.<br />
while understanding the tragedy of<br />
the Palestinian refugees exiled from their villages<br />
in 1948 and thus refusing to call them “murderers”,<br />
the kibbutznik stresses that they were the<br />
ones who started the war, with the goal of destroying<br />
the entire Jewish community. the Jews should<br />
make do with what they conquered in 1948, and<br />
not strive for additional conquests, he asserts.<br />
however, until peace is achieved, he adds, we have<br />
no choice but to fight to the best of our ability, “for<br />
the simple reason that we have the right to exist,<br />
and for the simple reason that we too are entitled<br />
to have a homeland”. “if not here”, asks the kibbutznik,<br />
“then where is the land of the Jewish people?<br />
... or, out of all peoples on earth, is it only the<br />
Jewish people that does not deserve to have a<br />
small land?” this question, which appeared to<br />
have been resolved in 1948, still constitutes the<br />
core of the Palestinian-israeli conflict today.<br />
anita shapira, professor at tel aviv University, specializes in the history<br />
of Zionism and israel, was awarded the israel Prize in 2008.
aussteLLungseröffnung mit Dr. ursula Plassnik,<br />
österreichische außenministerin /<br />
exhiBition oPening with Dr. ursula Plassnik,<br />
foreign minister of austria
aBendessen mit gaesten<br />
am wochenende<br />
Jumana manna<br />
Jedes mal wenn meine eltern am wochenende gäste<br />
zum abendessen einluden, drehte sich das gespräch<br />
früher oder später um Politik. waren die gäste Juden,<br />
wurde im gespräch eher kritik an israel laut.<br />
Die misshandlung der arabischen Bürger. Die kakophonien<br />
der Besetzung. Die allgemeine hoffnungslosigkeit.<br />
Unsere viertel sehen vernachlässigt aus,<br />
wir haben keine gehsteige, die kinder gehen auf ihrem<br />
schulweg auf der straße und stören den verkehr.<br />
Das fehlen von kinderspielplätzen macht aus<br />
den 30 Jahre alten rissigen straßen fußballplätze,<br />
die vorübergehend wieder verschwinden, wenn ein<br />
herannahendes auto hupt. Die öffentlichen schulen<br />
sind mangelhaft. es gibt nicht genug Plätze in der<br />
schule, um alle kinder im arabischen sektor aufzunehmen.<br />
Das Bildungssystem basiert auf auswendiglernen<br />
und nicht auf Bildung. wir erleben immer<br />
wieder unangekündigte kontrollen in ostjerusalem<br />
und kommen deswegen zu spät in die arbeit, und<br />
die kinder kommen zu spät in die schule.<br />
Die ampeln werden nur für vier sekunden grün für<br />
den verkehr, der aus dem arabischen viertel kommt,<br />
und die „jüdische seite“ hat viel länger grün, obwohl<br />
auf der „jüdischen“ straße fast keine autos fahren,<br />
weil sie auch andere straßen benutzen können. Die<br />
erfahrungen am flughafen waren immer ein heißes<br />
thema. geschichten vom verletzten stolz unserer<br />
„integrierten“ familie. Unsere stellung als erfolgreiche<br />
araber in diesem land wird durch verhöre<br />
und akribische Untersuchungen unseres gepäcks<br />
zunichtegemacht, bei denen nicht zwischen dem<br />
„durchschnittlichen“ und dem „guten“ araber unterschieden<br />
wird.<br />
Zurück zum abendessen. wenn arabische gäste da<br />
waren, blieb die Unterhaltung zwar immer noch politisch,<br />
aber man wurde selbstkritischer und beschwerte<br />
sich über die lage der araber. Unsere<br />
Rückständigkeit und konservative haltung, unser<br />
herdenartiges funktionieren und der mangel an initiative,<br />
unsere angst, gesellschaftliche tabus und<br />
normen zu verletzen, Doppelmoral, stolz, materia-<br />
58 OVERLAPPING VOICES<br />
lismus, gier, endlose geschichten von internen streitigkeiten,<br />
sowohl innerhalb der familie als auch innerhalb<br />
der gemeinde. wir wollen alle Ärzte und<br />
anwälte sein (nicht unbedingt weil das so interessante<br />
Berufe sind, sondern weil sie einen guten Ruf<br />
haben), viel geld verdienen, uns eine sammlung von<br />
mercedes und Bmws zulegen. selten waren die Diskussionen<br />
jedoch konstruktiv. natürlich waren sie<br />
konstruktiv in dem sinn, dass sie Bewusstsein schufen,<br />
aber es ging kaum je darum, veränderungen auf<br />
praktischer ebene herbeizuführen. wann hätten wir<br />
je geplant, schriftliche eingaben zu machen, schulen<br />
zu gründen oder kulturell aktiv zu werden? selten,<br />
und die vorschläge blieben immer hypothetisch.<br />
Die allgemeine haltung ist hoffnungslosigkeit. hoffnungslosigkeit<br />
gegenüber dem unterdrückenden Regierungssystem<br />
im verbund mit der Unfähigkeit, eine<br />
gruppe von arabern für den kampf um eine gemeinsame<br />
sache zu vereinen.<br />
Schule<br />
im alter von 15 wechselte ich von der anglikanischen<br />
internationalen schule in Jerusalem ins kunstgymnasium,<br />
wo ich meine höhere schulbildung beendete.<br />
ich war die einzige araberin unter 700 schülern<br />
an diesem israelisch-hebräischen gymnasium.<br />
man sagte mir, das gerücht, eine araberin werde an<br />
die schule kommen, habe sich schon lange vor meiner<br />
ankunft verbreitet, und viele monate lang habe<br />
niemand herausgefunden, um wen es sich handelte.<br />
Zu jedem thema, bei dem man die meinung der „anderen<br />
seite“ brauchte, ließ man „die araberin befragen“.<br />
also wurde ich zu einer art Diplomatin für mein<br />
volk, so als ob meine gedanken den allgemeinen<br />
arabischen standpunkt widerspiegelten. „tod den<br />
arabern“, rief man mir jedes mal nach, wenn ich an<br />
den „arsim“ 1 der schule vorüberging, was mich verletzte<br />
und traurig machte, aber auch gut als kurze<br />
antwort auf die mir oft gestellte frage taugte: „wie<br />
ist es denn, in eine ganz jüdische schule zu gehen?“<br />
ein von mir gemaltes Bild mit arabischem text wurde<br />
an einem wochenende zerrissen, als unsere schule<br />
als wahllokal diente. Dadurch war nicht klar, ob es<br />
ein schüler oder ein außenstehender getan hatte.<br />
wie auch immer, ich brach in tränen aus, als ich<br />
mich beim Direktor beschwerte. er reagierte gut, ließ<br />
die schüler zusammenrufen und erklärte vor allen,<br />
wie sehr ihm der schreckliche vorfall vom wochenende<br />
missfiel. er bat mich, das Bild noch einmal zu<br />
malen, damit er es in seinem Büro aufhängen konnte,<br />
was ich gerne tat. mein erstes aufwühlendes kunstwerk<br />
erwarb mein Bruder um 100 schekel.<br />
ich hasste Remembrance Day (tag der erinnerung<br />
an die kriegsgefallenen), independence Day (Unabhängigkeitstag)<br />
und jeden anderen besonderen tag,<br />
an dem die nationalhymne in der schule gespielt<br />
wurde. Da fühlte ich mich dann völlig fehl am Platz<br />
unter meinen freunden, die alle aufstanden und sangen,<br />
während ich demonstrativ sitzen blieb. normalerweise<br />
stupste mich dann jemand und flüsterte:<br />
„steh einfach auf, du musst ja nicht mitsingen.“ an<br />
meiner linksgerichteten, kunstsinnigen schule gab<br />
es noch immer mehr verständnis als bei den nationalen<br />
sportbewerben 2 , wo eher typische vertreter<br />
des israelischen Publikums zu finden waren. ich versuchte<br />
immer, mich gerade dann umzukleiden, wenn<br />
während der eröffnung die nationalhymne gespielt<br />
wurde, bei der ein ganzes olympisches stadion mit<br />
hunderten von sportlern sich stolz von den sitzen<br />
erhob und sang. ich war dann allein in der Umkleidekabine,<br />
konnte tun, was ich wollte, und die zwei<br />
unangenehmen optionen vermeiden, entweder a)<br />
zur hymne aufzustehen oder b) sitzen zu bleiben<br />
und von allen angestarrt zu werden.<br />
Stellung beziehen<br />
wenn man mich fragt, wo ich herkomme, dann antworte<br />
ich, ich bin Palästinenserin und lebe in israel.<br />
Rein technisch bin ich israelin. aber araberin. es<br />
lässt sich nie mit einem wort beantworten. außerdem<br />
bin ich nicht in der lage, meine gefühle in eine<br />
klare, kurze antwort zu fassen. mit wem genau ich
mich verwandt fühle. meine gefühle sind eine mischung<br />
aus erziehung, ideologien, erfahrungen und<br />
dem, was menschen auf mich projizieren, weil sie<br />
mich als araberin definieren.<br />
meine eltern sind beide araber, moslems, aufgewachsen<br />
in arabischen Dörfern in der gegend von<br />
galiläa im norden des landes. Rechtlich gesehen<br />
habe ich allerdings keine verbindung mit dem palästinensischen<br />
volk. ich trage die staatsbürgerschaft<br />
von israel und den vereinigten staaten (wo ich geboren<br />
wurde, aber nie gelebt habe). ich schreibe und<br />
lese heute besser hebräisch als arabisch. Die meisten<br />
meiner freunde sind Juden. ich habe also unleugbar<br />
eine Zugehörigkeit zu israel und eine israelische<br />
identität. wir arabischen israelis sind<br />
merkwürdige Zwitterwesen, die nicht vollständig zu<br />
einer der beiden seiten gehören. Die (wirklichen) Palästinenser<br />
sehen uns eher als kollaborateure, als<br />
korrumpiertes volk, und die israelis sehen uns als<br />
gefährliche infektion ihrer gesellschaft. wir sind die<br />
größte Bombe, die größte Bedrohung für den staat,<br />
für seine geheiligte demografische jüdische mehrheit.<br />
auf beiden seiten gelten wir (im allgemeinen)<br />
als tunichtgute.<br />
in politischen verträgen sind wir nie wichtig, und die<br />
welt kämpft nicht für unsere sache, so wie sie es für<br />
die Palästinenser tut. Bestenfalls werden wir im falle<br />
eines friedensvertrages im Zusammenhang mit<br />
landtauschen erwähnt. wer sagt, dass wir teil des<br />
zukünftigen palästinensischen staates sein wollen<br />
(ein rein theoretischer zukünftiger staat, von dem ich<br />
kaum glauben kann, dass es ihn je geben wird)? wer<br />
sagt, dass die Palästinenser im westjordanland uns<br />
überhaupt haben wollen, nachdem wir 60 Jahre im<br />
feindlichen staat gelebt haben und ihn in mancherlei<br />
weise mit aufgebaut haben? auch wenn das auf<br />
politischer ebene umgesetzt würde, gäbe es eine<br />
höchst hartnäckige kluft zwischen den „westbanklern“<br />
und den „arabischen israelis“. Zu wem möchten<br />
wir gehören? sind wir denn daran interessiert, ein<br />
richtiger teil israels zu werden oder unsere palästinensische<br />
identität zu stärken? natürlich geht es in<br />
den von intellektuellen der palästinensisch-israelischen<br />
gemeinschaft verfassten texten zur „future<br />
vision“ (Zukunftsvision) darum, unsere arabische<br />
kultur, unsere autonomie, unsere sprache, unser<br />
Bewusstsein etc. zu stärken, während wir um gleichberechtigung<br />
innerhalb des staates kämpfen.<br />
ich persönlich halte die Zukunftsvisionen für nicht<br />
umsetzbar. es würde bedeuten, dass das ursprüngliche<br />
konzept des staates israel für die Juden zunichtegemacht<br />
würde. Der staat unternimmt eher<br />
große anstrengungen, die 1,2 millionen arabischen<br />
(oder palästinensischen) israelischen staatsbürger<br />
zu unterdrücken und loszuwerden, als ihre gleichstellung<br />
zu fördern.<br />
Sprache<br />
aufgrund des Bildungssystems und der Regeln für<br />
den erfolg in der gesellschaft finden araber es sehr<br />
wichtig, möglichst gut hebräisch zu können. sehr oft<br />
geht dies zu lasten ihrer arabischen sprachbeherrschung,<br />
und sie bleiben in beiden sprachen unterdurchschnittlich.<br />
Die meisten araber verwenden viele<br />
hebräische wörter im arabischen (was von den westbanklern<br />
mit missfallen gesehen wird).<br />
araber sprechen hebräisch mit einem deutlichen<br />
akzent, was es leicht macht, araber von Juden zu<br />
unterscheiden. wie man als kunde behandelt wird,<br />
interaktionen im öffentlichen Raum, in gesellschaftlichen<br />
situationen etc. hängen davon ab, wie man<br />
eingeordnet wird, und der akzent ist hierbei ein<br />
hauptfaktor. ich erlebe jeden tag, welchen Unterschied<br />
es macht, wenn man einen jüdisch-israelischen<br />
aschkenasischen akzent als tarnung hat. es<br />
ist unmöglich, von meinem akzent auf meine herkunft<br />
zu schließen. wenn die leute dann fragen und<br />
die unglaubliche wahrheit herausfinden, dass ich<br />
tatsächlich araberin bin, wurde das arabische stereotyp<br />
bereits durchbrochen, was es für die neue Bekanntschaft<br />
schwierig macht, zu dem Punkt zurückzukehren,<br />
an dem man mich in die unerwünschte<br />
kategorie der araber hätte werfen können. es ist<br />
wichtig zu erwähnen, dass man es als frau leichter<br />
hat, da wir das verständnisvollere der beiden geschlechter<br />
sind. natürlich sind auch die kleidung,<br />
die frisur, das make-up und körperliche merkmale<br />
am entstehen oder Unterlaufen von stereotypen<br />
beteiligt.<br />
Die jüdische mehrheit spricht überhaupt kein arabisch.<br />
Das verstärkt die Unterschiede zwischen uns<br />
und ihnen sowie die Dominanz ihrer sprache und<br />
damit ihrer leute über das gebiet. arabisch ist die<br />
zweite amtssprache im land, fehlt aber im öffentlichen<br />
leben sehr oft. es wird an den hebräischen<br />
schulen schlecht unterrichtet, und israelis haben selten<br />
das gefühl, die sprache lernen zu müssen. einige<br />
arabische wörter sind in die hebräische alltagssprache<br />
übernommen worden, und doch haben<br />
hebräische sprecher keine ahnung, dass es sich tatsächlich<br />
um arabische wörter handelt. sie verwenden<br />
die wörter so lange falsch, bis dieser falsche gebrauch<br />
sich als neue korrekte form einbürgert.<br />
sprachen entwickeln sich jedoch auf diese weise;<br />
sie sind nicht statisch und passen sich ständig an<br />
historische ereignisse an. ist es möglich, dieses Phänomen<br />
positiv zu sehen? vielleicht müsste dazu mehr<br />
ausgewogenheit herrschen, denn im moment profitiert<br />
hauptsächlich die jüdische seite, da sie durch<br />
die aufnahme arabischer wörter nicht so viel von ihrer<br />
eigenen sprache verliert. außerdem werden traditionen<br />
erfunden und manchmal künstlich erzeugt.<br />
so etwas wie eine reine kultur gibt es nicht. Palästinenser<br />
waren nicht immer araber. erst seit der arabisch-moslemischen<br />
expansion wurden die Palästinenser<br />
bzw. die in Palästina lebenden gruppen teil<br />
dessen, was wir heute als arabische welt ansehen.<br />
welche möglichkeit gibt es denn für uns, abweichende<br />
oder gemischte traditionen zu entwickeln,<br />
angesichts der tatsache, dass wir so wenige sind,<br />
von arabischen staaten eingekreist, und insbesondere<br />
angesichts unserer ausgrenzung aus der jü-<br />
disch-israelischen gesellschaft? wie können Juden<br />
und Palästinenser in israel eine gesellschaft aufbauen,<br />
in der sie sich nicht gegenseitig infizieren,<br />
sondern bereichern?<br />
ich sehe die sprache als einen wichtigen faktor der<br />
identitätsbildung: mit wem man sich identifiziert, wo<br />
man hineinpasst oder hineinpassen kann und die<br />
weise, in der man von anderen akzeptiert wird.<br />
Entwurzelung<br />
„wie soll man denn die einsamkeit im exil überwinden,<br />
ohne in die allumfassende und heftige sprache<br />
des nationalstolzes, der kollektiven gefühle, der kollektiven<br />
leidenschaften zu verfallen? was ist es wert,<br />
gerettet und bewahrt zu werden, zwischen den extremen<br />
des exils einerseits und der oft sturen nationalistischen<br />
einstellung andererseits?“ 3<br />
ist nationalismus nur eine form von Paranoia? nur<br />
das ergebnis der Unzulänglichkeit von menschen,<br />
sowohl in gruppen als auch als einzelne? Die sogenannten<br />
entwickelten länder, die seit Jahrzehnten<br />
frieden und Unabhängigkeit an einem ort, den sie<br />
heimat nennen, genießen, scheinen mehr daran interessiert,<br />
übertriebenen nationalstolz zu durchbrechen<br />
und nach einer globalen identität zu suchen.<br />
es ist schade, dass wir palästinensischen israelis,<br />
oder wie auch immer wir uns nennen wollen, so weit<br />
im hintertreffen sind. Der transeuropäische nationalismus<br />
hat die araber erst spät in der ersten hälfte<br />
des 20. Jahrhunderts getroffen. auch heute haben<br />
die araber in israel noch keine genügend starke Basis.<br />
wir leiden immer noch an der Unfähigkeit zur<br />
Zugehörigkeit und selbstdefinition. leider sehe ich<br />
mich nicht in der lage, darin positive aspekte zu erkennen,<br />
zumindest nicht für die gruppe. wir sind<br />
entwurzelt und liegen doch immer noch in unserer<br />
erde. wurzeln zu haben ist vielleicht das wichtigste<br />
und am wenigsten anerkannte Bedürfnis der menschlichen<br />
seele – und, nicht zu vergessen, das Bedürfnis,<br />
sich sicher zu fühlen.<br />
„von zartem gemüt ist, wer seine heimat süß findet;<br />
stark dagegen jener, dem jeder Boden heimat ist;<br />
doch nur der ist vollkommen, dem die ganze welt<br />
ein fremdes land ist“ (victor hugo) 4 . – wir sind ganz<br />
beharrlich von zartem gemüt.<br />
1 Das ursprünglich arabische wort „ars“ wurde in die israelische<br />
alltagssprache aufgenommen und beschreibt einen landesüblichen<br />
„typus“ des israeli, der viel Zeit damit verbringt, sein haar<br />
zu stylen, sich schlecht anzieht, unkultiviert erscheint, unausstehlich<br />
und unhöflich ist und gerne sein auto frisiert. ist normalerweise<br />
in Begleitung einer „frekha“, des weiblichen Äquivalents<br />
(tussi). in der israelischen Öffentlichkeit werden die meisten jungen<br />
arabischen männer als „arsim“ gesehen.<br />
2 während meiner gesamten oberschulzeit absolvierte ich ein professionelles<br />
schwimmtraining.<br />
3 edward said, „Reflections on exile“.<br />
4 Deutsche Übersetzung zitiert nach tzvetan todorov, „Die eroberung<br />
amerikas. Das Problem des anderen“, frankfurt/main 1982,<br />
s. 294.<br />
59
weeKend dinners with<br />
the guests<br />
Jumana manna<br />
every time my parents would have guests over for<br />
dinner on weekends, sooner or later, the discussion<br />
would become political. if the guests are Jewish<br />
the conversation tends to lean towards criticism<br />
of israel. the mistreatment of the arab citizen.<br />
the cacophonies of the occupation. the general<br />
hopelessness. our neighbourhoods are neglected,<br />
we have no pavements, the children walk on the<br />
road on their way to school disrupting traffic. the<br />
inexistence of playgrounds transforms the 30 year<br />
old cracked paved streets into football fields, momentarily<br />
vanishing at the beep of a forthcoming<br />
car. the public schools are deficient. there is not<br />
enough space in the schools to accept all of the<br />
children in the arab sector. the education system<br />
is based on memorizing and not on educating. we<br />
are confronted with surprise checkpoints in east<br />
Jerusalem, making us late for work and the kids<br />
late, on our way to school.<br />
the traffic lights open for only 4 seconds for the<br />
intersection coming from an arab neighbourhood,<br />
keeping the “Jewish” lights open for much longer,<br />
with ignoring the fact that the “Jewish” light is relatively<br />
empty of cars, since they have alternative<br />
roads to take. the experiences of our treatment at<br />
the airport are always a hot topic. tales of hurt<br />
pride of our “integrated” family. our position as<br />
successful arabs in the country is smashed during<br />
those interrogations and meticulous bag checks<br />
which do not differentiate between the average and<br />
the “good” arab.<br />
Back to the dinner table. when arab guests are<br />
over, the conversations, still political, tend to be<br />
more self critical, this time complaints on the situation<br />
of the arabs. our backwardness, conservativeness,<br />
herd-like functioning, lack of initiative,<br />
fear of crossing the boundaries of social taboos<br />
and norms, the double standards, the pride, materiality,<br />
greed, never ending stories of inner disputes,<br />
both on a private-family level and a community-social<br />
level. we all want to be doctors and<br />
0 OVERLAPPING VOICES<br />
lawyers (not because the topics are necessarily interesting,<br />
but because it has good reputation)<br />
make a lot of money, and begin collecting our<br />
mercedes and Bmws. however, seldom were the<br />
discussions constructive. of course they were<br />
constructive in the sense of raising awareness, but<br />
rarely initiating change on a practical level. when<br />
did we plan to send appeals, create schools or<br />
raise cultural activity? Rarely, and those suggestions<br />
never surpassed being merely hypothetical.<br />
the general attitude is one of hopelessness. hopelessness<br />
towards the suppressing governmental<br />
system, alongside the inability to unite a group of<br />
arabs to fight for a common cause.<br />
School<br />
at age 15, i left the international anglican school of<br />
Jerusalem, to begin at the high school of arts, where<br />
i would finish my high school education. i was the<br />
only arab amongst the 700 students to ever enter my<br />
israeli-hebrew high school. i was told that the rumour<br />
that an arab was coming to the school had spread<br />
well before i came, and that for many months no one<br />
figured out who it was.<br />
on any topic needing the “other side’s” opinion they<br />
would – “ask the arab!”. so i became some form of<br />
diplomat of “my people”, as if my ideas were the<br />
common representation of the arabs’ point of view.<br />
“Death to the arabs” was shouted every time i<br />
passed the school’s ‘ars’ 1 , which made me offended<br />
and emotional, but also served the purpose of<br />
a short story to answering the commonly asked<br />
question, ‘how is it like to be in a all Jewish school?’.<br />
a painting of mine with arabic text was torn apart<br />
during the weekend of the elections, when our<br />
school served as a polling place during elections.<br />
this made it unclear if it was a student or an outsider.<br />
either how, i broke into tears at approaching<br />
the principle about what happened. he treated the<br />
matter well, joining the school in the auditorium,<br />
expressing his disapproval to the students regar-<br />
ding the terrible act that had happened over the<br />
weekend. he asked me to re-do the painting so he<br />
could hang it up in his office, which i gladly did.<br />
my first stirring art piece, sold for 100 shekels to<br />
my brother.<br />
i hated remembrance day, independence day and<br />
any other special day where the national anthem<br />
would be played in school. where i would feel totally<br />
out of place amongst the rest of my friends,<br />
who would all stand and sing, and i would very purposely<br />
remain seated. generally someone would<br />
nudge me and whisper, “just stand up, you don’t<br />
have to sing along”. my leftist artsy school remained<br />
more sympathetic than the national championships<br />
2 where there was a more accurate representation<br />
of the israeli public. i would try my best<br />
to plan the changing out of my clothes into my<br />
swimsuit right before the national anthem would<br />
be played during the opening ceremony, where an<br />
olympic stadium of hundreds of athletes would<br />
proudly rise from their seats and sing. i would<br />
be alone in the bathrooms roaming as i pleased,<br />
avoiding the two unwanted options of a) standing<br />
to the anthem or b) sitting and being stared at by<br />
everyone.<br />
Taking stands<br />
when asked where i am from, i answer, i am Palestinian,<br />
living in israel. But technically, i am israeli.<br />
But arab. it is never a one word answer. in addition,<br />
i am not able to give a straight short answer as to<br />
how i feel. to whom exactly i feel related. my feelings<br />
are mixed with upbringing, ideologies, experiences<br />
and what people project upon because of<br />
being defined as arab.<br />
my parents are both arab, muslims, both grew up<br />
in arab villages in the galilee area, in the north of<br />
the country. however, legally, i have no affiliation<br />
with the Palestinian people. i am a citizen of israel<br />
and of the United states (where i was born, but never<br />
lived).
my hebrew today, is stronger than my arabic in writing<br />
and reading. the majority of my friends are Jewish.<br />
therefore, there is no denying my affiliation<br />
to israel and my israeli identity. Us arab israelis are<br />
strange hybrid people, not fully belonging on either<br />
side. the (real) Palestinians tend to see us as collaborators,<br />
as a corrupted people, and the israelis<br />
see us as a critical infection of their society. we are<br />
the biggest bomb, the largest threat to the state, on<br />
its sacred demographic majority of Jews. we are<br />
(generally) the no-gooders on both sides.<br />
in political accords, we are never of any importance,<br />
the world is not fighting for our cause as they are<br />
for the Palestinians. at most, we are discussed in<br />
the issue of land swaps in the case of a peace treaty.<br />
who said that we want to be part of the future<br />
Palestinian state (a purely theoretical future state,<br />
which i have a hard time believing will ever come<br />
to be).<br />
who said the Palestinians of the west Bank will want<br />
us after 60 years of living in, and in many ways building,<br />
the enemy state? even if it is implemented politically,<br />
the gaps between the west Bankers and the<br />
‘arab israelis’ will most defiantly be there.<br />
who do we want to be a part of? are we more interested<br />
in becoming a true part of israel or strengthening<br />
our Palestinian identity? of course the future<br />
vision texts written by intellectuals from the Palestinian-israeli<br />
community, focus on strengthening our<br />
arab culture, autonomy, awareness, language and<br />
at the same time fighting for equality within the<br />
state.<br />
i personally don’t see the future visions as implementable.<br />
it would mean the destruction of the initial<br />
concept of state of israel for the Jews. the state<br />
is putting a great effort in suppressing and getting<br />
rid of, rather than increasing the equality of the 1.2<br />
million arab (or Palestinian)-israeli citizens.<br />
Language<br />
as a result of the education system and codes of<br />
success in society, arabs find it very important to<br />
perfect their hebrew. many times, this comes at<br />
the expense of their arabic skills, making them below<br />
average on both. most arabs insert a large<br />
amount of hebrew words when they are speaking<br />
arabic (which is looked down upon by west<br />
Bankers).<br />
when arabs speak hebrew, they have a distinct<br />
accent which makes it easy to distinguish an arab<br />
from a Jew. treatment of customers, interaction in<br />
public spaces, in social situations etc. is in accordance<br />
to how you are categorized, accent being<br />
a main factor. everyday, i experience what difference<br />
it is to be camouflaged under a Jewish-israeli<br />
ashkenazi accent. when i speak, it is not possible<br />
to distinguish my background. By the time<br />
people ask and find out the unbelievable truth, that<br />
in fact, i am arab, the stereotype of the arab has<br />
already been broken, making it difficult for the new<br />
acquaintance to return to point a. of throwing me<br />
into the unwanted category of arabs. it is important<br />
to mention that being a female helps, being<br />
the more sympathetic of the two sexes. of course,<br />
ways of dress, hairstyles, makeup and features are<br />
part of the stereotype build and break.<br />
the Jewish majority, do not speak arabic what so<br />
ever. this enforces the difference between us and<br />
them, and the dominance of the language and<br />
hence the people over the area. arabic is the second<br />
formal language in the country, yet many<br />
times it is missing in public space. it is taught very<br />
poorly in hebrew schools, and rarely do israelis<br />
feel the need to learn the language. several arabic<br />
words have been adopted into the hebrew<br />
slang, yet many times the hebrew speakers are not<br />
aware of the fact that these are arabic words, and<br />
continue to misuse the words until their misuse<br />
becomes their new form of correct use.<br />
however, languages do develop in this way, making<br />
them non-static and ever changing according<br />
to historical events. is it possible to look at this phenomenon<br />
as a positive one? maybe it needs to be<br />
more balanced for that to happen, because for<br />
now, the main side benefiting is the Jewish one,<br />
for they are not losing as much of their ability in<br />
language on the expense of adopting new words<br />
from arabic. furthermore, traditions are invented,<br />
and sometimes fabricated. there is no such thing<br />
as pure culture. Palestinians have not always been<br />
arab. it was not till the arab-muslim expansion that<br />
the Palestinians, or the groups living in Palestine,<br />
became included in what we see today as the arab<br />
world. how large are the possibilities of our creating<br />
different or hybrid traditions, considering our<br />
small number, and our encirclement of arab states<br />
and most importantly our segregation from the Jewish<br />
israeli society. how can the Jews and Palestinians<br />
in israel build a society that will not be of<br />
infection of each other, but rather enrichment.<br />
i see language as an important factor of identity<br />
molding. who you identify with, where you do or<br />
can fit in, and the way you are accepted amongst<br />
others.<br />
Uprootment<br />
“how then, does one surmount the loneliness of<br />
exile without falling into the encompassing and<br />
thumping language of national pride, collective<br />
sentiments, group passions? what is there worth<br />
saving and holding on to between the extremes of<br />
exile on the one hand, and the often bloody minded<br />
affirmations of nationalism on the other?” 3<br />
is nationalism only a form of paranoia? Just a result<br />
of insufficiency within human beings, both as<br />
groups and individuals? the so called developed<br />
countries, who have enjoyed peace and independence<br />
for decades in a place they call home, seem<br />
more interested in breaking the exaggerated nationalistic<br />
pride, and aim for a global identity. it is<br />
a shame that we Palestinian israelis, or whatever<br />
we want to call ourselves, are so behind. the trans-<br />
european nationalism hit the arabs late, around<br />
the early-mid 20th century. still today, the arabs<br />
in israel have not formed a strong enough base.<br />
we still suffer from an inability of belonging or self<br />
definition. Unfortunately, i am unable to realize any<br />
positive aspects of this, at least not on a group level.<br />
we are uprooted, yet still laying in our soil. to<br />
be rooted, is perhaps the most important and least<br />
recognized need of the human soul, and not least,<br />
to feel secure.<br />
“the man who finds his homeland sweet is still a<br />
tender beginner; he to whom every soil as his native<br />
one is already strong; but the is perfect to<br />
whom the entire world is a foreign land.”, (victor<br />
hugo). – we are most defiantly beginners.<br />
1 (originally taken from arabic, adopted to the israeli slang describing<br />
a common ‘type’ of israeli who spends much time slicking his<br />
hair, considered to be dressed with bad taste, or low cultured<br />
taste, obnoxious, rude and like to pimp their cars. are generally<br />
accompanied by a ‘frekha’ the female equivalent, [Bimbo]. on<br />
this note, most young arab men are considered to be arsim<br />
amongst the israeli public).<br />
2 all throughout high school i trained professionally as a swimmer.<br />
3 Reflections on exile, edward said.<br />
1
statement fuer wien<br />
Yoav weiss<br />
1. als ich nach wien kam, spürte ich eine veränderung<br />
in meiner identität als israeli, in der die jüdische<br />
komponente bisher eine eher unwichtige<br />
Rolle gespielt hatte. ich wurde mir plötzlich meiner<br />
heiklen Position in Österreich bewusst: wäre<br />
ich vor 70 Jahren hier gewesen, hätte man mich<br />
wahrscheinlich wie eine Ratte vernichtet. Und hier<br />
bin ich nun, im land von hitler und freud, wittgenstein,<br />
mozart und klimt, im land des anschlusses.<br />
Und der deutschen sprache, von der<br />
wir in israel nur ganz spezielle ausdrücke lernen:<br />
achtung!, Raus!, aktion, transport, „arbeit macht<br />
frei“, Buchenwald, führer etc.<br />
Die landschaft, die architektur, das essen … alles<br />
ist so europäisch, so bekannt aus den nachmittagsfilmen<br />
im fernsehen am holocaust memorial<br />
Day. ich verstehe, dass es sich hier um meine<br />
konditionierung handelt. ich weiß, dass „arbeiten“<br />
nur „to work“ heißt und dass Buchenwald nur ein<br />
wald voller Buchen ist; dass die menschen, die<br />
ich um mich herum sehe, nicht die menschen<br />
sind, die die generation meiner großeltern umgebracht<br />
haben; aber ich kann fühlen, wie meine jüdische<br />
identität wichtiger wird als meine identität<br />
als israeli.<br />
vor kurzem entdeckte ich einen Brief von ephraim<br />
gover, einem jüdisch-palästinensischen soldaten<br />
in der britischen armee. er drückt in gewisser<br />
weise meine gefühle bei meinem wien-Besuch<br />
aus. Der an seine familie in Palästina gerichtete<br />
Brief trägt das Datum 21. Juni 1945:<br />
langsam, langsam kamen wir aus den alpen heraus<br />
ins hügelland. um uns herum: das deutsche<br />
Österreich. wir erreichten Klagenfurt, etwa 70 km<br />
von der Grenze entfernt. die stadt ist fast unbeschädigt.<br />
die lage ist nicht toll: Viele Geschäfte<br />
sind geschlossen, die menschen stehen schlange<br />
um nahrungsmittel. aber die stimmung ist<br />
deutsch, und deutsche menschen leben ihr normales<br />
leben weiter. an den ufern des großen sees<br />
liegen schöne ferienanlagen. deutsche sitzen auf<br />
dem rasen, sonnen sich und freuen sich des<br />
lebens.<br />
wenn ich das sehe, überkommen mich wut, ohnmacht<br />
und neid: unsere mörder sind frei, gut angezogen<br />
und leben im schoße ihrer familien, während<br />
wir durch ein von ihren „netten“ taten<br />
verfluchtes europa treiben. es ist schwer, durch<br />
2 OVERLAPPING VOICES<br />
die straßen zu gehen und zu hören, wie sie alle<br />
ihre verfluchte sprache sprechen, ihre gefassten,<br />
ruhigen Gesichter und ihren selbstbewussten stolz<br />
zu sehen, als wären sie die herren dieses landes.<br />
man sieht in ihren Gesichtern nicht eine spur von<br />
scham oder reue.<br />
einmal saß ich in einer straßenbahn neben einem<br />
jungen deutschen, der behaglich in einem Buch<br />
las. ich konnte es nicht ertragen und trat ihm auf<br />
den fuß. er schaute auf, und als er sah, wer ich<br />
war, stand er auf und stieg aus.<br />
gover wurde am 26. märz 1948 im alter von 21<br />
Jahren in israels Unabhängigkeitskrieg, auch als<br />
nakba bekannt, getötet.<br />
2. in israel reicht das politische spektrum von ultrarechten<br />
Rassisten aus den siedlungen tapuach<br />
und kiryat arba über die liberale mitte-rechts-Partei<br />
likud, die eine eiserne hand, aber auch frieden<br />
möchte, die mitte-links-arbeitspartei, die frieden,<br />
aber auch eine eiserne hand möchte, und<br />
die zionistische linkspartei, die frieden und gar<br />
keine eiserne hand möchte, bis zur nicht-/post-/<br />
antizionistischen linken, die eine lösung für den<br />
konflikt möchte, in der territoriale Zugeständnisse,<br />
ein Rückkehrrecht und gleiche Rechte für die palästinensischen<br />
Bürger israels enthalten sind. so<br />
weit das sichtbare spektrum. es gibt darüber hinaus<br />
noch, unsichtbar, aber doch spürbar, das palästinensische<br />
spektrum von der pragmatischen<br />
nationalistischen Plo über die etwas weniger pragmatische<br />
religiöse hamas bis zum absolut fanatischen<br />
islamischen Dschihad und anderen.<br />
mit meiner künstlerischen arbeit und meiner politischen<br />
einstellung würde man mich ins linke,<br />
vielleicht sogar extrem linke lager der israelischen<br />
Politik einordnen, aber innerhalb des gesamten<br />
spektrums befinde ich mich eigentlich eher in einer<br />
ziemlich zentralen Position.<br />
3. Das israelische außenministerium und seine Diplomaten<br />
behaupten oft, kritik an israel und seiner<br />
Palästinenserpolitik sei ausdruck eines latenten<br />
antisemitismus (eine Behauptung, die ich<br />
immer für lächerlich hielt: könnte es eine bessere<br />
art geben, kritik zu vermeiden, als die kritiker des<br />
antisemitismus zu beschuldigen?). in Österreich<br />
hörte ich jedoch von einer Reihe von leuten, nicht<br />
unbedingt Juden oder Zionisten, dass ein teil der<br />
kritik an israel seine wurzeln im traditionellen europäischen<br />
antisemitismus hat, und ich habe keinen<br />
grund, ihnen nicht zu glauben.<br />
so ändert also, genau wie meine identität sich bei<br />
meiner ankunft in Österreich wandelte, meine politische<br />
welt ihre Bedeutung. meine anstrengende<br />
opposition gegen die Besetzung entspringt einer<br />
zutiefst patriotischen Quelle. ich glaube einfach<br />
nicht, dass israel lang existieren kann – politisch,<br />
wirtschaftlich, kulturell, geistig –, wenn es den<br />
klotz der Besetzung am Bein hat. wenn aber<br />
meine arbeit schlussendlich antisemitischen strömungen<br />
in der österreichischen gesellschaft noch<br />
auftrieb gibt, dann wäre es vielleicht besser, überhaupt<br />
keine arbeiten zu zeigen. andererseits muss<br />
es in europa ein forum der legitimen opposition<br />
gegen die Politik israels geben.<br />
4. wenn kritik an der israelischen Palästinenserpolitik<br />
tatsächlich ein ventil für den antisemitismus<br />
darstellt, beweist dies, dass die geschichte<br />
einen bitteren und ironischen sinn für humor hat.<br />
hätte der antisemitismus im allgemeinen und besonders<br />
die bösartige liquidierung des europäischen<br />
Judentums unter den nazis europa nicht<br />
unbewohnbar für die Juden gemacht, dann wären<br />
sie nicht nach Palästina ausgewandert. in ihrem<br />
Buch „land and Power“ schreibt anita shapira,<br />
dass man jemandem, der in Palästina im Jahr<br />
1938 gesagt hätte, in zehn Jahren würde es einen<br />
jüdischen staat geben, halluzinationen unterstellt<br />
hätte. es ist klar, dass der holocaust ein direkter<br />
vorläufer der nakba war. ich schreibe dies nicht,<br />
um israel oder die zionistische Bewegung von ihrer<br />
verantwortung freizusprechen, sondern um zu<br />
sagen, dass die europäer erst lange und sorgfältig<br />
in den spiegel schauen müssen, bevor sie das leid<br />
der Palästinenser als ausrede für eine antisemitische<br />
agenda verwenden.
