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Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Heft 5 · <strong>September</strong>/<strong>Oktober</strong> <strong>2012</strong> · <strong>2012</strong> F
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Inhalt<br />
Die MSC-Mission in 129<br />
Europa heute<br />
Neue Wege der 132<br />
Evangelisierung fin<strong>den</strong><br />
Brasilianischer 133<br />
Indianermissionsrat<br />
Hans Pittruff 135<br />
Herzenswünsche<br />
Norbert Birkmann 139<br />
Die Ärmel aufgekrempelt<br />
Alfred Niedermaier 142<br />
Eine Tankstelle– auch für die Seele<br />
Heribert Arens OFM 146<br />
Ehelosigkeit und<br />
gelingendes Leben<br />
Walter Gödt 149<br />
Maßstäbe (Gedicht)<br />
Öl – ein altes Heilmittel 150<br />
Verstorbene 156<br />
128<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
in der Werbung, in der Politik und anderen<br />
Bereichen wirbt man um unsere<br />
Stimme. Wir sollen mitre<strong>den</strong> oder<br />
man tut so als ob wir es dürfen und<br />
sollen.<br />
Wir sind froh und ein wenig stolz, dass<br />
wir eine Stimme haben und es vielleicht<br />
auf unsere Stimme ankommt. In<br />
vielen Ländern wer<strong>den</strong> Menschen tot-<br />
geschwiegen oder mundtot gemacht.<br />
Manche Christen sehen ihre Verantwortung<br />
und erheben ihre Stimme,<br />
um für andere zu kämpfen, ihnen<br />
Recht zu verschaffen. Sie wer<strong>den</strong> die<br />
Stimme der Stimmlosen!<br />
Eine Herausforderung für uns alle...
Hans Pittruff<br />
Die MSC-Mission<br />
in Europa heute<br />
Unter diesem Motto stand das<br />
Europa-Treffen der Herz-Jesu-Missionare<br />
(MSC) am Gründungsort der<br />
Gemeinschaft in Issoudun vom 20. bis<br />
25. August <strong>2012</strong>. Aus neun Ländern<br />
kamen 42 Or<strong>den</strong>sleute zusammen,<br />
darunter 1/3 junge Mitbrüder.<br />
Grundlage der Konferenzen und<br />
Gespräche war das Buch von J. Allen,<br />
das neue Gesicht der Kirche. Es geht<br />
u.a. um die Neu-Evangelisierung der<br />
Kirche.<br />
Neu-Evangelisierung<br />
• beginnt in der eigenen Gemeinschaft<br />
• setzt Überzeugung voraus<br />
• sucht Begegnung und Dialog mit<br />
Anders<strong>den</strong>ken<strong>den</strong><br />
• gibt Zeugnis von der Offenheit Jesu<br />
gegenüber allen Menschen<br />
Neben <strong>den</strong> Aufgaben der normalen<br />
Seelsorge müssen wir neue Wege wagen.<br />
1. In der „Oase Steinerskirchen“,<br />
einem Besinnungs- und Bildungshaus<br />
des Bistums Augsburg, suchen die<br />
MSC mit Jugendlichen und Erwachsenen<br />
neue Formen persönlicher Glaubenserfahrung:<br />
neue geistliche Lieder,<br />
Meditationen in der Natur und mit<br />
Malerei, gemeinsame Gestaltung der<br />
Eucharistiefeier und und des Gebetes.<br />
Die einsame Lage und große Ruhe fördern<br />
die Erfahrung innerer Stille und<br />
Harmonie.<br />
Die Teilnehmer unserer Provinz: P. Aloys Escher (vorne) und P. Hans Pittruff (rechts)<br />
129
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Die Bewahrung der Schöpfung ist<br />
ein großes Anliegen und zeigt sich<br />
im Ökohof und umweltfreundlichen<br />
Maßnahmen. Mit Holzpellets aus<br />
dem eigenen Wald wird ein Heizwerk<br />
betrieben und eine Fotovoltaikanlage<br />
liefert Strom.<br />
2. Seit einigen Jahren lebt eine internationale<br />
Gemeinschaft von Mitbrüdern<br />
im englischen Birmingham unter<br />
Menschen vieler Länder und<br />
Religionen.<br />
Sie nennt sich „Cordate“ und die Patres<br />
wirken vor allem durch ihre Gegenwart:<br />
“Ministry of presence”. Sie machen<br />
keine übliche Seelsorge, leben in einer<br />
130<br />
einfachen Wohnung. Einer bezieht<br />
eine Rente, ein anderer ar<strong>bei</strong>tet im Supermarkt.<br />
Ziele ihrer Ar<strong>bei</strong>t: Kontakt<br />
zu <strong>den</strong> Nachbarn und allen, die sie<br />
brauchen; Hilfe in sozialen und persönlichen<br />
Nöten; Abbau von Vorurteilen<br />
und gute Gemeinschaft mit <strong>den</strong><br />
vielen Moslems.<br />
Mitbrüder aus neun<br />
europäischen Ländern<br />
im Innenhof der Basilika<br />
von Issoudun
131
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Neue Wege der<br />
Evangelisierung fin<strong>den</strong><br />
„Heute <strong>den</strong> Glauben entdecken“ –<br />
Unter diesem Motto eröffnete Erzbischof<br />
Dr. Robert Zollitsch <strong>den</strong> 16.<br />
Internationalen Kongress Renovabis<br />
im Kardinal-Döpfner-Haus in Freising.<br />
Das Hilfswerk Renovabis wurde<br />
im März 1993 als Solidaritätsaktion<br />
der deutschen Katholiken mit <strong>den</strong><br />
Menschen in Mittel- und Osteuropa<br />
gegründet. Die mehr als 370 Teilnehmer<br />
aus 30 mittel-, ost- und westeuropäischen<br />
Staaten befassen sich mit<br />
der Frage, wie Evangelisierung heute<br />
gelingen kann.<br />
In <strong>den</strong> Referaten am Eröffnungstag<br />
klang bereits die ganze Bandbreite<br />
des diesjährigen Themas an. Die<br />
Religions phi losophin Hanna-Barbara<br />
Gerl-Fal kovitz aus Erlangen und der<br />
v.l: Th. Halik, Erzbischof R. Zollitsch, H. B. Gerl-Falkovitz<br />
132<br />
tsche chische Priester, Religionssoziologe<br />
und Psychotherapeut Tomáš<br />
Halík aus Prag waren die Hauptredner<br />
am ersten Tag des 16. Internationalen<br />
Kongress Renovabis. Beide ar<strong>bei</strong>teten<br />
das Kongressthema „Heute <strong>den</strong> Glauben<br />
entdecken - Neue Wege der Evangelisierung<br />
in Europa“ auf ganz unterschiedliche<br />
Weise auf.<br />
Halík betonte in seinem Vortrag, dass<br />
die Stoßrichtung einer neuen Evangelisierung<br />
nach innen gehen müsse.<br />
Evangelisierung bedeutet für ihn nicht<br />
„Expansion des Christentums“ oder<br />
„Bekehrung der Hei<strong>den</strong>“, sondern viel<br />
mehr die „Bekehrung der Christen“.<br />
Es gehe darum, das Christsein wieder<br />
in seiner ursprünglichen Form zu leben,<br />
und zwar nicht selbstgefällig, sondern<br />
in der Bereitschaft „die Knechtsgestalt<br />
anzunehmen“.
