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Von der Umweltbildung zur Bildung für nachhaltige Entwicklung

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Schwerpunkt: <strong>Umweltbildung</strong><br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Umweltbildung</strong> <strong>zur</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />

<strong>Von</strong> Sabine Hoffmann, La Paz, Bolivien und Jochen Zickermann, Schwäbisch Hall<br />

Sabine Hoffmann<br />

Nach ihrem Geoökologie-Diplom an <strong>der</strong><br />

Universität Bayreuth im November 1997<br />

arbeitete Sabine Hoffmann u.a. als Freie<br />

Mitarbeiterin <strong>der</strong> Umweltakademie<br />

Nordthüringen e. V. <strong>Von</strong> 1998 bis 2000<br />

absolvierte sie ein Nachdiplomstudium<br />

<strong>für</strong> <strong>Entwicklung</strong>slän<strong>der</strong> an <strong>der</strong> ETH Zürich<br />

und arbeitet seitdem als externe<br />

Consulentin bei <strong>der</strong> bolivianischen Stiftung<br />

MEDMIN (Medio ambiente, minería<br />

e industria; Durchführung und<br />

Evaluierung von Workshops <strong>zur</strong><br />

Verbreitung <strong>der</strong> Umwelt- und<br />

Bergbaugesetzgebung in<br />

Bergbaugebieten<br />

Casilla 14987<br />

Boliviens).<br />

Correo Central<br />

La Paz, Bolivia<br />

Tel.:00591/12-67807<br />

Email: sabine.hoffmann@excite.com<br />

In den vergangenen drei Jahrzehnten<br />

gab es auf nationaler wie auf internationaler<br />

Ebene eine Vielzahl von<br />

politischen Absichtserklärungen, Initiativen<br />

o<strong>der</strong> Programmen, in denen die<br />

Bedeutung von <strong>Umweltbildung</strong> betont<br />

wurde. Die Bundesregierung verabschiedete<br />

bereits 1971 ein Programm,<br />

das erste erzieherische Maßnahmen<br />

zum Umweltschutz begründete und<br />

verlangte. Als Folge wurden zunehmend<br />

Umweltthemen und -probleme in<br />

Lehrpläne und Schulbücher aufgenommen.<br />

Diese wurden darin auf <strong>der</strong> Ebene<br />

<strong>der</strong> Beschreibung behandelt. Eine Thematisierung<br />

<strong>der</strong> Ursachen, Hintergründe<br />

und politischen Konsequenzen stand im<br />

Hintergrund.<br />

Nicht zuletzt durch internationale Anstöße<br />

öffnete und wandelte sich <strong>der</strong><br />

„Umweltschutz-Unterricht“ <strong>der</strong> 70er<br />

Jahre hin <strong>zur</strong> „Umwelterziehung“ bzw.<br />

„<strong>Umweltbildung</strong>“. Deutlich wurde das<br />

neue, erweiterte Verständnis von <strong>Umweltbildung</strong><br />

auf <strong>der</strong> Konferenz über<br />

Umwelterziehung <strong>der</strong> UNESCO-<br />

Mitgliedstaaten 1977 in Tiflis. <strong>Umweltbildung</strong><br />

wird von da an als integraler<br />

Bestandteil kontinuierlich fortlaufen<strong>der</strong><br />

<strong>Bildung</strong>s-Prozesse verstanden, die über<br />

die schulische <strong>Bildung</strong> hinaus lebenslang<br />

andauern mit dem Ziel, Bewußtsein<br />

zu wecken, Kenntnisse zu erwerben,<br />

Einstellungen zu vermitteln, sich<br />

Fähigkeiten anzueignen und Mitwirkung<br />

zu ermöglichen.<br />

Auf <strong>der</strong> UNESCO-Konferenz 1987 in<br />

Moskau wurde ein „Internationaler<br />

Aktionsplan <strong>für</strong> Umwelterziehung“<br />

verabschiedet, in dem die Erfahrungen<br />

seit <strong>der</strong> ersten Konferenz ausgewertet<br />

und vor allem Vorschläge <strong>für</strong> die Integration<br />

von Umweltthemen in Schule,<br />

Hochschule und Forschung unterbreitet<br />

wurden.<br />

In diesem Zusammenhang taucht erstmals<br />

in einem internationalen <strong>Bildung</strong>sdokument<br />

<strong>der</strong> Aspekt sustainable<br />

development bzw. „<strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong>“<br />