Vienna statement<br />
Yoav weiss<br />
1. coming to vienna i felt my identity as an israeli,<br />
in which the Jewish component plays a rather<br />
minor role, change. i abruptly became aware of my<br />
delicate position in austria: had i been here 70<br />
years ago i would likely have been exterminated<br />
like a rat. But here i am, in the land of hitler and<br />
freud, of wittgenstein and mozart and klimt and<br />
the anschluss. and the german language of which<br />
we in israel learn only very specific terms: achtung!,<br />
Raus!, aktion, transport, “arbeit macht frei”,<br />
Buchenwald, fuehrer, etc.<br />
the landscape, the architecture, the food … everything<br />
is so european, so familiar from holocaustmemorial-day-afternoon-movies<br />
on tv. i understand<br />
that this is my conditioning. i know that<br />
‘arbeiten’ just means ‘to work’ and that Buchenwald<br />
is just a forest of beech trees; that the people<br />
i see around me are not the people who murdered<br />
my grandparents’ generation; but i sense<br />
my israeli-ness taking a back seat to Jewishness.<br />
i recently found a letter written by ephraim gover, a<br />
Jewish Palestinian soldier in the British army. it expresses<br />
in a way my feelings visiting vienna. the letter,<br />
to his family in Palestine, is dated June 21, 1945:<br />
slowly slowly we came out of the alps toward the low<br />
hills. around us: German austria. we reached Klagenfurt,<br />
about 70 km. from the border. the city is almost<br />
undamaged. the situation isn‘t great: many<br />
stores are closed, there are lines for food. But there<br />
is a German ambiance, and German people are continuing<br />
their normal life. on the banks of the big lake<br />
there are beautiful resorts. Germans are sitting on<br />
the lawns, sunning themselves and enjoying life.<br />
when i see this i am overcome with rage, impotence<br />
and envy: our murderers are free, well<br />
dressed and live in the bosom of their families<br />
while we drift around a europe cursed by their<br />
“pretty” actions. it is difficult to walk in the street<br />
and hear everyone speaking their cursed tongue,<br />
to see their cool quiet faces and their self-confident<br />
pride, as if they were the lords of this land.<br />
one cannot see in their faces any hint of embarrassment<br />
or remorse.<br />
once i was sitting on a tram-car next to a young German<br />
who was comfortably reading a book. i couldn‘t<br />
bear it and stepped on his foot. he looked up and<br />
when he saw who i was, got up and left.<br />
gover was killed on march 26, 1948 at age 21 in<br />
israel’s war of independence also known as the<br />
nakba.<br />
2. in israel, the political spectrum ranges from the<br />
ultra-right wing racists from the settlements tapuach<br />
and kiryat arba to the liberal-right-of-centre<br />
likud party which wants an iron fist but also peace,<br />
to the centre-left labour party which wants peace<br />
but also an iron fist, to the Zionist left-wing which<br />
wants peace and no iron fist at all, to the non/post/<br />
anti-Zionist left which wants a solution to the conflict<br />
which would include territorial concessions,<br />
right-of return and equal rights for israel’s Palestinian<br />
citizens. this is the visible spectrum. however,<br />
beyond it, invisible yet palpable, is the Palestinian<br />
spectrum of the pragmatic nationalist Plo,<br />
the somewhat less pragmatic religious hamas, to<br />
the absolutely fanatical islamic Jihad and others.<br />
thus my artwork and my politics would place me<br />
to the left, maybe extreme left, of israeli politics<br />
but actually in a fairly central position if one takes<br />
the whole spectrum into account.<br />
3. the israeli foreign ministry and its diplomats often<br />
claim that criticism of israel and its policies visà-vis<br />
the Palestinians is an expression of latent<br />
anti-semitism [a claim i always thought ridiculous:<br />
what better way to avoid criticism than to accuse<br />
the critics of anti-semitism]. however, in austria i<br />
have heard from a number of people, not necessarily<br />
Jews or Zionists, that some of the criticism<br />
of israel has roots in the traditional european antisemitism<br />
and i take it on faith that this is true.<br />
so, just as my identity shifted as i arrived in austria,<br />
my politics change their meaning. my strenuous<br />
opposition to the occupation springs from a deeply<br />
patriotic source. i simply don’t think that israel can<br />
exist for long – politically, economically, culturally,<br />
spiritually – while the albatross of the occupation<br />
hangs about its neck. But if this work ends up fuelling<br />
anti-semitic currents in austrian society then<br />
perhaps it is better not to show work at all. on the<br />
other hand, there must exist in europe a forum of<br />
legitimate opposition to israel’s policies.<br />
4. if indeed criticism of israel’s policies toward the<br />
Palestinians is an outlet for anti-semitism, then it<br />
is proof that history has a bitter and ironic sense<br />
of humour. had anti-semitism in general and the<br />
vicious liquidation of europe’s Jewry under the nazis<br />
not made europe uninhabitable for Jews; the<br />
Jews would not have migrated to Palestine. in her<br />
book “land and Power” anita shapira writes that<br />
if anyone in Palestine had said in 1938 that within<br />
ten years there would be a Jewish state, they would<br />
have been regarded as hallucinating. it is clear that<br />
the holocaust directly precipitated the nakba.<br />
i am not writing this to absolve israel or the Zionist<br />
movement of its responsibility, but to say that europeans<br />
must take a long and careful look in the<br />
mirror before using the Palestinians’ suffering as<br />
an excuse for an anti-semitic agenda.<br />
3
Tal adler<br />
1969 born in Jerusalem, Israel<br />
lives and works in Israel<br />
educaTIon and awards:<br />
2006 First prize, Friends of the Academy of Fine Arts,<br />
Vienna, A<br />
2004 – 2006 Magister Diploma in Art, Academy of Fine<br />
Arts, Vienna, A<br />
2002 First prize for social responsible project, for the<br />
Pettek project, Minimum Prize; Arte al Centro –<br />
2002, Fondazione Pistoletto, Biella, I<br />
2000 Residency – Unidee 2000, Fondazione Pistoletto,<br />
Biella, I<br />
1999 Residency – Fondazione Pistoletto, Biella, I<br />
1997 – 1999 Post Grad/Advanced Studies in Fine Arts –<br />
Bezalel Academy of Art & Design, Department of<br />
Fine Arts, Jerusalem, Israel<br />
1994–1996 The Sam Spiegel Film & Television School,<br />
Jerusalem, Israel<br />
1993–1994 Courses in history of art, Israeli University,<br />
Jerusalem, Israel<br />
1990–1993 Musrara School of Photography and<br />
New Media, Jerusalem, Israel<br />
selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />
Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />
(Group)<br />
2006 “Unrecognized”, launching of the travelling exhibition<br />
about the Unrecognized Bedouin villages<br />
in the Negev, Israeli Centre for Digital Art, Holon,<br />
Israel (Solo)<br />
2005 “Three cities against the wall”, exhibition against<br />
the separation wall, Israel / Palestine / USA (Group)<br />
2003 “The promise, the land”, OK Centrum, Linz, A (Group)<br />
2002 “Big Torino” Biennial for young art, Torino, I (Group)<br />
1994 “Nidbach” project, the Jerusalem Artists’ House,<br />
Jerusalem, Israel (Solo)<br />
66 OVERLAPPING VOICES<br />
arTIsT sTaTemenT<br />
Ich sehe mich selbst als Aktivist im kulturellen und sozialen Sinn und versuche,<br />
kreative Fähigkeiten und die Plattformen der Kunst für sozialen und<br />
politischen Wandel einzusetzen. Ohne ästhetische und künstlerische Werte<br />
zu vernachlässigen, zielen meine Projekte darauf ab, die Grenzen des Konformismus<br />
in der Kunst zu durchbrechen und einen gangbaren Weg zu finden,<br />
um sozial und politisch Einfluss zu nehmen. Ich setze mich hauptsächlich<br />
mit Themen aus meinem eigenen Umfeld auseinander, das im Zentrum<br />
starker ethnischer, nationaler und religiöser Konflikte liegt. Ich versuche,<br />
vage und elitäre Haltungen zu vermeiden. Stattdessen benutze ich Fotografie,<br />
Journalismus, das Internet, Straßenschilder, E-Mail und andere Massenkommunikationsmittel<br />
in meiner Arbeit, um größere Gruppen in meine<br />
Projekte einzubeziehen.<br />
Das Projekt „Unrecognized“ (Nicht anerkannt) ist eine Zusammenarbeit mit<br />
dem Regional Council for Unrecognized Bedouin Villages in the Negev<br />
(RCUV – Regionalrat für nicht anerkannte Beduinendörfer im Negev, eine<br />
Nichtregierungsorganisation, die sich für die Anerkennung dieser Dörfer<br />
und ihre gesellschaftliche Gleichstellung einsetzt) und mit einzelnen Führungspersönlichkeiten<br />
und Vertretern der nicht anerkannten Beduinendörfer.<br />
2008, im fünften Jahr seines Bestehens, wird dieses Projekt erweitert.<br />
Die Wanderausstellung „Unrecognized“ erzählt die Geschichte einer zum<br />
Schweigen gebrachten und marginalisierten ethnischen Gruppe in Israel,<br />
der Beduinen im Negev. Das Projekt umfasst eine Wanderausstellung, Vorträge,<br />
Workshops, Meetings und Veranstaltungen, die Bewusstsein schaffen<br />
und falsche Vorstellungen über die Beduinen im Negev beseitigen<br />
sollen.<br />
Ein neues Feature des Projektes ist eine Internetplattform, auf der jedes<br />
Dorf eine Homepage erstellen und ins Netz stellen kann, ohne auf die Hilfe<br />
oder Vermittlung von externen Organisationen und Aktivisten angewiesen<br />
zu sein.<br />
Derzeit entsteht ein kurzer Film über die Themen Vertretung, Vermittlung,<br />
Übersetzung und Kulturaktivismus als reflexive Debatte unter den aktiven<br />
Menschen im Negev.
I see myself as a cultural and social activist; I try to utilize creative capabilities<br />
and the art platforms for social and political change. Without neglecting<br />
aesthetic and artistic values, my projects aim to break through the boundaries<br />
of conformity in art and to generate a viable social and political influence.<br />
Dealing mainly with issues from my own environment, deep in the heart of<br />
ethnic, national and religious conflicts, I try to avoid a vague and elitist attitude.<br />
Instead, I use photography, journalism, internet, street signs, mail and<br />
any other mass-reaching platforms in my work, to involve bigger communities<br />
in my projects.<br />
The “Unrecognized” project is a co-operation with the ‘Regional Council for<br />
Unrecognized Bedouin Villages in the Negev’ (RCUV is a non-governmental<br />
organization aiming for the recognition of these villages and for civil equality)<br />
and with individual leaders and representatives of the various unrecognized<br />
Bedouin villages. 2008 is the fifth year of this on-going collaboration and the<br />
expansion of the project.<br />
The travelling exhibition “Unrecognized” tells the stories of one of the silenced<br />
and marginalized ethnic communities in Israel; the Bedouin of the Negev.<br />
The project includes the travelling exhibition, lectures, workshops, meetings<br />
and events aimed at raising awareness and changing misleading conceptions<br />
about the Bedouin of the Negev.<br />
A new feature of the project is an internet platform which will enable the different<br />
villages to create their own homepages and upload them on the internet,<br />
without the need for mediation or representation by organizations and<br />
activists outside their communities.<br />
A short film dealing with these issues of representation, mediation, translation<br />
and cultural activism is being made at the moment as a reflexive debate<br />
among the active individuals in the Negev.<br />
dIe nIchT anerkannTen beduInendörfer In Israel<br />
Etwa 160.000 Beduinen, israelische Staatsbürger, leben gegenwärtig im<br />
Negev, Israels südlichster Region. Mehr als 80.000 von ihnen leben in 45<br />
„unrecognized villages“: Es sind dies Dörfer, die vom Staat nicht offiziell anerkannt<br />
werden, mit jeweils 500 bis 5.000 Einwohnern. Diese Dörfer gehören<br />
keiner kommunalen Körperschaft an, und ihre Einwohner haben keine<br />
Infrastrukturversorgung mit Wasser, Strom oder Kanalisation, keine planierten<br />
Straßen oder Müllabfuhr. Viele dieser Dörfer haben keine ärztliche Versorgung,<br />
keine Schulen oder Kindergärten. Zahlreiche dieser Häuser oder gar<br />
Zelte werden vom Staat alljährlich zerstört. Aus Angst vor der nächsten Abrisswelle<br />
leben viele Einwohner dieser Dörfer in Wellblechhütten, wo sie im<br />
Sommer unter extremer Hitze und im Winter unter eisiger Kälte leiden.<br />
Seit Ende der 1960er Jahre hat der Staat Israel sieben kleine Städte für die Ansiedlung<br />
der Beduinen aus dem Negev gebaut. Die Beduinen, die in diese<br />
Städte zogen, waren gezwungen, die wichtigsten Quellen ihres Lebensunterhalts<br />
aufzugeben: Herdenwirtschaft und Agrikultur. In diesen Kleinstädten<br />
jedoch kann kein brauchbarer, alternativer Lebensunterhalt gefunden werden.<br />
Bis heute sind die beduinischen Städte führend in der Liste der ärmsten<br />
Ansiedlungen in Israel.<br />
The unrecognIzed bedouIn vIllages In Israel<br />
About 160,000 Bedouin citizens of the State of Israel currently live in the<br />
Negev, Israel’s southern region. Over 80,000 of them live in 45 unrecognized<br />
villages whose populations range from 500 to 5,000 residents. These villages<br />
do not belong to any regional councils, and their residents do not have any<br />
water, electricity or sewage infrastructure, paved roads, garbage disposal,<br />
etc. Many of these villages have no clinics, schools or kindergartens. Countless<br />
dwellings, and even tents, are destroyed by the State every year. Many<br />
residents of these villages, fearful of the next wave of demolitions, live in corrugated<br />
iron shacks, suffering from extreme heat in the summer and freezing<br />
cold in the winter. Since the end of the 1960s, the state of Israel has constructed<br />
seven towns to settle the Negev Bedouin. Those Bedouin moving to<br />
the towns had to give up their main sources of livelihood: herding and agriculture.<br />
No alternative viable livelihood was to be found there. Until this day,<br />
the Bedouin towns in the Negev head the list of the poorest localities in<br />
Israel.<br />
67
68 OVERLAPPING VOICES<br />
TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />
AL-ARAQIB – SAyAH AL-TURI (S. / P. 67)<br />
ABU TELUL – WESAL AND NADIA AL-FAyUMI AT BEN GURION UNIVERSITy<br />
AL-HUMRA – KHALIL AL-QURAN IN HIS GROCERy SHOP<br />
AL-BAT – ALI ABU SEBAyEH AND HIS DAUGHTER (S. / P. 69)
Al-Bat – Ali Abu Sebajeh und seine Tochter<br />
Von einer Geschichte bin ich jedesmal vollkommen eingenommen: Es ist das die<br />
Geschichte eines Beduinen, der am Markt einen Kanister Olivenöl und ein Bündel<br />
Datteln kaufte. Den langen Nachhauseweg zu seinem Feldlager legte er zu<br />
Fuß zurück, Dutzende Kilometer unter der sengenden Sonne des Negev. War er<br />
hungrig, aß er von den Datteln. War er durstig, nahm er ein Schlückchen Öl. Als<br />
er zu Hause ankam, war der Ölkanister leer. Auch wenn das nicht der tiefere Sinn<br />
der Geschichte ist, so zeigt sich darin der Stellenwert des Olivenöls in der Speisekarte<br />
der Beduinen und die davon konsumierten Mengen. Das Olivenöl ist ein<br />
zentraler Bestandteil der einfachen beduinischen Küche, und es werden ihm<br />
zahlreiche gesunde und besondere Eigenschaften zugeschrieben. Eine durchschnittliche<br />
Beduinenfamilie verbraucht über hundert Liter Olivenöl im Jahr.<br />
Vor ungefähr zwanzig Jahren pflanzten Ali Abu Sebajeh und sein Vater etwa 80<br />
Olivenbäume auf ihrem Land, in dem nicht anerkannten Dorf al-Bat. Es ist naheliegend,<br />
dass gerade Oliven angepflanzt wurden – nicht nur aufgrund ihrer geschilderten<br />
Bedeutung, sondern auch aufgrund des akuten Wasserproblems.<br />
Anfang der 80er Jahre installierte die nationale Wassergesellschaft Mekorot<br />
zwar an der Hauptstraße, außerhalb des Dorfes, einen Wasseranschluss, doch<br />
alle Dorfbewohner sind sich dessen bewusst, dass man dieses Wasser nur zum<br />
Trinken benutzen darf. Obwohl die Einwohner von al-Bat auf ihrem eigenen Land<br />
wohnen und wissen, dass ihre Familien dort mindestens zehn Generationen zurückreichen,<br />
ist es ihnen seit 1948 verboten, Bäume auf ihrem Grund anzupflanzen<br />
oder sie zu bewässern. Wenn sie trotzdem welche pflanzen, werden die Setzlinge<br />
meistens von den Inspektoren der Grünen Patrouille ausgerissen.<br />
Trotz aller Befürchtungen pflanzten Ali und sein Vater die Setzlinge. Die meisten<br />
starben, da eine reguläre Bewässerung fehlte, doch die zehn Bäume, die überlebten,<br />
begann Ali mit Wasserkanistern zu gießen, die er auf einen Anhänger<br />
lud. Heute gewinnt er aus den Bäumen um die sechzig Liter Öl im Jahr. „Ein<br />
Olivenbaum ist etwas Internationales“, sagt er. „Oliven sind gesund, und das<br />
steht im Koran, in der Tora und auch in christlichen Schriften.“ Wenn man von<br />
Frieden redet, schwenkt man einen Olivenzweig. Wenn er also ein Symbol des<br />
Friedens ist, warum soll man ihn fürchten? Wir alle müssen den Olivenbaum<br />
hüten und uns Sorgen machen, wenn sie eine Olive entwurzeln. Aber für mich<br />
ist es bedeutungslos, ob er ein Friedenssymbol ist oder nicht. Ich liebe Olivenöl,<br />
und um Olivenöl zu erhalten, muss ich einen Olivenbaum pflanzen, so ist das.<br />
Das ist meine Geschichte.“<br />
Al-Bat – Ali Abu-Sebayeh and his daughter<br />
I am always touched by the story of the Bedouin tribesman who bought a jar<br />
of olive oil and a bundle of dates from the market. The long journey back home<br />
to his encampment was on foot, tens of miles away with the heat of the Negev<br />
sun beating down on him. When hungry, he ate dates. When thirsty, he took a<br />
sip of oil. Upon arriving home, the oil jar was empty. Even if it is not the purpose<br />
of the story, it demonstrates the place of olive oil in the Bedouin diet, and<br />
the quantities consumed. Olive oil is one of the central ingredients of basic Bedouin<br />
cooking and many health and other virtues are attributed to it. The average<br />
Bedouin family consumes over one hundred liters of olive oil a year.<br />
Twenty years ago, Ali Abu-Sebayeh and his father planted 80 olive trees on<br />
their land, in the unrecognized village of Al-Bat. The choice of olives is obvious,<br />
not only because of the importance of the olive, but also because of an<br />
acute water problem. Although Mekorot (the Israeli water company) had installed<br />
a water distribution point on the main road, outside the village, in the early<br />
1980s all the village residents are well aware that the water is for drinking purposes<br />
only. Even though the inhabitants of Al-Bat live on their own land, and<br />
know that their families have lived there for at least ten generations, they have,<br />
since 1948, been prohibited from planting trees on their land or watering them.<br />
And even when they do plant, Green Patrol inspectors, for the most part, uproot<br />
the saplings.<br />
Despite apprehensions, Ali and his father planted saplings. Most died due to<br />
a lack of regular irrigation, but Ali began to water the ten surviving trees from<br />
jerricans he would load onto a pick-up truck. Today, he gets about sixty liters<br />
of oil a year out of the trees. “The olive tree is international”, he says. “The olive<br />
is healthy, and it is mentioned in the Koran, as well as in the Torah and in Christian<br />
writings. When talking about peace, the olive branch is held up. So, if it is<br />
a symbol of peace, why fear it? We all need to care for the olive tree and worry<br />
when an olive tree is uprooted. But to me it does not matter if it is a peace symbol<br />
or not. I love olive oil, and to get olive oil, I need to plant an olive tree, that’s<br />
it, this is my story.”<br />
69
Al-Fura’a – Taleb Suleiman, Mussa Ibrahim und Muhammad Salama Qabu’a<br />
Einmal, vor langer Zeit, da gehörte der ganze Negev den Beduinen. Damals, vor<br />
langer Zeit, da ritten sie auf Kamelen und überwanden blitzschnell sagenhafte<br />
Entfernungen. Damals, vor langer Zeit, da gab es Weizen- und Gerstefelder, und<br />
die Beduinen ließen ihre Viehherden frei weiden. Damals, vor langer Zeit, da gab<br />
es keine planierten Straßen, und die Autos donnerten nicht von Ort zu Ort. Damals,<br />
da gab es keine Schulen, Polikliniken, Universitäten, Einkaufszentren.<br />
Die Welt hat sich verändert, doch in den nicht anerkannten Dörfern gibt es noch<br />
immer keine befestigten Straßen. Im Winter, nach den Regenfällen, verwandeln<br />
sich die Wege in den Dörfern in langgezogene Schlammfallen. Jede Vertiefung<br />
im Weg wird zu einem Schlammloch, jede Rinne zu einem Bach, der gefährlich<br />
zu passieren ist. Im Winter ist das Leben siebenmal so schwer. In den Wellblechhütten<br />
ist es bitterkalt. Es gibt keinen Strom, und mit dem kleinen Generator<br />
draußen lässt sich ein Haus nicht heizen. Es ist gefährlich, das Wadi auf dem<br />
Weg zur Schule, zur öffentlichen Krankenstation, zur Arbeit oder zu den Nachbarn<br />
zu durchqueren – man kann von der Strömung mitgerissen werden. Es sind<br />
dabei schon Leute umgekommen.<br />
Wenn sie aus dem Haus gehen, sind die Einwohner der nicht anerkannten Dörfer<br />
gezwungen, durch den kalten Schlamm zu waten. Im Winter versäumen die<br />
Kinder häufig den Unterricht. Die Schulbusse weigern sich, in die Dörfer hineinzufahren.<br />
Zu viel Schlamm, man kann stecken bleiben. Sind die Kinder schon<br />
in der Schule und es beginnt zu regnen, müssen sie in den Klassenzimmern<br />
oder bei Leuten übernachten, die in der Umgebung wohnen. Die wenigen, denen<br />
es gelingt, Studenten zu werden, verlassen das Haus zwei Stunden vor dem<br />
Unterrichtsbeginn, stapfen etwa eine halbe Stunde durch den Schlamm bis zur<br />
Hauptstraße, wechseln die Schuhe und die Hosen und warten auf eine Fahrgelegenheit<br />
nach Be’er-Scheva.<br />
Die medizinischen Notfälle sind im Winter besonders schlimm, doch die Krankenwagen<br />
fahren zu keiner Jahreszeit ins Dorf hinein. Wenn man wegen eines<br />
Notfalls den Roten Davidstern anruft, erhält man die immer gleiche Anweisung:<br />
außerhalb des Dorfes auf die Ambulanz warten, an der Hauptstraße. Wenn kein<br />
Privatfahrzeug vorhanden ist, das eine Frau in den Wehen oder einen blutenden<br />
Verletzten zur Straße bringt, kann das ein schlimmes Ende nehmen.<br />
Das nicht anerkannte Dorf al-Fura’a hat ca. 4.500 Einwohner, davon um die<br />
1.200 Kinder. Einige der Wohlhabenden unter den Dorfbewohnern haben beschlossen,<br />
etwas zu tun, und haben eine Straße von der Hauptstraße zur Schule<br />
gebaut. Da man keine Genehmigung für eine Asphaltstraße bekam, hat man das<br />
Erdreich planiert. 60.000 Schekel wurden in diese kleine Straße investiert. Als<br />
der Regen kam, wurde alles davongeschwemmt<br />
70 OVERLAPPING VOICES<br />
Al-Fura’a – Taleb Suleiman, Mussa Ibrahim and Muhammad Salama Qabu’a<br />
Once upon a time, the entire Negev belonged to the Bedouin. Once upon a<br />
time, they rode camels and travelled legendary distances with speed. Once<br />
upon a time, there were fields of wheat and barley, and Bedouin shepherds<br />
tended their flocks freely. Once upon a time, there were no paved roads, no<br />
cars racing from place to place. Once upon a time, there were no schools, or<br />
health clinics, or university, or shopping malls.<br />
The world has changed, but the unrecognized villages still do not have paved<br />
roads. In winter, after it rains, all the paths in the village are transformed into<br />
long muddy traps. Every depression becomes a puddle, every gully becomes<br />
a hazardous river to cross. In winter, life is difficult sevenfold. It is very cold in<br />
the corrugated iron shacks. There is no electricity, and the small generator outside<br />
cannot heat the home. It is dangerous to cross the valley on the way to<br />
school, to the health clinic, to work or to the neighbours; one can get swept<br />
away in the current. People have already died that way.<br />
Upon leaving home, residents of an unrecognized village are obliged to tramp<br />
through the cold mud. In winter, children miss many days of school. The special<br />
buses that take the children to school refuse to enter the village. There is<br />
a lot of mud around, and they are liable to get stuck. If the children are already<br />
at school, and it begins to rain, they have to stay over in the classrooms or with<br />
people who live in the area. The few who do manage to become students of<br />
higher learning leave home two hours before classes start, walking for an hour<br />
in the mud to the main road, changing shoes and trousers, and waiting for<br />
transportation to Beer Sheva.<br />
Medical emergencies are particularly difficult in winter, but ambulances do not<br />
enter the village in any season. When the ambulance service is called in an<br />
emergency, inhabitants are always given the same instructions: to wait for the<br />
ambulance outside the village, on the main road. If no private car is available<br />
to take a woman in labour or an injured person who is bleeding to the road,<br />
things can end badly.<br />
The unrecognized village of Al-Fura’a has 4,500 inhabitants, of whom 1,200<br />
are children of school age. Several persons of means living in the village got<br />
together and decided to do something. They built a road from the main road<br />
to the school. In the absence of authorization to build an asphalt road, they levelled<br />
the earth. They invested 60 thousand shekels in this small road, and<br />
when the rains came, everything was washed away.
TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />
AL-FURA‘A – TALEB SULEIMAN, MUSA IBRAHIM AND MUHAMMAD SALAMA QABU‘A (S. / P. 70)<br />
AL-MAZRA‘A – CHILDREN FROM THE AL-ZORQAN FAMILy AND A WATER TANK<br />
BIR AL-HAMAM – RUWAN AND HAWLA AL-RAFAyA’A<br />
71
X y
TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />
MATRADA – ABDALLAH MUATUQ AL-WAJ (S. / P. 72)<br />
UM AL-HIRAN – RAED ABU AL-QE‘AN AND HIS SON RANI, RESIDENTS OF UM AL-HIRAN (S. / P. 72)<br />
UM RATAM – MUHAMMAD AL-G’OUL BESIDE THE QUARRy ON THE LANDS OF AL-MAZRA’A (S. / P. 72)<br />
TEL AL-MILH – HADIJA AND SABRIN ABU-MESA’AD IN THE KINDERGARTEN<br />
73
Chirbet al-Watan – Dorfkinder auf dem Fußballplatz<br />
Samstagnachmittag. Die Kinder sind mitten in einem stürmischen Fußballspiel.<br />
Als ich ankomme, beenden die Buben das Spiel und einer von ihnen<br />
stellt sie alle für ein Foto auf. Danach geht das Spiel wieder weiter. Obwohl<br />
die Fußballplätze häufig benutzt werden, lassen sich auch in den übrigen<br />
nicht anerkannten Dörfern keine annehmbaren Fußballfelder finden. Es ist<br />
schlicht nicht möglich, Sportanlagen ohne Anerkennung, Budgets und Gemeindeverwaltung<br />
einzurichten und zu erhalten. Etwa 1.000 Kinder und Jugendliche<br />
wohnen in Chirbet al-Watan. Sie und die Kinder der anderen nicht<br />
anerkannten Dörfer kommen nicht in den Genuss von Freizeitzirkeln, Gemeindeaktivitäten,<br />
Jugendgruppen, Sportanlagen oder kulturellen Aktivitäten.<br />
Wenn die Schule aus ist, können sie sich selbst mit Hausaufgaben beschäftigen,<br />
mit Fernsehen, oder sie hüten das Vieh. Viele der Eltern leben von<br />
Geldern der nationalen Sozialversicherung; laut Gesetz ist es ihnen verboten,<br />
ein Fahrzeug zu besitzen oder mit einem zu fahren. Es spielt keine Rolle. Sie<br />
könnten es sich ohnehin nicht leisten, die Kinder zu Freizeitgruppen in Be’er-<br />
Scheva, Arad, Omer oder Meitar (jüdische Orte) zu bringen.<br />
74 OVERLAPPING VOICES<br />
Khirbet Al-Watan – Village children on the football field<br />
Saturday afternoon. The children are in the middle of a wild football game.<br />
When I arrive, the boys stop the game and one of them organizes them all<br />
for the photoshoot. Afterwards, the game resumes. Even though the football<br />
fields are used frequently, reasonable football grounds are also not to be found<br />
in any of the other unrecognized villages. It is simply not possible to set up<br />
and maintain sports facilities without recognition, budgets and a local council.<br />
About one thousand children and teenagers live in Khirbet Al-Watan. They,<br />
and the children of the other unrecognized villages, cannot enjoy the benefits<br />
of extra-curricular activities, youth movements, sports facilities or cultural<br />
and life-enrichment activities. After school, they can busy themselves with<br />
homework, watching television, or shepherding. Many of their parents live off<br />
allowances from the ‘National Insurance Institute’; by law, they are prohibited<br />
from having a car or driving one. No matter. In any case, they could not<br />
afford to take their children to extra-curricular activities in Beer Sheva, Arad,<br />
Omer or Meitar (Jewish localities).
TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />
KHIRBET AL-WATAN – VILLAGE CHILDREN ON THE FOOTBALL FIELD (S. / P. 74)<br />
TEL ARAD – SAID AL-NASASRA AND HIS CHILDREN<br />
DERIJAT – GRADUATES OF THE yOUNG LEADERSHIP PROJECT<br />
75
Al-Za’arura – Suleiman Abu Adschadsch und Muhammad Abu Dschude<br />
Suleiman Abu Adschadsch sitzt im Schiq; einem beduinischen Gastzelt, vor ihm die<br />
wispernde Glut. Suleimans Schiq ist dunkel, doch draußen fällt viel Licht auf die Ruinen<br />
der zerstörten Moschee direkt gegenüber. Das Minarett der Moschee liegt am<br />
Rande der Schalom-Straße (Friedensstraße), auf den zerschmetterten Ziegel- und<br />
Betonresten – der Straße, die Dimona mit Arad und Kseife mit Arara verbindet.<br />
Suleiman erzählt mir, wie aufgeregt alle vor einigen Jahren waren, als sie die<br />
Moschee bauten. Sein Gesicht ist versiegelt, als er beschreibt, wie sich alle Familien<br />
zusammentaten, wie sich alle freuten, wie alle für das Projekt eingespannt<br />
wurden. Einige spendeten Geld, andere trugen Baumaterial oder Arbeitsstunden<br />
bei. Die Moschee wurde auf Suleimans Land erbaut, war jedoch für alle Familien<br />
auf der einen Seite des Dorfes gedacht – für die, die den Bach überqueren mussten,<br />
der in der Vergangenheit bereits Opfer gefordert hatte, um zur Moschee auf<br />
der anderen Seite des Dorfes zu gelangen. Im Winter mussten sie sich ihren Weg<br />
dorthin auch durch Kilometer von Schlamm bahnen.<br />
Ein Jahr intensiver, aufopfernder Arbeit war nötig, um die Moschee zu errichten.<br />
Als der Bau fertiggestellt war, als nur noch die Fenster fehlten, tauchten im Dorf<br />
Regierungsangestellte auf und hefteten den Abbruchbefehl an die Türen der neuen<br />
Moschee. „Warum haben sie ein Jahr gewartet, bis wir mit dem Bauen fertig waren?“,<br />
stellt Suleiman die rhetorische Frage. Die Dorfbewohner taten sich wieder<br />
zusammen und nahmen sich einen Rechtsanwalt. Papiere und Gesuche wurden<br />
eingereicht. 50.000 Dollar hatte der Bau gekostet. Die Bürokratie war teurer. Es gelang<br />
ihnen ein ums andere Mal, die Vollstreckung der Zerstörung aufzuschieben.<br />
Ein Jahr dauerte der Bau der Moschee. Und ein Jahr lang konnten sich die Dorfbewohner<br />
darüber freuen. Eines Morgens wurde das stille, abgelegene Dorf von<br />
Hundertschaften der Armee und Polizei überflutet. Als sei es ein Schlachtfeld geworden.<br />
Es waren Kampfsoldaten der israelischen Armee darunter, Grenzpolizisten,<br />
Spezialeinsatztrupps, Polizeiwagen. Alle Eingänge ins Dorf wurden blockiert,<br />
und die bewaffneten Kampfsoldaten schwärmten aus. Dann kamen die Bulldozer.<br />
Suleiman wurde alarmiert. Als er ankam und die Gesichter der Soldaten und Polizisten<br />
und ihre Anzahl sah, flehte er die Dorfbewohner an, die sich um die Moschee<br />
herum versammelt hatten, dass sie nichts unternehmen sollten. Dass sie die Bulldozer<br />
gewähren lassen sollten. „Als ich die Soldaten sah, habe ich begriffen, wenn<br />
es jemand wagen würde, sich zu widersetzen, würde hier Blut fließen“, erklärt er.<br />
„Dazu bin ich nicht bereit. Nicht einmal für die Moschee.“<br />
Innerhalb einer knappen Stunde verließen die Kämpfer das Dorf, hinter ihnen eine<br />
Staubwolke über einem Haufen von Beton und Eisen.<br />
„Noch einen Kaffee?“, fragt mich Suleiman im dunklen Schiq.<br />
76 OVERLAPPING VOICES<br />
Al-Za’arura – Suleiman Abu-Ajaj and Muhammad Abu-Judeh<br />
Suleiman Abu-Ajaj sits in the Shiq; a Bedouin hospitality tent, facing whispering,<br />
glowing embers. The tent is dark, but outside considerable light falls on the ruins<br />
of the demolished mosque, right opposite. The minaret lies on top of the remains<br />
of the shattered bricks and concrete on the edge of the Shalom (Peace) Road –<br />
the road linking Dimona with Arad, and Kuseife with Ara’ra.<br />
Suleiman recounts the excitement everyone felt several years ago, when they built<br />
the mosque. His expression is immobile as he describes how the whole family got<br />
together, how they were all so exited, how they all supported the project. Some<br />
donated money, others contributed building materials or put in hours of work. The<br />
mosque was built on Suleiman’s land, but was meant for all the families on the<br />
one side of the village. Those on the other side of the village would have to cross<br />
a river that had already claimed lives in the past. In winter, they would have to<br />
forge a way there through miles of mud as well.<br />
A year of intensive and dedicated work was needed to build the mosque. When<br />
construction ended, and only windows had to be put in, Government officials appeared<br />
in the village and affixed a demolition order to the doors of the new mosque.<br />
“Why did they wait a year until we finished construction?”, Suleiman asks<br />
rhetorically. The village residents got together again and hired a lawyer. Papers<br />
and applications were submitted. The construction had cost 50 thousand dollars.<br />
The bureaucracy cost more money. Time and again they managed to postpone<br />
the demolition.<br />
Construction of the mosque lasted a year. And one year is the time that the residents<br />
had to enjoy it. One morning, this quiet, remote village was inundated with<br />
hundreds of military personnel, as if it were a battlefield. There were IDF combat<br />
soldiers, ‘Border Patrol’ police, members of the ‘Special Patrol Unit’, and police<br />
vans. All the entrances to the village were sealed off, and the armed units deployed<br />
around it. Then the bulldozers came.<br />
Suleiman was summoned to the scene by his neighbours. When he arrived and<br />
saw the faces of the soldiers and police, and their numbers, he begged the<br />
residents who had gathered around the mosque not to do anything. To allow the<br />
bulldozers to demolish it. “When I saw the soldiers I understood that if anyone<br />
dared to resist, blood would be spilt here”, he explains. “That I am not prepared<br />
to allow. Not even for the mosque”.<br />
In less than an hour, the forces left the village, leaving behind them a heap of concrete<br />
and iron in a haze of dust.<br />
“More coffee?”, Suleiman offers in the dark tent.
TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />
AL-ZA‘ARURA – SULEIMAN ABU-AJAJ AND MUHAMMAD ABU-JUDEH (S. / P. 76)<br />
AL-SERA – SAID AL-NASASRA ON THE WATER PIPE OUTSIDE THE VILLAGE<br />
BIR AL-MESHASH – IBRAHIM AL-WAQILI<br />
77
78 OVERLAPPING VOICES<br />
TAL ADLER from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />
WADI AL-MESHASH – MUHAMMAD AL-WALIDI<br />
WADI AL-NA’AM – ABDALLAH AND HUDA JARBE‘A AND THEIR CHILDREN ELMAZ AND NABIL<br />
UM METNAN – ZENAB AL-G’ANAMI (S. / P. 79)
Um Metnan – Zinab al-Ghanami<br />
Zinab habe ich in einem der gebrauchten Schulbusse fotografiert. Es scheint,<br />
dass das Fahrzeug seit den 60er Jahren für Schülertransporte gedient hat. Kaum<br />
zu glauben, dass es noch fährt, und noch schwerer zu glauben, dass es für den<br />
Transport kleiner Kinder benutzt wird. Die Tür ist verrostet, defekt, halb offen. Die<br />
Fenster sind in verschiedenen Stellungen stecken geblieben. Die Polsterung der<br />
alten Sitze ist völlig zerschlissen, teils ist nicht einmal mehr Schaumstoff übrig<br />
geblieben. Die Decke ist aus Sperrholz. Der Boden – rostiges Eisen.<br />
Die Fahrten zur Schule in Um Metnan macht der Bus in zwei Touren: Er sammelt<br />
Kinder ein, setzt sie an der Schule ab, kehrt zurück und holt den Rest der Kinder.<br />
Die ersten stehen viel früher auf und müssen in der Schule fast eine Stunde<br />
bis Unterrichtsbeginn warten. Zinab, Schülerin der dritten Klasse, fährt mit der<br />
zweiten Tour. Nach einer Fahrt von etwa zwanzig Minuten auf kaputten Sandstraßen<br />
erreicht sie um 7.50 Uhr die Schule.<br />
Die Schule ist aus ein paar Caravans zusammengebaut und hat um die 1.000<br />
Schüler. Etwa 18.000 Kinder im Grundschulalter leben insgesamt in allen nicht<br />
anerkannten Dörfern, Grundschulen gibt es dort jedoch nur 20. Die beduinische<br />
Bildungsbehörde, die 1981 eingerichtet wurde, soll sich um die Durchsetzung der<br />
Schulpflicht in diesen Dörfern kümmern. Unter anderem ist sie für die Beförderung<br />
der Schüler verantwortlich, sollte daher diesen Dienst ausschreiben und den<br />
Standard kontrollieren. Komitees und Prüfer, die das Kultusministerium von Zeit<br />
zu Zeit ernannte, fanden diverse Mängel in der Leitung der Behörde, und 2003<br />
wurde auf Mosche Schochat, der damalige Leiter, seiner Aufgabe enthoben, nachdem<br />
Berichte über seine rassistischen Äußerungen gegenüber den Beduinen veröffentlicht<br />
worden waren. Es stellte sich auch noch heraus, dass Schochat Gelder<br />
der Behörde für private Zwecke missbraucht hatte. Trotz der Bitten, den Posten<br />
des Leiters auszuschreiben, trotz der Bitten, einen Kandidaten mit beduinischem<br />
Hintergrund für diese Aufgabe zu ernennen, wurde am Ende – ohne Ausschreibung<br />
– Chanan Afuta aus Kiriat-Gat zum Leiter der Behörde bestellt.<br />
Die Eltern der Schüler behaupten, dass aufgrund der schwierigen Fahrverhältnisse<br />
auf den nicht planierten Straßen die Transportunternehmer die schlechtesten<br />
Fahrzeuge, die sie zur Verfügung haben benutzen. Sie wollen ihre guten<br />
Autobusse nicht ruinieren. Viele klagen darüber, dass die Fahrzeuge mit Kindern<br />
überladen werden, was gegen die Sicherheit und die Vorschrift verstößt. Zahlreiche<br />
Eltern beschweren sich auch darüber, dass die Ausschreibungen nicht<br />
nach Gesetz durchgeführt werden, und dass keinerlei Kontrolle über die Transportgesellschaften<br />
und ihre Fahrer besteht. Anfang 2005 teilte das Kultusministerium<br />
seine Absicht mit, die beduinische Bildungsbehörde aufzulösen und ihre<br />
Kompetenzen dem neuen Rat zu übertragen – dem Abu Basma-Rat für den Kreis<br />
der nicht anerkannten Dörfer. Bisher ist nichts geschehen.<br />
Um-Metnan – Zenab Al-G’anami<br />
I photographed Zenab in one of the buses used to transport the children to<br />
school. It looks like the bus has been used for this since the 1960s. It is hard<br />
to believe that it still travels; it is even harder to believe that it is used to bus<br />
small children. The door is rusty, broken and half open. The windows are stuck<br />
in various positions. The upholstery of the chairs is old, completely torn, some<br />
do not even have any foam left. The ceiling is made of plywood. The floor, of<br />
corroded iron.<br />
Children are bussed to school in two cycles. The bus collects children, lets<br />
them off at the school, and returns to pick up the rest of the children. The first<br />
ones get up much earlier, and have to wait at school almost an hour before<br />
classes start.<br />
Zenab, a 3rd Grade student, is bussed in the second cycle. After twenty minutes<br />
of driving along potholed roads, she arrives at school at 07:50.<br />
The school consists of several prefabs, serving approximately 1,000 students.<br />
Some 18,000 pupils of primary school age live in all the unrecognized villages,<br />
but they only have ten primary schools between them. The ‘Bedouin Education<br />
Authority’ set up in 1981 is supposed to deal with the enforcement of the<br />
Mandatory Education Law in these villages. Among other things, it is responsible<br />
for bussing children, and is therefore supposed to issue a tender for bids<br />
for the service and to oversee the standard of it. Committees and inspectors<br />
appointed by the Education Ministry from time to time found fault with the management<br />
of the Authority, and, in 2003, the former head of the Authority,<br />
Moshe Shohat, was dismissed after reports were published about his racist<br />
statements against Bedouin. It was also discovered that Shohat had used the<br />
Authority’s money for his own personal needs. Despite requests that the position<br />
of the head of the Authority be put out to tender, and despite requests that<br />
a Bedouin in the field of education be appointed to the position, it was finally<br />
given to Hanan Afuta, Jew from Kiryat Gat, without a tender.<br />
The children’s parents claim that because the roads to the villages are not<br />
paved, and because most are very difficult to navigate, the bus operators use<br />
the worst vehicles in their possession. They don’t want to destroy their good<br />
buses. Many complain about too many children being jammed onto one bus,<br />
compromising safety and in contravention of the law. Many parents complain<br />
that tenders are not issued, as required by law, and point to the absence of supervision<br />
of the bus companies and their drivers.<br />
At the beginning of 2005, the Education Ministry announced its intention of<br />
disbanding the ‘Bedouin Education Authority’ and of transferring its responsibilities<br />
to the new council that has been set up – the ‘Abu Basma’ Regional<br />
Council. To date, nothing has been done.<br />
79
shalom amIra<br />
1976 born in holon, Israel<br />
lives and works in Jerusalem, Israel<br />
educaTIon and awards:<br />
2007 The David Perlov and Jehoshua Rabinowitz<br />
Tel Aviv Foundation<br />
2003 – 2007 Bezalel Academy of Art and Design<br />
in Jerusalem in the Film and New Media<br />
Department<br />
2005 The America-Israel (Sharet) Foundation<br />
selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />
Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />
(Group)<br />
2006 “Structural distress monument for the masses”,<br />
European Exchange Academy, Berlin, D (Group)<br />
2005 “X.O”, the Barbur Gallery, Jerusalem, Israel<br />
(Group)<br />
80 OVERLAPPING VOICES<br />
arTIsT sTaTemenT<br />
TerrarIum<br />
Israel ist ein zum Fossil erstarrter, von einer Mauer umgebener Resonanzraum,<br />
in dem ich lebe. Der Film „Terrarium“ beschreibt den Lebenszyklus<br />
innerhalb dieses eingezäunten Bereiches, der aus monumentalen nationalen<br />
Ereignissen, religiösen Feiertagen und heiligen Stätten besteht. Das<br />
Leben in einem hermetisch verschlossenen Raum ist verzerrt und sein Sinn<br />
wandelt sich angesichts der surrealen Lebensform. Privates und Öffentliches<br />
mischen sich, die Unschuld der Kindheit wird von der Politik mobilisiert,<br />
Steine werden verehrt, die Welten über und unter der Mauer gleichen vernichtenden<br />
Klassenunterschieden.<br />
Zinnsoldaten marschieren in geradlinigen Kolonnen entlang der Geländer<br />
des Modell-Exerzierplatzes in Mini-Israel. Kinder umschwärmen den alten<br />
Merkava-Panzer in der Gedenkstätte der Panzertruppe der israelischen Armee<br />
in Latrun. Sie klettern auf den Geschützturm, machen Fotos und träumen<br />
von Uniformen und großen Schlachten.<br />
Leben und Tod vereinigen sich zu einem Tag voller Zeremonien, Sehnsüchte<br />
und Gebete um Besseres. Trauer und Freude sind ein und dasselbe und<br />
nicht zu trennen.<br />
Ein Versuch, auf dem Hauptplatz von Jerusalem Hanukkah-Kerzen zu entzünden,<br />
entwickelt sich zu einem riesigen Polizeiereignis, für das Sicherheitskräfte<br />
in großer Zahl aufgefahren werden. Zwei Rabbis werden von<br />
einem Löschfahrzeug der Feuerwehr in die Luft gehoben, um die ersehnte<br />
Kerze zu entzünden.<br />
Ein älterer Herr vor dem Jerusalemer Rathaus schimpft lauthals in sein altes<br />
Megaphon; er verlangt Gerechtigkeit. Der Herr ist klein und der Platz ist gewaltig<br />
und keine Menschenseele hört zu.
