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Landtag Wahlkreis Halberstadt - DIE LINKE. Harz

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Wenn Frauen flüchten müssen<br />

Bianka Mopita vom Flüchtlingsrat zu Gast beim UFV in <strong>Halberstadt</strong><br />

Heike Jehnichen, <strong>Halberstadt</strong><br />

Migration galt lange Zeit als<br />

männliches Phänomen.<br />

Flüchtende Frauen wurden in<br />

Westeuropa klischeehaft oft als<br />

wenig selbstbewusst, ungebildet<br />

und als den Asyl suchenden<br />

Männern untergeordnet<br />

betrachtet. So prägte sich der<br />

Begriff des „Flüchtlings“ meist<br />

anhand männlicher<br />

Verfolgungsbiographien. Doch<br />

gegenwärtig sind über die Hälfte<br />

der MigrantInnen Frauen und<br />

Kinder. Die Gründe, warum<br />

Frauen fliehen müssen, gleichen<br />

in vieler Hinsicht, besonders was<br />

die politische Verfolgung betrifft,<br />

denen der männlichen Flüchtlinge.<br />

Aber durch ihr Geschlecht<br />

befinden sich Frauen häufig noch<br />

in ganz speziellen Situationen, die<br />

sich von denen der Männer<br />

unterscheiden. Eine der<br />

wichtigsten Ursachen hierfür sehe<br />

ich in der Unterdrückung von<br />

Frauen in ausgeprägten<br />

patriarchalen<br />

Gesellschaftssystemen sowohl in<br />

Europa wie weltweit. Auch die<br />

Flucht selbst gestaltet sich für<br />

Frauen anders als für Männer.<br />

Häufig verfügen Frauen über<br />

wenige ökonomische Mittel, einige<br />

sind Analphabetinnen, viele tragen<br />

zusätzlich Verantwortung für<br />

Kinder und für ältere Menschen.<br />

Oftmals sind Frauen in einem<br />

schlechteren gesundheitlichen<br />

Zustand als flüchtende Männer<br />

und befinden sich in einem<br />

Abhängigkeitsverhältnis zu den<br />

meist männlichen Fluchthelfern.<br />

Der Unabhängige Frauenverband<br />

(UFV) <strong>Halberstadt</strong> hat<br />

kontinuierlich Projekte und<br />

Veranstaltungen mit Frauen und<br />

Kindern aus der Zentralen<br />

Anlaufstelle für Asylbewerber<br />

(ZAST) durchgeführt. „Das Thema<br />

` Asylbewerberinnen` war<br />

überhaupt eines der ersten, das<br />

wir zu Beginn unserer Arbeit<br />

aufgenommen haben“, meinte<br />

Antje Meier, Leiterin des<br />

Frauenzentrums „Lilith“ beim UFV<br />

<strong>Halberstadt</strong>. Im 20. Jahr seines<br />

Jubiläums will der UFV in<br />

Kooperation mit der Rosa-<br />

Luxemburg-Stiftung Sachsen-<br />

Anhalt weitere solche Themen<br />

aufgreifen und reflektieren. So war<br />

kürzlich Bianka Mopita vom Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V. zu Gast im<br />

Halberstädter Frauenzentrum. Sie informierte über die aktuelle Situation von<br />

Flüchtlingsfrauen.<br />

„Nur einer geringen Zahl von Flüchtlingen gelingt es tatsächlich nach Europa<br />

zu kommen, um hier einen Asylantrag zu stellen““, begann Bianka Mopita,<br />

die früher als Dolmetscherin für Französisch arbeitete, jahrelang in Afrika<br />

gelebt hat und seit 2006 beim Flüchtlingsrat tätig ist. Besonders für Frauen<br />

gestalte sich eine Flucht schwierig. Zu den Problemen, welche die Männer<br />

belasten, käme bei den Frauen in vielen Fällen noch die sexualisierte<br />

Gewalt hinzu, wo sie häufig unter Druck gesetzt würden und Traumata<br />

erlitten.<br />

„Neben der politischen Verfolgung, der beide Geschlechter ausgesetzt sind,<br />

gibt es für Frauen noch ganz andere Fluchtgründe, die lange Zeit nicht<br />

anerkannt wurden“, so Frau Mopita. Zu den geschlechtsspezifischen<br />

Fluchtgründen von Frauen zählen vor allem die Zwangsehe, die<br />

Genitalverstümmelung, die Zwangsprostitution, die Zwangsabtreibung, ein<br />

von Frauen in ihren Heimatländern gelebter westlicher Lebensstil oder das<br />

Verstoßen von Frauen aus ihren Familien aus verschiedenen Gründen. Der<br />

Anstoß für eine grundlegende Neuorientierung in der Frage der<br />

geschlechtsspezifischen Verfolgungsgründe ging 1996 von Magdeburg aus,<br />

wo ein Gericht einer Asylbewerberin von der Elfenbeinküste erstmals ein<br />

Bleiberecht zusprach, weil diese von Genitalverstümmelung bedroht war.<br />

Bianka Mopita berichtete, dass viele Frauen, die im Heimatland und oder auf<br />

dem Fluchtweg Traumata erlitten, oft erst nach einem längeren Zeitraum in<br />

der Lage wären, über die erlebte Gewalt zu sprechen. Das beträfe<br />

besonders jene Frauen, die zusätzlich noch mit HIV infiziert worden seien.<br />

Der Wunsch nach Vergessen, Scham und auch die Angst vor dem Verlust<br />

ihrer Würde zwinge Frauen zum Schweigen. Aufgrund dessen hätte es<br />

häufig Ablehnungsverfahren und nicht anerkannte Asylanträge gegeben.<br />

Nach dem Magdeburger Urteil konnte in der Frage der<br />

geschlechtsspezifischen Verfolgung auch hinsichtlich der Anhörungen<br />

einiges verbessert werden:<br />

� So sollen Asylverfahren von Frauen grundsätzlich von Frauen<br />

durchgeführt werden. Es findet eine getrennte Befragung von den<br />

männlichen Familienmitgliedern der Asylbewerberinnen statt. Die<br />

Sprachvermittlung erfolgt durch Dolmetscherinnen, sofern nicht<br />

anders gewünscht;<br />

� In Asylverfahren geschlechtsspezifisch verfolgter Frauen sind auch<br />

Fluchtgründe zu berücksichtigen, die erst nach der ersten Anhörung

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