auf.<br />

Mit <strong>der</strong> Verabschiedung <strong>der</strong> Agenda 21<br />

durch die Konferenz <strong>der</strong> Vereinten<br />

Nationen über Umwelt und <strong>Entwicklung</strong><br />

(UNCED) in Rio de Janeiro 1992<br />

erhielt die <strong>Umweltbildung</strong> mit dem<br />

Kapitel 36, dem Aktionsprogramm <strong>für</strong><br />

die Bereiche <strong>Bildung</strong>, Bewußtseinsbildung<br />

und Ausbildung, einen neuen<br />

Stellenwert. Zentrale Botschaft von<br />

Kapitel 36 ist die <strong>Entwicklung</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Umweltbildung</strong> zu einem wesentlichen<br />

Baustein einer <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong><br />

<strong>Entwicklung</strong>. Die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Agenda 21 hinsichtlich einer „Neuausrichtung<br />

<strong>der</strong> <strong>Bildung</strong> auf eine <strong>nachhaltige</strong><br />

<strong>Entwicklung</strong>“ wurden in mehreren<br />

Folgekonferenzen bestätigt und teilweise<br />

konkretisierend erweitert. Inzwi-<br />

schen wird <strong>der</strong> Begriff „<strong>Umweltbildung</strong>“<br />

zunehmend durch die neue Formel<br />

„<strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong>“<br />

ersetzt.<br />

Auf nationaler Ebene spiegelt sich eben<br />

diese Neuausrichtung <strong>der</strong> <strong>Bildung</strong> auf<br />

eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> in den<br />

Ergebnissen <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

in Auftrag gegebenen Gutachten<br />

<strong>zur</strong> <strong>Umweltbildung</strong> wi<strong>der</strong>. In den Gutachten<br />

des Rats <strong>der</strong> Sachverständigen<br />

<strong>für</strong> Umweltfragen (1994) und des Wissenschaftlichen<br />

Beirates Globale Umweltverän<strong>der</strong>ungen<br />

(1995) wird ausdrücklich<br />

die Verknüpfung von dauerhaft-umweltgerechter,<br />

<strong>nachhaltige</strong>r<br />

<strong>Entwicklung</strong> und <strong>Umweltbildung</strong> hergestellt.<br />

Leitziele<br />

Was verbirgt sich nun hinter dem im<br />

deutschen Sprachraum oft mit „<strong>nachhaltige</strong>r<br />

<strong>Entwicklung</strong>“ o<strong>der</strong> „dauerhaft<br />

umweltgerechter <strong>Entwicklung</strong>“ übersetzten<br />

Begriff sustainable development?<br />

Nach dem Verständnis <strong>der</strong> Brundtland-<br />

Kommission, die den Begriff 1987<br />

prägte und als Leitbild <strong>für</strong> die zukünftige<br />

Umweltpolitik aller Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erde<br />