TerrarIum<br />
Israel is a fossilized resonance chamber enclosed by a wall, inside which I<br />
live.<br />
The film describes the life cycle inside this enclosure which is composed of<br />
monumental national events, religious holidays, and holy sites.<br />
Life in a hermetically sealed space is distorted and its meaning is altered in<br />
the face of surreal existence. Private and public entities are fused, the innocence<br />
of childhood is mobilized by politics, stones are worshipped, the<br />
worlds above and below the wall are likened to devastating class<br />
differences.<br />
Toy soldiers are marching in straight columns along the rails of the model<br />
parade ground in Mini-Israel. Children swarm around the old Merkava tank<br />
in the Armored Corps Memorial at Latroun. They climb up on the turret, take<br />
photographs, and dream of uniforms and great battles.<br />
Life and death come together to form a day of ceremonies, yearning and<br />
prayers for better things. Bereavement and joy are one and the same and<br />
cannot be separated.<br />
An attempt at lighting Hanukkah candles in the city square in Jerusalem<br />
turns into a huge security event mobilizing numerous security forces. Two<br />
rabbis are elevated by a fire truck in order to light the longed-for candle.<br />
An elderly man brandishing an old megaphone rants and raves for justice<br />
before the Jerusalem town hall. The man is small and the square is mighty<br />
and not a soul listens.<br />
81
82 OVERLAPPING VOICES
SHALOM AMIRA TERRARIUM, 2008<br />
83
anIsa ashkar<br />
1979 born in akko, Israel<br />
lives and works in Tel aviv & akko, Israel<br />
educaTIon and awards:<br />
2007 young Artist Award, Israel Ministry of Education<br />
and Culture<br />
2006 Artists-Teacher Award, Israel Ministry of<br />
Education and Culture<br />
2005 Artists-Teacher Award, Israel Ministry of<br />
Education and Culture<br />
2004 Artistic Excellence Award, Hamidrasha School<br />
of Art, Beit Berl College, Israel<br />
2001 – 2004 BFA, Hamidrasha School of Art, Beit Berl<br />
College, Israel<br />
1998 – 2000 The Western Galilee College, Akko, Israel<br />
selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />
Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />
(Group)<br />
2007 “In a twinkling of an Eye0”, Athína, GR (Solo)<br />
2006 “Apolone”, Strasbourg, F (Group/Solo)<br />
“Hakol Katuv (All is written)”, Mishkanot<br />
Shaananim, Jerusalem, Israel (Group/Solo)<br />
2005 “Kodra”, Salonika, GR (Group)<br />
“Autobiography”, Beit Berl College, Kalmaniya,<br />
Israel (Group)<br />
84 OVERLAPPING VOICES<br />
arTIsT sTaTemenT<br />
Die junge Körperkünstlerin Anisa Ashkar fand bereits nach drei Monaten am<br />
Midrasha College of Art zu ihrer künstlerischen Identität. Als sie ihr Studium<br />
mit Auszeichnung abschloss, hatte sie einen unverwechselbaren Stil entwickelt,<br />
der auch außerhalb des College Anerkennung fand. Obwohl seit damals erst<br />
zwei Jahre vergangen sind, sieht es so aus, als hätte sie, das heißt ihr Gesicht<br />
und ihr Körper – die sie gleich zu Beginn zu ihrer Leinwand und ihrem Ausstellungsraum<br />
erwählte –, die Grenzen Israels bereits weit überschritten. Mit diesen<br />
Mitteln enthüllt und feiert sie ihre Identität als Frau, als Araberin, als Vermittlerin<br />
der Kultur und Ästhetik des Islam.<br />
Ashkar ist eine Performancekünstlerin, die selbst entdeckte, dass ihre von Problemen<br />
geprägte Arena – der jüdische Nationalstaat – ihr weder den Luxus<br />
eines locus erlaubt, der keine Identität ist, noch den einer Identität, die kein locus<br />
ist. Um sich in diesem Kontext mit der Frage der Identität auseinanderzusetzen,<br />
blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sie in Performances darzustellen.<br />
Ashkar musste nicht erst Judith Butler lesen, um zur postmodernen Schlussfolgerung<br />
zu gelangen, dass man zur Beantwortung der Fragen „Wer bist du?“,<br />
„Welches Geschlecht hast du?“, „Was ist dein Selbst?“, „Woher kommst du?“<br />
und „Wohin gehörst du?“ keine andere Wahl als die Performance hat, die Darstellung<br />
von sexueller, politischer und kultureller Kritik.<br />
Schon die Aussagen „Ich bin eine Frau“ oder „Ich bin Araberin“ sind ein<br />
Erbe der Wahlfreiheit. Wie Simone de Beauvoir schrieb: Man wird nicht als<br />
Frau geboren, man wird es. Und wie Judith Butler hinzufügte: Man wird gar<br />
nichts, wenn man sich nicht für ein bestimmtes Geschlecht entscheidet<br />
oder damit identifiziert. Man entscheidet sich, als Frau oder Mann identifiziert<br />
zu werden, trotz und nicht wegen des Geschlechtes, in das man hineingeboren<br />
wird. So werden Fragen der kulturellen Identität und der Nationalität<br />
auf dem Weg der Performance beantwortet. Man wird nicht als<br />
Araberin geboren, sondern wird zu einer, indem man sich als Araberin deklariert,<br />
genauso wie man seine Aktiva beim Finanzamt deklariert.<br />
Anisa Ashkar betrachtet es heute als Aktivum, Araberin zu sein, ein Aktivum,<br />
zu dessen Besitz sie sich entschloss und das sie stolz mit Hilfe einer<br />
tief in ihrer Kultur verwurzelten Ästhetik deklariert. In den letzten sechs Jahren<br />
hat sie jeden Morgen das gleiche Zeremoniell absolviert: Vor dem Spiegel<br />
malt sie mit Naturfarben in kalligraphischen Zeichen alles auf ihr Gesicht,<br />
was sie über sich selbst aussagen möchte, und tritt dann als Kunstwerk,<br />
als lebende zwei- und dreidimensionale Skulptur, in die Welt hinaus, um ihrer<br />
Beschäftigung nachzugehen.
Wenn Ashkar sich durch die Straßen von Akko, Tel Aviv, Athen oder Straßburg<br />
bewegt, entdeckt sie immer wieder, dass ihr Gesicht, auch wenn es unbedeckt<br />
ist, als Maske in einem unverständlichen Schauspiel und immer unergründlichen<br />
Rätsel betrachtet wird. Es geht dabei nicht notwendigerweise um ihre<br />
politische Identität – die Menschen reagieren auf sie, als trüge sie das Kopftuch<br />
einer „Femme fatale“. Den Menschen, die nicht unbedingt erkennen,<br />
dass es sich um Kalligraphie handelt, und nach dem Sinn fragen, erklärt<br />
Ashkar mit unendlicher Geduld: „Ich bin Künstlerin. Das ist meine Kunst.“<br />
Es ist Make-up, aber es ist auch Text. Es ist eine Dekoration aus dem Reich<br />
der Libido, aber ebenso eine Form von traditioneller Malerei, die der Islam<br />
kunstvoll entwickelte.<br />
Ashkar kam in Akko als Tochter einer seit vielen Generationen dort lebenden<br />
Familie zur Welt. Wenn es in Israel überhaupt Einheimische gibt, dann ist<br />
Anisa eine Einheimische.<br />
Die Texte, mit denen sie ihr Gesicht bemalt, sind intuitiv, frei. Meist beschränkt<br />
sie sich auf ein einzelnes Wort: „Wandel“, „Schönheit“, „Frau“. Normalerweise<br />
ist es das erste Wort, das ihr beim Aufwachen in den Sinn kommt. Ihr<br />
bemaltes Gesicht mit einer Kamera zu dokumentieren ist ebenfalls zu einem<br />
Ritual geworden, das alle paar Monate stattfindet.<br />
An ihren Performances beteiligt sie auch Männer und sie setzt Sprache ein.<br />
Ihre an die Männer gerichteten Worte drehen sich um den Machtkampf zwischen<br />
den Geschlechtern. Ihre letzte Performance in Athen hatte den Mythos<br />
der Medusa und den Archetypus der Frau mit dem versteinernden Blick<br />
zum Thema. Die sowohl weise als auch schöne Medusa wurde von Poseidon<br />
in Athenes Tempel vergewaltigt und dann von Athene zur Strafe in ein schreckliches<br />
Monster verwandelt – weil sie ihren Tempel entweiht hatte. In der Geschichte<br />
klingen Schönheit, Weisheit und Autorität an, neben der Macht des<br />
Blickes, Kunst aus Schmerz, Beleidigung, Rache, Zerstörung oder Selbstverstümmelung<br />
zu schaffen. Anisa Ashkar sieht sich selbst ein wenig, wie Medusa<br />
sich erlebt haben mag: schön und dunkel, stark und intelligent, voller<br />
Autorität und mit vollständiger Kontrolle über ihr Schicksal.<br />
naomi Aviv<br />
performance<br />
Der Medusenmythos nimmt in den Mittelmeerkulturen einen bemerkenswerten<br />
Platz ein. Er ist auch in der westlichen Kultur präsent, wo er für einen Teil der<br />
menschlichen Psyche steht. Diese Aspekte sind mein Ausgangspunkt.<br />
Als arabische/moslemische Frau wurde ich von frühester Jugend an mit den<br />
traditionellen Ansichten über den Platz der Frau und die Familienehre vertraut<br />
gemacht. Da für mich der Islam mehr eine Kultur als eine Religion darstellt,<br />
fasziniert es mich, diese Aspekte in anderen Kulturen zu erforschen.<br />
Meine vorherige Performance, „In a Twinkling of an Eye“ (In einem Augenblick,<br />
Athen, 2007), dehnte den Augenblick, bevor Medusa enthauptet wird,<br />
auf 16 Minuten aus. In diesem Projekt möchte ich den Augenblick nach der<br />
Enthauptung erforschen, einen Moment der Geburt, in dem Pegasus und<br />
Zentaur auf die Welt kamen und ihre symbolische Bedeutung erhielten (Pegasus:<br />
weiß und rein, Zentaur: schwarz, wild und emotional).<br />
Das Schwarze (Adham) und das Weiße (Asbah) nehmen in meiner künstlerischen<br />
Arbeit einen zentralen Platz ein. Pferde hat meine Familie schon immer<br />
gezüchtet und sie spielen eine große Rolle in meinem Leben.<br />
Die Erkundung, die mit „In a Twinkling of an Eye“ ihren Ausgang nahm, setzte<br />
sich mit „Al Adham“ (Gastatelier, Düsseldorf, Februar 2008) fort, wo ich mich<br />
mit der Geburt von Adham, dem schwarzen Pferd, beschäftigte. Das führte<br />
mich dann zu dieser Performance, in der es um die Geburt von Asbah, dem<br />
weißen Pferd, geht.<br />
In Düsseldorf suchte ich einen schwarzen Mann, der Adham darstellen sollte,<br />
in Wien werde ich einen weißen Mann als Darsteller für das weiße Pferd Pegasus<br />
suchen. Ich möchte den griechischen Mythos mit dem arabischen Gedicht<br />
„Antara Ibn Shaddad“ verknüpfen. Die Araber sind für ihre Pferdeliebe<br />
berühmt und Pferde sind ihnen oft wichtiger als Frauen.<br />
Anisa Ashkar is a young body-artist who found her artistic identity after just<br />
three months at the Midrasha College of Art. By the time she graduated with<br />
honours she managed to create a signature style which was recognized even<br />
outside the college. Only two years have passed since her graduation and it<br />
seems that she – her face and her body – the canvas and exhibition space<br />
she had delineated right from the beginning, have been expanding far beyond<br />
the borders of Israel. In them she exposes and celebrates her identity as<br />
a woman, as an Arab, as an agent of the culture and aesthetics of Islam.<br />
Ashkar is a performance artist who discovered on her own that her troubled<br />
arena – the Jewish nation state – does not allow her the luxury of a locus that<br />
is not an identity, nor of an identity that is not a locus. In broaching the question<br />
of identity in this context she had no choice but to perform it. Ashkar did<br />
not have to read Judith Butler in order to reach the post-modern conclusion<br />
that to answer the questions Who are you, What is your gender, Who is yourself,<br />
Where did you come from and Where do you belong – there is no choice<br />
but to perform; to perform the sexual, political and cultural critique.<br />
The very statement: “I am a woman” or “I am an Arab” is a legacy of choice.<br />
As Simone de Beauvoir wrote: one is not born a woman but becomes one. And<br />
as Judith Butler added: you do not become anything unless you choose to become<br />
or to identify yourself with a particular sex. you choose to be identified<br />
as a man or a woman in spite of and not because of the sex you were born to.<br />
Thus, the questions of cultural identity and nationality are settled by performance.<br />
One is not born an Arab but becomes one by declaring oneself an Arab<br />
as one declares one’s assets to the tax authorities.<br />
For Anisa Ashkar today being Arab is an asset she chooses to possess and<br />
which she proudly declares through an aesthetic deeply rooted in her culture.<br />
For the past six years she has been repeating the same ceremony every<br />
morning: at her mirror, using natural pigments, she paints in calligraphy on<br />
her face everything she wants to say about herself and thus, as an oeuvre<br />
d’art, as a living sculpture in two and three dimensions she goes out into the<br />
world to do her business.<br />
Now, when Ashkar goes out into the street in Akko, Tel Aviv, Athens or Strasbourg<br />
she discovers, again and again, that her face, even if it is uncovered,<br />
is seen as a mask in an unintelligible drama and an ever deepening enigma.<br />
It is not necessarily about her political identity – people react to her as though<br />
she were wearing a femme fatale’s face-scarf. To people on the street who do<br />
not necessarily recognize the calligraphy as such and ask what she is doing,<br />
Ashkar, with endless patience, explains: “I am an artist. This is my art.”<br />
It is makeup, but it is also text. It is a decoration from the libidinal kingdom<br />
but also a form of the traditional painting cleverly developed by Islam.<br />
Ashkar was born in Akko to a family living there for many generations. If there<br />
are natives in Israel, Anisa is a native.<br />
The texts she paints on her face are intuitive, free. Usually she limits herself<br />
to one word: “change”, “beauty”, “woman”. Usually it is the first word she<br />
thinks of when she wakes. Standing in front of the camera in order to document<br />
the portrait has also become a ritual which takes place once every few<br />
months.<br />
In her performances she uses men and speaks. Her speech, aimed at men,<br />
is about the power struggle between the sexes. Her last one, in Athens, deals<br />
with the myth of Medusa and the archetype of the woman with the petrifying<br />
gaze. Medusa, being both wise and beautiful, was raped by Poseidon in<br />
Athena’s temple; then punished by Athena who turned her into a horrible<br />
monster – for desecrating the temple. In the story there are intimations of<br />
beauty, wisdom and authority alongside the archetypal portrayal of the power<br />
of the gaze to create art from pain, offense, revenge, destruction or self-mutilation.<br />
Anisa Ashkar experiences herself a bit the way Medusa may be experienced:<br />
beautiful and dark, strong and bright, authoritative, and in complete<br />
control of her fate.<br />
naomi Aviv<br />
85
performance<br />
The Medusa myth has a remarkable place in the Mediterranean cultures. It<br />
is also rooted in western culture as a representation of part of the human psyche.<br />
These aspects are my point of origin.<br />
As an Arab Muslim woman, I have been inculcated from an early age with<br />
the traditional ideas of women’s place and family honour. Since I think of Islam<br />
as a culture more than a religion, I am fascinated by and interested in<br />
exploring these aspects in different cultures.<br />
My previous performance “In a twinkling of an eye” (Athens, Greece 2007)<br />
stretched to sixteen minutes the moment preceding the beheading of Medusa.<br />
In this project I wish to explore the moments that came after the beheading,<br />
a moment of birth, when Pegasus and Centaur came into the world<br />
and assumed their representation as white and pure (Pegasus) and black,<br />
wild and emotional (Centaur).<br />
86 OVERLAPPING VOICES<br />
ANISA ASHKAR FROM THE SERIES LONG SHADOW, LONG SHADOW 1, 2004 *<br />
ANISA ASHKAR FROM THE SERIES AGRIA MATIA, AGRIA MATIA 4, 2007 **<br />
Arabischer Text in Anisa Ashkars Gesicht / Arab text in Anisa Ashkar’s face:<br />
* LONG SHADOW: Wir werden uns an einem jener Tage der langen Schatten treffen. /<br />
We shall meet on one of those days with the long shadow.<br />
The Black (Ad‘ham) and White (Asbach) have a central place in my artistic<br />
work. Horses have been reared by my family during my whole life and are<br />
dominant in my biography.<br />
The research that started with the performance “In a twinkling of an eye”<br />
continued in ‘Al Adham’ (Gastatelier, Düsseldorf, Germany, February 2008),<br />
where I explored the birth of Ad’ham, the black horse. That has led me to<br />
this performance to explore the birth of Asbah, the white horse.<br />
In Düsseldorf I looked for a black man that would represent Ad’ham, and in<br />
Vienna I will look for a white man to represent the white horse Pegasus. I intend<br />
to intertwine the Greek myth with the Arab poem “Antara Ibn Shaddad”.<br />
Arabs are famous for their love of horses, so much so that they have even<br />
preferred them to women.<br />
** AGRIA MATIA: Es ist Zeit zu kommen. Ich werde bald kommen. Schlaf und Tod sind eins. /<br />
It is time to come. I am the one who is coming soon. The sleep and the death are one.<br />
*** EFyGENIA: Pass auf dich auf. / Take care of yourself.
ANISA ASHKAR FROM THE SERIES EFyGENIA, EFyGENIA 1, 2003 ***<br />
ANISA ASHKAR ALASBASH (ENG.: WHITE HORSE), 2008<br />
PERFORMANCE ZUR AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG IM ESSL MUSEUM /<br />
PERFORMANCE DURING THE EXHIBITON OPENING OF THE ESSL MUSEUM (S. / P. 88 – 89)<br />
87
90 OVERLAPPING VOICES
ANISA ASHKAR FACE WALK IN VIENNA, 2008<br />
91
asad azI<br />
1955 born in shefa-‘amr (galilee), Israel<br />
lives and works in Jaffa, Israel<br />
educaTIon and awards:<br />
1976 – 1980 BA, University of Haifa, Israel<br />
1980 – 1988 MA-studies, Tel Aviv University, Israel<br />
selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />
Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />
(Group)<br />
2006 “100 years museum of modern art”, Milano, I<br />
(Group)<br />
1999 Ramat-Gan Museum, Ramat-Gan, Israel (Solo)<br />
1993 USC Fisher Gallery, Los Angeles, USA (Group)<br />
1992 Artifact Gallery, Tel Aviv, Israel (Solo)<br />
1991 “Israeli Art Now”, Tel Aviv Museum of Art, Tel Aviv,<br />
Israel (Group)<br />
1988 Cooper Union Art Gallery, New york, USA (Group)<br />
Ramat-Gan Museum, Ramat-Gan, Israel (Solo)<br />
1985 Israel Museum, Jerusalem, Israel (Group)<br />
92 OVERLAPPING VOICES<br />
arTIsT sTaTemenT<br />
Ich bin das Produkt einer multikulturellen Welt, in der Gesellschaften mit unterschiedlichen<br />
Sprachen und Geschichten leben, die aber nicht zu friedlicher<br />
Koexistenz fähig sind. Dieses Streben nach Koexistenz ist nicht nur ein<br />
kollektiver Konflikt, sondern für mich und andere ein persönlicher und individueller<br />
Kampf, ein Bemühen des inneren Selbst, die bestehenden Differenzen<br />
zu akzeptieren.<br />
Die Kunst ist mein grundlegendes Mittel der Kommunikation mit der Außenwelt.<br />
Sie ist eine universelle Sprache, die all den unterschiedlichen Seiten in<br />
mir einen Anknüpfungspunkt bietet. Mit Hilfe von Bildern, Farben und Formen<br />
kann ich den Sinn des Lebens verstehen.<br />
Wenn ich alleine in meinem Atelier bin, verbanne ich den Aufruhr aus meinem<br />
Kopf und erschaffe meine eigene Welt, die über Ländern und Kulturen<br />
schwebt. Meine Kunst ist ein lebendiger Weg zur Vorstellungskraft, die es mir<br />
erlaubt, immer wieder neue Aspekte der Existenz zu ergründen.<br />
Kunst befreit meine Seele aus ihrem Käfig und erlaubt ihr, sich frei durch<br />
die wunderbare Welt der Malerei zu bewegen.<br />
Sie ist Freiheit.<br />
Sie ist ein Lebensstil.<br />
Die Kunst ist ein wahrer Spiegel unseres Selbst.<br />
Viele meiner Themen beziehen sich auf die Familie, weil ich weit weg von<br />
meinem Heimatort bin, wo alle meine Verwandten leben. Ich vermisse sie<br />
und habe Sehnsucht nach ihnen, und so erlaubt mir meine Arbeit, meine<br />
Gefühle ihnen gegenüber auszudrücken.<br />
Außerdem verewige ich damit verlorene Augenblicke der Vergangenheit,<br />
meistens Augenblicke, die ich mit meiner bescheidenen Kamera aufgenommen<br />
habe.<br />
Ein weiterer Aspekt, den ich zur Diskussion stellen möchte, ist die bizarre<br />
Art und Weise, in der wir diese Tradition heute verstehen, sogar in kleinen,<br />
entlegenen Orten, wo Liebe und Fürsorglichkeit immer hochgehalten<br />
wurden.
I am a product of a multi-cultural world in which societies with different languages<br />
and heritages live, yet are unable to co-exist peacefully. This strife for<br />
co-existence is not just a collective conflict, but also for me and others like<br />
me a personal and individual fight, wherein the inner self struggles to find an<br />
acceptance of the differences within.<br />
Art is my fundamental medium of communication with the external world. It is<br />
a universal language that all sides within me can relate to. It is through images,<br />
colours and shapes that I am able to understand the meaning of life.<br />
Alone in my studio, I put the turmoil out of my mind and create my own world<br />
hovering over countries and cultures. My art is a vivid path to imagination to<br />
find again and again new aspects of existence.<br />
Art releases my soul from its cage allowing it to wander around the delightful<br />
worlds of painting.<br />
It is freedom.<br />
It is a way of life.<br />
Art is a true reflection of ourselves.<br />
Many of my issues concern family because I am living away from my home<br />
village where all my relatives stayed. I miss them and I am longing to see<br />
them, so it’s a way to display my emotions towards them.<br />
The other thing is that I’m immortalizing those lost moments from the past,<br />
mostly moments that I captured with my modest camera.<br />
Another aspect that I am asking to bring into discussion is the bizarre way<br />
we comprehend this tradition nowadays, even at small and far-away places<br />
where love and care were the appreciated way of life.<br />
93
94 OVERLAPPING VOICES<br />
ASAD AZI THREE BROTHERS, 2007 (S. / P. 93)<br />
ASAD AZI MOTHER AND SOLDIER, 2008 (S. / P. 94 – 95)
96 OVERLAPPING VOICES<br />
ASAD AZI WOMAN WITH CHILD, 1997/98
aed bawayah<br />
1971 born in Qatanna, ramallah, palestine<br />
lives and works in paris, f<br />
educaTIon and awards:<br />
2008 Residency – Espace Photographique Contretype,<br />
Bruxelles, B<br />
2007 Stipendiary, Schloss Akademie Solitude, Stuttgart, D<br />
2006 Residency – Cité Internationale des Arts, Paris, F<br />
Residency – Récollets, Paris, F<br />
2005 Residency – Cité Internationale des Arts, Atelier<br />
Palestine, Paris, F<br />
2004 Diploma in Photography, Musrara School of Photography,<br />
New Media and Music, Jerusalem, Israel<br />
selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />
Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />
(Group)<br />
Espace Photographique Contretype, Bruxelles, B<br />
2007 “Living in Palestine”, festival „visa pour l’image“,<br />
Perpignan, F (Solo)<br />
“Acquisitions pour la MEP (1999-2006)”,<br />
Fondation Neuflize Vie, Maison Européenne de<br />
la Photographie, Paris, F (Group)<br />
“From over crossing destination”, Schloss<br />
Solitude, Stuttgart, D (Solo)<br />
“Morceaux choisis”, Galerie Serge Aboukrat,<br />
Paris, F (Solo)<br />
2006 „Mois de la photo“, Cité international des Arts,<br />
Paris, F (Group)<br />
“Ramallah – Tel Aviv au jour le jour”, l’Hôtel de<br />
Ville de Paris, Paris, F (Solo)<br />
“Ramallah –Tel Aviv”, City hall of Naples, Napoli, I<br />
(Group)<br />
2005 “Identification N° 925596611”, Centre Culturel<br />
Iranien, Paris, F (Solo); Cité Internationale des<br />
Arts, Paris, F (Solo); Centre Culturel Français de<br />
Gaza, Palestine (Group)<br />
98 OVERLAPPING VOICES<br />
“Das Vermögen der Kunst”, Kunsthaus Dresden,<br />
Dresden, D (Group)<br />
2004 “Identification N° 925596611”, Centres Culturels<br />
Français, Ramallah, Palestine, Jérusalem, Nazareth,<br />
Naplouse, Gaza ; Galerie l’Espace d’Art Tel<br />
Aviv, Tel Aviv, Israel (Solo); Aseeré Hamakhtaroot<br />
museum , Jerusalem, Israel (Group)<br />
“Ramallah – Class” de l’Union des Artistes Palestiniens,<br />
Galerie d’Al Hallaj, Ramallah, Palestine<br />
(Group)<br />
“Carnaval Halikon”, Théâtre arabe-hébreu, Jaffa,<br />
Israel (Group)<br />
Festival Arabe de la Photo, Amman, city hall of<br />
Amman, JOR (Group)<br />
2003 “Salom”, Centres Culturels Français, Ramallah<br />
Palestine, Jérusalem, Nazareth, Naplouse, Gaza<br />
2002 “La pollution de l’eau”, Hall des arts dramatiques,<br />
Cultur Center Tel Aviv, Tel Aviv, Israel (Group)<br />
“Les artistes qui un jour viendront”, Galerie Abu<br />
Shaqrah, Um AlFahem, Israel (Group)<br />
2001 “La patrie”, Galerie de Dovlaire, Musrara School<br />
of Photography, New Media and Music, Jerusalem,<br />
Israel (Group)
arTIsT sTaTemenT<br />
Turn rIghT<br />
„Turn Right“ ist ein Ausdruck aus der Militärsprache. Zunächst einmal nicht<br />
so erstaunlich, dass Raed Bawayah diesen Titel für seine Fotoserie über palästinensische<br />
Soldaten gewählt hat. Allerdings sind die Soldaten von Bawayah<br />
nicht beim Marschieren oder in einer Militärparade zu sehen. Die meisten sind<br />
bewegungslos abgebildet. Dieser Stillstand offenbart die Komplexität des Titels,<br />
der nämlich je nach Auslegung der zwei Wörter, aus denen er besteht,<br />
ganz verschiedene Bedeutungen annehmen kann: „Rechts schwenkt!“, „die<br />
rechte/richtige Wendung“ oder auch „das Recht auf eine Wendung“. Auf den<br />
simplen Befehl „Turn Right!“ hält jedes Armeemitglied und ganz allgemein jedes<br />
menschliche Wesen kurz inne, und sei es nur für den Bruchteil einer Sekunde,<br />
bevor es reagiert. Seine Reaktion, wenn sie zu einer beobachtbaren<br />
Aktion führt, sagt allerdings nichts über die zugrundeliegende geistige Haltung<br />
aus. Was wäre denn auch angesichts der Komplexität der momentanen gesellschaftspolitischen<br />
und individualbiografischen Entwicklung jedes Einzelnen<br />
der rechte Weg? Soll man sich nach rechts wenden, im Kreis gehen, sich zurückwenden<br />
oder sich abwenden?<br />
Der kurze Zeitraum zwischen dem militärischen Befehl und der damit verbundenen<br />
Reaktion erscheint wie ein tausendfach gefaltetes Stück Papier, das sich<br />
vor der Kamera von Bawayah entfaltet und berührende Oasen des Alltags enthüllt.<br />
Obwohl die Soldaten alle Militäruniform tragen und damit mit der öffentlichen<br />
Ordnung in Verbindung stehen, entstanden doch die meisten Aufnahmen<br />
in Innenräumen, in einem Privatbereich. Jene Männer, die im Freien mit<br />
ihren Waffen posieren, richten ihren Blick nicht auf die Kamera. Die Männer<br />
auf den Innenaufnahmen blicken in die Kamera und zeigen andere Insignien:<br />
Gekritzel an der Wand, ein Brief in der Hand, Schuhe und Socken, Nahrungsmittel,<br />
eine bunte Decke, Fotos an der Wand, ein Wasserschlauch … Sie haben<br />
ihre Waffen abgelegt und sind von jenen Ressourcen umgeben, die ihre<br />
Individualität im Alltag ausmachen. Denn um Individualität geht es in den Frontalaufnahmen<br />
von Raed Bawayah. Jenseits aller Uniformierung, die für den<br />
Soldaten zur zweiten Haut wird, die seine Identität, seine Zugehörigkeit, seine<br />
Rolle und seine Gedanken bestimmt, suchte der Künstler zu ergründen, was<br />
unterhalb der uniformierten Gleichschaltung liegt, unterhalb jenes sand- und<br />
aschefarbenen Stoffes. Sein Weg führte zum Gesicht.<br />
Die Soldaten posieren zu zweit oder einzeln vor der Kamera. Sie werden von<br />
der Sonne beschienen, und was man nicht von ihnen weiß, liegt im Halbschatten.<br />
Sie geben ihr Gesicht preis: desillusionierte Unschuld, männliche Sanftheit,<br />
entwaffnende Schlichtheit und übertriebene Expressivität des Blickes.<br />
Sind die Männer in dieser desolaten Umgebung, die von Mauern, Metallbetten<br />
und vergitterten Fenstern, Symbolen eines seltsamen Eingesperrtseins,beherr<br />
scht wird, Soldaten oder Häftlinge? Ob mit oder ohne Waffen – vor dem Objektiv<br />
sind sie wehrlos. Wenn sie sich nicht bewegen und mit ihrem Schatten den<br />
Boden streifen, sieht man sie sitzen, stehen oder liegen. In dieser Serie, die<br />
der Künstler im Herbst 2007 in Ramallah, Hebron und Jericho aufnahm, gibt<br />
es ein Foto, auf dem keine Soldaten, sondern nur ihre Stellvertreter zu sehen<br />
sind. An Stelle der Soldaten posieren hier ihre Waffen, die auf Decken auf dem<br />
Boden ausgebreitet sind. Unter der drückend heißen Sonne entsteht ein eindrucksvolles<br />
Bild, das eine Metapher des Endes evoziert – ein Ende des Wartens,<br />
mit Kalaschnikows, die als einsame und schwarze Kadaver auf ihrem Leichentuch<br />
liegen.<br />
Indem er den Soldaten die Möglichkeit gibt, „auf einem Foto verewigt zu werden“,<br />
erfasst Raed Bawayah sie aus einer ganz anderen Perspektive, die sie<br />
aus dem undifferenzierten und anonymen Militärkorps heraushebt. Also eine<br />
„Aktualisierung“ des so viel benutzten, missbrauchten und aller Illusionen beraubten<br />
Bildes vom Soldaten und eine „Aktualisierung“ der so oft im Schatten<br />
liegenden Individualität. „Turn Right“ wird damit zum Diskurs des Blickes, der<br />
auf eine Innerlichkeit gerichtet ist, um sich dem Anderen, dem Nächsten, zu<br />
nähern, der so nah und zugleich so fern ist.<br />
Turn rIghT<br />
“Turn Right” is a term lifted from military vocabulary, and hence a priori it is<br />
no wonder that Raed Bawayah would choose it as a title for his photo series<br />
on Palestinian soldiers. Bawayah’s soldiers, however, are not shown marching<br />
or parading. Most of them are not moving at all in front of the camera. Their<br />
very stillness reveals the complex resonance of the title which, depending on<br />
how one reads the two constituent words, can be taken to mean very different<br />
things: a command to turn right, a right or correct change of direction,<br />
or the right to change direction. Faced with the simple command: “Turn<br />
Right!”, every soldier and, generally, every human being, would pause for<br />
thought, even if just for a microsecond, before reacting. The response, if it<br />
leads to an observable external action, would not, however, reveal anything<br />
about the inner state of mind. Indeed, in view of the complexities of today’s<br />
socio-political environment and of individual histories, what would be the right<br />
turn to take? Should one turn to the right, turn around in circles, turn back,<br />
or turn away?<br />
The short pause between the military command and the reaction it implies<br />
appears like a very tightly folded piece of paper which then unfolds in front<br />
of Bawayah’s camera. Even if all the soldiers wear military garb which makes<br />
them an element of public order, most of the photos have been taken indoors,<br />
in private areas. The men who pose outside, festooned with their weapons,<br />
look away from the camera. Those portrayed inside face the camera and show<br />
other insignia: graffiti on the walls, a letter in the hand, shoes and socks, food,<br />
colourful blankets, photos pinned on the wall, a water hose … Bereft of their<br />
arms they are equipped with the things that make up their individuality in<br />
daily life. For, it is indeed individuality that is at issue in the frontal portraits<br />
of Raed Bawayah. The artist has gone looking beyond the military dress that<br />
is a second skin to the soldier, determining his identity, his appearance, his<br />
role and his thinking, beyond that sandy and ashen coloured fabric. He has<br />
taken the turn that leads one to confront the face.<br />
Posing alone or in pairs in front of the camera, the soldiers are sprinkled with<br />
sunlight, the shade hiding the things one doesn’t know about them. They offer<br />
their faces to the viewer: innocence marked by disillusionment, gentle virility,<br />
disarming and over-expressive simplicity in their eyes. In that sparse<br />
environment dominated by walls and bars on beds and windows, symbols of<br />
a strange confinement, are these men really soldiers or prisoners? Armed or<br />
not, they are defenceless in front of the camera’s lens. When they are not<br />
moving, their reflections playing on the ground, they are sitting, standing or<br />
lying down and all seem to be waiting for something. In this series produced<br />
in Ramallah, Hebron, Bethlehem and Jericho in the autumn of 2007, there<br />
is one photo which does not show soldiers but only their equipment. Posing<br />
in their place are rifles lying in orderly fashion on blankets on the floor. Under<br />
the blazing sun they make for a powerful metaphor of finality, the end of<br />
waiting, these Kalashnikovs lying like solitary black corpses on their<br />
shrouds.<br />
By giving these soldiers the opportunity to be “taken on a photograph”, he<br />
captures them from a unique perspective that sets them apart from the undifferentiated<br />
military contingent and lifts their anonymity. It is a new take on<br />
the – much used, abused and disabused – image of the soldier and a new<br />
take on individuality that is too often left hidden in gloomy shade. “Turn Right”<br />
thus provides a discourse through turning one’s eyes to the inside so as to<br />
get closer to ‘the other’, the ‘fellow man’, who is so near and yet so far.<br />
ritta Baddoura<br />
99
100 OVERLAPPING VOICES<br />
RAED BAWAYAH TURN RIGHT, 2007 (S. / P. 100 – 103)
101
102 OVERLAPPING VOICES
103
eyal ben-dov<br />
1961 born in Jerusalem, Israel<br />
lives and works in Jerusalem, Israel<br />
educaTIon and awards:<br />
2000 Kabala the Jewish mysticism at a desert Ashram,<br />
Israel<br />
1999 award for excellence from the Musrara School<br />
of Photography, Jerusalem, Israel<br />
1995 Art History, Hebrew University, Jerusalem, Israel<br />
Teacher – Artists scholarship from the Ministry<br />
of Culture Israel<br />
1994 the Gérard Lévy Award for young Photography<br />
at the Israel Museum, Jerusalem, Israel<br />
1984 – 1988 Photography, Art Academy Bezalel,<br />
Jerusalem, Israel<br />
1983 Photography, Hadassa Technical College,<br />
Jerusalem, Israel<br />
selecTed exhIbITIons and proJecTs:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />
Artists”, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />
(Group)<br />
2007 “THE NEW JEW visual anthropology at tribal<br />
festivals in Israel”, The Open Museum of Photography,<br />
Tel-Hai, Israel (Solo)<br />
2007 “Bauhaus in Israel: From Utopia to Heterotopia”,<br />
Artneuland, Technion Gallery, Haifa, Israel<br />
(Group)<br />
2005 “EASTERN TIME WESTERN TIME urban photography<br />
from Israel”, Artneuland, Guangzhou<br />
Photo Biennial, Guangdong Museum of Art,<br />
Guangzhou, CN (Group)<br />
2002 “Re-thinking – Neue Kunst aus Israel”,<br />
ifa – Galerie, Berlin, D (Group)<br />
1994 “MIRyAMS WELL”, Israel Museum, Jerusalem,<br />
Israel (Group)<br />
104 OVERLAPPING VOICES<br />
arTIsT sTaTemenT<br />
shanTIpI 2000<br />
In den letzten zehn Jahren habe ich Tribal Festivals in Israel als Besucher<br />
und Teilnehmer erlebt. Das erste im Jahr 1997 trug den Namen „shantipi“<br />
und bereitete den Boden für den neuen/alten jüdischen Tribalismus.<br />
Ganz im Sinne des New-Age-Spirits haben junge Menschen, die nach Indien<br />
reisen und dann nach Israel zurückkehren, nach diesen intensiven Erfahrungen<br />
Identitätsprobleme. Sie begnügen sich nicht damit, als Abwechslung<br />
vom harten Leben in der Armee, vor dem Studium oder der Arbeit eine<br />
Reise in den exotischen Osten zu unternehmen. Diese jungen Menschen<br />
interessierten mich zunächst als Sujets für eine fotografische anthropologische<br />
Studie. Die Gruppen, denen sich auch ältere Menschen anschließen,<br />
suchen einen neuen Weg in authentischer lokaler Aufmachung. Orientalische<br />
Elemente in Kleidung, Nahrung und Musik im Verein mit jüdischen<br />
Aspekten ergeben eine profunde Kultur – wenn auch einer Randgruppe –,<br />
die zu voller tribalistischer Blüte heranwächst. Tausende von Teilnehmern<br />
tanzen ekstatisch und erklimmen die Stufen der Spiritualität auf dem Weg<br />
zur jüdisch-buddhistischen Erleuchtung. Hunderte von Lagerfeuern, der<br />
Klang der Trommeln erfüllt den ganzen Körper, jüdische Mantras werden<br />
unablässig wiederholt. Je tiefer meine Kontemplation in das anthropologische<br />
Phänomen eindrang, umso mehr fühlte ich mich als Teil des<br />
Ganzen.<br />
Die Dokumentarfotografie hat mich immer wegen ihrer wissenschaftlichen<br />
Aspekte angezogen, mit ihrem wissbegierigen und neugierigen Blick, der<br />
auf den Stand der Dinge in der Welt gerichtet ist. Dieser Blick kann unverdorben<br />
und frei von vorgefassten Ideologien, von konzeptuellen und kritischen,<br />
aufdringlichen politischen oder philosophischen Fragen sein, und<br />
er kann darauf abzielen, Sicherheit herzustellen oder Zweifel zu schüren.<br />
Das Fotoporträt ist eine der wunderbarsten und schwierigsten Themenstellungen.<br />
Schon im 19. Jahrhundert definierte der Fotograf Felix Nadar das<br />
Porträt als „intimes Abbild“, als eine Art von Berührung. Ich erinnere mich<br />
an das Werk „The North American Indian“ von Edward Curtis und an die<br />
Porträts, die August Sander von deutschen Menschen des 20. Jahrhunderts<br />
machte. Später dann die Arbeiten von Irving Penn, der sich der amerikanischen<br />
Hippie-Flower-Power-Bewegung der 1960er widmete, und die Menschen<br />
des amerikanischen Westens von Richard Avedon.<br />
Als Lehrer der Fotografiegeschichte empfinde ich eine tiefe Liebe zu diesem<br />
hinreißenden Medium.
Shantipi 2000<br />
For the past ten years I have been visiting and participating in tribal festivals<br />
in Israel.<br />
The first one called “shantipi”, in 1997, planted the seeds of the new-old<br />
jewish tribalism.<br />
True to the new age spirit, young people who travel to India and come back<br />
to Israel deal with identity problems after intense experiences. They did not<br />
make do with a trip to the exotic east as mere relief from their hard life in<br />
the military, before going to study or work. These young people interested<br />
me first as objects of a photographic anthropological study. These groups<br />
who were joined by older people seek a new way, in an authentic local garb.<br />
With oriental elements of dressing, food and music, along with jewish aspects,<br />
they indeed show a profound, though marginal, culture emerging in<br />
its full tribal splendour. Thousands of celebrants dancing ecstatically, climbing<br />
ladders of spirituality towards a jewish-buddhist enlightment. Hundreds<br />
of campfires, beating of drums resonating throughout the entire body, jewish<br />
mantras said over and over again. The deeper my contemplation probed the<br />
anthropological phenomenon, the more I felt part of it.<br />
Documentary photography has always attracted me with its scholarly aspects,<br />
with the latter’s wondering and curious gaze aimed at the world’s state<br />
of affairs. This gaze can be ingenuous and devoid of preconceived ideologies,<br />
or conceptual and critical, imposing political or philosophical questions<br />
and seeking both certainty and doubt.<br />
The photographic portrait is one of the most magnificent and difficult themes.<br />
Already in the 19th century the photographer Felix Nadar defined the portrait<br />
as an “intimate likeness”, as a kind of touch. I can recall the work of<br />
the North American Indian by Edward Curtis and the portraits August Sander<br />
made of German people as 20th century man. And later the work Irving<br />
Penn devoted to the American hippie flower power movement in the sixties,<br />
and the big west people by Richard Avedon.<br />
As a teacher of the history of photography, I feel deep love for this enchanting<br />
medium.