Brasilianischer Indianermissionsrat<br />
fordert Respekt<br />
statt „Green Economy“<br />
Aus Anlass des UN-Gipfels Rio+20<br />
hat Adveniat mit dem Generalsekretär<br />
des Brasilianischen Indianermissionsrates<br />
CIMI, Cleber César<br />
Buzatto (Foto) über die Lage der indigenen<br />
Völker Brasiliens gesprochen.<br />
Neben physischer Gewalt gegen die<br />
Indigenen klagt Buzatto die Tatenlosigkeit<br />
der Politik an. Statt unter dem<br />
Mantel der „Green Economy“ eine<br />
neue Welle der Kommerzialisierung<br />
und Vermarktbarkeit der Natur loszutreten,<br />
sollten die Regierungen vom<br />
Lebenskonzept der Indigenen lernen.<br />
Das Lateinamerikahilfswerk Adveniat<br />
unterstützt <strong>den</strong> CIMI seit seiner<br />
Gründung vor 40 Jahren.<br />
Am 13. Juni hat der CIMI <strong>den</strong> neuen<br />
Bericht zur Lage der indigenen Völker<br />
Brasiliens vorgelegt. Was sind die<br />
Kernpunkte?<br />
Cleber: Die physische Gewalt gegen<br />
die Indigenen ist immer noch sehr<br />
hoch. Im Jahre 2011 haben wir 51<br />
Morde an indigenen Führern registriert.<br />
Bezeichnend ist hier der Fall<br />
des Kaziken Nisio Gomes von <strong>den</strong><br />
Kaiowá-Guaraní aus Mato Grosso do<br />
Sul, dessen Leiche von <strong>den</strong> Mördern<br />
mitgenommen wurde und bis heute<br />
nicht wieder aufgetaucht ist.<br />
Eine andere Form von Gewalt ist die<br />
Tatenlosigkeit der Politik. Derzeit<br />
gibt es einen Stillstand, was die Anerkennung<br />
und Einrichtung von indi-<br />
genem Land angeht. Damit wird <strong>den</strong><br />
Indigenen eines ihrer fundamentalen<br />
Grundrechte verweigert. Die ungeregelte<br />
Landfrage potentialisiert zudem<br />
andere Formen von Gewalt. Viele<br />
Stämme, die müde gewor<strong>den</strong> sind, auf<br />
Maßnahmen der Regierung zu warten,<br />
wer<strong>den</strong> selber aktiv, besetzen Ländereien,<br />
worauf die weißen Landbesitzer<br />
meist mit neuer Gewalt reagieren und<br />
Indigene aus Gebieten verdrängen, die<br />
diesen ja eigentlich zustehen. Auch<br />
hier ist der Bundesstaat Mato Grosso<br />
do Sul der auffälligste Brennpunkt.<br />
Die Tatenlosigkeit der Regierung wird<br />
aber auch im Bereich der Gesundheitsbetreuung<br />
spürbar. Und das wiegt besonders<br />
schwer, da die Konsequenzen<br />
verheerend sind: Es gibt etwa 35.000<br />
Fälle, in <strong>den</strong>en akut eine medizinische<br />
Betreuung nicht erfolgte.<br />
133
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Das ist inakzeptabel. Der Bericht listet<br />
alleine 126 Todesfälle <strong>bei</strong> Kindern unter<br />
fünf Jahren auf. Die Ursachen sind<br />
Krankheiten, die einfach zu behandeln<br />
gewesen wären, aber aufgrund der fehlen<strong>den</strong><br />
Betreuung zum Tode führten –<br />
<strong>bei</strong>spielsweise Durchfallerkrankungen,<br />
Erbrechen und Mangelernährung...<br />
Die reichen Industrieländer des Nor<strong>den</strong>s<br />
haben stets versprochen, mehr für<br />
<strong>den</strong> Umweltschutz zu tun, haben Konventionen<br />
unterschrieben und Ziele gesteckt.<br />
Aber passiert ist wenig. Was ist<br />
Ihre Forderung an diese Länder?<br />
Cleber: Diese Länder, und das schließt<br />
Brasilien mit ein, müssen eine wirkliche<br />
Verpflichtung eingehen und gesellschaftliche<br />
Existenzformen suchen,<br />
die weniger Raubbau an der Natur<br />
verursachen. Und die Stoßrichtung<br />
da<strong>bei</strong> muss gegen <strong>den</strong> Konsumismus<br />
gehen. Denn der Konsum hat dazu<br />
geführt, dass sich alles in handelbare<br />
Waren verwandelt. Diese Verrohung<br />
des Konsums verursacht ökologische<br />
Schä<strong>den</strong>. Hier müssten strukturelle<br />
Veränderungen passieren. Und unserer<br />
Ansicht nach können die indigenen<br />
Völker Brasiliens hier die Regierungen<br />
sehr viel lehren. Das wäre eine wirkliche<br />
Alternative zu <strong>den</strong> derzeit hier auf<br />
der Rio+20 laufen<strong>den</strong> Bestrebungen,<br />
unter dem Mantel der „Green Economy“<br />
eine neue Welle der Kommerzialisierung<br />
und Vermarktbarkeit der<br />
Natur loszutreten. Wir sehen nicht,<br />
dass dieser hier diskutierte Ansatz eine<br />
Lösung wäre. Warum? Weil dadurch<br />
134<br />
das existierende Modell weitergeführt<br />
wird, welches ja bereits zu der Zerstörung<br />
der Natur geführt hat. Man<br />
sucht nur neue Formen der kommerziellen<br />
Erschließung der Natur, statt<br />
das Modell der Beziehung zur Natur<br />
zu ändern. Die Art, wie die indigenen<br />
Völker leben, ihr Respekt gegenüber<br />
der Umwelt, ihr harmonisches Zusammenleben<br />
mit der Natur, könnte<br />
die Politiker weltweit viel lehren. Das<br />
schließt auch Brasiliens Regierung mit<br />
ein.<br />
Hoffentlich haben die kleinen Indianer eine<br />
gute Zukunft
Hans Pittruff<br />
Herzenswünsche<br />
Wera Röttgering, die Gründerin und<br />
1. Vorsitzende, besucht mich sofort, als<br />
ich ihr mitteile, dass ich über ihren Verein<br />
berichten möchte. Sie erzählt:<br />
„Auf dem Wochenmarkt in Münster<br />
treffe ich <strong>den</strong> Herz-Chirurgen, der<br />
Daniel behandelt. Er sagt mir, dass<br />
Daniel sich sehnlichst ein Treffen mit<br />
der Mannschaft von Werder Bremen<br />
wünscht. Wir organisieren das. Ich bitte<br />
<strong>den</strong> Arzt, es Daniel mitzuteilen. Er<br />
windet sich erst bis ich ihn überzeuge,<br />
dass er als Arzt dem Jungen die Freude<br />
machen soll. Als Daniel die erfreuliche<br />
Nachricht erfährt, sagt er: „Jetzt bist<br />
du nicht mehr nur mein Arzt, sondern<br />
mein Freund.“<br />
Wera Röttgering und der "Graf" (Sänger der Band Unheilig)<br />
Weil Daniel auch zur gleichen Zeit Geburtstag<br />
hat, gibt es noch eine Überraschung:<br />
Als er ins Stadion kommt,<br />
steht auf der Anschlagtafel: „Herzlichen<br />
Glückwunsch zum Geburtstag,<br />
Daniel.“ Und 34.000 Zuschauer erheben<br />
sich und applaudieren…Daniel<br />
begegnet der Mannschaft und erhält<br />
eine Jahreskarte. Sein größter Wunsch<br />
hat sich erfüllt.„Viele ähnliche Geschichten<br />
begegnen uns in dem Buch<br />
„Ich hole dir die Sterne vom Himmel“,<br />
das der Verein „Herzenswünsche“ vor<br />
10 Jahren herausgegeben hat. Nun<br />
besteht er schon 20 Jahre. Und vielen<br />
Kindern, die an schweren oder<br />
unheilbaren Krankheiten lei<strong>den</strong>, helfen<br />
die Mitar<strong>bei</strong>terInnen, einen Herzenswunsch<br />
zu erfüllen. 65 Männer<br />
und Frauen ar<strong>bei</strong>ten im Team zusammen<br />
mit <strong>den</strong> Ärzten der Kliniken in<br />
Deutschland.<br />
135
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Der Kontakt mit <strong>den</strong> kranken Kindern<br />
wird ausschließlich über die Ärzte hergestellt,<br />
<strong>den</strong>n sie können die Situation<br />
der Kinder am besten beurteilen. Auf<br />
