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Durch Eulen und Hecken - Ingrid Klimke

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PSI22_02_38_40 VS 27.09.2002 12:10 Uhr Seite 2<br />

38<br />

SERVICE<br />

Der Weg in den Busch – Lehrserie mit <strong>Ingrid</strong> <strong>Klimke</strong>: Teil 10<br />

Vielseitigkeitsreiten hat viel<br />

mit Psyche zu tun. Gerade<br />

bei <strong>Hecken</strong> oder „monströs<br />

umbauten Sprüngen” ist der<br />

optische Eindruck oft gewaltiger<br />

als das Hindernis an<br />

sich. Dann darf man sich<br />

nicht von der Optik erschrecken<br />

lassen, sondern<br />

sollte sich auf die eigentliche<br />

Aufgabe konzentrieren.<br />

<strong>Hecken</strong>, Eingerahmtes<br />

<strong>und</strong> Alternativen:<br />

• <strong>Hecken</strong> –<br />

zum „Wischen-Lernen”<br />

• Eingerahmtes <strong>und</strong><br />

Überdachtes – wenn die<br />

Optik gewaltiger ist als<br />

das Hindernis selbst<br />

• Alternativen –<br />

kürzer <strong>und</strong> schwerer oder<br />

länger <strong>und</strong> leichter<br />

PferdeSport 22/2002<br />

<strong>Durch</strong> <strong>Eulen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Hecken</strong><br />

