Pfarrblatt Februar 2011 (pdf 7 mb)
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✒ Ich habe einige Lektüren, die mir in schwierigen Situationen<br />
helfen. Oft lese ich dann im kleinen Büchlein von Joh. B. Brantschen<br />
«Gott ist grösser als unser Herz». Diese Seiten haben mich wieder<br />
aufgerichtet.<br />
In Gesprächen mit niedergeschlagenen Menschen habe ich immer<br />
wieder versucht, meinen Gesprächspartnern zu sagen, dass sie zu<br />
sich selbst jetzt besonders gut sein sollen. Wir vergessen oft, dass wir<br />
uns selber lieben sollen. Jede Nächstenliebe ist darauf angewiesen,<br />
dass wir uns selber in einem echten Sinne annehmen und zu uns<br />
selber gut sind. «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» heisst die<br />
biblische Devise. Wir vergessen dabei oft die zweite Hälfte des Satzes.<br />
Der Psychologe C. G. Jung hat zu diesem Problem einmal geschrieben:<br />
Das klingt vielleicht sehr einfach. Das Einfache aber ist immer<br />
das Schwierigste. In Wirklichkeit ist nämlich Einfachsein höchste<br />
Kunst, und so ist das Sichselbstannehmen der Inbegrff des moralischen<br />
Problems und der Kern einer ganzen Weltanschauung.<br />
Dass ich den Bettler bewirte, dass ich dem Beleidiger vergebe,<br />
dass ich den Feind sogar liebe im Namen Christi, ist unzweifelhaft<br />
hohe Tugend. Was ich dem Geringsten unter meinen Brüder<br />
tue, das habe ich Christo getan. Wenn ich nun aber entdecken<br />
sollte, dass der Geringste von allen, der Ärmste aller Bettler, der<br />
Frechste aller Beleidiger, ja der Feind selber in mir ist, ja dass ich<br />
selber des Almosens meiner Güte bedarf, dass ich mir selber der<br />
zu liebende Feind bin, was dann? Dann dreht sich in der Regel<br />
die ganze christliche Wahrheit um, dann gibt es keine Liebe und<br />
Geduld mehr, dann sagen wir zum Bruder in uns «Racha»,<br />
dann verurteilen wir und wüten gegen uns selbst. Nach aussen<br />
verbergen wir es, wir leugnen es ab, diesem Geringsten in uns je<br />
begegnet zu sein, und sollte Gott selber es sein, der in solch ver <br />
ächtlicher Gestalt an uns herantritt, so hätten wir ihn tausendmal<br />
verleugnet, noch ehe überhaupt ein Hahn gekräht hätte. Ein<br />
Sprichwort sagt: «Die Seele nährt sich von dem, an dem sie sich<br />
freut». Ist unsere Seele betrübt, ist es doppelt wichtig, der Seele die<br />
Nahrung der Freude zuzuführen. Da hat wohl jeder Mensch seine<br />
eigenen Rezepte, was Freude macht und aufatmen lässt. Leider<br />
kommt es immer wieder vor, dass Menschen in dieser Situation zu<br />
Trostmitteln greifen, die kaum helfen: zum Alkohol, zur Droge, zum<br />
Suchtmittel. Dadurch kommen Menschen oft noch tiefer in einen<br />
Teufelskreis hinein.<br />
Bei Niedergeschlagenheit rate ich dir folgendes:<br />
� gut ausruhen, gut schlafen;<br />
� ein beruhigendes oder frisches Bad nehmen;<br />
� suche die Weite in der Natur oder einen beliebten<br />
Ort, um Distanz zu bekommen;<br />
� mache Ordnung in deinem Zimmer oder in deiner<br />
Schublade. Höre schöne Musik. Mache dich an ein<br />
Kreuzworträtsel;<br />
� schreibe einem Freund oder besuche ihn, vielleicht<br />
kannst du bei ihm deinen Kropf leeren;<br />
� gehe zu einem kranken oder betagten oder armen<br />
Mitmenschen, dem es noch schlechter geht als dir;<br />
� tu etwas Gutes. Sprich dir selber zu. Singe, bete,<br />
weine, schimpfe, lache. Das bringt deinen Blutkreislauf<br />
in Bewegung, richtet dich auf und kann dich<br />
sogar wieder froh und zuversichtlich machen.<br />
Aus dem lesenswerten Buch «Kleines Lebensbrevier»,von Werner Probst,<br />
KanisiusVerlag<br />
1<br />
Trost durch Mitmenschen<br />
Die menschliche Erfahrung zeigt, dass wir in der Situation des Leidens<br />
unsere Mitmenschen, deren Trost und Hilfe brauchen. Diese<br />
Nähe, das Verstehen und Zuhören lieber Mitmenschen schenkt uns<br />
in der Not neue Sicherheit und Geborgenheit. Nicht umsonst sagt der<br />
Volksmund: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Der Tröstende schlägt eine<br />
Brücke hinüber zum Trost bedürftigen. Es braucht dabei viel Feingefühl,<br />
Bereitschaft zum Zuhören, ein gutes Herz, das dem andern zu<br />
verstehen gibt, dass man spürt, wie es ihm jetzt geht. Das nachfolgende<br />
Beispiel schildert, wie sich ein Mann von seiner Umgebung<br />
getragen fühlt. «Erst in dunklen Stunden habe ich zutiefst erkannt,<br />
was meine Frau und meine Freunde mir sind. Ich wusste: Ich bin<br />
nicht allein gelassen. Die anderen fühlen mit mir und begleiten<br />
mich. Ihr Verstehen, ihre Güte, ihre Liebe trägt mich.»<br />
Allerdings müssen Menschen, die helfen wollen oft einige Widerstände<br />
bei sich selber überwinden. Manch mal möchten wir einem Menschen,<br />
der in Not ist, beistehen, dann aber machen sich heftige<br />
Widerstände in uns bemerkbar: Was soll ich nur einem schwer Erkankten<br />
sagen? Mache ich nicht alles falsch? Ich bin selber nicht so<br />
gut beieinander, kann ich da einem andern helfen? Oder es sträubt<br />
sich etwas in uns, jetzt fremdem Leid zu begegnen. Obwohl wir uns<br />
vepflichtet fühlen jemanden zu besuchen, zu telefonieren oder anzusprechen,<br />
tun wir es nicht. Wir müssen zuerst in uns einen Widerstand<br />
überwinden.<br />
Es kann auch vorkommen, dass gerade geprüfte Men schen augezeichnet<br />
verstehen, andere Menschen aufzurichten. Folgender Bericht<br />
gibt davon Zeugnis:<br />
«Ich kenne eine Frau, die seit 45 Jahren querschnittgelähmt ist. Sie<br />
bekommt oft Besuch, und jeder Besucher möchte diese “hart getroffene”<br />
Frau trösten. Aber jedesmal geschieht das Umgekehrte: Die<br />
Besucher brauchen nicht zu trösten – sie werden getröstet! Durch<br />
das Leid, das ich seit meinem 16. Lebensjahr tragen muss und<br />
immer bewusster mit trage, sagt diese Frau mit fester Stimme, bin<br />
ich ein ganz und gar innerlicher Mensch geworden. Ich lebe mit<br />
Christus und spüre jeden Tag, wie er mir hilft. Hätte ich diese<br />
Verinnerlichung nicht erfahren, wäre ich vielleicht ein gedankenloses,<br />
flatterhaftes Ding geworden. Nun möchte ich allen<br />
Menschen erzählen von meinder Freude, in und mit Christus zu<br />
leben, meinen Tag auszufüllen.»