dem Programm stehen auch Klima-<br />
Therapiekuren auf Gran Canaria, die<br />
Musiktherapie, speziell ausgestattete<br />
Krankenzimmer für Jugendliche,<br />
Clowns im Krankenhaus und viele<br />
Aktionen.<br />
Durch viele soziale Projekte und Aktivitäten,<br />
aber auch Spen<strong>den</strong> großherziger<br />
Geber, hat der Verein 2,5 Millionen<br />
Euro bekommen.<br />
Kristina hat <strong>den</strong> Krebs besiegt<br />
Kristina Alice Hensen (28) hatte mit<br />
15 Jahren einen bösartigen Knochentumor.<br />
Heute ist die erfolgreiche Absolventin<br />
des Studiums der Medienwissen-<br />
136<br />
schaften und des Politikmanagements<br />
wissenschaftliche Mitar<strong>bei</strong>terin einer<br />
Landtagsabgeordneten und engagiert<br />
sich für „Herzenswünsche“. Der<br />
Verein hat ihr damals einen großen<br />
Wunsch erfüllt: eine Hundeschlitten-<br />
Tour durch Norwegen. Sie gibt jenen<br />
Kindern und Jugendlichen Hoffnung,<br />
die heute in einer ähnlichen Situation<br />
sind wie sie mit 15 war.<br />
Die Zeitschrift „bärenstark“ der Herzenswünsche<br />
hat sie interviewt.<br />
Wann ist Deine Krankheit diagnostiziert<br />
wor<strong>den</strong> und was passierte dann?<br />
Die Krankheit wurde 1998, ich war<br />
gerade 15 gewor<strong>den</strong>, in einer Duisburger<br />
Klinik diagnostiziert: Knochenkrebs!<br />
Ich wurde sofort stationär aufgenommen.<br />
Erst viel später erfuhr ich,<br />
dass meine Mutter <strong>bei</strong> der Nachricht:<br />
„Ihr Kind hat einen schnellwachsen<strong>den</strong><br />
und fortgeschrittenen Knochentumor"<br />
zusammenbrach und ärztlich<br />
versorgt wer<strong>den</strong> musste. Wenn ich<br />
heute daran <strong>den</strong>ke, kommen mir noch<br />
die Tränen. Ich hatte bereits einen Verdacht<br />
und habe über meine Ängste<br />
mit meiner besten Freundin gesprochen,<br />
ohne dass meine Eltern davon<br />
wussten.<br />
Am selben Tag noch hat mein Vater<br />
alle Hebel in Bewegung gesetzt und<br />
bis spät abends mit verschie<strong>den</strong>en Einrichtungen<br />
telefoniert. Aufgrund eines<br />
Hinweises hatte mein Vater schließlich<br />
erfahren, dass Prof. Dr. Winkelmann<br />
(UK Münster) ein Experte für Knochentumore<br />
sei. Wir fuhren so schnell<br />
wie möglich nach Münster. Ich auf ei-
ner Trage im Krankentransporter und<br />
meine Mutter händchenhaltend neben<br />
mir.<br />
Was hast Du gedacht, als Dir die Krankheit<br />
bewusst wurde?<br />
Als mir die ernste Lage bewusst wurde,<br />
wollte ich nur eins: Leben! Egal was<br />
ich dafür zu tun hatte.<br />
Welche Erfahrungen hast Du in der Klinik<br />
gemacht?<br />
Auf einer Station, auf der krebserkrankte<br />
Kinder liegen, macht man sowohl<br />
glückliche und fröhliche, als auch<br />
traurige und zornige Erfahrungen. Ich<br />
habe erlebt, wie kleine Kinder und Babies<br />
sterben mussten, wie eine Freundin,<br />
die einen Rückfall erlitt, von mir<br />
ging und eine andere liebe Freundin<br />
mit erneuter Krebserkrankung Gott<br />
sei Dank weiterleben durfte.<br />
Den einen Tag fühlt man sich hunde-<br />
elend, <strong>den</strong> anderen Tag kann man vor<br />
lauter Vorfreunde gar nicht erwarten,<br />
bis man endlich übers Wochenende<br />
nach Hause darf. Dies aber nur, wenn<br />
alle Werte stimmen. In einem Moment<br />
lacht man und macht Witze über seine<br />
Glatze und seinen Torso-Gips, im<br />
anderen Moment kotzt man sich die<br />
Seele aus dem Leib.<br />
Man lernt in der Klinik Kinder bzw.<br />
Jugendliche mit dem gleichen Schicksal<br />
kennen und daraus entstehen<br />
Freundschaften fürs Leben. Aber ehrlich<br />
gesagt, ohne meine Familie und<br />
speziell meine Eltern hätte ich die Zeit<br />
nicht überstan<strong>den</strong>.<br />
Wie hast Du „Herzenswünsche“<br />
e. V. kennen gelernt?<br />
Ich habe <strong>den</strong> Verein während eines<br />
Klinikaufenthalts, und man kann sagen<br />
zwischen zwei Chemos, kennengelernt.<br />
Eine Krankenschwester hatte <strong>den</strong><br />
Verein auf mich aufmerksam gemacht.<br />
137
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
An dem Tag, als mich eine Mitar<strong>bei</strong>terin<br />
zum ersten Mal besuchen kam,<br />
hatte ich meinen kompletten Oberkörper<br />
samt rechtem Arm in Gips und<br />
am linken die Infusionen, so dass ich<br />
zur Begrüßung nicht die Hand reichen<br />
konnte. Dieser Umstand war jedoch<br />
gar nicht schlimm, <strong>den</strong>n die ehrenamtliche<br />
Mitar<strong>bei</strong>terin hatte sich auch mit<br />
einem Fußschütteln begnügt. Sie hat<br />
viel über <strong>den</strong> Verein erzählt, so dass ich<br />
einen Eindruck von <strong>den</strong> vielen engagierten<br />
Menschen bekam. Von diesem<br />
Zeitpunkt an hatte und habe ich immer<br />
noch regelmäßigen Kontakt mit<br />
Herzenswünsche, besonders mit der<br />
Vorsitzen<strong>den</strong> Wera Röttgering.<br />
Was waren Deine Herzenswünsche und<br />
wie wur<strong>den</strong> sie erfüllt?<br />
Ich habe schon einige Wünsche erfüllt<br />
bekommen, doch mein allergrößter<br />
Herzenswunsch war eine Huskyschlittenfahrt<br />
durch Norwegen. (Fotos)<br />
138<br />
Nur die Weite der Natur, die Hunde<br />
und ich. Eine Woche lang sind wir<br />
mit <strong>den</strong> Huskys und <strong>den</strong> Schlitten gen<br />
Nor<strong>den</strong> gezogen, haben in Blockhütten<br />
ohne fließend Wasser und ohne Strom<br />
übernachtet, bis wir Nordlichter sehen<br />
konnten.Abends haben wir Feuer gemacht,<br />
Würstchen gegrillt und mussten<br />
für unser Wasser zugefrorene Flüsse<br />
aufhacken. Die ganze Zeit während der<br />
zahllosen Aufenthalte im Klinikum,<br />
<strong>den</strong> Chemos und etlichen Operationen<br />
habe ich mir immer wieder vorgestellt,<br />
wie es wohl sein würde in der weißen<br />
Wildnis. Jedoch so wundervoll schön,<br />
beeindruckend und still wie in der Realität<br />
war es in meinen Träumen lange<br />
nicht. Ich habe auch <strong>den</strong> Sänger Seal<br />
und die Band, Unheilig' kennenlernen<br />
und <strong>bei</strong> einem Konzert da<strong>bei</strong> sein dürfen.<br />
Nicht nur während der schwersten<br />
Zeit meines Lebens, auch nachher hat,<br />
Herzenswünsche' mich unterstützt und<br />
mir das Leben lebenswerter gemacht.<br />
Wie geht es Dir heute, was machst Du,<br />
was sind Deine Pläne?<br />
Heute bin ich 28 Jahre alt, die Zeit der<br />
Chemotherapie und zahlreichen Operationen<br />
liegt schon länger hinter mir<br />
und doch habe ich nichts vergessen.<br />
Ich <strong>den</strong>ke nicht je<strong>den</strong> Tag daran, <strong>den</strong>n<br />
ich blicke in die Zukunft, wie ich es<br />
stets getan habe. Und diese Zukunft<br />
sieht wirklich toll aus. Ich habe gerade<br />
mein Studium richtig gut abgeschlossen,<br />
und habe jetzt <strong>den</strong> ersten Job. Ich<br />
lebe mit meinem Partner zusammen<br />
und bin glücklich.
