LK VISUELLE KOMMUNIKATION - apposite
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<strong>LK</strong> <strong>VISUELLE</strong> <strong>KOMMUNIKATION</strong> optische täuschungen 1<br />
Optische Täuschungen<br />
Zwischen dem, was man sieht und dem, was man misst, besteht oft ein Unterschied. Die visuelle<br />
Wahrnehmung ist mehr als nur die Wiedergabe der physikalischen Umwelt. Sonst würden wir beispielsweise<br />
das Flimmern des Monitors oder der Kinoprojektion bemerken.<br />
Unsere Wahrnehmung funktioniert nicht nach mathematischen Kriterien. Das, was wir sehen,<br />
ist jedoch „real“ und kann nicht als „falsch“ bewertet werden. Deswegen ist es für den Gestalter<br />
wichtig nach Kriterien zu arbeiten, die der Eigenartigkeit der visuellen Wahrnehmung gerecht werden<br />
und nicht der Versuchung zu unterliegen, nach rein geometrischen Vermessungen entwerfen<br />
zu wollen.<br />
Folgende klassische Beispiele zeigen exemplarisch einige dieser geometrisch-optischen Wahrnehmungsverzerrungen.<br />
Vergleichstäuschungen<br />
Vergleichstäuschungen veranschaulichen,<br />
wie wichtig die Beziehung zu anderen<br />
Elementen bzw. Umfeld-Faktoren<br />
für das „Augenmaß“ ist.<br />
Die Kreise in der Mitte sind gleich groß.<br />
Die Einschätzung ihrer Größe wird<br />
durch den Kontrast groß - klein dahingehend<br />
beeinflusst, dass dieser den mit<br />
kleineren Kreisen umschlossenen Kreis<br />
größer erscheinen lässt.<br />
Im Beispiel unten scheinen die Diagonalen beider Rhomben ungleich lang zu sein, obwohl sie die<br />
gleiche Länge haben.<br />
Streckentäuschung<br />
Obwohl beide Strecken gleich lang sind,<br />
scheint die mit offener Winkelabgrenzung<br />
länger zu sein. Möglicherweise wird diese<br />
Empfindung dadurch erzeugt, dass durch<br />
offene Winkel der Außenbereich miteinbezogen<br />
wird. Ist ein Regal genau bis zur Hälfte<br />
mit Büchern gefüllt, erscheint die leere Hälfte<br />
kürzer zu sein. Strecken, die mehrfach unterteilt<br />
sind, scheinen länger zu sein.<br />
Bei einfach geteilten Strecken kann sich<br />
diese Wirkung umkehren.<br />
Höhenüberschätzung<br />
Obwohl es geometrisch richtig gezeichnet ist, scheint das erste Quadrat viel zu hoch zu sein. Das<br />
zweite Quadrat wurde in der Höhe optisch ausgelichen. Diese von unserer Wahrnehmung überbewertete<br />
Schätzung der Höhe wird bei der Herstellung typographischer Lettern berücksichtigt: z. B.<br />
werden Querstriche schmaler als stehende Striche gezeichnet.
<strong>LK</strong> <strong>VISUELLE</strong> <strong>KOMMUNIKATION</strong> optische täuschungen 2<br />
Größentäuschung<br />
Verschiebung<br />
Perspektivische Täuschung<br />
Die Linien, die nach oben zusammenlaufen,<br />
werden als parallele Linien, die sich perspektivisch<br />
verjüngen, interpretiert. Die als<br />
entfernter liegend gedeutete horizontale<br />
Linie wird als länger eingeschätzt als die auf<br />
dem Bild unten bzw. „vorne“ platzierte Linie.<br />
(Ponzo‘sche Täuschung).<br />
Die räumliche Wirkung der perspektivischen<br />
Darstellung auf die Wahrnehmung lässt uns<br />
glauben, dass die Figur oben größer ist als<br />
die untere, obwohl auf der Netzhaut beide Reize gleich groß sind.<br />
Obwohl beide Quadrate gleich groß<br />
sind, scheint das mit horizontaler Linienschraffur<br />
schmaler zu sein. Parallele<br />
Linien mit gleichen Abständen beinflussen<br />
die Blickrichtung quer zur Linienrichtung.<br />
So entsteht optisch bei vertikalen Linien<br />
eine Bewegung in horizontale Richtung<br />
sowie bei horizontalen Linien eine Bewegung<br />
in vertikale Richtung. In der Bewegungsrichtung<br />
scheint die schraffierte<br />
Fläche größer zu sein.<br />
Obwohl die Hauptlinien parallel sind<br />
erscheinen sie verschoben zu sein<br />
(Zöller´sche Täuschung).<br />
Die in der Wirklichkeit konzentrischen<br />
Kreise scheinen Spiralen zu sein<br />
(Fraser‘sche Spirale).<br />
Zur Überprüfung benötigt man zusätzlich<br />
die Hilfe des Tastsinns, um den Kreisen<br />
„haptisch“ folgen zu können.<br />
Überlagerung<br />
Spitze Winkel werden größer wahrgenommen<br />
als sie physikalisch sind. Sich überlagernde<br />
Linien scheinen vom Strahlenbündelzentrum<br />
weggedrückt zu sein und<br />
werden scheinbar krumm<br />
(Hering´sche Täuschung).<br />
Raumtäuschung<br />
Die besondere Konstruktion der Parallelperspektive<br />
(ohne Fluchtpunkt) ermöglicht,<br />
dass die Wahrnehmung des Raumes<br />
zweideutig werden kann. Das Gehirn<br />
schaltet dann abwechselnd zwischen<br />
„vorn“ und „hinten“.
<strong>LK</strong> <strong>VISUELLE</strong> <strong>KOMMUNIKATION</strong> optische täuschungen 3<br />
Unmögliche Objekte<br />
Hier herrscht ein Widerspruch zwischen<br />
dem Wahrgenommenen und seiner Interpretation,<br />
der nicht zu widerlegen ist. Das<br />
Reizmuster auf der Netzhaut wird zwar<br />
als ein räumliches Objekt interpretiert,<br />
ist aber seiner Konstruktion nach in der<br />
Realität unmöglich. Hier wirkt das Gesetz<br />
der Geschlossenheit, das besagt, dass<br />
geschlossene Formen als Figur wahrgenommen<br />
werden.<br />
Entsprechend der Position des Blickes<br />
wird der eine oder andere Teil als Figur<br />
interpretiert.<br />
Ein Beispiel aus der Praxis, das auf diesem<br />
Phänomen beruht, findet mian bei<br />
der Gestaltung des Automarkenzeichens<br />
von Renault (frühere Logo-Version).<br />
Bewegungstäuschung<br />
Das entstehende Bild auf der Netzhaut befindet sich an der Stelle, wo es schärfsten gesehen<br />
werden kann. Im nächsten Augenblick bildet sich es sich gleich daneben. Das beobachtete Objekt<br />
scheint sich zu bewegen, indem es Nachbilder auf der Netzhaut hinterlässt, die die Illusion einer<br />
regelmäßigen Bewegung erzeugen (Beispiel „Daumenkino“).<br />
Aus: Handbuch Visuelle Gestaltung, S.P. Radtke, P. Pisani, W. Wolters, Cornelsen-Verlag