EULENLOCH: Das <strong>Eulen</strong>loch<br />

ist eine Mischung aus schmalem<br />

<strong>und</strong> überdachtem Hindernis.<br />

Das Pferd muss gehorsam<br />

<strong>und</strong> vertrauensvoll zuspringen.<br />

<strong>Hecken</strong><br />

<strong>Hecken</strong> gehören zu den typischen<br />

Naturhindernissen, die auf der Geländestrecke<br />

oder auf der Rennbahn geritten<br />

werden. Das Rennbahntraining <strong>und</strong><br />

der Rennsitz sind ein Kapitel für sich. Das<br />

würde in unserer Serie „Der Weg in den<br />

Busch – für Einsteiger” zu weit gehen.<br />

Eine Hecke ist ein fre<strong>und</strong>lich gebauter<br />

Hoch-Weitsprung mit einer enthaltenen<br />

Hecke. Die Hecke ist mit Reisig oder dünnen<br />

Zweigen dicht gesteckt, damit das Pferd<br />

„wischen” kann. Auf der Absprungseite soll-<br />

Foto: privat


PSI22_02_38_40 VS 27.09.2002 12:11 Uhr Seite 3<br />

te ein dicker Balken als vorgezogene Gr<strong>und</strong>linie<br />

liegen. Oft sind diese Balken weiß angemalt,<br />

um dem Pferd das Taxieren aus höherem<br />

Tempo zu erleichtern. Zum Üben<br />

eignen sich breite <strong>Hecken</strong> (idealerweise fünf<br />

bis sechs Meter), die mit Fangständern begrenzt<br />

sind. Anfangs sollten sie nicht zu<br />

dicht <strong>und</strong> hoch gesteckt sein, damit das<br />

Pferd keine Angst bekommt <strong>und</strong> sieht, wo es<br />

durchspringt. Das unerfahrene Pferd muss<br />

das „Wischen” durch die Zweige erst lernen.<br />

Viele Pferde überspringen sich noch beim<br />

ersten Mal. Der Reiter sollte deshalb auf seinen<br />

festen Knieschluss achten <strong>und</strong> auf einen<br />

großen Satz gefasst sein.<br />

Wie gehen wir vor?<br />

Zuerst wird die Hecke dem Pferd im<br />

Schritt gezeigt <strong>und</strong> man lässt es schnuppern.<br />

Dann reitet man im frischen Galopp<br />

flüssig an. Galoppieren Sie erst eine R<strong>und</strong>e,<br />

um einen schwungvollen Galopprhythmus<br />

zu entwickeln, bevor Sie von<br />

weitem, auf gerader Linie die Hecke anreiten.<br />

Die Anlehnung an beide Zügel<br />

(egal ob Sie im Rechts- oder Linksgalopp<br />

sind), kann ruhig etwas stärker sein, damit<br />

das Pferd in die Hand „zieht”. Dabei darf<br />

es nicht eng im Hals werden, um den längeren<br />

Galoppsprung nicht zu blockieren.<br />

Das Pferd soll die Hecke gleichmäßig <strong>und</strong><br />

willig anziehen <strong>und</strong> sicher abspringen.<br />

Fehlergefahr<br />

q Das unerfahrene Pferd ist zögerlich<br />

<strong>und</strong> zieht die Hecke nicht an. Der Reiter<br />

steigert das Galopptempo durch zu starkes<br />

Vorwärtsreiten <strong>und</strong> erreicht eine zu hohe<br />

Geschwindigkeit. Das Pferd wird unsicher<br />

im Absprung <strong>und</strong> „unterläuft” den<br />

Sprung, anstatt „sich fliegen zu lassen”.<br />

Man sollte das Galopptempo nicht zu früh<br />

steigern, sondern lieber flüssig <strong>und</strong> energisch<br />

so lange im Gr<strong>und</strong>tempo bleiben,<br />

bis das Pferd vertrauensvoll zuspringt.<br />

q Es kann auch vorkommen, dass Ihr<br />

Pferd während des Anreitens schwankt.<br />

Verhindern Sie ein seitliches Ausbrechen<br />

<strong>und</strong> halten Sie Ihr Pferd gerade. Fangständer<br />

sind eine gute Hilfe.<br />

Hat das Pferd seine neue Aufgabe willig<br />

gesprungen, machen Sie eine Schrittpause<br />

<strong>und</strong> loben es.<br />

Eingerahmter, überdachter<br />

Sprung, <strong>Eulen</strong>loch<br />

Manche Kursdesigner übertreffen sich mit<br />

phantasievoller Hindernisgestaltung. Dazu<br />

gehört auch diese Art von Verkleidung.<br />

DURCH DIE HECKE WISCHEN: Nur der<br />

untere Teil des Hindernisses ist fest.<br />

Das Pferd „wischt” durch die Hecke.<br />

Das eigentliche Naturhindernis ist nicht<br />

problematisch oder besonders hoch oder<br />

weit, sondern die Optik macht es interessant.<br />

Ob es sich um einen überdachten<br />

Melkstand, eine eingerahmte Biertheke<br />

oder ein <strong>Eulen</strong>loch handelt – immer ist es<br />

eine Gehorsams- <strong>und</strong> Vertrauensübung.<br />

Lassen Sie Ihrem Pferd beim Anreiten<br />

Zeit, die Übersicht zu gewinnen, <strong>und</strong> wählen<br />

Sie ein nicht zu hohes Gr<strong>und</strong>tempo.<br />

Diese Hindernisse findet man selten auf<br />

Übungsplätzen. Hat man die Möglichkeit<br />

vor dem ersten Geländeritt solch ein Hindernis<br />

zu testen, sollte man es zur Sicherheit<br />

tun. Ist das Dach dicht über dem Hindernis,<br />

kann es auch vorkommen, dass das<br />

unerfahrene Pferd versucht, sich über<br />

dem Sprung leicht zu ducken. Auch haben<br />

große Reiter mit langem Oberkörper anfangs<br />

Bedenken, dass sie oben anstoßen.<br />

Keine Sorge!<br />

Wenn Sie diese Art von Hindernissen einige<br />

Male gesprungen sind, werden Sie<br />

feststellen, dass es leichter ist als es aussieht.<br />

Lassen Sie Ihr Pferd gucken <strong>und</strong> bleiben<br />

mit dem Gesäß am Sattel, um besser<br />

treiben zu können, falls es stocken sollte.<br />

Kombinationen mit Alternativen<br />

Selbstverständlich gibt es in Geländeritten<br />

nicht nur Einzelhindernisse, sondern<br />

Gr<strong>und</strong>sätze<br />

q <strong>Hecken</strong> – Hecke zunächst<br />

nicht zu dicht <strong>und</strong> zu hoch<br />

gesteckt, damit die Pferde das<br />

„Wischen” lernen. Vorgezogene<br />

Gr<strong>und</strong>linie, breite <strong>Hecken</strong> <strong>und</strong><br />