Norbert Birkmann<br />
Die Ärmel aufgekrempelt<br />
Pater Norbert Birkmann wird am 31.<br />
<strong>Oktober</strong> 80 Jahre. Über 50 Jahre hat er<br />
als Missionar im Erzbistum Rabaul verschie<strong>den</strong>e<br />
Gemein<strong>den</strong> geleitet und auch<br />
zeitweise als Superior die Verantwortung<br />
für die Or<strong>den</strong>smitbrüder getragen. Nun<br />
lebt er in der Hausgemeinschaft in Hiltrup.<br />
Mein Onkel war Hiltruper Herz-Jesu-<br />
Missionar, P. Georg Mohing. 1932<br />
reiste er nach China aus. Er schrieb so<br />
interessante Briefe, dass ich schon als<br />
Junge <strong>den</strong> Wunsch hatte, auch Missionar<br />
zu wer<strong>den</strong>. Als die „Hiltruper“<br />
1946 wieder die Tore öffneten, habe<br />
ich mich gemeldet und wurde für die<br />
Tertia angenommen.<br />
Als ehemaliger „Interner“ der Kardinal<br />
von Galen Schule möchte ich Ihnen<br />
ein paar Stories vom Neuanfang der<br />
Schule nach dem 2. Weltkrieg erzählen.<br />
Am 21. April 1946 fingen wir mit 25<br />
internen Schülern an. Bis kurz vor unserem<br />
Einzug waren das Kloster und<br />
die Schule ein Sammellager für polnische<br />
Zwangsar<strong>bei</strong>ter gewesen. Nach<br />
<strong>den</strong> Schulstun<strong>den</strong> haben wir im Haus<br />
und im Wald kräftig aufgeräumt. Bereits<br />
nach vier Wochen gab es Schulferien.<br />
Für die Bahnfahrt nach Neuss<br />
am Rhein, meiner Heimatstadt, habe<br />
ich einen ganzen Tag gebraucht. Die<br />
Züge waren alle überfüllt mit hungrigen<br />
Menschen, die im Münsterland<br />
Kartoffeln und anderes Essbare organisiert<br />
hatten. Fahrpläne für Züge gab-<br />
es nicht.<br />
Nach <strong>den</strong> Ferien waren wir bereits<br />
über 50 Interne. Wir schliefen in großen<br />
Schlafsälen, die mit Spind-Wän<strong>den</strong><br />
unterteilt waren. Der Verwalter war<br />
dauernd unterwegs, um für uns Jungen<br />
Verpflegung heran zu schaffen - keine<br />
leichte Sache in der Zeit. Zum Frühstück<br />
gab es Maisbrot mit Rübenkraut<br />
und Kaffee in Blechtassen. Maisbrot<br />
schmeckt frisch ganz gut, aber wenn<br />
es 1 – 2 Tage alt ist, braucht man ein<br />
Beil, um es aufzuteilen. Beim zweiten<br />
Schub der Internen nach <strong>den</strong> Ferien<br />
kam mein kleiner Bruder mit.<br />
Als wir zu <strong>den</strong> großen Ferien nach<br />
Hause fuhren, waren die Züge immer<br />
noch brechend voll mit „Hamsterern“.<br />
Die alten Eisenbahnwagen hatten<br />
139
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
außen eine Planke und eine Stange.<br />
Darauf sind wir mitgefahren. Mit dem<br />
Fuß habe ich <strong>den</strong> Koffer festgeklemmt,<br />
mit einer Hand <strong>den</strong> kleinen Bruder<br />
und mit der anderen mich selbst festgehalten.<br />
Wir sind vor Angst fast gestorben,<br />
als die Telegraphenstangen an<br />
uns vor<strong>bei</strong>zischten. In Rinkerode habe<br />
ich <strong>den</strong> Koffer durch das offene Fenster<br />
geworfen, <strong>den</strong> Bruder hinterher<br />
befördert und bin dann selbst hineingeklettert.<br />
Wir bekamen ein paar Ohrfeigen,<br />
aber wir waren wenigstens drin.<br />
Morgens um 7.00 Uhr ging es von<br />
Hiltrup los, um Mitternacht kamen<br />
wir in Düsseldorf an. Da mussten wir<br />
die ganze Nacht hungrig im Wartesaal<br />
sitzen, bis morgens um 5.00 Uhr der<br />
erste Zug über <strong>den</strong> Rhein fuhr. Das<br />
waren abenteuerliche Zeiten.<br />
Als die Schar der Schüler immer zahlreicher<br />
wurde, wurde ein Sportplatz<br />
dringend notwendig. Während der<br />
Ferien hat der Direktor P. Rademacher<br />
Holzfäller angeheuert, die einen<br />
Teil des Klosterwaldes umgelegt haben.<br />
Die Wurzeln der Bäume waren<br />
alle noch im Bo<strong>den</strong>. Um uns Schüler<br />
zu animieren mit der Hacke, Axt und<br />
Schaufel die Wurzeln heraus zu machen,<br />
gab es vom Direktor pro Wurzel<br />
eine Tafel Schokolade – eine Rarität<br />
in der Zeit. Die kleinen Tannenwurzeln<br />
waren bald heraus. Dann ging es<br />
an die Wurzeln der dicken Eiche. Je<strong>den</strong>falls<br />
haben wir <strong>den</strong> Platz von allen<br />
Wurzeln befreit. Dann ging es ans Planieren.<br />
Bruder Dapper hatte als Soldat<br />
während des Krieges <strong>bei</strong>m Planieren<br />
von Flugplätzen für die Wehrmacht<br />
140<br />
gear<strong>bei</strong>tet. Der wurde unser Planiermeister.<br />
Mit zwei Reagenzgläsern vom Krankenhaus<br />
und einem Schlauch hat er<br />
sich eine Wasserwaage gebaut und mit<br />
Kaffee aufgefüllt, damit er die Flüssigkeit<br />
besser sehen konnte. Auf <strong>den</strong><br />
Bauch lag er dahinter, peilte über die<br />
Kaffeerohre hinweg und gab uns Anweisungen,<br />
wie wir die Markierungspflöcke<br />
setzen mussten. Als das klar<br />
war, wurde mit Schaufeln, Hacken<br />
und Schubkarren planiert, abgetragen<br />
und aufgefüllt. Alles manuell! Dann<br />
wur<strong>den</strong> Dränagegräben gezogen und<br />
mit Steinen aufgefüllt, damit das Regenwasser<br />
ablaufen konnte. Darüber<br />
kam eine Ascheschicht und wir hatten<br />
einen Sportplatz. Auch das Badebecken,<br />
das von Bombensplittern ziemlich<br />
demoliert war, haben wir repariert.<br />
Alles war damals ziemlich primitiv. Mit<br />
P. Hubert Kirscht bekamen wir einen<br />
Physiklehrer voller Initiative und Einfallsreichtum.<br />
Aus Schrott und Abfall<br />
hat er mit dem pfiffigen Bruder Kiene<br />
eine ganze Menge Instrumente für <strong>den</strong><br />
Physikunterricht selbst gebaut. War<br />
das ein Ereignis, als er zum ersten Mal<br />
mit mächtigem Knall Gas zur Explosion<br />
brachte! Mit einem alten Fahrradschlauch<br />
und Materialien, die er sich<br />
zusammengesucht hatte, hat er einen<br />
Bandgenerator fabriziert. Jedes Mal,<br />
wenn der Funke übersprang, knackte<br />
es in allen Radios in der Schule und im<br />
Kloster. Es knackte oft, weil das Ding<br />
eine Weile sein liebstes Spielzeug war.<br />
Wir waren je<strong>den</strong>falls stolz, dass es in<br />
unserer Schule so tolle Apparate gab.