106 OVERLAPPING VOICES<br />
EYAL BEN-DOV FRom THE PRojECT THE NEW jEW, SHANTIPI 2000, 2000 (S. / P. 105 – 111)
107
108 OVERLAPPING VOICES
109
110 OVERLAPPING VOICES
111
Zoya CherkaSSky and avdey ter-oganian<br />
Zoya Cherkassky 1976 Born in kijew, Ua<br />
Lives and works in tel aviv, israel and Berlin, d<br />
avdey ter-oganian 1961 born in rostov-on-don, rUS<br />
Lives and works in praha, CZ & Berlin, d<br />
Zoya CherkaSSky<br />
edUCation and awardS:<br />
2004 Chosen Artist of Israel Cultural Excellence<br />
Foundation<br />
2001 Transfer 6, artists’ exchange program, D – Israel<br />
2000 The Ingeborg Bachman Scholarship, established<br />
by the Anselm Kiefer, Wolf Foundation<br />
1999 The Israeli ministry of Education and Culture Prize<br />
for a Young Artist<br />
The Steinman Award for a Young Sculptor,<br />
Herzliya museum, Herzliya, Israel<br />
1996 – 1997 School of Visual Theater, jerusalem, Israel<br />
1997 – 1999 Hamidrasha School of Art, Beit Berl College,<br />
Israel<br />
SeLeCted exhiBitionS and projeCtS:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />
Artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />
(Group)<br />
2007 “Disobedience”, Künstlerhaus Bethanien, Berlin,<br />
D (Solo)<br />
2006 „Action Painting“, Tel Aviv museum of Art, Helena<br />
Rubinstein Pavilion, Tel Aviv, Israel (Solo)<br />
2005 „Die Neuen Hebräer“, martin Gropius Bau,<br />
Berlin, D (Group)<br />
2003 “Collectio judaica”, Rosenfeld Gallery, Tel Aviv,<br />
Israel (Solo)<br />
1996 “Two Scottish Boys in the Forest”, Skank Gallery,<br />
Tel Aviv, Israel (Solo)<br />
112 OVERLAPPING VOICES<br />
avdey ter-oganian<br />
edUCation and awardS:<br />
1978 – 1982 Rostov Art School, RUS<br />
SeLeCted exhiBitionS and projeCtS:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />
Artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />
(Group)<br />
2007 “Disobedience”, Künstlerhaus Bethanien, Berlin,<br />
D (Solo)<br />
“Russia!”, The Solomon R. Guggenheim museum,<br />
Bilbao, E (Group)<br />
2005 “Turin Triennial Threemuseums”, Turin, I (Group)<br />
2004 “CD Party”, Cabaret Voltaire, Zürich, CH (Solo)<br />
1980 “Triumph of Painting”, Youth Centre, Rostov-on-<br />
Don, RUS (Solo)
artiSt Statement<br />
Die Ursachen, die dem israelisch-palästinensischen Konflikt zugrunde liegen,<br />
sind politischer Natur und verlangen in ihrer Analyse nach politischer Sprache.<br />
Die von Künstlern eingesetzte Rhetorik erlaubt die Darstellung jeder Position<br />
und ihre Überzeugungskraft hängt nur vom Geschick des Künstlers ab.<br />
Unserem Verständnis nach ist das Ziel der Kunst die Kritik am rhetorischen<br />
Statement. Unter Bezugnahme auf die linksgerichtete avantgardistische Tradition<br />
präsentieren wir jene rhetorischen Formen, die von den Künstlern in diesem<br />
Diskurs am häufigsten eingesetzt werden.<br />
Landkarte<br />
Wir zeigen zwei abstrakte Skulpturen, deren Form an eine Landkarte von Israel<br />
und den besetzten palästinensischen Gebieten erinnert. Durch ihre Aufstellung<br />
im Ausstellungskontext erfüllen diese Skulpturen die normale, traditionelle Funktion<br />
als künstlerisches Produkt. Nichts, was über diese Skulpturen gesagt<br />
werden kann, kann den Rahmen der ästhetischen Bewertung sprengen. Daher<br />
können Probleme, die mit dem Konflikt in Zusammenhang stehen, nicht<br />
in ästhetischer Sprache erörtert werden. Sobald die politische Diskussion<br />
stattfindet, hat man alle in Ausstellungen gezeigten Bilder zu vergessen. Ausstellungen<br />
dieser Art profanieren die möglichkeit einer realen politischen<br />
Diskussion.<br />
CoCa CoLa<br />
Da alle ständig über Koexistenz debattieren, sie aber nie tatsächlich herbeigeführt<br />
wird, habe ich eine ganz einfache metapher für die Situation gefunden:<br />
Coca-Cola gibt es überall, sie gehört zu den Dingen, die die zwei Völker<br />
– juden und Araber – ganz unmittelbar vereinigen (und den Rest der Welt<br />
übrigens auch). Der Titel dieser Skulptur ist „Cousins“. Dieses Wort gebrauchen<br />
Israelis oft, wenn sie über die Palästinenser sprechen. Ich bin nicht sicher, ob<br />
die Palästinenser uns auch „Cousins“ nennen.<br />
The reasons that are lying at the heart of the Israeli-Palestinian conflict are<br />
political and are to be analyzed using political language. Rhetorical language<br />
used by artists allows representation of any position and how convincing will<br />
it be depends only on the artist’s skills.<br />
The aim of art, as we understand it, is the critique of the rhetorical statement.<br />
Referring to the left-wing avant-garde tradition, we demonstrate rhetorical<br />
forms which are most frequently used by the artists within this discourse.<br />
Land map<br />
We are presenting two abstract sculptures the shape of which reminds one<br />
of the maps of Israel and the occupied Territories of Palestine. These sculptures,<br />
placed in the exhibition space, function as a normal, traditional artistic<br />
product. All that can be said about these sculptures can’t break the frames<br />
of aesthetic judgment. Thus, any problems that are related to the conflict<br />
can’t be observed by using aesthetic language. When the political discussion<br />
takes place, all the images presented at exhibitions are to be forgotten. Such<br />
exhibitions profane the possibility of the real political discussion.<br />
CoCa CoLa<br />
Since co-existence is discussed all the time but is never actually established,<br />
I found a quite simple metaphor for the situation: Coca Cola exists everywhere<br />
and it’s one of the most immediate things that unify the two peoples – jews<br />
and Arabs (and the rest of the world, actually). The title of this sculpture is<br />
“Cousins”. This word is frequently used by Israelis while talking about Palestinians.<br />
I’m not sure whether the Palestinians call us “cousins” too.<br />
113
114 OVERLAPPING VOICES
ZOYA CHERKASSKY & AVDEY TER-OGANIAN UNTITLED, 2008<br />
ZOYA CHERKASSKY CoUSINS, 2008<br />
115
onen eideLman<br />
1971 born in new york, ny<br />
Lives and works in tel aviv, israel<br />
edUCation and awardS:<br />
2006 – 2008 Currently a mFA candidate at the program<br />
for Public Art, Bauhaus University of Weimar,<br />
Weimar, D<br />
2005 – 2006 Fellow, Kolot Israeli lay-leadership program<br />
1994 – 1998 Bachelor of Arts in Visual Communication,<br />
Vital: The Tel Aviv Center for Design Studies<br />
SeLeCted exhiBitionS and projeCtS:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />
Artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />
(Group)<br />
2007 “Hassan Beck Street on the Corner of Abu<br />
Lughud”, Charles Clore Park, manshia,<br />
Tel Aviv – jaffa, Israel (Solo)<br />
“Loose Control – Illuminating Public Sphere”,<br />
jena, D (Group)<br />
2006 “For and Against T-shirts”, Dear Noga Gallery,<br />
jaffa, Israel (Solo) “Drafted Art”, exhibition and<br />
petition against the war in Lebanon, Internet<br />
(Co-curator and Artist)<br />
2005 “Interference/Intersection” Festival for Experimental<br />
Cinema & Video, jerusalem, Israel (Group)<br />
116 OVERLAPPING VOICES<br />
artiSt Statement<br />
Ich arbeite als journalist, als Herausgeber einer Kunst- und Kulturzeitschrift<br />
(www.maarav.org.il), produziere und initiiere Kulturprojekte und -veranstaltungen,<br />
lehre an Kunstakademien, engagiere mich sozial und politisch und<br />
bin Grafikdesigner und Student. Gleichzeitig bin ich auch Künstler. Ich habe<br />
mich der Kunst zugewandt, weil ich die Grenzen meiner anderen Aktivitäten<br />
erkannt habe und hoffe, durch mein künstlerisches Schaffen nicht nur Fragen<br />
der Gesellschaft, in der ich lebe, anzusprechen, sondern auch Licht auf<br />
dunkle und problematische Bereiche zu werfen, motiviert von dem Gedanken,<br />
dass man durch das Aufzeigen von Problemen und Schwierigkeiten<br />
Aktionen und Veränderungen in Gang setzen kann.<br />
Weil ich an einem ort der ständigen Gewalt und Konflikte aufwuchs, gegen<br />
extremen Kapitalismus und die Regeln des „freien marktes“ sowie fundamentale<br />
religiöse Anschauungen und Praktiken ankämpfte und alles immer<br />
mehr vom „Krieg gegen den Terror“ überschattet wurde, wollte ich immer<br />
herausfinden, welche Rolle die Kunst dabei spielen kann, positive Veränderungen<br />
herbeizuführen. Ich hoffe, meinen Teil zu einer besseren Zukunft<br />
beizutragen, indem ich furchtlos in die eigene Geschichte zurückblicke,<br />
mich mit dem Unausgesprochenen auseinandersetze und frage, wer die<br />
Zügel der macht in der Hand hat, wer von gegenwärtigen Konflikten profitiert<br />
und wer unbeachtet bleibt.<br />
Über die Kunst hoffe ich meine Welt in neuer und spannender Weise hinterfragen<br />
zu können und die Grenzen des offensichtlichen und Klischeehaften<br />
zu überschreiten. Die heutige politische machtstruktur macht es so<br />
gut wie unmöglich, Veränderungen kurzfristig, im Hier und jetzt herbeizuführen.<br />
Die Kultur ist der Politik allerdings immer einen Schritt voraus, und<br />
wenn wir die Kultur beeinflussen können, dann wird die politische Dimension<br />
folgen. In meinen Kunstprojekten und anderen Formen der Kulturproduktion<br />
mache ich mir die Erfahrungen und Taktiken aus meiner politischen<br />
Arbeit zunutze. Bei direkten Aktionen konfrontiert man Probleme dort, wo<br />
sie auftreten. In einem ähnlichen Gedankenansatz möchte ich die machtstrukturen,<br />
die Eliten ansprechen und Licht auf jene Bereiche werfen, wo<br />
es am effektivsten ist. Die davon betroffenen menschen möchte ich motivieren,<br />
bewusstseinsbildend bzw. kritisch zu agieren.
the ghoSt of manShia awakeS<br />
mit Hilfe eines Linienmarkiergeräts, wie es auf Fußballplätzen verwendet wird,<br />
zeichnet Ronen Eidelman die Straßen und Häuser des manshia-Viertels nach.<br />
Der Künstler tut dies in der Nähe der Küste an der Grenze zwischen dem<br />
heutigen Tel Aviv und jaffa auf den Rasenflächen des Charles-Clore-Parks,<br />
wo Familien aus jaffa, immigrierte Arbeiter aus Neve Sha’anan, Studenten<br />
aus Florenz und Yuppies aus Neve Tzedek herumsitzen, Fußball spielen und<br />
grillen. Eine Gruppe weißgekleideter menschen macht Yogaübungen, Hochzeitspaare<br />
lassen sich vor dem Sonnenuntergang fotografieren.<br />
Das manshia-Viertel ist tief unter den Rasenflächen des Charles-Clore-Parks<br />
begraben. Es entstand in den 1870er jahren als moslemischer Vorort von<br />
jaffa. Nach 1948 wurde das Viertel, das während der Besetzung von Etzel<br />
[zionistische Untergrundorganisation] zerstört worden war, von jüdischen Einwanderern,<br />
meist Überlebenden des Holocaust, besiedelt. mitte der 60er<br />
jahre wurde das Viertel völlig abgerissen und an seiner Stelle der Charles-<br />
Clore-Park errichtet.<br />
Eidelman bringt die Straßenzüge und Häuser von manshia an die oberfläche.<br />
Die weißen Linien markieren das Viertel, das unter dem Rasen des<br />
Charles-Clore-Parks liegt – die Straßen und Gebäude, den Geist von manshia.<br />
Die weißen Linien erinnern an die Polizeimarkierungen an einem Tatort, in<br />
diesem Fall dem Schauplatz eines mordes an Häusern, eines Architekturmordes,<br />
eines Kulturmordes in jaffa. Gleichzeitig sprechen sie auch die<br />
Sprache des Fußballs und der Rasenflächen des Parks im Sinne der heutigen<br />
Nutzung. Die Linien auf einem Fußballfeld sind sehr klar, behindern<br />
aber nicht die Bewegungsfreiheit. In ähnlicher Weise definiert Eidelman die<br />
Begrenzungen des manshia-Viertels neu, ohne damit ein Hindernis zu erzeugen<br />
oder den gegenwärtigen Alltag im Charles-Clore-Park zu stören. Er setzt<br />
nur ein Zeichen, das beachtet werden will.<br />
Im Rahmen des Projekts „Autobiography of a City“ der Ayam Association –<br />
Understanding and Dialogue (RA), www.jaffaproject.org.<br />
mit Unterstützung der Kulturabteilung der Gemeinde Tel Aviv-jaffa und des<br />
Israeli Center for Digital Art in Holon.<br />
Projektwebsite: www.jaffaproject.org/events<br />
I work as a journalist, an editor of an art and culture journal (www.maarav.org.il),<br />
produce and initiate cultural projects and events, teach at art colleges, am active<br />
in social and political struggles, while being a graphic designer and a student.<br />
And I am also an artist. I turned to art because I realized the limitations<br />
of my other activities and hope that through my artistic output I can not only<br />
raise questions about the society I live in, but through my work shed light on<br />
dark and problematic spaces with the thought that by exposing problems and<br />
difficulties it can bring about action and change.<br />
Growing up and living in a place of continuous violence and conflict, struggling<br />
against extreme capitalism and the rules of the ‘free market’, fundamental religious<br />
beliefs and practices, and through the ever growing shadow of the “war<br />
on terror”, I constantly wanted to check and learn what place art can have in<br />
bringing change for the good. By looking fearlessly into one’s history, exploring<br />
the unspoken and by asking who holds the power, benefits from ongoing conflicts<br />
and who is left out I hope to take part in influencing a better future.<br />
Through art, I hope to examine and question my world in a fresh and stirring<br />
way, and move beyond the obvious and the clichés. The political power structure<br />
today makes it almost impossible to influence change on the ground and<br />
in the short term. But culture is always a step ahead of politics, and if we can<br />
influence the culture then later the political dimension will follow. Through<br />
my projects of art and other forms of cultural production I use the experience<br />
and tactics that I acquired in political work. In direct action you confront the<br />
problem at the place where it exists. In a similar way of thinking I like to confront<br />
the power structures, the élites, shed light in places where it‘s most effective<br />
and challenge the people it chooses to make aware and/or critique.<br />
the ghoSt of manShia awakeS<br />
With the help of soccer field marking equipment, Ronen Eidelman marks out<br />
the grid of streets and houses of the manshia Quarter. The marking is done<br />
near the sea, on the border between present day Tel Aviv and jaffa, on the<br />
grassy lawns of the Charles Clore Park, while families from jaffa, immigrant<br />
labourers from Neve Sha’anan, students from Florentine and yuppies from<br />
Neve Tzedek sit around, play soccer and barbecue. A group of people dressed<br />
in white is practising yoga; while brides and grooms are being photographed<br />
with the setting sun in the background.<br />
The manshia Quarter is buried deep under the grassy lawns of Charles Clore<br />
Park. It was established in the 1870s as a muslim suburban neighborhood<br />
of jaffa. After 1948, jewish immigrants, most of whom were Holocaust survivors,<br />
came to the quarter which had been destroyed during its occupation<br />
by Etzel [zionist underground organisation]. In the middle of the Sixties the<br />
quarter was totally demolished and in its stead the Charles Clore Park was<br />
built.<br />
Eidelman brings the streets and houses of manshia up to the surface. The<br />
white lines delineate the quarter that lies under the grassy lawns of Charles<br />
Clore Park – the streets and buildings – the ghost of manshia. The markings,<br />
made with white lines, are reminiscent of police markings at a murder scene,<br />
in this case the murder of the houses, the architectural murder, the cultural<br />
murder of jaffa. At the same time he speaks in the language of soccer reflecting<br />
the lawns of the park and its current use nowadays. The lines in the soccer<br />
field are quite clear; however they do not interfere with the traffic. Similar<br />
to the borders of the soccer field, Eidelman redefines the boundaries of<br />
the manshia Quarter without constituting an obstacle or hindering the present<br />
day life that continues in Charles Clore Park; he made just a mark that<br />
must be taken into consideration.<br />
In the framework of the “Autobiography of a City” project run by the Ayam<br />
Association – Understanding and Dialogue (RA), www.jaffaproject.org.<br />
With the assistance of the Tel Aviv – jaffa municipality’s Culture and Arts Division,<br />
Department of Arts / and the Israeli Center for Digital Art in Holon<br />
Project website: www.jaffaproject.org/events<br />
117
118 OVERLAPPING VOICES<br />
RONEN EIDELMAN THE GHoST oF mANSHIA AWAKES, 2007
119
120 OVERLAPPING VOICES
121
ShULa keShet<br />
1959 born in tel aviv, israel<br />
Lives and works in tel aviv, israel<br />
edUCation and awardS:<br />
2005 – 2006 mimizrah Shemesh<br />
2003 Heshel Center, Fellows Program<br />
1984 – 1987 Art College, Ramat Hasharon, Teaching<br />
certificate – Senior Authorized Teacher<br />
1980 – 1981 Art studies, Avni Institute, Tel Aviv, Israel<br />
SeLeCted exhiBitionS and projeCtS:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />
artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />
(Group)<br />
2007 “Kehaturg / Sex market”, Kunstihoone, Tallinn,<br />
EST (Group)<br />
2006 “Three Cities against the Wall”, New York, USA;<br />
Ramalla, Tel Aviv, Israel (Group)<br />
2003 “mother’s Home”, Artists House, jerusalem,<br />
Israel (Solo)<br />
2001 “13 Live Bullets”, oranim College Gallery, Tivon<br />
and Tel Aviv, Israel (Solo)<br />
2000 mizrahiyot, Neve Zedek, Tel Aviv, Israel (Solo)<br />
122 OVERLAPPING VOICES<br />
artiSt Statement<br />
Ich lebe immer noch in dem ärmlichen Viertel im Süden von Tel Aviv,<br />
in dem ich geboren wurde. mein privater Hintergrund und mein privates<br />
Ringen sind die Quelle meines sozialen Aktivismus in der öffentlichen<br />
Arena. Ich widme mich in meiner Arbeit Initiativen zur Förderung sozialer<br />
Gerechtigkeit, der Verbesserung von Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten<br />
für Frauen, der Solidarität zwischen Frauen und dem Dialog<br />
zwischen jüdischen und arabischen Frauen. mein Aktivismus vereint<br />
gesellschaftliche und kulturelle Anliegen: Frauen und Kunst, Vielfalt,<br />
Dialog und multikulturalismus. Als mizrachi, Feministin, Künstlerin, Kuratorin<br />
und Sozialaktivistin widme ich mich seit vielen jahren einer innovativen<br />
Agenda in Bezug auf Genderthemen und Identität in der israelischen<br />
Politik.<br />
In Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Aktivistinnen war es in den letzten<br />
jahren eines meiner Hauptanliegen, die erste feministische Bewegung<br />
der mizrachim (juden in Nahost/Nordafrika/Asien) ins Leben zu rufen. Die<br />
Bewegung basiert auf dem Prinzip des „Feminism of Colour“ und konzentriert<br />
sich auf wirtschaftliche, soziale, politische und kulturelle Rechte für<br />
marginalisierte Frauen aus unterschiedlichen Ethnien, wie z. B. mizrachim,<br />
Palästinenserinnen, Äthiopierinnen, Beduinenfrauen sowie ausländische<br />
Immigrantinnen und politische Flüchtlinge. Der Name der Bewegung ist<br />
„Achoti (Schwester) – for Women in Israel“. Ich übernahm bei Achoti die<br />
Funktion des Executive Director und entwickelte einige Kulturzentren, in denen<br />
sich meine Leidenschaft für sozialen, politischen und kulturellen Aktivismus<br />
ausdrückt.<br />
meine Arbeit als Aktivistin ist sehr eng mit meiner Arbeit als Künstlerin verknüpft<br />
und ist auch die Quelle für kreative Inspiration. Der Kern meiner<br />
Kunst ist meine Verbundenheit mit menschen und ihrem Kampf um Gerechtigkeit.<br />
Viele jahre lang initiierte ich kulturelle, soziale und kommunale<br />
Bürgerprojekte zu ethnischen Themen. Ich behandle in meiner künstlerischen<br />
Arbeit immer wieder dieselben Themen, wie etwa die Auseinandersetzung<br />
mit dem Konzept der Identität und dem Archiv als Weg, Geschichte<br />
zu bewahren. meine Kunst wird zu einem archivarischen Instrument, mit<br />
dem ich die ungeschriebene Geschichte der mizrachim-Gemeinde und<br />
anderer nichthegemonialer Gemeinden in Israel, hauptsächlich in Arbeiterkreisen<br />
angesiedelt, dokumentiere. Diese Gemeinden ringen alle um Befreiung<br />
aus der Diskriminierung und gesellschaftliche und kulturelle<br />
Anerkennung.
Als Künstlerin setze ich verschiedenste medien ein, etwa Fotografie, Skulptur,<br />
malerei, Installationen und Schrift. Kunst ist für mich ein medium, um meinen<br />
persönlichen und gesellschaftlichen Überzeugungen Gehör zu verschaffen.<br />
In dieser Ausstellung zeige ich zwei Arbeiten. Erstens die speziell für die<br />
Schau geschaffene Installation „Beehive/Archive“ (Bienenstock/Archiv). Das<br />
motiv des Archivs erscheint immer wieder in meiner Kunst und ist mit meiner<br />
persönlichen Biografie als mizrachi-Frau verknüpft. Die Geschichte einer<br />
minderheit, die mündlich von mutter zu Tochter weitergegeben wurde, wird<br />
vom Establishment in Israel normalerweise nicht niedergeschrieben. In meiner<br />
Installation verwende ich das Bild des Archivs, um die Geschichte von<br />
minderheiten zeitnah aufzuzeichnen und eine Geschichte der mizrachi-<br />
Frauen in Israel darzustellen. Im Archiv finden sich Texte und visuelle Informationen<br />
zu verschiedensten Elementen des mizrachi-Feminismus, in die<br />
auch die Arbeit der Bewegung „Achoti (Schwester) – for Women in Israel“<br />
eingebunden ist. Das motiv des Bienenstocks symbolisiert die von Frauen<br />
geleistete Arbeit, ihre Solidarität, ihre Produkte etc. Dieses Bienenstockarchiv<br />
ist in sechseckige Fächer unterteilt. In den Fächern verwahre ich Elemente,<br />
die einen Bezug zur Geschichte und zum Narrativ der mizrachim<br />
haben, etwa Bücher, Tagebücher, Gedichte, Fotos, Körbe, die von Israelinnen<br />
äthiopischer Herkunft hergestellt wurden, Zeichnungen, von Palästinenserinnen<br />
gefertigte bestickte Handtaschen und Kissen und vieles mehr. Sie alle sollen<br />
bei der Ausstellung nach dem Fair-Trade-Prinzip verkauft werden.<br />
In dieser Arbeit verbinde ich das Konzept des Archivs mit dem des Bienenstocks<br />
und Bazars, da der Aktivismus der mizrachi-Feministinnen eine räumliche<br />
Arbeit ist, die Texte und Theorie mit Aktionen verbindet.<br />
Die zweite Installation, „There are no Names for Things“ (Die Dinge haben<br />
keinen Namen), besteht aus einem Tisch, auf dem 84 Würfel wie ein Schachbrett<br />
angeordnet sind. jeder Würfel ist mit Fotos, Wachs, Texten und anderen<br />
Elementen überzogen. Die Dokumentarfotos habe ich 1997 in einem Zeitraum<br />
von sechs monaten in benachteiligten Gemeinden in der geographischen<br />
Peripherie Israels aufgenommen. Die Arbeit erzählt von der Unterdrückung,<br />
der Identitätsauslöschung und der Geschichte der mizrachi-Gemeinde in<br />
Israel. Gleichzeitig stellt sie eine Reise dar, eine visuelle Geschichte von orten,<br />
menschen und Kulturen.<br />
I was born and still live in a low-income neighborhood in Southern Tel Aviv.<br />
my personal background and personal struggles were the foundation that led<br />
me towards work in social activism in the public arena. I have devoted my<br />
work to social justice initiatives; advancement of women’s employment and<br />
earning opportunities; solidarity among women and dialogue between jewish<br />
and Arab women. my activism combines a social and cultural agenda regarding<br />
women and art, diversity, dialogue respecting the differences as well as<br />
multiculturalism. As a mizrahi feminist, visual artist, curator and social activist,<br />
I have been leading for many years an innovative agenda in the politics<br />
of gender and identities in Israel.<br />
Together with a group of women activists, one of my main priorities in the last<br />
few years was the establishment of the first mizrahi (middle Eastern/North<br />
African/Asian jews) feminist movement, based on the principle of “Feminism<br />
of Colour”, with an agenda focused on economic, social, political and cultural<br />
rights for marginalized women from different ethnic backgrounds such as:<br />
mizrahi, Palestinian, Ethiopian, Bedouin women as well as foreign immigrants<br />
and political refugees, entitled “Achoti (Sister) – for Women in Israel”. I became<br />
the Executive Director of Achoti and developed a few cultural centres<br />
that interconnect the passion for social, political and cultural activism.<br />
my activist work is very much intertwined with my artistic work and has been<br />
the source of creative inspiration. The core of my artwork is my connection<br />
with people and their struggles for justice. For many years I have initiated<br />
cultural, social and communal projects that feature community involvement<br />
and that involve ethnic themes. I use recurring themes in my creative work,<br />
such as exploring the concept of identity, and the notion of archives – a way<br />
to preserve history. my art becomes a tool of archiving, in order to document<br />
the unrecorded history of the mizrahi community and other non-hegemonic<br />
communities in Israel, which mostly represent the working class. These communities<br />
all struggle to free themselves from discrimination and to achieve<br />
social and cultural recognition.<br />
As an artist, I am engaged in various mediums, such as photography, sculpture,<br />
painting, installations, writing, etc. Art has become a medium to voice<br />
my personal and social beliefs.<br />
At this exhibition, I exhibit two artworks. one of them is a “Beehive/Archive”<br />
installation I created specially for this exhibition. The motif of the Archive appears<br />
in my artworks over past years, and it is connected to my personal<br />
biography as a mizrahi woman. The history of minorities, which was a verbal<br />
history passed from mother to daughter, is not usually written down by the<br />
Establishment in Israel. Within my installation, I use the image of the archive<br />
to document the history of these minorities as it is occurring and to represent<br />
a story of the mizrahi women’s community within Israel. The Archive accumulates<br />
textual and visual information and knowledge of various elements of<br />
mizrahi Feminism and which the work Achoti (Sister) – for Women in Israel<br />
movement is involved in. The work also relates to the Beehive motif as the<br />
Beehive symbolizes women’s labour, solidarity, products etc. The “Beehive/<br />
Archive” is arranged within various compartments, each compartment in the<br />
shape of a hexagon. Within these compartments, I store elements regarding<br />
mizrahi history and narrative, such as books, diaries, poetry, photographs,<br />
baskets woven by Israeli women of Ethiopian origin, drawings, embroidered<br />
handbags and cushions made by Palestinian women, and more. All of them<br />
to be sold at the exhibition as fair trade elements.<br />
In that work I connect the concept of Archive together with the concept of<br />
the Beehive and the Bazar, since the mizrahi Feminist activism is a spatial<br />
work that embraces actions together with texts and theory.<br />
The second installation “There are no Names for Things” is a table that has<br />
on top of it eighty-four cubes, like a Chessboard. Each cube is covered with<br />
photographs, wax, texts and other elements. These documentary photographs<br />
I took in a period of six months during 1997 among disadvantaged communities<br />
in the geographical peripheries across Israel. This artwork talks about<br />
the oppression, the erasing of identity and the history of the mizrahi community<br />
in Israel. And at the same time it creates a journey, a visual story of place,<br />
people and cultures.<br />
123
die kUnSt aLS projekt der arChiv-veränderUng<br />
EIN SECHZIGjÄHRIGES EINWANDERUNGSLAND Im TAKT DES<br />
GENERATIoNENWECHSELS<br />
Israel ist zweifellos ein typisches Einwanderungsland. Die Einwanderung nach<br />
Israel hatte einen scharfen ideologischen Beigeschmack. Die Staatsgründung<br />
selbst war Ausdruck und Gestaltwandel messianischer Denkmuster, die viele<br />
Generationen des judentums in der Diaspora (im Exil) geprägt hatten. Die<br />
Errichtung des Staates war Höhepunkt der zionistischen Erwachungs-Bewegung<br />
Europas, in der sich Prozesse der Säkularisierung, der Bestimmung der<br />
eigenen Nationalidentität und der Kennzeichnung der juden im christlichen<br />
Europa zusammengekommen waren. Die Frage des rechten ortes für den<br />
neuen Staat war auch verknüpft mit der Frage der Araber in Erez Israel (Land<br />
Israel); die Dynamik in diesem Land war häufig mit der Auffassung desselben<br />
als leeren Raum, der auf seine Verwirklichung wartet, verbunden.<br />
Das Lenken der Einwanderung:<br />
Der Ausschluss vom Buch und das Lenken zum Buch/Grenzland hin 1<br />
Die durch und durch europäische Errichtung des Staates beabsichtigte die Versammlung<br />
der juden aus allen Ländern ihres Exils. Dieses Versammlungsprojekt<br />
der Gemeinden enthielt einige konstruierte Phasen manipulierter Immigration:<br />
zuerst Vervollkommnung der mittel der Überzeugung und die<br />
motivierung zum Auswandern, danach die Lenkung der immigrierten Gemeinden<br />
in ihrem neuen Land. Diese Lenkung erschöpfte sich nicht nur in der<br />
Ansiedlung in bestimmten Gegenden, sondern zeigte sich auch im „tragbaren<br />
Vaterland“, dem zweiten Territorium des juden, in Sprache und Buch.<br />
In allem was mit dem Buch, diesem zweiten Territorium zu tun hat, haben die<br />
Staatsgründer, die im europäischen Diskurs und Kontext verwurzelt waren, sich<br />
selbst als Anbauer jungfräulichen Neulandes betrachtet: welcher Schriftart die<br />
graphische Form der Buchstabenschrift gleichen soll, welche aller Aussprachemöglichkeiten<br />
zum musikalischen Klang der hebräischen Sprache erwählt<br />
werden soll, welche von allen Geschichten die historische Erzaählung<br />
des judentums sein soll – bis dahin hatte das judentum angeblich außerhalb<br />
der Geschichte gelebt. Im Bereich der Sprache wurden aschkenasische<br />
[= jüdisch-europäisch] Schreibschrift und sefardische [Sefardim = die aus<br />
Spanien vertriebenen juden] Aussprache [am auffallendsten in der Pänultima-<br />
und Ultimabetonung = Endbetonung] vereint, und dabei die uneuropäischen<br />
Gutturallaute [= Kehllaute] gänzlich abgeschafft. Historisch gesehen, war die<br />
Antwort vollkommen klar. Geschichte wurde aus der Perspektive der jüdischen<br />
Existenz in Europa heraus erzählt, in völliger Anpassung an die zu moderne<br />
und Aufklärung gehörende Fortschritts-Erzählung. Die Folge war, dass große<br />
Bevölkerungsgruppen, die aus orientalischen Ländern kamen, doppelt ausgegrenzt<br />
waren. Zunächst wurden viele von ihnen manipulativ in die geographische<br />
Peripherie geleitet, und dann fanden sie nichts von sich in den Geschichtsbüchern<br />
wieder, die im Staat Israel geschrieben wurden. Das nenne<br />
ich: Ausgrenzung vom Buch und Wegleitung zum Grenzland. 2<br />
Diese Unterdrückung, so problematisch sie auch war, ist dennoch in sich äußerst<br />
komplex: Der messianische Erlösertraum von der Heimkehr ins gelobte<br />
Land war ja den juden aller Weltgegenden gemeinsam. Dieses, den menschen<br />
innewohnende, fast naive Gefühl der Verpflichtung zu diesem Traum erklärt,<br />
warum der propagierte Schmelztiegel Israel zu Anfang so erfolgreich war. Ebenfalls<br />
erklärt es, dass es eine Zeit dauerte, bis den einzelnen menschen die Kluft<br />
zwischen dem Kollektivtraum und den eigenen Wünschen – sich selbst und<br />
seine eigene Kultur authentisch auszudrücken – bewusst wurde. In diesem<br />
Sinn wurde der Staat zum Scheitelpunkt der Aufspaltung zwischen östlichem<br />
und westlichem muster innerhalb einer Religion. Diese Religion umfasst die<br />
zwei großen Kulturkreise der menschlichen Zivilisation und in den Grundfesten<br />
dieser Religion sind diese beiden Pole verschmolzen.<br />
Im Zuge der realen Rückführung des juden in die Geschichte in Form der<br />
Staatsgründung, wurde das orientalische ausgeslöscht, als lächerlich und<br />
überflüssig dargestellt, seiner Vergangenheit beraubt, in eine Lage gebracht,<br />
124 OVERLAPPING VOICES<br />
in der es sich seiner selbst schämen musste. Das orientalische wurde aus<br />
seinem Eigenen verdrängt, seine geistigen Bedürfnisse und sein Kulturerbe<br />
fanden keine staatlichen, kulturellen und institutionellen Ausdrucksmittel.<br />
Diese Politik wiederholte wie ein Echo die frühen Versuche jüdischer Aufklärer,<br />
dem judentum auch in Europa eine Geschichte innerhalb Europas zu geben.<br />
Die Anfänge dieser Versuche reichen bis in die frühe Neuzeit zurück, als Spanien<br />
seine juden vertrieb. Sie verstärkten sich im Laufe des achtzehnten jahrhunderts<br />
und waren von Selbstverachtung und Selbstverabscheuung, von dem<br />
Drang, den juden als den Anderen ins Archiv zu verbannen, und von starker<br />
emotionaler Ablehnung der Diaspora (= die Exilexistenz) begleitet 3 . Später, mit<br />
dem Auftreten der Wissenschaft des judentums in Deutschland des neunzehnten<br />
jahrhunderts, entwickelte sich daraus das, was Gerschom Scholem als das<br />
Bestreben, dem judentum ein ehrenvolles Begräbnis zu verschaffen, beschreibt:<br />
„ ...der Jude will sich von sich selbst befreien, und die Wissenschaft des Judentums<br />
dient ihm als Begräbniszeremonie und ist eine Art Befreiung von einem Joch,<br />
das auf ihm lastet.“ 4<br />
Der Akt der musealen Konservierung und Archivierung ist ein Akt vor der<br />
endgültigen Tötung – genau mit diesem Prozess kann die Beziehung des<br />
neuen europäischen, aufgeklärten judentums zum judentum beschrieben<br />
werden.<br />
Ein ähnlicher Prozess ist nun wieder im israelischen Lebensraum im Verhältnis<br />
des „Israelitums“ zum judentum zu sehen und zwar in der Beziehung<br />
des okzidents zum orient. Der orient durchlief einen beschleunigten, vielfältigen<br />
Prozess der Archivierung: Bisweilen nimmt dieser Prozess der Archivierung<br />
die Form der Durchtrennung von organen an und kommt somit einer<br />
Tötung gleich. manchmal wird der orient als Gesamtes aus dem Prozess<br />
der Archivierung ausgeschlossen.<br />
Wenn sich in den westlichen Ländern „der jude“ vom judentum befreien<br />
wollte, dann hat der israelische Kulturraum – nach Gründung des Staates –<br />
begonnen, die gleichen mittel zur Befreiung der orientalischen juden von ihrem<br />
Wesen und ihrer Vergangenheit, anzuwenden. Was die „Wissenschaft<br />
des judentums“ für die juden in Europa zu tun versucht hatte, versuchten<br />
die Führer und Gestalter der Politik des jungen Staates für die orientalischen<br />
juden zu tun. In diesem Zusammenhang können wir abgewandelt sagen, die<br />
Wissenschaft zur Erforschung des orientalischen judentums dient ihm als<br />
Begräbniszeremonie und ist eine Art Befreiung von einem joch, das auf ihm<br />
lastet.<br />
Fest steht, dass in dieser überspitzten metapher das, was einer sich selbst<br />
antut, Selbstmord ist – wenn er dagegen Ähnliches an anderen verübt, kann<br />
es als mord angesehen werden, mord am Gedächtnis.<br />
Was jetzt nottut in der israelischen Kultur, ist eine Verwandlung des toten Archivs<br />
in ein lebendiges, eine Rückkehr zu einem imaginären Nullpunkt des<br />
Daseins des orients. Diese würde es den Elementen von Leben und Tod in<br />
der Erinnerung ermöglichen, sich von neuem frei und vollständig zu<br />
entfalten.<br />
Raum und Gedächtnis: Geographie als Geschichte und Geschichte als<br />
Geographie<br />
Zu den bekannten Vorgängen in einem „Schmelztiegel“ (ein aus dem Einwanderungsland<br />
USA kommender Ausdruck) kamen als Klebstoff und Trennermaterial<br />
noch zwei weitere Elemente in jenes Gemisch, das in dem Tiegel<br />
blubbert: das Universale, eigentlich das Westliche, war der Klebstoff. Das<br />
Arabische, das schon zu Beginn des jahrhunderts in europäischer, kolonialistischer<br />
Perspektive zum „orient“ wurde, war das trennende material.<br />
Gleichzeitig wurde alles Arabische als „leer“ angesehen: Als geographische<br />
Leere im Sinne eines leeren Landes und als „leer“ auf der Ebene des historischen<br />
Gedächtnisses im Sinne von Erinnerungsleere.<br />
Diese Verleugnung des Orientalischen verleugnete auch das Orientalische im<br />