verkündete, meint <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />

eine wirtschaftlichgesellschaftliche<br />

<strong>Entwicklung</strong>, in <strong>der</strong><br />

Ökonomie, Ökologie und soziale Ziele<br />

so in Einklang gebracht werden, dass<br />

die Bedürfnisse <strong>der</strong> heute lebenden<br />

Menschen befriedigt werden, ohne die<br />

Bedürfnisse künftiger Generationen zu<br />

gefährden.<br />

Eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> steht<br />

danach <strong>für</strong> eine ökonomische, ökologische<br />

und soziale <strong>Entwicklung</strong>, welche<br />

24 FORUM GEOÖKOL. 11 (3), 2000


die natürliche Lebensgrundlage heutiger<br />

und zukünftiger Generationen sichert.<br />

Ökonomische, ökologische und soziale<br />

<strong>Entwicklung</strong> sind dabei als eine innere<br />

Einheit zu betrachten.<br />

Im folgenden werden die Leitziele einer<br />

<strong>nachhaltige</strong>n <strong>Entwicklung</strong> kurz skizziert:<br />

Naturverträglichkeit<br />

Zentrale Kriterien sind hier die Erhaltung<br />

<strong>der</strong> Naturvielfalt (Biodiversität)<br />

und die Sicherung <strong>der</strong> natürlichen Lebensgrundlagen<br />

Boden, Wasser, Luft,<br />

Vegetation etc.<br />

Ökonomische Tragfähigkeit<br />

Eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> zielt auf<br />

die Verlangsamung <strong>der</strong> immer stärker<br />

wachsenden Stoff- und Energieströme<br />

und die Effizienzsteigerung im Material-<br />

und Energieeinsatz (Effizienzstrategie).<br />

Wichtige Kriterien sind:<br />

• die verstärkte Nutzung erneuerbarer<br />

Ressourcen und Energieträger<br />

(im Umfang ihrer Regeneration),<br />

• die Minimierung des Einsatzes von<br />

nicht erneuerbaren Ressourcen und<br />

Energieträgern und <strong>der</strong>en Ersatz<br />

durch erneuerbare,<br />

• die Minimierung von Emissionen<br />

(in Orientierung an <strong>der</strong> Aufnahmekapazität<br />

und am Reaktionsvermögen<br />

betroffener natürlicher Systeme)<br />

und<br />

• die Minimierung des Einsatzes von<br />

Risikotechnologien.<br />

Soziale Gerechtigkeit<br />

Das Leitziel <strong>der</strong> sozialen Gerechtigkeit<br />

umfasst nicht nur die Gerechtigkeit<br />

innerhalb einer Gesellschaft, zwischen<br />

Gesellschaften o<strong>der</strong> Generationen,<br />

son<strong>der</strong>n vielmehr auch gleiche Ansprüche<br />

aller Menschen und Völker auf die<br />

Nutzung <strong>der</strong> natürlichen Ressourcen<br />

und gleiche Rechte auf <strong>Entwicklung</strong>.<br />

Soziale Gerechtigkeit schließt ebenfalls<br />

die Reflexion auf die heutigen Lebens-<br />

Schwerpunkt: <strong>Umweltbildung</strong><br />

stile und die Leitbil<strong>der</strong> <strong>nachhaltige</strong>r<br />

Lebensstile ein (Suffizienzstrategie).<br />

Die Verteilungs- und Gerechtigkeitsprobleme<br />

im globalen Maßstab werden<br />

allerdings durch das Konzept <strong>der</strong> <strong>nachhaltige</strong>n<br />

<strong>Entwicklung</strong> nicht gelöst.<br />

Globale Zusammenarbeit<br />

Eine <strong>nachhaltige</strong>, zukunftsfähige <strong>Entwicklung</strong><br />

mußss von allen Nationen und<br />

gesellschaftlichen Gruppen getragen<br />

und unterstützt werden. Sie zielt auf die<br />

Zusammenarbeit und Partizipation aller<br />

an <strong>der</strong> Umsetzung einer ökologischen,<br />

ökonomischen und sozialen <strong>Entwicklung</strong>.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> globalen Auswirkungen<br />

lokal und regional getroffener<br />

Entscheidungen auf die Umwelt, wird<br />

lokales Handeln als Grundvoraussetzung<br />

<strong>zur</strong> Lösung globaler Umweltprobleme<br />

angesehen. Das Konzept <strong>der</strong><br />

<strong>nachhaltige</strong>n <strong>Entwicklung</strong> zielt daher<br />

auf die breite Mitwirkung <strong>der</strong> Bürger<br />

und Bürgerinnen, <strong>der</strong> örtlichen Vereine<br />

und Verbände, <strong>der</strong> Einrichtungen und<br />

Organisationen, <strong>der</strong> Verwaltungen und<br />

Kirchen sowie <strong>der</strong> Betriebe und Unternehmen<br />

bei <strong>der</strong> Lösung konkreter lokaler<br />

Probleme.<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass<br />

das Konzept <strong>der</strong> <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Entwicklung</strong><br />

eine hohe Komplexität und vielseitige<br />

Interpretierbarkeit aufweist. Die<br />

Vernetzung sozialer, ökologischer und<br />

ökonomischer Ziele sowie die Erweiterung<br />

<strong>der</strong> Perspektive durch Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> globalen und zeitlichen Dimension<br />