Von Jahr zu Jahr wuchs die Zahl der<br />
Schüler und Lehrer. 1952 lief das erste<br />
Abiturexamen vom Stapel. Beim zweiten<br />
Abitur, 1953, war ich da<strong>bei</strong>. Ich<br />
glaube, wir waren acht Kandidaten.<br />
Sieben meldeten sich für das Noviziat<br />
der Herz-Jesu-Missionare. Sechs wur<strong>den</strong><br />
nach sieben Jahren zu Priestern<br />
geweiht. Nach der Weihe blieben zwei<br />
in Deutschland, zwei gingen nach<br />
Peru, Pater Linnenbaum und ich gingen<br />
nach Papua Neuguinea.<br />
Pater Johannes Eichelberg segnet der<br />
Grundstein des neuen Schulgebäudes<br />
Tag der offenen Klöster<br />
Zum ersten Mal fand im Bistum Münster<br />
am 05.05.<strong>2012</strong> ein Tag der offenen<br />
Klöster statt. Auch die Hiltruper<br />
Missionare haben sich sowohl in Hiltrup<br />
wie auch in unserem Haus in<br />
Münster- Stadt daran beteiligt.<br />
Im Anschluss an die Veranstaltung hat<br />
das Bistum an die beteiligten Or<strong>den</strong>sgemeinschaften,<br />
Säkularinstitute und<br />
geistliche Gemeinschaften Fragebögen<br />
verschickt, um so ein Feedback zu bekommen.<br />
Danach, so schreibt das Bistum, kann<br />
der erste Tag des offenen Klosters<br />
durchaus als Erfolg angesehen wer<strong>den</strong>.<br />
Viele der 1.900 Teilnehmer haben<br />
bestehende Kontakte gepflegt, neue<br />
geknüpft und von unterschiedlichsten<br />
Angeboten Gebrauch gemacht. Es<br />
steht zu erwarten, dass es einen nächsten<br />
Tag der offenen Klöster gibt.<br />
141
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Alfred Niedermaier<br />
Eine Tankstelle – auch für<br />
die Seele<br />
Pater Alfred Niedermaier ist seit 1977<br />
in Brasilien. Wenn im folgen<strong>den</strong> Artikel<br />
von „Priester“ die Rede ist, ist er selber<br />
gemeint. Pater Alfred hat diesen „Seelsorgspunkt<br />
Tankstelle“ <strong>bei</strong> Fortaleza im<br />
Nordosten Brasiliens aufgebaut und ist<br />
für die Fernfahrer da: er feiert Gottesdienst<br />
und hört <strong>den</strong> Fernfahrern zu, die<br />
von Einsamkeit und <strong>den</strong> Gefahren ihrer<br />
Ar<strong>bei</strong>t erzählen.<br />
Sergio Cabral lebt 37 von seinen 55<br />
Lebensjahren als Fernfahrer auf und<br />
von der Straße. Er ist verheiratet und<br />
Vater einer hübschen Tochter, stammt<br />
aus Passo Fundo, einer größeren Stadt<br />
Pater Niedermaier (links) im Gespräch mit einem Fahrer<br />
142<br />
im südlichsten Bundesstaat Brasiliens,<br />
Rio Grande do Sul. Von dort bis nach<br />
Fortaleza sind es auf der Autobahn<br />
etwa 5000 Kilometer. Sergio steht eigentlich<br />
für alle Fernfahrer, die sich<br />
immer wieder auf der riesigen Tankstelle<br />
São Cristóvão auf der tausende<br />
Kilometer langen Autobahn BR-116<br />
in Fortaleza treffen.<br />
Jeder Fernfahrer weiß von kuriosen<br />
und interessanten Erlebnissen zu berichten,<br />
die <strong>den</strong> täglichen Kampf ums<br />
Überleben dieser Berufsgruppe auf<br />
<strong>den</strong> Straßen, in <strong>den</strong> Städten und Häfen<br />
verteilt auf ganz Brasilien erleuchten.<br />
Sergio sitzt weiter hinter dem Steuer,<br />
weil er das hart verdiente Geld am<br />
Ende je<strong>den</strong> Monats braucht, um seine<br />
Familie am Leben zu erhalten.
Die Fahrer und ihre Familien feiern sonntags die Messe in der Christophorus-<br />
Autobahnkirche in Fortaleza<br />
„Mein Beruf wird immer schwieriger<br />
und härter, <strong>den</strong>n die Lieferfristen wer<strong>den</strong><br />
immer knapper, das Straßennetz<br />
in ganz Brasilien immer hinfälliger.<br />
Die Wirtschaft Brasiliens boomt, aber<br />
die Infrastruktur Brasiliens stammt aus<br />
dem vergangenen Jahrhundert. Deshalb<br />
die vielen Unfälle, deren Ursache<br />
meistens <strong>den</strong> Fernfahrern zugeschrieben<br />
wer<strong>den</strong>.“ Sergio kommt auch<br />
ohne „Rebite“ aus, die Amphetamine,<br />
die fast alle Fernfahrer schlucken, um<br />
die vielen Probleme ihres Berufes wach<br />
durchstehen zu können. Sérgio hat nie<br />
zu diesen „Krücken“ gegriffen, wie er<br />
behauptet. Er gibt aber zu, dass diese<br />
Medikamente und Drogen auch oft<br />
an vielen Unfällen auf <strong>den</strong> Straßen<br />
Brasiliens schuld sind. Und, so bemerkt<br />
er, das Kokain hat mittlerweile<br />
oft die Amphetamine ersetzt, weil<br />
alle behaupten, dass die Wirkung von<br />
Kokain stärker sei; angeblich hält Kokain<br />
länger wach. „Freunde von mir,<br />
so erzählt er, „behaupten, dass sie mit<br />
Kokain bis zu 90 Stun<strong>den</strong> am Steuer<br />
aushalten. „Allerdings weiß er auch,<br />
dass diese Drogen plötzlich ihre Wirkung<br />
verlieren können und <strong>den</strong> Fahrer<br />
ohnmächtig am Steuer zusammensacken<br />
lassen.<br />
Mit ein Grund, weshalb so viele Fernfahrer<br />
zu diesen Drogen greifen, ist<br />
die Einsamkeit: viele Tage, manchmal<br />
Monate lang weit weg von der Familie<br />
und dem Zuhause setzen diese Menschen<br />
sich der Gefahr aus, im Alkohol,<br />
<strong>den</strong> Drogen und <strong>bei</strong> <strong>den</strong> überall warten<strong>den</strong><br />
Prostituierten ihre Einsamkeit<br />
wenigstens für Momente zu vergessen.<br />
Aber an der nächsten Ausfahrt überfällt<br />
sie diese Einsamkeit dann wieder<br />
umso heftiger. Sérgio ist wie viele seiner<br />
Kollegen sehr religiös: die vielen<br />
Heiligenbilder und kleinen Heiligenstatuen<br />
in <strong>den</strong> Kabinen der meisten<br />
Fernfahrer zeigen das aller Welt.<br />
143
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Und sie schämen sich nicht, darüber<br />
zu sprechen; im Gegenteil, sie sind<br />
dankbar, wenn sie ihrem Glauben<br />
Ausdruck verleihen können.<br />
Schon aus diesem Grund war und ist<br />
die Christophorus- Autobahnkirche in<br />
Fortaleza mittlerweile in ganz Brasilien<br />
bekannt. Die Fernfahrer aus ganz Brasilien,<br />
die sich dort je<strong>den</strong> Sonntag zum<br />
Gottesdienst um acht Uhr früh zusammenfin<strong>den</strong>,<br />
erzählen davon zu Hause<br />
und in anderen Teilen Brasiliens.<br />
So kommen zu diesem Gottesdienst<br />
Menschen aus ganz Brasilien zusammen.<br />
Sie legen großen Wert auf <strong>den</strong><br />
Rosenkranz, <strong>den</strong> sie abwechselnd vor<br />
der Messe beten; dort schreiben sie ihre<br />
Probleme und Sorgen in das bereitliegende<br />
Buch, sprechen sich <strong>bei</strong>m Priester<br />
aus, der dort seit sechs Uhr früh<br />
für sie und ihre Sorgen bereitsteht.<br />
Dort lassen viele Fernfahrer ihre Kinder<br />
taufen, wenn es ihnen in <strong>den</strong> Ferien<br />
gelingt, die Kinder mitzubringen.<br />
Was vor zwölf Jahren an dieser Tankstelle<br />
mit einem Gottesdienst unter<br />
einem Baum und mit wenigen Fernfahrern<br />
begann, ist heute zu einer voll<br />
und gut funktionieren<strong>den</strong> Gemeinde<br />
mit Autobahnkirche, Beauftragten für<br />
<strong>den</strong> priesterlosen Gottesdienst und<br />
Liturgiegruppe gewor<strong>den</strong>. Der Baum<br />
hat <strong>den</strong> fast 1.000 Stellplätzen für<br />
Trucks weichen müssen; heute dient er<br />
als Basis für <strong>den</strong> Altar der Kirche und<br />
zeigt so, dass hier etwas gewachsen ist,<br />
das nicht von Menschenhand stammt,<br />
sondern von der Sorge Gottes um alle,<br />
die auf irgendeine Weise ausgegrenzt<br />
sind.<br />
144<br />
Wenn Sérgio gerne hierherkommt<br />
und sich immer wieder <strong>bei</strong>m Pfarrer<br />
ausspricht, zeigt er eine Seite an diesen<br />
Menschen, die oft übersehen wird<br />
oder von der wenige vermuten, dass sie<br />
existiert: „Wir Fahrer sind nicht wirklich<br />
die knallharten Typen, wie sie in<br />
<strong>den</strong> Medien gern dargestellt wer<strong>den</strong>.“<br />
Die vielen Fahrer, die zu <strong>den</strong> Gottesdiensten<br />
am „Posto São Cristóvão“<br />
kommen, sind oft verzweifelt, suchen<br />
nach Halt und Lebenssinn, lei<strong>den</strong> unter<br />
der Trennung von ihren Familien<br />
und haben Hunger nach Anerkennung.<br />
„Vielen ist nicht klar“, so Sérgio,<br />
„dass Brasilien still steht, wenn wir<br />
nichts mehr transportieren.<br />
P. Alfred Niedermaier MSC<br />
(Mit freundlicher Genehmigung des Redakteurs<br />
Mnfred Oßner MSC,<br />
Kontinente 3-<strong>2012</strong>, S. 20 f.)