Judentum: Es ist dies eine Einstellung, die nichts davon wissen will, dass das<br />
Judentum als kulturelles Gebilde auch einen östlichen Pol hat und dass das<br />
Land Israel am Ostrand des Mittelmeers liegt. Dies war die Auffassung der Pi-
oniere, die das Land Israel erbauten. Sie verstärkte bei den orientalischen juden<br />
die Ambivalenz gegenüber den eigenen Wurzeln und deren Verankerung in<br />
der arabischen Welt. Die orientalischen Juden wurden dadurch angetrieben, sich<br />
so schnell wie möglich als „westlich“ neu zu erschaffen.<br />
Es liegt auf der Hand, dass eine Symmetrie besteht zwischen der Schaffung<br />
einer Geschichte, die ganze Stöße leerer Blätter enthielt – diese Geschichte<br />
wurde als unerheblich oder als interessant höchstens für ein begehbares Archivprojekt<br />
angesehen – und der Geografie, die menschengefüllte Landstriche<br />
als ausradierte und leere Blätter auffasste.<br />
Orientalismus und Orient<br />
Beim Entleeren des orients hinein in die israelische-jüdische Existenz im<br />
neuen Staat entstand die Kategorie „orientalisch“ (mizrahi). In vielen Sprachen<br />
gilt der „osten“ (misrach), der „orient“ als „orientierung“. man hatte<br />
das Zierschild misracha an jener Wohnungswand hängen, die der Richtung<br />
des Sonnenaufgangs am nächsten lag, denn gen morgen lag das heilige Land,<br />
lag im Schutt der heilige Tempel, zu dem hin sich alle Herzen und münder<br />
sehnsüchtig richteten (man denke an ‚Agnons bidmi jameha). Eine solche<br />
Setzung ist genau das Gegenteil von den bekannten Etikettierungen von „orientalisch“<br />
als unterdrückend, beleidigend und erniedrigend. Aus dem weiten<br />
Raum des orients wurde die enge Nische des „orientalismus“: Das Herausschneiden<br />
und Herausziehen des orientalischen aus seinem Platz im<br />
judentum in der islamischen Welt, bedeutete, dass der orientalismus als herausgerissenes<br />
(= ihrer selbst, des orients, der Leitrichtung entbehrendes)<br />
schwaches Paradigma gesehen wird. Ein Paradigma, das geschichtslos ist,<br />
nur aus der Gegenwart besteht und das sich selbst nur in Jetztzeitbezügen konstituiert<br />
gegenüber einer Kultur, die alle legitimen Codes beherrscht (man muss<br />
jedoch darauf hinweisen, dass im Gegensatz zum orientalismus, diese Kultur<br />
für sich selbst einen Zugangskanal zu ihrer Vergangenheit bewahrt hat,<br />
sei es aus ihrer Verneinung, Akzeptanz, Zerstörung, Umwandlung oder Säkularisierung).<br />
Letztendlich ergibt sich daraus, dass die israelische orientalität<br />
viel eher ein, durch eine übergeordnete Gruppe in der Kultur für eine<br />
untergeordnete Gruppe innerhalb derselben Kultur hervorgebrachtes Erzeugnis<br />
ist, als ein selbständiges Kulturprodukt. Anders ausgedrückt, sie ist ein<br />
Strukturierungsprodukt des europäischen judentums.<br />
Die sensible Phase des Übergangs und die Gefahr der Festschreibung<br />
von Einheitlichkeit im Namen des Multikulturalismus<br />
Die israelische Kultur befindet sich in einer gefährdeten und zerbrechlichen<br />
Entwicklungsphase. Einerseits scheint die historische Stunde der Geschichtsenteignung<br />
vorüber zu sein, eine Stunde, die so lange währte wie ein Generationendreitakt:<br />
sechzig jahre, und himmelschreiend krasse Erscheinungen<br />
von Diskriminierung oder Ausgrenzung werden in der israelischen Kulturlandschaft<br />
nicht mehr hingenommen. Allerdings: Die Abwesenheit beherrscht<br />
immer noch den allgemeinen, selbstverständlichen Raum; oberflächlich gesehen,<br />
ist sie Gegenstand des Diskurses über Vielstimmigkeit. In einem anderen<br />
Sinn wirkt die Abwesenheit, tief eingebaut und verwoben im Raum der<br />
israelischen Kultur und pulsiert immer noch aus den Tiefen ihrer Institutionalisierung<br />
heraus: im beredten Schweigen der Geschichtsbücher, im Bildungswesen<br />
und seinen Lehranstalten, in der marginalisierung der orte an<br />
der Peripherie, in einer diskriminierenden Raumplanung 5 und dadurch, welche<br />
kulturellen Codes als legitim gelten.<br />
Dieser vorangestellte Überblick ist notwendig, um die Geschichte der orientalischen<br />
Kunst in Israel zu verstehen und neu zu ordnen. Die Kunst einer<br />
unterdrückten Gruppe leidet doppelt, weil selbst die Kunstkritik, deren Aufgabe<br />
eigentlich ist, die Kunst einer breiten Öffentlichkeit begreiflich zu machen,<br />
unempfänglich für Botschaft und Codes dieser Kunst ist; diese Kunst bedient<br />
sich anderer als der als erlaubt geltenden Ausdrucksweisen der<br />
„allgemeinen“ Kultur – und so wird sie von dieser leicht als kulturell minderwertig<br />
aufgefasst. Deshalb ist das Projekt der neuen Kunst zugleich ein Projekt<br />
der eigenen Neugründung, ein Projekt des Protests und des Geländes,<br />
welches Kritik einfordert, deren Bestrebung es ist, die Festgefahrenheit dieser<br />
Kunst zu sehen und ihre Befreiung aus der Nische „orientalische Kunst“<br />
voranzutreiben. Tatsächlich besitzt die als „orientalisch“ abgestempelte Kunst<br />
die subversive, Einspruch erhebende und lebendige Kraft des gesellschaftlichen<br />
Randes, nur dass die Diskussion über sie von neuem die Problematik<br />
des Bewusstseins der „Verstärkungseinheit“ hervorruft. mit Panoramablick<br />
betrachtet, kann man in diesen Kräften die bedeutende Avantgarde<br />
sehen, vielleicht nicht das hegemoniale Zentrum der Gesellschaft, aber das<br />
Zentrum lebendiger und wichtiger Tätigkeit, das festlegt, was morgen sein<br />
wird. Die Aufgabe des Künstlers/der Künstlerin ist es, die toten, herausgerissenen<br />
und verstreuten Teile ausfindig zu machen und sie wieder durch einen<br />
einenden Filter zu führen, sich zu befreien von der entzweienden und<br />
dichotomen Perspektive von „Zentrum“ gegenüber „Peripherie“.<br />
Die künstlerische und intellektuell-kritische Tätigkeit in Israel muss verstehen,<br />
dass sie sich mit einem Raum auseinandersetzt, dessen symbolische Gestaltung<br />
ihren Ursprung hauptsächlich im jüdisch-christlichen Raum hat, während<br />
er weiterhin ein kleines und tatsächliches Territorium beherrscht, in dem<br />
zwei andere Identitätsprobleme, die geleugnet wurden, zentral sind: der jüdisch-muslimische<br />
und der arabisch-palästinensische Raum.<br />
Früher habe ich versucht, das Grundmuster der Fernhaltung vom Buch und<br />
die Wegleitung zum Grenzland zu entwickeln. Dieses ist eine Grundstruktur,<br />
die ihre Umsetzung im israelischen Kulturraum durch den Versuch der hegemonialen<br />
Kultur erfahren hat, die Gestaltung der tatsächlichen Landschaft<br />
nach möglichkeit mit der Gestaltung von Erinnerungslandschaften in Deckung<br />
zu bringen, so wie dies ihren Niederschlag in den Geschichtsbüchern<br />
findet.<br />
Geografie und Geschichte sind zwei einander ergänzende Disziplinen, und<br />
Hand in Hand mit der hegemonialen Kraft einer Gesellschaft können sie einen<br />
Kulturraum als tot oder als lebendig bestimmen und ihn auf Dauer zu<br />
den Akten legen.<br />
Löschen und Einschreiben, Bauen und Zerstören, Ansiedeln und Lenken der<br />
Einwanderung das sind alles sich ergänzende Praktiken – Praktiken, die das<br />
Symbolische zum Ausdruck bringen, in Bezug sowohl auf die gesellschaftliche<br />
ordnung als auch auf den Kontext, in dem das Religiöse institutionalisiert-religiös<br />
übersetzt wird. 6<br />
Die Szene des Orients in der visuellen Kunst<br />
In diesem Rahmen werde ich entlang folgender Punkte eine verdichtete, grob<br />
chronologisch geordnete Skizze vorlegen:<br />
Frage des Refrains, die Frage der Vergangenheit, die auf traumatische Art<br />
und Weise abgekappt wurde, eine Beschäftigung mit dem <strong>katalog</strong>isierenden<br />
und etikettierenden Blick, eine Analyse dieses Blickes und ein Durchschaubarmachen<br />
jener methoden, durch die das orientalische zu einem Stereotyp<br />
wurde.<br />
Es ist abzuschätzen, dass sich parallel dazu auf der Achse zwischen den Generationen<br />
eine Bewegung abzeichnen wird, die die stufenweise Bewusstseinsentwicklung<br />
des Kunstschaffens ausdrückt. Die Beschreibung der Geschichte<br />
der Spannung der orientalischen Kunst [so wie bei anderen<br />
Themenkreisen des orients oder des orientalismus in Israel] erfordert eine<br />
neue Sprachregelung in folgenden Bereichen: a.) Chronik, b.) Konzeptionalisierung,<br />
c.) Problematik, d.) Kontext, e.) Formen und Inhalte, f.) die Frage<br />
des Refrains, g.) das Verhältnis Kunst und Kritik.<br />
Als Paradebeispiel für Freiheit und Fülle des orientalischen in seinem Zugang<br />
zur eigenen Vergangenheit (obzwar in verdeckter Auseinandersetzung mit der<br />
hegemonialen Gruppe) möchte ich den Künstler Avschalom okaschi vorstellen<br />
und mich dabei gründlich mit der Forschungsarbeit mordechai omers über<br />
diesen Künstler auseindandersetzen, wenn auch auf andere als die von ihm<br />
gewählte Weise. okaschi wird dabei als Beispiel eines schaffenden orientalischen<br />
Künstlers gesehen, der schon vor der „Schmelztiegel“-Zeit ins Land<br />
kommt und hier in die Gesellschaft hineinwächst und der im Einflussbereich<br />
des besten Erbes der europäischen Bildung der malerei, dessen Vertreter in<br />
125
Israel jüdische maler aus Europa waren, integriert und ausgebildet wird. In seiner<br />
abstrakten Kunst drückt er aus und vereint die Symbole des Erhabenen,<br />
die in ihm durch das individuelle kollektive Gedächtnis seiner Gemeinde eingraviert<br />
sind, und bewegt sich weiter mit der Revolution der masseneinwanderung<br />
in den fünfziger jahren zum Figurativen, um von dort wieder zum Erhabenen<br />
zurückzukehren. okaschi ist ein offbeat, ein Held ganz besonderer Art,<br />
ein Anti-Held, wenn das orientalische als opfer gelöscht ist, so ist er dagegen<br />
der Held.<br />
Der Schock der Fünfzigerjahre auf visueller Ebene ist fast zur Gänze völliges<br />
Verstummen, eine Phase traumatischer Sprachlosigkeit, verbunden mit und<br />
allmählich übergehend in Gewalttätigkeit. Fast zwanzig jahre Schweigen der<br />
visuellen Kunst. ‚okaschi, der sowieso schon maler mit etablierter Karriere ist,<br />
kann die Neueinwanderer aus der Sicht eines Außenstehenden betrachten, da<br />
er schon lange im Land Israel verankert ist und sich im Schaffensschwung<br />
befindet.<br />
Zwischen den Sechziger- und den Siebzigerjahren gibt es so gut wie keine Distanz<br />
zwischen der visuellen Kunst und dem Schrei der Straße. macht und<br />
Schönheit liegen verborgen in der allereinfachsten Aussage von Plakaten und<br />
Demonstrationstransparenten, die sich durch Einfachheit und Bitterkeit in schreiendem<br />
Schwarzweiss auszeichnen. Die Eingewanderten – die sich mit mehr<br />
oder weniger Erfolg aus ihrer plakativen Existenz zu befreien suchen – schaffen<br />
Plakate, auf denen keinerlei Abstand zwischen Kunst und dem Aufbegehren<br />
im wirklichen Leben besteht. In den Siebzigerjahren drückt sich der Schrei<br />
des gewaltsam Unterdrückten im Schaffen der (ebenfalls aus jemen stammenden)‚<br />
Afiah Secharjah am deutlichsten aus, die sich manisch gedrängt<br />
fühlt, alle Wände ihres Hauses in grellen Farben anzustreichen 7 um es von den<br />
Wänden der kleinen Sozialwohnung zu befreien, neu zu bearbeiten, Raum in<br />
dieses Haus zu verpflanzen – wenn auch als apokalyptischen Schrei.<br />
Pinechas Cohen Gan (geboren 1942 in meknes) kam als sechsjähriges Kind<br />
nach Israel. man kann in seinem Schaffen eine Fortsetzung und Weiterentwicklung<br />
der Erscheinung der distanzierten Beschreibung des ost-West-Problems<br />
sehen, die ich bei ‚okaschi aufzuzeigen versuchte (es bestehen auch<br />
weitere Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Künstlern). Zwar drücken seine<br />
ersten Arbeiten über den ost-West Konflikt bewusstes Ringen mit Bruch, Schnitt<br />
und Kluft aus, aber gleichzeitig hält er sich doch entfernt vom Direkten und<br />
verarbeitet es zu einem prinzipiellen Strukturproblem. Der prinzipiell-strukturelle<br />
Gestaltungswille drückt sich schon in seinem Entschluss am Anfang seines<br />
Schaffensweges aus, Kunst im Kuhstall auszustellen.<br />
Seine Schöpfung am Toten meer (1972-73), wo er Polyäthylenschläuche mit<br />
Süßwasser und lebenden Fischen füllte und in eine Umgebung steckte, die<br />
Leben nicht ermöglicht, ist ein Projekt über das Exil, das zu einer apokalyptischen<br />
Erlösungsvision verkehrt wird, wie sie im Buch des Propheten Hesekiel<br />
Kapitel 47 beschrieben steht. 8<br />
man kann dieses Kunstprojekt als Wehklage über das Auswandern auffassen.<br />
Eine Erlösungsvision wird zu einer Exilvision. Tötung von Fischen im Salzland<br />
des „Salzes der Erde“ [Vergleiche, viele jahre später: jossi Sukeri, savta emiliah<br />
umelach haarets. widui („oma Emilie und das Salz der Erde. Eine Beichte“)<br />
und die Schöpfung Eli Petels: shethikath hadagim („Das Schweigen der<br />
Fische“).]<br />
Ich möchte nun in diesem Projekt einen Ausdruck der tötenden Archivierung<br />
sehen. Die lebendige Erinnerung, die in eine zerstörerische, zersetzende Umgebung<br />
integriert wird – eine Auswanderung, die der Speicherung von Erinnerungen<br />
kein Recht auf Dasein gewährt.<br />
Andere strukturelle Ausdrücke des Themenkreises migration im Schaffen Cohen<br />
Gans haben sich auf Reisen in Landschaften des Indischen ozeans und<br />
nach Alaska niedergeschlagen, Reisen und Projekte mit dem Ziel, den Salzgehalt<br />
des ozeanwassers um einen nicht mehr messbaren Prozentbruchteil<br />
zu erhöhen.<br />
Das Finden der materiellen Umgebung, wo man in einer Art untergeordneten<br />
Wirklichkeit Stellung bezieht und von dieser aus auf die „höhere“ Wirklichkeit<br />
blickt, ist charakteristisch für alle seine Arbeiten, von der Kuhstallausstellung<br />
126 OVERLAPPING VOICES<br />
bis hin zu seinem Beziehen eines Zeltes im Flüchtlingslager bei jericho (1974).<br />
Seine Grundaussage ist, dass man die Dinge nur versteht, wenn man in ihnen<br />
wohnt, nur dann den Blick der niederen Wirklichkeit auf die höhere sieht. 9<br />
Zunächst also setzt Pinechas Cohen-Gan sich mit verschiedenen strukturellen<br />
Themen von Spannung und von dichotomen Widersprüchen gegensätzlicher<br />
Teile eines Ganzen auseinander.<br />
Das ost-West-Thema erscheint bei ihm dabei zunächst eher in abstrakter Form,<br />
indem er es mit weitläufigen, strukturellen Problemen verknüpft. Seine Arbeit<br />
misrach-ma‘arav [hebräisch „ost-West“, also „orient-okzident“] jedoch stellt<br />
nun ganz deutlich (bibliografische Thesen zu den orientalismusthesen von Edward<br />
Sa‘id 1982-94) [siehe auch: Tsalmonah, S. 113] das gespaltene Ich dar,<br />
dessen zwei Teile aus dem Archivierenden und dem Archivierten zusammengesetzt<br />
sind (abendländischer Archäologe und ägyptischer Arbeiter).<br />
Erst Mitte bis Ende der Achtzigerjahre werden die Stimmen laut, die aus der Künstlerausbildung<br />
und der Hochschulbildung resultieren, zu denen schon die zweite<br />
und dritte nachgeborene Generation der Eingewanderten vorgedrungen ist, die<br />
nicht notwendigerweise durch den behütenden fördernden Filter der Einwanderungsaufnahme<br />
und der Kibutzim gegangen sind. Zum Teil haben sie ihre Schulzeit<br />
schon als Israelis erlebt, ohne ein besonderes Bewusstsein der einen oder<br />
anderen Art, und sind daraus im Verbund neuer machtsysteme mit Stimmen<br />
hervorgegangen, die sich mit Protest beschäftigen, mit seiner Verarbeitung und<br />
mit inhaltlichen Fragen bezüglich des orients.<br />
Kurze und lange Erinnerung – die Dynamik des Verneinenden und des<br />
Verneinten<br />
Die Gegenüberstellung judentum/Israelitum setzt mit der Frage der langen oder<br />
kurzen Erinnerung jedes einzelnen Subjekts auf einer senkrechten und des Ausdrucks<br />
dieser Zusammenstöße im Raum auf der waagrechten Achse ein.<br />
In seinem berühmten Aufsatz „Notiz über den Wunderblock“ sprach Freud über<br />
ein modell der menschlichen Erinnerung, das er einem Schreibgegenstand, auf<br />
den er gestoßen ist, entnommen hat – einem Block, der aus Paaren von Blättern<br />
zusammengesetzt ist. Alles, was auf das obere Blatt eines Paares geschrieben<br />
wird, erscheint auch als Kopie im unteren Blatt und bleibt dort<br />
auch dann stehen, wenn die Schrift auf dem oberen Blatt ausradiert und etwas<br />
anderes dort geschrieben wird. Das ist ein großartiges Bild für den Zusammenhang<br />
zwischen kurzem und langem Gedächtnis. Für die Betrachtung<br />
hier möchte ich diese metapher jedoch vom Einzelsubjekt auf das Kollektivgedächtnis<br />
übertragen. Wir sind nicht im Geringsten dazu im Stande<br />
uns selbst zu erklären, wie sehr unsere Existenz unmöglich ist, ohne der tiefen<br />
Schicht, die sich unter dem bewussten Gedächtnis befindet, auch wenn<br />
sie halb gelöscht ist. Diese Schicht muss unbedingt existieren. Dieser in der<br />
psychoanalytischen und philosophischen Literatur vieldiskutierte Text von<br />
Freud, liefert auch einen guten Anhaltspunkt für die Diskussion über Auslöschung<br />
und Erinnerung in der Sprache und im kollektiven Bewusstsein.<br />
Das Erlebnis von Erinnerung und Vergessen, oder Schreiben und Auswischen,<br />
bei den Einwanderern erster, zweiter und dritter Generation aus muslimischen<br />
Ländern, hängt mit dem Gefühl der ersten Generation zusammen. Diese kamen<br />
mit einer Sprache ins Land, die sie nun nicht mehr sprechen sollten.<br />
Dies ähnelt keineswegs dem, was die erste Generation der Pioniere erlebte,<br />
die auch eine fremde Sprache mitgebracht, diese dann aber freiwillig abgeschafft<br />
hatten, um eine neue Welt zu erschaffen: Im Gegensatz zu ihnen ist<br />
der orientalische Einwanderer mit seiner Sprache gekommen und hat empfunden,<br />
dass diese nicht legitim ist. Da ist zu unterscheiden zwischen dem,<br />
der seine eigene Vergangenheit verneint und dem, dessen Vergangenheit von<br />
anderen verneint wird. Die Dynamik in der ersten Generation orientalischer<br />
Einwanderer bestand vor allem darin, sich selbst in der Öffentlichkeit unkenntlich<br />
zu machen und nur in den eigenen vier Wänden dem verpönten<br />
Vergnügen zu frönen. Die Dynamik der zweiten Generation orientalischer Einwanderer,<br />
orientalischer Erfahrung in Israel, ist die ernsthafte Arbeit daran,<br />
in die Öffentlichkeit zu gelangen: der von der Herkunft seiner Eltern Gezeichnete<br />
bemühte sich zwanghaft – bewusst oder unbewusst, tut nichts zur Sa-
che, – im öffentlichen Leben akzeptiert zu sein. Dieses war die wichtigste<br />
Aufgabe für die zweite Generation: Übereinstimmung mit der mehrheitsgesellschaft,<br />
auf der Horizontalachse, das ist der Schmerz ihrer Sprachlosigkeit,<br />
die schnelle Assimilierung, der Leistungsdruck. Das was heute auf sehr<br />
verschiedene Weisen mit der dritten und einem Teil der zweiten Generation<br />
geschieht, ist eigentlich das Wiederauftauchen der gelöschten, aber immer<br />
noch zugänglichen Sprache, der Ausbruch des Hauses in die Öffentlichkeit<br />
auf der Horizontalachse und das neuerliche Sichtbarwerden der langen Erinnerung,<br />
die sich mit der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Land<br />
und Geschichte auf der vertikalen Ebene auseinandersetzt.<br />
Zunächst mag es verwundern, dass alles dieses mit größerem Nachdruck bei<br />
der dritten Generation durchbricht, aber eigentlich geht es kaum anders: Einerseits<br />
ist die migration keine Grunderfahrung von ihnen, sondern sie ist das<br />
Schweigen des gelöschten Blattes ihrer Eltern oder sogar ihrer Großeltern. Andererseits<br />
jedoch, gerade weil an der oberfläche die zu dieser Generation Gehörenden<br />
in jedermanns und auch in ihrer eigenen Sicht nichts weiter sind als<br />
einfach ganz gewöhnliche Israelis, gelangen sie am Ende zum Spannungspunkt,<br />
zum Bruch oder zur Verschiebung des Gleichgewichtes. Dieser Spannungspunkt<br />
oder Bruch kommt bei vielen Künstlern der dritten Generation seit<br />
der Einwanderung aus den orientalischen Ländern zum Vorschein, und darin<br />
liegt seine Stärke. Und noch mehr als bloß dadurch, dass etwas Lebendiges<br />
sich ereignet, birgt er in sich auch die Fähigkeit, die Grenzen der Ästhetik und<br />
die Grenzen des Sprechens über israelische Kunst um noch mehr Zusammenhänge<br />
auszuweiten; er indiziert einen Prozess, dessen Bedeutung breiter ist,<br />
als nur der Themenbereich des orients.<br />
Zur Zeit läuft in der israelischen Kultur etwas ab, das im visuellen Bereich<br />
der Suche nach der eigenen Sprache ähnelt, die wir von der musik her kennen.<br />
Was wir im musikalischen Bereich verfolgen, ist die Bewegung zwischen<br />
zwei Sprachen. Das gleiche geschieht auch auf visueller Ebene: anschließend<br />
an die Anwendung des Wunderblocks im Zusammenhang mit dem Kollektivbewusstsein<br />
lässt sich sagen, dass man bei dem Versuch, Identität zu<br />
rekonstruieren, ihr eine Unterlage geben muss – ein Langzeitgedächtnis. Das<br />
ist, was sich jetzt im künstlerischen Prozess abspielt: Das judentum des orients<br />
oder das judentum des okzidents – das ist in diesem Fall das Tiefengedächtnis,<br />
die lange Erinnerung. Israelitum ist eine Art Gegenwartsorientierung<br />
und Kurzzeitgedächtnis. orientalische Einwanderer der nachgeborenen<br />
Generation versuchen, sich das untere Blatt zu schaffen, den Teppich, der<br />
ihnen unter den Füßen weggezogen worden ist, die Unterlage des Langzeitgedächtnisses.<br />
Tatsächlich ist das eine Dekonstruktion des durchtrennenden<br />
Archivprojektes: Das Nehmen eines Bestandteils der Identität, der dem Orientalischen<br />
enteignet wurde und mit dem dieses etikettiert wurde. Also seine Enteignung<br />
von der Enteignung, und seine Wiederbelebung als voller, komplexerer,<br />
symbolischer Untergrund.<br />
Ob es bei dem Künstler bewusst oder unbewusst ist, ändert nichts an der Aufgabe<br />
von Forschern oder Kunstkritikern, damit bewusst umzugehen.<br />
Folgendes sollte man wissen: Große Kunst kann anklagen, sich widersetzen<br />
und über eine Randgesellschaft oder eine Notsituation Zeugnis ablegen –<br />
auch wenn der Künstler ohne jegliches gesellschaftliche Bewusstsein oder<br />
ohne Protestbewusstsein ist; Kunst darf und muss als ein Aufschrei gesehen<br />
werden, der einen Ausgangspunkt anzeigt – auch wenn kein Element von<br />
Protest im Bewusstsein des Künstlers anwesend ist – das ist eben das Zeugnis<br />
des unreflektiert Daherredenden (messias ohne böse Absicht) 10 , oder eine<br />
Art politisches Unbewusstes. Noch mehr: wer über orientalische Kunst mitreden<br />
will, muss zugleich die Erzählung von Leuten lesen, die keine Kunst<br />
im Sinn hatten und sich nicht als Künstler sahen, aus denen aber ohne ihr<br />
Zutun die Kunst herausschrie.<br />
Die Kunst und das Leben als Protestprojekt<br />
In den letzten jahren habe ich mehrmals in verschiedenen Zusammenhängen<br />
vorgeschlagen, den Gedanken des Generationenwechsels als exaktes Untersuchungswerkzeug<br />
im Flächen- und Vertikalschnitt durch die Einwandererkul-<br />
tur einzusetzen. Auf der Vertikalachse muss alle zwanzig jahre ein Generationenübergang<br />
angesetzt werden. In globalen Zusammenhängen begegnen wir<br />
demselben Zwanzigjahrestakt wie beim Wechsel der Generationen im selben<br />
Land auch auf der Horizontalachse im Verhältnis zwischen Israel und den USA.<br />
Trotz der Geschwindigkeit der Wissensverbreitung und der Kommunikation im<br />
Zeitalter der Globalisierung sind immer noch zwanzig Jahre die Zeit, die die<br />
entlegene Peripherie braucht, dem Zentrum nachzuziehen (ich arbeite mit dem<br />
Begriff der Peripherie in einem relativen und dynamischen modell – und in diesem<br />
speziellen Zusammenhang ist Israel die Peripherie der USA) und so verliefen<br />
die Neunzigerjahre in Israel deutlich erkennbar parallel zu den Siebzigern<br />
in den USA, man denke nur etwa an den Feminismus. Die dritte Phase der<br />
Generationenabfolge in der orientalenszene ist durchaus vergleichbar mit dem<br />
Feminismus der Siebzigerjahre in den USA. In beiden Fällen sind Kunst und<br />
Protest zwei Äste, die aus demselben Stamm wachsen, oder zwei Pumptakte<br />
des Herzens, die zusammen das Leben ausmachen.<br />
Frauen und Männer in Orient und Okzident<br />
Was die Verbindung zwischen Feminismus und orientalismus bedeutsam<br />
macht, ist, dass mit aller Stärke der Problematik, eine minderheit innerhalb<br />
einer minderheit zu sein, Ausdruck verliehen wird. man könnte hier die fast<br />
schon zum Gemeinplatz gewordene Wahrheit wiederholen, dass viele Errungenschaften<br />
der materiellen Kultur der zivilisierten menschheit Erfolge von<br />
Frauen sind: Stick- und Goldschmiedekunst, Töpferei, Stricken, Kochen, Backen<br />
... Während die westliche moderne so weit gelangt ist, dass sie „handarbeitliche<br />
Analphabeten“ hervorbringt, lassen sich doch ihre großen Künstler<br />
und Gestalter, modeschöpfer und Kulturschaffenden von weiblichen<br />
Handarbeiten inspirieren und verwenden auch solche selbst; diese weiblichen<br />
Handarbeiten müssten eigentlich im maschinenzeitalter unverhältnismäßig<br />
teuer sein – aufgrund der Klassendiskriminierung sind sie jedoch total<br />
billig und stehen jederzeit zur Verfügung. Solche Verwendungen von<br />
Kulturgütern waren und sind bekannter Weise ein Hauptkennzeichen des Kolonialismus,<br />
aber sie vollziehen sich von neuem im Kleinen in parallelen Dynamiken.<br />
Es gibt feministische Künstlerinnen, die noch weiter gegangen sind<br />
und den modernismus dem Wilden gegenüberstellten. 11<br />
Solche Art Gebrauch machten männliche Künstler vom Weiblichen und westliche<br />
vom orientalischen seit der Staatsgründung sowohl in der musik als<br />
auch in der mode, weniger in der Hochkultur. Das typische israelische Erzeugnis<br />
zur Zeit des „Schmelztiegels“ wurde von einem Europäer entworfen,<br />
der aus seiner schwärmerischen Vorliebe für orientalisches heraus orientalische<br />
motive verwendete: der Stil von „maskit“, Goldschmiedearbeiten und<br />
Betsalel. Bei dieser kolonialistischen Art der Verwendung bewegen sich die<br />
materialien der Subkultur oder der ethnischen Kultur zwischen Faszination<br />
und Abscheu, zwischen orientalismus und Kitsch.<br />
Die Bedeutung des feministischen Kampfes in Israel ist nicht losgelöst von<br />
der Tatsache zu betrachten, dass die meisten zum Broterwerb arbeitenden<br />
Frauen der Unterschicht, Arbeiterinnen und Ausgegrenzte, orientalischer<br />
Herkunft sind. Es ist anzunehmen, dass dies die Bewegung „Achoti“<br />
(= meine Schwester) hervorgebracht hat: einen spezifisch orientalischen Feminismus,<br />
der sich mit der Frage der minderheit innerhalb einer minderheit<br />
beschäftigt. Darüber hinaus lässt sich sehr häufig in der Geschichte<br />
aller Unterdrückten ihre herabwürdigende Symbolisierung als Frau finden.<br />
Die „orientalistische“ Einstellung sieht in allem orientalischen eine weibliche<br />
Verführung; in ähnlicher Weise gibt es antisemitische Texte, in denen der<br />
jude als Weib dargestellt wird. 12<br />
Das „Achoti-Haus“ („Schwester“) als eine Art communitas<br />
Als Shula Keshet vor zweieinhalb jahren Vorsitzende der Bewegung „Achoti“<br />
wurde, richtete sie in Süd-Tel Aviv das „Beth Achoti“ (Schwester Haus) ein.<br />
Damit verwandelte sie praktisch die Bürozentrale der Bewegung aus einem<br />
Verwaltungssitz in ein feministisches Kultur- und Gemeindezentrum, das heißt<br />
von einer Institution in eine Gemeinde.<br />
127
Victor Turner 13 sprach von dem Zustand der communitas, in dem in der Gesellschaft<br />
zusammenhaltende Faktoren wirken, deren Grundlage Trank und<br />
Speise sind. Für gewöhnlich sind das einfache Produkte wie etwa Wein und<br />
Brot. Zweifellos zählt auch Honig zu diesen Grundnahrungsmitteln; daneben<br />
aber verbindet Honig sich in vielen Dimensionen mit Weiblichkeit, unter anderem<br />
indem er von einer Gesellschaft erzeugt wird, deren Königin die mutter<br />
ihrer mitglieder ist – einer matriarchalen Gesellschaft also. Weiblichkeit<br />
war immer und ist immer noch eine Unterstruktur innerhalb der herrschenden<br />
Struktur, und wenn sie die Bedingungen findet, sich als communitas zu konstituieren<br />
dann erneuert sie die ursprüngliche Bedeutung des Bundes, nämlich<br />
den geschwisterlichen Zusammenhang gegenseitigen Schutzes.<br />
Das Zusammenfallen des Archiveffekts mit dem Bienenstockeffekt, das Shula<br />
Keshet in ihrem neuen Werk dieser Ausstellung vorstellt – das ist die Vereinigung<br />
der Schriftkultur mit der materiellen Kultur. Auch der Bienenstock ist<br />
eine Bibliothek mit Fächern, die für die Fächer des Wissens und Schaffens<br />
stehen. Sie beinhaltet in sich die erforderlichen Bedingungen für eine<br />
Neuschaffung von Identität.<br />
Wenn sich ein Zusammenschluss aus der Unterschicht von der Abhängigkeit<br />
von der oberschicht befreit, dann muss dieser vor allem einmal eine eigene<br />
Identität erzeugen. Sie muss ihre Identität von neuem hervorbringen.<br />
Sich von dem reflektiven, hegemonialen Blick der oberschicht als der Kraft,<br />
die ihre Welt erschafft, zu befreien – das bedeutet, sich von der Existenz als<br />
objekt zu befreien und wieder die Position eines Subjektes einnehmen.<br />
Die Vereinigung zwischen dem Effekt des Archivs und dem Effekt des Bienenstocks<br />
ist auch die Vereinigung des Scheitelpunkts der männlichen Kultur,<br />
die eine lange schriftliche Tradition besitzt, der Kultur des Buches und<br />
der Schrift mit der weiblichen Kultur, deren Errungenschaften als materielle<br />
Kultur stets verschluckt und abgeleugnet werden. Auf den israelischen Raum<br />
angewandt ist das Projekt der Vereinigung von Bienenstock und Archiv auch<br />
die Synthese zwischen orient und okzident, zwischen Hegemonialem und marginalisiertem,<br />
zwischen Arbeiterklasse und monarchenstand, auch die Feststellung,<br />
dass die Kultur eine Königin-mutter hat und nicht nur einen König-<br />
Vater. Die metapher „Bienenstock“ ist auch eine Polemik gegen die „faule“,<br />
moderne monarchie: Der Bienenstock beinhaltet auch den „Drohnenstand“ –<br />
die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen machthaber. Der Kampfruf gegen<br />
den herrschenden Drohnenstand ergibt sich aus der Vereinigung der Arbeiterinnen<br />
zur Erzeugung der edlen Götterspeise – des Honigs.<br />
Zusammenfassung: Die Kunst als Projekt zur Veränderung des Archivs<br />
Die Kunst als Projekt zur Veränderung des Archivs ist eine der Hauptaufgaben<br />
schöpferischer Kunst und Kritik, während dagegen das hegemoniale Archiv<br />
der Herrschaft immerfort die Wirklichkeit umschreibt und darstellt. Der<br />
Bienenstock dagegen ist sowohl das lebende Archiv der Arbeit als auch ein<br />
Zuhause, sein Register ist Fleiß, Ertrag und Gemeinsamkeit. Die Bibliothek<br />
ist das Archiv der toten Schrift, und ihr Register könnte Faulheit, Ausbeutung,<br />
Auslöschen sein.<br />
Der israelische Kulturraum, ein Raum, der in Fächer einteilt, absperrt und<br />
abstempelt, überträgt auf die Erde, was auf dem Blatt geschieht. Die unmittelbare<br />
Reflexion des Geografischen und des Historischen jeweils aufeinander<br />
ist extrem bedeutungsvoll. Denkmäler zu ewiger Erinnerung werden errichtet<br />
und verdecken ein Projekt des Vergessenmachens. Die Kunst als<br />
erweckendes und wachrüttelndes Identitätsdokument wird in diesem Raum<br />
als ein Projekt gebraucht, dessen Streben in seinem Wesen als Streben nach<br />
Stimme, Identität und Territorium gesehen werden kann. Abschließend kann<br />
dieses Projekt so beschrieben werden:<br />
Übersetzung der einzelnen/einsamen, weiblichen Stimme, die sich nicht in<br />
Schrift ausdrückt; das Neuaufstellen der Identität; Konstruktion und Dekonstruktion;<br />
und die Behandlung des Territoriums in mehrerer Hinsicht: der<br />
Stadtrand, das urbane Randgebiet und das geschriebene Buch.<br />
Ich schreibe dieses als eine, die sich seit mehreren jahren das Projekt der<br />
Öffnung des toten Archivs und der Errichtung eines anderen Resonanzkör-<br />
128 OVERLAPPING VOICES<br />
pers für die teilweise gebrochene und zerbrochene Existenz von Nachkommen<br />
der Einwanderergemeinden im Staat Israel zum Ziel gesetzt hat – ob in<br />
der musik, ob in der Literatur oder in der Identität. Ich schreibe aus der Hoffnung<br />
heraus, dass die sich widersetzende Kunstpraxis Barrieren durchbrechen<br />
wird.<br />
Haviva Pedaya<br />
Haviva Pedaya ist Poetin, Kulturtheoretikerin und wissenschaftliche mitarbeiterin im Bereich jewish Studies<br />
an der Ben Gurion University im Negev sowie Senior Fellow am van Leer Institute in jerusalem.<br />
1 Vgl. meinen Beitrag in dem Buch „merkas weschulajim“ (hebräisch – „Zentrum und Rand“), herausgegeben<br />
von mechon mandel.<br />
2 Vgl. meinen Beitrag in dem Buch „merkas uferiferiah“ (hebräisch – „Zentrum und Peripherie“), herausgegeben<br />
von mechon mandel.<br />
3 Vgl. die Arbeiten von Sorotzkin, der die gegenseitige Kenntlichmachung zwischen juden und Christen<br />
in Europa erörtert und zeigt, dass die gegenseitige Definition identischer Gruppen im judentum<br />
auch in Abhängigkeit von Selbstdefinition im Verhältnis zu Vorgängen in der christlichen Gesellschaft<br />
funktioniert. Seiner meinung nach kann man sagen, dass die von ihm beschriebene Assimilationstendenz<br />
auch eine Form von Selbstverabscheuung ist, die sich der Ablehnung des Typs des anderen<br />
juden bedient. Vgl. auch in der Abhandlung von ‚Asisah Casum „tarbuth ma‘aravith tijug etni wechuleh“<br />
(hebräisch – „westliche Kultur ethnische Etikettierung usw.“), „sotsiologiah isreelith“ (hebräisch<br />
– „Israelische Soziologie“) 1 (2) 1999; A. Ras Krakotzkin, „theoriah uvikoreth“ (hebräisch –<br />
„Theorie und Kritik“) 4, 1993, Ss. 23-55; 5, 1994, Ss. 113-132; S. Chinski, „enajim ‚atsumoth<br />
lirewachah (hebräisch – „Augen weit zu“): über das Syndrom des erworbenen Albinismus auf dem<br />
Gebiet der israelischen Kunst“, theoriah uvikoreth 20, 2002.<br />
4 G. Scholem, „mitoch hirhurim ‚al chochmath israel“ (hebräisch – „Aus Gedanken über die Wissenschaft<br />
des judentums“), in: „devarim bego“ (hebräisch – „Da steckt was hinter“), Tel Aviv 1990, Ss.<br />
389-391.<br />
[Anm. d. Autors: Wie der aufgeweckte Leser sicherlich schon erraten hat, bedeutet dieses Wort Sonnenaufgang.<br />
Nach 1. Könige 8:48 wenden juden, die im Ausland beten, sich nach Israel, und diese<br />
Richtung, also ungefähr osten, bezeichnet so ein misrach-Schildchen.]<br />
5 Vgl. jetzt das Buch „hafradah“ (= „Absonderung“).<br />
6 Darüber schreibe ich ausführlicher in meinem Aufsatz „makom umerhav: yahadut veyisreeliut“ (im<br />
manuskript).<br />
7 Tmna‘ Rosenheimer hat dieses in ihrem Buch „bajith: chalalim, megurim, anaschim, chafatsim“<br />
(hebräisch – „Haus: Hohlräume, Wohnen, Leute, Gegenstände“), or jehudah 2001, festgehalten.<br />
Durch die Vermittlung dieses Buches gelangten die Dinge zuerst zu meinem Bewusstsein.<br />
8 Über die Grundlagen dieser Erlösungsvision siehe: Pedajah, „temuroth bekodesch hakodaschim:<br />
min haschulajim lamerkas“ (hebräisch – „Wandlungen im Allerheiligsten: vom Rand zur mitte“),<br />
„mada‘e hajehaduth 37“, 757 [=1997], Ss. 53-110.<br />
9 Siehe auch: Taliah Rapaport, „chasarah leachor ‚al projekt jam hamelach schel pinechas cohen-gan<br />
(1972-1984)“ (hebräisch – „Rückkehr zu Pinechas Cohen-Gans Totmeerprojekt (1972-1984)“), musoth<br />
2, 1984, Ss. 10-11.<br />
10 Anders ausgedrückt: der Künstler erhält Gestalt und Struktur durch gesellschaftliche Zusammenhänge<br />
seines Standes, die er nicht zugibt und deren Untersuchung einen Standort offenlegen kann.<br />
Es geht dabei nicht unbedingt oder nicht nur um den Inhalt des Werkes, sondern um dessen ästhetische<br />
Aspekte, die augenscheinlich nicht politisch gefärbt sind. Es wird nicht beabsichtigt, jedes<br />
Kunstwerk nur vom gesellschaftlichen Gesichtspunkt aus aufzuschlüsseln.<br />
[Anm. d. Autors: In Wirklichkeit ist das Zahlenverhältnis zwischen Aschkenasim und anderen juden<br />
in Israel ungefähr wie das zwischen Weiblein und männlein.]<br />
11 ornah Urian zitiert in ihrer Doktorarbeit miriam Scharon (1980).<br />
12 In ihrer Doktorarbeit bemerkt ornah Urian, dass dem juden Blutung zugeschrieben wird. [Anm. d.<br />
Autors: z.B. in „The Fixer“ von Bernard malamud]<br />
13 hatahalich hatiksi, „mivneh weanti-mivneh“, [The Ritual Process: Structure and Anti-Structure<br />
(1969)], Tel Aviv 2004.