menschlichen Handelns kennzeichnen<br />

das Konzept <strong>der</strong> <strong>nachhaltige</strong>n<br />

<strong>Entwicklung</strong>. Das Konzept bietet keine<br />

einfachen und fertigen Handlungsanleitungen,<br />

es skizziert vielmehr einen<br />

ergebnisoffenen Such- und Optimierungsprozess,<br />

<strong>der</strong> von verschiedenen<br />

(ökologischen, sozialen und ökonomischen)<br />

Prinzipien geleitet wird. Es beschreibt<br />

in dieser Zielsetzung den Einstieg<br />

in eine globale Problemlöse-,<br />

Experimentier- und Dialoggesellschaft,<br />

in eine Lerngesellschaft, in <strong>der</strong> Menschen<br />

sich diskursiv-kontrovers über<br />

grundlegende Ziele und Werte verstän-<br />

digen, Lösungswege <strong>für</strong> offene Fragen<br />

und Probleme suchen und Lösungsalternativen<br />

erproben und optimieren.<br />

Leitideen<br />

<strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong>, umweltgerechte<br />

<strong>Entwicklung</strong> sollte Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />

auf diesen gesellschaftlichen<br />

Gestaltungsprozess vorbereiten. Die in<br />

<strong>der</strong> Agenda 21 gefor<strong>der</strong>te Neuausrichtung<br />

<strong>der</strong> <strong>Bildung</strong> auf eine <strong>nachhaltige</strong><br />

<strong>Entwicklung</strong> zielt demnach nicht nur<br />

auf die Einbeziehung von Umwelt- und<br />

<strong>Entwicklung</strong>sfragen als Querschnittsthema<br />

in alle Ebenen des <strong>Bildung</strong>swesens,<br />

son<strong>der</strong>n auch auf die <strong>Entwicklung</strong><br />

von Kompetenzen <strong>zur</strong> Realisierung<br />

einer <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong>.<br />

Didaktische Prinzipien<br />

Eine mo<strong>der</strong>ne <strong>Bildung</strong> <strong>zur</strong> <strong>nachhaltige</strong>n<br />

<strong>Entwicklung</strong> ermöglicht die Verzahnung<br />

von Wissensvermittlung, Werteaneignung<br />

und Persönlichkeitsentwicklung<br />

und ist auf die <strong>Entwicklung</strong> von<br />

Lernkompetenz gerichtet. Sie ist determiniert<br />

durch Sach-, Methoden-, Sozial-<br />

und Selbstkompetenz. Die Kompetenzen<br />

werden in <strong>der</strong> aktiven Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit fachlichen und fachübergreifenden<br />

Inhalten des Unterrichts<br />

erworben.<br />

DE HAAN (1998) erläutert die Kernpunkte<br />

des Kompetenzmoddells wie<br />

folgt: „Unter Methodenkompetenz wird<br />

die Fähigkeit verstanden, Sachwissen<br />

zielgerichtet aufarbeiten und anwenden<br />

zu können. Sie befähigt <strong>zur</strong> systematischen<br />

Bearbeitung von Problemen, <strong>zur</strong><br />

kreativen Neukombination von Informationen<br />

und Lösungswegen, <strong>zur</strong> Identifikation<br />

von Interdependenzen zwischen<br />

Problemfaktoren wie zwischen<br />

Lösungswegen, <strong>zur</strong> kontextuellen und<br />

kritischen Befragung von Rahmenbedingungen<br />

<strong>für</strong> die Problem- und Lösungsgenerierung<br />

und <strong>zur</strong> Reflexion auf<br />

die Gefahren und Risiken <strong>der</strong> Problemlösung.“<br />

Der Terminus Sozialkompetenz umfasst<br />

das Vermögen, mit an<strong>der</strong>en gemeinsam<br />

FORUM GEOÖKOL. 11 (3), 2000 25


nach Problemlösungen zu suchen, konstruktiv<br />

wie kritisch kooperieren zu<br />

können. Darunter wird aber auch verstanden,<br />

sich in an<strong>der</strong>e hineinversetzen<br />

zu können, sich mit ihnen solidarisieren<br />

und sich <strong>für</strong> sie engagieren zu können.<br />

Die Sozialkompetenz steht auch <strong>für</strong> die<br />

emphatische Idee <strong>der</strong> Teilhabe und des<br />

gemeinsamen Engagements.<br />

Unter Selbstkompetenz wird die Fähigkeit<br />

verstanden, „sich selbst zu organisieren,<br />

[...] sich weiterzuentwickeln,<br />

neue Visionen von sich und einem<br />

lebenswerten Leben [...] entwerfen und<br />

vermitteln zu können. Schließlich umfasst<br />

die Selbstkompetenz noch [...] die<br />

Fähigkeit <strong>zur</strong> Selbstreflexion“ (DE<br />

HAAN 1998).<br />

Um die angezielte Kompetenz <strong>für</strong><br />

<strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> zu för<strong>der</strong>n,<br />