So isst man<br />
in Neuguinea<br />
145
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Heribert Arens OFM<br />
Ehelosigkeit und<br />
gelingendes Leben<br />
P. Heribert Arens OFM ist seit 1961<br />
Franziskaner. Nach Ämtern als Provinzial<br />
der thüringischen Or<strong>den</strong>sprovinz<br />
und als Noviziatsleiter war er von 2001<br />
bis 2010 Leiter des "Hauses zum Mitleben"<br />
auf dem Hülfensberg und ist seit<br />
2010 Guardian und Wallfahrtsleiter in<br />
Vierzehnheiligen. P Heribert war viele<br />
Jahre in der Predigtausbildung tätig und<br />
von 2001 bis 2005 Fachbereichsleiter<br />
des Instituts der Or<strong>den</strong> (IMS) für Prozess-<br />
und Kapitelsbegleitung.<br />
Die Ehelosigkeit ist für mich das Gelübde,<br />
das am tiefsten in mein Leben<br />
eingreift und nach Sinngebung fragt.<br />
Warum lebe ich so? Warum verzichte<br />
ich auf die liebende Partnerschaft mit<br />
einer Frau? Warum verzichte ich darauf,<br />
sexuelle Lust in einer lieben<strong>den</strong><br />
Beziehung zu erleben, sie als von<br />
Gott gewollte Sprache der Liebe zu<br />
verschenken und zu genießen, sie als<br />
Quelle neuer Lebendigkeit schöpferisch<br />
einzusetzen? Warum verzichte<br />
ich auf die ganzheitliche Ergänzung<br />
durch die Frau? Warum habe ich auf<br />
eigene Kinder verzichtet? Warum verzichte<br />
ich im Alter auf die Erfüllung als<br />
Großvater? Warum lebe ich ehelos in<br />
einer Or<strong>den</strong>sgemeinschaft, jetzt schon<br />
im 51. Jahr? Ich kenne die Sehnsucht.<br />
Ich bin überzeugt, dass ich eine Partnerin<br />
hätte glücklich machen und ei-<br />
146<br />
nen gemeinsamen Weg mit ihr gehen<br />
können, dass ich Kindern ein guter<br />
Vater gewesen wäre. Ich bin „normal".<br />
Warum also lebe ich ehelos?<br />
Fade sind mir angesichts solch existentieller<br />
Fragen viele theologischen<br />
Begründungen! Vom „Stand der Vollkommenheit"<br />
will und kann ich nicht<br />
re<strong>den</strong>. Ich lebe nicht vollkommener als<br />
meine verheirateten Eltern, Geschwister<br />
und Freunde.<br />
Seit dem postsynodalen Dokument<br />
von Johannes Paul II. ist vom „gottgeweihten<br />
Leben" die Rede. Das ist zwar<br />
sinnstiftend, begründet aber nicht das<br />
Spezifische: Jede Lebensform, auch die<br />
Ehe, ist gottgeweihtes Leben.<br />
Etwas mehr Sinn entdecke ich in der<br />
eschatologischen Deutung: in ungestillter<br />
Sehnsucht erinnert sie daran,<br />
dass das Entschei<strong>den</strong>de noch aussteht.<br />
Darin wird eine Dimension<br />
unserer glauben<strong>den</strong> Existenz sichtbar.<br />
Aber auch die Ehe hat ihre eschatologische<br />
Zeichenkraft. Zutiefst bin<br />
ich überzeugt, dass meine Ehelosigkeit<br />
eine Frage von Berufung ist. Gott<br />
ruft mich auf diesen Weg, um mein<br />
Mannsein auf andere Weise in Dienst<br />
zu nehmen und fruchtbar zu machen<br />
für das Reich Gottes, die Kirche und<br />
das Leben der Menschen. Darum ist es<br />
für meinen ehelosen Weg lebens- und<br />
glücksnotwendig, dass ich mir meines<br />
Mannseins bewusst bin, dass ich spüre,<br />
wie meine Sehnsucht drängt, dass<br />
ich meiner Gabe, zärtlich, sensibel,<br />
zuwen<strong>den</strong>d zu sein, Bahnen suche, die<br />
mit meinem Gelübde stimmig sind;<br />
dass ich mein Mannsein nicht der Dimension<br />
der Fruchtbarkeit beraube.
Diese Dimensionen will ich ein wenig<br />
erläutern:<br />
Sehnsucht<br />
Sehnsucht ist eine elementare Kraft.<br />
Sie lässt mich die Nähe anderer suchen.<br />
Ich sehne mich nach dem,<br />
was Sehnsucht nach mir hat. In solcher<br />
Sehnsucht fin<strong>den</strong> sich Frau und<br />
Mann, erleben sie Nähe bis zum Eins-<br />
Wer<strong>den</strong>. Dieses Einswer<strong>den</strong> wird zur<br />
Quelle neuen Lebens.<br />
Leben entfaltet sich aus der Kraft<br />
der Sehnsucht-als Kind, als junger<br />
Mensch, als Erwachsener-und auch<br />
noch im Alter. Ich danke Gott, dass er<br />
meine Sehnsucht wach gehalten hat!<br />
Ich weiß, dass Sehnsucht maßlos ist.<br />
Darum kommt meine Sehnsucht, solange<br />
ich lebe, auch nicht zum Ziel. Es<br />
bleibt eine Unruhe, ein Drängen, ein<br />
Suchen: „Das kann noch nicht alles<br />
sein!" Sehnsucht ist maßlos, <strong>den</strong>n sie<br />
kommt aus Gott - und darum kommt<br />
sie erst zur Ruhe, wenn sie wieder in<br />
Gott mündet.<br />
Leider ist Sehnsucht ein spirituell vernachlässigtes<br />
Thema. Wie soll ich von<br />
der Sehnsucht nach Gott re<strong>den</strong>, wenn<br />
ich die existentiell erfahrbare Wirklichkeit<br />
von Sehnsucht verdränge? Das<br />
macht mich sprachlos. Die Psalmen je<strong>den</strong>falls<br />
sprechen eine deutliche Sprache:<br />
Psalm 42 spricht vom ,,lechzen"<br />
nach Gott. Psalm 63 greift das Bild<br />
vom nächtlichen Lager, das Liebende<br />
teilen, auf und richtet diese Sehnsucht<br />
auf Gott.<br />
Sehnsucht wird in der ehelosen Lebensform<br />
zum Motor der Gottsuche.<br />
Darum sind mir alle Orte und Erfahrungen<br />
wichtig, an und in <strong>den</strong>en Gott<br />
sich zeigen kann: das Wort Gottes,<br />
die Sakramente, die Menschen, die<br />
Schöpfung, die Zeichen der Zeit. Darum<br />
pflege ich meine Sehnsucht!<br />
Zärtlichkeit<br />
Der Schöpfer hat uns Menschen mit<br />
der Kraft ausgestattet, Zärtlichkeit<br />
zu verschenken-auch mich, <strong>den</strong> Ehelosen.<br />
Da<strong>bei</strong> geht es nicht um „Zärtlichkeiten".<br />
Meine Zärtlichkeit ist die<br />
Kraft, behutsam und liebevoll mit mir<br />
selbst und mit anderen umzugehen,<br />
Signale der Wertschätzung und Zuwendung<br />
zu schenken, die bezeugen:<br />
Schön, dass du da bist. Die Gesten sind<br />
da<strong>bei</strong> eher sparsam, oft fin<strong>den</strong> sie sich<br />
in der Klangfarbe meiner Sprache, in<br />
der Freundlichkeit meines Blickes, in<br />
der Aufmerksamkeit für <strong>den</strong> anderen.<br />
147
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Gesten der Zärtlichkeit verschenken<br />
dürfen, schenkt Glück und Erfüllung.<br />
Es ist das Glück der Lieben<strong>den</strong>, zärtlich<br />
zu sein, es ist selbstverständlicher<br />
Ausdruck von Elternliebe; es ist das<br />
Glück der alten Tage, Zärtlichkeit an<br />
die Enkel zu verschenken. Wie kann<br />
ich als ehelos Lebender zärtlich sein?<br />
Ich kann mit meinen Brüdern in der<br />
Gemeinschaft einfühlsam umgehen:<br />
in kleinen Gesten der Zuwendung,<br />
in kleinen Zeichen, wenn der andere<br />
ihrer bedarf, in der Achtsamkeit und<br />