Fangständer sind hilfreich.<br />

q Eingerahmte Sprünge,<br />

<strong>Eulen</strong>loch – sind Vertrauens-<br />

<strong>und</strong> Gehorsamsübungen.<br />

Lassen Sie Ihrem Pferd Zeit<br />

zum Gucken beim Anreiten.<br />

q Alternativen – jeder Reiter sollte<br />

sein Pferd sehr gut kennen,<br />

um einschätzen zu können,<br />

welchen Weg er wählt: kurz <strong>und</strong><br />

schwer oder länger <strong>und</strong> leichter.<br />

q Fazit:<br />

Aus Erfahrung kann ich Ihnen versichern,<br />

dass das gegenseitige Vertrauen<br />

im Busch, das harmonische<br />

Verstehen <strong>und</strong> das gemeinsame Erobern<br />

der Natur für Reiter <strong>und</strong> Pferd<br />

eine herrliche Herausforderung ist.<br />

Genießen Sie es!<br />

DIE AUTORIN<br />

INGRID KLIMKE (34) ist dreimalige Deutsche<br />

Meisterin in der Vielseitigkeit <strong>und</strong><br />

wurde bei den Olympischen Spielen 2000<br />

Mannschafts-Vierte. Zudem war sie in<br />

diesem Jahr Siebte beim Weltcup-Finale<br />

der Dressurreiter. Die Vielseitige hält<br />

Lehrgänge im Dressur-, Spring- <strong>und</strong> Vielseitigkeitsreiten,<br />

ist Stützpunkt-Trainerin<br />

Dressur in Westfalen <strong>und</strong> betreibt einen<br />

Turnierstall mit zehn Pferden. Gemeinsam<br />

mit ihrem Vater war <strong>Ingrid</strong><br />

<strong>Klimke</strong> bereits als Autorin<br />

für Lehrbücher <strong>und</strong><br />

-filme tätig. Zur Zeit<br />

überarbeitet sie das<br />

Buch: „Die Gr<strong>und</strong>ausbildung<br />

des jungen<br />

Pferdes”.


PSI22_02_38_40 VS 27.09.2002 12:11 Uhr Seite 4<br />

40<br />

SERVICE<br />

FREUNDLICH: Dieser Oxer ist durch die Hecke<br />

fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> einladend. Mit den massiven<br />