sollten <strong>Bildung</strong>s- und Lernprozesse an<br />

folgenden didaktischen Prinzipien ausgerichtet<br />

werden:<br />

• Situationsorientierung<br />

Das Konzept <strong>der</strong> <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Entwicklung</strong><br />

betrifft und for<strong>der</strong>t jeden einzelnen<br />

in unterschiedlichen Lebensbereichen.<br />

Situationsorientierung des Lernens<br />

meint daher die Berücksichtigung <strong>der</strong><br />

Lebenswelterfahrungen. In <strong>der</strong> eigenen<br />

LebenssituationkannBetroffenheit<br />

erlebt, können Interessenkonflikte analysiert,<br />

Umweltschutzmaßnahmen und<br />

zukunftsfähige Planungen erprobt und<br />

die Auswirkungen eigenen Handelns<br />

erfahren werden.<br />

• Handlungsorientierung<br />

Fachliches Wissen über Umwelt und<br />

Umweltprobleme allein reicht nicht aus,<br />

um Bereitschaft und Kompetenz zum<br />

Handeln im Sinne einer <strong>nachhaltige</strong>n<br />

<strong>Entwicklung</strong> zu erwerben. Handlungsorientierung<br />

des Lernens zielt daher auf<br />

die För<strong>der</strong>ung praktischer und problemlösungsbezogener<br />

Fähigkeiten und<br />

Fertigkeiten. Handlungsorientierte<br />

Lernprozesse sollten mit konkreten<br />

Ergebnissen des realen HandeIns verbunden<br />

sein, um das Engagement <strong>der</strong><br />

Schüler, Jugendlichen und Kin<strong>der</strong> im<br />

Umweltbereich sichtbar zu machen. Sie<br />

stellen eine Möglichkeit dar, die eigene<br />

Schwerpunkt: <strong>Umweltbildung</strong><br />

Schul- und Lebensumwelt zu verän<strong>der</strong>n.<br />

Handlungsorientierung <strong>der</strong> Lernprozesse<br />

schließt neben <strong>der</strong> handelnden Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> Umwelt das<br />

Mitentscheiden über das Handeln ein.<br />

Zunehmende Mitbestimmung bei <strong>der</strong><br />

Festlegung <strong>der</strong> Handlungsziele und<br />

aktive Gestaltung <strong>der</strong> Lernprozesse<br />

erfor<strong>der</strong>t Kompetenzen, die im gewohnten<br />

Unterricht nur wenig erworben<br />

werden. Es geht hier um Lernkompetenz<br />

als die Fähigkeit Lern- und Arbeitsprozesse<br />

im Hinblick auf vereinbarte<br />

Ziele und Aufgaben selbst planen<br />

und organisieren zu können sowie Informationen<br />

selbständig und themengerecht<br />

suchen, aufnehmen und bearbeiten<br />

zu können. Dies schließt auch die Fähigkeit<br />

ein, Arbeitsergebnisse aufbereiten,<br />

präsentieren und evaluieren zu<br />

können.<br />

• Problemlöseorientierung<br />

Problemlöseorientierung des Lernens<br />

zielt auf das Verständnis <strong>für</strong> systemische<br />

Zusammenhänge und ihre Dynamik<br />

sowie <strong>für</strong> die vielfältigen Vernetzungen<br />

und Wechselwirkungen. Darüber<br />

hinaus konzentriert sie sich auf die<br />

Erkenntnis, dass oft nicht alle wichtigen<br />

Merkmale eines komplexen Systems<br />

beobachtet und erfasst werden können,<br />

dass die einzelnen Merkmale in mehr<br />

o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> hohem Maß miteinan<strong>der</strong><br />