art aS a projeCt of Changing the arChive…<br />
A 60-YEAR-oLD ImmIGRATIoN STATE AND THE INTERGENERATIoNAL<br />
PARADIGm<br />
The State of Israel is an immigrant state par excellence. Its immigration has<br />
featured distinct ideological characteristic, inasmuch as the establishment of<br />
the state constituted expression and transformation of messianic patterns<br />
that had pulsated throughout Diaspora jewry for generations. The founding<br />
of the state was the apogee of the Zionist revival process in Europe, in which<br />
converged imminent processes of secularization, self-determination, and reciprocal<br />
marking of jews in Christian Europe. The issue of the states’ location<br />
within the middle East was also interwoven within the question of the<br />
Arabs of the Land of Israel; dynamics that occurred in the country were often<br />
connected to its being perceived as empty space awaiting realization.<br />
Directing the Immigration: Exclusion from the Book and Routing to<br />
the Margin 1<br />
The distinctly European establishment of the State set about the ingathering<br />
of jews from all the lands of their dispersion. The project of this convening<br />
of communities included several structured phases of manipulative immigration:<br />
initial honing of tools for persuading and encouraging immigration,<br />
and subsequently channeling immigrating communities within the country.<br />
This routing included not merely directing them to specific geographical areas<br />
– but also direction within ‘the second territory’ of the jew – which is the language<br />
and the book.<br />
Insofar as all that pertains to this ‘second territory’, the founders of the State,<br />
who were engrossed in the European discourse and context, defined themselves<br />
anew as laborers on fallow land: which of any type of writing would be<br />
chosen as the graphic form of writing letters, which of all manner of accents<br />
would be elected as the melodical sound of the language, which of the collective<br />
of stories should be the historical narrative of judaism, which had existed<br />
outside of history until that point, so to speak. At the levels of language,<br />
decisions were made to integrate Ashkenazi [= jewish-european] script and<br />
Sephardic [Sephardim = from Spain banished jews] pronunciation – at the<br />
level of penultimate and ultimate emphasis – while eliminating the modes of<br />
pronouncing guttural letters. on the historical plane, the response was most<br />
clear. History was recited from the super-narrative of jewish existence in Europe,<br />
amid complete correspondence to the accounting of the progress that<br />
characterized modern literature and art and enlightenment. The upshot of<br />
this was that entire populations arriving from oriental countries faced double<br />
exclusion. Initially, many suffered manipulative assignment to the periphery,<br />
and secondly suffered from a total lack of representation in the history books<br />
that were written in the country – a phenomenon that I term: Exclusion from<br />
the Book and Routing to the margin. 2<br />
This clear state of oppression was most complicated due to the shared destiny<br />
of jewry in all its fringes concerning the messianic dream of returning to the Land<br />
of Israel. This natural, innocent commitment explains the initial success of the<br />
melting pot and the interval of delay that passed until there arose in full force the<br />
dissonance between the collective dream of redemption and the aspirations of<br />
the subject for its self-expression and that of its culture. In this sense, the state<br />
became the crown of implementing templates dividing between east and west<br />
within a religion that embraces two giant cultures of human civilization, a creed<br />
in which merging between both of these extremes is fundamental.<br />
Implementing the process of reinstating the jew in history, i.e., founding the<br />
State as an expression of returning to the history of peoples, entailed the eradication<br />
of the orient, rendering it deridable, superfluous, expropriating it<br />
from its past, creating the conditions for its being ashamed of itself, disinheriting<br />
it of its own worth, denying it official, cultural, and institutional tools for<br />
its spiritual needs, and its cultural heritage.<br />
These developments echoed previous efforts of jewish intellectuals – already<br />
in Europe – to restore jewry to a historical setting. Beginning as early as the<br />
inception of the New Era during the expulsion from Spain, these efforts were<br />
resumed in the 18th century, then accompanied by self-loathing, a drive to<br />
archive the jew as another, and powerful sentiments of negating the Diaspora.<br />
3 Subsequently, with the rise of jewish intellect in 19th century Germany,<br />
these trends developed to the level that Gershom Scholem describes as aspiring<br />
to bring judaism to a respectable burial: “… a Jew wishes to break free<br />
from itself, and the science of Judaism is for him a ceremony of interment, in<br />
the sense of liberation from a burden that weighs upon him.” 4<br />
The act of the museum as an act of pre-meta – a development that constituted<br />
the essence of the attitude of modern European intellectual jewry to judaism<br />
– was again reduplicated within Israel in the Israeli attitude toward judaism,<br />
in the Western attitude toward the orient. The orient underwent an<br />
accelerated process of archivization in several forms: sometimes as the bisection<br />
of organs and killing, and in certain instances the orient as a whole was<br />
discarded completely from without the archivization process.<br />
If in occidental lands the jew wished to be freed from ‘itself’, indeed, subsequent<br />
to the birth of the State of Israel, the Israeli expanse began pressing<br />
upon jews from oriental countries the same assistance techniques for being<br />
freed from the ‘self’ and from the past. What jewish intellectualism attempted<br />
to do for jews in Europe, the leaders and formulators of the young state’s<br />
policy endeavored to do for the sake of oriental jews. In this context, we might<br />
paraphrase as “and the science of studying the jews of the orient is for him<br />
a ceremony of burial, freedom from a burden that weighs upon him”. It is<br />
certain that within the same powerful spectrum of images, a technique that<br />
is brought to bear upon the selfhood is self-destruction, whereas a similar<br />
technique applied toward another is liable to be perceived as murder, the assassination<br />
of remembrance.<br />
The current project that is necessary for Israeli culture is a metamorphosis<br />
of the moribund archive into a live archive, returning to the imaginary zero<br />
point of the oriental being that will enable development of life and death in<br />
memory to occur anew in a full and complete form.<br />
Expanse and Memory: Geography as History and History as Geography<br />
These distinct proceedings of the melting pot (a structure that is familiar from<br />
the United States as an immigration project) were accompanied by two characteristics,<br />
which are the cohesive material and the dividing substance of<br />
the mixture that bubbled within the universal cauldron, which was in fact occidental<br />
and was the cohesive material, and the Arabness – which was actually<br />
conceptualized back at the turn of the century by way of the European<br />
colonialist viewpoint as the orient – and was the propellant.<br />
The simultaneous reading of the Arabness as a vacuum in the geographical<br />
plane and of the Orientality as a vacuum in the hegemonial historical memory<br />
heightened the denial of Judaism as a cultural civilization that also embodies<br />
the Oriental extreme and the Land of Israel as a territory located in the Mediterranean<br />
space. This reading in the eye of the establishers of the national pioneering<br />
act exacerbated Oriental Jews’ ambivalence towards their roots and<br />
their origin in Arabia, and accelerated the attempt to create themselves anew<br />
in the West.<br />
The symmetry between the creature of the historical project as containing<br />
whole surfaces of empty pages whose fullness was perceived as irrelevant or<br />
that was designated at best to be an archival project of the burying type and<br />
the geographical project that perceived full surfaces as an empty, erased page<br />
is obvious.<br />
Orientality and Orient<br />
In process of emptying the orient into the jewish Israeli existence in the new<br />
state, the category of ‘Mizrahi’ (oriental) was created. The orient or East as<br />
orientation (in many languages) the ‘mizrah’ wall plaque indicating jerusalem<br />
as a prayer direction as a traditional decoration hanging in the typical<br />
Ashkenazi jewish home in the Diaspora to signify yearnings for Zion (‘In the<br />
Prime of Her Life’ by Agnon, for instance) – was transmogrified into oriental<br />
129
or orientalism as a type of oppressive, insulting, and humiliating label. From<br />
the open space of the East to a niche of orientalism. The carving up and extraction<br />
of the oriental from its place from within Islamic jewry signified the<br />
positioning of orientalism as a loose tile devoid of orientation (lacking selfhood,<br />
missing a point of focus, without a mizrah) of the present, a square possessing<br />
a here and now that builds itself solely in current contexts in the presence of a<br />
culture that controls the legitimate codes. (It is worthy of note that, in contrast<br />
to orientalism, this culture reserved for itself a channel to access its past,<br />
whether from a stance of negating, accepting, destroying, transforming, or secularizing<br />
it.) The final significance of this situation is that Israeli orientalism<br />
is a product that was produced by a super-group in a culture for the sake of a<br />
secondary group within it much more than an independent product. In other<br />
words, it is a fruit of the structuring of occidental jewry.<br />
The Delicate Stage of Transition and the Peril of Cementing<br />
Uniformity in the Name of Multiculturalism<br />
This stage of Israeli culture is a dangerous and fragile one. on the one hand,<br />
the historical moment of expropriation from history appears to have passed,<br />
expropriation that spanned a period similar to that of the intergenerational<br />
schema – sixty years. Callous and direct structures of discrimination or exclusion<br />
are no longer acceptable in Israel’s reality. on the other hand, absence<br />
yet commands Israel’s ‘obvious’ reality; in one sense that is upon the<br />
surface, it has become converted into a discourse concerning the multitude<br />
of <strong>voices</strong>, and in another sense, it yet throbs on from the depth of its establishment<br />
and structuring within Israel: the absence is still represented in the<br />
history books, as in the educational system, the situation on the periphery,<br />
the spatial and compartmentalizing architecture 5 and the culture’s legitimate<br />
codes.<br />
This study is essential for the purpose of understanding and reorganizing the<br />
chronicles of oriental art in the country. Art that originates from within an oppressed<br />
group suffers doubly, as artistic critique, which is supposed to conceptualize<br />
and act as a mediator of art for the broader public has its own eyes<br />
shut and its attention is weak vis-à-vis this art’s message and its ciphers; because<br />
of its essential differentness from society’s legitimate codes, this art’s<br />
differentness is liable to be perceived as an expression of cultural inferiority.<br />
For this reason, the new art project that is concomitantly a project of self-reestablishment,<br />
a protest project and a field project, which requires critique<br />
that conceptualizes its achievement of liberation from its being affixed in the<br />
niche of oriental art. Indeed, art labeled as ‘oriental’ possesses subversive,<br />
destabilizing strength, and exists on the fringes; however, its debate duplicates<br />
the problematicality of the mindset of the ‘reinforcement unit’. And were<br />
the debate to be played out from a panoramic viewpoint, it would be possible<br />
to discern the most significant avant-garde in these forces – not the hegemonial<br />
center, but rather, the center of living and important achievement – that<br />
that decides what will be tomorrow. The goal of the artist is to locate the dead,<br />
lacerated, and dispersed parts, and to transfer them back through a unifying<br />
filter, to break free from the dissecting and dichotomous gaze of the ‘center’<br />
as opposed to the periphery.<br />
The critical artistic and intellectual activity in Israel must comprehend that it is<br />
coping with a space of which most of its symbolic design originates in the Jewish-Christian<br />
expanse, while it continues to command a small and real territory<br />
in which there is a centrality of two identical problems that have been denied:<br />
the Jewish Muslim expanse and the Palestinian Arab expanse. In the past,<br />
I attempted to develop the principal paradigm of exclusion from the book and<br />
the routing to the periphery. This is a fundamental structure that is tested in its<br />
implementation in the Israeli expanse by the hegemonial attempt to create maximal<br />
possible congruence between the design of the substantive expanse and<br />
the design of the space of remembrance as it is documented in the history book<br />
project.<br />
Geography and history are therefore two complementary disciplines that – hand<br />
in hand with hegemony – are likely and liable to join archivization of the ex-<br />
130 OVERLAPPING VOICES<br />
panse as living or moribund. Erasing and writing, building and destroying, settling<br />
and routing immigration are all complementary practices, practices that<br />
express the symbolic, both in the sense of social order and the sense and context<br />
in which the religious is translated into an institutionalized creed. 6<br />
The Scene of the East in Visual Art<br />
In this framework, I shall propose a summarized sketch for creating a basic<br />
chronicle of the oriental backdrop in visual art. In light of descriptions above,<br />
it is possible to understand that issues occupying oriental art express a certain<br />
type of essential problems, such as the question of the refrain, the question<br />
of the past that was truncated in a traumatic manner, occupation with a<br />
cataloging, labeling gaze, analyzing the gaze and undoing those forms in<br />
which the oriental became a stereotype. It can be estimated that parallel to<br />
this, a movement will be reflected along the intergenerational axis that expresses<br />
the gradual conscious development of the artistic act. Describing the<br />
annals of tension in oriental art [as in other types of the orient or orientalism<br />
in the country] requires asserting a new language for the following issues: A.<br />
chronicles. B. conceptualization. C. problematics. D. context. E. forms and<br />
contents. F. the question of refrain. G. relations of art and critique.<br />
As a fundamental illustration of the liberty and fullness of the orient in its approach<br />
to its past (although amid a covert dialogue with the hegemonies), I<br />
shall present the artist Avshalom okashi. I do this amid in-depth dialogue<br />
with the research of mordechai omer regarding this artist, albeit in a manner<br />
divergent from that in which he elected. okashi will become an indicator<br />
of the producing craftsman of oriental origin that arrived in the country before<br />
the melting pot, and became acclimatized and educated in the shadow<br />
of the best of traditional schooling for European painting, which was represented<br />
in the country by European jewish painters. It expresses and merges<br />
in abstract art the symbols of the sublime that are engrained in it by virtue of<br />
the individual collective remembrance of its group, and advances progressively<br />
with the revolution of the immigration in the 50s to the figurative, from<br />
which it returns and proceeds toward the sublime. okashi constitutes a countermotion,<br />
a hero of another sort, being an anti-hero, if the oriental as a blank<br />
sacrifice is a hero.<br />
The shock of the 50s on a visual level is mostly and entirely a complete silence;<br />
a stage of traumatic speechlessness, which is integrated and permeates gradually<br />
to violence. Almost twenty years of silence vis-à-vis visual art. okashi,<br />
who is in any case an artist with a structured career, can express observation<br />
from the side about the immigrants, being an individual who is ensconced<br />
locally and in the momentum of creation.<br />
Between the 60s and the 70s, almost no gap exists between visual art and<br />
the cry of the street. Power and beauty lurk in the simplest expression of placards<br />
and signs of demonstrations, which are characterized by simplicity and<br />
bitterness in the shout of black and white. The immigrants – who escape and<br />
attempt to extricate themselves from their placard existence – produce placards<br />
in which there is no distance between art and popular protest. In the<br />
70s, the cry of the oppressed was forcibly expressed at its zenith in the work<br />
of Afiya Zakharia (she is also of Yemenite extraction) who is driven in an obsessive<br />
fashion to paint all the walls of her house in bold colours 7 and to extricate<br />
it from the walls of her small Amidar (government housing) home to<br />
reprocess it, to import an expanse, even if as an apocalyptic scream.<br />
Pinhas Cohen Gan (born in meknes, 1942) immigrated to Israel at the age of<br />
six. In his work, it is possible to see the continuation and development of the<br />
phenomenon of very distanced description of the East-West problem. I have<br />
attempted to portray him in the shadow of okashi (there are additional lines<br />
of similarity among both artists.) Indeed, his first works regarding East-West<br />
conflict express conscious struggle with rupture, incision, and chasm; nevertheless,<br />
he works from a stance of distance from the direct, while processing<br />
it into a principally structured problem. The fundamental structural expression<br />
is expressed as early as his decision to exhibit in a cowshed at the outset<br />
of his career.
The Dead Sea Project (3-1972) in which he placed polyethylene sleeves filled<br />
with sweet water and live fish into an environment that does not permit<br />
life is a project of Diaspora that is converted into an apocalyptic vision of redemption<br />
that is described by the Prophet Ezekiel in Chapter 47. 8<br />
It is possible to see this project as grieving over immigration. The vision of<br />
redemption is toppled to a vision of exile. The killing of the fish in a salty environment<br />
of ‘the salt of the earth’ [Compare, many years later: Yosi Sukri,<br />
“Grandmother Emilia and the Salt of the Earth: A Confession”, and the work<br />
of Eli Patel: “The Silence of the Fish”.]<br />
In this project, I permit myself to see an expression of killing archivization.<br />
The living memory that is absorbed in an annihilating environment in a caustic<br />
territory – immigration that does not confer the right of existence for<br />
accumulation.<br />
other structural expressions of the issues of immigration in the work of Cohen<br />
Gan were manifested in journeys to the areas of the Indian ocean and<br />
Alaska, trips and projects for the purpose of raising the saltiness of the oceans’<br />
water by a fraction of a percent, a fraction that cannot be measured at all.<br />
Finding a material location in which to settle in a sort of netherworld reality<br />
from which one regards the upper reality characterizes all of his works, from<br />
the exhibition housed in a cowshed and to his taking up residence in a tent<br />
within the refugee camp in jericho (1974) as a statement that you comprehend<br />
things only when you live inside them and command the viewpoint of<br />
nether reality concerning the upper reality. 9<br />
on the background of Pinhas Cohen Gan’s exploration of various structural<br />
issues of tension and complementary dichotomous gaps that contented with<br />
the East-West issue amid considerable distancing and its connection to broad<br />
structural problems, a direct squaring off appears in his East-West work (bibliographical<br />
theses for the orientalism theses of Edward Said 94 – 1982)<br />
[See also: Tsalmona, p. 113] which directly positions the divided ego, the two<br />
parts of which are composed of the archiving and the archived (an occidental<br />
archeologist and an Egyptian labourer.)<br />
Only in the mid-80s do the <strong>voices</strong> rise that are the result of the educational<br />
system of art and advanced studies, which the second- or third-generation<br />
children of immigration had penetrated, who had not necessarily passed<br />
through the protective and enabling filter of absorbing the kibbutzim. At times,<br />
they acquired their education as Israelis lacking exceptional orientation in<br />
one direction or another, and in a combination of new networks of power with<br />
<strong>voices</strong> that deal in protest, processed by and borrowing the continuous contents<br />
of the orient.<br />
Short and Long Memory, the Dynamic of Negator and Negated<br />
The schema of jewry and Israeliness contend with questions of long and short<br />
memory on a vertical axis, vis-à-vis each and every subject, and with questions<br />
of expressing these conflicts within the expanse, on the axis of the<br />
horizontal.<br />
In his famous essay ‘The mystic Writing Pad’, Freud spoke of an example of<br />
human memory, which he borrowed from a writing object that he encountered<br />
– a writing pad constructed of pairs of pages. When you write on one<br />
page, marks are also registered on the page beneath it. Writing on the bottom<br />
page is even preserved when the upper page is erased and other writing<br />
replaces it. This is the amazing imagery of the connection between short-term<br />
memory and long-term memory. For the discussion I propose here, I shall<br />
detach this schema from the world of the subject and illustrate it concerning<br />
a problem of collective remembrance. We are completely unable to explain<br />
to ourselves to which extent we are impossible without the profound stratum<br />
that lies below, even it is half erased. It is a necessity that this layer exists.<br />
This text of Freud’s, which has been debated often in psychoanalytical and<br />
philosophical literature, provides a good base point even for a debate of erasure<br />
and memory in language and collective awareness.<br />
The experience of the members of the oriental community, within the context<br />
of the first, second, third generation in the sense of the relations of me-<br />
mory and forgetting, or the interactions of writing and erasure, is connected<br />
to the feeling of the first generation, which arrived with a language that it was<br />
forced to erase. This is not similar to the instance of the first generation of pioneers<br />
that arrived with a language and in fact banished it in order to create<br />
a new world. As opposed to them, the oriental actually arrived with its language<br />
and sensed that it is not legitimate. In this instance, it is necessary to<br />
discern between the negator of its past and that denied of its past. The dynamic<br />
of the first generation oriental – its gist is being occupied with disappearing<br />
in public and deriving forbidden pleasure between the walls of its<br />
house or its neighborhood. The dynamic of the second generation in the oriental<br />
experience in Israel is serious work concerning publicity: the son of immigrants<br />
that is occupied consciously or unconsciously with its obsessive<br />
desire to be accepted in the public eye. This is the main thing according to<br />
which the middle generation is tested: synchronizing with the general public,<br />
on the horizontal axis, this is its pain of muteness, silence, rapid assimilation,<br />
and successfulness. In comparison, the phenomenon transpiring today among<br />
the third generation and some children of the second generation in very different<br />
forms is in fact the ascent of the erased-but-yet-accessible tongue, the<br />
home erupting into publicity along a horizontal axis and the breakthrough of<br />
the long-term memory that contends with issue of the connection between<br />
the country and history along a vertical axis.<br />
It is strange, prima facie, that the matter breaks out more forcibly in the third<br />
generation, but this is well-nigh essential: on the one hand, immigration is<br />
not their fundamental experience – but it is the silence of the blank page of<br />
their parents or even their grandparents. However, on the other hand, precisely<br />
since on the surface the children of this generation are marked and<br />
defined by themselves and others as Israelis for all intents and purposes, they<br />
eventually reach the point of tension, breaking, or altering the equilibrium.<br />
This point of tension or breaking erupts among many artists of third-generation<br />
immigration from the orient, and thus its intensity. And moreover, by virtue<br />
of the live event, it also embodies the ability to enlarge upon borders of<br />
esthetics and parameters of the debate of Israeli art in other contexts: it denotes<br />
process of broader significance than mere issue of the orient.<br />
At this stage, a process occurs in Israeli culture that – at visual level – resembles<br />
search for language occurring at the level of music and voice. At the<br />
level of voice, we follow the movement between languages. It happens at the<br />
visual level, as well: beyond applying the mystic writing pad to contexts of<br />
collective consciousness, it is possible to state that in attempting to reconstruct<br />
identity, you must propose a platform – long-term memory. This is what<br />
is happening at present in the artistic process: jewry of the orient or the occident<br />
is for this purpose the deep memory, Israeliness is a form of orientation<br />
in the present, and a type of short-term memory. The oriental attempts<br />
to produce for itself the bottom page, the rug that is yanked from under its<br />
feet, the platform of long-term memory. In essence, this is deconstruction for<br />
the dissecting archive project: taking the identity component that was expropriated<br />
from the Orient, and labeling it whilst so doing, expropriating it from<br />
expropriation, and resuscitating it anew as a more complicated complete symbolic<br />
platform.<br />
Conscious or Unconscious on the Part of the Artist is Irrelevant –<br />
the Duty of the Critic is to be Conscious<br />
Please know this: great art can challenge and attest to fringe society or a state<br />
of distress even if the artist lacks any social awareness or conscience of protest;<br />
it is permissible and necessary to read art as a shout that attests to a<br />
point of origin – even if each factor of conscious protest does not exist in the<br />
awareness of the artist – indeed this is testimony of that who speaks unwittingly<br />
10 , or if you wish, it is a manner of the political unconscious. moreover,<br />
discussing the art of the orient obligates a simultaneous reading of accounts<br />
of such people that neither thought art nor pretended to be artists, but art<br />
shouted out from them against their will.<br />
131
The Project of Art and Life as a Protest Project<br />
In recent years, in several contexts, I proposed working with the inter-generational<br />
paradigm as a precise analytical tool in the spatial and vertical cross-section<br />
within the culture of immigration. In the vertical axis, one must examine<br />
the generation gap by means of an interval of twenty years. In global contexts,<br />
indeed, the same heartbeat of twenty years that exists on the vertical axis in<br />
the inter-generational paradigm within Israel exists also in the spatial axis in<br />
the relations between Israel and the United States. Despite the speed of information<br />
and communication in the age of globalization, the 20th century gap is<br />
still the gap of update time of periphery to center (I am working on the concept<br />
of the periphery in a relative and dynamic model and in this specific context,<br />
Israel is the periphery of the United States) and thus – the chronicle of the 90s<br />
in Israel supports clear parallels of the phenomena that greatly characterized<br />
feminism in the United States of the 70s. There is basis for comparison between<br />
stage three in the inter-generational paradigm in the scene of the orient in Israel<br />
and feminism of the 70s in the United States. In both cases, art and protest<br />
are two branches breaking out of one trunk or two beats of one heart, which<br />
together build life.<br />
Men and Women – East and West<br />
The significance of the link between feminism and orientalism is the granting<br />
of expression to the power of problematicality of who is a minority within<br />
a minority. It is possible to repeat here the almost trivial truth, according to<br />
which many achievements of material culture of human civilization are achievements<br />
of women: embroidery, sewing, gold crafting, pottery, knitting, cooking,<br />
and baking. While Western modernism has reached the stage of raising human<br />
creatures ‘illiterate in manual labour’, indeed, at the same time, the greatest<br />
of its artists and designers, designers of fashion and culture, take inspiration<br />
and even actually use manual labour of women, which is supposed to<br />
be dear in the era of the machine, and it regardless still weighs in as cheap<br />
as it is accessible due to discrimination on the basis of status. These uses of<br />
culture, as is known to all, were and are a fundamental characteristic in colonialism,<br />
but they recur in miniature fashion in parallel dynamics. There are<br />
feminist artists that went yet further and in this light placed modernism as<br />
opposed to barbarism. 11<br />
Such manner of use as this was made by male artists of women and by Western<br />
artists of orientals at the founding of the State, both in music and in fashion,<br />
while less in high art. The Israeli product of the melting pot was characterized<br />
by an occidental designer that makes use of oriental motifs from an orientalist<br />
viewpoint: the fashion of ‘maskit’, gold crafting, and Bezalel. In the framework of<br />
this use, the substances of the sub-culture or the ethnic culture range from enchantment<br />
to revulsion, between orientalism to defining kitsch.<br />
The significance of feminist struggle in Israel cannot be divorced from the<br />
fact that most working women are at a low status; from the level of labourer<br />
and below they are women of oriental extraction. This fundamental characteristic<br />
probably led to the birth of the ‘Achoti’ (‘my Sister’) movement as oriental<br />
feminism that is separate unto itself, dealing with the issue of a minority<br />
within a minority. Beyond this, it is quite frequent in the history of the<br />
oppressed to encounter their disparaging symbolization as a woman. orientalist<br />
perception sees all things oriental as a feminine temptation, and there<br />
are existing anti-Semitic texts that portray the jew as a woman. 12<br />
‘Bet Achoti’ (My Sister’s House) as a Type of Communitas<br />
About two-and-a-half years ago, when Shula Keshet was appointed head of<br />
the ‘Achoti’ movement, she founded the house named ‘Achoti’ that is located<br />
in southern Tel Aviv. By this act, she essentially transformed the office<br />
center of the movement from a functional office center into a feminist culture<br />
and community center, which is to say that she turned it from an institution<br />
into a community.<br />
Victor Turner spoke of the state of the communitas as the state in which society<br />
possesses responsible bodies that feature a unifying quality, which are<br />
132 OVERLAPPING VOICES<br />
based on food or drink. Usually, these were simple products, such as wine<br />
and bread. Undoubtedly, honey is a central one among them; honey also connects<br />
in many dimensions to femininity, among other things, being a product<br />
of a maternalistic society. Femininity is always and ever a sub-structure within<br />
the dominated structure, and as it encounters the conditions to solidify as a<br />
communitas, indeed it renews its original meaning as an order of love, i.e.,<br />
the bond of fraternity as it protects each other.<br />
The Unification between the Archive Effect and the Beehive Effect, which Shula<br />
Keshet displays in her current creation signifies unification between the culture<br />
of writing and material culture. The beehive is also a library with cells<br />
that express the cells of knowledge and production. It contains within it those<br />
conditions required for establishing identity anew. When a commune of lower<br />
class breaks free from dependency on the upper class, its selfhood is the<br />
chief product that it must produce first and foremost. It is incumbent upon<br />
it to reproduce its identity. Liberation from the reflective glance of the hegemony<br />
as a power that creates its world means breaking free from existence as<br />
an object and acquiring the status of a subject again.<br />
The unification between the archive effect and the beehive effect is also the<br />
unification between the crown of masculine culture that possesses a long literal<br />
tradition, a culture of the book and writing, and feminine culture, the<br />
achievements of which as a material culture are engulfed and denied frequently.<br />
In its implementing within the Israeli expanse, the project of integrating<br />
the beehive with the archive, it is also a synthesis between orient and<br />
occident, between hegemony and sub-hegemony, among the working class<br />
and the royal class, and a statement that there is a queen mother for culture<br />
alongside the king father. Use of a beehive is also defiance toward the indolent<br />
class of modern royalty – the economic and social hegemony. Challenging<br />
the do-nothing hegemony is achieved by the female laborers connecting<br />
to produce the aristocratic nectar-honey.<br />
Summary: Art as a Project of Changing the Archive<br />
Art as a project of changing the archive is one of the outstanding missions of<br />
art and creative critique, while the hegemonial archive continues to rewrite<br />
and represent reality. The beehive, which is both the working archive and the<br />
home, possesses a register that is industriousness, production, and sharing.<br />
The library is the archive of dead writing, and its register is liable to be laziness,<br />
exploitation, and erasing.<br />
The Israeli expanse that is an excluding, blocking, and labeling expanse copies<br />
to the ground what transpires on the page. The immediate geographic<br />
reflection of the historic and vice versa is extreme. monuments of perpetuation<br />
are erected and cover up for the project of forgetting. Art as a document<br />
of conscious and committed identity within this expanse is required for a project<br />
of which the striving can be used to the fullest as aiming for a voice of<br />
identity and territory. Translating the lone female voice, which is not expressed<br />
in writing, repositioning identity anew, dismantling and construction, and cultivating<br />
territory on several levels: the margins of the city, the periphery and<br />
the urban, and the written book.<br />
I write these words as one who for some years has set myself a goal of opening<br />
the dead archive and installing another loudspeaker for the broken partial<br />
existence of graduates of communities of immigration within the State –<br />
whether in music, in literature, or in identity. I write them out of hope that art<br />
that struggles will break through the barriers.<br />
Haviva Pedaya<br />
Haviva Pedaya is a poet, a culture critic and a scholar in jewish studies in the Ben Gurion University of<br />
the Negev as well as senior fellow in the Van Leer Institute in jerusalem.
1 See my article in the book “merkaz veShulayim” (“Center and margins”) published by the mendel<br />
Institute.<br />
2 See my article in the book “merkaz uFeriferya” (“Center and Periphery”) published by The mendel<br />
Institute.<br />
3 See David Sorotzkin’s various articles dealing with reciprocal marking between jews and Christians<br />
in Europe and the appearance that reciprocal definition among identity groups in jewry works also in<br />
connection to self-definition in relation to processes in Christian society. In my opinion, it may be<br />
said that the trend of assimilation he describes is also a form of self-disgust that was aided by rejection<br />
of the other type of jew. See also the work of Aziza Kazoom, “Western Culture, Ethnic Labeling,<br />
etc.”, “Sotsiologya Yisreelit” A (2) 1999; A. Raz Karkotzkin. “Teoria uViqoret” 4, 1993, 23-55, 5,<br />
1994, 113-132; Sh. Hinski, “Eyes Wide Shut: Concerning the Acquired Albino Syndrome in the Field<br />
of Israeli Art”, Teoria uViqoret 20, 2002.<br />
4 G. Shalom ‘on Cogitations about jewish Wisdom’, in :Devarim beGo, Tel Aviv 1990, pp. 389-391.<br />
5 Now see the book “Hafrada”.<br />
6 I enlarge upon this in my paper ‘Place and Expanse: judaism and Israeliness’ (in the Scriptures).<br />
7 Timna Rosenheimer documented this in her book “Home: Spaces, Dwellings, People, objects”, or<br />
Yehuda 2001, matters first became known to me through this book.<br />
8 Concerning the foundations of this vision of redemption, see Pedaya: ‘Changes in the Holy of Holies:<br />
From the margins to the Center’, “mad’ei haYahadut 37”, 5757, pp. 53-110.<br />
9 See also: Talia Rapaport, “Going Backwards about the ‘Dead Sea Project of Pinhas Cohen-Gan’<br />
(1972-1984)”, (2) muzot 2, 1984, pp. 10-11.<br />
10 In other terminology: the artist shaped and structured by class-related social contexts that does not<br />
admit them and their analysis can reveal its location. This deals not necessarily or not only with the<br />
content of the work, but rather its esthetic aspects that are prima facie devoid of a political nuance.<br />
There is no intention of reading every artistic act in a solely social fashion.<br />
11 orna oryan quotes miriam Sharon in her doctoral thesis (1980).<br />
12 In her doctoral thesis, orna oryan insists that the jew is also perceived as bleeding.<br />
133
134 OVERLAPPING VOICES
SHULA KESHET THERE ARE No NAmES FoR THINGS, 1996<br />
135
136 OVERLAPPING VOICES<br />
SHULA KESHET BEEHIVE / ARCHIVE, 2008
137
jUmana manna<br />
1987 born in new jersey, USa<br />
grown up in israel<br />
Lives and studies currently in oslo, n<br />
edUCation and awardS:<br />
2006 – 2009 KHIo, Statens Kunstakademiet, Faculty of<br />
Fine Arts, oslo, N<br />
3 year scholarship, BFA with focus on photography<br />
and video<br />
2007 documentary photography grant from Fritt ord for<br />
“The Arab man project”<br />
2005 – 2006 Bezalel Academy for Arts and Design,<br />
jerusalem, Israel<br />
SeLeCted exhiBitionS and projeCtS:<br />
2009 “The Arab man”, Henie onstad museum, N<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – Israeli and Palestinian<br />
Artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, A<br />
(Group)<br />
2007 “Familiar”, and “Ramallah computer game”,<br />
Høstutsillingen, Kunstnerhus, oslo, N (Group)<br />
“Familiar”, Gallery 21.25, Southern Comfort<br />
Group, oslo, N (Group)<br />
oslo open Art Festival, “Voluntary Security<br />
Check”, Installation/performance in National<br />
Theater Underground Station, oslo, N (Solo)<br />
2005 “Fruitless Pleasures”, workshop for young<br />
Palestinian artists, PACA, Ramallah, Palestine<br />
(Group)<br />
138 OVERLAPPING VOICES<br />
artiSt Statement<br />
der StUfenpSaLm<br />
1. Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir<br />
sein wie die Träumenden.<br />
2. Dann wird unser mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens<br />
sein. Da wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes<br />
an ihnen getan.<br />
3. Der Herr hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich.<br />
4. Herr, wende unser Gefängnis, wie du die Wasser gegen mittag<br />
trocknest!<br />
5. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.<br />
6. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen und kommen<br />
mit Freuden und bringen ihre Garben.<br />
Fünf 1 Palästinenser singen gemeinsam in einem disharmonischen Chor den<br />
Stufenpsalm (auf Hebräisch „Shir Hama’alot“, auf Arabisch „Nasheed Al<br />
muraqi“), nach dem Text des Psalms 126 aus dem Alten Testament.<br />
Die musik ist eine jahrhundertealte jüdische melodie von Yossele Rosenblatt,<br />
wobei im Video an die Stelle des hebräischen Textes die arabische<br />
Übersetzung tritt. Für manche gilt dieses Lied als Wallfahrtslied, was angesichts<br />
seines sentimentalen, repetitiven, poetischen Charakters (voller Hoffnung<br />
auf die Erfüllung von Träumen) durchaus angemessen ist.<br />
In der christlichen Welt wurde der Stufenpsalm zum populären Lied über<br />
die Vision des Weltfriedens, den Tag der Erlösung und die Befreiung des<br />
menschen aus den spirituellen Fesseln der Sünde.<br />
In moderner Zeit erhielt der Psalm in der jüdischen Lesart eine starke zionistische<br />
Konnotation im Hinblick auf die Rückkehr ins Land Zion, das heißt Israel.<br />
Im jahr 1900 wurde er beim 4. Zionistischen Kongress in Basel (zu einer<br />
Zeit, als die jüdisch-zionistische Identität und Zukunftsvision entworfen<br />
wurde) als mögliche Nationalhymne des geplanten Staates gehandelt. Es<br />
kam schließlich nicht dazu, da „HaTikva“, die jetzige Nationalhymne Israels,<br />
ausgewählt wurde. Dennoch singen religiöse zionistische Gruppen bis<br />
heute den Psalm 126 zur melodie von „HaTikva“ – als ihre formelle Version<br />
der israelischen Nationalhymne.<br />
Der Psalm hat auch als Gebet, das vor dem Abendessen am Sabbat und an<br />
Feiertagen gesprochen wird, große Bedeutung.<br />
Verschiedene israelische Popmusiker haben ihre eigene Version des Liedes<br />
herausgebracht, und Kinder lernen es oft in jüdischen Sommerlagern.