Balken wird er vom Pferd besser wahrgenommen.<br />

VORBILDLICH: Als flüssiger Hochweitsprung<br />

muss diese Trippelbare mit Schwung angeritten<br />

werden. Die Steine unter der ersten Stange als<br />

Gr<strong>und</strong>linie erleichtern das Taxieren.<br />

KOMBINATION MIT ALTERNATIVE:<br />

Beispiel der S-Sprung – drei Steilsprünge auf<br />

direktem kurzen Weg (rote Linie) oder zwei<br />

Steilsprünge mit längerem Weg (blaue Linie).<br />

PferdeSport 22/2002<br />

Fotos: Julia Rau (5)<br />

FAIR: Die Bank ist gut vorgebaut <strong>und</strong> die<br />

obere Kante weiß gestrichen. So faire<br />

Hindernisse wünscht man sich.<br />

auch Kombinationen, vergleichbar mit<br />

Springparcours. Die Abstände <strong>und</strong> Distanzen<br />

können unterschiedlich sein, sollten<br />

aber immer passend <strong>und</strong> fair gebaut<br />

sein. Einen Unterschied zum Springsport<br />

gibt es im Vielseitigkeitssport: die Wahl<br />

der Alternative. In der Regel ist es so, dass<br />

der direkte Weg der schnellere <strong>und</strong> der<br />

schwerere Weg ist. Die Alternative ist<br />

leichter, dafür aber länger <strong>und</strong> kostet mehr<br />

Zeit. Diese Alternativ-Wege gibt es nicht<br />

nur bei Kombinationen, sondern sollten<br />

bei anspruchsvollen Hindernissen immer<br />

eine leichtere Variante bieten. Jeder Reiter<br />

kann individuell für sich <strong>und</strong> sein Pferd<br />

entscheiden, welchen Weg er wählt.<br />

Kombinationen mit Alternativen gibt es<br />

in unzähligen Formen. Um Ihnen ein Beispiel<br />

zu geben, zeigt die Grafik die Länge<br />

der beiden möglichen Wege <strong>und</strong> die unterschiedliche<br />

Anzahl der Sprünge. Jeder Reiter<br />

kennt sein Pferd gut <strong>und</strong> weiß, ob es<br />

beispielsweise am Ende einer Strecke müde<br />

ist oder ob es an gewissen Hindernissen<br />

noch unsicher <strong>und</strong> das Risiko eines<br />

Vorbeiläufers zu groß ist. Auch wenn ich<br />

mich beim ersten Abgehen der Geländestrecke<br />

für den direkten Weg entscheide,<br />

gucke ich mir den alternativen Weg sorgfältig<br />

mit an. Man weiß nie, wie es in der<br />

Prüfung läuft. Deswegen ist es wichtig,<br />

Plan A <strong>und</strong> Plan B im Kopf zu haben.<br />

Technisches Verreiten aufgr<strong>und</strong> von falscher<br />

Linienführung kommt leider häufiger<br />

vor als nötig.<br />

Üben kann man solche Kombinationen<br />

mit mobilen, transportablen Naturhindernissen.<br />

Geschicklichkeit <strong>und</strong> Aufmerksamkeit<br />

von Reiter <strong>und</strong> Pferd spielen eine<br />

VORZEIGEMANIER: Dieses Strohdach hat<br />

zwei unterschiedliche Höhen <strong>und</strong> man<br />

kann es von beiden Seiten springen.<br />

Reiter <strong>und</strong> Pferd in herrlicher Manier!<br />

wesentliche Rolle. Auch das Üben von<br />

schrägem Anreiten <strong>und</strong> engeren Wendungen<br />

kann ähnlich wie für einen Stechparcours<br />

trainiert werden.<br />

Nachdem Sie die charakteristischen Geländehindernisse<br />

kennen gelernt haben,<br />

sehen Sie anhand der Fotos Beispiele für<br />

Hindernisse, die Sie auf Ihren zukünftigen<br />

Geländeritten antreffen können. Ob<br />

Strohballen, Jägerzaun oder Holzstoß,<br />

wählen Sie immer das passende Tempo,<br />

den optimalen Anreitweg <strong>und</strong> stören Sie<br />

nicht den flüssigen Rhythmus. Wie diese<br />

drei Komponenten, für die Sie verantwortlich<br />

sind, gewählt werden, ist von der Situation<br />

abhängig. Berücksichtigen Sie, ob<br />

es sich im Typ eher um einen Steilsprung<br />

(Bsp. Jägerzaun), einen Hochweitsprung<br />

(Bsp. Trippelbare) oder einen Oxer handelt.<br />

Auch auf das Geläuf <strong>und</strong> die Bodenverhältnisse<br />

ist zu achten. Haben Sie die<br />

verschiedenen Geländehindernisse in<br />

fremder Umgebung geübt, sind alle Voraussetzungen<br />

für das Reiten der ersten<br />

Prüfung absolviert.<br />

Unser Ziel, das harmonische <strong>und</strong> sichere<br />

Überwinden von Geländesprüngen, ist erreicht.<br />

Mit jeder Prüfung kann das Üben reduziert<br />

werden, weil die Pferde durch die Prüfungen<br />

lernen. Mögliche Unsicherheiten während<br />

eines Geländeritts müssen durch vertrauensfördernde<br />

Übungen im Training abgebaut<br />

werden: mit einfachen Übungen in kleinen<br />

Schritten das Vertrauen wiederherstellen.<br />

So kommen Sie sicher ans Ziel! I. <strong>Klimke</strong><br />

Dies war der letzte Teil der VS-Serie.<br />

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an<br />

Multiprint Verlags GmbH,<br />

Redaktion PferdeSport,<br />

Aarstr. 1, 65195 Wiesbaden<br />

oder psi@pferdesport-int.com

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