zusammenhängen und nicht isoliert<br />

voneinan<strong>der</strong> verän<strong>der</strong>t werden können,<br />

dass Wirkungen von Verän<strong>der</strong>ungen in<br />

komplexen Systemen nicht immer voraussehbar<br />

sind und zu ungewollten<br />

Nebenwirkungen führen können.<br />

Problemlöseorientierung des Lernens<br />

sollte zentrales Prinzip einer <strong>Bildung</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> sein, um<br />

die Fähigkeit zum Umgang mit komplexen<br />

Systemen zu för<strong>der</strong>n. Die Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit Stoffkreisläufen<br />

und an<strong>der</strong>en Kreisprozessen könnte<br />

dabei Ausgangspunkt problemlöseorientierten<br />

Lernens sein.<br />

• Interdisziplinarität<br />

Interdisziplinarität des Lernens zielt auf<br />

die fachübergreifende Behandlung<br />

komplexer Themen sowie auf das Verständnis<br />

<strong>für</strong> <strong>der</strong>en Vielschichtigkeit.<br />

Fächerübergreifendes Lernen kann<br />

daher als Chance angesehen werden,<br />

die Eindimensionalität, d.h. die Enge<br />

und Einseitigkeit fachspezifischer<br />

Denk- und Sichtweisen bei <strong>der</strong> Beurteilung<br />

komplexer Situationen und Probleme<br />

zu überwinden und eine ganzheitlichere<br />

Sicht zu för<strong>der</strong>n.<br />

• Kooperationsorientierung<br />

Kooperationsorientiertes Lernen zielt<br />

auf die Zusammenarbeit <strong>der</strong> Schüler<br />

und Schulen untereinan<strong>der</strong>, aber auch<br />

auf die Zusammenarbeit <strong>der</strong> Schulen<br />

mit außerschulischen Kooperationspartnern<br />

wie Umweltämtern, Natur- und<br />

Umweltschutzverbänden etc.<br />

Kooperationsorientierung för<strong>der</strong>t zum<br />

einen die <strong>Entwicklung</strong> von Teamfähigkeit,<br />

d.h. die Bereitschaft und die Fähigkeit<br />

<strong>zur</strong> gemeinsamen aufgabenbezogenen<br />

Zusammenarbeit, zum an<strong>der</strong>en<br />

die Fähigkeit zum Lernen in Netzwerken,<br />

d.h. die Fähigkeit unterschiedliche<br />

Lernorte, Informations- und Erfahrungsquellen<br />

heranzuziehen sowie ein<br />

Netz informeller Kontakte aufzubauen<br />

und zu nutzen. Sie eröffnet auch die<br />

Chance, Verbundenheit, Solidarität und<br />

Gemeinsamkeit zu erfahren, ohne die<br />

längerfristiges Engagement nur schwer<br />

durchzuhalten ist.<br />

In <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit unterschiedlichen<br />