Die arabische Version ist eine Hybride, zynischer Ausdruck einer Situation<br />
des kulturellen und ideologischen Konfliktes. Singen diese Palästinenser das<br />
Lied aus Loyalität und in Anerkennung des jüdischen Staates? oder singen<br />
sie es wegen des Traums von der Erlösung aus der Unterdrückung, die im<br />
Lied zum Ausdruck kommt? Singen sie es gezwungenermaßen oder handelt<br />
es sich um die Transformation des traditionellen jüdischen Traumes in einen<br />
palästinensischen Traum nach 1948?<br />
Was wollen wir? Wo stehen wir? Diese Fragen drängen sich bei historischen<br />
Konflikten und Veränderungen auf. Die Perspektive des Videos betont die<br />
Komplexität und Ambivalenz einer Positionsbestimmung im politischen und<br />
kulturellen Leben sowie die vielen Ebenen der Zugehörigkeit, die sich aus einer<br />
hybriden Identität ergeben.<br />
1 Zwei der ursprünglich sieben Personen im Video verweigerten die Beteiligung an dieser Ausstellung<br />
(><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>
140 OVERLAPPING VOICES
JUMANA MANNA THE SoNG oF ASCENTS, 2008 (S. / P. 140 – 143)<br />
141
142 OVERLAPPING VOICES
Installation View Essl museum<br />
143
jUmana mannaS „araB men“<br />
INVASIoN IN DIE HAREmSWELT DER mÄNNER:<br />
RoLLENTAUSCH DER BLICKE<br />
In der ausgestellten Fotoserie porträtiert jumana manna abwechselnd Rollen<br />
des Eindringens und der Invasion. In vergangenen Arbeiten schien sie<br />
sich in vielfacher Weise mit der gesellschaftspolitischen Konnotation des<br />
Wortes „Invasion“ auseinanderzusetzen. In vielen früheren Werken sehen wir<br />
sie als „Eindringling“ in das Leben von männern und Frauen blicken, in politische<br />
und sogar intime Sphären, um die darunter verborgenen Kontrollstrukturen<br />
bloßzulegen. manna setzt zu diesem Zweck die Strategie des Rollentausches<br />
ein. Sie hinterfragt die allgegenwärtigen Freud’schen Annahmen,<br />
ändert das stillschweigend Vorausgesetzte und enthüllt die Dynamik von umfassenden<br />
Verhaltensweisen und Verhaltensregeln in einem der Öffentlichkeit<br />
verborgenen Kontext. In diesem Fall scheint manna die Rolle des „Voyeurs“<br />
einzunehmen, die man normalerweise mit männern assoziiert, und<br />
richtet ihr Augenmerk auf ein bestimmtes Ziel, arabische männer, um deren<br />
stereotypes Image zu dekonstruieren und die offenkundige Verletzlichkeit in<br />
den Posen und den realen manifestationen ihrer Identität bloßzulegen. manna<br />
widmet sich der Identität des arabischen mannes, weil sie sie angesichts des<br />
gegenwärtig vorherrschenden übertriebenen machoimages, das den Blick<br />
auf alles andere verstellt, für ein lange vernachlässigtes, aber wichtiges Thema<br />
hält. Der Ansatz ist folgerichtig: Während die Diskussion über die Frau in der<br />
moslemisch-arabischen Gesellschaft, über ihre unterdrückte Identität und<br />
misshandlung mit nachgerade absurder Intensität geführt wird, spricht man<br />
viel weniger über die Identität des arabischen mannes. Dabei ist auch er ein<br />
opfer der Stagnation in seiner eigenen Kultur und steckt in einem System<br />
der Unterdrückung fest, was sogar eine noch umfassendere feministische<br />
Perspektive rechtfertigt.<br />
Dieses fotografische Kunstprojekt besteht aus zwei Teilen; im ersten Versuch<br />
setzt sich manna in ihr Auto, fährt ziellos „spazieren“ – eine Aktivität, die<br />
man häufig bei jungen arabischen männern findet, die nichts zu tun haben,<br />
ziellos und apathisch sind. Sie spricht durch das heruntergekurbelte Fenster<br />
männer an und bittet sie, sich fotografieren zu lassen. Hier spielt manna<br />
ganz bewusst mit den Geschlechterrollen, übernimmt Verhaltensmuster,<br />
sprengt auf spielerische Art und Weise die Grenzen der Rollen und geht sogar<br />
so weit, die Kontrolle über den Blick auf das andere Geschlecht zu manipulieren.<br />
In dieser Reihe von Schnappschüssen sehen wir die jungen männer<br />
voll Eifer mannas Blick erwidern, den oberkörper vornübergebeugt. Wir<br />
erleben, wie einen kurzen moment lang ihr gesellschaftlicher Schutzpanzer<br />
von ihnen abfällt. Ihre latente Neugierde ist stärker, denn hier finden eine<br />
Rollenumkehr und eine Aufhebung des sexuellen Status statt, die sie hinzunehmen<br />
scheinen. Tabus sind Schwellen, die man überschreiten muss, sagen<br />
sie damit. Eifer motiviert dazu, die starren Stereotype zu durchbrechen,<br />
und das menschsein erhält Vorrang.<br />
Beim Betrachten der zweiten Bilderserie erhält man den Eindruck einer Entwicklung,<br />
des Fortschreitens, wie beim Erklimmen einer Treppe. Es ist, als<br />
wolle die Künstlerin ausloten, wie weit man als Frau in das männliche Territorium<br />
eindringen kann in diesem speziellen inaktiven Kontext, der den Zugang<br />
zum anderen Geschlecht sehr gründlich unterbindet. Damit gibt sie eine<br />
menschliche Antwort auf das verbreitete Bild einer entmenschlichten und<br />
sogar furchterregenden männlichkeit. Die Bilderserie zeigt junge arabische<br />
männer in ihrer intimsten Umgebung – in ihren Schlafzimmern auf dem Bett<br />
liegend, manche sogar nackt oder nur in Unterwäsche. Damit werden auf einen<br />
Schlag mehrere gesellschaftlich vorgegebene Tabus angekratzt, nicht<br />
nur in diesem spezifischen Kontext. Die Bilder erinnern an die Doppelseiten<br />
in magazinen, auf denen Posen dieser Art normalerweise von Frauen eingenommen<br />
werden. Die umgekehrte phallische Rolle des Fotografen nimmt<br />
manna ganz offenkundig absichtlich ein. In ihrem Versuch, das Sozialverhalten<br />
des mainstreams zu analysieren, setzt sie sich mit dem Thema der Kontrolle<br />
und mit dem der Kontrolle zugrundeliegenden Instrument, dem Blick,<br />
144 OVERLAPPING VOICES<br />
auseinander. Hier wurde der Harem, in diesem Fall nicht als ort der Frauen,<br />
sondern als ort der männer, den Blicken preisgegeben. In ihm finden wir widerstrebende<br />
Seelen, betreten lächelnd, in Schwarz-Weiß abgebildet, um ihre<br />
Vielschichtigkeit zu betonen und den wohlwollenden Anspruch der Extremität<br />
zurückzuweisen.<br />
manna versucht diesen neu entdeckten Variablen der Wahrheit Gewicht zu<br />
verleihen, indem sie archivarische Elemente einsetzt, besonders eine gleichbleibende<br />
Kulisse, entweder Autofenster oder Bett, und die große Zahl von<br />
Fotos, die sie in beiden Serien gemacht hat. Hier findet eine Becher’sche Tradition<br />
Eingang, in der äußere Erscheinungsformen überprüft und verglichen<br />
werden, um mehr als nur strukturelle Inhalte bloßzulegen.<br />
mannas Fotoserien verweisen auf einen tieferen Kontext der Selbstkritik und<br />
eine sehr gezielte gesellschaftspolitische Kritik, die ihre Kunst höchst spannend<br />
macht. Sie überschreitet Grenzen von Dualitäten – öffentlich/privat,<br />
mann/Frau, real/konstruiert –, um Einblicke und kritische Beurteilungen unserer<br />
gesellschaftlichen Situation zu erlauben. Sie unterläuft daher den Status<br />
quo der vorgefassten meinungen, die über die rein lokale Ebene hinausgehen,<br />
und sucht nach tieferem Verständnis und größerer Nähe – mit Hilfe<br />
der menschlichkeit, die die beiden Geschlechter verbindet.<br />
Reem Fadda<br />
famiLiar<br />
VIDEo UND FoToGRAFIE<br />
Als Erwachsene machte ich mich auf die Suche nach dem tiefen Gefühl der<br />
Geborgenheit und Zufriedenheit, das ein Baby an der mutterbrust empfindet;<br />
ich versuchte, zu einer bedingungslosen Liebe zurückzukehren, einer<br />
Liebe, die unersetzlich ist, die wir unser Leben lang suchen und die eine der<br />
Ursachen für unsere ständige Unzufriedenheit ist.<br />
In der psychoanalytischen Sicht sind Brüste die Quelle der tiefsten Emotionen<br />
eines menschen. An der mutterbrust zu trinken ist nicht nur die erste Aktivität<br />
eines Kindes, sondern auch der Ausgangspunkt jedes Sexuallebens.<br />
mit einem übertriebenen Sauggeräusch bekommt der ursprünglich reine Akt<br />
des Stillens einen verzerrten, befremdenden Aspekt für den Betrachter, weil<br />
damit die gesellschaftlichen Regeln des Verhaltens im Hinblick auf Nähren,<br />
Berührung und Vertrautheit verletzt werden.<br />
Jumana Manna
jUmana manna’S “araB men”<br />
INVADING THE HAREm WoRLD oF mEN: RoLE REVERSAL oF THE GAZE<br />
In the series of photos on view, jumana manna has alternated roles of intrusion<br />
and invasion. Her previous trajectory of work seems to be tied to the exploration<br />
of the social/political connotation of the word “invasion” in multiple ways.<br />
In many of her previous works, we find her ‘invading’ the lives of men and women,<br />
in political and even intimate spheres, as a way to unveil the structures of<br />
control that lie beneath. In order to do that, manna deploys reversed-role stratagems,<br />
challenging the pervasive Freudian assumptions, altering the pre-construed<br />
and revealing the dynamics of all-encompassing behaviours and codes of<br />
conduct in a context closed off from public scrutiny. Here manna seems to be<br />
role-playing the predominant “voyeur” associated with men and directing it at<br />
a specific target – Arab men, with a desire to deconstruct those stereotyped<br />
images and expose the evident vulnerability in their poses and the real manifestations<br />
of their identity. manna shifts her focus towards the issue of identity<br />
of Arab men because she feels that this is an issue that has long been neglected<br />
and is extremely vital, given the current state of the dominant and exaggerated<br />
macho prototype that surrounds and shrouds this identity. And rightly so, for<br />
much is discussed about the issue of women in muslim/Arab society, their suppressed<br />
identity and mistreatment, to a point of ludicrousness, whereas less is<br />
discussed about the identity of the Arab man, despite the fact that he is also a<br />
victim of his own culture’s stagnation and also embodies a system of oppression<br />
and even validates a more comprehensive feminist perspective.<br />
This photographic art project is two-fold; in the first attempt manna essentially<br />
sets out in her car, ‘cruising around’ – an act very much associated with young<br />
Arab men who suffer from idleness, aimlessness and apathy – where she approaches<br />
men through her lowered window and asks to take their photo. Here<br />
manna intentionally adopts a gender challenge, embodying habits, playfully distorting<br />
roles and going as far as manipulating the control of the gaze towards the<br />
other sex. In these series of snapshots, we find those young men peering back<br />
at her, somewhat eagerly, their bodily definitions and distortions in the bent-over<br />
position, reflective of a state where their social shields are down for a brief moment.<br />
Their latent curiosity gets the better of them, for here a crossover happens<br />
and they seem quite permissive of this role reversal and crossover of sexual status.<br />
Taboos are thresholds to be stepped over, is what they are saying. Eagerness<br />
breaks the static stereotype, and their greater humanity prevails.<br />
A progression, like the climbing of stairs, can be sensed from viewing the second<br />
round of photographs. It is as if the artist intends to experiment with how<br />
far a woman can go in crossing male territory in this dormant specific context<br />
that has been most diligent in restricting access to the opposite sex. And by doing<br />
so she provides an answer of humanity to counter prevalent assumptions of<br />
dehumanized and even terrorized masculinity. The second series of photographs<br />
are of young Arab men in their most intimate spaces – their bedrooms, and actually<br />
lying on their beds, some even in the altogether or underwear. In this very<br />
act, several societal projected taboos have been challenged, and not only on<br />
just a specific contextual basis, but here we see images reminiscent of magazine<br />
spreads where usually the main protagonists of such a pose are women.<br />
The reversed phallic disposition of the photographer that manna takes up is obviously<br />
intentional. In her attempt to examine mainstream social behaviour, she<br />
broaches subjects of control and ultimately its invoked vehicle, the gaze. The<br />
harem here, i.e. the quarters now not of women but of men, have been laid<br />
bare, and we find reluctant souls, with embarrassed smiles depicted in white<br />
and black to assert their multiplicity and refute the benign claims of holding<br />
extremities.<br />
manna sets out to assert these new found variables of truth by borrowing archival<br />
elements, and attaching it to the work, especially with the repetition of the<br />
settings, be it the frame of the car, or the beds, and the large amount of photos<br />
that she has taken for both series. Here a Becher tradition is utilized, where appearances<br />
are examined and compared in order to reveal not merely the<br />
structural.<br />
manna’s photographic series refer to a deeper context of self-criticality and<br />
a non-haphazard socio-political critique, which makes her art most interesting.<br />
She breaks boundaries of dualities – private/public, men/women, real/<br />
constructed – to provide insights and critical assessments of our social state,<br />
therefore disrupting the status quo of assumptions that go beyond the merely<br />
local, and to seek a greater understanding and proximity of our twin-gendered<br />
humanity.<br />
Reem Fadda<br />
“famiLiar”<br />
VIDEo AND PHoToGRAPHY<br />
In searching for the deepest sense of comfort and satisfaction through my<br />
mother’s breastfeeding at an adult age, I attempted to return to the unconditional<br />
love, one that is irreplaceable, that we continue searching for all our<br />
lives and which is amongst the reasons for our constant dissatisfaction.<br />
In the psychoanalytical scheme of things, breasts are the source of a person’s<br />
deepest emotions. The act of breastfeeding is not only the child’s first activity<br />
but also the starting point of all sexual life.<br />
With an exaggerated sucking sound, the originally pure act of breastfeeding<br />
assumes a distorted, discomforting aspect for viewers, as it transcends social<br />
rules of conduct in relation to nurturing, touching, and familiarity.<br />
Jumana Manna<br />
145
146 OVERLAPPING VOICES<br />
JUMANA MANNA FRoM tHe seRies tHe ARAb Men, 2007 – 2009<br />
AHmAD<br />
mUSTAFA<br />
moHAmmAD
148 OVERLAPPING VOICES
JUMANA MANNA FRoM tHe seRies tHe ARAb Men, 2007 – 2009<br />
RUBI<br />
TAmER<br />
UNTITLED<br />
149
150 OVERLAPPING VOICES<br />
JUMANA MANNA FRoM tHe seRies tHe ARAb Men, 2007 – 2009<br />
UNTITLED (S. / P. 150 – 153)
151
152 OVERLAPPING VOICES
JUMANA MANNA Familiar (S. / p. 154/155)<br />
153
Parrhesia<br />
israeli-Palestinian art Collective<br />
2003 established<br />
List of ProjeCts<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian artists”,<br />
Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />
(Group)<br />
2007 “Sedek” (“crack”) a magazine dealing with the<br />
Nakba, in collaboration with Zochrot (“remembering”)<br />
Organization<br />
2006 – 2007 “Through language”, Neighborhood<br />
Works project, Jerusalem, israel & “autobiography of a<br />
City project”, ayam association, Jaffa, israel<br />
2006 “Thoughts about Surrender”, Hearat Shulaym<br />
event No.10, Bloomfield Science museum,<br />
Jerusalem, israel<br />
“physicians for Human rights”, a modular<br />
presentation for the israeli organization<br />
Shtoukee, The Golem, The lab, performing arts<br />
Center, Jerusalem, israel<br />
156 OVERLAPPING VOICES<br />
Parrhesia GrouP MeMbers<br />
ayyub aa‘Mar<br />
1974 born in Faradeis, refuge family from<br />
Tanatura village, palestine/israel<br />
lives and works in Faradeis, israel<br />
osnat bar-or<br />
1960 born in Kiryat Haim, israel<br />
lives and works in pardes-Hanna, isreal<br />
toMer Gardi<br />
1974 in Kibuts Dan, israel<br />
lives and works in Tel aviv, israel<br />
ursuLa hofbauer<br />
1964 in Wien, austria<br />
lives and works in Wien, austria<br />
ofer Kahana<br />
1968 in ashkelon, israel<br />
lives and works in pardes-Hanna, israel
artist stateMent<br />
„throuGh LanGuaGe“ in Wien<br />
EiN GEmEiNSCHaFTSprOJEKT vON parrHESia, ZOCHrOT<br />
uND urSula HOFBauEr<br />
„Through Language“ in Wien ist ein öffentliches Kunstprojekt: ein arabischdeutsch-hebräisches<br />
Wörterbuch und ortsspezifisches Glossar.<br />
Das projekt wurde an zwei Orten in israel – Jerusalem und Jaffa – unter verwendung<br />
von arabischen und hebräischen Transkriptionen und Übersetzungen<br />
verwirklicht. Es entstand als antwort auf die verbreitete praxis israelischer<br />
Extremisten, die das arabische auf Straßenschildern durch aufkleber<br />
oder Sprühfarbe auslöschen, und auf die staatliche praxis der unterdrückung<br />
palästinensischer Kultur durch die marginalisierung und unterprivilegierung<br />
des arabischen, einer offiziellen landessprache israels. Diese arabischen<br />
Wörter sind Schlüssel zu Geschichten, Erinnerungen, Hoffnungen und Ängsten,<br />
die zumeist nur in privaten räumen zu Gehör kommen, ohne in der öffentlichen<br />
Sphäre oder ihrem Diskurs gegenwärtig zu sein. Dem arabischen<br />
soll ein Ort in unserem öffentlichen leben eingeräumt werden. Wir möchten<br />
die kulturelle Gegenwart der palästinensischen Bürger israels stärken, der<br />
einheimischen Bewohner und ihrer Kultur, auf deren Zerstörung unser Staat<br />
errichtet wurde, und unseren Wunsch zum ausdruck bringen, uns im Nahen<br />
Osten kulturell zu integrieren.<br />
arabische und hebräische Zeichen in der öffentlichen Sphäre Europas sichtbar<br />
zu machen, mag Fragen hervorrufen nach der anwesenheit unserer Sprachen<br />
und Kultur in Europa. Wir hoffen, die derzeitige Tendenz in der westlichen<br />
Welt zu hinterfragen, das arabische und das Hebräische und die mit<br />
ihnen verknüpfte Kultur als Bedrohung wahrzunehmen, und beziehen uns<br />
daher auf die Fremdenfeindlichkeit und den antisemitismus, die sich in Europa<br />
fortgesetzt zeigen. Wir schlagen außerdem vor, Sprache und Kultur als<br />
arena des gegenseitigen Zuhörens und des Dialogs mit dem anderen zu betrachten.<br />
unsere Wahl ist nicht zufällig auf die „augartenStadt“ in Wien gefallen;<br />
als „verlorene insel“ war sie ein Hauptschauplatz der vertreibung von<br />
Juden im Jahr 1938 – und als Ort neuer migration ist sie derzeit Schauplatz<br />
von Konflikten zwischen populismus, Fremdenfeindlichkeit und muslimischer<br />
Selbstbehauptung.<br />
„Through Language“ wurde zuerst im august 2006 im rahmen der ausstellung<br />
„Neighborhood Works“ (kuratiert von der Gruppe Sala-manca) im Deutsche-Kolonie-viertel<br />
von Jerusalem gezeigt. Die zweite, von der Künstlergruppe „ayam“<br />
kuratierte präsentation fand in Jaffa statt, unterstützt vom Kunstamt der abteilung<br />
Kultur und Kunst der Stadtverwaltung Tel aviv-Jaffa, dem israeli Center for<br />
Digital art, Holon, und dem New israel Fund.<br />
Parrhesia ist eine Gruppe von pädagogen, Sozialaktivisten und Künstlern (aus den<br />
Bereichen Grafik- und industriedesign, Kinofilm, Fotografie, video und bildende<br />
Kunst), die sich in israel gesellschaftlich engagieren. Die Gruppe arbeitet mit<br />
Organisationen, die gesellschaftlichen Wandel vorantreiben, und aktivisten vor<br />
Ort zusammen und produziert daneben eigene arbeiten in der Öffentlichkeit.<br />
Zochrot („Erinnerung“) ist eine Gruppe von israelischen Bürgern, die sich bemühen,<br />
das Bewusstsein für die Nakba, die palästinensische Katastrophe<br />
des Jahres 1948, zu schärfen. Zochrot ist bestrebt, die Geschichte der Nakba<br />
der israelischen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um so Juden und palästinenser<br />
an einer unverstellten Erzählung ihrer schmerzlichen gemeinsamen<br />
Geschichte zu beteiligen. Zochrot hofft, durch eine Übersetzung der<br />
Nakba ins Hebräische, die Sprache der jüdischen mehrheit in israel, den politischen<br />
Diskurs der region qualitativ zu verändern. Ein anerkennen der vergangenheit<br />
ist der erste Schritt auf dem Weg, für ihre Konsequenzen verantwortung<br />
zu übernehmen. Dies muss gleiche rechte für alle völker, die dieses<br />
land bewohnen, beinhalten, einschließlich des rechts der palästinenser auf<br />
rückkehr in ihre Heimat.<br />
Parrhesia und Zochrot arbeiten fortlaufend zusammen an der veröffentlichung<br />
von Sedek, einem magazin über die andauernde Nakba. Die ersten zwei ausgaben<br />
sind unter den folgenden links zu finden: http://parrhesia.org/sedek2.<br />
pdf, http://www.parrhesia.org/sedek.pdf<br />
Wir danken aktionsradius Wien am Gaussplatz (www.aktionsradius.at) für die<br />
zahlreichen informationen, ihre Gastfreundschaft und die großzügige<br />
unterstützung.<br />
about the ConfLiCt<br />
Ganz Wien hat angst. Die verschiedenen Dienststellen, magistrate und Ämter<br />
haben unterschiedliche Ängste. Die Straßenverwaltung hat zum Beispiel<br />
angst, dass jemand stolpern könnte. Einige Bewohner des 20. Bezirks haben<br />
angst, dass eine geplante moschee zu viel verkehr ins Wohnquartier<br />
bringen könnte. manche von ihnen haben auch angst, im eigenen land nicht<br />
mehr zuhause zu sein. Der Bezirk hat angst, dass seine Bewohner nicht alles<br />
verstehen könnten, was sich auf den Straßen abspielt. Dass Kunst irritieren,<br />
womöglich sogar verstören könnte.<br />
Eine Gruppe jüdischer und palästinensischer Künstlerinnen und Künstler aus<br />
israel plant, arabische und hebräische Schriftzeichen im öffentlichen raum<br />
in Wien anzubringen. in den Straßen der Brigittenau soll ein Gehsteiglexikon<br />
entstehen, das den Bewohnern und den Besuchern eines museums für moderne<br />
Kunst ermöglichen soll, die Schönheit der arabischen und der hebräischen<br />
Sprache zu genießen. auf Gehsteigen und in den Schaufenstern der<br />
lokalen Kaufleute sollen alltagsgegenstände beschriftet werden. mit deutscher<br />
Übersetzung und deutscher lautschrift. „Wofür ist das gut?“, fragt mich<br />
der ägyptische Feinkosthändler, und ich sage: „Damit wir endlich verstehen,<br />
dass man in diesen beiden Sprachen nicht nur Holocaust oder Dschihad<br />
buchstabieren kann, sondern auch Tomate, Eiscreme und Telefonzelle.“<br />
„Okay“, sagt der Feinkosthändler und wünscht sich, dass in seinem Schaufenster<br />
„Eiscreme“ stehen soll. „auf arabisch heißt das Gelati“, sagt er noch,<br />
und dass er glaubt, dass es wohl irgendwie um den Frieden geht. Er ist einer<br />
der wenigen, die ich in der vorbereitung dieses projektes treffe, die keine<br />
angst haben. Der Schneiderin zwei Geschäfte weiter sind Schriftzeichen vor<br />
ihrer Tür unheimlich. „ich kenne die Österreicher inzwischen“, sagt sie, und:<br />
„ich habe schon so viel mitgemacht“. ihre Heimatstadt im ehemaligen Jugoslawien<br />
hat sie verlassen, als ihr Haus unter schwerem Beschuss lag. ich verstehe,<br />
dass ihre ökonomische Existenz auf dem Spiel steht. Sie könnte ihre<br />
österreichische Kundschaft verlieren. und wenn sie auf die arabische Schrift<br />
in meiner mappe zeigt und mit sorgenvoller miene sagt, dass sie muslimin<br />
ist, dann verstehe ich auch, dass sie angst hat, mit jenen verwechselt zu werden,<br />
die das Kopftuch als Zeichen tragen.<br />
Die Hausbesitzerin, deren Fassade wir gerne benutzen würden, wünscht sich<br />
andere Sprachen. Tibetisch zum Beispiel, das sei doch ein aktueller Konflikt,<br />
man sollte sich doch nicht immer nur um das Historische kümmern. ich finde,<br />
das ist eine gute idee, aber auch ein ganz anderes projekt. Einige andere<br />
wünschen sich, wir sollten doch lieber Wörter wie Frieden, Freundschaft oder<br />
liebe verwenden. Für den Weltfrieden sind alle. allein, wie legen wir es an?<br />
Ein Bezirkspolitiker erklärt es mir. Wir in Österreich hätten ja zum Glück einen<br />
Weg gefunden, wie wir unter den vielen volksgruppen, die hier leben,<br />
ruhe halten. Das könnten ja nicht alle völker in der Welt. Dass man den israelisch-palästinensischen<br />
Konflikt auf die Dimension eines volksgruppenproblems<br />
am alsergrund herunterbrechen kann, verblüfft mich am Ende<br />
doch. Nach diesem Gespräch möchte ich zehn minuten lang auswandern.<br />
Einerseits weil meine bereits ausgeheilt geglaubte allergie gegen die sprichwörtliche<br />
Wiener Konfliktscheu ein akutes rezidiv ausbildet. andererseits weil<br />
es abscheulich ist, zuzusehen, wie immer wieder versucht wird, alle Konflikte<br />
zum verschwinden zu bringen – und am Ende ist dann das Erstaunen groß,<br />
157
wenn dieselben Konflikte früher oder später wiederauferstehen wie Gespenster<br />
aus ihren Gräbern in einem Horrorfilm. Woran liegt das, fragen wir uns<br />
mit Freunden am Kaffeehaustisch. Woher kommt diese Konfliktscheu? „metternich“,<br />
sage ich. ich könnte „Sozialpartnerschaft“ ergänzen, oder „hohe<br />
Berge“, aber in Wirklichkeit ist es eine offene Frage.<br />
auf der Ebene der Zeichen ist es ausschließlich das arabische, das die menschen<br />
ängstigt. Das Hebräische in unseren Skizzen zur Beschriftung nehmen<br />
sie kaum wahr, es bleibt am rand. Es ist das, was die Hausbesitzerin mit dem<br />
interesse für Tibet mit „dem Historischen“ meint. Es ist in Spuren noch in der<br />
Öffentlichkeit des 2. Bezirks vorhanden, aber es überschreitet die reizschwelle<br />
der alltäglichen Wahrnehmung nicht mehr. Es ist das vergangene, das, was<br />
nicht mehr da ist, das, was keine Bedeutung mehr hat. Die arabischen Zeichen<br />
stehen für den aktuellen Konflikt, für das, was sichtbar und spürbar ist. Für die<br />
moschee in der Dammstraße, für Überfremdungsängste und nicht gelöste probleme.<br />
Die Bürgerinitiative gegen die moschee formuliert auf ihrer Homepage<br />
die angst vor „lärmbelästigung, abgasbelastung, verschmutzung und parkplatznot“.<br />
Die rassistische Zuweisung von lärm und Schmutz an migranten ist<br />
hochproblematisch. Das anliegen, von der politik gehört zu werden, auch mit<br />
unliebsamen Forderungen, die sich der instantharmonisierung entziehen, ist<br />
mir jedoch verständlich. „Wir mussten erkennen, dass die so oft hervor- und<br />
hochgehobene Demokratie – mitsprache der Bürger – in unserem land nur<br />
dann Gültigkeit hat, sofern sie in politisch problematischen Entscheidungsbereichen<br />
nicht hinderlich ist“, formuliert die Bürgerinitiative an anderer Stelle.<br />
Wenn das Zusammenleben im Bezirk nicht harmonisch ist – sollte man das<br />
nicht zuerst einmal zur Kenntnis nehmen, um überhaupt zu lösungen kommen<br />
zu können? Sollten nicht alle positionen, die es dazu gibt, raum bekommen?<br />
angenehmer für verwaltung und politik wäre es sicher, wenn die probleme einfach<br />
nicht da wären. Wenn die Türken wieder zurück in die Türkei gingen und<br />
die österreichischen Bezirksbewohner brav vor dem Fernseher blieben, bei<br />
Chips, Em und Bier. Wenn beide Gruppen einfach verschwinden würden. Wenn<br />
man schon fertig wäre, bevor man überhaupt angefangen hat.<br />
Ein paar Straßen weiter, im augarten, wurde diversen Gruppen und Bürgerinitiativen<br />
– und nicht zuletzt dem renommierten Filmarchiv – versprochen, zuerst<br />
ein leitbild für die zukünftige Nutzung des parks zu erstellen, bevor eine Entscheidung<br />
über die Bebauung des südlichen parkspitzes getroffen werden sollte.<br />
Der Wirtschaftsminister hat sich über diesen laufenden Bürgerbeteiligungsprozess<br />
hinweggesetzt und mit großer Geste, vor der Erstellung des leitbildes, seine<br />
Entscheidung getroffen: zugunsten einer Konzerthalle der Sängerknaben, gegen<br />
ein Filmkulturzentrum. Für das projekt der Sängerknaben soll nun ein Teil des<br />
barocken Baubestandes abgebrochen werden. vielleicht wird eine Schrift an der<br />
augartenmauer erscheinen und uns mit schönen geschwungenen lettern lehren,<br />
was „abbruch“ auf arabisch heißt, oder mit klaren hebräischen lettern, wie<br />
man „Denkmalschutz“ buchstabiert.<br />
Eine Gruppe jüdischer und palästinensischer Künstler aus israel plant, arabische<br />
und hebräische Schriftzeichen im öffentlichen raum in Wien anzubringen. mit<br />
deutscher Übersetzung. Dass sich die Wiener vor dem arabischen fürchten und<br />
das Hebräische ignorieren, das habe ich so nicht vorhergesehen. an einem sonnigen<br />
Februartag sitze ich mit Karin Schneider, Friedemann Derschmidt und der<br />
Gruppe parrhesia in Nazareth, wir besprechen das Wiener projekt. parrhesia hat<br />
2006 in zwei ehemals arabischen vierteln in Jaffa und Jerusalem die Straßenbeschriftung<br />
wieder um arabische Zeichen ergänzt, das arabische dort wieder<br />
in den öffentlichen raum gestellt, wo es zum verschwinden gebracht worden<br />
war. Jetzt gilt es, diese arbeit nach Wien zu transportieren, sie so abzuwandeln<br />
und umzubauen, dass sie hier funktioniert, Sinn ergibt. Die Diskussion wirkt noch<br />
ein paar Tage in mir nach, vor allem beschäftigt mich die Frage, wie sich das<br />
projekt in einem raum verändern wird, in dem das Hebräische nicht hegemonial<br />
ist, nicht die dominante Kultur anzeigt. in israel ist es das Hebräische, das<br />
dem arabischen raum gewährt. in Wien, in Österreich, in Europa werden beide<br />
Sprachen, beide Zeichentypen fremd sein. Wie wird sich das auf das Hebräische<br />
auswirken, wie auf die Dynamik der Gruppe, die sich aus palästinensischen und<br />
jüdischen mitgliedern zusammensetzt? Wie werden die jüdischen israelis darauf<br />
158 OVERLAPPING VOICES<br />
reagieren, dass sie in Wien nicht mehr zu denjenigen gehören, die raum gewähren,<br />
sondern zu denjenigen, denen raum gewährt wird? Werden die palästinensischen<br />
Künstler in Wien noch diejenigen in der Gruppe sein, denen etwas<br />
zugestanden wird? Oder werden sie sich auf demselben Niveau der Fremdheit<br />
befinden wie ihre jüdischen Kollegen? Welche rolle werde ich als deutschsprachige<br />
Österreicherin in dieser Konstellation bekommen? als diejenige, in deren<br />
Sprache nun übersetzt wird, so wie bisher das arabische ins Hebräische übersetzt<br />
wurde? als diejenige, die die gewährenden Österreicher in der Gruppe vertritt?<br />
Für einen programmflyer formulieren wir gemeinsam den Satz: „Das projekt<br />
stellt die Tendenz der westlichen Welt in Frage, sowohl arabische als auch<br />
hebräische Sprache und Kultur als Bedrohung aufzufassen.“ und am Ende stellt<br />
sich heraus: Es ist nicht wahr. Die Bedrohung ist und bleibt das arabische. Das<br />
Hebräische ist auch in Wien dem arabischen nicht gleichgestellt, wird auch hier<br />
nicht zur Bedrohung, es verschwindet vielmehr. Es ist das Historische. Das zum<br />
verschwinden Gebrachte. Es ist keine Bedrohung mehr, weil es bereits abgehakt,<br />
fertig gemacht ist. Es ist und bleibt am rand, weil es nicht einmal mehr bei<br />
der Bürgerinitiative Dammstraße angst auszulösen vermag. und das ist der moment,<br />
wo sogar ich mich ängstige, weil alle meine Fragen damit sinnlos zu werden<br />
scheinen. Es bleibt scheinbar alles beim alten, alles, wie es ist.<br />
Eine Gruppe jüdischer und palästinensischer Künstler aus israel plant, arabische<br />
und hebräische Schriftzeichen im öffentlichen raum in Wien anzubringen.<br />
Graffiti. „Dafür eine Genehmigung zu bekommen wird sicher kompliziert“,<br />
sage ich zu parrhesia in israel, und sie staunen darüber nicht<br />
schlecht. Wie in vielen europäischen Städten gehören die Schablonengraffiti<br />
an Hauswänden und pfeilern in Tel aviv und Jerusalem zum alltäglichen Straßenbild.<br />
Die wenigsten dieser Graffiti sind Kunst, manche werben einfach<br />
nur für die party am nächsten Donnerstag, andere illustrieren politische parolen<br />
und wieder andere sollen einfach nur schön sein. Das geht in Wien<br />
selbstverständlich nicht. auch nicht auf Elektrokästen?, fragen die israelis.<br />
Nein, da müsste man die ma 33 fragen. aber vielleicht auf dem Gehsteig?<br />
Wir stellen schließlich bei der ma 28 einen „antrag auf Gestaltungserlaubnis“.<br />
in einem Telefonat erfahre ich, dass die Straßenverwaltung grundsätzlich<br />
gegen Bodenmarkierungen ist, wegen der Stolpergefahr. auf der mariahilfer<br />
Straße wurden von der ma 48 Hinweispfeile zu den mistkübeln auf dem<br />
Gehsteig angebracht. Die lässt die ma 28 nun wieder entfernen, denn wenn<br />
es jemanden aufhaut, dann sind sie haftbar. So sind nun also die Bemühungen<br />
der einen magistratsabteilung, die passanten davor zu schützen, auf<br />
einer weggeworfenen Bananenschale auszurutschen, durch die Bemühungen<br />
der anderen magistratsabteilung zunichte gemacht, die passanten nicht über<br />
die Hinweispfeile zu den mistkübeln stolpern zu lassen. Das alles fügt sich<br />
trefflich zu den plakaten, die das magistrat auf den Elektrokästen und lichtmasten<br />
affichieren lässt, auf denen zu lesen ist: „plakatieren verboten“.<br />
Fraglich ist nur, ob nicht das anliegen der ma 48 das höhere Gut ist, denn<br />
es dient gleichzeitig der vermeidung des ausrutschens und der Sauberkeit.<br />
und die vermeidung von „lärmbelästigung, abgasbelastung, verschmutzung<br />
und parkplatznot“ ist ja bekanntlich das, was uns kulturell vom Tschuschen<br />
trennt. arabische Zeichen auf dem Gehsteig sind in dieser Hinsicht sicher<br />
der Gipfel der verschmutzungsgefahr. Never mind the message. man darf<br />
angst haben. und man darf gespannt sein, ob es uns gelingen wird, auf diesem<br />
Weg das Ende des abendlandes herbeizuführen.<br />
Ursula Hofbauer<br />
DI Ursula Hofbauer ist Künstlerin und architektin in Wien und hat in verschiedenen<br />
Kunst- und ausstellungsprojekten im und mit dem öffentlichen<br />
raum gearbeitet, unter anderem: „Strange views“, ausstellung im Wiener<br />
prater mit Bodenbeschriftung (1999), „permanent Breakfast“, das immerwährende<br />
Frühstück im öffentlichen raum (1999–2005), Weinverkostung<br />
mit Obdachlosen unter der Schwedenbrücke (2002) und mehrere Kunstprojekte<br />
mit Flüchtlingen (2004–2006). vorträge, publikationen und Stadtspaziergänge<br />
zu „permanent Breakfast“, Gender und öffentlichem raum<br />
und Wiener Wahrzeichen. Widmet sich entschieden allen Fragen des öffentlichen<br />
raums, seiner demokratischen Nutzung und aneignung und<br />
der daraus resultierenden Gestaltung.
“throuGh LanGuaGe” in Vienna<br />
a COllaBOraTiON BETWEEN parrHESia, ZOCHrOT aND<br />
urSula HOFBauEr<br />
“Through Language” in vienna is a public art project, a visual dictionary and<br />
site-specific glossary alternating between arabic, German and Hebrew.<br />
The project was carried out in two places in israel – in Jerusalem and in Jaffa<br />
– employing arabic and Hebrew transcriptions and translations. it was a response<br />
to the widespread practice of israeli extremists who erase the arabic<br />
language from street signs, using stickers or spray paint, and to the state<br />
practices of palestinian cultural oppression through marginalizing and under-privileging<br />
arabic, an official language in israel. The arabic words constitute<br />
keys to stories, memories, hopes and fears, that are for the most part<br />
heard only inside private homes, without having a presence in the public<br />
sphere or its discourse. The idea is to allow arabic a presence in our public<br />
life. We would like to promote the cultural presence of the palestinian citizens<br />
of israel, the native people and culture upon whose destruction our state<br />
is built, and to express our wish to become culturally integrated in the middle<br />
East.<br />
Giving the arabic and the Hebrew languages appearance in the public sphere<br />
in Europe may evoke questions relating to the presence of our cultures within<br />
Europe.<br />
We hope to question tendencies of the Western world, in the past and in the<br />
present, to perceive the arabic and Hebrew languages and culture as threats<br />
and thus refer to the constant uprising of xenophobia and anti-Semitism in<br />
Europe. The project “Through language” also proposes language and culture<br />
as an arena for listening and engaging in dialogue with the other. “augarten<br />
Stadt” in vienna was not chosen by chance; as “verlorene insel (lost island)”<br />
it was the main scene of Jewish displacement in 1938 – and as a site of new<br />
migration, it is the space of current conflicts between populism, xenophobia<br />
and muslim self-assertion.<br />
“Through Language” was first presented in august 2006, in the framework of<br />
the exhibition “Neighborhood Works” (Curated by the Sala-manca group), in<br />
the German Colony neighborhood of Jerusalem. The project’s second presentation<br />
was in Jaffa, where it was curated by the “ayam” artist group, with<br />
the support of the Tel aviv-Jaffa municipality’s Culture & arts Division, Department<br />
of arts; The israeli Center for Digital art, Holon; and The New israel<br />
Fund.<br />
Parrhesia is a group of educators, social activists and artists (from the fields<br />
of graphic and industrial design, cinema, photography, video and fine art)<br />
who are engaged in israel’s civil society. The group collaborates with organizations<br />
for social change and community activists – in addition to working independently<br />
in the public sphere.<br />
Zochrot [“remembering”] is a group of israeli citizens working to raise awareness<br />
of the Nakba, the palestinian catastrophe of 1948. Zochrot endeavors<br />
to make the history of the Nakba accessible to the israeli public, so as to engage<br />
Jews and palestinians in an open recounting of their painful common<br />
history. Zochrot hopes that by bringing the Nakba into Hebrew, the language<br />
spoken by the Jewish majority in israel, they can make a qualitative change<br />
in the political discourse of this region. acknowledging the past is the first<br />
step in taking responsibility for its consequences. This must include equal<br />
rights for all the peoples of this land, including the right of palestinians to return<br />
to their homes.<br />
Parrhesia and Zochrot are engaged in an ongoing process of collaboration –<br />
the publication of Sedek, a magazine about the ongoing Nakba. its first two<br />
issues can be viewed in the following links: http://parrhesia.org/sedek2.pdf,<br />
http://www.parrhesia.org/sedek.pdf<br />
We thank aktionsradius Wien at Gaussplatz (www.aktionsradius.at) for a lot<br />
of valuable information, their hospitality and straightforward support.<br />
about the ConfLiCt<br />
The entire city is scared. Different departments of the municipality have different<br />
fears. Street administration for example is afraid that pedestrians could stumble.<br />
Some inhabitants of the 20th district are afraid that a planned mosque could<br />
bring too much traffic into the neighbourhood. Some of them are also afraid of<br />
turning into strangers in their own country. The district’s administration is afraid<br />
that people living in the area could not understand everything happening in their<br />
streets. That art could irritate, even unsettle someone.<br />
a group of Jewish and palestinian artists from israel is planning to apply writings<br />
in arab and Hebrew in vienna’s public spaces. The streets of the Brigittenau<br />
district are to show a street dictionary, a site-specific glossary. The<br />
opportunity to enjoy the beauty of the arabic and Hebrew languages will be<br />
offered to the inhabitants and the visitors of a museum of modern art. On<br />
sidewalks and in shop windows of local merchants, everyday items will be labelled.<br />
Translation and phonetics in German included. “What is it good for?”,<br />
the Egyptian Deli asks me, and i answer: “So that we finally learn not only to<br />
spell Holocaust and Jihad in these languages, but also tomato, ice cream and<br />
phone box.” “Okay”, says the grocer and wants the word for ice cream to be<br />
written on his window. “in arabic they say gelati” he adds, and that he thinks<br />
it is about peace somehow. He is one of the few i meet in preparation for the<br />
project who is not frightened. The seamstress a few doors down the street<br />
has an uncanny feeling about writings in front of her door. “i know the austrians<br />
by now” she says, and: “i have experienced too much”. She left her<br />
hometown in former Yugoslavia, when her house was under heavy bombardment.<br />
i understand that her economic survival is at risk. She could lose her<br />
austrian customers. and when she points at the arab writing in my map and<br />
says that she is muslim, i also understand that she fears to be mistaken for<br />
someone wearing the headscarf as a signal.<br />
The owner of a house, whose facade we would like to use, asks for different<br />
languages. Tibetan for example, that would be a current conflict. One should<br />
not always get caught in the historical. i think that it is a good idea, but a<br />
completely different project also. Some others wish for different words to be<br />
used, like peace, friendship or love. Everyone is pro universal peace. But how<br />
to achieve that? a local politician explains it to me: “We in austria have fortunately<br />
found a way to keep the peace between the many ethnic groups living<br />
here. Not all the peoples in the world are able to do so.” The perception<br />
of the israeli-palestinian conflict as an ethnic squabble in the next neighbourhood<br />
astonishes me. For some ten minutes i want to get out of here. On one<br />
hand, because my allergy to the proverbial conflict avoidance of the viennese,<br />
which i believed i’d healed, is returning. On the other hand, because<br />
it is exhausting to watch how efforts are made to bring all conflicts to vanishing<br />
point, over and over again – and in the end it seems a big surprise that<br />
the very same conflicts are resurrected sooner or later, like ghosts out of their<br />
graves in a horror movie. What’s responsible for this, we ask ourselves with<br />
friends over a cup of coffee. Where does this conflict avoidance come from?<br />
“metternich”, i say. i could add “the austrian social partnership”, or “high<br />
mountains”, but the truth is: it is an open question.<br />
On the level of signs it is only the arabic that scares people. They hardly recognise<br />
the Hebrew in our sketches for the writings, it stays apart, marginal.<br />
Hebrew is what the house owner with sympathies for Tibet called “the historic”.<br />
it still exists in micro-elements in some parts of the public in the second<br />
district, but it does not cross the threshold of everyday attention any more. it<br />
is the past, the long ago, the deceased that has no more meaning. The arab<br />
signs stand for the topical, ongoing conflict, the newsworthy, for the mosque<br />
built on the Dammstrasse in the 20th district, for the fear of alienation and<br />
unsolved problems. The citizens’ committee against the mosque expresses<br />
their fear of “noise pollution, vehicle emissions, dirt contamination and a lack<br />
of parking space” due to the amount of people expected to visit the mosque.<br />
The racist attribution of noise and dirt to migrants is highly problematic. Yet<br />
i understand the wish to be heard with one’s concerns by politics and by po-<br />
159
liticians, even if this concern thwarts the ambition of instant harmonisation,<br />
and however disagreeable or inconvenient it may be. “We had to face the fact<br />
that the often emphasised democracy – the citizen’s right to a say in a matter<br />
– is only valid if it is not troublesome in politically problematic domains of<br />
decision” the citizens’ committee declares. if living together is not that harmonious<br />
– should this not be noticed first and foremost? Should not every<br />
existing position in this matter have a voice? administration and politics would<br />
surely appraise it as more comfortable if the problems simply did not exist.<br />
if the Turks would return to Turkey and the austrian inhabitants would stay<br />
in front of their Television, eating potato chips, watching football and drinking<br />
beer. if both parties would simply vanish. if the job was finished before it was<br />
begun.<br />
a few blocks further, at augarten baroque park, several user groups and citizens’<br />
committees – amongst others the renowned Filmarchiv – were promised<br />
that there would be a guiding concept for the entire park and its use, prior to<br />
a decision on what to build in its southern section. The minister for Economic<br />
affairs overrode this process of civic participation with an autocratic gesture<br />
and made his decision in favour of a concert hall for the viennese Sängerknaben,<br />
and against a planned cultural centre for films. all this before the<br />
guideline was established. in support of the concert hall a part of the historic<br />
buildings in the park is to be demolished. maybe there will be a plaque<br />
on the wall of the augarten, teaching us how to spell “demolishion” in embellished<br />
arabic characters, or the word “monument preservation” with<br />
straight Hebrew signs.<br />
a group of Jewish and palestinian artists from israel plans to apply writings<br />
in arabic and Hebrew in public spaces in vienna. With translation in German.<br />
The viennese being scared of the arabic but ignoring the Hebrew – i didn’t<br />
expect that to happen. On a sunny day in February i am sitting in Nazareth<br />
with Karin Schneider, Friedemann Derschmidt and the parrhesia Group, we’re<br />
discussing the project in vienna. in two former arab neighbourhoods in Jaffa<br />
and Jerusalem, parrhesia has added arabic signs in the street and on road<br />
signs, brought back the arabic language into the public domain, where it had<br />
been obliterated. Now the point is to carry the project forward to vienna, to<br />
modify it in a way that works and makes sense. The discussion has an effect<br />
on my thoughts for several days. Foremost i am thinking about how the project<br />
will change in an environment where Hebrew is not predominant, not signifying<br />
the dominant culture. in israel it is Hebrew granting space to the<br />
arabic language and signs. in vienna, in austria, in Europe, both languages,<br />
both types of characters will be alien. What implications will that have for the<br />
Hebrew, for the dynamics of a group composed of palestinian and Jewish<br />
members? How will the Jewish artists react, if they feel that in vienna they<br />
are no longer the granting party? Will the palestinian artists still feel they are<br />
the ones that receive concessions? Will they be at the same level of alienation<br />
as their Jewish colleagues? What will be my part as a German-speaking<br />
austrian? as the one into whose language the signs now will be translated, in<br />
the way arabic was formerly translated into Hebrew. as the one representing<br />
the “granting” austrians in the group? Together we find a wording for a programme<br />
flyer: “The project questions the tendency of the Western world to<br />
perceive the arabic and Hebrew languages and cultures as a threat”. and in<br />
the end it turns out to be simply not true. The threat is and stays the arabic<br />
language and the arabic signs. Hebrew is not co-equal, not even in vienna.<br />
it is not a threat at all, rather it disappears. it is the historic element, the matter<br />
that vanishes. it is no menace any more, because it is already checked<br />
off, finished. it is marginalised, it does not even scare the Dammstrasse citizens’<br />
committee any more. and that is the moment when even i get scared,<br />
because all of my questions seem to become senseless. apparently everything<br />
remains unaffected, stays as it is.<br />
a group of Jewish and palestinian artists from israel plans to apply writings<br />
in arabic and Hebrew in public spaces in vienna. With translation in German.<br />
Graffitis. “To get permission therefore will be tricky”, i tell parrhesias in israel,<br />
and they are flabbergasted. like in many European cities, stencil graffi-<br />
160 OVERLAPPING VOICES<br />
tis on the walls and in the streets are common in Tel aviv and Jerusalem. Few<br />
of them are thought of as being art, some simply announce the party to be<br />
given next Thursday, some are illustrating political slogans, some may simply<br />
be beautiful. This is not possible in vienna, of course. “Not even on junction<br />
boxes?”, the israelis ask? No, we would have to ask the city’s electricity<br />
department, ma 33. But maybe on sidewalks? Finally, we write a letter of application<br />
to the street administration, ma 28, asking for a so-called “Gestaltungserlaubnis”.<br />
in a telephone call i learn that the municipality disapproves<br />
of signs on sidewalks in principle, due to the risk of people stumbling. On<br />
mariahilferstrasse, a big shopping street in the city centre, the municipal<br />
waste disposal department, ma 48, has applied arrows on the sidewalks,<br />
pointing to the garbage bins. ma 28 now removes these arrows, because of<br />
the department’s responsibility if someone stumbles. So the efforts of one department<br />
to avoid pedestrians slipping on a thrown-away banana skin are<br />
undone by another department, due to the risk that pedestrians could stumble.<br />
This fits perfectly with the placards which the municipality sticks on junction<br />
boxes and lamp posts all over the city, saying: “placarding forbidden”.<br />
it is debatable whether the waste disposal department’s concern is not in fact<br />
mandatory, because it makes for pedestrians’ safety and tidiness at the same<br />
time. and avoiding “noise pollution, vehicle emissions, dirt contamination<br />
and a lack of parking space” is after all what distinguishes us culturally from<br />
the camel drivers. arabic signs on the sidewalks in this sense are for sure the<br />
epitome of potentially dangerous contamination. Never mind the message.<br />
One may be afraid. and one may wonder whether we will succeed in effectuating<br />
the end of Western civilization this way.<br />
DI Ursula Hofbauer is a vienna-based artist and architect, who has been working in and with public<br />
space in several exhibitions and art projects, amongst others: “Strange views” (1999), exhibition project<br />
in the vienna prater with lettering on sidewalks, “permanent Breakfast” (1999-2005), the everlasting<br />
breakfast in public space, Wine tasting with homeless people under a viennese Bridge (2002) and art<br />
projects with refugees (2004-2006). various lectures, publications and guided tours about the permanent<br />
Breakfast project, gender and public space and viennese landmarks. Thoroughly dedicated to all<br />
questions of democratic use and appropriation of public space and resulting designs.