Sorgfalt für <strong>den</strong> Bruder.<br />
Ich kann zuwen<strong>den</strong>d und herzlich<br />
<strong>den</strong> Menschen begegnen, sie auf vielerlei<br />
Weise spüren lassen, dass sie geliebt<br />
sind. Im sakramentalen Bereich<br />
drängen sich die Einladungen geradezu<br />
auf, der Menschenfreundlichkeit<br />
Gottes Gesicht und Gesten zu geben:<br />
Ich kann die Eucharistie so feiern, dass<br />
Freude an Gott und seinen Menschen<br />
spürbar wird. Im Bussakrament kann<br />
ich durch Einfühlen und Verstehen<br />
Zärtlichkeit verschenken, die aufatmen<br />
lässt, ebenso im beraten<strong>den</strong> Gespräch-nicht<br />
in Berührungen, sondern<br />
berührt und berührend.<br />
Als zärtlicher Mensch bin ich ein<br />
glücklicher Mensch auch ohne Ehe<br />
und Familie. Es tut mir gut, Gottes<br />
Zärtlichkeit <strong>den</strong> Menschen weiterzuschenken.<br />
(Darum spüre ich auch einen<br />
Zorn, wenn Amtsträger <strong>den</strong> geistlichen<br />
Beruf in Misskredit bringen,<br />
weil sie sich an Kindern und jungen<br />
Menschen vergreifen – und damit jede<br />
menschenfreundliche Zuwendung<br />
verdächtig machen!)<br />
148<br />
Fruchtbarkeit<br />
Auch das ehelose Leben ist zur Fruchtbarkeit<br />
geschaffen – so auch meines!<br />
Fruchtbar sein schenkt meinem Mannsein<br />
Erfüllung. Darauf verzichte ich<br />
nur in Gestalt von eigenen Kindern.<br />
Aber ich erlebe mein Leben als fruchtbar:<br />
Es gibt Leben auf dieser Welt, weil<br />
es mich gibt! Im sakramentalen Dienst<br />
wird mein Leben fruchtbar für das Leben<br />
anderer, etwa wenn ich <strong>den</strong>en, die<br />
bela<strong>den</strong> zur Beichte kommen, Gottes<br />
Freundlichkeit schenken darf, dass sie<br />
aufatmen. Mein Leben ist fruchtbar,<br />
wenn ich meine Zuwendung <strong>den</strong>en<br />
schenke, die durch das gesellschaftliche<br />
Netz der Liebe fallen. Mein Leben<br />
wird fruchtbar, wenn ich in Gesprächen,<br />
Vorträgen und Predigten<br />
andere zu mehr Leben inspirieren darf.<br />
Gott nimmt in der Ehelosigkeit meine<br />
Fruchtbarkeit in Dienst für die<br />
Menschenfreundlichkeit des Reiches<br />
Gottes und für das Leben der Welt.<br />
Ich sage nicht, dass mein eheloses Leben<br />
in <strong>den</strong> 51 Jahren als Franziskaner<br />
immer leicht war. Es gab Zeiten, da<br />
hat es richtig geschmerzt! Gleichzeitig<br />
waren es Jahre mit viel Glück und Erfüllung.<br />
Und darum bin ich gern auf diesem<br />
Weg – auch in der dritten Lebensphase<br />
meines ehelosen Or<strong>den</strong>slebens.
Walter Gödt<br />
Maßstäbe<br />
Ob nicht zu hoch<br />
die Latte liegt,<br />
wenn ich ins<br />
Innerste mir blick?<br />
Will ich nicht doch,<br />
dass mein Recht siegt,<br />
wenn`s sein muss, auch<br />
durch faulen Trick?<br />
Nun ja, noch sind<br />
wir nicht am Ziel,<br />
fragen nicht nur,<br />
was Gott <strong>den</strong>n will.<br />
Und er allein<br />
<strong>den</strong> Weg uns weist,<br />
zu leben ganz<br />
aus Jesu Geist.<br />
„Wißt ihr, warum ich diese Uhren mache?<br />
Weil sie ein Bildnis dessen wiedergeben,<br />
was Gott geschaffen hat. Je vollkommener<br />
das Uhrwerk, desto mehr<br />
ähnelt es der Schöpfung Gottes. Die<br />
Bewegungen der Erde und der Sterne<br />
bstimmen und begleiten unser Leben.<br />
Die Uhr tickt weiter, bis die Stunde<br />
angebrochen ist, in der wir diese Welt<br />
verlassen und in Gott aufgenommen<br />
wer<strong>den</strong>, wo es keine Zeit mehr gibt.“<br />
Louis Brisson (1817-1908)<br />
Er war französischer Priester, gründete<br />
die Oblatinnen und Oblaten<br />
des hl. Franz von Sales. Er half <strong>den</strong><br />
Ar<strong>bei</strong>terInnen seiner Zeit und sorgte<br />
sich um die Erziehung der Jugend.<br />
Er war auch Erfinder. Berühmt ist<br />
die astronomische Uhr, die noch<br />
heute funktionstüchtig im Mutterhaus<br />
der Oblatinnen des hl. Franz zu<br />
bewundern ist. Am 22. <strong>September</strong><br />
<strong>2012</strong> wird Louis Brisson in Troyes/<br />
Frankreich selig gesprochen.<br />
149
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Öl – ein altes Heilmittel<br />
Salböl, auch „heiliges Salböl“ genannt,<br />
ist ein duftendes Öl, das für die Salbung<br />
in der Liturgie des biblischen Ju<strong>den</strong>tums<br />
und der christlichen Kirchen<br />
gebraucht wird. Die Formel für ein<br />
heiliges Salböl ist im Buch Exodus 30,<br />
22-33 beschrieben, es wurde aus Myrrhe,<br />
Zimt, Kalmus und Cassia hergestellt.<br />
Die duften<strong>den</strong> Pflanzenteile<br />
wur<strong>den</strong> in Olivenöl gebracht, welches<br />
<strong>den</strong> Duft aufnahm und zur Salbung<br />
von Priestern, Propheten, und Königen<br />
ebenso diente wie zur Weihung<br />
von heiligen Gegenstän<strong>den</strong> für <strong>den</strong><br />
Gottesdienst, z. B.<br />
• für einen jüdischen König<br />
(1. Könige I, 39),<br />
• für jüdische Priester (Leviticus 4, 3),<br />
• für Propheten (Jesaja 61, 1),<br />
150<br />
• für <strong>den</strong> nicht jüdischen König<br />
Cyrus, König von Persien<br />
(Jesaja 45, 1),<br />
• für das Tabernakel mit dem<br />
Lampenstand, dem Altar und<br />
Aaron mit seinen Söhnen<br />
(Exodus 30,22-33),<br />
• für <strong>den</strong> jüdischen Tempel (Exodus<br />
40,9) und<br />
• für ungesäuertes Brot (Numeri 6,15).<br />
Erwähnung findet das Salböl auch in<br />
Psalm 133, 2: „Eintracht der Brüder<br />
ist wie der Balsam (= Salböl), der vom<br />
Haupt Aarons herabfließt in seinen<br />
ganzen Bart und wie der Tau in <strong>den</strong><br />
Saum seines Kleides.“ Die im 2. Buch<br />
Mose in ihrer Zusammensetzung genau<br />
beschriebenen heiligen Salböle<br />
waren ausschließlich dem Bereich<br />
Gottes vorbehalten. Diese Duftmischung<br />
durfte nicht für einfache persönliche<br />
Zwecke verwendet wer<strong>den</strong>.<br />
Sardische Bauern pressen das Olivenöl
CHRISAM-MESSE<br />
Am Gründonnerstag, dem Tag vor<br />
dem Beginn der großen Osterfeier,<br />
wer<strong>den</strong> am Vormittag in <strong>den</strong> Bischofskirchen<br />
die heiligen Öle geweiht:<br />
der Chrisam für die Salbung nach der<br />
Taufe, für die Firmung, die Weihe des<br />
Bischofs und des Priesters, auch für die<br />
Weihe von Kirchen und Altären; das<br />
Katechumenenöl für die Salbung vor<br />
der Taufe; das Krankenöl für das Sakrament<br />
der Krankensalbung.<br />
Wegen seiner wohltuen<strong>den</strong> Wirkung<br />