Kooperationspartnern werden<br />

darüber hinaus reflexive und kommunikative<br />

Fähigkeiten wie Dialogfähigkeit,<br />

Konfliktlösefähigkeit und Kooperationsorientiertes<br />

Lernen erworben.<br />

Inhaltlich-thematische<br />

Schwerpunkte<br />

Die Agenda 21 führt eine lange Liste<br />

relevanter Themen bzw. Problembereiche<br />

auf, z.B. Armutsbekämpfung, Konsumgewohnheiten,<br />

Schutz <strong>der</strong> Erdatmosphäre,<br />

<strong>nachhaltige</strong> Landwirtschaft,<br />

Schutz <strong>der</strong> Wasserressourcen etc. Die<br />

lokale o<strong>der</strong> regionale Umsetzung <strong>der</strong><br />

Agenda 21 o<strong>der</strong> einiger Teilbereiche ist<br />

eine vorrangige Aufgabe, an <strong>der</strong> sich<br />

26 FORUM GEOÖKOL. 11 (3), 2000


auch <strong>Bildung</strong>sinstitutionen beteiligen<br />

sollten.<br />

Aus <strong>der</strong> Studie „Zukunftsfähiges<br />

Deutschland“ lassen sich (zumindest <strong>für</strong><br />

Mitteleuropa) objektive Prioritäten<br />

ableiten, d.h. Bereiche, die im Hinblick<br />

auf eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> vorrangig<br />

umgestaltet und verän<strong>der</strong>t werden<br />

müssen. Demnach wären folgende<br />

Themen beson<strong>der</strong>s zu gewichten:<br />

• Energie – insbeson<strong>der</strong>e die Formen<br />

<strong>der</strong> Energiegewinnung und des Energieverbrauchs<br />

• Mobilität/Verkehr – insbeson<strong>der</strong>e<br />

das Mobilitätsverhalten im Freizeitbereich<br />

und <strong>der</strong> Gütertransport;<br />

• Wohnen und Siedlungsentwicklung<br />

– insbeson<strong>der</strong>e Wohnformen und<br />

Baustoffe;<br />

• Landwirtschaft und Lebensmittel –<br />

insbeson<strong>der</strong>e industrielle Bearbeitung<br />

von Lebensmitteln, die<br />

Fleischproduktion und <strong>der</strong> Nahrungsmittelkonsum;<br />

• Verflechtung lokaler und globaler<br />

<strong>Entwicklung</strong> – insbeson<strong>der</strong>e zwischen<br />

<strong>der</strong> lokalen Arbeits- und Le-<br />

Schwerpunkt: <strong>Umweltbildung</strong><br />

benswelt und den globalen Märkten<br />

und den Lebenssituationen, vor allem<br />

in <strong>der</strong> Dritten Welt.<br />

Neben diesen fünf sachorientierten<br />

Themen lassen sich drei Strategien<br />

ausmachen, die zu kennen notwendig<br />

sind, um das Grundkonzept <strong>der</strong> Nachhaltigkeit<br />

zu verstehen. Diese umfasst<br />

folgende Punkte:<br />

• Permanenzstrategien – die Strategien<br />

und Rahmenbedingungen<br />

dauerhaft-<strong>nachhaltige</strong>n Lebens und<br />

Wirtschaftens;<br />

• Effizienzstrategien – die Strategien<br />

<strong>der</strong> Effizienzsteigerung in <strong>der</strong> Ressourcennutzung,<br />

im Wirtschaften<br />

und in <strong>der</strong> Distribution;<br />

• Suffizienzstrategien – die Reflexion<br />

auf die heutigen Lebensstile und<br />

die Leitbil<strong>der</strong> <strong>nachhaltige</strong>r Lebensstile.<br />

Diese Strategien stellen eine Art Analyse-<br />

und Bewertungsschema dar, mit<br />

denen die fünf Themenbereiche betrachtet<br />

werden können. Im Sinne <strong>der</strong><br />

Nachhaltigkeit ist es demnach sinnvoll,<br />

nicht nur <strong>der</strong>zeit dominierende Formen<br />

<strong>der</strong> Energiegewinnung zu betrachten,<br />

son<strong>der</strong>n diese vielmehr auch hinsichtlich<br />

Permanenz, Suffizienz und Effizienz<br />

zu hinterfragen.<br />

Abschließend ist zu bemerken, dass<br />

<strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />

nicht nur auf eine inhaltliche und didaktische<br />

Neuorientierung von Lernprozessen<br />

zielt, son<strong>der</strong>n auch auf die Ökologisierung<br />

von <strong>Bildung</strong>seinrichtungen:<br />

Energieeinsparungen, Begrünungen,<br />

Mülltrennung und -reduktion, Reduzierung<br />

und Vermeidung umweltbelasten<strong>der</strong><br />

Materialien etc., aber auch die Partizipation,<br />

d.h. die Beteiligung <strong>der</strong><br />

Schüler bzw. <strong>der</strong> Gruppen an Entscheidungs-<br />

und <strong>Entwicklung</strong>sprozessen in<br />

den <strong>Bildung</strong>sinstitutionen.<br />

Literatur<br />

• DE HAAN, G. (1998): Schlüsselkompetenzen,<br />

Umweltsyndrome und <strong>Bildung</strong>sreform.<br />

In: BEYER, A. und WASS<br />

VON CZEGE, A. (Hrsg.): Fähig <strong>für</strong> die<br />

Zukunft. Schlüsselqualifikationen <strong>für</strong><br />

eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong>. Verlag<br />

Krämer, Hamburg.<br />

FORUM GEOÖKOL. 11 (3), 2000 27

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