PARRHESIA THrOuGH laNGuaGE, 2008<br />
161
162 OVERLAPPING VOICES<br />
PARRHESIA uNTiTlED, FrOm THE prOJECT THrOuGH laNGuaGE, iSraEl, 2006<br />
PARRHESIA aDvErTiZmENT, FrOm THE prOJECT THrOuGH laNGuaGE, iSraEl, 2006
PARRHESIA THrOuGH laNGuaGE, viENNa, 2008<br />
installation view Essl museum<br />
163
PARRHESIA THrOuGH laNGuaGE, viENNa, 2008 (S. / p. 164/165)<br />
SprÜHaKTiON, 20. BEZirK, 14. mai / SpraYiNG, 20TH DiSTriCT, 14 maY<br />
165
PARRHESIA THrOuGH laNGuaGE, viENNa, 2008 (S. / p. 166/169)<br />
SprÜHaKTiON miT BESuCHErBETEiluNG uND GEFÜHrTEm ruNDGaNG, 20. BEZirK, 17. mai<br />
SpraYiNG WiTH viSiTOr aTTENDaNCE aND GuiDED TOur, 20TH DiSTriCT, 17 maY<br />
167
PARRHESIA THrOuGH laNGuaGE, viENNa, 2008 (S. / p. 170/171)<br />
SprÜHpErFOrmaNCE, 1. BEZirK, 17 mai / SpraYiNG pErFOrmaNCE, 1ST DiSTriCT, 17 maY<br />
171
friedeMann dersChMidt und Karin sChneider<br />
friedemann derschmidt 1967 born in salzburg, a<br />
Lives and works in Wien, a<br />
Karin schneider 1969 born in Wien, a<br />
Lives and works in Wien, a<br />
ritesinstitute<br />
friedeMann dersChMidt<br />
education:<br />
universität für angewandte Kunst Wien, Wien, a<br />
Karin sChneider<br />
education:<br />
Studium der Geschichte / study of history,<br />
universität Wien, Wien, a<br />
seLeCted exhibitions and ProjeCts:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian<br />
artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />
(Group)<br />
2008 “reactivate!! – adapted Spaces and the minimal<br />
intervention”, Espai d’art Contemporani de<br />
Castellón, Castelló, E (Group)<br />
2007 – 2008 “instant urbanism” – DaC Danish<br />
architecture Centre; København, DK /<br />
Schweizerisches architekturmuseum Basel, CH<br />
(Group)<br />
2005 – 2008 Exchange and Networkproject israel –<br />
austria and roma association Gipsyradio, a<br />
2004 “permanent breakfast – raumordnungen”,<br />
Kunsthalle Wien, Wien, a (Solo)<br />
1999 “Komm und sieh rudyn – Geschichten eines<br />
Tänzers aus Wien”, documentary a1999 80 min<br />
pal, Diagonale 99, Graz, a<br />
“strange views – on the trace of ethnografic shows<br />
in the viennese prater” (Karin Schneider), Wien, a<br />
1996 – 2008 “permanent breakfast – the continually<br />
ongoing breakfast in the open space”,<br />
international, www.permanentbreakfast.org<br />
172 OVERLAPPING VOICES<br />
artist stateMent<br />
this PLaCe<br />
Die interviews zu „THiS plaCE“ sind in Jerusalem, Tel aviv, Beit Neqofa, Kufur<br />
Yasif und Bethlehem teilweise im Sommer 2007, mehrheitlich jedoch im<br />
Februar 2008 entstanden. Die rauminstallation dient sowohl der Darstellung<br />
unseres persönlichen Zugangs zum Thema als auch der veranschaulichung<br />
der von uns erlebten vielschichtigkeit. allein wenn man dieser kleinen Gruppe<br />
meist mit uns befreundeter Bewohner israels beziehungsweise palästinas<br />
(nur der palästinensisch-österreichische musiker marwan abado lebt in<br />
Wien) zuhört, kann man spüren, wie unterschiedlich der Zugang zum land<br />
ist und wie verschieden das Narrativ. Jede Erzählung ist für sich genommen<br />
stimmig, hört man die Stimmen zueinander, beginnen die Dinge ungemein<br />
kompliziert zu werden. um die gesamten interviews zu hören, benötigt man<br />
etwa 13 Stunden. DvDs der interviews sind erhältlich.<br />
Das Kunstprojekt ritesinstitute ist eine unabhängige Einrichtung der freien<br />
lehre, Erforschung und produktion von assoziationen, Denkvarianten, Ereignissen<br />
und Handlungen. Wir fragen dabei, wie identitäten hergestellt werden.<br />
Wir legen das augenmerk auf die Berührungspunkte unterschiedlicher zueinander.<br />
Wir untersuchen und bearbeiten Bilder. Wir unterlaufen und setzen<br />
aktionen. Wir begehen, eröffnen und beforschen Grenzen. Wesentliche methode<br />
ist dabei die Schaffung internationaler und a-nationaler verbindungen<br />
zwischen Künstlerinnen und Künstlern, aktivistinnen und aktivisten sowie Theoretikerinnen<br />
und Theoretikern.
this PLaCe<br />
The interviews for “THiS plaCE” were conducted in Jerusalem, Tel aviv,<br />
Beit Neqofa, Kufur Yasif, and Bethlehem; some took place in the summer<br />
of 2007, the majority in February of 2008. The spatial installation serves<br />
both to present our personal approach to the issues and to illustrate the<br />
complexity we experienced. listening only to this small group of israelis and<br />
palestinians (with the sole exception of the palestinian-austrian musician<br />
marwan abado, who lives in vienna) – most of them are our friends – one<br />
can get a sense of how different the approaches to this land are, how different<br />
the narratives. Every individual story makes perfect sense; once one<br />
hears the <strong>voices</strong> as an ensemble, things begin to get extraordinarily complicated.<br />
it takes about 13 hours to hear all interviews in their entirety. The<br />
interviews are available on DvD.<br />
The art project ritesinstitute is an independent institution devoted to free education,<br />
research, and the production of associations, variant ideas, events,<br />
and actions. We inquire into the production of identities. We focus on the<br />
points of contact between what is different. We examine and manipulate imagery.<br />
We subvert and posit actions. We inspect, open, and research borders.<br />
Our central method in this context is the creation of international and a-national<br />
connections between artists, activists, and theorists.
174 OVERLAPPING VOICES<br />
KARIN SCHNEIDER, FRIEDEMANN DERSCHMIDT THiS plaCE, 2008 (S. / p. 173, 175)
175
yoaV Weiss<br />
1968 born in jerusalem, israel<br />
Lives and works in tel aviv, israel<br />
eduCation and aWards:<br />
2004 – 2005 artist in the Community award, ministry of<br />
Education and Culture, israel<br />
2003 Bezalel art academy / Hebrew university, israel,<br />
master of Fine arts<br />
2000 universita delle idée, Biella, i<br />
1989 Bachelor of Fine arts, rhode island School of<br />
Design, uSa<br />
seLeCted exhibitions and ProjeCts:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian<br />
artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />
(Group)<br />
2006 “mini israel”, israel museum, Jerusalem, israel<br />
(Group)<br />
2005 “Neighbourhood Work”, street performance,<br />
Jerusalem, israel (Group)<br />
2001 “art.comm”, The Jerusalem Science museum,<br />
Jerusalem, israel (Group)<br />
1999 “Eser Etzbaot in the Kibbutz”, Nachshon Gallery,<br />
Kibbutz Nachshon, israel (Solo)<br />
1997 “Home”, anadiel Gallery, Jerusalem, israel<br />
(Group)<br />
176 OVERLAPPING VOICES<br />
artist stateMent<br />
buytheWaLL.CoM<br />
buythewall.com freut sich, ausgewählte Stücke der Barriere anbieten zu<br />
können, die zwischen israel und dem besetzten Westjordanland (auch unter<br />
der Bezeichnung Judäa und Samaria bekannt) gebaut wird.<br />
Zunächst ein paar historische Fakten: im Jahr 1961 errichtete das kommunistische<br />
Ostdeutschland eine mauer zwischen dem eigenen Staatsgebiet<br />
und Westberlin, um seine Staatsbürger davon abzuhalten, sich abzusetzen.<br />
Diese mauer wurde zu einem Symbol der von kommunistischen regimes<br />
in Osteuropa ergriffenen verfolgungsmaßnahmen.<br />
1989 wurde die mauer von Tausenden protestierenden menschen niedergerissen.<br />
Trotz jahrelanger sozialistischer indoktrination besaßen einige von<br />
ihnen genügend unternehmergeist, um Stücke dieser mauer als Souvenirs<br />
an Touristen zu verkaufen. Winzige Stücke erzielen heute preise von zwei<br />
bis fünf Dollar.<br />
Die mauer zwischen israel und den besetzten Gebieten ist bereits zum Symbol<br />
des palästinensischen ringens um Befreiung von der Besetzung durch<br />
israel geworden, aber auch zum Symbol für israels Kampf gegen den Terrorismus.<br />
Die Stücke werden nach dem abbau der mauer – sie wurde ja<br />
von israel bereits als temporäre maßnahme bezeichnet – sicherlich zu hoch<br />
begehrten Sammlerstücken. außerdem ist die mauer ebenso wie die Berliner<br />
mauer bereits mit Graffiti übersät, einige davon von anerkannten Künstlern.<br />
man sollte bedenken, dass in dieser Weise verzierte Teile der Berliner<br />
mauer als erste weggingen und die höchsten preise erzielten.<br />
Die mauer besteht aus acht meter hohen Fertigbetonteilen, die dafür ausgelegt<br />
sind, einer panzerabwehrrakete standzuhalten. Sie eignen sich für<br />
den Gebrauch als Tischplatte, Skulptur, Briefbeschwerer, Sitzbank oder ganz<br />
allgemein als Genrebild. Erhältlich bei buythewall.com zu nur 15 Euro das<br />
Stück in Größen von 0,5 bis zwei Quadratmetern.<br />
Besuchen Sie buythewall.com und erwerben Sie ihr eigenes mauerstück!
YOAV WEISS al aZaria, 2007<br />
buytheWaLL.CoM<br />
buytheWall.com is pleased to offer choice pieces of the barrier being built<br />
between israel and the occupied West Bank (a.k.a. Judea and Samaria).<br />
First, a little history: in 1961 Communist East Germany erected a wall between<br />
itself and West Berlin to keep its citizens from defecting. This wall became a<br />
symbol of the persecution inflicted by the Communist regimes of Eastern<br />
Europe.<br />
in 1989, thousands of protestors tore that wall down. Despite years of socialist<br />
indoctrination, a few of them were entrepreneurial enough to market pieces of<br />
the wall to tourists as souvenirs. Tiny chunks sell today for 2-5 Dollars apiece.<br />
The separation barrier between israel and the occupied-territories has already<br />
become a symbol of the palestinians’ struggle for freedom from israeli occu-<br />
pation as well as of israel’s battle to prevent terrorism. pieces of the wall are<br />
sure to become highly desirable souvenirs when israel, which has acknowledged<br />
that the wall is temporary, eventually dismantles it. moreover, like the<br />
Berlin wall, it is already covered with graffiti, some of them by established artists.<br />
it is worth noting that those sections of the Berlin wall that were so decorated<br />
were the first to sell and fetched the highest prices.<br />
The wall consists of pre-cast concrete sections 8 meters high designed to<br />
withstand an anti-tank missile. They are suitable for use as tabletops, sculptures,<br />
paperweights, benches, and generally as conversation pieces. They<br />
can be yours from buythewall.com at only 15 Euros a piece in sizes ranging<br />
from half a square meter to two square meters.<br />
So enter buythewall.com and buy your piece of The Wall!<br />
177
178 OVERLAPPING VOICES<br />
YOAV WEISS bUytHewall.com, 2008 (s. / p. 178 – 181)<br />
EiN STÜCK WEiT KuNST<br />
EiN STÜCK SiCHErHEiT<br />
EiN STÜCK GESCHiCHTE
179
installation view Essl museum
osaMa Zatar<br />
1980 born in ramallah, Palestine<br />
Lives and works in ramallah, Palestine and berlin, d<br />
eduCation and aWards:<br />
2005 Studied stone sculpting by paul Taylor and<br />
worked as a studio assistant<br />
seLeCted exhibitions and ProjeCts:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian<br />
artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />
(Group)<br />
2007 “Kalimat” (Words), the ramallah Othman Court<br />
and the Bethlehem university (Group)<br />
2006 – 2007 “Offering reconciliation”, travelling exhibition<br />
by the israeli-palestinian Forum of Bereaved<br />
Families for peace (Group)<br />
2006 “in Solidarity with Gaza & lebanon”, organized<br />
by palestinian association for Contemporary art<br />
(Group)<br />
182 OVERLAPPING VOICES<br />
artist stateMent<br />
ich wurde 1980 im besetzten palästina geboren. Grenzen, militärkontrollpunkte<br />
und das Gefühl des Eingesperrtseins haben mich mein gesamtes leben begleitet<br />
und wurden natürlich auch zum zentralen Thema meiner künstlerischen<br />
Tätigkeit.<br />
mein persönlicher Kampf gegen Grenzen hat sich in den letzten Jahren intensiviert.<br />
meine Ehe mit einer israelin hat deutlich gezeigt, wie tief die Trennung<br />
zwischen palästinensern und israelis geht. mein persönlicher Kampf, um diese<br />
Grenzen niederzureißen und palästina zu verlassen, hat mich dazu veranlasst,<br />
meine künstlerische arbeit als mittel zur Kommunikation mit meiner umgebung<br />
und als Sprachrohr gegen diese mächte zu verwenden.<br />
Die Skulpturen für dieses projekt haben ein Hauptthema: den Kampf des Einzelnen<br />
im Bemühen, seine umwelt zu verändern. ich habe mich dafür entschieden,<br />
in jeder arbeit Objekte und Werkstoffe aus meiner eigenen umgebung<br />
zu verwenden, um die verbindung zu meiner Herkunft und meinen<br />
Wurzeln zu unterstreichen.<br />
ich sehe meine arbeiten als reflexion meines lebens. manchmal als reflexion<br />
meiner selbst, manchmal als reflexion dessen, was ich als unbeteiligter<br />
gesehen oder erlebt habe. Die Stellung des individuums in seiner Heimat,<br />
seiner Kultur und Gesellschaft drückt sich aus im Kampf gegen restriktionen<br />
persönlicher oder allgemeiner Natur.<br />
i was born in 1980 in occupied palestine. Borders, checkpoints and the feeling<br />
of being caged have been a constant experience throughout my life and naturally<br />
became a main subject of my artistic work.<br />
my personal struggle against borders increased in recent years. my marriage to<br />
an israeli woman highlighted how separated and segregated palestinians and<br />
israelis are from each other. my personal fight to break those borders and my<br />
struggle to leave palestine have driven me to concentrate on my artistic work, as<br />
a tool of communication with my surroundings, to speak out against these forces.<br />
The sculptures presented in this project have one main theme: the struggle of<br />
the individual in changing surroundings. i have chosen to mix objects and material<br />
from my own environment within each work in order to emphasize the<br />
connection with my origin and roots.<br />
i see my works as reflections of my life. Sometimes a reflection of myself, sometimes<br />
as reflections of what i have observed and experienced as a bystander.<br />
The place of the individual in his home, in his culture and in his society is expressed<br />
through struggle against restrictions, whether personal or general.
OSAMA ZATAR TraDiTiONS, 2007<br />
183
184 OVERLAPPING VOICES
OSAMA ZATAR DEaF, DumB aND BliND, 2007<br />
OSAMA ZATAR liFE aND DEaTH BY THE TONGuE, 2007<br />
OSAMA ZATAR THE lEaDEr, 2007<br />
185
186 OVERLAPPING VOICES<br />
OSAMA ZATAR THE CiTiZEN, 2007
OSAMA ZATAR priCE OF rEvOluTiON, 2007<br />
187
188 OVERLAPPING VOICES<br />
OSAMA ZATAR TWO SiDES OF THE (SEpEraTiON) Wall, 2007
OSAMA ZATAR G´aZal, 2007<br />
189
Manar Zuabi<br />
1964 born in nazareth, israel<br />
Lives and works in nazareth, israel<br />
eduCation:<br />
2003 mFa courses at Haifa university, Haifa, israel<br />
1999 Ba in Fine arts at Haifa university, Haifa, israel<br />
1987 BEd in physical Education at Wingate institute,<br />
israel<br />
seLeCted exhibitions and ProjeCts:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian<br />
artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />
(Group)<br />
2007 The Birzeit Ethnographic and art museum<br />
(Group)<br />
“in Between”, al Hoash Gallery, Jerusalem, israel<br />
2006 “Deconstruction”, passage project, Tmuna<br />
Theater, Tel aviv, israel (Solo)<br />
“Czhechpoint”, international Exhibition Festival of<br />
political art, C2C Gallery, Nod-Gallery, praha, CZ<br />
(Group)<br />
“in Between”, video Dance Festival, Tel aviv,<br />
israel (Group)<br />
“london palestine Film Festival”, london, GB<br />
(Group)<br />
2005 – 2006 “Suitcase”, pyramida Center for<br />
Contemporary art, Haifa, israel (Group)<br />
pascal Carp Gallery, Bruxelles, B<br />
Kunsthallen Brænderigården, viborg, DK<br />
Kieleckie Centrum Kultury, Kielce, pl<br />
2003 – 2004 “in Between”, passage project, Tmuna<br />
Theater, Tel aviv, israel (Solo)<br />
2000 “Soft iron, Hard Wool”, Beit-Hagefen, Haifa, israel<br />
(Solo)<br />
190 OVERLAPPING VOICES<br />
artist stateMent<br />
bidoun...<br />
ich zeichne illusionistische landkarten; die landschaften existierten nie und<br />
werden nie existieren. Die landkarten entwickelten sich, als ich die Bilder<br />
in meinem Familienalbum durchsah, die Teil einer Erinnerung an die vergangenheit<br />
werden, die ich nie wieder erleben kann.<br />
Wenn der Betrachter zum ersten mal die landkarten studiert, könnte er verschiedene<br />
Formen des menschlichen Körpers identifizieren, Formen, die<br />
die Tatsache betonen, dass die linien der landkarten sich aus der menschlichen<br />
Geschichte ergeben, die von Opfern der menschlichen Humanität<br />
geprägt wurde.<br />
ich zeichne die landkarten, indem ich Tausende von Haarnadeln in die<br />
Wände steche, die Haarnadeln sind wie eine invasion des gesamten raumes.<br />
Die invasion scheint unkontrollierbar zu sein, und die Wände sehen aus,<br />
als würden sie frösteln.<br />
bidoun...<br />
The maps that i draw are illusory; they have never been and will never be.<br />
The maps emerged while i was looking through the pictures in my family album,<br />
which become part of a memory from the past that i could never go<br />
through again.<br />
as the viewer examines the maps for the first time, he/she could identify different<br />
shapes of the human body, shapes that stress the fact that the lines<br />
of the map have emerged from the human history that was shaped by victims<br />
of human brutality.<br />
i draw the map by stabbing thousands of hair pins in the walls, the hair pins<br />
invade the whole space. While this invasion seems to be uncontrollable, the<br />
walls look shivery.
MANAR ZUABI BiDOuN... (ENG.: WiTHOuT), 2008 (S. / p. 191 – 193)<br />
191
installation view Essl museum
193
Masha ZusMan<br />
1972 born in Kharkov, ua<br />
1989 immigration to israel<br />
Lives and works in jerusalem and the negev, israel<br />
eduCation and aWards:<br />
2004 BFa, Fine art Department, Bezalel academy of<br />
art and Design, Jerusalem, israel<br />
Dr. ran Sapoznic Scholarship, Bezalel academy<br />
of art and Design, Jerusalem, israel<br />
Ehud Elchanani prize for academic Excellence,<br />
Fine art Department, Bezalel academy of art and<br />
Design, Jerusalem, israel<br />
1999 phD in physics, Ben Gurion university of the<br />
Negev, israel<br />
seLeCted exhibitions and ProjeCts:<br />
2008 “<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – israeli and palestinian<br />
artists”, Essl museum, Klosterneuburg / Wien, a<br />
(Group)<br />
2007 “New acquires”, Tel aviv museum of art, Tel aviv,<br />
israel (Group)<br />
“Coerced Choice”, Barbur Gallery, Jerusalem,<br />
israel (Group)<br />
“marking space”, Kulturverein linda, Hamburg, D<br />
(Group)<br />
2006 “House”, Herzelia museum of Contemporary art,<br />
Herzelia, israel (Solo)<br />
“New acquires”, israel museum, Jerusalem, israel<br />
(Group)<br />
2005 “masha Zusman: Black paintings”, Helena<br />
rubinstein pavilion for Contemporary art, Tel aviv<br />
museum of art, israel (Solo)<br />
194 OVERLAPPING VOICES<br />
artist stateMent<br />
im alter von 18 Jahren übersiedelte ich von der früheren Sowjetunion nach<br />
israel. Dieser Ortswechsel bedeutete für mich auch eine veränderung von<br />
Sprache, Kultur und Klima. ich verließ das land meiner Geburt in der Hoffnung,<br />
mir eine neue Heimat zu finden und zu schaffen und mir unbekannte<br />
Träume zu erfüllen. Jahre später, nach einem langen aufenthalt in israel,<br />
das mir und meiner Familie unzweifelhaft zum neuen lebensmittelpunkt<br />
wurde, wird mir klar, dass die Frage von Heimat und Heimatlosigkeit eines<br />
meiner zentralen künstlerischen anliegen ist.<br />
hoMe<br />
meine arbeit „Home“ („Zuhause“) habe ich aus Holzplatten gebaut, die ich<br />
aus alten Frachtcontainern hatte, denen ähnlich, von denen begleitet meine<br />
Eltern wie viele andere immigranten aus der Sowjetunion in israel ankamen.<br />
in den frühen neunziger Jahren konnte man solche kaputten Kisten in vielen<br />
Wohnvierteln im ganzen land finden. mit normalen Kugelschreibern in<br />
ein paar verschiedenen Farben habe ich ein Bild gemalt, das das ganze<br />
Haus wie eine Tätowierung bedeckt. ich arbeitete ohne vorbereitende Skizzen<br />
und stellte diese Bilder in „Echtzeit“ her, im fortlaufenden Dialog mit<br />
der über und über zerkratzten und beschrifteten Oberfläche des Holzes. mit<br />
den nadelähnlich dünnen Kugelschreibern zu malen ist ein langsamer und<br />
obsessiver prozess, in dessen verlauf ich die rohen Holzplatten sich vor<br />
meinem inneren auge in empfindliches Fleisch verwandeln sah, dem meine<br />
persönlichen phantasien und Ängste einverleibt waren. ich erzeuge zwar<br />
eine höchst reichhaltige, provokative und attraktive Oberfläche, aber das<br />
Haus bleibt hermetisch versiegelt, so dass es für den Betrachter unerreichbar<br />
und undurchdringlich bleibt.
at the age of 18 i moved from the former Soviet union to israel. With this relocation<br />
the language, culture, and climate i encountered changed. i left my<br />
birthplace in the hope and belief that i may find and create a new place of<br />
my own and fulfill my unknown dreams. Years later, after a long stay in israel,<br />
which undoubtedly became the new center of my life and that of my family,<br />
i find the question of home and homelessness one of the main issues<br />
of my personal and artistic preoccupation.<br />
hoMe<br />
i built my work “Home” out of wooden panels i took from used transportation<br />
containers, like those which my parents, like many other immigrants,<br />
sent along with them from the Soviet union to israel. in the early nineties one<br />
could find such broken boxes in many neighborhoods all over the country.<br />
With standard ball pens of a few colours i created an image that covers the<br />
body of the house, like a tattoo. Working without any preparatory sketches, i<br />
built the images in “real time”, in constant dialogue with the surface of the<br />
wood, which is covered with scratches and inscriptions. The process of painting<br />
with thin needle-like pens is slow and obsessive, and i saw in my mind<br />
how it transforms rough panels into sensitive flesh, carrying my personal fantasies<br />
and fears. While creating an excessively generous, provocative and attractive<br />
surface, i leave the house hermetically closed, keeping it unreachable<br />
and impenetrable to the viewer.<br />
195
196 OVERLAPPING VOICES<br />
X Y
MASHA ZUSMAN HOmE, 2004 (S. / p. 195 – 199)<br />
197
installation view Essl museum
WerKListe / List of WorKs<br />
TAL ADLER<br />
from the series Unrecognized, 2004 – 2005<br />
20 from 34 parts,<br />
lambda print mounted on aluminium Dibond, Ed. 1/5<br />
each 50 x 100 cm<br />
Abu Telul<br />
Wesal and Nadia Al-Fayumi at Ben Gurion University<br />
p. 68<br />
Al-Araqib<br />
Sayah Al-Turi<br />
p. 67<br />
Al-Bat<br />
Ali Abu Sebayeh and his daughter<br />
p. 69<br />
Al-Fura‘a<br />
Taleb Suleiman, Musa Ibrahim and Muhammad Salama<br />
Qabu‘a<br />
p. 70<br />
Al-Humra<br />
Khalil Al-Quran in his grocery shop<br />
p. 68<br />
Al-Mazra‘a<br />
children from the Al-Zorqan family and a water tank<br />
p. 71<br />
Al-Sera<br />
Said Al-Nasasra on the water pipe outside the village<br />
p. 77<br />
Al-Za‘arura<br />
Suleiman Abu-Ajaj and Muhammad Abu-Judeh<br />
p. 76<br />
Bir Al-hamam<br />
Ruwan and Hawla Al-Rafaya’a<br />
p. 71<br />
Bir Al-Meshash<br />
Ibrahim Al-Waqili<br />
p. 77<br />
Derijat<br />
graduates of the Young Leadership project<br />
p. 75<br />
200 OVERLAPPING VOICES<br />
Khirbet Al-Watan<br />
village children on the football field<br />
p. 74<br />
Matrada<br />
Abdallah Muatuq Al-Waj<br />
p. 72<br />
Tel Al-milh<br />
Hadija and Sabrin Abu-Mesa’ad in the kindergarten<br />
p. 73<br />
Tel Arad<br />
Said Al-Nasasra and his children<br />
p. 75<br />
Um Al-Hiran<br />
Raed Abu Al-qe‘an and his son Rani, residents of Um Al-Hiran<br />
p. 72<br />
Um Metnan<br />
Zenab Al-G’anami<br />
p. 79<br />
Um Ratam<br />
Muhammad Al-G’oul beside the quarry on the lands of<br />
Al-Mazra’a<br />
p. 72<br />
Wadi Al-Meshash<br />
Muhammad Al-Walidi<br />
p. 78<br />
Wadi Al-Na’am<br />
Abdallah and Huda Jarbe‘a and their children Elmaz and<br />
Nabil<br />
p. 78<br />
SHALOM AMIRA<br />
Terrarium, 2008<br />
video installation, DvD, 22:31 min, loop, Ed. 1/3<br />
p. 81 – 83<br />
ANISA ASHKAR<br />
from the series Long Shadow, Long Shadow 1, 2004<br />
multipart series,<br />
lambda print mounted on aluminium Dibond, Ed. 3/7<br />
100 x 100 cm<br />
p. 86<br />
from the series Efygenia, Efygenia 1, 2003<br />
multipart series,<br />
lambda print mounted on aluminium Dibond, Ed. 3/7<br />
90 x 120 cm<br />
p. 87<br />
from the series Agria Matia, Agria Matia 4, 2007<br />
15 parts,<br />
lambda print mounted on aluminium Dibond, Ed. 1/7<br />
100 x 100 cm<br />
p. 86<br />
Alasbash (eng.: White horse), 2008<br />
performance at the Essl museum,<br />
documentation photographs<br />
p. 88 – 89<br />
Face walk, 2008<br />
performance in vienna, 5:27 min<br />
video by Jan Groos and peter muzak, 2008<br />
p. 90 –91<br />
ASAD AZI<br />
Woman with Child, 1997/98<br />
mixed media<br />
135 x 93 cm<br />
p. 97<br />
Three Brothers, 2007<br />
oil on canvas<br />
105 x 105 cm<br />
p. 93<br />
Mother and Soldier, 2008<br />
multipart series, oil on paper<br />
each 40 x 30 cm<br />
p. 94 – 95<br />
RAED BAWAYAH<br />
Turn right, 2007<br />
20 parts, gelatin silver print, Ed. 2/12<br />
each 80 x 80 cm<br />
p. 100 – 103<br />
EYAL BEN-DOV<br />
from the project The New Jew, SHANTIPI 2000, 2000<br />
47 from 70 parts, gelatin silver print, Ed. 2/10<br />
each 30 x 24 cm<br />
p. 105 – 111
ZOYA CHERKASSKY & AVDEY TER-OGANIAN<br />
Untitled, 2008<br />
2 parts, aluminium cast, painted, Ed. 2/10<br />
161 x 40 x 28; 143 x 40 x 28 cm<br />
p. 114<br />
ZOYA CHERKASSKY<br />
Cousins, 2008<br />
2 parts, aluminium cast, painted, Ed. 2/10<br />
h: 40 cm, ø 18 cm<br />
p. 115<br />
RONEN EIDELMAN<br />
The ghost of Manshia awakes, 2007<br />
dia show with 2 maps of Tel aviv-Jaffa<br />
p. 118 – 121<br />
SHULA KESHET<br />
There are no Names for Things, 1996<br />
installation with tabel and mixed media<br />
table: 73 x 120 x 120 cm, figures approx. 9 cm high<br />
p. 134 – 135<br />
Beehive / Archive, 2008<br />
wood installation with diverse handcraft objects<br />
p. 136 – 137<br />
JUMANA MANNA<br />
Familiar, 2007<br />
video installation with lambda print mounted on aluminium<br />
Dibond, Ed. 1/5<br />
photography: 35 x 50 cm<br />
p. 154/155<br />
from the series The Arab Men, 2007 – 2009<br />
multipart, lambda print mounted on aluminium Dibond,<br />
Ed. 1/5<br />
each 60 x 72 cm<br />
ahmad<br />
p. 146<br />
mohammad<br />
p. 147<br />
mustafa<br />
p. 146<br />
rubi<br />
p. 148<br />
Tamer<br />
p. 148<br />
untitled<br />
p. 149 – 153<br />
The Song of Ascents, 2008<br />
video installation with 5 projections, 3:53 min<br />
p. 140 – 143<br />
PARRHESIA<br />
Untitled, from the project Through Language, Israel, 2006<br />
documentation photography<br />
p. 162<br />
Advertizment, from the project Through Language,<br />
Israel, 2006<br />
documentation photography<br />
p. 162<br />
Through Language, Vienna, 2008<br />
documentation photographs<br />
p. 161 – 171<br />
KARIN SCHNEIDER, FRIEDEMANN DERSCHMIDT<br />
RITESINSTITUTE<br />
This Place, 2008<br />
16 interviews presented on flat screens<br />
p. 173, 175<br />
YOAV WEISS<br />
Al Azaria, 2007<br />
documentation photography<br />
p. 177<br />
buythewall.com, 2008<br />
3 light boxes with transparencies, concrete table and chair<br />
each transparency: 100 x 120 cm<br />
table & chair: 80 x 192 x 186 cm<br />
p. 177 – 181<br />
OSAMA ZATAR<br />
Traditions, 2007<br />
mixed media<br />
39 x 24 x 27 cm<br />
p. 183<br />
Deaf, Dumb and Blind, 2007<br />
mixed media<br />
44 x 32 x 32 cm<br />
p. 184<br />
Life and Death by the Tongue, 2007<br />
mixed media<br />
38 x 25 x 50 cm<br />
p. 184<br />
The Leader, 2007<br />
mixed media<br />
44 x 40 x 25 cm<br />
p. 185<br />
The Citizen, 2007<br />
mixed media<br />
50 x 45 x 30 cm<br />
p. 186<br />
Price of Revolution, 2007<br />
mixed media<br />
40 x 65 x 30 cm<br />
p. 187<br />
Two Sides of the (Seperation) Wall, 2007<br />
mixed media<br />
51 x 23 x 12 cm<br />
p. 188<br />
G´azal, 2007<br />
mixed media<br />
45 x 41 x 27 cm<br />
p. 189<br />
MANAR ZUABI<br />
Bidoun... (eng.: Without), 2008<br />
installation with 10.000 hairpins<br />
dimensions variable<br />
p. 191 – 193<br />
MASHA ZUSMAN<br />
Home, 2004<br />
ball pen on ply wood<br />
240 x 400 x 240 cm<br />
p. 195 – 199<br />
201
CoPyriGhts & Photo Credits<br />
Copyrights der abgebildeten Werke / Copyrights of the Illustrated Works:<br />
if not mentioned otherwise: © the artist<br />
Fotonachweis der Illustrationen zu Ausstellungsaufbau & Eröffnung /<br />
Photo Credits of Illustrations from Assembling of the Exhibition and Inauguration<br />
Tal adler: p. 27 bottom right, 28 top, centre, bottom right, 29, 56 left row 2nd fr. bottom, 57 top left<br />
peter Kuffner: p. 26, 27 top, centre, bottom left, 56 right row, left row 1st & 2nd fr. top, bottom, 57 top right, centre, bottom<br />
Günther Oberhollenzer: p. 28 bottom left<br />
Fotonachweis der Werke / Photo Credits of the Works:<br />
if not mentioned otherwise: photo the artist<br />
Tal adler: p. 67 – 79, 178 – 179, 183 – 189<br />
ron amir: p. 86 left, 87<br />
ramón Barría mac lennan: p. 88 bottom right, 89 top right<br />
raed Bawayah: p. 100 – 103<br />
Eyal Ben-Dov: p. 105 – 111<br />
for the work of ronen Eidelman: ronen Eidelman, Tal adler, Eyal Danon, Zsuzsa Katon, maya pasternak: p. 118 – 121<br />
Thomas Freiler: Cover, p. 9, 65, 161, 206/207<br />
Jan Groos & peter muzak: p. 90<br />
peter Kuffner: p. 88 left row, top right, 89 left row, right bottom, 170 right row, bottom & top left, 171, 204/205<br />
abbé libansky: p. 91, 164 – 165<br />
Oded löbl & Oded antmon: p. 195 – 197<br />
Jumana manna: p. 146 – 154<br />
maria-Theresia moritz: p. 167 bottom right<br />
mischa Nawrata, Wien: p. 93 – 95, 97, 134 – 137, 142/143, 163, 180/181, 191 – 193, 198/199<br />
Günther Oberhollenzer: p. 166 top, centre, bottom right & centre, 167 left row, right top & centre, 168 – 169, 170 left centre<br />
Haris papadimitrakopoulos: p. 86 right<br />
regina Strobl: p. 166 bottom left<br />
Yoav Weiss: p.177<br />
Fotonachweis der Künstlerportraits / Photo Credits of Artist Portraits<br />
if not mentioned otherwise: courtesy the artist<br />
Tal adler: p. 66<br />
peter Kuffner: p. 2/3, 190<br />
abbé libansky: p. 84, 172<br />
Es wurde versucht, alle inhaber der Copyrights ausfindig zu machen und zu kontaktieren. in jenen Fällen,<br />
in denen wir nicht erfolgreich waren, mögen sich die Betroffenen bitte beim Herausgeber melden. /<br />
Every effort has been made to contact copyright holders. Where the attempt has been unsuccessful,<br />
the publisher would be pleased to hear from the person concerned.<br />
202 OVERLAPPING VOICES
danKsaGunGen / aCKnoWLedGeMents<br />
WIR DANKEN / WE WoULD LIKE To THANK<br />
den Kuratoren / the curators<br />
Karin Schneider & Friedemann Derschmidt (ritesinstitute), Tal adler, amal murkus<br />
den Künstlern / the artists<br />
Tal adler, Shalom amira, anisa ashkar, asad azi, raed Bawayah, Eyal Ben-Dov, Zoya Cherkassky & avdey Ter-Oganian,<br />
ronen Eidelman, Shula Keshet, adel manna, Jumana manna, amal murkus, parrhesia, Karin Schneider & Friedemann<br />
Derschmidt, anita Shapira, Yoav Weiss, Osama Zatar, manar Zuabi, masha Zusman<br />
WEITERS MöCHTEN WIR DANKEN / FURTHER WE WoULD LIKE To THANK<br />
allen mitarbeiterinnen und mitarbeitern des Essl museums, die an diesem projekt mitgewirkt haben / all employees from<br />
the Essl museum, who have participated in this project<br />
michael Fleischhacker, Chefredakteur „Die presse“<br />
Nadine Wille, Künstlerhaus Wien<br />
Peter Konhäusner & Team<br />
Jürgen amann, Julia Bernhard, Simon Eckert, anna Eder, Criselle Flameno, Hannah Grafl, lukas Klingan, Jana Kriechbaum,<br />
andreas maierhofer, Bettina Seeland, Nora Sonderegger<br />
den Sponsoren des Essl Museums / the sponsors of the Essl Museum<br />
baumax, café + co international Holding, Donau versicherungs aG – vienna insurance Group, Siemens aG Österreich, Telekom<br />
austria aG<br />
den Medienpartnern des Essl Museums / the partners of the Essl Museum<br />
Die presse<br />
DIE KURAToREN MöCHTEN SICH BEDANKEN BEI / THE CURAToRS WoULD LIKE To THANK<br />
agnes und Karlheinz Essl und dem Team des Essl museums für die realisierung des projekts / agnes and Karlheinz Essl<br />
and the team of the Essl museum for the realisation of the project<br />
Kuratorische Assistenz / curatorial assistance<br />
richard reisenberger & russlana lichtzier<br />
In memoriam:<br />
rudolf rudyn Schmitz<br />
Thank you for help / advice / hosting / spirit / babysitting / coaching<br />
marwan abado, Jasmin avissar, arad Benkoe, Dieter Buchhart, Jonny Bunzl, rafram Chaddad, alan Cicmak, luitgard + ulf<br />
Derschmidt, michal Cohen, anna Derschmidt, Claudia Ehgartner, richart Ferkl, Thomas Freiler, Eduard Freudmann, roni<br />
Fried, reneé Gadsden, angelika Gnagni, peter Grabherr, lukas Gehrmann, mieke Hartmann, Bettina Henkel, max Hoffmann,<br />
Christof Huber, monika Kaczek, Stephanie Kiessling, Hannah Kneucker, Katharina Koch, attila Kosa, alois Kienast, Birge<br />
Krondorfer, abbé libansky, anna luczak, Denis mashewich, mikki muhr, Ori Nir, panny + Ferko Oplatka, andi peham,<br />
Berta pixner, anne prichard-Smith, rod prichard-Smith, ingo pusswald, Doron rabinovici, viola raheb, Hans und Erda<br />
reisenberger, Elisabeth Samsonow, rudi rudyn Schmitz (in memoriam), Johanna Schneider, Wieland Schneider, Heribert<br />
Schiedl, Jo Schmeisser, robert Sommer, Yakov Stiassny, Nikolaus Wildner<br />
203
<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong><br />
israeLi and PaLestinian artists<br />
ESSl muSEum<br />
KuNST DEr GEGENWarT<br />
aN DEr DONau-au 1<br />
a-3400 KlOSTErNEuBurG / WiEN<br />
AUSSTELLUNG / EXHIBITIoN<br />
Kuratoren / Curators Karin Schneider & Friedemann Derschmidt (ritesinstitute) Wien, Tal adler, amal murkus, israel<br />
Ausstellungsorganisation / Exhibition organized by Günther Oberhollenzer, Daniela Balogh organisatorische Assistenz /<br />
organizational assistance Silvia Köpf öffentlichkeitsarbeit / Public relations anja reisch, regina Strobl Marketing Sonja<br />
Sagan, lisa Grünwald, Nadine Giron, Katharina unger, Christina piringer Ausstellungslogistik / Exhibition logistics leone<br />
Strizik, Bernhard Gollner Aufbau-Technik / Exhibition Installation ronald Gollner, Clemens Drabek, alexander plenk, Dieter<br />
Treibenreif, andreas rottenschlager, Budislav ilic, andreas Bach Restauratorische Betreuung / In charge of conservation<br />
ute Kannengießer, Elisabeth Schlegel office Management andrea Wintoniak Kunstvermittlung / Educational program<br />
Karin altmann, lucie Binder-Sabha, andreas Hoffer, mela maresch, maria-Theresia moritz, adelheid Sonderegger,<br />
anton Sutterlüty<br />
KATALoG / CATALoGUE<br />
Katalogredaktion / Editorial staff Günther Oberhollenzer, Karin Schneider, Silvia Köpf, anna Szöke redaktionelle Mitarbeit /<br />
editorial collaboration alexander ari Joskowicz, Jumana manna, Shula Keshet, Yoav Weiss Archives & Copyrights ines ratz,<br />
anna Szöke, Eva Köhler, renate Claudi Grafik / Graphic design Elisabeth Hartmann Lithografie / Lithography reprozwölf,<br />
Wien Druck / Printer Druckerei Holzhausen, Wien Autoren / Authors Karlheinz Essl, Tal adler, Shalom amira, anisa ashkar,<br />
Naomi aviv, asad azi, ritta Baddoura, Eyal Ben-Dov, Zoya Cherkassky, ronen Eidelman, reem Fadda, ursula Hofbauer,<br />
alexander ari Joskowicz, Shula Keshet, adel manna, Jumana manna, amal murkus, parrhesia, Haviva pedaya, Karin<br />
Schneider & Friedemann Derschmidt, anita Shapira, Yoav Weiss, Osama Zatar, manar Zuabi, masha Zusman Lektorat /<br />
Proof reading reneé Gadsden, anna luczak, Johanna Schneider, Karin Schneider, Birgit Trinker Übersetzung / Translation<br />
Nabil armaly, Gerrit Jackson, Barbara linner, Benno mekimi, Karin Schneider, roger menvielle Tavor, Susanne Watzek,<br />
Nikolaus Wildner, David Wiskott<br />
© Texte bei den autoren / Texts with the authors © 2008 Sammlung Essl privatstiftung, Klosterneuburg / Wien<br />
Herausgeber / publisher: Edition Sammlung Essl<br />
iSBN-13: 978-3-902001-45-0<br />
alle rechte vorbehalten / all rights reserved<br />
Dieser Katalog erscheint anlässlich der ausstellung /<br />
This catalogue is published on the occasion of the exhibition<br />
<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong> – iSraEli aND palESTiNiaN arTiSTiS<br />
16.05. – 26.10.08<br />
T:+43 (0)2243 37050 – 150<br />
F:+43 (0)2243 37050 – 22<br />
iNFO@ESSl.muSEum<br />
WWW.ESSl.muSEum<br />
205