ist das Öl in der Heiligen Schrift Sinnbild<br />
für Gesundheit, Freude, Kraft des<br />
Geistes, Glück des Frie<strong>den</strong>s (z. B. Ps<br />
45.8; 23.5; 104.15; Jes 61,3). Gesalbt<br />
wur<strong>den</strong> im Alten Bund vor allem die<br />
Könige und die Priester. “Der Gesalbte"<br />
(= Christus) ist dann auch ein<br />
Titel des erwarteten Retters der Endzeit.<br />
Jesus hat die Worte “Der Geist<br />
des Herrn ruht auf mir, <strong>den</strong>n der Herr<br />
hat mich gesalbt" (Jes 61, 1-2: 1. Lesung<br />
dieser Messe) auf sich bezogen,<br />
als er in der Synagoge von Nazaret die<br />
Stelle aus Jesaja vorlas (I.k 4, 16-21;<br />
Evangelium). Die Jünger Jesu haben<br />
von ihrem Herrn nicht nur <strong>den</strong> Namen<br />
„Christen“ (= Gesalbte). sondern<br />
auch die Salbung des Geistes ; sie haben<br />
<strong>den</strong> Geist Christi empfangen und<br />
haben Anteil an seinem königlichen<br />
Priestertum.<br />
Zum Zeichen der Einheit sollen Priester<br />
aus allen Regionen des Bistums<br />
mit dem Bischof gemeinsam diese<br />
Messe feiern.<br />
Die Krankensalbung gibt vielen Menschen<br />
Kraft und kann immer wieder in Krankheit<br />
empfangen wer<strong>den</strong><br />
Manche Bistümer haben diese Messe<br />
auf <strong>den</strong> Montag der Karwoche vorverlegt,<br />
weil dann die Priester und Küster<br />
Zeit haben, das Öl für die Pfarrkirche<br />
abzuholen, zusammen zu essen und<br />
evtl. zu <strong>bei</strong>chten.<br />
151
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
“Dein Wort ist ein Licht für<br />
meine Pfade.”<br />
Der Sonntag der Weltmission am 28.<br />
<strong>Oktober</strong> <strong>2012</strong> steht in diesem Jahr unter<br />
dem Psalmvers „Dein Wort ist ein<br />
Licht für meine Pfade.“<br />
Er ist <strong>den</strong> Christen in Papua Neuguinea<br />
gewidmet. Der Präsi<strong>den</strong>t von missio,<br />
Dr. Klaus Krämer schreibt dazu:<br />
“Die Begegnung mit der Glaubenspraxis<br />
der Christen in Papua-Neuguinea<br />
kann uns gerade in ihrer Fremdheit<br />
helfen, Gottes Wort als Lichtquelle<br />
für unseren eigenen Lebensweg neu zu<br />
entdecken.”<br />
Bischof Gilles Coté von der Diözese<br />
Daru-Kiunga (Westpapua) und der<br />
Altbischof Karl Hesse (Rabaul) kommen<br />
aus diesem Anlass nach Deutschland.<br />
Schulkinder der Buschmenge (New Britain) feiern die Messe<br />
152<br />
Port Moresby<br />
86 junge Leute haben im Sacred Heart<br />
Teachers College in Port Moresby das<br />
Examen bestan<strong>den</strong> und wer<strong>den</strong> als<br />
GrundschullehrerInnen in <strong>den</strong> Dörfern<br />
von Papua-Neuguinea eingesetzt.<br />
Diese Maßnahme wird von der Europäischen<br />
Union finanziell gefördert.<br />
Die Bedeutung zeigt sich auch in der<br />
Tatsache, dass vier MSC-Bischöfe an<br />
der Feier teilnahmen. Mit dieser Initiative<br />
sollen 3.000 Schüler, besonders in<br />
entlegenen Dörfern, erreicht wer<strong>den</strong>,<br />
die bisher keine schulische Ausbildung<br />
bekommen haben.
Wir gratulieren<br />
30.9. P. Hermann-Josef Dahmen, P. José Huapaya<br />
60 Jahre Or<strong>den</strong>sprofess<br />
7.10. P. Ludger Holtmann 70 Jahre<br />
8.10. P. Klaus Gräve 75 Jahre<br />
9.10. P. Dietrich Düllberg 75 Jahre<br />
12.10. Br. Rubén Trujillo 50 Jahre<br />
31.10. P. Norbert Birkmann 80 Jahre<br />
153
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Natureindrücke<br />
aus Finnland<br />
154
15 Regeln für ein gesundes Alter<br />
Prof. Dr. Andreas Kruse (Heidelberg) hat Regeln für ein gesundes Altern<br />
formuliert:<br />
1. Seien Sie in allen Lebensaltern körperlich, geistig und sozial aktiv!<br />
2. Leben Sie in allen Lebensaltern gesundheitsbewusst!<br />
3. Nutzen Sie Vorsorgemaßnahmen !<br />
4. Es ist nie zu spät, <strong>den</strong> eigenen Lebensstil zu ändern!<br />
5. Bereiten Sie sich auf Ihr Alter vor!<br />
6. Nutzen Sie freie Zeit, um Neues zu lernen!<br />
7. Bleiben Sie auch im Alter offen für positive Ereignisse und neue Erfahrungen!<br />
8. Begreifen Sie das Alter als Chance!<br />
9. Pflegen Sie auch im Alter Kontakte!<br />
10. Geben Sie der Zärtlichkeit eine Chance!<br />
11. Trauen Sie Ihrem Körper etwas zu!<br />
12. Gesundheit ist keine Frage des Alters!<br />
13. Nehmen Sie Krankheiten nicht einfach hin!<br />
14. Suchen Sie nach guter Hilfe und Pflege!<br />
15. Haben Sie Mut zur Selbständigkeit!<br />
Wenn wir nur einen Teil dieser Regeln beherzigen, können wir uns auf ein<br />
gelungenes Alter freuen.<br />
155
Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e<br />
Verstorbene<br />
Schwestern<br />
Schwester M. Franzeska MSC –<br />
Beate Fabricius<br />
geb. 09.04.1922 in Münster<br />
erste Profess 16.08.1953<br />
Stationen ihres Lebens:<br />
30 Jahre Ärztin in Namibia<br />
gest. 28.06.<strong>2012</strong> in<br />
Mariental/Namibia.<br />
Schwester M. Gunthild MSC –<br />
Maria Daams<br />
geb. 12.08.1920 in Untereschbach<br />
erste Profess 01.02.1948<br />
Stationen ihres Lebens: Hamburg,<br />
B-Dahlem, Wiesba<strong>den</strong>, Türnich,<br />
Dollendorf,<br />
MS-Gievenbeck.<br />
Gest. 12.07.<strong>2012</strong> in MS - Hiltrup.<br />
Schwester M. Clementis MSC –<br />
Martha Averbeck<br />
geb. 10.03.1915 in Ottmarsbocholt<br />
erste Profess 16.08.1936<br />
Stationen ihres Lebens: K-Hohenlind,<br />
Westönnen, Arnsberg - Oeventrop.<br />
gest. 09.08.<strong>2012</strong> in Arnsberg - Oeventrop.<br />
156<br />
Josefsstatue im Klosterwald Hiltrup<br />
Förderer<br />
Paula Berens, Oeventrop<br />
Paul Averbeck, Riesenbeck<br />
Werner Glaremin, Niedereimer<br />
Margret Stecken, Niedereimer<br />
Anneliese Epping, Ochtrup<br />
Anna Laschner, Neu Wulmsdorf<br />
Bernhard Wiesrecker, Hamm<br />
Bernd Kampert, Diepholz
Titelbild:<br />
Indianer aus Brasilien,<br />
Foto Adveniat<br />
Rückseite:<br />
Wasserfall<br />
Foto Rohenkohl<br />
S.129-131 Lièvre<br />
S.132 Renovabis<br />
S.133 Thomas Milz<br />
S.135-137 Herzenswünsche<br />
S.145 Von Boeselager<br />
S.152 MSC Archiv<br />
S.154 Rohenkohl<br />
Unsere Liebe Frau vom hlst. Herzen Jesu<br />
IMPRESSUM 122. Jahrgang<br />
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Unsere Zeitschrift „Hiltruper <strong>Monatsheft</strong>e“<br />
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der Herz-Jesu-Missionare. Es wird<br />
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GRAPHISCHE<br />
AUSBILDUNGSWERKSTÄTTEN<br />
Auflage: 3500 Exemplare<br />
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